13954/J XXV. GP

Eingelangt am 25.07.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres

betreffend Werden österreichische humanitäre Hilfsgelder für Maßnahmen zur Flüchtlingsabwehr missbraucht?

BEGRÜNDUNG

 

„Verstärkte Anstrengungen in der Humanitären Hilfe sind notwendig, um den Menschen wieder eine Perspektive in ihren Regionen zu geben“, so Außenminister Sebastian Kurz in einer Aussendung[1] am 14. Juli 2017.

Laut BMEIA sollen die Aufwendungen Österreichs für die bilaterale humanitäre Hilfe in den letzten Jahren markant gestiegen sein.[2] Doch was die österreichische Regierung bisher an Humanitärer Hilfe geleistet hat, ist im internationalen Vergleich sehr wenig. Schaut man sich die OECD DAC ODA Statistiken an, so gibt es keinen massiven Anstieg an österreichischer Humanitärer Hilfe: Österreich hat laut OECD 2016 22.7 Millionen an Humanitärer Hilfe geleistet. 2015 war Österreichs Beitrag 19.6 Millionen Euro. Der Anstieg zwischen 2015 und 2016 beträgt also knapp drei Millionen Euro. Finnland hingegen hat 2016 70 Millionen Euro, Dänemark 306 Millionen Euro, die Schweiz 332 Millionen Euro und Schweden hat 409 Millionen Euro beigetragen. Auch wenn der Auslandskatastrophenfonds 2016 vervierfacht wurde – ein enormer Anstieg an österreichischer Humanitärer Hilfe ist bislang ausgeblieben.

Nun beschloss am 14. Juli 2017 die Bundesregierung, drei Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds in den  „EU Emergency Trust Fund for stability and addressing root causes of irregular migration and displaced persons in Africa" einzuzahlen. Außenminister Sebastian Kurz sagte dazu: „Durch die Stärkung der Hilfe vor Ort leisten wir einen notwendigen Beitrag, um die Migrationsströme aus den humanitären Notstandsregionen Afrikas einzudämmen“.[3]

Der Auslandskatastrophenfonds (AKF) hat laut dem Bundesgesetz BGBI. I Nr. 23/2005 das Ziel, Maßnahmen im Zusammenhang mit Katastrophenfällen im Ausland zu finanzieren, die der Beseitigung von Katastrophenschäden und der humanitären Hilfe dienen. Der EU-Treuhandfonds für Afrika, in den Österreich nun aus dem AKF drei Millionen einzahlt,  hat jedoch einen starken Fokus auf „Besseres Migrationsmanagement“. In der Praxis bedeutet das Fluchtabwehr: Hier wird Geld in Grenzsicherung investiert. Sicherheitskräfte werden ausgebildet und mit Ausrüstung versorgt, und schnellere Abschiebungen werden arrangiert.

Ein Beispiel ist das Projekt „Better Migration Management in Support of the Khartoum Process“, das von 2016 bis 2019 mit 40 Millionen Euro aus dem EU-Treuhandfonds für Afrika finanziert ist. Die EU stellt hier u.a. den Ländern am Horn von Afrika Ausrüstungsmaterial für Grenzsicherung bereit, das für repressive Zwecke genutzt werden könnte. So patrouillieren im Sudan an den Grenzen zu Libyen die „Rapid Support Forces“, eine Miliz, deren Verbrechen gegen die Menschlichkeit bereits vom Internationalen Strafgerichtshof dokumentiert sind. Projekt-Maßnahmen seitens der EU zur Verhinderung eines Missbrauchs der Ausrüstung sind keine bekannt.

Ein weiteres Beispiel ist das Projekt „Managing mixed migration flows in Libya through expanding protection space and supporting local socio-economic development“. Hier sollen ab 2017 90 Millionen Euro aus dem EU-Treuhandfonds für Afrika investiert werden. U.a. sollen Kapazitäten lokaler Verwaltungen in Libyen aufgebaut werden, die Küstenwache geschult werden. Diese Maßnahmen haben nichts mit dem Schutz von Flüchtlingen und MigrantInnen zu tun, vor allem wenn bekannt ist, dass (lt Bericht des dt. Außenamts) „KZ-ähnliche Verhältnisse“ in Auffanglagern in Libyen herrschen.

