189/KOMM XXV. GP

 

Kommuniqué

des Hypo-Untersuchungsausschusses

Veröffentlichung des wörtlichen Protokolls über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson Dr. Josef Christl in der 30. Sitzung vom 17. September 2015

 

Der Hypo-Untersuchungsausschuss hat in seiner 35. Sitzung am 8. Oktober 2015 einstimmig gemäß § 20 Abs. 1 Ziffer 1 Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse beschlossen, das in der Beilage enthaltene wörtliche Protokoll der öffentlichen Befragung der Auskunftsperson
Dr. Josef Christl zu veröffentlichen. Einwendungen oder Berichtigungen gemäß
§ 19 Abs. 3 VO-UA sind nicht eingelangt. Die Veröffentlichung erfolgt in sinngemäßer Anwendung von § 39 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates als Kommuniqué im Internetangebot des Parlaments.

 

Wien, 2015 10 08

 

                            Gabriel Obernosterer                                                               Doris Bures

                                     Schriftführer                                                                          Vorsitzende


 

 

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Hypo-Untersuchungsausschuss

 

 

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Stenographisches Protokoll

 

30. Sitzung/medienöffentlicher Teil

Donnerstag, 17. September 2015

Gesamtdauer der 30. Sitzung

9.12 Uhr – 20.02 Uhr

Lokal VI


 

 Befragung der Auskunftsperson Dr. Josef Christl

Vorsitzende-Vertreter Karlheinz Kopf: Ich begrüße zunächst Herrn Dr. Josef Christl als Auskunftsperson und bitte ihn, Platz zu nehmen.

Herr Dr. Christl, ich bedanke mich für Ihr Erscheinen. Ich mache Sie zunächst darauf aufmerksam, dass zur Wahrung der in § 17 Abs. 2 der Verfahrensordnung angeführten Interessen die Medienöffentlichkeit ausgeschlossen werden könnte. Mir ist ein solcher Grund allerdings nicht bekannt. Sollte es im Laufe der Befragung zu entsprechenden Situationen kommen, kann die Befragung im Anschluss an den medienöffentlichen Teil auch in vertraulicher Sitzung fortgesetzt werden.

 Sie wollten keinen Kameraschwenk, das heißt, wir verzichten darauf. Es sind keine bildproduzierenden Medienvertreter anwesend. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, dass Bild- und Tonaufnahmen während der Befragung nicht erlaubt sind.

Herr Dr. Christl, Sie haben keine Vertrauensperson mitgebracht. Sie werden nun vom Herrn Verfahrensrichter befragt werden. An Ihrer Seite sitzt auch der Herr Verfahrensanwalt. Beide Herren wurden bekanntlich aufgrund ihrer beruflichen Fähigkeiten und Erfahrungen für diese Funktionen ausgewählt. Die beiden Herren tragen mit mir gemeinsam dafür Sorge, dass die Verfahrensregeln eingehalten werden, und üben ihre Position vor allem im Interesse des Grundrechtes und Persönlichkeitsschutzes auch Ihre Person betreffend aus.

Sie können sich jederzeit an mich wenden, etwa wenn es um die Unzulässigkeit von Fragen geht, wenn das Erfordernis entstehen sollte, die Öffentlichkeit auszuschließen, oder wenn Aussageverweigerungsgründe vorliegen. Sie können sich selbstverständlich auch jederzeit mit dem Verfahrensanwalt beraten oder sich direkt an mich wenden.

Ich darf nun dem Herrn Verfahrensrichter das Wort erteilen, um Sie über Ihre Rechte und Pflichten zu belehren und danach auch die Erstbefragung durchzuführen. – Bitte, Herr Dr. Pilgermair.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Auch ich begrüße Sie und wünsche Ihnen einen guten Nachmittag hier im Untersuchungsausschuss. Ich darf Ihnen vorerst dieses Personaldatenblatt überreichen und Sie bitten, dass Sie die darin enthaltenen persönlichen Daten auf ihre Richtigkeit hin prüfen. (Die Auskunftsperson bestätigt die Richtigkeit der Daten.) – Passt so.

Sie wurden bereits anlässlich der Ihnen zugekommenen schriftlichen Ladung für die heutige Sitzung über Ihre Rechte und Pflichten als Auskunftsperson sowie über den Ablauf der Befragung hier im Ausschuss in Kenntnis gesetzt. Gerade jetzt vor Sitzungsbeginn hat Sie auch der stellvertretende Verfahrensrichter Herr Mag. Hellmich gemäß § 38 der Verfahrensordnung über Ihre Rechte und Pflichten als Auskunftsperson eingehend persönlich belehrt. Sie haben das über diese Rechtsbelehrung aufgenommene, hier vorliegende Protokoll auch unterfertigt.

Ich frage Sie nun, Herr Dr. Christl, ob Sie diese Belehrung, insbesondere auch über die Gründe für eine Verweigerung der Aussage und einen Ausschluss der Öffentlichkeit, die Pflicht zur Angabe der Wahrheit und die allfälligen strafrechtlichen Folgen einer vorsätzlich falschen Aussage vor dem Untersuchungsausschuss sowie schließlich auch die Belehrung gemäß dem Informationsordnungsgesetz verstanden haben. (Auskunftsperson Christl: Ja, das habe ich!)

Für den Fall, dass Sie zu der Ihnen erteilten Rechtsbelehrung noch Fragen haben, lade ich Sie ein, diese nun an mich zu stellen. (Auskunftsperson Christl: Nein, danke!) – Dann halten wir dazu fest, dass die Auskunftsperson keine Fragen hat.

Sie haben keine Vertrauensperson beigezogen, Herr Dr. Christl, und ich kann Sie daher jetzt auch schon abschließend über Ihr Recht belehren, dass Sie als Auskunftsperson vorab eine einleitende Stellungnahme abgeben können, die bis zu 20 Minuten dauern kann. – Wollen Sie von diesem Recht Gebrauch machen?

Dr. Josef Christl: Nein, weil ich glaube, dass die 25. Version des Aufstiegs und Falls der Hypo Alpe-Adria von meiner Seite nicht wirklich zum Erkenntnisfortschritt in diesem Ausschuss beiträgt. Also ich möchte nicht die 25. Version des Aufstiegs und Falls der Hypo Alpe-Adria liefern. Insofern verzichte ich darauf – auch im Sinne einer Zeitökonomie, glaube ich, ist es besser – und stelle mich gleich den Befragungen.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Dann beginne ich mit der Erstbefragung.

Wenn Sie uns Ihre wichtigsten Funktionen im Zusammenhang mit der Hypo vielleicht chronologisch aufzählen.

Dr. Josef Christl: Ich bin 2003 in das Direktorium der Oesterreichischen Nationalbank berufen worden. Zu dem Zeitpunkt habe ich die Ressorts Volkswirtschaft und was damals in der Nationalbank „Bankenaufsicht“ war – das war insbesondere die Bankprüfung, aber auch die makroprudenzielle Finanzmarktstabilitätsanalyse – als meine zuständigen Ressorts übernommen. Ich habe das dann bis Ende August 2008 gemacht und dann die Oesterreichische Nationalbank verlassen.

Das war der Hauptzeitpunkt, wo ich in Kontakt gekommen bin. Ich muss vielleicht dazusagen, dass ich vorher im Bundesministerium für Finanzen im Kabinett von Karl-Heinz Grasser für die ökonomische Analyse und teilweise auch für Finanzmarktfragen zuständig war. Aber da bin ich eigentlich mit der Hypo Alpe-Adria nicht in Kontakt gekommen. Das waren eher Aufgabengebiete, die andere Kabinettsmitglieder wahrgenommen haben.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Sie waren auch Aufsichtsrat bei der FMA?

Dr. Josef Christl: Ich war Aufsichtsrat bei der FMA, ganz richtig.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Von 2003 bis 2008, ist es so richtig? – Im gleichen Zeitraum. (Auskunftsperson Christl: Genau, praktisch korrespondierend!)

Gibt es sonst noch einen Punkt, den Sie anführen könnten, der eine Berührung zur Hypo hat?

Dr. Josef Christl: Na ja, ich war natürlich in verschiedenen Funktionen tätig, und irgendwo am Rande hat das immer eine Rolle gespielt, auch nach meinem Ausscheiden aus der Nationalbank. Ich war dann in der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur. Ich möchte nicht ausschließen, dass dort auch das eine oder andere Mal das Thema Hypo Alpe-Adria am Tapet gestanden ist.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Weil Sie diese Stichworte geliefert haben und ich Sie auch zu diesem Aspekt, der eine Frage des Untersuchungsgegenstandes darstellt, fragen möchte, ziehe ich das vor und darf Sie jetzt einladen, dass Sie vielleicht gleich etwas dazu sagen, was Sie in Ihrer Funktion für die Bundesfinanzierungsagentur gemacht haben – da waren Sie vom 1.5.2009 bis 29.5.2013 – in Bezug auf die Hypo.

Dr. Josef Christl: In Bezug auf die Hypo? Nein, also da war ich Aufsichtsrat, und das Hypo-Thema ist maximal bei den kurzfristigen Refinanzierungsproblemen des österreichischen Bankensektors damals nach der Lehman-Pleite das eine oder andere Mal angeschnitten worden, aber es gab keine konkreten Geschäftsvorfälle, die mir erinnerlich wären.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Dann ist das auch schon wieder erledigt, oder gibt es noch etwas, was Sie dazu anmerken wollen?

Dr. Josef Christl: Nein. Also was ich dann auch sagen muss, ob ich noch andere Beziehungen zur Hypo hatte, ich hatte auch ein …

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Die Bundesfinanzierungsagentur kann man damit abhaken.

Dr. Josef Christl: Kann man damit abhaken, ja.

Ich hatte ein Beratungsverhältnis mit der Hypo Alpe-Adria, und zwar in meiner Tätigkeit dann schon als selbstständiger Consultant. Das ging von Ende 2009 bis – ich glaube – August, September 2014, wo ich die Hypo Alpe-Adria bei der Entwicklung, Einschätzung, Prognose ihrer Kernmärkte in Südosteuropa beraten habe. Das heißt, ich habe makroökonomische Forecasts für die eigene Budgetplanung geliefert, für verschiedene Länder Südosteuropas, auch für Österreich, auch für Italien, die halt relevant waren, ihre Kernmärkte. Also das sollte man vielleicht auch noch erwähnen.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Ja, das ist gut, dass Sie das hereinbringen. Haben Sie in Ihrer Zeit im Kabinett Grasser etwas mit der Hypo zu tun gehabt?

Dr. Josef Christl: Nein. (Verfahrensrichter Pilgermair: Nichts?) – Nein.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Wie war das Bild, das Sie zwischen 2003 und 2008 in Ihren Funktionen als Mitglied des Direktoriums der Nationalbank und als Aufsichtsrat der FMA von der Hypo – mit „Hypo“ meine ich immer dann die ganze Gruppe – gewonnen haben?

Dr. Josef Christl: Na ja, die Hypo war eine der Banken, die wir uns natürlich besonders genau angesehen haben. Sie hat ein extrem rasantes Wachstumstempo hingelegt, sie hat immer unter relativ knapper Eigenkapitaldecke – unter Anführungszeichen – „gelitten“, und die Prüfberichte waren immer so, dass wir doch eine ganze Reihe von Beanstandungen hatten, insbesondere, was das Risikomanagement anbelangt, aber auch natürlich, was die Eigenmittelausstattung anbelangt.

Bei den Stresstests, die wir an sich dann regelmäßig ab – kann man sagen – 2005/2006, als wir das notwendige Instrumentarium dazu hatten, gemacht haben, war die Hypo natürlich immer eher ein Problemfall, der unter Umständen auch bei extremen Stressszenarios Probleme gekriegt hat.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Dann haben Sie sich 2003 sicherlich auch mit den Vorberichten der Bankenaufsicht beschäftigt.

Dr. Josef Christl: Na ja, ich bin das jedenfalls jetzt nicht aktiv angegangen, aber ich habe mir natürlich die Berichte dann kommen lassen, wenn es Probleme gegeben hat, damit ich wusste, damit ich die ganze Historie …

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Ja. Es zieht sich das von Ihnen angesprochene Risikomanagement eigentlich wie ein roter Faden durch. Von 1998 bis 2007, das war noch zu Ihrer Zeit, ist wiederholt das Risikomanagement erheblich kritisiert worden, auch die Organisation der Bank ist kritisiert worden. Was war Ihr Eindruck davon?

Dr. Josef Christl: Na ja, erstens einmal haben wir aufgrund dieser Berichte zunächst einmal den Eindruck gehabt, dass die Beanstandungen, die wir gemacht haben, nicht immer eins zu eins umgesetzt wurden. Daraufhin haben wir die Follow-up-Prüfungen – zu diesen Themen insbesondere – verstärkt, weil wir einfach wollten, dass diesen Anregungen dann auch wirklich konkrete Schritte nachfolgen.

