14001/J XXV. GP

Eingelangt am 14.08.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Rettungsgasse

 

In den letzten Wochen und Monaten hat sich allein in Oberösterreich mehrmals eindrücklich bestätigt, dass die Rettungsgasse auch nach mittlerweile bald 6 Jahren eher im Ausnahms- als im Regelfall funktioniert. Es ist Zeit, daraus Konsequenzen zu ziehen.

Ein krasses Beispiel war der Fahrzeugbrand am 7.4.2017 abends auf der A8 Innkreis-Autobahn zwischen Ort und Haag, bei dem von vier alarmierten Feuerwehren nur eine den Einsatzort erreichte, weil die anderen mangels Rettungsgasse im Stau steckenblieben.

Am 13.6.2017 musste die Feuerwehr gegen die Fahrtrichtung zu einem LKW-Unfallort bei Ansfelden gelotst werden, weil die in Fahrtrichtung aus Asten anrückende Feuerwehr wegen der weithin fehlenden Rettungsgasse selbst mit dem im Vergleich zu Lösch- und Bergungs-Fahrzeugen schmalen und wendigen Kommandanten-PKW fast eine halbe Stunde Anfahrtszeit für knapp 10km Strecke benötigte, und das auf einem mehr als ausreichend breiten, mehrspurigen Abschnitt.

Fotos zu Medienberichten zum 15km-Stau nach dem Tiertransporter-Unfall vom 4.7.2017 auf der A1 Westautobahn bei Asten/OÖ zeigen unter anderem vier Fahrzeugkolonnen auf der betroffenen dreispurigen Richtungsfahrbahn, womit sich natürlich keinerlei durchgängige oder ausreichend breite Zufahrt für Blaulichtorganisationen bewerkstelligen lässt, sowie dass offenbar auch LenkerInnen von regionalen Linienbussen, die die Autobahn wohl mehrmals täglich befahren, nicht mit dem Bilden der Rettungsgasse vertraut sein dürften – Ähnliches ist übrigens auch von Fernbus-LenkerInnen dokumentiert.

(vgl. http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/Rettungsgasse-funktioniert-auch-fuenf-Jahre-nach-Einfuehrung-schlecht;art4,2614289)

Der neue Leiter der Autobahnpolizei im Klaus an der A9 Pyhrnautobahn, bereits seit über 30 Jahren in diesem Bereich tätig, wusste zum Auftakt der Reise-, Stau- und Unfallsaison zu berichten: „Wir stellen fest, dass die Rettungsgasse bei Südländern wie etwa bei den türkischen Lenkern nicht verankert ist. Dazu kommt, dass keiner weiß, wohin er mit seinem Wagen ausweichen muss, wenn sich vor dem Tunnel die Fahrstreifen verengen.“ (OÖN 11.7.2017)

In einem OÖN-Artikel vom 1.8.2017 sprechen mehrere hochrangige Vertreter der Feuerwehren – vom Kommandanten der Marchtrenker und dem Pflichtbereichskommandanten der Ansfeldener Feuerwehr („Wir fahren auf dem Pannenstreifen, auf dem Grünstreifen und, wenn zufällig eine gebildet wurde, in der Rettungsgasse“) über den Bezirkskommandanten Linz-Land („Wie es nicht geht, haben wir uns jetzt Jahre lang angesehen. Jetzt ist es Zeit, einzusehen, dass die Rettungsgasse ein Unding ist.“) bis zum Landesfeuerwehrkommandanten zum Thema Rettungsgasse Klartext.

Besonders deutliche Worte findet Linz-Land-Bezirksfeuerwehrkommandant Helmut Födermayr: "Jeder Betrieb mit so einem schweren Mangel beim Brandschutz würde gesperrt werden. Bei den Autobahnen ist das aber offenbar egal. Aus meiner Sicht ist die Sicherheit auf den Autobahnen derzeit nicht gewährleistet."

Die Polizei scheint unterm Strich außerstande, die Rettungsgassen-Regelung durch Sanktionierung von Missachtern wirksam durchzusetzen – konkret gab es in Oberösterreich im letzten Jahr gerade 74 Anzeigen bei wohl zehntausenden Verstößen durch VerkehrsteilnehmerInnen. In einem OÖN-Artikel vom 14.6.2017 wird „ein leitender Beamter der Landesverkehrsabteilung“ ganz unverblümt mit den Worten zitiert: "Wir können aber nicht bei einem Unfall auf der Autobahn, wenn Menschen dringend unsere Hilfe brauchen, anfangen, tausende Strafmandate an alle Lenker zu verteilen." Leider bleibt dies den VerkehrsteilnehmerInnen sichtlich nicht verborgen.

Statt der Durchsetzung der geltenden Regelung wie die Polizei-Spitzen vor allem für eine europaweite Vereinheitlichung zu plädieren ist aber wohl eine Alibi-Forderung: Angesichts des häufigen Nichtfunktionierens der Rettungsgasse in Österreich wie in Deutschland, der davon abweichenden Rettungsgassen-Regelung etwa in Tschechien und dem Festhalten am Pannenstreifen als Zufahrtsweg für Retter und Helfer in vielen anderen Ländern rund um Österreich wird dies wohl kaum zur europaweiten Umsetzung der „österreichischen Lösung“ führen. Unabhängig davon bleibt die Frage, warum diese bei weiterhin fehlender Sanktionierung dann viel besser funktionieren sollte als heute.