Österreichische Gelder für humanitäre Hilfe werden also dazu verwendet, Migration und Flucht zu stoppen. Das widerspricht auf völlig inakzeptable Weise dem Bekenntnis Österreichs, dass Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe das Ziel verfolgt, Armut zu überwinden, Leben zu retten und die Würde des Menschen zu wahren.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

 

1)    Kann der österreichische Beitrag von drei Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds für den EU-Treuhandfonds Afrika laut Ausschuss für Entwicklungshilfe der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD DAC) zur Humanitären Hilfe gezählt werden?

1a) Wenn ja, bitte um Begründung, wieso es zur Humanitären Hilfe und somit zur ODA gezählt werden kann?

1b) Wenn nein, bitte um Begründung, wieso es nicht zur Humanitären Hilfe und somit nicht zur ODA gezählt werden kann?

 

2)    Laut OECD ist Österreichs Beitrag zur Humanitären Hilfe von 2015 auf 2016 nur um zirka drei Millionen Euro gestiegen.

2a) Bitte um Darlegung, wie sich die Vervierfachung des Auslandskatastrophenfonds  von fünf auf zwanzig Millionen Euro ab 2016 konkret in den Beiträgen 2016 und 2017 der österreichischen Humanitären Hilfe niederschlägt?

2b) Laut BMEIA hat Österreich 2016 55 Millionen Euro an Humanitärer Hilfe ausgegeben, laut OECD sind es 2016 aber nur 22,7 Millionen Euro. Das ist weniger als die Hälfte von dem Betrag, den das BMEIA angibt. Bitte um Begründung, wieso sich die BMEIA Berechnungen so stark von den OECD Berechnungen bezüglich Humanitärer Hilfe unterscheiden?

2c) Wieso verwendet das BMEIA nicht die OECD Vorgaben bzgl. Berechnung von Humanitärer Hilfe?

 

3)    2017 wurden bis 14. Juli 2017 11,5 Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds (AKF) für den Nahen und Mittleren Osten, Osteuropa (Ukraine), und Ostafrika ausgegeben. Mit dem Regierungsbeschluss von 14.7. 2017 kann durch den Beitrag von drei Millionen Euro aus dem AKF an den EU-Treuhandfonds für Afrika sowohl das Horn von Afrika, Nordafrika als auch die Sahel Zone und die Tschadsee-Region finanziell unterstützt werden.

Gibt es im BMEIA eine Strategie, nach welchen Kriterien und in welchen Zeitraum und für welchen geografischen Raum Beiträge aus dem Auslandskatastrophenfonds (AKF) gezahlt werden?

3a) Wie werden die restlichen im AKF verbleibenden 5,5 Millionen Euro bis Ende 2017 vergeben?

 

4)    Ist der Drei-Millionen Euro-Beitrag an den EU-Treuhandfonds für Afrika gewissen geographischen oder thematischen Bereichen des Fonds zugewiesen?

4a) Wenn ja, welche Projekte werden durch die drei Millionen Euro finanziert?

4b) Wenn nein, wieso nicht?

 

5)    Wie kann das BMEIA sicherstellen, dass der österreichische Beitrag für Humanitäre Hilfe nicht für Sicherheitsmaßnahmen wie die Bereitstellung von Grenzschutzausrüstung beispielsweise in Libyen ausgegeben wird?

5a) Wie sehen die Risikoüberprüfung und die Evaluierung der EU-Treuhandfonds für Afrika-Projekte aus?

5b) Wie setzt sich die österreichische Regierung für eine ausreichende Risikoabschätzung und strukturierte Evaluierung der Projekte ein?

 

6)    Hat sich die österreichische Regierung dafür eingesetzt, dass 500 Millionen Euro aus der Reserve des Europäischen Entwicklungsfonds in den EU-Treuhandfonds für Afrika fließen sollen, obwohl das eben erwähnte Finanzierungsinstrument Migration stoppen soll und nicht primär das Ziel verfolgt, Armut zu überwinden?

6a) Wenn ja, bitte um Begründung?

6b) Wenn nein, bitte um Begründung?

 



[1] https://www.bmeia.gv.at/das-ministerium/presse/aussendungen/2017/07/bundesminister-sebastian-kurz-durch-weitere-hilfe-vor-ort-in-afrika-migrationsstroeme-eindaemmen/ (19.072017)

[2] https://www.bmeia.gv.at/europa-aussenpolitik/humanitaere-hilfe/ (19.07.2017)

[3] https://www.bmeia.gv.at/das-ministerium/presse/aussendungen/2017/07/bundesminister-sebastian-kurz-durch-weitere-hilfe-vor-ort-in-afrika-migrationsstroeme-eindaemmen/

(19.7.2017)