Natürlich hat sich auch in der ganzen Kultur des Riskmanagements in diesem Zeitraum etwas geändert, es ist Basel II sozusagen gekommen, es sind die Methoden ausgefeilter, ausgeklügelter geworden, aber insgesamt war halt immer das Problem, dass man das Gefühl hatte, dass die Hypo hier, auch im Vergleich zu anderen österreichischen Banken, etwas hinten nach ist.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: War das Prüfungsmanagement, das die Aufsicht gemacht hat, ausreichend? Wenn man also weiß, da habe ich ein Problemkind, das über die Jahre immer wieder gleiche Schwachstellen aufweist, das zwar dann verspricht, ich tue etwas und ich verbessere mich, und dann treten schon auch Verbesserungen ein – das muss man zweifellos auch sagen –, aber es treten wieder neue Schwachstellen auf und alte kommen wieder, muss man dann nicht ein spezielles Prüfungsmanagement an den Tag legen, wenn man dann auch verfolgt – und das ist auch in Ihre Zeit gefallen –, wie die Kreditsummen explodieren, wie die Milliarden der Landeshaftungen explodieren?

Dr. Josef Christl: Ich glaube, das war ja genau der Grund, warum sozusagen das Riskmanagement nicht nachgekommen ist: Weil die Bank so rasch gewachsen ist und damit sozusagen die Systeme teilweise überfordert waren. Wenn Sie in neue Märkte gehen, dann müssen Sie diese Risikomanagementsysteme erst einmal modellieren, das nimmt Zeit in Anspruch, das nimmt Expertise in Anspruch. So gesehen war das ein dynamischer Prozess, wo sozusagen die …

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Ja, ja, aber jetzt geht es über ein Jahrzehnt! Wenn ich sehe, das ist ersichtlich eine Schwachstelle der Bank, muss ich mir dann nicht etwas überlegen, dass ich Maßnahmen ergreife auch im Wege der Aufsicht, dass ich spreche, dass ich etwas vorschlage, dass ich ein anderes Prüffeld abstecke, dass ich ein konsequenteres Prüfen an den Tag lege, dass ich mich eben nicht damit begnüge – ich sagte es gerade zuvor schon –, dass ich eine Untersuchung mache, dann mache ich ein Follow-up, dann versprechen die mir, dass sie es tun, dass sie sich verbessern, die Wirtschaftsprüfer bestätigen das auch, es ist teilweise schon etwas umgesetzt worden, und dennoch stelle ich dann wieder fest, es sind die alten Fehler wieder anzutreffen und es wird wieder Risikomanagement, es wird wieder Organisation bemängelt und kritisiert?

Dr. Josef Christl: Es waren teilweise nicht die alten Fehler, sondern es waren neue Fehler, die aufgetreten sind. Im Übrigen ist es natürlich ein Prozess, der ja auch kontraproduktiv sein kann, wenn sie dann sozusagen mit Sanktionen als Aufsicht gegen die Bank versuchen zu operieren oder zu streng sind.

Es muss einen Trade-off geben sozusagen, dass die Bank sich weiterentwickeln kann. Es hat meiner Meinung nach keinen Sinn, wie man auch in der Folge gesehen hat, eine Bank sozusagen durch extremen äußeren Druck, der dann unter Umständen Niederschlag in den Medien findet, sozusagen in ihrer Qualität oder Qualifikation und ihren Möglichkeiten zu beeinträchtigen, weil sie natürlich dann Probleme kriegt – in der Refinanzierung, in verschiedenen anderen Bereichen.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Heißt das, dass das, was seitens der Aufsicht geschehen ist, angemessen und ausreichend war?

Dr. Josef Christl: Ich muss sagen, ich glaube, dass wir eine ausgezeichnete Aufsicht gemacht haben. Ich vergleiche das mit der Aufsicht in anderen Ländern. Sie dürfen ja nicht übersehen, es sind ja die Aufsichten in anderen Ländern auch überfordert gewesen nach der Lehman-Pleite. Wenn Sie sich an die spanische Aufsicht, die eine der besten …

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Bleiben wir bitte bei der österreichischen! (Auskunftsperson Christl: Na ja, ich muss Ihnen schon sagen: Sie tun so, als wäre das ein totaler Einzelfall, wo die Aufsicht …) – Herr Dozent Dr. Christl, ich habe 15 Minuten Zeit für die Erstbefragung, ich möchte nicht nach Spanien, sondern in Österreich bleiben.

Dr. Josef Christl: Ich werde Ihnen sagen, mein Hauptschwerpunkt in der Verbesserungstätigkeit der Aufsicht in dieser Periode von 2003 bis 2008 lag einerseits darin, dass wir versucht haben, bei den On-Site-Analysen den Prüfern ein optimales Instrumentarium zur Verfügung zu stellen. Das heißt, es ist jeder mit seinem Laptop gekommen, wo er die alten Prüfberichte draufgehabt hat, er hat die ganzen Bankwesengesetz-Passagen drauf gehabt, er konnte das sofort ablesen, sie konnten untereinander kommunizieren. Das war ein neues Tool, das wir entwickelt haben in dieser Zeit, um einfach die On-Site-Analyse besser zu machen.

Und bei der Off-Site-Analyse haben wir eine ganze Menge von neuen Modellen herausentwickelt, mit teilweise sehr, sehr mathematischem und ökonometrischem Content, wo man einfach versucht hat, dann Risikobanken zu identifizieren und Stresstestanalysen durchzuführen.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Also in der Zusammenfassung: ausreichend.

Dr. Josef Christl: Aus meiner Sicht eindeutig, ja.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Ich habe Sie nach dem Bild der Bank gefragt, als Sie begonnen haben, und jetzt frage ich Sie nach dem Bild, das Sie von der Bank hatten, als Sie aufgehört haben mit diesen beiden Funktionen. Wie war das?

Dr. Josef Christl: Von der Hypo Alpe-Adria meinen Sie jetzt, nicht von der Oesterreichischen Nationalbank?

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Nein, das Thema ist die Hypo.

Dr. Josef Christl: Ich war eigentlich sehr froh, wie die Hypo sozusagen von der Bayerischen Landesbank als Eigentümer, als starker Investor übernommen wurde, weil ich gehofft hatte, dass damit eine ganze Menge besser wird, behoben werden kann – die wesentlichen Sachen, einerseits die Eigenkapitalschwäche und zum Zweiten das Riskmanagement – und ein starker Eigentümer hier Einzug hält.

Ich bin dann nach einiger Zeit natürlich draufgekommen, dass die Bayerische Landesbank vielleicht doch nicht so stark war, wie wir uns erhofft hatten, aber grundsätzlich aus der damaligen Situation heraus hat dieser Schritt, dass die Bayerische Landesbank die Hypo Alpe-Adria zu einem wesentlichen Teil übernommen hat, natürlich den Comfort bei den Aufsichtsbehörden, also bei mir jedenfalls, schon etwas verbessert, weil ich den Eindruck hatte, dass wir damit ein stabileres Ganzes vor uns haben.

Das ist im Nachhinein sozusagen aus verschiedenen Gründen nicht ganz so eingetreten, wie ich mir das erhofft hatte.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Haben Sie etwas in Erfahrung gebracht, wie die Swapverluste so lange vorbeigeführt wurden und nicht erkannt worden sind?

Dr. Josef Christl: Nein, ich bin auch sozusagen überrascht worden durch diese Mitteilung, wie das gekommen ist. Ich glaube, es war irgendwann Anfang 2006, also ich glaube, im März oder so. (Verfahrensrichter Pilgermair: Ja!) – Wir haben dann natürlich sofort gemeinsam mit der FMA, auch das Finanzministerium war da irgendwie dahinter, wenn ich mich recht erinnere, eine Sonderprüfung dort angeordnet und versucht, zunächst einmal das ganze Ausmaß der Sache zu klären, damit wir überhaupt Bescheid wussten …

Vorsitzende-Vertreter Karlheinz Kopf: Herr Dr. Christl, könnten Sie das Mikrofon ein bisschen näher zu sich ziehen? – Danke.

Dr. Josef Christl: Es gab jedenfalls dann eine Sonderprüfung, durch die zunächst einmal der Umfang der ganzen Misere sozusagen abgeklärt werden sollte. Und dann ist natürlich versucht worden aufzudecken, wie das eigentlich möglich war, dass man das so lange verheimlicht. Aber an Details kann ich mich nicht mehr erinnern.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Insbesondere daran, wer das veranlasst hat, dass das buchhalterisch in der Bilanz dann so gelöst wurde, dass das so eingetragen wurde (Auskunftsperson Christl: In der Bank?), und wann das gemacht wurde?

Dr. Josef Christl: Tut mir leid, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Wie war denn die Beziehung der Aufsicht zur Bank, zu Vorstand, Aufsichtsrat und Eigentümern?

Dr. Josef Christl: Also ich habe versucht – das waren eigentlich grundsätzlich die Strategien der Notenbank –, als Mitglied des Direktoriums sozusagen den direkten Kontakt eher zu vermeiden, um hier nicht irgendwelche Naheverhältnisse zu der einen oder anderen Bank zu signalisieren. Daher habe ich eigentlich auch in meiner Funktion als Mitglied des Notenbank-Direktoriums mit Bankvertretern praktisch ... Also Kulterer ganz sicher nicht, ich glaube, dass irgendwann einmal der Aufsichtsratschef Ederer bei mir war, aber ansonsten kann ich mich an nichts erinnern, und mit anderen Mitgliedern eigentlich schon gar nicht.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Der Mehrheitseigentümer hat sich nicht gemeldet? (Auskunftsperson Christl: Nein, die Landespolitik aus Kärnten gar nicht!) Die Landespolitik aus Kärnten gar nicht?

Dr. Josef Christl: Nein, überhaupt nicht.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Haben Sie etwas davon gehört, dass auf irgendeine Art und Weise das Land Einfluss auf die Aufsicht genommen hätte?

Dr. Josef Christl: Jetzt auf die Notenbank oder auf die …?

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Sowohl als auch, auf die Notenbank und auf die FMA.

Dr. Josef Christl: Na gut, die Aggressivität, die teilweise gegen die FMA ausgegangen ist von der Kärntner Landespolitik, die war ja in den Medien auch nachlesbar. Aber wir in der Notenbank haben eigentlich nicht wirklich etwas verspürt. Das hat sich vor allem mehr gegen die FMA gerichtet.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Die 15 Minuten der Erstbefragung sind abgelaufen. Ich bedanke mich für Ihre Antworten, Herr Dr. Christl.

*****

Vorsitzende-Vertreter Karlheinz Kopf: Danke, Herr Dr. Pilgermair. Wir kommen damit zu den Fragen der Abgeordneten. Als Erster ist Herr Abgeordneter Podgorschek am Wort.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Herr Dr. Christl, Sie haben in Ihrem Lebenslauf bestätigt, dass Sie zwischen 2001 und 2003 im Kabinett von Bundesminister Grasser gewesen sind, und soviel ich weiß, waren Sie vorher Chefökonom der Creditanstalt. Wissen Sie noch, wer Sie ins Kabinett Grasser angeworben hat oder wie das zustande gekommen ist?

Dr. Josef Christl: Ja, es war ein Bekannter von mir, der mich darauf angesprochen hat – ich hatte Grasser überhaupt nicht gekannt –, dass der Minister einen Mitarbeiter für sein Kabinett mit einem ökonomischen Background sucht. Ich war damals in der Bank gerade nicht sehr glücklich – das war die Spätphase der Übernahme der Creditanstalt durch die Bank Austria – und wollte mich verändern. Dann hat dieser Bekannte – ich glaube, der Name tut hier nichts zur Sache –, der Kontakte zu Grasser hatte, einen Termin arrangiert, und so bin ich ins Finanzministerium gekommen.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Ich habe das nur deshalb gefragt, weil aus meiner Sicht die Creditanstalt ja damals nicht unbedingt als Kaderschmiede der FPÖ gegolten hat. Ich frage das auch deshalb, weil Kollege Abg. Krainer hier im Ausschuss bei der Befragung von Herrn Mag. Schantl – das ist nachzulesen auf Seite 41 bei den Protokollen, falls mir ein falscher Vorhalt vorgeworfen wird – nämlich Folgendes gesagt hat; ich zitiere:

„Das ist so allgemein ein Problem, das wir hier sehen, dass an den Knotenpunkten der verschiedenen Aufsichtsorgane – Aufsichtsrat, Staatskommissäre, FMA-Aufsichtsrat, zuständig in der OeNB –, dass dort lauter Vertraute von Grasser und Haider hingesetzt wurden und alle anderen weggeräumt wurden.“

Jetzt weiß ich nur, dass in der damaligen Zeit außer Ihnen nur der Herr Duchatczek in die OeNB gekommen ist. Ich glaube nicht, dass Herr Duchatczek darauf Wert legt, wenn ich sage, er wäre den Freiheitlichen nahestehend. Wie sehen Sie das?

Dr. Josef Christl: Wie gesagt, ich kann nur mich als Beispiel anführen. Ich hatte eigentlich, abgesehen von meinen linken Ambitionen in meiner Studentenzeit, ansonsten nie irgendwie einen näheren Kontakt mit einer politischen Partei und bin keiner Partei zuzuordnen. Im Kabinett Grasser habe ich das auch so gehalten. Ich habe mich dort weder in die Richtung der FPÖ noch der ÖVP oder sonst irgendwohin bewegt. Insofern denke ich, dass der Vorwurf nicht gerechtfertigt ist.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Den Vorwurf, Sie seien ein Vertrauter von Grasser und von Haider, würden Sie also nicht bestätigen?

