12739/J XXV. GP

Eingelangt am 11.04.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Birgit Schatz, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für

Kunst und Kultur, Verfassung und Medien

betreffend Begleitmaßnahmen zur besseren Durchsetzung des Bestbieterprinzips aus arbeitsmarktpolitischer Sicht

BEGRÜNDUNG

Öffentliche Aufträge machen je nach Schätzung ein Fünftel bis Sechstel der Wirtschaftsleistung in Österreich aus. Das Vergabevolumen wird zwischen 16% bis 20% des BIP geschätzt. Das bedeutet zwischen 48 bis 54 Milliarden Euro pro Jahr gibt die öffentliche Hand für Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge aus.

Das Vergabegesetz regelt umfassend wie Vergaben abgewickelt werden: von der Wahl des Vergaberegimes, der Bekanntmachung, der Ausschreibungsbestandteile, dem Zuschlagssystem, der Prüfung der Anbote, den Vertragsbestandteilen bis zu den Auszahlungsmodi.

Aus Arbeitsmarktsicht wird die öffentliche Hand durch die Vergabe von Aufträgen indirekt auch zum Impulsgeber für gute Arbeitsbedingungen. Die letzte Vergaberechtsnovelle hatte die Stärkung des Bestbieterprinzips zum Ziel. Das Merkmal dieses Vergaberegimes ist das Vorhandensein von mehr als einem Zuschlagskriterium (abseits des Preises). Wann das Bestbieterprinzip verpflichtend angewendet werden muss, wird im Vergabegesetz geregelt. Offen lässt das Gesetz aber die Gewichtung der preisfremden Kriterien im Verhältnis zum Preis.

Dass diese offene Gewichtung eine Hintertür im Bestbieterprinzip bietet, war allen Entscheidungsträgerinnen klar. Im Zuge der Beschlussfassung der sogenannten kleinen Vergaberechtsnovelle 2015 forderten die Grünen bereits intensiv das Beratungs- und Unterstützungsangebot für ausschreibende Stellen massiv auszubauen, da Vergaben gerade nach dem Bestbieter-Prinzip sehr komplexe Anforderungen stellen.

Eine im Jänner 2017 erschienene WIFO-Studie bestätigt nun unsere damalige Kritik: in jeder fünften Bestbietervergabe ist der Preis mit über 95% gewichtet, in 44% der Vergaben macht der Preis zumindest 80% aus (Datenbasis Vergaben im Oberschwellenbereich seit 2009, WIFO, 2017). Der rechtliche Rahmen wird also nicht ausgeschöpft. In der Praxis untergräbt der öffentliche Auftraggeber das Prinzip des „qualitativen Wettbewerbs“ selbst. Am Papier steht Bestbieter oben, de facto ist ein getarntes Billigstbieterverfahren drinnen.

 

Die StudienautorInnen führen die Gründe für die zurückhaltende Anwendung an: die ausschreibenden Stellen hätten zu wenig Erfahrung und juristisches Fachwissen, ebenso besteht durch die unklare Anwendung der Kriteriengewichtung die Gefahr der Rechtsunsicherheit (und das Risiko von Anfechtungen).

Um die Anwendung des Bestbieterprinzips zu erleichtern und somit auch die rechtlichen Möglichkeiten besser auszuschöpfen, braucht es Referenzkataloge und Richtlinien, als auch eine Stelle, die Beratung und fachliches Wissen zur Verfügung stellt.

Diese Vorschläge wären als begleitende Maßnahmen zur besseren Durchsetzung des Bestbieterprinzips auch in Aspekten von guten Arbeitsbedingungen für Beschäftigte möglich. Diese Anfrage hat das Ziel, Rückmeldungen über beschäftigungspolitische Zielsetzungen im Rahmen von Vergabeverfahren, begleitende und unterstützende Maßnahmen und bereits erfolgte Umsetzungsschritte, zu erhalten.

Bereits im Frühjahr 2016 gab es eine Grüne Anfrage inwieweit kleine öffentliche Auftraggeber bereits mittels Kriterienkatalogen, Leitfäden, Beratung und Unterstützung in Vergabeverfahren unterstützt werden (8318/J). Die Beantwortung ergab, dass es zwar vereinzelt unverbindliche Kriterienkataloge gibt, allerdings nicht für beschäftigungspolitische Aspekte. Ebenso machte die Antwort deutlich, dass es neben dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst weder institutionalisierte Beratungsstellen noch spezifische Angebote in den Bundesländern gibt (8096/AB). Basierend auf diesen Ergebnissen geht diese Anfrage den beschäftigungspolitischen Aspekten nach.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1)    Welchen Handlungsbedarf sieht das Bundeskanzleramt angesichts der WIFO- Studienergebnisse, dass Bestbieterverfahren oftmals versteckte Billigstbieterverfahren sind?

a.    In welche Art und Weise wird in der Ist-Situation dadurch konkret dem Wettbewerb über Lohnkosten bei öffentlichen Vergaben Einhalt geboten?

