12431/J XXV. GP

Eingelangt am 14.03.2017
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Justiz

betreffend die Auswirkungen des im Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2017/2018 enthaltenen Wohnpakets auf den gemeinnützigen Wohnbau

 

„Von den gemeinnützigen Wohnbauträgern sind rund die Hälfte als Genossenschaft und die andere Hälfte als Kapitalgesellschaft organisiert. Während die Genossenschaften ihren Mitgliedern gehören, stehen die Kapitalgesellschaften im Besitz mitunter von Gebietskörperschaften, Kammern, Gewerkschaften, ja sogar Parteien. Alle gemeinnützigen Bauträger unterliegen bestimmten Verpflichtungen – günstige Mietwohnungen zu bauen und zu verwalten –, haben aber auch Privilegien – sie zahlen keine Körperschaftssteuer.

 

Sinkende Haushaltsgrößen und eine wachsende Bevölkerung erhöhen den Bedarf an Wohnraum […]. Die öffentliche Hand muss daher direkt über Gemeindebauten, oder indirekt, über den geförderten gemeinnützigen Wohnbauträger neue Mietwohnungen errichten. Das kostet viel Geld, das die massiv verschuldete öffentliche Hand nicht so leicht lockermachen kann.

 

Das neue Regierungsprogramm enthält einen kurzen Satz – inhaltlich aus dem Plan A für Österreich des Bundeskanzlers übernommen –, der viele Branchenkenner verwundert, oder zumindest verwirrt hat. Unter dem Punkt „Zusätzliche Mobilisierung privaten Kapitals“ heißt es: „Um institutionellen Anlegern Investitionen in Anteile gemeinnütziger Wohnbauträger zu erlauben, soll der künftige Verkaufspreis dieser Anteile über dem Kaufpreis liegen können, ohne dass es zu höheren Gewinnausschüttungen der Wohnbauträger kommen muss.“

 

Dabei prallen jedoch zwei Prinzipen aufeinander: Auf der einen Seite steht die Verantwortung institutioneller Investoren – etwa Versicherungen oder Banken – gegenüber ihren Eigentümern, gewinnorientiert zu investieren.

 

Auf der anderen Seite steht das sogenannte Vermögensbindungsprinzip, das wiederum auf zwei Aspekten beruht:

·               Gemeinnützige Wohnbauträger dürfen nur sehr beschränkt Gewinne machen und müssen diese wiederum in günstige Wohnungen investieren. Das Vermögen ist somit in der Gesellschaft gebunden und darf nicht an die Eigentümer ausgeschüttet werden.


·               Darüber hinaus dürfen die Anteile an den Gemeinnützigen nicht über ihrem ursprünglichen Wert verkauft werden. Statt mit den Anteilen zu handeln, um das beste Angebot anzunehmen, muss sich jeder Eigentümer an den von vornherein festgelegten Preis halten.

 

Eine Gewinnbeteiligung und mehr Spielraum beim Verkaufspreis würden potenziell dazu führen, dass Vermögen aus den gemeinnützigen Bauträgern abfließt. Diese genießen ihre Steuer- und Förderprivilegien jedoch auf der Basis, fast alles in den Wohnbau zu reinvestieren. […] Zusätzlicher günstiger Wohnbau entsteht dadurch wohl kaum. Außer vielleicht im gemeinnützigen Luftschloss.“

(Quelle: https://nzz.at/oesterreich/geld/gemeinnuetziges-wohnen-im-luftschloss)

Seine Wurzeln hat das Vorhaben im „Plan A“ der Sozialdemokratie. Die Regelung soll im November 2017 umgesetzt werden. Die Zielsetzung besteht offenkundig darin, die Grundprinzipien der Gemeinnützigkeit zugunsten von Profitinteressen zu opfern. Konkret wird am Vermögensbindungsprinzip gerüttelt, aber auch, und das ist besonders hervorzuheben, der Generationenausgleich (nachdem das erwirtschaftete Eigenkapital zur Sicherung einer nachhaltigen Wohnversorgung bestehender und zukünftiger Nutzer auf Dauer für Zwecke des gemeinnützigen Wohnungswesens gebunden und zu verwenden ist, § 1 Abs 3 WGG) ernsthaft in Frage gestellt. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde am 27. Jänner 2017 via E-Mail den Wohnbaureferenten der Länder, den Wohnbauförderstellen und den Bautensprechern der Parlamentsfraktionen übermittelt. 

 

Martin Orner, Vorstandsmitglied der EBG Gemeinnützige Ein- und Mehrfamilienhäuser Baugenossenschaft reg. Gen. m. b. H. führte zum genannten Vorhaben aus: „Die Formulierung soll Folgendes verschleiern: Die Wr. Städtische ist – und das ist kein Geheimnis – unzufrieden mit der beschränkten Gewinnausschüttung, ihre Aktionäre würden gerne die in der Sozialbau erzielten Gewinne abschöpfen und einstecken. Im Zuge der WGG-Novelle 2016 ist bereits einmal ein Versuch gescheitert, diese Regelungen aufzuweichen. Man hat dazugelernt, die Versicherung hat einen ehemaligen Bundeskanzler in dieser Angelegenheit als Lobbyisten engagiert, dessen ehemaliger Staatssekretär ist übrigens gerade in den Vorstand der Sozialbau eingezogen. […] Inhaltlich ist das natürlich Unfug, dass die Sozialbau mehr Wohnungen bauen kann, wenn man ihre Gewinne abschöpft, kann auch ein von betriebswirtschaftlichen Kenntnissen völlig Unbeleckter nicht glauben.“

 

Insgesamt bringt das Regierungsvorhaben durch die Abwendung von den Bewohnerinteressen und die Hinwendung zu den Profitinteressen der institutionellen Investoren eine gravierende Veränderung der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft mit sich. Die Folgen für den Wohnungsmarkt wären wohl verheerend. Die kurzfristige Mobilisierung privaten Kapitals würde um den Preis erkauft, das System der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft zugunsten der Finanz- und Versicherungsbranche der Erosion auszusetzen!

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende


ANFRAGE

 

 

1.    Werden Sie sich für die Schaffung von Regelungen einsetzen, aufgrund derer gewährleistet wird, dass die geplanten Möglichkeiten zur Gewinnausschüttung nicht den in § 1 Abs 3 WGG verankerten Grundsatz des Generationenausgleichs beeinträchtigen?

 

2.    Wenn nein, warum nicht?

 

3.    Werden Sie sich für die Schaffung von Regelungen einsetzen, aufgrund derer gewährleistet wird, dass trotz des geplanten liberalisierten Handels mit Anteilen an gemeinnützigen Bauvereinigungen die Zielsetzung der Schaffung und Absicherung leistbaren Wohnraums nicht beeinträchtigt wird?

 

4.    Wenn nein, warum nicht?

 

5.    Werden Sie sich für die Schaffung von Regelungen einsetzen, aufgrund derer gewährleistet wird, dass die derzeit bestehende KÖSt-Befreiung der gemeinnützigen Bauvereinigungen auch bei Wegfall des zentralen Gegenstücks – der Vermögensbindung – weiterhin sachlich gerechtfertigt und aufrechterhalten werden kann?

 

6.    Wenn nein, warum nicht?