13997/J XXV. GP

Eingelangt am 10.08.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Barbara Neuroth, Georg Willi, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Motorrad-Lärm

 

Im Zusammenhang mit dem Diesel-Abgasskandal rückt wieder in den Blick der Öffentlichkeit, dass ähnliche Tricksereien dies- und jenseits der Legalitätsgrenze auch in Bezug auf die Lärmemissionen der Kraftfahrzeuge stattfinden. Kfz sind auch hier im realen Fahrbetrieb oft weit von dem entfernt, was typgenehmigungsrelevant bei bestimmten isolierten Messpunkten und Messgeschwindigkeiten bzw. -geschwindigkeitsbereichen am Prüfstand ermittelt wurde. Ausgeprägt ist dies laut den jüngsten Medienberichten – etwa ARD-plusminus vom 9.8.2017 – auch und nicht zuletzt bei Einspurigen.

 

Generell gehört Lärmbelastung durch einspurige Kfz zu den gravierendsten Problemen und Herausforderungen im gesamten Verkehrslärm-Spektrum. Der Bestand an einspurigen Kfz hat sich in Österreich in den letzten 15 Jahren nahezu verdoppelt und liegt bereits weit über 500.000 Fahrzeugen. Die Popularität einspuriger Kfz nimmt auch im Stadt- und Ortsverkehr zu, dazu kommt die wegen der größeren Stückzahlen zunehmende Inanspruchnahme sogenannter „Motorradstrecken“ in ländlichen und alpinen Regionen und der verschwindende Anteil von elektrisch betriebenen und daher lärmarmen „Einspurigen“.

 

In Summe nimmt die Lärmbelastung durch Einspurige laufend weiter zu. Im Sinne des Gesundheitsschutzes wäre das Gegenteil nötig. Lärm als psychosozialer Stressfaktor beeinträchtigt nicht nur das subjektive Wohlempfinden und die Lebensqualität, indem er stört und belästigt. Lärm beeinträchtigt auch die Gesundheit im engeren Sinn.

 

Motorräder und Mopeds dürfen legal in gesundheitsgefährdenden Bereichen lärmen, weil sehr großzügige bzw unvollständige Typgenehmigungs-Vorgaben auf EU- bzw. dieser vorgelagert auf UNECE-Ebene dies zulassen.

Auch nach der letzten Weiterentwicklung dieses Vorschriftenwerks mit UNECE-R 41.04, die bei neuen Typgenehmigungen ab 2016 für mehr Lärm-Begrenzung sorgen sollte, sind trotz der Verbesserungen – unter anderem wurde Schummelsoftware zur Erkennung der Testzyklen endlich verboten – immer noch Schlupflöcher im Scheunentor-Format geblieben.

So erlaubt die parallle UNECE-Regelung 92.01 skurrilerweise bis 2020 weiter den Ersatz der nun seit 2016 endlich (teilweise) leiseren Serien-Auspuffe durch lautere Zubehör-Auspuffe! Im Ergebnis dürfen Motorräder, die vor 2016 typgenehmigt wurden und solche, die seitdem typgenehmigt, aber auspuffseitig umgerüstet wurden, jedenfalls jenseits von 80 km/h weiterhin nahezu beliebig viel Lärm verursachen, und das mindestens noch bis 2020.

 

Neben diesem internationalen Rahmen, der zu viel Lärmbelastung zulässt, gibt es auch innerstaatlich rechtliche Regelungen, die unnötig viel Motorrad- und Mopedlärm zulassen.

So wurde im Zuge einer Parlamentarischen Anfragebeantwortung an die Grünen bereits im Jahr 2007 vom BMVIT unter anderem bestätigt, dass es in Österreich rechtlich zulässig (und auch in der Praxis üblich) ist, dass bei werksseitig weniger laut als maximal zulässig ausgelieferten Motorrädern durch Austausch des Endschalldämpfers das Betriebsgeräusch bis zum maximal zulässigen Lärmemissionsgrenzwert angehoben werden darf.

Damals wurde (vgl. 1683/AB XXIII.GP) angegeben, dass es bereits Überlegungen zur Änderung dieser zumindest mit der Intention kraftfahrrechtlicher Vorgaben im Widerspruch stehenden Praxis gäbe. Von tatsächlichen entsprechenden innerstaatlichen Aktivitäten wurde jedoch nichts bekannt.

 

Es ist freilich kein Geheimnis, dass im Bereich Sportauspuffe erfolgreiche Unternehmen in Österreich ansässig sind und dass es in den letzten Jahren auch die eine oder andere personelle Verflechtung zwischen BMVIT-Stäben und diesen Unternehmen gab.