2)    Welche begleitenden Maßnahmen zu Beratung und Gestaltungsmöglichkeiten sind im Rahmen der sogenannten kleinen Vergabenovelle, die seit 2016 in Kraft ist, gesetzt worden?

a.    Wenn ja, wie sehen diese konkret aus?

b.    Wenn ja, in welchem Umfang und Zeitraum werden diese angeboten?

c.     Wenn ja, wie sieht die Gewichtung nach Bau-, Liefer-, und Dienstleistungsaufträgen aus?

d.    Welche Stellen führen die Maßnahmen aus?


e.    Welche Rolle nimmt die Bundesbeschaffungsgesellschaft bei der Beratung und Information ein?

f.      Wenn nein, warum gab es keine begleitenden Beratungs- und Informationsmaßnahmen?

3)    Sind begleitende Maßnahmen zur Beratung und Gestaltungsmöglichkeiten parallel zum Inkrafttreten der 2. Vergaberechtsreform, die bis April 2017 in Begutachtung ist, geplant?

a.    Wenn ja, wie sehen diese konkret aus?

b.    Wenn ja, in welchem Umfang und Zeitspanne werden diese angeboten?

c.     Wenn ja, wie sieht die Gewichtung nach Bau-, Liefer-, und Dienstleistungsaufträgen aus?

d.    Welche Stellen führen die Maßnahmen aus?

e.    Welche Rolle könnte die Bundesbeschaffungsgesellschaft bei der Beratung und Information spielen?

f.      Wenn nein, warum nicht?

4)    Zu welchen Ergebnissen bezüglich der rechtlichen Unterstützung von öffentlichen Auftraggebern kam die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Vergaberichtlinien?

5)    Gibt es bereits Schritte in Richtung Einrichtung einer zentralen Stelle, die Daten zu öffentlichen Vergabe sammelt, Beratung für öffentliche Stellen anbietet und Richtlinien verfasst?

6)    Welches Fachwissen ist aus Sicht des Bundeskanzleramts notwendig um öffentlichen Ausschreibungen zu verfassen, zu prüfen und zu kontrollieren?

a.    Welche Wissensdefizite sind derzeit am größten?

b.    Welche Ebenen (Bund/Länder/Gemeinden) bräuchten am stärksten Unterstützung bei der Ausgestaltung von öffentlichen Vergaben?

c.     Welche Rolle könnte die Bundesbeschaffungsgesellschaft im Zugänglichmachen der Expertise spielen?

7)    Gibt es bereits Schritte in Richtung Erstellung von Referenzkatalogen, angemessene Leistungs-, und Zuschlagskriterien für Dienstleistungsaufträge?

a. Und wenn ja, wer erstellt diese?

8)    Im Rahmen welcher beschäftigungspolitischen Leitlinien (Mindestanforderungen z.B. zu Ausbildung von Lehrlingen, Beschäftigung von älteren MitarbeiterInnen oder Menschen mit Behinderungen) sollen öffentlichen Vergaben erfolgen?

a.    In welcher Weise werden mögliche Zielkonflikte (z.B. ist es wichtiger Lehrlinge auszubilden oder ältere Beschäftigte in der Belegschaft zu haben?) bei den Eignungs-, Leistungs-, Zuschlagskriterien gelöst?

b.    In welcher Weise könnte die Form der Beschäftigungsverhältnisse Bestandteil der Eignungskriterien sein (z.B. Bevorzugung von regulären zu atypischen Beschäftigungsverhältnissen)?

c.     Wie findet ein Monitoring der angestrebten arbeitsmarktpolitischen Effekte von öffentlichen Vergaben statt?

9)    Welche arbeitsmarktrelevanten Qualitätskriterien könnten nach Einschätzung des Bundeskanzleramts Teil von Referenzkatalogen und Leistungskriterien sein?


10) Welche Qualitätszertifikate bzw. Gütesiegel können nach Einschätzung des Bundeskanzleramts Teil der arbeitsmarktrelevanten Mindestanforderungen an Bieter sein?

11) Welche Art von Kriterien (Eignungs-, Leistungs-, Zuschlagskriterien) sind für gute Arbeitsbedingungen von der öffentlichen Vergabe indirekt erfassten Arbeitnehmerlnnen aus Sicht des Bundeskanzleramts wünschenswert?

12) Welche Art der Gewichtung der Qualitäts-und Sozialkriterien sind aus Sicht des Bundeskanzleramts bei den Zuschlagskriterien wünschenswert?

13) In welchen konkreten Branchen könnten durch die bessere Anwendung des Bestbieterprinzips die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte verbessert werden?