13808/J XXV. GP

Eingelangt am 10.07.2017
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Inneres

betreffend Benützung des Deserteursdenkmals als Park- und Abstellplatz

BEGRÜNDUNG

 

Am 24. Oktober 2014 wurde am Ballhausplatz das Deserteursdenkmal als Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz feierlich eingeweiht. Bei der Eröffnung sprachen neben Richard Wadani, selbst Deserteur der Wehrmacht, und VertreterInnen aus Kunst (Kathrin Röggla) und Wissenschaft (Walter Manoschek) der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der damalige Kulturminister Josef Ostermayer und der damalige Bundespräsident Heinz Fischer.

Der Eröffnung ging eine jahrzehntelange öffentliche Debatte betreffend geschichts- und vergangenheitspolitischer Fragestellungen, moralischer und humanistischer Bewertungen und juristischer Klassifikationen voraus. Ausgangspunkt für die Aufarbeitung dieses Aspektes war die Initiative von Studierenden der Universität Wien Ende der 1990er-Jahre, die viele Fragen aufwarf, worauf nur wenige oder unzureichende Antworten gegeben werden konnten. Schon 1999 beschloss der Nationalrat die wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas: In den Jahren 2001–2003 erarbeitete ein Forschungsprojekt im Auftrag der Bundesregierung erstmals grundlegend den Komplex der österreichischen Opfern der NS-Militärgerichtsbarkeit, dessen Ergebnisse 2003 im Abgeordneten-Sprechzimmer des Parlaments präsentiert wurden.

Darauf folgte eine langjährige unerquickliche Debatte über die juristische Aufhebung der NS-Unrechtsurteile durch das österreichische Parlament und die gesellschaftliche Rehabilitierung all jener Personen, die aus welchen Gründen auch immer den Dienst für die Wehrmacht verweigerten. Diese offenbarte einen gravierenden Dissens betreffend des Themas, was sich in Stellungnahmen in Medien, in Politik und Parlament als auch Justiz niederschlug. Eine erste gesetzliche Regelung das sogenannte Anerkennungsgesetz 2005 brachte allen sozialrechtlichen Fortschritten zum Trotz, (Ersatzpensionszeiten und Anerkennung in der Opferfürsorge) inhaltlich mehr Probleme als es löste – erst 2009 gelang es eine taugliche juristische Rehabilitierung in ein Bundesgesetz, das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz 2009, zu gießen, welches am 21.10.2009 im Nationalrat beschlossen wurde.

Als Motor der Debatte, die 2009 schlussendlich zur Rehabilitierung führte, gilt das "Personenkomitee 'Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz'" und dessen Ehrenobmann Richard Wadani. Diesem Personenkomitee gelang es nicht zuletzt durch seine gesellschaftliche Breite, die von Kardinal Christoph Schönborn über den ehemaligen Adjutanten des Bundespräsidenten General a. D. Hubertus Trauttenberg, Andreas Khol, Fritz Neugebauer bis hin zum ehemaligen steirischen KPÖ-Chef Ernest Kaltenegger reichte und auch namhafte Kulturschaffende wie Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek oder Schauspieler Josef Hader umfasste, in der Öffentlichkeit ein Umdenken herbeizuführen. Am 13.2.2017 wurde u.a. an das Personenkomitee der Demokratiepreis 2016 der Margaretha-Lupac-Stiftung des Österreichischen Parlaments verliehen.[1] Univ.Prof. Dr. Manfried Welan schloss seine Laudatio für das Personenkomitee mit den Worten:

Das Denkmal am Ballhausplatz motiviere, weiterzudenken und weiterzumachen für die Zukunft, so Welan, der die besondere Leistung des Personenkomitees zur Bewusstseinsmachung und Politisierung über Jahre hinweg unterstrich.[2]

Während der Debatte im Nationalrat unterstrich der damalige Zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer zum Gesetzesbeschluss, dass er insbesondere die damals gerade in Wien weilende Wanderausstellung „'Was damals Recht war…' – Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht" für "einen wichtigen Beitrag auch im Sinne der politischen Bildung erachte", da diese "dazu beitragen kann, einer offeneren Debatte in Österreich vor allem mehr Tiefgang und Sensibilität zu verleihen."[3] Auch die während der Debatte anwesende damalige Justizministerin Claudia Bandion-Ortner gab zu bedenken: "Paragraphen ändern die Herzen der Menschen nicht – aber sie ändern das Wissen und die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte."[4]

Fünf Jahre nach diesem Gesetzesbeschluss setzte die Stadt Wien das Vorhaben um, diese lang verleugnete oder verleumdete Opfergruppe des NS-Regimes mit einem Denkmal zu würdigen. Obzwar das Denkmal von der Stadt Wien errichtet wurde und die Grundstücksfläche der Stadt zufällt, war der Bund von Anfang an in den politischen Prozess der Errichtung eingebunden.

