13996/J XXV. GP

Eingelangt am 10.08.2017
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Julian Schmid, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport

betreffend Todesopfer bei Bundesheer-Hitzemarsch

BEGRÜNDUNG

 

Österreich ist schockiert über die Nachricht, dass ein junger Grundwehrdiener am 3.8.2017 nach einer Übung verstorben ist. Wie sich nach der Obduktion nunmehr herausstellte, war die Todesursache nicht wie ursprünglich seitens des Bundesheeres verlautbart wurde eine bakterielle Infektion, sondern eine Überhitzung des Körpers.

Werteverlauf der letzten 7 TageTatsächlich waren die letzten Wochen in Österreich von außergewöhnlich starker Hitze geprägt. Aus den von der ZAMG veröffentlichten Daten ergibt sich, dass am Todestag des Rekruten nachmittags Temperaturen von über 35° C erreicht wurden.

Wie die Wochenzeitung Falter in ihrer Ausgabe vom 8. August berichtet, schilderten andere Grundwehrdiener, die gemeinsam mit dem Todesopfer in Ausbildung standen dramatische Umstände. Ein Vater berichtete im Interview:

Kannte Ihr Sohn den Verstorbenen?
Huber: Ich möchte die Identität meines Sohnes wegen möglicher Repressalien schützen. Er ist mit dem Verstorbenen eingerückt, beide wurden nach Horn ins Garderegiment versetzt. Es ist ihm wichtig, dass die Zustände in dieser Kaserne ans Licht kommen.
Was hat Ihnen Ihr Sohn von Horn erzählt?
Huber:
Ich war selbst Grundwehrdiener, aber was mein Sohn erzählt hat, ist für mich unerträglich. Hier wird o
ensichtlich nicht auf das Leben der jungen Männer geachtet. Die Rekruten hatten schon zuvor bei ärgster Hitze einen ersten Marsch über 7,2 Kilometer zu absolvieren. Sie trugen 30 Kilo Marschgepäck am Rücken. Ein Kamerad hat zu torkeln begonnen, er musste gestützt werden, aber durfte den Marsch nicht unterbrechen. Er bekam immer wieder den Befehl weiterzugehen – an einem der heißesten Tage des Jahres. Jeder weiß, wie gefährlich das sein kann.
Hat er den Marsch gescha
t?
Huber: Nein, die anderen mussten ihn mitschleifen. Und dann war noch dieser Vorfall am Tag vor dem Todesfall. Da mussten die Rekruten wieder bei großer Hitze robben und laufen. An diesem Tag sollen mehr als 20 Männer bei der Übung in Ohnmacht gefallen sein. Das ist doch nicht normal, wir befnden uns nicht im Krieg.
Hat sich jemand über diese Zustände beschwert?
Huber:
Niemand beschwert sich! Die Burschen werden vom ersten Tag an eingeschüchtert und drangsaliert. Und wehe einer wagt es, gesundheitliche Probleme anzusprechen.
Was passiert dann?
Huber:
Der Kompaniekommandant (Name bekannt, Anm.) sagte laut meinem Sohn: „Wer bei einem Marsch Schwäche simuliert, muss auf jeden Fall weitergehen! Jeder, der noch sprechen kann und sagen kann, dass er nicht mehr weiterkann, wird weitermarschieren. Wer noch in der Lage ist zu sprechen, kann auch marschieren!“ Für mich persönlich grenzt das an geplante Körperverletzung. Mein Sohn erzählt auch, dass jene, die sich krankmelden, anschließend zur „Nachschulung“ müssen. Da wird dann die „Alarmpackordnung“ geübt: Spind räumen, Gewehr zerlegen. In Wirklichkeit ist das natürlich keine Nachschulung, sondern eine reine Bestrafung für das Krankmelden. So haben sie eine Kultur gescha
en, in der sich Geschwächte nicht mehr melden und ihr Leben riskieren müssen. Das gehört unabhängig untersucht und am besten geändert.
Sie sprachen in einem Vorgespräch auch von sexistischer, perverser Gewaltsprache.
Huber:
Die Sprache der Ausbildner ist unerträglich, wie mir mein Sohn schon ganz zu Beginn seiner Ausbildung in Whats-AppNachrichten schilderte. Wenn du einen Fehler beim „Habt Acht!“ machst und zum Beispiel die Finger falsch an den Körper anpresst, sagt der Exerziermeister (Name der Redaktion bekannt, Anm.) Sätze wie: „Was macht ihr da mit euren Händen, wollt ihr dass ich meine Eier in eure Hände lege, damit ihr sie streicheln könnt? Was ist da für ein Loch in der Hand, soll ich da reinficken?“ Diese Gewaltsprache ist im Jahr 2017 nur noch unerträglich. Als die Rekruten einmal fünf Minuten Pause von diesen Schikanen bekommen haben, hat er zu ihnen gesagt: „So, jetzt gehts wichsen, damit ihr den Kopf freikriegt!“ So hat ein Exerziermeister und Oberwachtmeister des Bundesheeres nicht zu sprechen.

