12692/J XXV. GP

Eingelangt am 31.03.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Sigrid Maurer, Berivan Aslan, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend Streichung genderbasierter Lehre in der Publizistik und Kommunikationswissenschaft

BEGRÜNDUNG

 

Am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien sollen im kommenden Studienplan Lehrveranstaltungen der Geschlechterforschung gestrichen werden. Damit setzt sich ein Trend an der Universität Wien fort, die Geschlechterforschung zu marginalisieren. Nachdem zuerst die einzige denominierte Professur für Gender Studies in Österreich nicht strukturell verankert wurde hier sprangen in letzter Sekunde drei Fakultäten für den Erhalt der Professur für weitere drei Jahre ein –, und der von Prof.in Eva Kreisky aufgebaute und geprägte Forschungsschwerpunkt der Geschlechterforschung bei der Nachbesetzung der Professur für Staatstheorie am Institut für Politikwissenschaft nicht berücksichtigt wurde[1], ist dies nun der nächste Schritt in einem beunruhigenden rückschrittlichen Trend.

Dieser Trend steht im Widerspruch zu gesamtuniversitären, nationalen und internationalen Bekenntnissen zur Gleichstellung und der Förderung von Geschlechterforschung. Zudem entlarvt er diese als leere Worthülsen.

Im Frauenförderplan in ihrer Satzung bekennt sich die Universität Wien explizit zur Geschlechterforschung: “Die Universität Wien betrachtet Frauen- und Geschlechterforschung als wesentlichen Teil von Forschung und Lehre“ (Präambel, Frauenförderplan der Universität Wien).[2]

Im Entwicklungsplan 2020 hält die Universität weiters fest, dass „[…] die Verankerung einer genderbewussten Perspektive in Forschung, Lehre und Administration weiterhin zu den wichtigen Gestaltungsprinzipien der Universität“ gehört.[3]

Besonders widersprüchlich ist außerdem, dass die Publizistik und Kommunikationswissenschaft den im Entwicklungsplan 2020 und in den Leistungsvereinbarungen 2016-2018 festgelegten Forschungsschwerpunkt Geschlecht und Transformation“ trägt. Ziel dieses Schwerpunktes ist ua „die geschlechtssensible Theoretisierung und Analyse aktueller Transformationen von Gesellschaft, Ökonomie, Politik, Medien und Kultur“, wobei die Forschung im Bereich von neuen Medien besonders hervorgehoben ist.[4]

Der Trend zur Marginalisierung der Geschlechterforschung an der Universität Wien steht aber nicht nur im Widerspruch zu universitätsinternen Dokumenten, sondern auch zu Abkommen auf europäischer Ebene. So ist in der letztes Jahr verabschiedeten ERA Roadmap in der vierten Priorität „Gender equality and gender mainstreaming in researchdie zentrale Bedeutung der Auseinandersetzung mit Geschlecht auf allen Ebenen des Forschungsprozesses, sowie die Institutionalisierung der Geschlechterforschung als eigene Denomination betont.[5]

Diese universitätsinternen und übergeordneten Dokumente anerkennen die Wichtigkeit der Geschlechterforschung und sehen in der Auseinandersetzung mit den Faktoren der Ungleichheit einen fundamentalen Beitrag für tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern. Die praktische Umsetzung wird diesen Ansprüchen bei Weitem nicht gerecht.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie sind die erneuten Streichungen genderbasierter Lehrveranstaltungen mit den Bekenntnissen zu genderbewusster Lehrer und Forschung im Entwicklungsplan 2020 (S 16) vereinbar?

 

2)    Der Entwicklungsplan ist ein strategisches Planungselement. Ist die Universität Wien an die Umsetzung des Entwicklungsplanes gebunden?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Wenn ja, warum wird ihm dann dennoch nicht entsprochen?

 

3)    Im Entwicklungsplan 2020 ist der Forschungsschwerpunkt „Gender and Transformation“ für die Sozialwissenschaftliche Fakultät festgelegt (S 89ff). Wie ist es für die Universität vereinbar einen Forschungsschwerpunkt festzulegen und anschließend die dazugehörige forschungsgeleitete Lehre zu streichen?

 

4)    In dem, in der Satzung verankerten Frauenförderungsplan sieht die Universität Wien „Frauen- und Geschlechterforschung als wesentlichen Teil von Forschung und Lehre“. Inwiefern ist die Streichung genderbasierter Lehre aus dem Studienplan der Publizistik und Kommunikationswissenschaft damit vereinbar?

 

5)    Die aus dem Studienplan der Publizistik und Kommunikationswissenschaft gestrichenen Lehrveranstaltungen der Geschlechterforschung erfreuten sich hoher Teilnehmer_innenzahlen und guter Evaluierungsergebnisse. Wie rechtfertigen Sie die Streichung aus Sicht der Qualitätssicherung?

 

6)    Wurden die Lehrveranstaltungen aus konkreten finanziellen Gründen gestrichen?

a.    Wenn ja, wie viel Geld soll mit der Streichung eingespart werden?

b.    Wenn ja, wofür soll dieses Geld dann verwendet werden?

 

7)    Wurden die Lehrveranstaltungen aus inhaltlichen Gründen gestrichen? Wenn ja, um welche konkreten inhaltlichen Gründe handelt es sich?

 

8)    Welche konkreten Schritte planen Sie um die Geschlechterforschung an der Universität Wien sicherzustellen?

 

9)    Die österreichische ERA Roadmap hält in ihrer vierten Priorität „Gender equality and gender mainstreaming in researchdie zentrale Bedeutung der Auseinandersetzung mit Geschlecht auf allen Ebenen des Forschungsprozesses fest, und betont die Institutionalisierung der Geschlechterforschung als eigene Denomination. Wie sind die wiederholten Vorkommnisse an der Universität Wien mit den Bestrebungen der ERA Roadmap vereinbar?

 

10) Ist geplant in den nächsten Leistungsvereinbarungsverhandlungen konkrete Schritte zur Absicherung der Geschlechterforschung an der Universität Wien zu setzen?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn nein, warum nicht?

 



[1] Parlamentarische Anfrage (3991/J) zu den feministischen Professuren an der Universität Wien: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03991/index.shtml und

Selbstständiger Entschließungsantrag (1222/A(E)) zur Sicherstellung der Frauen- und Geschlechterforschung an den Universitäten: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01222/index.shtml

[2] Frauenförderungplan universität Wien: https://satzung.univie.ac.at/frauenfoerderungsplan/

[3] Entwicklungsplan 2020 (S 16): https://www.univie.ac.at/rektorenteam/ug2002/entwicklung.pdf

[4] ebd. (S.89ff. besonders S 91-92)

[5] Österreichische ERA Roadmap (S 28ff): https://era.gv.at/object/document/2581/attach/oesterreichische_ERA_Roadmap.pdf