13664/J XXV. GP

Eingelangt am 28.06.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Genossinnen und Genossen an den Bundesminister für Justiz, Vizekanzler und Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter

betreffend Telefon-Blockaden und schwerwiegende Geschäftsstörungen - „Fake­Schlüsseldienste“

Ausgangslage

Wie der „Kurier“ vom 6. Mai 2017 berichtete, werden seit einigen Wochen Wiener Aufsperr- und Schlüsseldienste mit „Telefon-Terror“ lahmgelegt. Opfer sind seriöse Betriebe, die sich in Form bezahlter Inserate bei der Internet-Suchmaschine Google ganz vorne reihen lassen. Sie werden in der Folge im 15 bis 20 Sekunden-Takt automatisiert angerufen, wodurch das Firmentelefon blockiert ist und die Betriebe so keine Aufträge mehr annehmen können.

Seriöse Firmen werden sogar bedroht. Eine Computerstimme teilte einem Firmeninhaber mit, dass sie sein Geschäft anzünden würden. Die Telefon-Blockaden enden dann erst, wenn die Firma im Google-Ranking nach unten gerutscht sind.

Die „Terror-Calls“ seien auch nicht rückverfolgbar, weil die inländischen Nummern nicht existieren. Ob die Geisteranrufe in Zusammenhang mit unseriösen Aufsperrdiensten stehen, die zu Dumpingpreisen in den Google-Anzeigen werben, sei laut Kurier unklar.

In den vergangenen Jahren gab es nämlich immer wieder Anzeigen von Kunden, die überhöhte Rechnungen von vermeintlichen Schlüsseldienstfirmen erhielten und im Google-Ranking recht weit oben angezeigt wurden. Laut „ORF Wien Heute“ (16. Februar 2017) seien bei der Polizei seit dem Sommer 2016 mehr als 180 Anzeigen eingelangt.

Der WebStandard vom 9. März 2016 berichtete, dass das Phänomen in den USA etwa schon länger bekannt und weit verbreitet sei. Der amerikanische Cyber-Security Experte Bryan Seely erläuterte in der „Zeit online“ vom 10. Juli 2014 wie Betrüger zum Beispiel einen konkurrierenden Schlüsseldienst oder Installateur schädigen können. Sie erstellen in Google Places massenweise Einträge für nicht-existente Betriebe, zum Beispiel allesamt in der Nähe eines echten Betriebs.

Die Folge: Der echte Betrieb wird nicht mehr so oft von potenziellen Kunden gefunden. Oder aber der Betrug geht noch weiter und jeder, der einen der nicht existenten Betriebe anrufe, wird an einen viel teureren Schlüsseldienst oder Installateur vermittelt, hinter dem die Betrüger selbst stecken.

Diese Cyber-Masche scheint nun auch in Österreich angekommen zu sein. Für seriöse Betriebe sind diese Fake-Schlüssel- und Installateurfirmen jedoch ein echtes Problem. Sie gehen nicht nur bei dem Überangebot unter, sie verlieren auch das Vertrauen bei den Kunden. Zudem drohen Kündigungen, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den Terror-Calls massiv eingeschüchtert werden.

 

Anzeigen

 

Am 29.3.2017 hat Herr Markus WAGNER, Inhaber der Schlosserei Aufsperrprofi e.U. (www.aufsperrprofi.at) bei seiner Vernehmung zu GZ D1/88637/2017-EIB in der Polizeiinspektion Tempelgasse angegeben, dass seine Firma immer dann, wenn er eine entsprechende Anzeige bei Google geschaltet hatte, all seine Firmentelefonnummern inkl. Mobilnummer durch Daueranrufe blockiert und er auch durch eine Stimme bei so einem Anruf bedroht wurden. Der strafrechtliche Vorwurf geht auf den Tatbestand der schweren Nötigung nach § 106 StGB.

Am 25.3.2017 hat Herr Mier HAIMOV, Inh. eines Schlüssel- und Aufsperrdienstes, beim Stadtpolizeikommando Brigittenau zu GZ D1/95331/2017 ohne direkten Zusammenhang mit dem von Herrn Wagner (siehe voriger Absatz) einen fast gleichlautenden Sachverhalt als Anzeige wegen Nötigung zu Protokoll gegeben.

Am 7.3.2017 hat Herr Arkadij NATANOV, seit 25 Jahren Inhaber eines Aufsperrdienstes, bei der Polizeiinspektion Pappenheimgasse zu GZ D1/74337/2017 ohne direkten Zusammenhang mit den o.a. Fällen Anzeige wegen eines gleichartigen Sachverhalts wie in den beiden obigen Fällen gemacht.

Ohne jene vielen Fälle in der Branche, deren Anzeigen gar nicht aufgenommen wurden, und jene Fälle, die zwar Anzeige erstattet haben, aber uns nicht bekannt sind, anzuführen, ergibt sich schon aus den obigen Fällen, dass es sich nicht um einen Einzelfall, der vielleicht aus Rache oder Missgunst gegen einen einzelnen Schlosser begangen wurde, sondern um ein systematisches Verbrechen handelt, dass befürchten lässt, das hier organisiertes Verbrechen stattfindet.

Angeblich hat neben der o.a. Presseberichterstattung auch der Innungsmeister KommR Ing. Georg Senft das BMI auf die systematische Verfolgung der Wiener Schlosserbetriebe hingewiesen.

Dennoch konnten die Straftaten bis heute nicht eingedämmt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Inneres folgende

 

Anfragen

1)    Wurden die o.a. Anzeigen und weitere, uns nicht bekannte Anzeigen, der zuständigen Staatsanwaltschaft von den Polizeibehörden bekannt gemacht?

2)    Wurde die Staatsanwaltschaft auf Basis dieser Anzeigen und des vermuteten Tatbestands der schweren Nötigung nach § 106 StGB tätig?

3)    Wurden auf Grund der Dichte unterschiedlichster Anzeigen das Ermittlungsverfahren bei einem Staatsanwalt/einer Staatsanwältin konzentriert?

4)    Welche Ermittlungsschritte wurden bisher bei den österreichischen Polizeibehörden angeordnet?

5)    Da es möglich ist, dass diese Straftaten aus dem Ausland begangen werden (Server in Russland, „begünstigte“ Firmen in Deutschland, deren Inserate dann ohne Probleme über lange Zeit bei Google an erster Stelle stehen bleiben können), und, weil der Straftatbestand der schweren Nötigung gem.§ 64 Abs Z 4a StGB ohne Rücksicht auf den Tatort in Österreich bestraft werden, ist eine internationale Zusammenarbeit mit Justiz- und Polizeibehörden, insbesondere in Deutschland erforderlich. Wurde diese Zusammenarbeit im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft schon eingeleitet?

6)    Wenn nein, warum nicht?

7)    Eurojust (Einheit für justizielle Zusammenarbeit der Europäischen Union) ist auh für die Koordinierung der justiziellen Zusammenarbeit bei grenzüberschreitender organisierter Kriminalität (OK) zuständig. Wurde in dieser Sache Eurojust bereits eingeschaltet?

8)    Wenn nein, warum nicht?

9)    Besteht eine Möglichkeit im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit auf Basis von Art. 85 AEU-Vertrag für die österreichische Staatsanwaltschaft entsprechende Ermittlungsschritte in Deutschland (Hausdurchsuchung bei potentiell begünstigten Unternehmen, Beschlagnahme von Datenträgern über die mögliche automatisierte Steuerung der Telefonterrorangriffe) anzustoßen und dann auch über die Ermittlungsergebnisse als Grundlage für die Strafverfolgung in Österreich informiert zu werden?