 

Aus diesen Schilderungen ergeben sich eklatante Missstände im Rahmen der Grundausbildung beim Bundesheer. Leider ist aus zahlreichen anderen Beschwerdefällen bei der parlamentarischen Bundesheerkommission bekannt, dass es sich dabei nicht um Einzelfälle handelt. Der gegenständliche tragische, und vor allem vermeidbare Todesfall zeigt aber in aller Brutalität auf, wohin Schinderei und Missachtung der Rechte von Präsenzdienern in letzter Konsequenz führen können.

Als vor wenigen Jahren die österreichische Bevölkerung über die Beibehaltung der Wehrpflicht befragt wurde, klang all das noch ganz anders. Eine vielseitige und zeitgemäße Ausbildung wurde versprochen, und unter dem Titel „Wehrpflichtreform“ wurden großspurige Ankündigungen von „modularer Ausbildung“ und Fortbildung gemacht.

Das wurde offenbar nicht eingehalten, die WählerInnen wurden offenkundig getäuscht, und es herrschen anscheinend nach wie vor die alten Schindereien vor, die man schon längst überwunden glaubte.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie kam es zu dem Todesfall eines Grundwehrdieners am 3. August 2017 im Rahmen der Grundausbildung in Horn?

2)    Welche Aufgaben mussten die betroffenen Grundwehrdiener an diesem Tag erledigen?

3)    Mussten an diesem Tag Wegstrecken zu Fuß bewältigt werden, und wenn ja wie lang waren diese?

4)    Musste dabei Marschgepäck getragen werden, und wenn ja mit welchem Gewicht?

5)    Welche Kleidung hatten die Grundwehrdiener dabei zu tragen?

6)    Führte der Marsch durch Sonnenflächen oder durch den Schatten?

7)    Wie wurde eine ausreichende Versorgung der Grundwehrdiener mit Flüssigkeit während des Ausbildungsprogramms sichergestellt?

8)    In welchem Zeitabstand wurden Trinkpausen abgehalten?

9)    Wie wurde auf die auftretenden körperlichen Probleme des später Verstorbenen reagiert?

10) Ist es zutreffend, dass nicht sofort die Rettung bzw. ein Arzt verständigt wurde, sondern dass der kollabierte Präsenzdiener erst mit einem LKW in die Kaserne verbracht wurde, dann von Sanitätern untersucht wurde, und dass bei erster Zuziehung eines Arztes bereits eine Reanimation versucht werden musste?

11) Wurde die Übung nach dem Kollaps abgebrochen oder mussten die übrigen Grundwehrdiener den Marsch fortsetzen?

12) Sind die Schilderungen des im Falter interviewten Vaters zutreffend, dass vor dem Zusammenbruch des später Verstorbenen bereits auch andere Grundwehrdiener körperliche Probleme bei Übungen während der extremen Hitzewelle erlitten haben?

