13596/J XXV. GP

Eingelangt am 08.06.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Johannes Hübner, MMMag. Dr. Axel Kassegger

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Justiz

 

betreffend Verwicklung österreichischer Unternehmen in Bauskandale in Ungarn

 

Am 1. Oktober 2013 war der Tageszeitung „Die Presse“ zu entnehmen: „OLG stellt Korruptionsverfahren gegen Haselsteiner ein. Nach damaliger Rechtslage konnte Haselsteiner kein strafbarer Tatbestand nachgewiesen werden, begründet das OLG Wien die Einstellung. 2004 hatte die Strabag über 15 Mio. Euro nach Ungarn überwiesen. […] Ermittelt wurde wegen des Verdachts, in Ungarn seien ab 2004 Amtsträger bestochen worden, um die Verstaatlichung einer ungarischen Autobahn zu verhindern. […] Die Einstellung der Ermittlungen erfolgte auf Antrag Haselsteiners selbst - obwohl dieser zugegeben hatte, dass die Strabag die 15 Millionen Euro an den ehemaligen LIF-Chef Zach und den Lobbyisten Zoltan Aczel gezahlt habe. Das OLG kam nun - nach fünfjährigen Ermittlungen - zum Schluss, dass Haselsteiner keine Straftat nachweisbar sei. Das Verfahren ziehe sich schon zu lange hin - Beweise seien nicht mehr festzumachen. Die Ermittler sollen bei der Verfolgung verdächtiger Geldflüsse nach Zypern stecken geblieben sein.

Zur Einstellung ist es laut OLG wegen der damaligen Rechtslage gekommen: Die Bestechung im Ausland sei damals nur strafbar gewesen, "wenn damit die Absicht verbunden war, sich einen Auftrag oder einen 'unbilligen Vorteil' zu verschaffen". "Der Versuch, sich bereits erteilte Konzessionen und Aufträge zu erhalten, war nach der Beurteilung des Oberlandesgerichts nicht strafbar", teilt dieses mit Verweis auf den Paragraf 307 im Strafgesetzbuch mit.

"Da somit in den bisher fünfjährigen Ermittlungen keine ausreichenden Beweise gefunden werden konnten, hat das OLG das Verfahren eingestellt", so der OLG-Mediensprecher in der Aussendung. Berufungsmöglichkeit gibt es keine, auch wenn es nicht ausgeschlossen ist, dass in Ungarn bestochen wurde, um die Verstaatlichung des Autobahnprojekts zu verhindern.“

 

Zwischenzeitlich wurden die einschlägigen Bestimmungen des Strafgesetzbuches mehrfach novelliert. Nicht zuletzt zur Umsetzung der Empfehlungen des Phase-2-Evaluierungsberichts der OECD wurden mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2008 einige Straftatbestände neu gefasst, wobei teilweise auch Strafdrohungen angehoben wurden. Mit dem Inkrafttreten des Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetzes 2012 am 1. Jänner 2013 kam es zu einer weiteren Verschärfung des Korruptionsstrafrechts. Unter anderem wurde die inländische Gerichtsbarkeit ausgedehnt. Sämtliche strafbare Handlungen des 22. Abschnitts des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs („Strafbare Verletzungen der Amtspflicht, Korruption und verwandte strafbare Handlungen“), bei denen österreichische Interessen im Sinne der Europarats-Konvention berührt werden, wurden in den Anwendungsbereich des § 64 StGB übernommen und sind seit damals unabhängig von den Strafgesetzen im Tatortstaat nach den §§ 302 bis 309 StGB in Österreich strafbar. Die praktisch bedeutsamsten Fälle betreffen Bestechung ausländischer Amtsträger durch Österreicher im Ausland.

 

Obwohl der langjährige Chef des Wiener Baukonzerns Strabag, Hans Peter Haselsteiner, Medienberichten zufolge das Unternehmen noch bis Juni 2014 führen wollte, trat er am 14. Juni 2013, somit wenige Monate nach Inkrafttreten des Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetzes 2012, überraschend zurück (http://www.handelsblatt.com/unternehmen/dienstleister/wachwechsel-in-wien-strabag-bekommt-neuen-chef-aus-deutschland/8139938.html).  

 

Am 7. Februar 2017 berichtete orf.at unter dem Titel „U-Bahn-Skandal in Ungarn: Österreichische Firmen involviert“ Folgendes:

„Schwere Korruptionsvorwürfe werden zum Bau der Budapester Metrolinie M4 erhoben, nachdem die ungarische Regierung den Bericht der EU-Antibetrugsbehörde (OLAF) veröffentlichte. Unter den betroffenen Unternehmen werden auch die österreichischen Firmen Strabag und Swietelsky genannt, berichtete die ungarische Zeitung „Figyelö“. Bei einer Investitionssumme von 1,7 Mrd. Euro sei bis zu einem Drittel der Gelder „gestohlen“ worden, hieß es seitens des parlamentarischen Wirtschaftsausschusses in Budapest.

