12228/J XXV. GP

Eingelangt am 02.03.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Kucharowits, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres betreffend Identitätsfeststellung an Minderjährigen im Donauzentrum am 4. Jänner 2017

„Hier umstellt die Polizei eine Gruppe Tschetschenen“, titelte die Onlineausgabe des Gratisblatts „heute“ am 5. Jänner 2017. Das Bild über dem Artikel zeigt eine große, beleuchtete Weihnachtskugel die vom vergangenen Weihnachtsfest und den Feiertagen kündet, ringsum: Polizei in Uniformen, ein Polizeihund und junge Menschen, vorwiegend männlich, in einem Kessel. Was wirkt, wie der Zugriff nach einer Massenausschreitung ist aber nichts anderes als eine Routinekontrolle, ist in dem Artikel zu erfahren und solle vor allem das Sicherheitsgefühl der Öffentlichkeit steigern.

Dieser Artikel zeigt, dass diese Form von Polizeiaktionen eine gewisse Öffentlichkeit adressieren. Es soll abgebildet werden, dass es in Österreich strenge Kontrollen zum Schutz der Öffentlichkeit gibt. Die Verquickung mit einer „Gruppe Tschetschenen“ geht auf das Konto des Mediums, das darüber berichtet. Es zeigt aber auch, dass derartige Einsätze Tür und Tor öffnen und auch genutzt werden, um Kriminalität bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund zu insinuieren.

Abseits dieser Berichterstattung gibt es Berichte, die uns nachdenklich stimmen und von Betroffenen dieser Routinekontrolle stammen. Berichte von Minderjährigen, die sich in dem Kessel befanden und die Dinge schildern, die nicht nur sensiblen Umgang mit Kindern vermissen lassen, sondern auch einige Fragen aufwerfen. Von fehlender Information ist da ebenso die Rede, wie von aggressiver Stimmung bei den BeamtInnen. Auch von Durchsuchungen wird berichtet und von unterlassener Information der Eltern durch die Behörden. Konkret liest sich eine Passage aus dem Gedächtnisprotokoll einer Betroffenen folgendermaßen, es wurde am Tag der Polizeikontrolle angefertigt:

„Als wir im Kreis waren, wurden wir von den außenstehenden Menschen angestarrt, als ob wir Kino wären. Nach und nach wurden Jungs aufgerufen und von Polizisten durchsucht. Wir durften unser Handy nicht rausnehmen, teilweise nicht reden, oder unsere Hände vor der Brust verschränken. Ein Junge wurde von einem Polizist angegangen: ,Sei leise, letzte Chance', ein anderer mit: ,Hände weg von der Jacke, mach die Jacke auf.' ... Nach etwa 10min in diesem Kreis mussten meine Freundin, ihre Schwester und drei andere Mädchen von dem Kreis weggehen und wurden durchsucht. Als ich zu einer Polizistin gegangen bin und gefragt habe, wie lange das noch dauern wird, weil ich nach Hause muss, meinte die aggressiv zu mir: ,Solange es halt braucht.' Danach sind wir einfach weiter in dem Kreis gestanden.“


Dieser Bericht stammt von einer Dreizehnjährigen, die um 17.45 nach knapp einer Dreiviertelstunde gehen durfte, und die sich zuvor durch Zufall mit Freundinnen im Donauzentrum verabredet hatte und folglich in die Polizeikontrolle gekommen war. Ihre Personalien wurden nicht aufgenommen, weil sie gleich zu Beginn ihre Eltern verständigen konnte, die sie schließlich auch aus dem Kessel abholten. Von ihrer Mutter wissen wir auch, dass auf Nachfrage bei dem verantwortlichen Beamten vor Ort nur zu erfahren war, es handle sich um eine Kontrolle nach §35 SPG und dass es nicht möglich wäre, die Eltern zu informieren, weil sie (die Polizei, Anm.) „da zu viel zu tun hätten“, was vor allem bei Minderjährigen unter 14 Jahren hochproblematisch ist. Weiters wurden andere Jugendliche auch aufgefordert, ihre Handys auszuhändigen und den Sperrcode zu verraten, weil sie ansonsten mit auf die Dienststelle kommen müssten.

Dieser Bericht ist aus unserer Sicht weit besorgniserregender als jener in der Onlineausgabe von „heute“. Einerseits, weil er aufzeigt, dass hier Jugendliche und unter Umständen auch teilweise junge Erwachsene, scheinbar willkürlich festgehalten werden und das offenbar mehr als eine Stunde lang. Andererseits, weil es hier offenbar fehlende Sensibilität der Behörden gegenüber jungen Menschen gibt, die durch solche Erlebnisse die Polizei sicherlich nicht als zusätzlichen Sicherheitsfaktor wahrnehmen und kennenlernen.

Aus diesen Überlegungen heraus stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Inneres folgende

Anfrage:

1)    Wurden durch den Polizeieinsatz am 4. Jänner 2017 im Donauzentrum Straftaten verhindert oder vorgebeugt? Was waren die konkreten Erkenntnisse daraus?

2)    Wie ist ein derartiger Polizeieinsatz zu rechtfertigen? Gab es ein akutes Bedrohungsszenario?

3)    Welche Einheiten der Polizei waren dabei eingesetzt und warum?

4)    Wie hoch sind die Kosten für diesen Einsatz gewesen? Sind diese gerechtfertigt und verhältnismäßig?

5)    Wie viele Identitätsfeststellungen wurden durchgeführt?

6)    Wie viele Jugendliche unter 14 Jahren waren bei den Identitätsfeststellungen dabei, wie viele zwischen 14 und 18 Jahren wurden kontrolliert und wie viele waren über 18?

7)    Wie lange mussten die jungen Menschen in dieser Situation ausharren? Wie lange dauerte der Einsatz gesamt?

8)    Wieso wurden Jugendliche teilweise über eine Stunde festgehalten?

9)    Wieso wurden bei unter 14-jährigen die Eltern nicht über den Verbleib ihrer Kinder informiert, wie im Bericht oben ersichtlich?

10)  Mit welcher Begründung wurden Handys der anwesenden Jugendlichen durchsucht?

11)   Nach welchen Kriterien wurden die Jugendlichen, deren Identität festgestellt wurde, ausgewählt?

12)  Inwieweit ist die Polizei auf solche Einsätze mit jungen Menschen vorbereitet? Gibt es besondere Sensibilisierung im Umgang mit jungen Menschen?

13)   Gab es vergleichbare Einsätze in anderen Einkaufszentren und an öffentlichen Plätzen? Wenn ja, wo, welche und wie viele Personen wurden kontrolliert? Welche Erkenntnisse konnten gewonnen werden? Konnten Straftaten verhindert werden?