13598/J XXV. GP

Eingelangt am 08.06.2017
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ANFRAGE

des Abgeordneten Mag. Harald Stefan

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Justiz

 

betreffend besondere Auskunftspflicht in öffentlich beherrschten Aktiengesellschaften gegenüber privaten Minderheitsaktionären

 

Der historische Gesetzgeber hatte den privaten Kleinaktionär vor Augen als er das Aktiengesetz erschaffen hat, nicht aber den Großaktionär, schon gar nicht den staatlichen Großaktionär.

 

Wo der Staat (bzw. Gebietskörperschaften) an Aktiengesellschaften mit öffentlichen Geldern partizipiert, haben private Kleinaktionär besondere Bedürfnisse gegenüber dem übermächtigen staatlichen Großaktionär, der den herrschenden Einfluss über die AG mit öffentlichen Mitteln erlangt hat.

 

Ein Mehrheitsaktionär bestimmt gewöhnlich die Aufsichtsratsmitglieder und übt auf diese Art indirekt Einfluss auf den (an sich weisungsfreien) Vorstand aus. Wer 51 % der Anteile einer AG hat, kann 100 % der Aufsichtsratsmitglieder bestimmen. Ein Interessenskonflikt ist in einem Organhaftungsfall denkbar, wo die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft etwa gegen Vorstände einer AG ermitteln soll, an der aber der Staat beherrschend beteiligt ist.

 

Hierin könnte eine Befangenheit liegen, wenn gesellschaftsrechtliche Fragen strafrechtlich erörtert werden, weil dies Auswirkungen auf die Politik haben könnte. Dies wurde historisch am Beispiel der Creditanstalt erstmals sichtbar: Die Aufsichtsratsmitglieder der im ganzen oder teilweisen öffentlichen Eigentum stehenden Bank haben es einfach unterlassen, auf die Fehlleistungen von Vorstandsmitgliedern hin zivilrechtliche Maßnahmen zu ergreifen (Abberufung etc). [1] Der Gesetzgeber hat daraufhin den strafrechtlichen Untreuetatbestand ins Strafgesetz eingeführt (§ 205c).[2]

 

Ein viel jüngeres Beispiel betrifft die Flughafen Wien AG, welche durch die Länder Niederösterreich und Wien beherrscht wird: Die Frage einer Aktionärin in der Hauptversammlung, ob die AG Rückstellungen idHv € 150 Mio im Zusammenhang mit einer Klage gebildet hat[3], wurde vom Vorstand teilweise gar nicht und möglicherweise sogar unrichtig beantwortet, obwohl die Auskunft über diese € 150 Mio zur sachgemäßen Beurteilung des Tagesordnungspunktes erforderlich gewesen wäre.[4] Die vertretenen Hauptaktionäre Niederösterreich und Wien hatten scheinbar kein Interesse an dieser Auskunft, was den Bogen zur oben beschriebenen Problematik spannt.

 

Nicht nur die betroffenen Aktionäre selbst, sondern auch die breite Öffentlichkeit hat im Sinne eines neuen Transparenzempfindens Interesse an der Verwaltung öffentlicher Gelder, auch dort, wo Steuergelder in Kapitalgesellschaften investiert werden. Es braucht zusätzlicher gesellschaftsrechtlicher Wege, um eine ausreichende Absicherung des Informationsbedürfnisses des privaten Minderheitenaktionärs gegenüber einem staatlichen bzw. öffentlichen Mehrheitsaktionär in der Hauptversammlung zu ermöglichen, ohne gleich Strafrecht gegenüber Gesellschaftsorganen bemühen zu müssen. Andernfalls sind dort, wo der Politik als Eigentümervertreter Interessenskonflikte drohen könnten, rege Aufsichtsratstätigkeit oder ausführliche und befriedigende Antworten in Hauptversammlungen nicht zu erwarten.

 

Letztlich ist nicht zu vergessen, dass durch ein verbessertes Fragerecht speziell bei staatlich beherrschten Aktiengesellschaften Informationen medial an die Öffentlichkeit kommen, die den Anstoß zu parlamentarischen Kontrollvorgängen (zB Minderheiten-Untersuchungsausschuss) geben könnten.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende

 

Anfrage

 

1.         Sind aufgrund der aktuellen OGH-Rechtsprechung Änderungen im AktG dahingehend geplant, das Fragerecht von Aktionären zu stärken, zu verändern oder zu ergänzen, insbesondere was die Durchsetzung desselben im Rahmen der Hauptversammlung durch Protokollpflicht, Antwortpflicht und Wahrheitspflicht betrifft?