Firmen müssen Gelder zurückzahlen

Die mit dem Innenausbau der Metrostationen beauftragte Firma Swietelsky müsse von ihren erhaltenen 40 Mrd. Forint (129,4 Mio. Euro) 7,6 Mrd. EU-Fördergelder zurückzahlen. Der Baukonzern Strabag wiederum solle 2,5 Mrd. Forint (8,09 Mio. Euro) der 3,7 Mrd. Forint zurückzahlen, die das Unternehmen für den Bau der Metrostation Baross-Platz erhielt. […]

Die Metrolinie M4 mit einer Länge von 7,4 Kilometern wurde zwischen 2006 und 2014 gebaut. […]“

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende

 

Anfrage

 

1.         Wieso dauerten die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem ungarischen Autobahnprojekt fünf Jahre lang?

2.         Werden Sie Maßnahmen ergreifen, um die Dauer von Ermittlungsverfahren künftig zu verkürzen?

3.         Wenn ja, welche?

4.         Planen Sie die Aufstockung von Planstellen, um vergleichbare Ermittlungsverfahren in Zukunft rascher durchführen zu können?

5.         Wenn ja, um wie viele Planstellen und bei welchen Einrichtungen?

6.         Sind die Ermittler tatsächlich bei der Verfolgung verdächtiger Geldflüsse in Zypern „stecken geblieben“?

7.         Wenn ja, warum?

8.         Wenn ja, wie kann dies künftig verhindert werden?

9.         Wie gestaltet sich in vergleichbaren grenzüberschreitenden Fällen die Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Staatsanwaltschaften der EU-Mitgliedsstaaten?

10.      Wie gestaltet sich in vergleichbaren grenzüberschreitenden Fällen die Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Gerichten der EU-Mitgliedsstaaten?

11.      Planen Sie Maßnahmen, um die Zusammenarbeit zwischen den österreichischen und den ausländischen, insbesondere den osteuropäischen Staatsanwaltschaften bzw. Gerichten zu verbessern?

12.      Wenn ja, welche?

13.      Wenn nein, warum nicht?

14.      Ist Ihnen der gegenständliche Bericht der EU-Antibetrugsbehörde (OLAF) bekannt?

15.      Hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft aufgrund der schweren Korruptionsvorwürfe gegen österreichische Unternehmen (zumindest) ein Ermittlungsverfahren eingeleitet?

16.      Wenn ja, in welchem Stand befindet sich das Ermittlungsverfahren?

17.      Wenn ja, gegen wie viele Personen wird derzeit ermittelt?

18.      Wenn ja, hat die Staatsanwaltschaft Hans Peter Haselsteiner einvernommen und wird dieser als Zeuge geführt?

19.      Wenn ja, wird derzeit gegen Hans Peter Haselsteiner wegen des Verdachts der Begehung strafbarer Handlungen ermittelt?

20.      Wenn ja, wegen des Verdachts der Begehung welcher Delikte wird hauptsächlich ermittelt?

21.      Wenn ja, wie viele Täter konnten im Zuge des Ermittlungsverfahrens ausgeforscht werden?

22.      Wenn ja, wurde während des Ermittlungsverfahrens versucht, auf dessen Ergebnis Einfluss zu nehmen?

23.      Wenn nein, warum nicht?

24.      Hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, etwa weil wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Funktion des Verdächtigen im öffentlichen Leben ein besonderes Interesse besteht, der Oberstaatsanwaltschaft Wien berichtet?

25.      Wenn nein, warum nicht?

26.      Haben Sie – etwa wegen des außergewöhnlichen Interesses der Öffentlichkeit an der Strafsache – Bericht, Stellungnahme und Erledigungsentwurf dem Weisungsrat zu Ihrer Beratung vorgelegt?

27.      Wenn ja, welchen Inhalt hat die Äußerung des Weisungsrates?

28.      Wenn nein, warum nicht?

29.      Wie viele Personen wurden in den Jahren 2011 bis einschließlich 2016 wegen der Begehung einer im 22. Abschnitt des Strafgesetzbuches („Strafbare Verletzungen der Amtspflicht, Korruption und verwandte strafbare Handlungen“) angeführten Straftat angeklagt?

30.      Wie viele davon wurden verurteilt?

31.      Wie viele davon wurden freigesprochen?