Dr. Josef Christl: Nein. Ich kann zugeben, dass ich dann Vertrauter von Grasser dann wurde – durch meine Tätigkeit mit ihm gemeinsam. Aber mit Haider hatte ich ganz wenig Beziehungen. Den habe ich ein- oder zweimal in meinem Leben gesehen.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Haben Sie Wahrnehmungen und Erinnerungen, dass damals in den Aufsichtsorganen und insbesondere über die ganze Bankenwelt auf Sie Einfluss genommen wurde bezüglich der Hypo zum Beispiel? (Auskunftsperson Christl: Nein!) – Und auch nicht, dass irgendwelche Vertraute von Herrn Grasser oder von Herrn Haider mit Ihnen Kontakt aufgenommen haben (Auskunftsperson Christl: Auch nicht!), damit Sie wegschauen sollten, zum Beispiel. (Auskunftsperson Christl: Nein!) – Oder hat man dann später, als Sie in der OeNB waren, versucht, auf Sie Einfluss zu nehmen, dass Sie in gewissen Bereichen wegschauen sollten? (Auskunftsperson Christl: Nein!) – Auch nicht.

Jetzt hat die Griss-Kommission festgestellt, dass das Risikomanagement doch einer größeren Kritik ausgesetzt war. Sie haben ja mehrere Prüfberichte auch in Ihrer Tätigkeit bei der OeNB in Händen gehabt, auch von anderen Banken. – Hat es da auch in anderen Banken zum Beispiel Kritik am Risikomanagement gegeben?

Dr. Josef Christl: Ja, aber sozusagen nicht in so einem kontinuierlichen Ausmaß, würde ich sagen. Aber natürlich, wenn Sie die Prüfberichte der OeNB in ihrer ganzen Breite durchlesen, dann werden Sie kaum eine Bank finden, vor allem auch im Risikomanagement – wenn das geprüft ist, denn das ist nicht immer Prüfungsgegenstand –, wo man sagt, das ist sozusagen wirklich State of the Art und das ist wirklich das beste Modell und da gibt es eigentlich nichts zu kritisieren daran. Also das kommt eher selten vor. Das liegt ja schon in der Natur von Prüfungen, dass man auch gerne den einen oder anderen Punkt machen würde, wenn man etwas prüft.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): War das dann aus Ihrer Sicht damals durchaus in einem Rahmen, den Sie eigentlich gewöhnt waren? Also ist die Hypo nicht im Speziellen aufgefallen?

Dr. Josef Christl: Nein, das kann man nicht sagen. Die Hypo war schon in dem Sinne, was das Risikomanagement anbelangt, ein Fall, wo wir immer genauer hingeschaut haben, und es war Risikomanagement eigentlich auch bei allen Prüfungen immer wieder Thema. Und es wurden Follow-ups gemacht, um zu schauen, ob da wirklich etwas weitergeht.

Es ist in Bereichen etwas weitergegangen, aber wie gesagt, die Bank ist sehr, sehr rasch gewachsen, sodass neue Problemfelder dann immer wieder dazugekommen sind, und insbesondere Risken in diesen Märkten, in denen die Hypo tätig war, waren eigentlich auch sehr schwer zu quantifizieren, einzuschätzen und zu analysieren.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das haben ja die Prüfer durchaus hier im Ausschuss auch schon festgestellt. Da haben Sie dann schon Augenmerk darauf gelegt und nicht das Gefühl gehabt, dass das jetzt nur ein vorübergehendes Problem darstellt? (Auskunftsperson Christl: Nein, nein!) Gut. Dann darf ich Ihnen die Seite 5 des Aktes 12838 vorlegen lassen.

Es handelt sich dabei um einen Aktenvermerk bezüglich eines Telefonates mit Herrn Dr. Kandler von der Firma Deloitte bezüglich der Hypo Alpe-Adria. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Das ist dieser bekannte Aktenvermerk von Herrn Dr. Ettl (Auskunftsperson Christl: Ja! Ja!), den werden Sie ja kennen. Ich frage Sie deshalb, weil Sie auch am Verteiler sind, und wir haben auch Herrn Mag. Ittner diesbezüglich schon gefragt. (Auskunftsperson Christl: Ja!) Können Sie sich daran erinnern?

Dr. Josef Christl: Ich kann mich dunkel an diese Sache erinnern. Es ist nicht mehr wahnsinnig präsent, aber natürlich, ich erkenne hier auch meine Handschrift. Das sind die Anmerkungen, die ich geschrieben habe, ja.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das wäre meine nächste Frage gewesen, ob das Ihre Handschrift ist. (Auskunftsperson Christl: Ja, das habe ich mir gedacht!)

Was waren dann die Reaktionen aufgrund dieses doch sehr schlimmen Verdachts, der da aufgekommen ist?

Dr. Josef Christl: Wenn ich diese Bemerkungen, die ich da gemacht habe, lese, dann war das natürlich eine gravierende Sache. Und wenn sich das bestätigt, wäre das eine ganz gravierende Sache gewesen. Ich habe da offensichtlich jetzt einmal draufgeschrieben: „nächsten Mo Gespr. FMA/Deloitte“.

Ich nehme an, dass die FMA wie ich das gewusst hat, dass die so einen Termin zur Hypo offenbar einberufen hatten, wo ich dann, nehme ich an aus dieser Aktennotiz, meinte, dass man dieses Thema dort relevieren soll.

Dasselbe sozusagen – „Gespr. mit Vorst. HAA“ – kann ich mir nur so zusammenreimen aus meiner jetzigen Sicht, dass es unter Umständen so ein Managementgespräch der FMA mit Hypo Alpe-Adria-Vorstand oder etwas Vergleichbares gegeben hat, dass so etwas angesetzt war und dass man dieses Thema dann bei dieser Gelegenheit auch relevieren soll.

Aber das ist jetzt eher sozusagen ein bisschen ins Blaue gesprochen. Aber eigentlich für mich, so, wie ich mich kenne, müsste das eigentlich so zu interpretieren sein.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Wenn ich jetzt diese einzelnen Zeilen, die Sie da dazugeschrieben haben, lesen kann: Da steht der zusätzliche „Betrag: einige 100000 EUR“. (Auskunftsperson Christl: Ja!) – War das damals Ihre Einschätzung?

Dr. Josef Christl: Nein, das steht ja eigentlich eh im Text, habe ich dann gesehen. Ich habe gefragt, um welche Summe – wahrscheinlich – geht es da, beim Telefonat.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Es steht nämlich dann „Tel. Ettl 28/2/07, 9h“. (Auskunftsperson Christl: Ja!) – Der Aktenvermerk ist vom 26.2., also das heißt, zwei Tage später haben Sie dann mit Herrn Mag. Ettl telefoniert.

Dr. Josef Christl: Ja, das muss offensichtlich so sein, dass der Aktenvermerk bei mir noch nicht angekommen war und dass ich telefonisch hier offenbar informiert wurde.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Sie haben sich erkundigt, was da dahintersteckt? (Auskunftsperson Christl: Ja!)

Dann steht da eben noch „wahrscheinlich: nächsten Mo Gespr. FMA/Deloitte“. – Das haben Sie eh gerade bestätigt. (Auskunftsperson Christl: Ja!)

Und dann: „nächsten Di Gespr. mit Vorstand HAA“.

Haben Sie diese Gesprächstermine jeweils wahrgenommen?

Dr. Josef Christl: Nein, also da war ich sicher nicht dabei, sondern das war mir bekannt, dass es offenbar Besprechungstermine gab, wo ich dann wollte, dass man diesen Fall dort auf die Tagesordnung setzt.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Würde das bedeuten, dass dann die Gespräche zwischen FMA und Deloitte stattgefunden haben?

Dr. Josef Christl: Das weiß ich nicht.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das wissen Sie nicht?

Dr. Josef Christl: Aber ich gehe davon aus – „nächsten Montag“ ist relativ konkret, also nehme ich an, dass da etwas terminisiert war.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das schaut so aus, als hätten Sie da schon etwas Fixes ausgemacht.

Dr. Josef Christl: Ich habe jetzt keine Wahrnehmungen mehr, ob dann eine Rückmeldung gekommen ist.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Ich komme jetzt zu meiner nächsten Frage. Sind Sie dann der Sache nachgegangen, was dabei rausgekommen ist?

Dr. Josef Christl: Ja, ich habe einige Zeit später die Information gekriegt, dass Deloitte diesen Vorwurf zurückgezogen hat und dass damit die Sache einmal sozusagen in ihrer unmittelbaren Bedrohlichkeit etwas eingeschränkt ist.

Aber wir haben ja dann auch bei unserer Prüfung eine Prüfungserweiterung, wenn ich mich recht erinnere, gemacht. Es gab eine laufende Prüfung, und die wurde dann aber, glaube ich, im Prüfumfang erweitert. Und ich glaube, da sollte das Thema Puris dann noch einmal analysiert werden. Also, ich müsste mich schwer täuschen, wenn das nicht … Das war im Zuge dieser Zagorec-Immobilienfinanzierungen, da gab es einen zusätzlichen Prüfauftrag über Geldwäsche. Und ich glaube, dass dabei, zu dem Zeitpunkt, dann auch gesagt wurde, man schaut sich diese Puris-Sache noch einmal näher an.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Haben Sie das in irgendeiner Weise beeinflusst, dass das Ganze eingestellt wird? Oder haben Sie sonstige Maßnahmen im Nachhinein gesetzt?

Dr. Josef Christl: Dass Puris eingestellt wurde? – Nein, in keiner Weise.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Ob Sie aktiv eingegriffen haben, dass da nicht mehr nachgeforscht wird? (Auskunftsperson Christl: Nein!) – Also, Sie haben das dann so zur Kenntnis genommen, aber dann letzten Endes auch nicht mehr nachgebohrt. Könnte man das so interpretieren?

Dr. Josef Christl: Nein, also … Zunächst einmal war Deloitte hier in „the driver’s seat“. Und wir haben in dieser Prüfungserweiterung sozusagen ein zusätzliches Prüfungsthema eingeführt. Und aus diesem zusätzlichen Prüfungsthema sind auch keine Erkenntnisse entstanden, dass hier etwas zu beanstanden wäre, und damit ist die Sache für mich …

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Gut. – Danke vielmals.

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Herr Dr. Christl, ich will jetzt genau bei diesem Dokument bleiben, das Kollege Podgorschek schon vorgelegt hat, und dann vielleicht noch einmal eine Zeit zurückgehen.

Aber dieser Aktenvermerk, den Sie jetzt vor sich liegen haben, ging ja auch an Liebscher und Ittner. Was haben Sie mit denen besprochen? Haben Sie Rücksprache gehalten mit den beiden, oder wie ist das abgelaufen?

Dr. Josef Christl: Ettl hat mich ja angerufen. Mit dem habe ich sowieso natürlich gleich gesprochen. Und ich bin mir relativ sicher, dass wir das natürlich auch bei irgendeiner unserer laufenden wöchentlichen Besprechungen thematisiert haben, aber ich könnte jetzt nicht sagen, was …

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Also Sie können sich nicht mehr erinnern, ob Sie dann zum Beispiel gesagt haben: Okay, wir machen speziell zu diesem Thema, Vorwurf Kick-back, eine eigene Besprechung im Direktorium?

Dr. Josef Christl: Im Direktorium, meinen Sie? – Im Direktorium, da wurden solche Fälle üblicherweise erst dann berichtet, wenn es wirklich einen sehr, sehr starken Verdacht gibt. Wir hatten im Direktorium lange Zeit die Regelung, dass ich dem Gouverneur berichte, aber nicht im Gesamtdirektorium, wenn es um Einzelbankfragen geht, weil hier gewisse Chinese-Wall-Überlegungen bestanden haben.

Wir haben diese Regelung dann später verändert, weil die übrigen Direktoriumsmitglieder den Eindruck hatten, sie müssten auch über solche Entwicklungen informiert werden. Und wir haben uns dann informiert, wie das in anderen Notenbanken gehandhabt wird und so weiter, und haben dann sozusagen diese Regelung etwas aufgeweicht, sodass dem Gesamtdirektorium dann auch über Einzelbankvorfälle berichtet wurde.

Aber wenn ich jetzt schaue: Na ja, 2007, da könnte es sein, dass ich das schon im Direktorium berichtet hätte. Da müsste man die Direktoriums…

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Aber grundsätzlich sagen Sie, dass das eigentlich kein Thema im Direktorium war, weil der Verdacht für Sie nicht so erhärtet war, dass man es sofort hätte besprechen müssen. Es war also eigentlich ein „Verdächtchen“, aber kein Verdacht, oder? – Sonst hätten Sie es ja besprochen.

Dr. Josef Christl: Ja. Also es ging damals darum, diese Fakten zu erhärten, die hier behauptet wurden. Wie ich das gekriegt habe, war ja noch keineswegs klar, ob das jetzt wirklich sozusagen alles handfest ist, und das haben wir versucht. Und eigentlich hat sich dann herausgestellt, jedenfalls einmal, Deloitte hat hier zurückgezogen. Und bei der Prüfung selbst offenbar waren wir dann auch nicht erfolgreich, dass wir hier irgendetwas gefunden hätten, und so gesehen … Also ich glaube, aber ich kann es jetzt nicht mehr sagen, ich weiß es nicht, ob ich das im Direktorium berichtet habe oder nicht. Kann ich nicht mehr sagen, weiß ich nicht.

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Das heißt, Sie können also auch nicht mehr sagen, wie genau man da die Schritte gesetzt hat aufgrund dieses Schreibens oder welche Schritte genau gesetzt wurden? Hat man zum Beispiel die FMA informiert?

