13165/J XXV. GP

Eingelangt am 16.05.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Harald Stefan

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Sachverständigenbeweis im Strafverfahren

 

Damit ein Urteil gefällt werden kann, müssen alle Tatsachen, die Grundlage für die rechtliche Beurteilung sind, mithilfe von Beweisen festgestellt werden.

 

In den §§ 125 ff StPO wird der Sachverständigenbeweis geregelt. Sachverständige sind Personen, die aufgrund ihres besonderen Fachwissens in der Lage sind, beweiserhebliche Tatsachen festzustellen (Befundaufnahme). Der Befund ist Grundlage für das Gutachten, in dem aus den festgestellten Tatsachen rechtlich relevante Schlussfolgerungen gezogen und diese begründet werden (§ 125 Z 1 StPO). Sachverständige sind beizuziehen, wenn der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht das erforderliche Fachwissen für die Ermittlungen oder die Beweisaufnahme fehlt.

 

Unterlässt ein Richter die nach der Sachlage gebotene Beweisaufnahme pflichtwidrig, kann dies – abhängig von den jeweiligen Umständen – als Missbrauch der Amtsgewalt gewertet werden (§ 302 Abs 1 StGB).

 

Im Internet ist das Urteil zu 25 CGS 206/10 g -46 des Arbeits- und Sozialgerichts Wien abrufbar, dessen Feststellungen Folgendes zu entnehmen ist: „Helmut C. [Anm. Name von den Anfragestellern anonymisiert] wurde mit Urteil des LG St Pölten [zu 35 Hv 38/09 a] vom 7. 7. 2009 wegen fahrlässiger Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 88 Abs 1, 4 zweiter Fall (§ 81 Abs 1 Z 2) StGB zu zehn Monaten Freiheitsstrafe (teilbedingt) und zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Zumal der Kläger geständig war und Rechtsmittel nicht angemeldet wurden, erliegt im Strafakt lediglich ein Protokollsvermerk samt gekürzter Urteilsausfertigung ohne Entscheidungsgründe (Strafakt ON 13). […]

 

Der strafrechtlichen Verurteilung wurde unter anderem ein Schädel-Hirntrauma in Form einer an sich schweren Verletzung, verbunden mit einer 24 Tage übersteigenden Berufsunfähigkeit und Gesundheitsschädigung, zugrunde gelegt. Im Rahmen der Strafbemessungsgründe wurden „die Dauerfolgen“ als erschwerend gewertet (Strafakt ON 13).

 

Dem gesamten Strafakt kann kein medizinisches (also weder ein amtsärztliches noch ein gerichtsärztliches) Gutachten entnommen werden. Die in den Strafantrag (Strafakt ON 5) und in weiterer Folge in das verurteilende Erkenntnis (Strafakt ON 13) übernommene Diagnose „Schädel- Hirntrauma“, die offenkundig zur Qualifikation als an sich schwere Körperverletzung iS des § 84 Abs 1 StGB führte, war, soweit nachvollziehbar, nicht von einem Arzt, sondern vom Meldungsleger RevInsp Brei von der Polizeiinspektion Königstetten erstellt worden (Strafakt Seite 5, 15).

 

Der unbedingt verhängte Strafteil von drei Monaten Freiheitsstrafe wurde von C. im Zeitraum vom 18. 8. 2009 bis 18. 11. 2009 in der Justizanstalt St. Pölten verbüßt (Strafakt ON18, 24).“

(http://mandelbaum.at/fluch/TOTH/TOTH_ARBEITS_UND_SOZIALGERICHT_WIEN_AUVAURTEIL_VOM_17012013.pdf)

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende

 

Anfrage

 

1.    Wie viele allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige wurden in den Jahren 2014, 2015 und 2016 durch die Staatsanwaltschaften bestellt?

2.    Wie viele Personen, die nicht in die Sachverständigenlisten eingetragen waren, wurden in den Jahren 2014, 2015 und 2016 durch die Staatsanwaltschaften zu Sachverständigen bestellt?

3.    Aus welchen Gründen wurden die in Frage 2 genannten Personen zu Sachverständigen bestellt?

4.    Wie viele allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige wurden in den Jahren 2014, 2015 und 2016 durch die Gerichte bestellt?

5.    Wie viele Personen, die nicht in die Sachverständigenlisten eingetragen waren, wurden in den Jahren 2014, 2015 und 2016 durch die Gerichte zu Sachverständigen bestellt?

6.    Aus welchen Gründen wurden die in Frage 5 genannten Personen zu Sachverständigen bestellt?

7.    Welche Kosten fallen im Durchschnitt jährlich für Leistungen von Sachverständigen an?

8.    Wie teilen sich diese Kosten auf die einzelnen Fachgebiete auf?

9.    Wie teilen sich diese Kosten zwischen den eingetragenen und nicht eingetragenen Sachverständigen auf?

10. Wer hat letztlich diese Kosten zu tragen?

11. Wie viele ausländische Fachleute wurden 2014, 2015 und 2016 – aufgeschlüsselt nach Jahren – zu Sachverständigen bestellt?

12. Welche Kosten waren mit der Bestellung der ausländischen Fachleute verbunden?

13. Wer hatte diese Kosten zu tragen?

14. Ist die Absolvierung des Studiums der Humanmedizin zwingende Voraussetzung für die Bestellung zum medizinischen Sachverständigen?

15. Wenn nein, welche anderen Qualifikationen kommen in Betracht?

16. Wenn nein, warum nicht?

17. Ist zur Klärung der Frage, ob eine Verletzung in ihrer Wirkung von schwerem oder leichtem Gewicht ist, von Staatsanwaltschaft oder Gericht zwingend ein Sachverständiger zu bestellen oder zumindest das Vorliegen eines ärztlichen Befundes oder Gutachtens (zB. in der jeweiligen Krankenhausakte) erforderlich?

18. Wenn nein, wie viele Fälle sind Ihnen bekannt, in denen eine Verurteilung wegen der Begehung einer schweren Körperverletzung erfolgte, obwohl weder ein Sachverständiger bestellt wurde, noch ein ärztlicher Befund oder ein Gutachten vorgelegen ist?

19. Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen Polizisten aufgrund eines besonderen Fachwissens medizinische Befunde oder Gutachten erstellten, die Grundlage für die rechtliche Beurteilung bildeten?

20. Wenn ja, wie viele?

21. Verfügte RevInsp Brei von der Polizeiinspektion Königstetten im Zeitpunkt der gegenständlichen Meldungslegung über besonderes Fachwissen, um die Diagnose „Schädel-Hirntrauma“, die laut den Feststellungen „offenkundig zur Qualifikation als an sich schwere Körperverletzung iS des § 84 Abs 1 StGB führte“, lege artis erstellen zu können?

22. Wenn nein, werden sie den gegenständlichen Fall durch die Generalprokuratur als objektive Rechtswahrerin prüfen lassen (etwa im Hinblick auf § 362 oder § 23 StPO)?