13) Wie haben die Vorgesetzten auf diese Probleme reagiert?

14) Ist es zutreffend, dass am Vortag mehrere Grundwehrdiener in der großen Hitze bei Übungen ohnmächtig wurden?

15) Falls ja wie viele, während welcher Übung, und wie wurde darauf reagiert?

16) Wer ist der höchstrangige Kommandant, der über diese gesundheitlichen Probleme zeitnah informiert wurde, und welche Veranlassungen hat er daraufhin getroffen?

17) Wie konnte es trotz Kenntnis dieser Umstände dazu kommen, dass in offiziellen Stellungnahmen seitens des Bundesheeres zunächst davon die Rede war, dass es zuvor keine Anzeichen für gesundheitliche Probleme gegeben hätte?

18) Kommt es öfters vor, dass bei Übungen mit Grundwehrdienern diese ohnmächtig werden?

19) Falls ja, wie viele derartige Fälle hat es jeweils in den letzten fünf Jahren gegeben?

20) Welcher Umgang mit derart kollabierten Rekruten ist vorgesehen?

21) Sind Übungen, in deren Rahmen Personen ohnmächtig werden oder andere schwerwiegende gesundheitliche Probleme erleiden, jedenfalls abzubrechen?

22) Falls nein: wieso nicht?

23) Wer hat das Ausbildungsprogramm für den Todestag erstellt und wer hat es genehmigt?

24) Welche Vorschriften über die Genehmigung der Ausbildungsprogramme bestehen und wurden diese in diesem Fall eingehalten?

25) Müssen Ausbildungsprogramme auch ärztlich freigegeben werden und ist dies im gegenständlichen Fall geschehen?

26) In welcher Art und Weise wurden die zu erwartenden hohen Temperaturen bei der Erstellung des Ausbildungsprogramms für diesen Tag berücksichtigt?

27) Bestehen im Bereich des Bundesheeres allgemeine Vorschriften über die Ausbildung von Grundwehrdienern an Tagen mit starker Hitze oder anderen extremen Witterungsbedingungen?

28) Falls ja: wie lauten diese und wurden sie im gegenständlichen Fall eingehalten?

29) Falls nein: wieso nicht und was werden Sie unternehmen, damit umgehend entsprechende Vorschriften erlassen werden?

30) Was haben Sie unternommen, damit die Umstände und Verantwortlichkeiten, die zu dem gegenständlichen Todesfall geführt haben, umfassend und ohne Vertuschung aufgeklärt werden?

31) Wie stellen Sie sicher, dass nicht nur das letzte Glied in der Befehlskette, sondern auch die höheren Ränge, welche dem schinderischen Treiben der Ausbildner offenbar tatenlos zugesehen haben, zur Verantwortung gezogen werden?

32) Ist es zutreffend, dass Grundwehrdiener in der Kaserne Horn nach Krankmeldungen schikanöse „Nachschulungen“ absolvieren müssen?

33) Falls ja: entspricht eine derartige Vorgehensweise den Vorschriften?

34) Sind derartige Vorgehensweisen auch in anderen Kasernen üblich?

35) Ist es zutreffend, dass die Grundwehrdiener in der Kaserne Horn mit beleidigenden, sexualisierten Schimpftiraden bedacht werden?

36) Falls ja: entspricht eine derartige Vorgehensweise den Vorschriften?

37) Sind derartige Vorgehensweisen auch in anderen Kasernen üblich?

38) Ist es zutreffend, dass auf die Grundwehrdiener in der Kaserne Horn Druck ausgeübt wird, keine Beschwerden zu erheben und gesundheitliche Probleme nicht zu melden?

39) Falls ja: entspricht eine derartige Vorgehensweise den Vorschriften?

40) Sind derartige Vorgehensweisen auch in anderen Kasernen üblich?

41) Was werden Sie unternehmen um sicherzustellen, dass ein solcher tragischer Vorfall nie wieder geschehen kann?