13637/J XXV. GP

Eingelangt am 22.06.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen

betreffend vielfacher Handlungsbedarf im Bereich „Mobilfunk und Gesundheit“

 

Beim sensiblen Thema Mobilfunk und Gesundheit besteht in einigen Bereichen offenkundiger Unwille zu konkreten proaktiven Schritten im Sinne des Vorsorgeprinzips.

Umsomehr ist es eine Mindestanforderung an alle zuständigen bzw involvierten Ressorts, für aktuelle, ausgewogene und daher möglichst branchen- und betreiberunabhängige sowie auch für betroffene Laien niederschwellig zugängliche Informationen zu sorgen, täuschende bzw. irreführende Praktiken zu unterlassen und auch bei Partnern aus der Branche zu unterbinden. Dies gebietet im übrigen auch der verantwortungsbewusste Umgang mit Steuergeld.

Nach mehreren von den Grünen wiederholt thematisierten diesbezüglichen Problemfeldern sind die Vorkommnisse rund um die unter Umgehung des Lobyyregisters einschlägig und „in Kooperation mit dem BMVIT“ tätig gewordene „Internetoffensive Österreich“ ein Anlass mehr, um hier mehr Sorgfalt und mehr Bewegung beispielhaft in einigen Bereichen einzumahnen.

 

Der Mobilfunk-Senderkataster wird von der Branche, an die dieses Projekt im Wesentlichen überantwortet wurde – Inhaber von www.senderkataster.at ist der von der Branche betriebene und finanzierte Verein „Forum Mobilkommunikation“ FMK -, nicht den Erfordernissen entsprechend geführt.

Eintragungen stammen aus den Jahren 2007 bis 2010 und entsprechen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht (mehr) dem aktuellen Stand, nachdem im seither vergangenen Zeitraum zunächst der 3G-Ausbau massiv weiter vorangetrieben wurde und dann der gesamte LTE- Auf- und Ausbau erfolgte.

Damit wird auch der – vgl. https://www.bmvit.gv.at/ofb/funk/mobiltelefonie/index.html - vom für Telekom-Angelegenheiten zuständigen BMVIT für den Kataster formulierte Anspruch nicht eingelöst, „… das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit über die Mobilfunkinfrastruktur zu erfüllen“.

 

Die nähere Natur des Katasters ist nur für Eingeweihte zu durchschauen: Auf der Startseite von www.senderkataster.at begrüßt nach wie vor groß das BMVIT-Logo, auch ist hier gleich am Start davon die Rede, dass der Kataster „in Kooperation mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH und dem Forum Mobilkommunikation betrieben“ werde. An anderer Stelle ist von „Schirmherrschaft des BMVIT“ die Rede. Angesichts dieser verbalen Betonung der „quasi-staatlichen“ Natur des Katasters gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern wäre doch davon auszugehen, dass die öffentlich Beteiligten im Rahmen dieser Betreiberrolle auch permanent auf Aktualität und Korrektheit der Daten achten und nicht nur Ergebnisse historischer Messreihen dokumentieren.

Demgegenüber ist im Bereich des BMVIT und seines Webauftritts selbst aber eine gewisse Distanzierung bzw. Unsicherheit beim Kataster erkennbar, wird doch auf der im heurigen Jahr neu gestalteten Subseite der OFB (Oberste Fernmeldebehörde) zunächst wörtlich festgehalten „Der "Senderkataster Österreich" des Vereins Forum Mobilkommunikation beruht auf einer freiwilligen Initiative der Mobilfunkbetreiber …“. Dass dem dann auf der nächsten Sub-Subseite mit „Der Senderkataster wurde auf Initiative des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) im Jahr 2003 eingerichtet …“ widersprochen wird, macht die Verwirrung nicht geringer.

Wie auch immer: Die Angabe auf www.senderkataster.at, wonach „die Daten“ „in der Regel quartalsweise“ aktualisiert würden, ist jedenfalls irreführend und insbesondere für Laien, die aber die Zielgruppe sein sollten, nicht nachvollziehbar.