Der Standort für das Denkmal am Wiener Ballhausplatz wurde nicht zufällig so gewählt: Die offensichtliche Nähe des Denkmals für die Deserteure zu heutigen Zentren der politischen Macht – Bundeskanzleramt, Kanzlei des Bundespräsidenten, Parlament, Innenministerium, Außenministerium, usw. – ist sowohl Kommentar als auch Mahnung. Der Umgang mit dem Denkmal durch die Gesellschaft und Bevölkerung, aber auch der Behörden und staatlicher Stellen generell, liefert Hinweise darauf, wie weit die umfassende gesellschaftliche Rehabilitierung der Verfolgten der NS-Militärjustiz in Österreich gelungen ist.

Während das Denkmal von PassantInnen, Schulklassen, eigenen Stadtführungen, usw. gern aufgesucht wird und die Informationen vor Ort zum Denkmal sehr gefragt sind, haben zahlreiche Handlungen durch Angehörige staatlicher Stellen bei PassantInnen und den InitiatorInnen des Denkmals für Irritationen gesorgt.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)     Am 1. Juni besuchte der Präsident der Slowakischen Republik, Andrej Kiska, Österreich. Der Besuch diente unter anderem dazu, mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen Gespräche zu führen. Präsident Kiska wurde um 16:30 in der Kanzlei des Bundespräsidenten am Ballhausplatz empfangen. Die Begleitfahrzeuge wählten für die Dauer der Gespräche zwischen Bundespräsident Van der Bellen und Präsident Kiska die Fläche des Denkmals für die Opfer der NS-Militärjustiz (Deserteursdenkmal) als Parkplatz. Dürfen die Flächen von öffentlichen Denkmälern von Fahrzeugen befahren werden bzw. zum Halten und Parken (§ 23 StVO) benützt werden?

2)     Vor Ort ist ein Vorschriftszeichen "Halten und Parken verboten" angebracht. Gilt dieses Vorschriftszeichen für die Verkehrsfläche? Gilt dieses für den Gehsteig? Gilt dieses für die Denkmalsfläche?

3)     Insgesamt parkten sechs Kraftfahrzeuge auf der Denkmalsfläche, darunter ein Streifenwagen der Polizei und ein Polizeimotorrad. Ist die Benützung der Denkmalsfläche zum Zweck des Halten und Parkens für diese beiden Fahrzeuge erlaubt? Siehe Beilage 1.

4)     Neben den beiden Polizeifahrzeugen parkten auch vier Fahrzeuge auf der Denkmalsfläche, die nicht als Fahrzeuge der Sicherheitsbehörden erkenntlich gemacht waren – siehe Beilage 1. Handelte es sich um Fahrzeuge der Sicherheitsbehörden, um Fahrzeuge des Diplomatischen Corps/o.Ä. oder um Privatfahrzeuge?

5)     Wer erteilte die Genehmigung für das Abstellen der Fahrzeuge der Sicherheitsbehörden, um Fahrzeuge des Diplomatischen Corps/o.Ä. oder um Privatfahrzeuge auf der Denkmalsfläche? Auf welcher rechtlichen Basis geschah dies?

6)     Ist Ihnen der Sinn, Zweck, Gegenstand und Inhalt des Denkmals bekannt? Wenn ja: Ist es Ausdruck einer bewussten Ignorierung des Denkmalzwecks, wenn Fahrzeuge – solche der Sicherheitsbehörden, des Diplomatischen Corps und von Botschaften bzw. Privatfahrzeuge – die Fläche des Denkmals als Parkplatz benützen?

7)     Welche Stellen des Bundes und des Landes, welche Abteilungen der Sicherheitsbehörden und welche sonstigen Stellen, Einrichtungen oder Botschaften waren in die Vorbereitung des Besuchs von Präsident Kiska eingebunden und? Bitte diese listenmäßig aufzuzählen.

8)     War die Wahl des Parkplatzes Teil der Vorbesprechung?

9)     Wer war/ist schlussendlich für die Entscheidung, die Denkmalfläche als Parkplatz zu benützen, verantwortlich?

10)  Die Benützung eines öffentlichen Denkmals durch Fahrzeuge zum Parken und Halten ist möglicherweise geeignet, in der Öffentlichkeit den Eindruck einer Geringschätzung des Denkmalinhalts und der durch das Denkmal geehrten Personengruppe hervorzurufen. Welche Schritte werden Sie setzen, um dies für die Zukunft zu verhindern?

11)  Die Fläche des Deserteursdenkmals wird immer wieder zum Abstellen von Gerätschaften der Sicherheitsbehörden benutzt, etwa Anhänger (für den Transport von Absperrgittern) oder Stapel mit Scherengittern – so beispielsweise Anfang Februar 2017, siehe Beilage 2. Wer erteilte die Genehmigung für das Abstellen der Scherengitter auf der Denkmalsfläche? Auf welcher rechtlichen Basis geschah dies?