 

Es stellt sich weiters auch die Frage, wieso innerstaatlich bislang von keiner der folgenden rechtlichen Möglichkeiten zur Eindämmung der Motorradlärm-Probleme Gebrauch gemacht wird wie von den Grünen bereits seit vielen Jahren (vgl. zB 870/A(E) XXIII.GP) angeregt:

·         Bestehende Regelung in § 60 Abs 1 StVO: "Zustand und Beleuchtung der Fahrzeuge. (1) Ein Fahrzeug darf auf Straßen nur verwendet werden, wenn es so gebaut und ausgerüstet ist, daß durch seinen sachgemäßen Betrieb Personen nicht gefährdet oder durch Geruch, Geräusch, Staub, Schmutz u. dgl. nicht über das gewöhnliche Maß hinaus belästigt oder Sachen, insbesondere die Fahrbahn, nicht beschädigt werden."

-> bei der Interpretation des "gewöhnliche Maßes" der Geräuschbelästigung und beim Vollzug dieser Vorgabe müsste Spielraum zugunsten lärmgepeinigter AnrainerInnen bestehen. Schließlich beträgt der Unterschied zwischen rücksichtsvoller und extrem aggressiver Fahrweise laut Experten rund 20 Dezibel, das entspricht einer Vervierfachung (!) des wahrgenommenen Lärms für die Betroffenen!

·         Analoge Regelung zu § 69 Abs 2 lit c StVO

-> explizite Maßnahmen gegen Extra-Lärmen sind hier für Mopeds im Ortsgebiet bereits normiert und daher rechtlich offensichtlich grundsätzlich möglich und müssten auch genereller gegen Extra-Lärmen Einspuriger zur Anwendung kommen können.

·         § 102 Abs 4 KFG: "Der Lenker darf mit dem von ihm gelenkten Kraftfahrzeug (...) nicht ungebührlichen Lärm, ferner nicht mehr (...) schädliche Luftverunreinigungen verursachen, als bei (...) sachgemäßem Betrieb des Fahrzeugs unvermeidbar ist."

-> auch bei Interpretation und Vollzug und evtl. Formulierung dieser Bestimmung müsste Spielraum im Interesse lärmgepeinigter AnrainerInnen bestehen. Mutwilliges Ausdrehen der Gänge ist regelmäßig als "nicht sachgemäßer Betrieb" des Fahrzeugs (bzw. Ursache vermeidbarer Luftverunreinigung und ungebührlichen Lärms) zu qualifizieren. So ist nach genau diesem KFG-Paragraphen schon jetzt zB das Warmlaufenlassen vor dem Losfahren verboten; wenn aber dies per Gesetz „nicht sachgemäß“ bzw. eine vermeidbare Luftverunreinigung ist, dann müsste dies für mutwillig produzierten Lärm, der auch mit Verbrauchs- und damit Schadstoffspitzen verbunden ist, mindestens ebenso gelten.

·         § 4 Abs 2 KFG bezieht sich schließlich ebenfalls auf die Lärmfrage ("Kraftfahrzeuge (...) müssen so gebaut und ausgerüstet sein, daß durch ihren sachgemäßen Betrieb weder (...) noch  übermäßig Lärm, (...) entstehen.")

-> dies steht in offensichtlichem Widerspruch zur alltäglichen Praxis bei Einspurigen. Spätestens auf Basis dieser rechtlichen Vorgabe müsste zumindest aktiv hinterfragt werden, ob die aktuellen EU-Lärmemissionsgrenzwerte und sonstigen Lärmregelungen noch zeitgemäß sind und es müssten aktiv Maßnahmen zu ihrer Reduktion gesetzt werden.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)     Wie lauten die aktuellen europarechtlichen Vorgaben für die maximale Lärmemission von einspurigen Kraftfahrzeugen und wo sind diese verankert?

2)     Welche inhaltliche Position hat Österreich zu dieser Regelung/diesen Regelungen a) auf UNECE-Ebene, b) auf EU-Ebene vertreten?

3)     Welches Stimmverhalten Österreichs zu dieser Regelung/diesen Regelungen erfolgte im Rat?

4)     Gelten diese Vorgaben für das gesamte Geschwindigkeitsband oder nur für bestimmte Bereiche davon, wenn letzteres für welche?

5)     Gelten diese Vorgaben für das gesamte Drehzahlband oder nur für bestimmte Bereiche davon, wenn letzteres für welche?