 

Ein Kataster mit weder aktuellen noch diesbezüglich im einzelnen nachvollziehbaren Angaben und mit fraglicher Letztverantwortung irgendwo zwischen einem Minister(ium) und einem privaten Lobbyverein der Branche kann bei einem ohnedies heftig diskutierten Thema wie den Gesundheitsfolgen des Mobilfunks wohl auch aus gesundheitspolitischer Perspektive nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

 

Ähnlich fragwürdig ist die Rolle des sogenannten „Wissenschaftlichen Beirat Funk“ (WBF) und wie staatlich mit ihm und seinen Ergebnissen verfahren wird. Nach wie vor verweist www.bmvit.gv.at an einschlägiger Stelle ausschließlich auf veraltete Ergebnisse dieses Gremiums bis 2008 (!) (wobei das Ergebnis des Jahres 2005 nur mehr hier, nicht aber beim WBF selbst zugänglich ist, ob dies an der Qualität jenes Dokuments oder anderen Ursachen liegt, ist unbekannt).

Aktuellere Darlegungen sind nur in Distanz zum BMVIT beim WBF selbst zugänglich. Dessen Darstellungen zu den Ergebnissen der etwa jährlich zur Bewertung der neu vorliegenden Forschung stattfindenden „Konsensuskonferenzen“ leiden jedoch nach wie vor an der bereits vielfach kritisierten und in der begleitenden Öffentlichkeitsarbeit meist noch kräftig akzentuierten Schieflage zwischen recht vorsichtigen Formulierungen auf thematischer Ebene, etwa zur Frage Mobilfunk und Gentoxizität oder Mobilfunk und Krebsrisiko, und generellen, zusammenfassenden Formulierungen mit deutlich stärker „entwarnender“ Grundmelodie. Weiterhin wird diese unausgewogene Arbeits- und vor allem Präsentationsweise durch staatliche Gelder geadelt, statt diese der Lösung der offenen Forschungsfragen oder der Bewusstseinsbildung über mögliche Gesundheitsrisken zu widmen.

 

Ergebnisse sehr sorgfältig durchgeführter großer Forschungsarbeiten wie zuletzt etwa der ATHEM-2-Studie der AUVA mit der Medizinuniversität Wien, die Beeinträchtigungen der kognitiven Hirnleistung bei (doppelverblindeter) HF-EMF-Exposition, geringe gentoxische und zytotoxische Effekte bei bestimmten Zellen, Hinweise auf Kumulation der Expositionswirkungen sowie die konkreten Abläufe der zell-/DNA-schädigenden und gegebenenfalls -reparierenden Vorgänge belegte, finden weiterhin geringe bis keine öffentliche und politische Resonanz.

 

Schließlich sind auch die konkreten Aktivitäten beim Thema SAR-Wert-Kennzeichnung unzureichend.

Diese „Spezifische Absorptions-Rate“ ist ein geeignetes Maß für die Energie, die beim bestimmungsgemäßen Telefonieren mit dem nächst der Schläfe gehaltenen Handy im Kopf absorbiert wird. Die Anschaffung und Verwendung von Geräten mit möglichst niedrigem SAR-Wert ist daher ein relativ simpler, aber jedenfalls in die richtige Richtung wirksamer Beitrag, den aktive MobilfunknutzerInnen im Sinne des vorsorglichen Schutzes der eigenen Gesundheit leisten können.

Dies setzt aber möglichst unübersehbare und klare Kennzeichnung sowohl der Produkte selbst als auch am Verkaufsort voraus, ähnlich wie es hinsichtlich der Energieeffizienz von Elektrogeräten und sogar Gebäuden oder hinsichtlich des Verbrauchs und CO2-Ausstoßes bei PKW längst Praxis ist.

Die in diesem Zusammenhang beim Gesundheitsressort tätige Arbeitsgruppe hat bereits vor drei Jahren einstimmig für die Kennzeichnung am Verkaufsort votiert, offenbar blieb die Überzeugungsarbeit bei den anderen mit involvierten Ressorts incl. BMVIT aber seitdem erfolg- oder jedenfalls folgenlos. Auch der Oberste Sanitätsrat der Republik hat in seinen Empfehlungen klar Stellung für diese Kennzeichnung bezogen.

