12773/J XXV. GP

Eingelangt am 20.04.2017
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ANFRAGE

 

 

 

 

des Abgeordneten Stefan

und weiterer Abgeordneter

an den Bundeskanzler

betreffend Glaubensgrundsätze der IGGIÖ

 

 

 

Eklatante Schwachstellen beim Vollzug des Islamgesetzes

 

Das Islamgesetz 2015 verfolgt u.a. die Intention, den Muslimen in Österreich eine bessere Organisationsstruktur zur Kultivierung ihres Glaubens zu geben. Während das Gesetz auf vielen Ebenen eklatante Schwächen aufweist (z.B. die völlig untaugliche Unterbindung der Auslandsfinanzierung von Moscheegemeinden), ist eine Unzulänglichkeit im Vollzug des Gesetzes besonders hervorzuheben, da die Folgen für die Rechtsstaatlichkeit nicht abschätzbar sind.

 

Einer der wichtigsten Bezugsrahmen für die Verwaltungspraxis stellen die Glaubens-grundsätze der Religionsgemeinschaften dar. Anhand dieser ist deren dauerhafte Verpflichtung und Übernahme von Verantwortung anzulegen. Verantwortung bedeutet das Einstehen für Folgen und Schäden, die ihre Ursache oder ihren Grund in einem Bereich haben, über den der Verantwortungsträger eine spezifische Form von Verfügungsgewalt besitzt. Im Hinblick auf die möglichen Wirkungen ihrer Lehre hat die Religionsgesellschaft eine konkrete und juristisch belangvolle Verantwortung für das Handeln ihrer Funktionäre und Mitglieder.  Insbesondere sind folgende Punkte als Ziele der Glaubensgrundsätze zu nennen:

 

·        Herstellung der Transparenz gegenüber Staat und Bevölkerung

·        Sicherung des Primats des staatlichen Rechts und tradierter gesellschaftlicher Normen

·        Durchsetzung des Gesetzesvorbehalts in Bezug auf Religionsfreiheit und Grundlegung der Übernahme von Verantwortung

·        Ermöglichung eines sinnvollen interreligiösen Dialoges

·        Einforderung von Gegenleistungen für Privilegien

·        Formale Grundlegung des Religionsstrafrechtes

 

Die Gemeinschaft der Muslime und in der Folge deren (vermeintliche bzw. selbst-ernannte) formale Repräsentanz IGGiÖ (ab 1979), hat es in den 103 Jahren seit dem ersten Islamgesetz nicht für nötig befunden, die Verpflichtung einer Offenlegung der Glaubensgrundlagen zu erfüllen. Das verwundert nicht weiter, da Strömungen innerhalb der IGGiÖ mit Verbindungen zu Muslimbruderschaft, Milli Görüs und anderen Gruppen wenig Wert auf Transparenz und Öffentlichkeit legen. Nach dem Islamgesetz 2015 kam man dieser Verpflichtung halbherzig nach und präsentierte einen neunseitigen Katalog, der sich im Wesentlichen auf Allgemeinplätze zum Islamischen Glauben beschränkte. Im Gegenzug dazu legte die Schiitische Glau-bensgemeinschaft ein rund 1.000-seitiges Papier vor.

Besonders bemerkenswert: im Katalog der IGGiÖ heißt es unter Punkt 3.1, dass "es eine kanoni-sierte Koran-Übersetzung in die deutsche Sprache nicht gibt, zumal der authentische Text lediglich in arabischer Sprache gilt...".

Als unverbindliche Vorschläge werden zwei Koranübersetzungen als Referenzen genannt. Das hat zur Folge, dass der Vollzug des Gesetzes aufgrund eines der Behörde unbekannten Glaubensinhalts erfolgen muss. Dazu kommt, dass die von der IGGÖ vorgelegte Lehre keine klare Abgrenzung zum islamischen Rechtssystem Scharia vornimmt, wodurch ein eigener muslimischer Rechtskreis entsteht, was jedenfalls im Widerspruch zur Rechtsstaatlichkeit steht.

Dennoch wurde am 26.02.2016 mit Bescheid der Kultusbehörde (Kanzleramts-ministerium) die Offenlegung derLehre der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich genehmigt.

Aus rechtspolitischer Sicht stellt sich jedoch die Frage, wie auf Basis einer nur aus Überschriften und Allgemeinplätzen bestehenden „verbindlichen“ Grundlage rechts-staatliche Verwaltungsabläufe ausgerichtet werden sollen und oben genannte Punkte sichergestellt werden.

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundes-kanzler folgende

 

 

Anfrage

 

 

  1. Wo sind die Glaubensgrundsätze der IGGIÖ per Stichtag 14.12.2016 veröffentlicht?
  2. Müssen sich Behörden in Ermangelung einer kanonisierten Koran-Über-setzung in deutscher Sprache an das arabische Original halten?
  3. Falls nicht, welche der teils völlig konträren Koranübersetzungen ist als Bezugsrahmen heranzuziehen?
  4. An Hand welcher Lehre muss ein Gericht Delikte nach § 188 StGB „Herab-würdigung religiöser Lehren“ beurteilen?
  5. Auf welcher Basis müsste eine Strafverfolgungsbehörde die Aussage „Verpiss dich, Ungläubiger!“ auf strafrechtliche Relevanz prüfen?
  6. An Hand welchen objektiven Bezugsrahmens kann die De-Radikalisierungs-Hotline des Bundesministeriums für Familie und Jugend beurteilen, ob ein „Koran-konform gläubiger Moslem“ nur die islamischen Glaubensvorschriften befolgt oder radikalisiert ist?