6)     Welche schriftlichen oder mündlichen Interventionen seitens

a) österreichischer Motorradhersteller,

b) österreichischer Hersteller lärmvermehrenden Zubehörs (Tauschauspuffe, Sportauspuffe, sonstiges Tuningmaterial, …),

c) deren Vertretern aus WKÖ oder IV

sind im Zuge dieses Regelungsprozesses bei Ihren Amtsvorgängern, deren BüromitarbeiterInnen oder sonstigen VertreterInnen des BMVIT wann erfolgt? Wir ersuchen um Beantwortung samt Unternehmensnennung und Aktenzahlen, unter denen diese schriftlichen oder mündlichen Kontakte veraktet sind.

7)     Hat Österreich a) vor der Entscheidung über diese Regelung, b) seitdem Initiativen gesetzt, um Lärmemissionsgrenzen für den gesamten Geschwindigkeitsbereich zu erreichen, wenn ja welche, wenn nein warum nicht?

8)     Hat Österreich a) vor der Entscheidung über diese Regelung, b) seitdem Initiativen gesetzt, um Lärmemissionsgrenzen für den gesamten Drehzahlbereich zu erreichen, wenn ja welche, wenn nein warum nicht?

9)     Hat Österreich a) vor der Entscheidung über diese Regelung, b) seitdem Initiativen gesetzt, um generell niedrigere Lärmemissionsgrenzen zu erreichen, wenn ja welche, wenn nein warum nicht?

10)  Was ist Ihnen über „abgas-/dieselskandal-artige“ Manipulationen, Tricksereien und ggfs Betrügereien der Hersteller auch bei der Einhaltung der Lärm-Vorgaben für a) Kfz im allgemeinen, b) einspurigen Kfz im besonderen bekannt, wie sie beispielsweise Thema einer am 9.8.2017 ausgestrahlten ARD-plusminus Reportage waren?

11)  Was haben Sie bzw. Ihre VorgängerInnen wann konkret unternommen, um „abgas-/dieselskandal-artige“ Manipulationen, Tricksereien und ggfs Betrügereien der Hersteller auch bei der Einhaltung der Lärm-Vorgaben für a) Kfz im allgemeinen, b) einspurigen Kfz im besonderen in Österreich auszuschließen bzw. abzustellen? Bitte um Beantwortung im Einzelnen.

12)  Welche konkreten Verstöße bzw. Umgehungshandlungen welcher Hersteller bei welchen Fabrikaten wurden im Zuge der in Frage 11 angesprochenen Aktivitäten konkret festgestellt? Bitte um Beantwortung im Einzelnen.

13)  Falls nichts im Sinne von Frage 11 unternommen wurde – warum nicht?

14)  Welche Maßnahmen haben Sie bzw Ihre Vorgänger wann gesetzt, um für die lärmbelastungsreduzierende Anwendung der bestehenden Regelung in § 60 Abs 1 StVO hinsichtlich unzulässiger Lärmbelästigung über ein „gewöhnliches Maß“ hinaus zu sorgen?

15)  Falls Sie bzw Ihre Vorgänger keine Maßnahmen gesetzt haben: Warum nicht?

16)  Welche Maßnahmen haben Sie bzw Ihre Vorgänger wann gesetzt, um für eine lärmbelastungsreduzierende Vorgabe für alle einspurigen Kfz analog bzw in Erweiterung zum bestehenden § 69 Abs 2 lit c StVO, der sich gegen Extra-Lärmen mit Mopeds auf bestimmten Teilen des Straßennetzes wendet, zu sorgen?

17)  Falls Sie bzw Ihre Vorgänger keine Maßnahmen gesetzt haben: Warum nicht?

18)  Welche Maßnahmen haben Sie bzw Ihre Vorgänger wann gesetzt, um für eine lärmbelastungsreduzierende Anwendung von § 102 Abs 4 KFG hinsichtlich der Frage, ob lärmmaximierender Betrieb einspuriger Kfz sachgemäßer bzw eben nicht sachgemäßer Betrieb ist, zu sorgen?

19)  Falls Sie bzw Ihre Vorgänger keine Maßnahmen gesetzt haben: Warum nicht?

20)  Welche Maßnahmen haben Sie bzw Ihre Vorgänger wann gesetzt, um für die Anwendung von § 4 Abs 2 KFG hinsichtlich der dort vorgesehenen Betriebsverbote für Kfz, deren Betrieb „übermäßig Lärm“ entstehen lässt, wie es bei einspurigen Kfz regelmäßig der Fall ist, zu sorgen?

21)  Falls Sie bzw Ihre Vorgänger keine Maßnahmen gesetzt haben: Warum nicht?

22)  Welche künftigen Maßnahmen sind bei den vier in der Begründung sowie in Frage 14, 16, 18 und 20 angesprochenen bestehenden rechtlichen „Hebeln“ gegen zuviel Motorradlärm vorgesehen?

23)  Falls auch künftig keine Maßnahmen vorgesehen sein sollten: Warum nicht?