Dr. Josef Christl: Ja, mit der FMA, das war ja klar. Das war ja klar, dass die FMA davon informiert war. Das ist keine Frage. Also das ist sicher so. Das hat Ettl sicher gemacht, das hat Ittner gemacht, ich habe das dann wahrscheinlich auch bei der einen oder anderen Gelegenheit mit dem FMA-Vorstand kurz erörtert. Aber das ist klar. Die FMA war sicher informiert.

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Und dass der Verdacht sich nicht erhärtet, das war die Information von Deloitte?

Dr. Josef Christl: Ja, zunächst einmal. Und dann unsere eigene Prüfungstätigkeit.

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Okay, also im Grunde hat man nicht nur die Aussage von Deloitte, sondern Sie würden auch bestätigen, dass Ihre eigenen internen Prüfungen …

Dr. Josef Christl: Also wenn ich mich recht erinnere, haben wir das dann in dieser Prüfungserweiterung nochmals zum Thema gemacht, die Puris-Finanzierung.

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Und Sie haben dann logischerweise auch der Finanzmarktaufsicht mitgeteilt, dass die OeNB den Verdacht nicht mehr weiterverfolgen wird?

Dr. Josef Christl: Die FMA muss ja den Prüfauftrag geben. Die hat uns den Prüfauftrag dann zurückgespielt. Wir haben ihnen das gesagt. Und die FMA wird das auch gewusst haben. Aber im Detail kann ich das jetzt nicht sagen.

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Ich würde gerne noch einmal einen Schritt zurückgehen: Können Sie sich noch erinnern, wie die Reaktion in der FMA auf diesen Verdacht war?

Dr. Josef Christl: Nein, tut mir leid. Auf diese Geschichte? Wie die Reaktion in der FMA war? – Keine Ahnung.

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Da bin ich vielleicht schon beim nächsten Themenbereich. Diese Frage auch deshalb, weil das Verhältnis FMA/OeNB aus meiner Sicht, und das bestätigen auch die ersten Erkenntnisse hier im Ausschuss, nicht immer friktionsfrei war. Wie haben Sie das Verhältnis persönlich in Ihrer Zeit von 2003 bis 2008 gesehen?

Dr. Josef Christl: Ja, das stimmt sicher in einem gewissen Ausmaß, aber es hat uns beim Arbeiten auch nicht beeinträchtigt, würde ich sagen. Es gab gewisse Eifersüchteleien. Das fing damit an, dass hier eine neue Institution geschaffen worden ist. Die Notenbank wollte eigentlich bei dieser Ausgliederung sozusagen der Aufsicht aus dem Finanzamt die gesamte Aufsicht haben und war etwas enttäuscht darüber, dass hier dieses englische Modell der FSA umgesetzt wird.

Die FMA ist vor dem Problem gestanden, dass sie sehr jung war und noch nicht so eine gestandene Kultur und auch Unabhängigkeit hatte wie die Notenbank und junge Leute rekrutieren musste, während wir schon relativ Senior Controller und Prüfer hatten. Es gab also auch ein gewisses Qualifikationsdifferential, würde ich einmal sagen. Die FMA wollte immer mehr Prüfer und mehr Prüfer, und die Notenbank wollte die Prüfer eigentlich in der Notenbank haben. Das waren die wesentlichen Punkte, aber nicht wirklich besonders ernste Sachen.

Die Leitung hat sich immer bemüht, gut zu kooperieren und hier Teambuilding für die Gesamtaufsicht zu betreiben, aber auch dort ist natürlich das eine oder andere Mal irgendetwas schiefgegangen und es gab unterschiedliche Meinungen und dann ein bisschen Auseinandersetzungen.

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Mich würde noch Ihr Ausscheiden 2008 interessieren – Übergabe, oder es kam ja dann Ittner … Wie hat die Übergabe funktioniert? Welche Hauptschwerpunkte haben Sie in der Causa Hypo dem Kollegen Ittner dann mitgegeben? Hat es so etwas gegeben oder ...?

Dr. Josef Christl: Das war eigentlich nicht wirklich notwendig, denn wir haben sehr eng zusammengearbeitet. Ittner war mein Hauptabteilungsleiter für die Aufsicht. Es war also nicht notwendig, ihn in dieses Thema neu einzuführen. Er kannte die Thematik ja.

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Danke für die Auskunft. Ich will noch einmal einen Schritt zurück. Sie waren ja, wie bekannt, im Kabinett im Finanzministerium von 2001 bis 2003 und Sie haben betont, dass Sie für die Hypo im Kabinett nicht zuständig waren. (Auskunftsperson Christl: Ja!) – Wer war denn zuständig im Kabinett?

Dr. Josef Christl: Für die Finanzmarktangelegenheiten am ehesten … Direkte Zuständigkeit für die Banken in dem Sinn gab es nicht, aber den Bereich von Lejsek hat die Kollegin Kristen betreut. Also die ganzen FMA-Sachen und diese Dinge hat Frau Professor Kristen betreut.

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Sonst war im Kabinett niemand zuständig?

Dr. Josef Christl: Pfff ... Also jetzt inhaltlich und von der Materie gesehen nicht. Ich war zuständig für Ökonomie, Volkswirtschaft, Wirtschaftspolitik; Kristen war zuständig für den Bereich Finanzmarkt, hat auch die Steuersektion gehabt. Dann gab es Oberleitner, er machte mehr die Immobilienseite; und dann gab es Winkler, der war mehr für die Presse und so weiter zuständig.

Ich schließe nicht aus, dass in einer Einzelfrage unter Umständen ein einzelner Kabinettsmitarbeiter mit irgendeinem Hypo-Thema betraut wurde, aber grundsätzlich von der Ressortaufteilung war das so.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Dr. Christl, als Sie 2003 ins Direktorium der Nationalbank berufen worden sind, wer war da federführend, der an Sie herangetreten ist, dass Sie diesen Arbeitsbereich übernehmen?

Dr. Josef Christl: Sie meinen, dass ich mich bewerbe um diese Position oder dann die Verteilung der Ressorts innerhalb der Notenbank?

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Wie sind Sie genau in diese Position gekommen?

Dr. Josef Christl: Da gibt es eine Ausschreibung für die Direktoriumsmitglieder, da bewirbt man sich. Sie werden es nicht glauben, weil Sie jetzt so lachen … Ich erzähle Ihnen eh die ganze Geschichte. Bei der Bewerbung damals waren zehn oder zwölf Bewerbungen, um diesen … Ich habe mich um den volkswirtschaftlichen Teil beworben. Da gab es verschiedene Teile. Es gab Treasury, es gab Zahlungsverkehr und Volkswirtschaft. Ich habe mich um die Volkswirtschaft beworben, um diesen Direktoriumsposten.

Da gab es zehn oder zwölf Bewerber. Dann macht der Generalrat der Notenbank einen Dreiervorschlag, und aus dem Dreiervorschlag wählt die Regierung dann sozusagen den ihr am besten geeigneten Kandidaten aus. Ich war im Dreiervorschlag, und die Regierung hat dann mich als Mitglied für das Direktorium ausgewählt.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Für welchen Zeitraum war die Periode angesetzt?

Dr. Josef Christl: Fünf Jahre, 2003, also genau 1. September 2003, bis 31. August 2008.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Was war der Grund für Ihr Ausscheiden 2008?

Dr. Josef Christl: Ich wurde nicht verlängert. Ich wurde bei der nächsten Regierung nicht verlängert. Es war sozusagen eine … Sie wissen ja, die Regierungsverhältnisse haben sich auch geändert, natürlich. Es ist überall, in Europa und auch in den USA so, dass die Regierung im Wesentlichen entscheidet, wer in das Direktorium oder in die Spitzengremien der Notenbank einzieht.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Demnach genauso auch 2003, als de facto Schüssel und Grasser entschieden haben, dass Sie ins Direktorium einziehen.

Dr. Josef Christl: Ja, absolut, natürlich, sonst wäre ich dort klarerweise nicht reingekommen, wenn ich da diese Unterstützung nicht gehabt hätte, das ist überhaupt keine Frage.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Sie haben 2009 ein Aufsichtsratsmandat in der OeBFA, in der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur übernommen. (Auskunftsperson Christl: Ja!) Wie sind Sie zu diesem Mandat gekommen? Wer hat Sie da ...

Dr. Josef Christl: Das Finanzministerium ist an mich herangetreten und hat mich gefragt, ob ich diese Position übernehmen möchte.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Wer ist da konkret an Sie herangetreten?

Dr. Josef Christl: Es war ein Mitglied des Kabinetts, das mich gefragt hat, nämlich des damaligen Finanzministers, das war Herr Mag. Pröll.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Das heißt, im Namen des Ministers Pröll sind Sie gebeten worden, Aufsichtsrat bei der OeBFA zu werden? (Auskunftsperson Christl: Ja!) Wie lange ist dort die Periode?

Dr. Josef Christl: Da gibt es in dem Sinn keine Perioden, das kann jederzeit auch wieder sozusagen … Ich war dann, ich glaube, der Herr Verfahrensrichter hat es schon gesagt, bis 2013 in der OeBFA.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Genau, bis 2013. Heißt das, Sie sind selbst ausgeschieden? Ist nicht verlängert worden?

Dr. Josef Christl: Nein, es wurde nicht verlängert. Es wurde mir nahegelegt, und ich habe dann mein Mandat zurückgelegt, denn es gab die Überlegung, im Aufsichtsrat der OeBFA Frauen stärker zu berücksichtigen, und eine ...; und auf den Hinweis hin, dass das gewünscht wird, habe ich dann mein Aufsichtsratsmandat zurückgelegt.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen angesprochen, dass Sie beratend tätig sind. Also Sie waren es von 2009 bis 2014 bei der Hypo?

Dr. Josef Christl: Ja, das kommt ziemlich genau hin – unter anderem natürlich.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Unter anderem, ja. Das tun Sie mit Ihrem Unternehmen, Macro-Consult (Auskunftsperson Christl: Ja!), das Sie gegründet haben, nachdem Sie aus dem Direktorium ausgeschieden sind? (Auskunftsperson Christl: Ja!) Die Beratertätigkeit für die Hypo umfasst was genau?

Dr. Josef Christl: Ich glaube, ich habe es schon kurz angesprochen. Es waren im Wesentlichen volkswirtschaftliche Prognosen für die wesentlichen Märkte, auf denen die Hypo Alpe-Adria tätig war. Diese Prognosen sind einerseits verwendet worden, um bestimmte Risikoüberlegungen anzustellen.

Zum anderen musste man auch für andere – wie etwa für die EU-Kommission oder für Unterlagen oder so irgendetwas – volkswirtschaftliche Szenarien für die Bereiche haben, wo man aktiv ist, wie sich das entwickelt, wie sich dort die Kreditnachfrage entwickelt, Zinslandschaft, Währungen und solche Sachen. In diesem Bereich war ich tätig.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Ist der Vertrag 2009 für fünf Jahre abgeschlossen worden oder sind die Verträge permanent erneuert worden?

Dr. Josef Christl: Nein, das waren im Wesentlichen Jahresverträge, die dann verlängert wurden.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Wann haben Sie den ersten im Jahr 2009 abgeschlossen?

Dr. Josef Christl: Da müsste ich nachschauen, das kann ich so jetzt aus dem Stegreif nicht sagen. Eher gegen Jahresende 2009, soweit ich mich erinnere. Also es war nicht unmittelbar nach meinem Ausscheiden, sondern es ist Mitte, Ende 2009; aber ich hätte natürlich zu Hause die Unterlagen, wenn Sie das genau wissen möchten.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Wer ist da an Sie herangetreten, seitens der Hypo?

Dr. Josef Christl: Pfff ... Das war die damalige Pressesprecherin, aber ich muss Ihnen ehrlich gestehen, erstens einmal, ich würde ... ich wollte den Namen nicht sagen, aber ich könnte mich auch gar nicht erinnern an den Namen, muss ich sagen.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Also die Pressesprecherin der Hypo tritt an Sie heran, ob Sie einen etwaigen Beratervertrag übernehmen können?

Dr. Josef Christl: Ob ich die Hypo Alpe-Adria unterstützen könnte bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklungen in ihren Kernmärkten, ja.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Ich bin jetzt ein Stück verwundert. Als Ökonomin würde ich sagen: Ist es Job der Pressesprecher, an jemanden heranzutreten und ihn zu fragen, ob er für die Bank Prognosen erstellen und Beratertätigkeiten übernehmen kann? Ist es nicht die volkswirtschaftliche Abteilung in einer Bank, die sich die Berater sucht?

Dr. Josef Christl: Die volkswirtschaftliche Abteilung war in der Hypo Alpe-Adria ziemlich schwach ausgeprägt.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Die Pressesprecherin organisiert die Beratertätigkeit für die Hypo, und das im Jahr 2009. Das ist dann jährlich wieder verlängert worden. Hat das auch immer dann die Pressesprecherin gemacht?

Dr. Josef Christl: Nein, das nicht. Das wurde dann schon nach dem Vieraugenprinzip von verantwortlichen Mitarbeitern der Bank unterschrieben.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Wir wissen, wir haben dann eine sehr dynamische Zeit der Hypo erlebt. Wer war dann verantwortlich dafür? 2009 war es die Pressesprecherin, okay.

Dr. Josef Christl: Die Pressesprecherin hat den Kontakt hergestellt, und dann haben wir das – ja. Wer dann meine Verträge unterschrieben hat, wollen Sie wissen?