Die derzeitige Lösung (Liste beim privaten Branchen-Lobbyverein FMK) ist völlig unzureichend, weil sie zu keiner Verfügbarkeit am Verkaufsort führt. Es sind vielmehr verbindliche gesetzliche Maßnahmen insbesondere betreffend die „geeignete Form“ betreffend SAR-Wert-Angabe direkt am Verkaufsort unerlässlich.

 

Die Untätigkeit bei der Umsetzung von Vorgaben zur SAR-Wert-Kennzeichnung ist vor dem Hintergrund, dass diese in anderen EU-Staaten wie Belgien (Belgisches Königliches Dekret vom 30.7.2013, in Anwendung per 1.3.2014) oder Frankreich längst viel weitergehend umgesetzt ist, dass dieses Thema wiederholt von medizinischen Stellen bis hin zum Obersten Sanitätsrat eingemahnt wurde, und dass das Thema zuletzt auch wieder in der umfassenden ATHEM-2-Studie der AUVA Erwähnung unter den Empfehlungen fand, gänzlich unverständlich.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Ist der Mobilfunk-Senderkataster, ob er nun auf Initiative des FMK oder auf Initiative des BMVIT eingerichtet wurde, angesichts der zB in Sachen Aktualisierung nicht zufriedenstellenden Führung aus Ihrer Sicht ein brauchbares Instrument im Zusammenhang mit den offenen Fragen zu Mobilfunk und Gesundheit, die viele BürgerInnen beschäftigen?

2)    Ist Ihnen bekannt, dass die konkreten Angaben bei den einzelnen Messpunkten aus weit zurückliegenden Jahren stammen und mutmaßlich nach der Anzeige nicht mehr aktualisiert wurden?

3)    Welche Relevanz haben 7 bzw. 9 Jahre alte Messreihen-Ergebnisse zum Thema Elektromagnetische Felder im Mobilfunk-Frequenzbereich angesichts der seither erfolgten Weiterentwicklung in der Mobilfunk-Realität aus gesundheitsfachlicher Sicht?

4)    Welche Messreihen zum Thema Elektromagnetische Felder im Mobilfunk-Frequenzbereich wurden seit 2010 in wessen Auftrag in Österreich umgesetzt?

5)    Hat das BMGF im Zusammenhang mit dem Mobilfunk-Senderkataster eine konkrete Rolle, wenn ja welche?

6)    Hat es im Zusammenhang mit dieser Rolle in den Jahren seit der Einrichtung des Katasters Veränderungen gegeben? Wenn ja, welche und wann?


7)    In welchem Umfang wird der sog. „Wissenschaftliche Beirat Funk“ (WBF) im Rahmen Ihres Budgets finanziell unterstützt?

8)    Falls Mittel fließen: Welcher Teil dieser Mittel fließt in die fachliche Arbeit des WBF und welcher Teil in die Kommunikations- und PR-Arbeit des WBF?

9)    Welche Konsequenzen haben Sie konkret nach den Aussagen im WBF-Expertenkonsens 2016 zu weiterhin nicht widerlegten Risken, etwa dem Risiko für Krebserkrankungen, zur nicht beurteilbaren Bedeutung der festgestellten Veränderungen (!) im HNO-Bereich durch Mobilfunk, zur gentoxischen Wirkung, zur Frage der Übertragbarkeit der Ergebnisse und Erkenntnisse aus Tierversuchen gezogen? Haben Sie insbesondere entsprechende Forschungsarbeiten zur Klärung dieser Fragen beauftragt, wenn nein warum nicht?

