14045/J XXV. GP

Eingelangt am 13.09.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Sigrid Maurer, Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend Veröffentlichung bzw. Nicht-Veröffentlichung einer „Klimabilanz Kunstschnee“

BEGRÜNDUNG

 

Am 26. Mai 2017 präsentierte die grundsätzlich renommierte steirische Forschungseinrichtung Joanneum Research (JR) gegenüber der APA Ergebnisse einer Studie über die Klimabilanz von Kunstschnee.

Die Studie im Auftrag des Fachverbands der Seilbahnen Österreichs kommt laut Studienmitautor und Leiter des JR-Zentrums für Klima, Energie und Gesellschaft (LIFE) Franz Prettenthaler zu dem Ergebnis, dass die Klimabilanz von künstlicher Beschneiung unter dem Strich positiv ausfalle. Laut Prettenthaler würde der abkühlende Effekt die Emissionen der Kunstschneeerzeugung auf- bzw. überwiegen: "Der positive klimatische Effekt der Oberflächen-Albedo-Änderung aufgrund beschneiter Pisten überwiegt den negativen Emissionseffekt der Kunstschneeerzeugung". (APA 26.5.2017)

Diese Darstellung wurde breit von mehreren Print-, TV und Hörfunkmedien aufgenommen und ausführlich berichtet.

Die Studie selbst ist jedoch bis heute nicht veröffentlicht worden. Lediglich eine etwa zweieinhalbseitige Kurzzusammenfassung wurde von JR online zur Verfügung gestellt.

Ein Ersuchen des Grünen Parlamentsklubs um Übermittlung der laut AutorInnen aus Mitteln des Landes Steiermark, also öffentlich, ko-finanzierten Studie wurde von Joanneum Research und Studien-Hauptautor Prettenthaler abschlägig beantwortet (E-Mail JR an Grüner Parlamentsklub vom 31.5.2017). Nach nochmaligem Urgieren seitens des Grünen Klubs wurden schließlich von Ko-Autor Franz Prettenthaler drei öffentlich finanzierte Basisarbeiten (die zwei ACRP Projekte CC-Snow, 2011 und CC-Snow2, 2012 sowie das Paper „Integration of Albedo Effects….“, Forest Ecology and Management, 2009) übermittelt. Die Basisarbeiten behandeln im weitesten Sinne Schneemodellierung für Länder Tirol und Steiermark, sowie eine mögliche Beeinträchtigung des Albedo-Effektes durch Aufforstung. Der eigentliche Forschungsgegenstand der Klimabilanz von Kunstschnee wird in diesen Arbeiten nicht behandelt.

Die in den Medien berichteten Forschungsergebnisse und ihr Zustandekommen sind somit für die kritisch-konstruktive Öffentlichkeit bislang nicht im Einzelnen überprüfbar. 

Gerade die Klimawissenschaft als Grundlage politischen Handelns steht bekanntlich unter enormem Druck. Jahrzehntelang verzögerte eine im Sold der Öl- und Gasindustrie stehende Phalanx aus professionellen Faktenverdrehern den Kampf gegen den Klimawandel.

So sehr die freie Wissenschaft ein Grundpfeiler unseres demokratisch verfassten Staatswesens ist, so sehr ist die Möglichkeit zur Überprüfung von Forschungsergebnissen ein Grundpfeiler dieser Wissenschaft und ihrer Integrität.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Teilen Sie die in den meisten österreichischen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Rahmen von „Richtlinien für gute wissenschaftliche Praxis“ o. dgl. verankerte Regel, dass wissenschaftliche Ergebnisse in Form von Publikationen der – zumindest wissenschaftlichen - Öffentlichkeit mitgeteilt werden sollen?

 

2)    Teilen Sie insbesondere die in den „Richtlinien der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität zur Guten Wissenschaftlichen Praxis“ (GWP-Richtlinien der OeAWI; die Joanneum Research GmbH ist Vollmitglied dieser Agentur) in § 1 Abs. 1 festgeschriebene Vorgabe „Zur wissenschaftlichen Integrität gehört auch die aufrichtige, verständliche und transparente, der Komplexität wissenschaftlicher Forschung gerecht werdende Kommunikation mit der allgemeinen Öffentlichkeit.“?

 

3)    Halten Sie diese (Selbst)Verpflichtung mit der Veröffentlichung nur einer kurzen Zusammenfassung für erfüllt? Wenn ja, warum?

 

4)    Teilen Sie die Aussage, dass das Ermöglichen einer kritischen Auseinandersetzung mit erzielten Forschungsergebnissen und das systematische wissenschaftliche Hinterfragen von Schlussfolgerungen Kernstück guter wissenschaftlicher Praxis ist?


5)    Stimmen Sie der Aussage zu, dass bei mit öffentlicher Finanzierung oder Ko-Finanzierung durchgeführten Forschungsarbeiten und dabei erzielten Forschungsergebnissen prinzipiell deren Veröffentlichung erfolgen sollte?
Wenn ja, werden Sie als zuständiger Bundesminister Sorge tragen, dass dieses Prinzip in Zukunft möglichst ausnahmslos Beachtung findet?

Wenn nein, warum nicht?

 

6)    Welche Möglichkeiten haben a) Sie selbst bzw. Ihr Haus, b) Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der Republik Österreich, wenn es in konkreten Anlassfällen gilt, Bedenken in Sachen wissenschaftliche Integrität bekanntzumachen und auszuräumen?

 

7)    Ist Ihnen bekannt, ob in der Sache „JR-Seilbahnen“-Studie bereits eine Agentur oder Kommission für Wissenschaftsethik befasst wurde? Haben Sie einen derartigen Schritt gesetzt oder werden Sie einen derartigen Schritt setzen? Falls nicht, warum nicht?

 

8)    Erhält die Joanneum Research Forschungsgesellschaft mbH öffentliche Gelder des Bundes a) als Basisfinanzierung, b) als Fördermittel für Projekte, Studien u.dgl.? Wenn ja, in welcher Höhe und wofür a) für das Jahr 2015, b) für das Jahr 2016, c) bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung für das Jahr 2017?

 

9)    Erhält der Fachverband der Seilbahnen öffentliche Gelder des Bundes a) als Basisfinanzierung, b) als Fördermittel für Projekte, Studien u.dgl.? Wenn ja, in welcher Höhe und wofür a) für das Jahr 2015, b) für das Jahr 2016, c) bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung für das Jahr 2017?

 

10)  In welcher Weise werden Sie, zB durch angemessenere Dotierung und insbesondere Basisfinanzierung der universitären wie außeruniversitären Forschungseinrichtungen, dazu beitragen, dass die Verlockungen durch Auftragsgutachten mit auftraggeberaffinen Ergebnissen für österreichische Forschungseinrichtungen möglichst gering bleiben?