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Beziehungsweise wer mit Ihnen auch das Pouvoir ausmacht, wofür Sie verantwortlich sind. Das ist ja ein wirklich spezifischer Bereich, den Sie hier übernommen haben.

Dr. Josef Christl: Ich kann nur sagen, es war ein Vorstandsmitglied der Hypo Alpe-Adria auch dabei, der das unterschrieben hat, und, ich glaube, ein Prokurist. So waren üblicherweise diese jährlichen Verlängerungen, so wurde das unterschrieben.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Wie viel Prozent in etwa, einen Rahmen, macht diese Beratertätigkeit aus? Beziehungsweise wie viel Prozent jährlich hat diese Beratertätigkeit für die Hypo von Ihrem Gesamtumsatz ausgemacht?

Dr. Josef Christl: Frau Abgeordnete, das hat, glaube ich, gar nichts mehr mit dem Thema zu tun, über das Sie mich eigentlich befragen sollten.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Doch, finde ich, denn es geht um die Hypo und auch um Verbundenheiten zum Unternehmen, Verantwortlichkeiten für das Unternehmen und so weiter. Wen lädt man ein für Beratertätigkeit? Sie glauben gar nicht, wie viele parlamentarische Anfragen es zu diesem Thema gibt, Beratertätigkeit und Hypo.

Verfahrensanwalt Dr. Bruno Binder: Frau Abgeordnete, das ist ein lebendiges Unternehmen, und das sind die Daten seines Unternehmens und seiner Kunden. Ich glaube, das muss er nicht sagen.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Von den anderen Kunden will ich es nicht wissen. Ich will nur wissen, wie viel Prozent der Hypo-Beratervertrag vom Gesamtumsatz ausmacht.

Verfahrensanwalt Dr. Bruno Binder: Auch das sind Daten seines Unternehmens.

Dr. Josef Christl: Aber, Frau Abgeordnete, wenn es Ihnen leichter fällt, die Frage dann fallen zu lassen: einen maximal 5-prozentigen Anteil.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Gut. Da haben Sie schon weitergeholfen. Sehen Sie, so schnell geht das bei uns heute. Sagen Sie, beraten Sie auch andere Banken? (Auskunftsperson Christl: Ja!) – Auch in ähnlichen Feldern?

Dr. Josef Christl: Ja, auch Makroökonomie, Prognosen, Zins- und Währungseinschätzungen, das ist die eine Schiene, und regulatorische Fragen, das ist die zweite Schiene.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Haben Sie sich dann auch speziell mit der Situation der Hypo auseinandergesetzt oder nur sozusagen: Wie schaut das Feld im osteuropäischen Raum aus und so weiter?

Dr. Josef Christl: Das war es im Wesentlichen. 95 Prozent meiner Tätigkeit bestand in diesen makroökonomischen Vorschauen für die wesentlichen Märkte.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Aber schon im Kontext mit dem Geschäft der Hypo? (Auskunftsperson Christl: Natürlich!) – Wo bewegen sie sich, wo liegt das Risiko, wo kann man hineingehen, was macht Sinn?

Dr. Josef Christl: Nein, die übliche Vorgangsweise ist ja die: Sie haben eine Prognose für die Märkte, und aus der heraus nimmt die Buchhaltung, die Budgetplanung sozusagen bestimmte Werte für Bad Loans, für Kreditwachstum, für Abschreibungserfordernisse und so weiter. Sie brechen das runter auf die einzelnen Märkte von ihren Makroentwicklungen, die sie prognostizieren.

Aber da bin ich dann nicht mehr dabei. Das machen dann die Geschäftsabteilungen. Ich liefere nur den Makrorahmen.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Haben Sie da auch näheren Einblick in die Werthaltigkeit von Krediten und so weiter bekommen?

Dr. Josef Christl: Einzelkredit, das war da überhaupt kein Thema.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Nein, eher so dieses Thema Klumpenrisiko und so weiter, so in grobem, großem Rahmen.

Dr. Josef Christl: Auch nicht, weil …

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Zum Thema Ihres Arbeitsbereiches in der Oesterreichischen Nationalbank: Sie haben ausgeführt, dass es nicht nur die Bankenaufsicht, sondern auch die gesamte Finanzmarktstabilität war. Dazu hat es einen entsprechenden Bericht im Jahr 2007 gegeben, nämlich den Finanzmarktstabilitätsbericht der Nationalbank, wo es darum gegangen ist, dass eine Bankengruppe den Osteuropastresstest nicht geschafft hat.

Dann war das große Spekulieren, welche Bankengruppe das ist im Jahr 2007, und es ist dann der Name Hypo Alpe-Adria gefallen, es hieß, dass es genau diese Bank ist, die diesen Stresstest nicht geschafft hat.

Man hat dann vernommen, dass Sie nicht sehr erfreut darüber waren, dass dieser Name in dieser Form publik geworden ist. Können Sie uns ein Stück den Hintergrund dazu erzählen?

Dr. Josef Christl: Natürlich kann ich Ihnen den Hintergrund erzählen: Weil es natürlich nicht gut ist, wenn man solche Ergebnisse der Aufsicht oder der makroprudenziellen Aufsicht an die Öffentlichkeit bringt, weil das ja Rückwirkungen auf den Märkten hat.

Für die Bedingungen der Bank war das sicherlich nicht hilfreich. Wenn Sie dann eine Anleihe begeben müssen und Ihre potenziellen Investoren erfahren, dass Sie beim Stresstest durchgefallen sind, dann schaut die Preisgestaltung für die Anleihe ganz anders aus – oder, wenn Sie Pech haben, bekommen Sie gar kein Geld.

Also es ist schon so, dass hier totale Transparenz nicht immer hilfreich ist – obwohl ich eigentlich ein großer Verfechter von transparenten Lösungen bin, aber in diesem spezifischen Zusammenhang ist das ein Problem.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Und nachdem dieser Stresstest so schlecht ausgefallen ist – was hat das in der Folge für Auswirkungen in Bezug auf die Aufsicht gehabt? Welche Maßnahmen hat man gesetzt? Welche Schritte hat man gesetzt? Das ist ja eine durchaus ungewöhnliche Geschichte.

Dr. Josef Christl: Es ging im Wesentlichen darum, dass die Bank mehr Eigenkapital bekommt. Das war die entscheidende Frage. Es ist überhaupt bei allen Banken auch jetzt die entscheidende Frage, wie viel Eigenkapital die Bank letztlich hat.

Wir haben einfach versucht, der Bank klarzumachen, sie braucht mehr Eigenkapital. Und Sie wissen ja, das hat dann teilweise zu ziemlichen Verrenkungen geführt, bis dann die Bayern diese Bank übernommen haben. Dabei waren auch die Bayern nicht wahnsinnig gesegnet mit Eigenkapital, hatten aber immerhin einen starken Eigentümer, nämlich in der Form des Freistaates Bayern hinter sich, sodass man davon ausgehen konnte, dass damit das Eigenkapitalproblem dieser Bank einigermaßen unter Kontrolle ist.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Aber Sie wissen ja, da Sie ja – Sidestep – diese Bankenaufsicht in dieser Form sehr federführend im Direktorium begleitet haben, dass die Hypo die meistgeprüfte Bank war, so wurde das auch immer zitiert, und dass nicht nur das Eigenkapital Thema war, sondern auch die Kreditrisikovorsorge, das Risikomanagement und so weiter.

Das heißt, es hat viele Baustellen gegeben, nicht nur das Eigenkapital. Daher die Frage: Was hat man diesbezüglich für Maßnahmen gesetzt?

Dr. Josef Christl: Ich glaube, man muss dazu sagen, dass zu dem Zeitpunkt – nämlich 2007 oder Beginn 2008 – die Möglichkeiten der Aufsicht in dieser Hinsicht noch sehr beschränkt waren. Sie konnten keine Capital Add-Ons einfach irgendwelchen individuellen Banken verhängen. Sie haben die Möglichkeit gehabt, ihnen in den Managementgesprächen zu sagen, ihr müsst schauen, ihr müsst das tun, ihr müsst jenes tun, aber ihnen wirklich etwas zu verordnen, das war meines Wissens zu dem Zeitpunkt nicht möglich. Das war so eine Art Moral Suasion, könnte man sagen, eine moralische Überzeugung des Vorstands, dass es hier zu Veränderungen kommen muss und dass sie sich in diese Richtung anstrengen müssen.

Mehr hat das BWG damals meines Wissens nicht hergegeben. In diese Richtung hat die FMA natürlich federführend gewirkt, die FMA war in dieser Frage eigentlich im „driver’s seat“.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Sagen Sie, sind im KOFO, dem Koordinationsforum, das, glaube ich, alle zwei Monate getagt hat – ich meine dieses Koordinierungsgremium zwischen OeNB und FMA – diese Bereiche besprochen worden, wie etwa die Situation von Banken, die in schwierigen Situationen sind, wie zum Beispiel die Hypo? (Auskunftsperson Christl: Ja!) – Besprochen worden, und dann?

Ist das nur ein Austauschgremium, oder hat man dann auch gesagt: Okay, was ist dort zu machen? Es ist ein begleitendes Kontrollinstrument.

Dr. Josef Christl: Also ich bin mir jetzt nicht mehr ganz sicher, ob ich noch genau weiß, was in den KOFOs damals gemacht wurde. Wenn ich mich recht erinnere, sind da die Prüfpläne besprochen worden, welche Banken geprüft werden, was genau geprüft werden soll, auch Probleme, die aufgetreten sind bei Einzelprüfungen. Aber wie gesagt, ich spreche jetzt ein bisschen ins Blaue, weil ich die einzelnen KOFOs nicht mehr so präsent vor mir habe. Sie müssen bedenken, das ist doch schon eine ziemliche Zeit auch her.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Und war das im Konkreten im Aufsichtsrat der FMA auch Thema?

Dr. Josef Christl: Wenn es Probleme gab bei einer Bank, dann war das sehr wohl Thema, ja.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Wie oft war da die Hypo zum Beispiel Thema?

Dr. Josef Christl: Da fragen Sie mich jetzt zu viel! Kann ich nicht sagen, wie oft. Fünfmal, dreimal?

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Das war einmal, regelmäßig?

Dr. Josef Christl: Nein, regelmäßig wäre übertrieben, aber immer wieder.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Es war immer wieder Thema – und dann wieder sozusagen weiter zuschauen?

Dr. Josef Christl: Nein, nicht weiter zuschauen! Also was heißt „zuschauen“? Es hat sich ja viel geändert dort bei der Hypo. Die Eigentümerverhältnisse haben sich geändert, das Risikomanagement hat sich geändert, der Vorstand hat sich geändert, vieles hat sich geändert.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Fürs Erste einmal danke.

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Ich fange hinten an, und zwar haben Sie in der Erstbefragung gesagt, dass Ihr Beratungsverhältnis im August oder September 2014 endete. Wurde das von Ihrer Seite nicht mehr verlängert oder vonseiten der Hypo Alpe-Adria nicht mehr verlängert – denn Sie haben ja vorhin gesagt, dieser Beratungsauftrag wurde jährlich erneuert? Warum wurde der 2014 dann nicht mehr verlängert? Gibt es dafür einen Grund, den Sie sagen können? (Die Auskunftsperson berät sich mit dem Verfahrensanwalt.)

Dr. Josef Christl: Gut. Also es war damals die Spaltung in die Bad Bank, in den guten Teil und in die Dings, und das war sozusagen eigentlich das Ende der Hypo Alpe-Adria-Bank International, das war die Aufspaltung in HETA und … Ich weiß gar nicht mehr, wie der andere Teil heißt. Und mit dem Zeitpunkt eigentlich war sozusagen für … (Abg. Schenk: War die Grundlage weggebrochen!) Die HETA, die hat das jetzt nicht mehr so gebraucht, und der neue Teil, der war sehr EBRD-nahe, die haben auch volkswirtschaftliche Expertise.

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Okay, danke. Dann gehe ich ganz nach vorne: Während Ihrer Zeit im Kabinett, als Sie im Kabinett Grasser waren, das haben Sie uns ja wissen lassen, hatten Sie nichts mit der Hypo Alpe-Adria zu tun. Es gibt aber Mitarbeiter, die sich dort um die Banken gekümmert haben, auch um die Hypo-Bank gekümmert haben. Sie haben vorhin in der Befragung durch Kollegen Rauch erwähnt, dass Frau Dr. Kanduth-Kristen im Kabinett Grasser für die Hypo zuständig war. Ist das richtig?

Dr. Josef Christl: Nein, nicht für die Hypo, sondern für die Finanzmarktangelegenheiten. Für Einzelbanken gab es keine Zuständigkeiten, sie war für den Bereich Finanzmärkte zuständig, und so gesehen kann es sein, dass sie in dem einen oder anderen Fall mit einer Frage der Hypo … Sie wissen ja auch, dass sie Staatskommissärin dort war, also insofern …

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Also war sie jetzt für die Hypo auch zuständig oder nicht?

Dr. Josef Christl: Es gab im Kabinett keine direkte Zuständigkeit für einzelne Banken, sondern nur für Bereiche. Es gab den Bereich Finanzmärkte, und für den war Frau Dr. – oder mittlerweile Universitätsprofessor – Sabine Kanduth-Kristen zuständig.

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Sie hat auch immer wieder Berichte von der Nationalbank bekommen. Als es 2006 um eine Anfrage im Bundesrat ging, wurde ihr der auch zur Kenntnisnahme ins Ministerium geschickt. Also kann man davon ausgehen, dass sie damit schon befasst war?