12)  Welche Stellen des Bundes und des Landes, welche Abteilungen der Sicherheitsbehörden und welche sonstigen Stellen oder Einrichtungen waren darin eingebunden? Bitte diese listenmäßig aufzuzählen.

13)  Ist es Ausdruck einer bewussten Ignorierung des Denkmalzwecks, wenn diverse Gerätschaften der Sicherheitsbehörden (Anhänger, Stapel) auf der Fläche des Deserteursdenkmals abgestellt werden?

14)  Die Benützung eines öffentlichen Denkmals zum Abstellen diverser Gerätschaften (Anhänger, Stapel) ist möglicherweise geeignet, in der Öffentlichkeit den Eindruck einer Geringschätzung des Denkmalinhalts und der durch das Denkmal geehrten Personengruppe hervorzurufen. Welche Schritte werden Sie setzen, um dies für die Zukunft zu verhindern?

15)  Sie selbst nehmen immer wieder an Gedenkveranstaltungen im Kontext der Erinnerung an die Verbrechen Nationalsozialismus teil. Sie betonen dabei – wie etwa beim „Fest der Freude“ am 9. Mai 2016 – die Wichtigkeit, wachsam zu sein und „dieses Auge darauf zu richten, wo so etwas passiert“. Die Beschäftigung mit der konkreten Geschichte der NS-Militärjustiz, gerade auch was die Grenzen von Befehl und Gehorsam innerhalb der österreichischen Sicherheitsbehörden betrifft, wäre dabei zweifellos ein wichtiger Bestandteil von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen. Was wurde bisher in diesem Zusammenhang konkret von Ihrer Seite unternommen? Bitte um Auflistung der Fortbildungen im Zusammenhang mit der Geschichte der NS-Militärjustiz.

16)  Verschiedene Einrichtungen und Organisationen bieten Stadtspaziergänge und Workshops zum Themenbereich der Verfolgung durch die NS-Militärjustiz an. Wie viele Stadtspaziergänge und Workshops wurden von dem BM.I unterstellten Stellen, Abteilungen, Einrichtungen oder Einheiten seit der Errichtung des Denkmals im Jahr 2014 bereits besucht?

17)  Im Zuge der Ausschreibung der künstlerischen Gestaltung des Denkmals durch die Stadt Wien/KÖR stand die gesamte Fläche der Volksgarten-Ecke am Ballhausplatz zur Verfügung (exklusive dem Gehweg und einem Streifen entlang des Zauns) - siehe Beilage 3. Auch nach Errichtung des Denkmals wurde mehrfach unterstrichen, dass auch die das Denkmal umgebende Fläche zum Denkmal zählt und für beides – Denkmal wie Denkmalsfläche – die gleichen Regeln gelten. Sieht sich das Innenministerium und die ihm unterstehenden Abteilungen und Organe der Sicherheitsbehörden an diese inhaltliche Widmung und vertragliche Vereinbarung gebunden? Wenn ja: Wie wird die Würdigung durch die Sicherheitsbehörden bzw. die Versammlungsbehörde sichergestellt? Wenn nein: Welchen Charakter messen die Sicherheitsbehörden bzw. die Versammlungsbehörde der Denkmalsfläche zu?

18)  Wo beginnt bzw. endet für die Sicherheitsbehörden das Denkmal, die Denkmalsfläche, der Gehweg und die Fahrbahn? Wo beginnt bzw. endet für die Versammlungsbehörde das Denkmal, die Denkmalsfläche bzw. die Verkehrsfläche?

19)  Wie viele Kundgebungen wurden der Versammlungsbehörde auf der Fläche des Deserteursdenkmals seit Oktober 2014 angezeigt – bitte um eine listenmäßige Aufzählung.

20)  Wie viele wurden tatsächlich auf der Denkmalsfläche durchgeführt? Wie viele im unmittelbaren Nahbereich des Denkmals?

21)  Während wie vieler Kundgebungen wurde das Denkmal selbst benützt, etwa als Bühne für RednerInnen, usw.

22)  Wie viele bei der Versammlungsbehörde angezeigte Kundgebungen mussten seit Oktober 2014 in Hinblick auf § 7 VersammlungsG (Bannmeile) untersagt werden?


 

Beilage 1:


Beilage 2:

Beilage 3:



[1] http://deserteursdenkmal.at/wordpress/2017/02/demokratiepreis-an-personenkomitee-verliehen/

[2] http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20170213_OTS0136/demokratiepreis-2016-der-margaretha-lupac-stiftung-im-parlament-ueberreicht

[3] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/NRSITZ/NRSITZ_00040/SEITE_0213.html

[4] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/NRSITZ/NRSITZ_00040/SEITE_0221.html