2.         Wenn nein, ist es zumindest geplant das Fragerecht der Minderheitenaktionäre speziell dort zu stärken, wo die öffentliche Hand die beherrschende Gesellschafterin ist, weil sich diese in einem Interessenkonflikt befinden könnte?

3.         Wenn nein, warum nicht?

4.         Sind die Kriterien der Erforderlichkeit und der Sachgemäßheit im § 118 Absatz 1 AktG rechtlich anders zu beurteilen, wenn der Staat die Unternehmung durch seine Gesellschaftsanteile beherrscht?

5.         Wenn nein, warum nicht?

6.         Ist eine Novellierung des § 118 AktG geplant, um in solch speziellen Konstellationen (Gesellschaft im Mehrheitseigentum der öffentlichen Hand) eine ausreichende Absicherung des Informationsbedürfnisses des privaten Minderheitenaktionärs in der Hauptversammlung sicherzustellen?

7.         Wenn nein, warum nicht?

8.         Wird ein besonderer Anfechtungstatbestand im § 195 AktG vorgesehen werden, wonach eine verweigerte Informationserteilung in der Hauptversammlung einer besonderen Überprüfung jedenfalls unterzogen werden kann, wenn die Gesellschaft staatlich beherrscht ist?

9.         Wenn nein, warum nicht?

10.      Ist die Einführung einer zusätzlichen Bestimmung im § 118 AktG geplant, nach der bei Überschreiten bestimmter bilanzieller Wertgrenzen (etwa des gegenständlichen Streitwerts idHv € 150 Mio) eine Auskunftspflicht des Vorstands jedenfalls besteht, unabhängig davon ob der Staat beherrschenden Einfluss ausübt?

11.      Wenn nein, warum nicht?

12.      Für die Beschlussanfechtung ist stets die Relevanztheorie anzuwenden (vgl S. Bydlinski/Potyka in Jabornett/Strasser, AktG5 § 118 Rz 6 und 29 und § 195 Rz 6): Es kommt dabei für die Anfechtbarkeit darauf an, ob ein konkretes Informations- oder Partizipationsinteresse des Aktionärs verletzt wurde. (6 Ob 91/08p, 6 Ob 31/11v, Ris-Justiz RS 0059771 [T4, T5]). Übt ein privater Aktionär sein Fragerecht in der Hauptversammlung einer staatlich beherrschten Unternehmung wie zB der Flughafen Wien AG zulässig aus, kommt er damit nicht nur seinem persönlichen Auskunftsinteresse nach, sondern im selben Moment auch dem Interesse der Öffentlichkeit. Diese hat nämlich ganz allgemein im Sinne eines neuen Transparenzverständnisses Interesse an Vorgängen in Unternehmen, die im Einfluss der öffentlichen Hand sind. Aus Sicht des Parlaments ist dies wohl zu begrüßen, denn in diese gesellschaftsrechtlichen Sphären reicht weder das parlamentarische Interpellationsrecht noch das Untersuchungsrecht.

Planen Sie, die staatliche Beherrschung einer Gesellschaft (dh die Ausübung von Gesellschafteraufgaben durch die Bundesregierung oder eines ihrer Mitglieder, sowie die Investition von öffentlichen Mitteln in die AG) als ein gesetzliches Kriterium zur rechtlichen Beurteilung der „Sachgemäßheit“ und der „Erforderlichkeit“ eines Auskunftsbegehrens (§ 118 Abs 1 Satz 1 AktG) im § 118 AktG oder an anderer Stelle durch Gesetzänderung einzuführen?

13.      Wenn nein, warum nicht?

14.      Ist die Einführung einer Kombination aus den Kriterien der Frage 10 (betragsmäßige Wertgrenzen) in Verbindung mit dem Kriterium der Frage 12 (staatliche Beherrschung einer Gesellschaft) als zusätzlicher Bestandteil in § 118 oder § 195 AktG oder an anderer Stelle vorgesehen?

15.      Wenn nein, warum nicht?



[1] Kalss – Organhaftung in Österreich – einige rechtspolitische Anmerkungen, GesRZ 2014, 159 (160) mwN.

[2] Siehe auch http://diepresse.com/home/spectrum/zeichenderzeit/430387/print.do

[3] Siehe „Gerüchte um Abflug von Flughafen-Wien-Chef Jäger in die ÖBB“ von Renate Graber in Der Standard vom 28 Juni 2016 auf https://www.pressreader.com/ (abgerufen am 13.02.2017).

[4] Die Beurteilung, ob eine Verletzung des Auskunfts- und Rederechts in der Hauptversammlung vorliegt, und ob diese so schwerwiegend ist, dass sie zur Anfechtung berechtigt, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmen (6 Ob 210/12v).