Dr. Josef Christl: Ja, aber ich kannte auch nicht, welche Dokumente sie bekommt. Also mag sein.

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Dann möchte ich auf die Follow-up-Prüfungen eingehen, die Sie angesprochen haben. Sie haben von mehreren Follow-up-Prüfungen gesprochen. Mir ist jetzt eigentlich nur eine bekannt, die von 2008, die sich auf die Swapverluste 2006 bezog. Welche anderen Follow-up-Prüfungen haben Sie da noch im Kopf oder haben Sie bei der Erstbefragung gemeint?

Dr. Josef Christl: Also im Detail, muss ich Ihnen jetzt sagen, kann ich die Frage so nicht beantworten. Das weiß ich nicht mehr so genau. Es war jedenfalls das Ziel, Follow-ups öfter und in kürzeren Abständen zu machen. Wie häufig die jetzt dann tatsächlich durchgeführt wurden, das weiß ich jetzt leider nicht mehr. Ich habe da keine entsprechenden Unterlagen mehr dazu.

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Okay, das war es fürs Erste. Danke.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Herr Dr. Christl, Sie waren jetzt also fünf Jahre lang Direktor bei der OeNB und leiteten unter anderem das Ressort Bankenaufsicht. Frage an Sie: Wie oft kam es vor, dass solch schwerwiegende Vorwürfe, nämlich strafrechtliche Vorwürfe, gegen den Vorstand oder den Aufsichtsrat einer der Banken gerichtet wurden, und zwar von dieser Ebene oder einer ähnlichen, in dem Fall von einem Direktor von Deloitte? War das etwas, was öfters passiert ist? Ist es einmal passiert?

Dr. Josef Christl: Nein, also das ist, wie gesagt ... Das war ein Ausnahmefall, eindeutig.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Okay, es war ein Ausnahmefall. Sie haben selbst eingangs erwähnt, dass die Hypo schon damals ein Sorgenkind von Ihnen war. Ich zitiere: eine der Banken, die ich mir immer genau anschauen musste; Beanstandungen nicht beachtet und so weiter; Stresstest immer ein Problem. Jetzt kommt so ein schwerwiegender Vorwurf. Wie wurden Sie über diesen Vorwurf informiert? Wie ist der Aktenvermerk zu Ihnen gekommen? Per E-Mail, per Fax, im Original?

Dr. Josef Christl: Sie sprechen jetzt über diese Sache von Deloitte? (Abg. Vavrik: Über den Aktenvermerk!) Also nicht die Swaps, sondern Puris? (Abg. Vavrik: Wie bitte?) Also nicht die Swaps, sondern Puris?

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Puris, ich rede von Puris, ja!

Dr. Josef Christl: Wie das zu mir gekommen ist? – Ja, das lag irgendwann in meinem Posteingangsfach, nehme ich an.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Physisch?

Dr. Josef Christl: Und es gab ein Telefonat zwischen Mag. Ettl und mir. So wurde ich informiert.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Elektronisch wurde es weitervermittelt oder per Fax, ein Original oder eine Kopie? Wie ging das damals …?

Dr. Josef Christl: Das weiß ich nicht mehr, muss ich Ihnen ehrlich sagen. Wir hatten damals dann auch so ein elektronisches Aktensystem. Es könnte sein, dass das schon über dieses elektronische Aktensystem gekommen ist, oder es war noch die Hardcopy, die hereingekommen ist, das kann ich jetzt nicht mehr mit Sicherheit sagen.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Können Sie uns sagen, Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie aufgrund dieser Anschuldigungen dann eine laufende Prüfung erweitert haben, und da haben sich die Vorwürfe nicht erhärtet. Habe ich das richtig verstanden?

Dr. Josef Christl: Das haben Sie richtig verstanden.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Diese Nichterhärtung der Vorwürfe, kam die innerhalb von Wochen, Monaten, einem halben Jahr in etwa? Wie lange nachher?

Dr. Josef Christl: Tut mir leid, Herr Abgeordneter, da fehlt mir jetzt die zeitliche Dimension. Das könnte ich jetzt … Ich müsste … Ich weiß es nicht genau. Es hat sicher nicht ein Jahr gedauert, aber ob das jetzt zwei Monate oder vier Monate waren, das könnte ich nicht mit Sicherheit sagen.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Aber nicht eine Sache von Tagen?

Dr. Josef Christl: Nein, sicher nicht eine Sache von Tagen!

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Herr Dr. Christl, ich weiß nicht, ob Sie § 78 StPO kennen. Es geht hier um die Anzeigepflicht. Ich zitiere aus dem Gesetzestext: „Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer Straftat bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet.“

Wie können Sie mir erklären, dass im Zeitraum vom Aktenvermerk bis zur Nichterhärtung des Verdachts einige Monate später niemand im Direktorium, insbesondere nicht Sie als Vorstand der Bankenaufsicht, Anzeige erstattet hat?

Dr. Josef Christl: Na ja, wir haben das sicherlich zunächst einmal unsere Rechtsabteilung prüfen lassen, wie wir uns am besten verhalten. Also davon gehe ich aus, denn das ist in solchen Fällen in der Notenbank sozusagen standardisiert. Und dann kam offenbar die Entwarnung, dass das, was Sie hier als strafrechtlichen Vorwurf sehen, dass es hier Kick-backs gegeben hätte, dass dieser Vorwurf nicht aufrechterhalten wird, also gab es keinen Grund, jetzt irgendeine Anzeige zu machen.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Wer war damals der Leiter der Rechtsabteilung, an den Sie die Sache weitergeleitet haben?

Dr. Josef Christl: Das weiß ich nicht mehr, wie der geheißen hat. Das können Sie sicher aus dem Organigramm der Notenbank … Ich kann mich nicht mehr erinnern, wer damals Leiter der Rechtsabteilung der Notenbank war.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Aber Sie haben dann also die Rechtsabteilung informiert, und die Rechtsabteilung hat Entwarnung gegeben, noch lange bevor …

Dr. Josef Christl: Nein, nein! Sie unterstellen mir jetzt Verschiedenes. Ich habe gesagt: Ich gehe davon aus, dass das die Rechtsabteilung … Ich selbst habe das nicht gemacht, denn das haben meine Mitarbeiter gemacht, von sich aus, nehme ich an. Ich gehe davon aus, dass die Rechtsabteilung davon informiert wurde und eine Beratung eingeholt wurde, wie wir uns am besten verhalten sollen in dem Zusammenhang. Und ich nehme dann an, dass in der Zwischenzeit offensichtlich Herr Kandler diesen Vorwurf zurückgezogen hat und dass damit eigentlich auch inhaltlich die Sache jedenfalls nicht mehr zu verfolgen war.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Und wer konkret hat Ihnen Entwarnung gegeben damals? Wer könnte das gewesen sein?

Dr. Josef Christl: Sie meinen?

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Aufgrund der Meinung der Rechtsabteilung, dass hier nicht weiter vorgegangen werden muss.

Dr. Josef Christl: Nein, das war jetzt nicht jemand von der Rechtsabteilung, sondern Kandler hat das ja zurückgezogen.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Hat er mit Ihnen gesprochen?

Dr. Josef Christl: Er hat offenbar mit meinen Mitarbeitern gesprochen oder mit meinen Prüfern.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Sie sind Leiter der Bankenaufsicht. Sie befassen sich mit einer Bank, die ein Problemkind ist in vieler Hinsicht. Sie bekommen einen Hinweis, dass hier der Aufsichtsratsvorsitzende Kick-backs bekommt. Das ist ein außerordentlicher Fall, das haben Sie selbst gesagt. (Abg. Tamandl: Der Vorstandsvorsitzende!) Der Vorstandsvorsitzende, Entschuldigung! (Auskunftsperson Christl: Den Verdacht!)

Und Sie verfolgen das nicht weiter, Sie überlassen das Mitarbeitern und verfolgen das nicht weiter, wenn ich das richtig verstanden habe?

Dr. Josef Christl: Wer sagt, dass ich es nicht weiterverfolgt habe? Die Mitarbeiter haben das weiterverfolgt, natürlich haben die das weiterverfolgt!

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Ihre Mitarbeiter, nicht Sie persönlich? (Auskunftsperson Christl: Nein! Genau!)

Sie haben es nicht persönlich weiterverfolgt?

Dr. Josef Christl: Ich habe Mitarbeiter, die dieses Thema weiterverfolgt haben.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Okay. Das ist ein Thema, das, sagen wir, für den Leiter der Bankenaufsicht kein Thema ist, Kick-backs an den Vorstandsvorsitzenden einer Bank, die Sie zu prüfen haben und die ein Problemkind ist?

Dr. Josef Christl: Sie sehen das ja auch aus meinen Notizen, dass ich das Thema sehr ernst genommen habe.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Nein, ich sehe nur eine Notiz über ein Telefongespräch und dann nichts mehr. Welche konkreten Dokumente haben Sie dann bekommen, um zu entscheiden, dass es nicht weiterzuverfolgen ist?

Dr. Josef Christl: Ich habe die Nachricht bekommen, dass Herr Kandler diese Vorwürfe … dass sich diese Vorwürfe nicht erhärtet haben und dass daher sozusagen hier nicht weiter vorgegangen werden soll.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Und diese Nachricht wurde wie dokumentiert?

Dr. Josef Christl: Ich glaube, Sie haben Herrn Kandler ja schon gefragt. Hat es …?

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Nein, ich habe ihn nicht gefragt. Ich frage Sie jetzt!

Dr. Josef Christl: Das weiß ich nicht. (Abg. Vavrik: Sie wissen es nicht?) Nein!

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Ich möchte gleich das Thema nicht auslassen, weil wir tatsächlich hier schon Kandler zu dieser Frage befragt haben. Und ich möchte meine Frage von damals an andere Verantwortliche wiederholen: 2007 – ich möchte daran erinnern – war klar, dass erstmals in der Geschichte Österreichs das Testat zurückgezogen werden musste, wegen einer gefälschten Bilanz 2004; 2007 war längst das Verfahren der FMA wegen der Nicht-Geeignetheit der Organe gegen die führenden Organe der Hypo Alpe-Adria – nämlich das damalige Management – durchgeführt; das Strafverfahren war 2007, glaube ich, in der Phase der Anklageerhebung. Und dann kam dieser Hinweis, der noch dazu nicht direkt vom Prüfer bei Deloitte kam, sondern von der dortigen Risikoabteilung, direkt an den zuständigen Prüfer der OeNB, Mag. Ettl. Wie gibt es das, dass man es in so einem Zustand auf irgendwo gehört haben, aber das hat sich nicht erhärtet bewenden lässt?

Dr. Josef Christl: Entschuldigen Sie, wenn der Prüfer, der diesen Verdacht äußert und der sozusagen an der Quelle der Unterlagen sitzt, das gemeinsam mit dem Buchprüfer von Deloitte noch einmal anschaut und die gemeinsam … Natürlich wurde das sozusagen thematisiert, was zu tun … Und die schauen das noch einmal an und kommen nach einiger Zeit drauf, dass an diesen Vorwürfen … dass das offenbar vorschnell geurteilt war, und sie sagen mir das, dann muss ich das doch wohl glauben können.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Ich verstehe Sie immer noch nicht! Das waren enthobene Vorstandsmitglieder, das waren Daten aus dem Firmenbuch. Da war der Verdacht – nicht nur der Verdacht, in dem Fall war es sogar schon ganz konkret – offen, dass hier die Bilanzen gefälscht worden sind. Da war eine Prüfungsgesellschaft, die einmal testiert hat und selbst widerrufen musste, am 30. März 2006. Es war ja nicht so, dass sozusagen erstmalig etwas vorgefallen wäre, sondern die schlimmsten Vorfälle, die es jemals bei einer Bank gegeben hat, haben dort stattgefunden. Und dann kommt der Verdacht, dass man abzweigt über ein Geschäft im Familienkreis des früheren Vorstandsvorsitzenden und nunmehrigen Aufsichtsratsvorsitzenden – der das gegen den Willen der FMA geworden ist –, dass es so ein Kick-back gibt, und dann begnügt man sich damit, zu sagen, na ja, der Verdacht hat sich nicht erhärtet, statt dass man etwas tut. Da ist die Frage des Kollegen berechtigt: Wieso gibt es da nicht zumindest eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft? Also die Frage, Herr Dr. Christl, bitte, die erklärt sich so noch nicht!

Dr. Josef Christl: Ja, ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen. Also, wie gesagt, ich kann nur sagen: Wir sind zu der Auffassung gekommen in der OeNB, dass offenbar an diesen Vorwürfen von Deloitte aufgrund der Aussagen von Deloitte selbst nichts dran ist. Wir haben es dann zum Gegenstand einer Sonderprüfung gemacht, wo offenbar auch nichts gefunden wurde. Und ich kann dazu nicht mehr sagen. Mehr haben wir nicht getan. Die Anzeige haben wir nicht gemacht, das wissen Sie.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Ein anderes Thema, das hier in diesem Haus schon den damaligen Banken-Ausschuss im Jahr 2007 beschäftigt hat, war ja die Schwierigkeit der Kommunikation und Koordination zwischen FMA und OeNB, die ja auch dazu geführt hat, dass sich dann sehr rasch konkretisiert hat, dass wir an dieser Schnittstelle reformieren müssen. Vielleicht, dass Sie uns ein bisschen berichten. Wir haben das ja schon kurz … Ich glaube, die Kollegin vom Team Stronach hat das schon angesprochen. Es fanden regelmäßig diese Sitzungen der Koordinierung statt, KOFO-Sitzungen, wie sie so schön in den Abkürzungen heißen. Wann ist Ihnen dort erstmals …? Sie waren ja, nehme ich an, als zuständiges Direktoriumsmitglied bei jeder der Sitzungen – außer im Urlaub – vertreten, anwesend?