10) Wie bewerten Sie die Empfehlung des WBF „Untersuchungen zu grundlegenden Mechanismen nur dann, wenn sich entscheidende neue Ansatzpunkte ergeben“, die angesichts der offenen Fragen bei grundlegenden Mechanismen auf Basis bisheriger Ansatzpunkte klar auf eine unsachliche Einschränkung der Freiheit der Wissenschaft und Forschung (und wohl auf entsprechend ablehnende Finanzierungsentscheidungen der Öffentlichen Hände, wo diese gefragt wären!) im Sinne vorsorglicher Vermeidung unliebsamer Ergebnisse abzielt?

11) Können Sie ausschließen, dass diese Empfehlung des WBF gezielt gegen konkrete zeitnah in Österreich durchgeführte Forschungsarbeiten wie die ATHEM-2-Studie der AUVA – welche sich mit grundlegenden Mechanismen beschäftigte und hier auch Ergebnisse erbrachte - gerichtet war?

12) Der WBF trifft im Expertenkonsens 2016 unter der Überschrift „Mobilfunk und Tumorentwicklung“ (wieder) folgende Aussage: „Aufgrund der Unsicherheit (lange Latenzzeit, Problematik der geeigneten Expositionserfassung) bisher vorliegender Ergebnisse von Studien zum Zusammenhang von Mobilfunknutzung mit der Entstehung von Krebserkrankungen wird weiterhin ein sorgsamer Umgang mit der Mobiltelefonie empfohlen, bis eine hinreichend große Anzahl qualitativ hochwertiger Studien vorliegt und eine endgültige Einschätzung eines möglichen Risikos gegeben ist.“

a) Worin konkret besteht dieser „sorgsame“ bzw. „umsichtige“ Umgang?

b) Mit welchen Schritten haben Sie und Ihr Ressort diesem „sorgsamen“ bzw. „umsichtigen“ Umgang konkret in den letzten Jahren zur gebotenen breiten Bekanntheit und breiten Einhaltung verholfen?

13) Wie beurteilen Sie die 2016 veröffentlichten Ergebnisse der sehr sorgfältig durchgeführten ATHEM-2-Studie der AUVA mit der Medizinuniversität Wien, die Beeinträchtigungen der kognitiven Hirnleistung bei (doppelverblindeter) HF-EMF-Exposition, geringe gentoxische und zytotoxische Effekte bei bestimmten Zellen, Hinweise auf Kumulation der Expositionswirkungen sowie die konkreten Abläufe der zell-/DNA-schädigenden und gegebenenfalls -reparierenden Vorgänge belegte?

14) Welche Konsequenzen aus diesen Ergebnissen haben Sie im Zeitraum seit der Veröffentlichung konkret im einzelnen gezogen?

15) Falls Sie bzw. Ihr Ressort keinerlei Konsequenzen gezogen haben – warum nicht?

16) Warum ist in Österreich eine SAR-Wert-Kennzeichnung wie seit Jahren in zB Belgien oder Frankreich realisiert noch immer nicht umgesetzt?

17) Trifft es zu, dass sich die bei Ihrem Ressort eingerichtete Arbeitsgruppe bereits vor längerer Zeit einstimmig für eine SAR-Wert-Kennzeichnung am Verkaufsort ausgesprochen hat?


18) Welche Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus welchen Institutionen hat diese Entscheidung wann getroffen?

19) Welche weiteren Themen aus dem Bereich Mobilfunk und Gesundheit hat diese Arbeitsgruppe seit 2014 behandelt?

20) Trifft es zu, dass nach der in Frage 17 angesprochenen Entscheidung noch Überzeugungsarbeit bei anderen Ressorts zwecks Umsetzung dieser SAR-Wert-Kennzeichnung am Verkaufsort zu leisten war? Wenn ja bei welchen Ressorts und welche diesbezüglichen Schritte wurden gesetzt?

21)  Ist diese Überzeugungsarbeit der letzten Jahre erfolgreich gewesen? Wenn nein warum nicht?

22) Werden Sie eine Lösung für die SAR-Wert-Kennzeichnung am Verkaufsort entsprechend den Ergebnissen der Arbeitsgruppe beim BMG und der Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates vorschlagen oder vorlegen, gegebenenfalls zusammen mit RegierungskollegInnen? Wenn ja wann, wenn nein warum nicht?