14132/J XXV. GP

Eingelangt am 12.10.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Christiane Brunner, Georg Willi, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Evaluierung der hochrangigen Straßenbauprojekte

 

Im Regierungsübereinkommen von SPÖ und ÖVP von Herbst 2013 wurde im Kapitel „Verkehr und Infrastruktur“ an prominenter Stelle – als allererstes der aufgelisteten Vorhaben - folgendes festgehalten (Hervorhebung durch die AntragstellerInnen):

 

„Hochrangiges Straßennetz: Im hochrangigen Straßennetz ist mit der Evaluierung 2010 das mittelfristige Investitionsprogramm der Asfinag definiert, das mit den jeweils 6-jährigen Rahmenplänen umgesetzt und weitergeführt wird. Ungeachtet dessen wird das Investitionsprogramm einer neuen Evaluierung unterzogen.

 

Bereits bald nach Beginn der Regierungsperiode wurde der Bedarf hinsichtlich dieser „neuen Evaluierung“ mehrfach unterstrichen:

·        Einerseits verfolgte die ASFINAG ganz unabhängig von den – methodisch fragwürdig, aber eben doch zustandegekommenen und öffentlich präsentierten - Prioritätenreihungen und Ergebnissen der vorangegangenen Evaluierung von 2010 ihr Ausbauprogramm stur und ohne erkennbar geänderte Schwerpunkte weiter.

·        Andererseits belegten sogar die ASFINAG-eigenen Zahlen ein ums andere Mal die verkehrsfördernde statt problemreduzierende oder volkswirtschaftlich sinnstiftende Wirkung ihrer Straßenbauprioritäten, ohne dass dies Folgen gehabt hätte. Insbesondere wurde wiederholt die – für Volkswirtschaft, Umwelt, Gesundheit und Klimabilanz nachteilige – „Entkopplung in die verkehrte Richtung“ zwischen Straßen-Verkehrswachstum (zB 2014 +3%) und Wirtschaftsentwicklung (zB 2014 real +0,8%) nachdrücklich unter Beweis gestellt.

·        Hinzu kommt noch, dass die Zahl der Todesopfer im hochrangigen Straßennetz zB in diesem Jahr 2014 deutlich, nämlich um ein Drittel (!) gegenüber 2013 gestiegen ist. Im Vergleich von 2016 mit 2013 zeigt sich, dass im hochrangigen Straßennetz sowohl die Zahl der Unfälle (+4%) als auch die Zahl der Verletzten (+8%) als auch die Zahl der Toten (+24%!) gestiegen ist, weit über dem Trend bzw im Fall der Getöteten sogar gegen den Trend in der bundesweiten Straßenverkehrsunfallbilanz.

·        Schließlich sind die Emissionsprognosen, die vom Projektwerber Asfinag den Genehmigungsanträgen zugrunde gelegt wurden, nach den Erkenntnissen des Dieselskandals Makulatur und müssen auf seriöser Grundlage realer Zahlen grundlegend neu beurteilt werden, was insbesondere Großprojekte in schon luftbelasteten Ballungsräumen  wie die Lobauautobahn oder die Marchfeldschnellstraße massiv in Frage stellt und ihre Entfernung aus dem Bundesstraßengesetz-Anhang nahelegt.

 

Eine entsprechende neuerliche Evaluierung der geplanten weiteren Straßenbauprojekte wäre volkswirtschaftlich ebenso wie umwelt- und klimapolitisch betrachtet gleich nach Beginn der Regierungsperiode nötig, spätestens nach Auffliegen des Abgasskandals im Herbst 2015 jedoch ein Gebot der Stunde gewesen.

 

Umso schwerer wiegt, dass dies bis heute nicht umgesetzt wurde, diese sehr sinnvolle Vereinbarung von SPÖ und ÖVP also nicht eingehalten wurde.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Warum wurde die Vereinbarung von SPÖ und ÖVP aus dem Regierungsübereinkommen von 2013 betreffend eine neue Evaluierung des ASFINAG-Investitionsprogramms für neue hochrangige Straßen vier Jahre lang weder umgesetzt noch deren Umsetzung wenigstens begonnen?

2)    Wer wäre in der Bundesregierung dafür verantwortlich gewesen, diese Vereinbarung aus dem Bereich „Verkehr und Infrastruktur“ des Regierungsprogramms umzusetzen bzw. die Umsetzung anzustoßen?

3)    Ist Ihnen bekannt, dass das Verkehrswachstum im ASFINAG-Netz von Beginn der nun ablaufenden Regierungsperiode an weit über dem realen Wirtschaftswachstum lag, es also eine „verkehrte Entkopplung“ zwischen dem Verkehrswachstum im Autobahn- und Schnellstraßennetz und dem Wirtschaftswachstum/der Wohlstandsentwicklung gab und gibt?

4)    Warum wurde trotz der in Frage 3 angesprochenen „verkehrten Entkopplung“  zwischen (hohem) Verkehrswachstum im ASFINAG-Netz und (weit geringerem) Wirtschaftswachstum der unveränderte Bau zusätzlicher Autobahnen und Schnellstraßen nicht im Rahmen der vereinbarten Evaluierung in Frage gestellt, obwohl die großen investierten Summen offensichtlich anderswo, zB bei den Alternativen zur Straße, mehr volkswirtschaftlichen Nutzen (und zudem auch noch viel weniger „Kollateralschaden“ für Umwelt und Klima) entfalten würden?

5)    Ist Ihnen bekannt, dass die Entwicklung bei Unfallzahlen sowie Verletzten- und Getötetenzahlen im hochrangigen Straßennetz der ASFINAG sowohl zu Beginn der nun ablaufenden Regierungsperiode (Vergleich 2013/2014) als auch über die gesamte Periode hinweg (Vergleich 2013-2016, vgl. Zahlen von Statistik Austria zum Unfallgeschehen nach Straßenarten) über dem bundesweiten Gesamttrend und im Fall der Zunahme der Getöteten sogar gegen den hier zum Glück sinkenden bundesweiten Gesamttrend war?

6)    Warum wurde trotz des in Frage 5 angesprochenen überproportionalen Beitrags von hochrangigen Straßen zur viel zu blutigen Gesamt-Straßenverkehrsunfallbilanz in Österreich der unveränderte Bau zusätzlicher Autobahnen und Schnellstraßen nicht im Rahmen der vereinbarten Evaluierung in Frage gestellt, obwohl die Unfallbilanz auf diesem Teil des Straßennetzes u.a. auch im Widerspruch zu erklärten Zielen zB des Verkehrssicherheitsprogramms 2011-2020 der Bundesregierung steht?

7)    Warum haben Sie bis heute die gebotenen Evaluierungsmaßnahmen nach den durch die Erkenntnisse des Abgasskandals seit Herbst 2015 grundlegend falsifizierten Emissions- und Immissionsprognosen bei Projekten wie der Lobauautobahn (S 1 Schwechat-Süßenbrunn) oder der Marchfeldschnellstraße (S 8) nicht gesetzt?

8)    Wann wird dies endlich nachgeholt, samt Ziehen der nötigen Konsequenz, etwa in Form einer Regierungsvorlage zur Streichung dieser und vergleichbarer Projekte aus dem Anhang des Bundesstraßengesetzes?