Dr. Josef Christl: Nein, also ich war bei den KOFO-Sitzungen … Normalerweise war Ittner dort. Also ich war nur bei einzelnen, wenn es also wirklich …

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Machen wir es so, bevor wir zu den einzelnen Sitzungen kommen, bei denen Sie dabei waren: Wann ist Ihnen erstmals – Sie waren ab 2003 im Direktorium – der Problemfall Hypo untergekommen?

Dr. Josef Christl: Keine Ahnung! Also das wird nicht sehr lang gedauert haben, weil die Bank ja laufend Probleme hatte.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Ist in der Frage des Prüfungsplanes, also der Abwicklung – dort war ja eines der entscheidenden Instrumente der Absprache zwischen FMA und OeNB, denn die OeNB hat die Kapazität zu stellen gehabt für die Prüfungen, die FMA war aber Herrin des Verfahrens, denn die hat den Prüfungsauftrag erteilt und musste auch jeden einzelnen Schritt absegnen, der dort gegeben ist – ... Wurde eine Schwerpunktsetzung auf Hypo Alpe-Adria vorgenommen und, wenn ja, auf Drängen der OeNB oder der FMA?

Dr. Josef Christl: Tut mir leid, Herr Abgeordneter, ich kann mich daran wirklich nicht mehr, beim besten Willen nicht mehr erinnern, wer da jetzt … Ich denke, das war wahrscheinlich ein gemeinsamer Wunsch, weil die Analysen eben ergeben haben, dass hier unter Umständen wir das tun sollten im Sinne der Finanzmarktstabilität. Aber wer da jetzt sozusagen mehr gedrängt hat, ob die FMA oder wir, kann ich nicht sagen.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Okay. War vor dem Bekanntwerden der Swapverluste, die eigentlich gar keine Swapverluste waren – weil es Währungsoptionsverträge waren, aber andere, nämlich nicht Zinsswaps, aber ist egal – … Das hat stattgefunden in den Monaten März/April 2006, parallel übrigens mit der BAWAG. Gab es vorher keinen Anlass, aufgrund der schon über mehrere Jahre gehenden Feststellungen – also wenn ich mich nur zurückerinnere an Mayerhofer, glaube ich, hat er geheißen, der Prüfungsleiter der OeNB dort – zu den offensichtlich ja schon bis in die Zeit der Landeshypothekenanstalt zurückgehenden Problemen, aber seit der Expansion vor allem zu dem Problem unzureichendes Risikomanagement ...? Wann ist der Zeitpunkt über die Jahre bei einer Bank, ab dem ich Schritte unternehme, wenn ich jedes Mal höre: mangelndes Risikomanagement? Der Herr Verfahrensrichter hat Sie vorhin gefragt: Wie gibt es denn das? Ist das dann behoben worden? Sie haben gesagt, es sind andere Probleme aufgetaucht. Aber nicht funktionierendes Risikomanagement ist nicht funktionierendes Risikomanagement, mag auch sozusagen die Problemlage in einem anderen Bestandteil bestehen. Aber offensichtlich gibt es über Jahre die Feststellungen. Warum ist da nicht mehr unternommen worden?

Dr. Josef Christl: Ich kann Ihnen nur sagen, wir haben uns bemüht, diese Bereiche zu verbessern und das auch mit den zuständigen Organen der Bank zu diskutieren und darauf hinzuweisen, aber mehr konnten wir in dem Sinn nicht tun. Wir konnten jetzt nicht unsere Leute dort hinsetzen und neue Risikosysteme erarbeiten lassen. Das ging nicht.

Also, Sie werden akzeptieren müssen, dass manche Sachen, auch wenn Sie darauf hinweisen, dass das schlecht ist, vielleicht nicht unmittelbar behoben werden. Und es gibt natürlich … Das Risikomanagement hat viele Dimensionen, da könnten wir uns jetzt ein bisschen im Detail verlieren. Also zunächst einmal die ganze Frage, beispielsweise, wie schätze ich Risikovorsorgen in bestimmten Bereichen und so. Wir haben da so Best-Practice-Modelle sozusagen in der Notenbank entwickelt, da gab es die Leitfäden für Risikomanagement, die haben wir mit den Banken diskutiert. Das war sozusagen State of the Art, auch wissenschaftlich State of the Art, welche Modelle hier angewandt werden sollen. Das wurde dann so nach und nach umgesetzt, zunächst nicht ideal, aber das hat gedauert. Aber dann gab es wieder neue Sachen, die gekommen sind, bei denen bestimmte Risken aufgetreten sind. Bei den derivativen Produkten beispielsweise, wie bewertet man die und solche Dinge.

Das ist eine breite Palette an Themen, wo Sie immer wieder sozusagen … Wenn Sie sagen, das Risikomanagement war schlecht: Ja natürlich, es sind eben immer wieder bestimmte Bereiche aufgetreten, wo die Bank eben gewisse weiße Flecke hatte.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Dr. Christl, ich bin immer ein Freund des Konkreten. Würden Sie mir zustimmen, dass, wenn die Risikovorsorgesysteme im Bereich dieser Bank in Ordnung gewesen wären, das Problem des Jahres 2004, dass bei einer Gesamtlimitobergrenze von 100 Millionen Ende des Wirtschaftsjahres 2004 zwei Positionen mit dann zusammengerechnet gesamt 325 Millionen unter Wasser sind, frühzeitiger die Alarmglocken hätte schlagen lassen?

Jetzt rede ich noch gar nicht davon, dass der Vorstandsvorsitzende Monate gebraucht hat, um dann erst einmal mit den Vorstandskollegen zu sprechen, und dass der Vorstand dann noch einmal Monate gebraucht hat, um mit dem neuen Aufsichtsratsvorsitz zu reden, und das Aufsichtsratspräsidium noch einmal ein Jahr gebraucht hat, bis es den Rest vom Aufsichtsrat informiert hat.

Jetzt gehe ich in der Zeit zurück: Erst Im November 2004 erfährt der Vorstandsvorsitzende um das Problem, nachdem es bereits vier Monate aushaftend war. Sind Sie meiner Meinung, dass ein funktionierendes Risikosystem bei genau so etwas, nämlich der Limitüberschreitung, vorzeitig geholfen hätte?

Dr. Josef Christl: Ja, das sollte funktionieren. Da bin ich Ihrer Meinung.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Gut, jetzt haben wir hier von vielen Auskunftspersonen … Herr Präsident, ich kratze an meiner Zeit der nächsten Befragungsrunde. Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem wir sagen, hätte es das gegeben, hätte es funktioniert. Wir sind einer Meinung, und ich denke, das haben schon viele Auskunftspersonen bestätigt, das Schleudern gab es schon vorher, aber sozusagen das Leitplankendurchstoßen hat diese Bank mit diesen Geschäften und dem Verlust 2004 gemacht, der zum Widerruf des Testats führte, zu einer Neubilanzierung und eigentlich zu einer Unterkapitalisierung der Bank. Die hat dann gezwungen, neue Mittel aufzustellen, dann wurde die Wandelanleihe gemacht, dann kamen Berlin & Co. Und immer war dasselbe Problem: Das Eigenkapital reicht nicht aus.

Wenn man es jetzt rückblickend betrachtet – das Multiorganversagen, wie es im Bericht der Frau Dr. Griss steht: Glauben Sie, dass bei der OeNB als durchführende Prüferin im Auftrag der FMA auch ein Organversagen vorgelegen haben könnte, da nicht rechtzeitig so viel Druck gemacht wurde, damit vor dem Jahr 2004 diese Risikosysteme in Ordnung gebracht werden?

Dr. Josef Christl: Das müssen Sie von außen beurteilen. Ich selbst, der sozusagen Teil dieses Kontrollprozesses war … Wir haben uns bemüht, nach bestem Wissen und Gewissen die fortschrittlichsten Systeme und die besten Methoden einzuführen. Aber dass uns dann trotzdem etwas passiert ist und dass die Bank leider Gottes in eine Entwicklung gegangen ist, die für uns alle letztlich sehr unerfreulich war, das haben wir sicher nicht gewollt.

Ich darf Ihnen nur, wie gesagt, sagen, es ist so, dass das natürlich auf der ganzen Welt irgendwo passiert. Das wird Sie nicht trösten, aber es ist so. Wenn Sie an den Nick Leeson bei Barings denken, der hat die Barings versenkt. Solche Fälle gibt es leider immer wieder, und bei der besten Aufsicht wird es nicht so sein, dass wir erstens einmal natürlich gegen kriminelle Energie wirklich etwas ausrichten, und zum Zweiten wird auch eine Aufsicht immer wieder Fehler machen, so gut sie auch ist.

Denn die Illusion habe ich sicher abgehakt, dass man sozusagen durch eine optimale Aufsicht jede Art von Risk im Finanzbereich verhindern könnte, das wird nicht sein. Sie müssen schauen, dass Sie dieses Bankensystem mit genügend Eigenkapital ausrüsten, damit es möglichst viele Risken tragen kann, und sich mehr auf das verlassen als auf die Aufsichtstätigkeit, die fraglos wichtig ist, die möchte ich nicht kleinreden. Aber noch wichtiger sind andere Sachen, und da sind wir noch weit weg von dort, wo wir sein sollten, auch jetzt.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Das ist mir wieder zu unkonkret, Herr Dr. Christl. Bereits bei dem Auftrag der FMA vom 22. August 2001 ging es um das Risikomanagement bei der Hypo nach § 70 BWG. Am 27.7.2004 gibt es dieselbe Frage, nämlich Prüfungsfeld Kreditrisikomanagement, also noch bevor die überhaupt stattgefunden haben. Bei Barings gab es eine Lücke im System, aber es war nicht so – man kann vieles vorwerfen –, dass man schon drei Jahre vorher wusste, die haben dort ein Problem.

Also, sozusagen: Es fährt jemand mit Strumpfmaske vor der Bank vorbei, und die Polizei steht dort und sagt: Jö, der fährt mit Maske daher! Aber die Frage, wollen die vielleicht eine Bank überfallen, hat sich niemand gestellt.

Ich meine, wir versuchen herauszubekommen, warum nicht. Sonst können wir nichts ins System einbauen, um so etwas zu verhindern. Daher ist das so wichtig für uns. Also alle sachdienlichen Hinweise, die Sie uns geben können, wären von Nutzen.

Dr. Josef Christl: Das ist ja ein Statement von Ihnen, wenn Sie sagen, man hätte das irgendwie verhindern müssen. Wir haben es versucht zu verhindern, aber sind leider nicht in dem Ausmaß durchgedrungen, wie das natürlich wünschenswert gewesen wäre. Das kann man schon so sagen.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): In amerikanischen Filmen sagt man ja immer: Keine weiteren Fragen fürs Erste. Aber ich spare es mir für die nächste Runde auf. – Danke.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Herr Dr. Christl, da ich vorher im Liveticker gelesen habe, was Ihre Funktion im Kabinett vom Herrn Bundesminister war, würde ich Sie doch ganz gern noch einmal fragen: Welche Funktion hatten Sie im Kabinett von Herrn Finanzminister Grasser?

Dr. Josef Christl: Na ja, ich war so etwas wie, wenn Sie es wollen – das klingt vielleicht ein bisschen überheblich –, Chefökonom oder ökonomischer Berater. Ich war eben für Budgeteinschätzungen, Prognosen zuständig, bin häufig zum ECOFIN mitgefahren, wenn es dort um wirtschaftliche Belange gegangen ist, war auch mit bei den Weltbanktagungen, wenn die auf der internationalen Ebene stattgefunden haben, habe natürlich auch wirtschaftliche Vorträge beispielsweise für den Minister punktiert und solche Dinge. Es ging auch um die Gesamtkonzeption, um das wirtschaftspolitische Programm.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Waren Sie jemals Kabinettschef oder Kabinettschefstellvertreter? (Auskunftsperson Christl: Nein!) Auch nicht Stellvertreter? (Auskunftsperson Christl: Nein!)

Können Sie sich noch erinnern, ab wann Sie von der Aufdeckung der sogenannten Swapverluste erfahren haben, sprich, dass die Wirtschaftsprüfer das Testat für den Jahresabschluss 2004 zurückgezogen haben?

Dr. Josef Christl: Ja, das war, glaube ich – wir haben es eh zuerst erörtert … Wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe, muss das irgendwann im März 2006 gewesen sein. Ich kann mich erinnern, dass jemand an mich herangetreten ist und gesagt hat, Deloitte hätte hier das Testat zurückgezogen, und dann war schon Feuer am Dach. Es gab dann die verschiedensten Besprechungen, und dann wurde eben sehr rasch eine Sonderprüfung angeordnet.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Waren Sie in diese Gespräche involviert?

Dr. Josef Christl: In welche Gespräche jetzt, meinen Sie?

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): In diese Gespräche, die beispielsweise zwischen Wirtschaftsprüfern und FMA geführt worden sind. Waren Sie da auch involviert?