In Kommentaren zu den ständig wiederkehrenden Anlassfällen wurde unter anderem an der Unschärfe der Textierung („Die Rettungsgasse muss gebildet werden, sobald sich ein Stau bildet bzw. wenn es zu stockendem Verkehr oder Stau kommt ...“, das sei eine „nebulose Alibi-Vorschrift … keine konkrete für alle verbindliche Anweisung“) Kritik geübt und die Frage gestellt, wieso denn nicht eine eindeutige Geschwindigkeitsgrenze, bei deren Unterschreitung die Pflicht eintreten müsste, und dazu kein absolutes Überholverbot festgelegt wurde.

Für die haupt- wie die ehrenamtlichen Retter und Helfer – allein in Oberösterreich sind zB gut 65.000 Feuerwehrleute aktiv – bringt das Thema Rettungsgasse regelmäßig Risken und große Frustration.

Ein auch nach bald sechs Jahren Geltung von vielen VerkehrsteilnehmerInnen ignorierter und für die Polizei offenbar unlösbarer Gesetzesauftrag kann bei einem Thema, bei dem es um Leben und Tod geht, nicht der Weisheit letzter Schluss bleiben.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der in bald sechs Jahren (Inkrafttreten 1.1.2012) trotz Millionenkampagne und viel PR-Gewitter von BMVIT, ASFINAG und einzelnen Vertretern befreundeter Hilfsorganisationen noch immer bei sehr vielen in- und ausländischen VerkehrsteilnehmerInnen nicht geglückten Verankerung der Rettungsgassen-Regelung?

2)    Wie reagieren Sie insbesondere auf die aus mehrjähriger leidvoller Erfahrung mit der Rettungsgasse und ihrem Nicht-Funktionieren getätigten Äußerungen hochrangiger oberösterreichischer Feuerwehrvertreter wie „Wie es nicht geht, haben wir uns jetzt Jahre lang angesehen. Jetzt ist es Zeit, einzusehen, dass die Rettungsgasse ein Unding ist.“?

3)    Wie werden Sie rasch konkret zur Entschärfung der für Retter und Helfer untragbaren Situation beitragen?

4)    Werden Sie zur Freihaltung und Nutzung des Pannenstreifens für die Anfahrt der Retter und Helfer zum Einsatzort zurückkehren – wenn nein, warum konkret nicht?

5)    Seinerzeit stand die Einführung der Rettungsgasse in engem Zusammenhang mit Plänen, den Pannenstreifen als zusätzlichen Fahrstreifen zu verkehrsstarken Tageszeiten freizugeben. Können Sie ausschließen, dass derartige Pläne zur Freigabe des Pannenstreifens als zusätzlichen Fahrstreifen zu verkehrsstarken Tageszeiten der wahre Grund sind, warum nach bald sechs Jahren dennoch weiterhin am oft nicht funktionierenden und die Retter und Helfer behindernden Rettungsgassen-Ansatz festgehalten werden „muss“?

6)    Ist für Sie bzw das BMVIT die – für Unfallopfer und manchmal auch die Retter selbst - potenziell lebensgefährliche Behinderung der Unfallhilfe von Blaulichtorganisationen hier und jetzt weniger wichtig als das mögliche Anbieten temporär zusätzlicher Verkehrskapazitäten durch temporäre Pannenstreifenfreigaben in Zukunft?

7)    Was sagen Sie bzw das BMVIT zu den Vorhalten, die – auf eine Regierungsvorlage Ihres Hauses zurückgehende - Formulierung der Rettungsgassen-Regelung sei zu unscharf bzw zu nebulos? Können Sie sich eine Präzisierung in Sachen Tempo-Grenze und Überholverbot vorstellen? Wenn nein warum nicht?

8)    Wie stehen Sie zur Forderung nach europaweiter Vereinheitlichung der Rettungsgassen- bzw. Pannenstreifen-Regelungen?

9)    Haben a) Sie, b) Ihre beiden Amtsvorgänger bereits Initiativen zu einer solchen Vereinheitlichung gesetzt, wenn ja wann und welche, wenn nein warum nicht?

10) Was sagen Sie dazu, wenn leitende Vertreter einer Landesverkehrsabteilung meinen, dass das konsequente Durchsetzen einer Verkehrsregelung – konkret der Rettungsgasse – nicht möglich sei, weil die Unfallhilfe Vorrang habe, wobei doch ebendiese Unfallhilfe durch genau dieses Delikt Nicht-Bildung der Rettungsgasse erschwert oder verunmöglicht wird?

11) Halten Sie – Beispiel Oberösterreich – 74 Anzeigen bei wohl zehntausenden Verstößen durch VerkehrsteilnehmerInnen pro Jahr für geeignet, dem Problem „gesetzwidrige Nicht-Bildung der Rettungsgasse“ wirksam zu begegnen? Wenn nein, was wollen Sie konkret zur Erhöhung des Sanktionierungsdrucks unternehmen?

12) Wie ist erklärlich, dass offenbar nicht einmal Linienbus- (und Fernbus-) -LenkerInnen ausreichend über die gesetzlichen Vorgaben in Sachen Rettungsgasse Bescheid wissen und diese ignorieren, und wie werden Sie dem konkret abhelfen?