Dr. Josef Christl: Nein. Üblicherweise nicht, nein.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Jetzt wird ja immer seitens der Organe der Bank und auch seitens der einen Gesellschaft in diesem Joint Audit, der CONFIDA, kritisiert, dass die FMA nur diese eine Variante der Sofortabschreibung der Verluste im Jahr 2004 anerkannt hat. Es hätte mehrere Bewertungsmethoden gegeben, mehrere Bilanzierungsmöglichkeiten gegeben, drei an der Zahl, aber die FMA hat sich genau für diese Variante entschieden, die Bilanz 2004 aufzumachen und diese 328 Millionen Verluste in diesem Jahr zu verbuchen.

Haben Sie über diese Gespräche eine Wahrnehmung, über das Bestehen der FMA, warum das so sein solle?

Dr. Josef Christl: Nein, also auf der technischen Ebene war ich nicht dabei.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Was ist Ihre Wahrnehmung über das danach eingeleitete Geschäftsleiterqualifikationsverfahren gegen Kulterer und Striedinger?

Dr. Josef Christl: Ich glaube, es war ein guter, ein notwendiger und auch ein mutiger Schritt von der FMA. Es war schon ungewöhnlich, dass man so etwas macht, und für die Bank natürlich, für eine schwach kapitalisierte Bank, die sich sozusagen am Kapitalmarkt refinanzieren muss, auch eine ordentliche Ohrfeige, würde ich einmal sagen, die sie von der Aufsicht verpasst gekriegt hatte.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Das Ganze hat ja dann eine andere Wendung genommen, denn es gab, ich würde fast sagen, parallel einen Brief des Landeshauptmannes Haider an den Finanzminister Grasser, in dem er sich beschwert hat, dass hier die FMA-Vorstände in einer ungewöhnlichen Weise mit den Hypo-Vorständen umgehen. Parallel dazu gab es aber auch ein Schreiben und eine Einleitung eines Verfahrens gegen die beiden Vorstände der FMA auf Betreiben der Rechtsanwälte der Hypo Alpe-Adria. Welche Wahrnehmungen haben Sie dazu?

Dr. Josef Christl: Diese Angriffe der FMA-Spitze durch Haider, das wurde in den Gesprächen zwischen FMA und uns häufig thematisiert, wenn wir uns im Führungskreis getroffen haben. Das war mir aus den Aussagen von Traumüller, von Pribil sehr wohl bewusst.

Die zweite Sache, dass hier ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurde, habe ich eigentlich nicht wirklich mitgekriegt und habe jetzt erst im Zuge des Ausschusses davon näher … irgendwie ist mir das zu Bewusstsein gekommen. Das habe ich eigentlich nie so irgendwie … Entweder ist es mir entgangen oder, ich weiß nicht, es wurde so subkutan gespielt, dass nur ganz wenige Leute davon wussten.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Da gibt es natürlich unterschiedliche Meinungen dazu. Einerseits die Meinung, dass es hier eine politische Intervention seitens Haiders an Grasser gab, und auf der anderen Seite natürlich aber schon das Betreiben der Anwälte der Hypo Alpe-Adria gegen die beiden FMA-Vorstände. Die beiden sind ja dann eh nicht abgesetzt worden, und das ist ja dann ein rechtsstaatliches Verfahren gewesen, das hat ja auch Herr Mag. Lejsek am Vormittag schon gesagt.

Aber lassen Sie mich zum Geschäftsleiterqualifikationsverfahren zurückkommen. Sie haben gesagt, Sie haben davon gewusst, aber Sie waren nicht eingebunden. (Auskunftsperson Christl: Nein!) Habe ich das so richtig verstanden? (Auskunftsperson Christl: Nein, weil das ist ja FMA!)

Jetzt ist es ja so gekommen, dass Kulterer selbst gegangen ist – nicht dadurch abgesetzt wurde, sondern selbst gegangen ist. Und gleichzeitig aber – trotz dieser schweren Vorwürfe, denn er ist ja nachher wegen Bilanzfälschung verurteilt worden – ist er dann in den Aufsichtsrat gewechselt und ist dann sogar Aufsichtsratsvorsitzender geworden. War das eigentlich auch jemals in der Nationalbank ein Thema?

Dr. Josef Christl: Ja, sicher. Es war natürlich vor allem ein Thema für die FMA, aber wir haben das natürlich auch besprochen und haben gesagt, dass das sozusagen für die Reputation des Finanzplatzes und des Finanzsystems Österreich nicht besonders gut ist und dass wir hier schauen sollten, dass wir eine gesetzliche Veränderung finden können, sodass solche Sachen nicht mehr möglich sind.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Hier gab es keine Bestrebungen, das zu verhindern? Vorher wird ein Geschäftsleiterqualifikationsverfahren eingeleitet, und dann sieht man so einfach zu, wie jemand, der vorher eine Bilanz gefälscht hat, wie man im Nachhinein dann gewusst hat, weil er verurteilt worden ist, dann selbst als Aufsichtsrat abwinkt und kontrolliert, was er als Vorstandsvorsitzender letztendlich verbrochen hat?

Dr. Josef Christl: Frau Abgeordnete, ich geben Ihnen völlig recht, das ist eine schreckliche Optik. Sie war aber offensichtlich, wenn die FMA richtig gelegen ist, zu dem Zeitpunkt nicht wirklich verhinderbar, sonst hätte die FMA das auch verhindert.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Herr Präsident, wie lange hätte ich denn noch Zeit?

Vorsitzende-Vertreter Karlheinz Kopf: 2 Minuten.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): In der zweiten Runde schon oder noch in der ersten?

Vorsitzende-Vertreter Karlheinz Kopf: In der zweiten.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Okay, dann hebe ich mir das auf.

Vorsitzende-Vertreter Karlheinz Kopf: Von der zweiten Runde lässt sich nichts mehr aufheben. Wir sind ja schon in der zweiten Runde, es gibt ja dann eine dritte. Du bist es nicht gewohnt, dass Johannes Rauch vor dir drankommt.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Dr. Christl, Sie haben von Fehlern in der Aufsicht gesprochen. Was meinen Sie damit konkret?

Dr. Josef Christl: Nein, ich wollte nur dem Herrn Abgeordneten irgendwie recht geben. Bei einer Aufsicht sind Menschen tätig, und die beste Aufsicht macht den einen oder anderen Fehler. Mir wurde ja vorgeworfen, dass wir – was das Risikomanagement anbelangt – sozusagen nicht genügend scharf und nicht entsprechend nachgegangen sind. Aus meiner Wahrnehmung muss ich sagen, wir haben in der Richtung vieles versucht, aber es mag sein, dass das nicht den voll gewünschten Effekt gehabt hat. So gesehen kann man das, wenn man will, als gewissen Fehler oder so sehen. Aber ich wüsste nicht, wo hier … Also ich glaube, wir haben zu dem damaligen Zeitpunkt aus bestem Wissen und Gewissen gehandelt und waren der Meinung, dass wir damit Schwachstellen dort auch beheben werden.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Jetzt hat die Oesterreichische Nationalbank eine Reihe von Prüfberichten verfasst, Follow-up-Prüfungen und so weiter, verschiedene Handlungsfelder aufgezeigt, die Maßnahmen, die notwendig sind, de facto aufgelistet. Ist da nicht dann der Handlungsbedarf bei der FMA gewesen, entsprechend zu handeln?

Dr. Josef Christl: Ja natürlich ist die FMA jetzt, wenn man es ganz formal sieht, hier die relevante Behörde, um irgendwelche Sanktionen zu erlassen. Aber so einfach möchte ich es mir gar nicht machen. Wir haben solche Sachen schon immer im Team auch versucht, voranzutreiben. Es wäre nicht so gewesen, dass ich jetzt sagen würde, die FMA ist allein schuld daran, dass da nichts passiert ist. Das wäre zu billig.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Wenn die nicht alleine schuld war, wer ist dann noch mitschuldig, wenn Sie es so formulieren?

Dr. Josef Christl: Nein, Frau Abgeordnete, wie gesagt, Sie werden mich zu keiner anderen Formulierung bewegen. Wir haben uns, FMA und OeNB, nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, um hier die Situation zu verbessern. Dass das nicht ganz gelungen ist, ist offensichtlich, und wenn Sie so wollen sind damit auch gewisse Fehler passiert. Aber ich werde jetzt nicht zuordnen, wer welchen Fehler gemacht hat.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Sie haben vorhin auch Treffen mit dem Aufsichtsrat erwähnt, ich glaube, Sie haben Herrn Dr. Ederer (Auskunftsperson Christl: Dr. Ederer, ja!) gemeint. 

Wenn Sie einmal mit Herrn Dr. Ederer gesprochen haben: War da auch einmal das Thema Moser zum Aufsichtsratsvorsitzenden – der immerhin vom Wirtschaftsprüfer der Bank zum Aufsichtsratsvorsitzenden gemacht wurde? War so etwas auch Thema?

Dr. Josef Christl: Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich kann mich an den genauen Inhalt des damaligen Gesprächs nicht mehr erinnern. Ich glaube, zu wissen, dass das nach den … nach den … – aber selbst da bin ich mir nicht sicher. Also, ich weiß nur, dass ich dieses Gespräch hatte. Aber was wir jetzt dann wirklich dort ganz genau gesprochen … das kann ich … also es ist nicht an mir hängengeblieben. Es kann nicht irgendwas gewesen sein, was jetzt wahnsinnig bewegend oder weltbewegend gewesen wäre.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Sie sind ein Kenner der Bankenwelt, und Sie kennen viele Aufsichtsräte und Zusammensetzungen. Wie würden Sie das werten, wenn der Wirtschaftsprüfer zum Aufsichtsratsvorsitzenden gemacht wird, wie das bei der Hypo mit dem Herrn Dr. Moser passiert ist?

Dr. Josef Christl: Na ja, also ich würde mich da jetzt nicht … Also die Optik ist vielleicht nicht ideal, aber es geht da schon auch um Personen und um kritisches Potenzial. Also in einem Aufsichtsrat brauchen Sie Leute, die Sachen hinterfragen – konsequent und konstant –, und grundsätzlich ist ein Rechnungsprüfer jemand, der, wenn er die Bank gut kennt, eigentlich das Potenzial dazu hätte, nur muss auch so eine Kultur in einem Aufsichtsrat entstehen. Wenn dort die Kultur entsteht, dass man alles abwinkt, dann ist es natürlich schlecht, dann hat es eher den Eindruck, dass … aber …

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Aber ist nicht gerade dann die Gefahr gegeben, wenn der eigene Wirtschaftsprüfer auf einmal im Aufsichtsrat die Kontrolle macht?

Dr. Josef Christl: Ja, also das, das … also gleich... – war das gleichzeitig? Das wusste ich jetzt gar nicht, das hatte ich gar nicht präsent. (Abg. Lichtenecker: Ja, geswitcht von einem zum anderen mit einer Firmenübertragung!) Er war gleichzeitig noch im Aufsichtsrat und … (Abg. Matznetter: Er hat die zwei Bilanzen unterschrieben, dann wurde er Aufsichtsrat …! – Abg. Lichtenecker: Die Firmenübertragung, genau!) – Nein, nein, das war schon hintereinander. (Abg. Lichtenecker: Der fließende Übergang!) – Na ja, gut, also ist auch nicht sehr elegant, das gebe ich Ihnen schon zu, aber die Gleichzeitigkeit natürlich – das geht nicht.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Sagen Sie, zu Ihrem Beratervertrag und der Honorarnote: Sie haben auch gesagt, dass das immer auch ein Vorstand in dieser Form unterschrieben hat, das heißt, beim ersten Beratervertrag war das dann noch der Dr. Pinkl?

Dr. Josef Christl: Glaube ich nicht, nein. Also ich könnte es jetzt nicht mit 100 Prozent … da müsste ich nachschauen, aber ich glaube nicht, es war … (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Nein, nein, nein!

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Es war 2009. Das ist ein ganz entscheidendes Jahr für die Hypo, wie wir wissen. Am 14. Dezember 2009 war die Verstaatlichung. Das heißt jetzt, es wäre doch … (Auskunftsperson Christl: Vielleicht war das 2010, dass ich den ersten Vertrag gekriegt habe!) – Sie selber haben ausgeführt: 2009.

Dr. Josef Christl: Ja, ich weiß. Also muss ich mich jetzt unter Umständen korrigieren, wenn Sie das sagen, Sie haben schon recht: 2009 war die Verstaatlichung. Also ich glaube, dann hat das erst 2010 und dann vielleicht … Also da muss ich mich jetzt unter Umständen korrigieren. Da habe ich jetzt irgendwie ein bisschen die Zahlen durcheinandergebracht. (Abg. Lichtenecker: Aber generell haben Sie sich ja auch näher mit dem …!) – Also es war sozusagen schon nach der Verstaatlichung. Das kann ich sicher sagen, dass ich diesen … dass ich die Hypo Alpe-Adria International beraten habe.

So gesehen haben Sie recht, das muss dann 2010 gewesen sein.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Gut, 2010. Jedenfalls, Sie haben sich da mit dem Thema (Auskunftsperson Christl: Bitte um, bitte um …!) der Verstaatlichung und der weiteren Maßnahmen ja intensiver beschäftigt, so auch in einem Artikel im Wirtschaftsmagazin „FORMAT“, wo Sie ja auch ausführen, von wegen: Die Probleme … (Vorsitzende-Vertreter Kopf gibt das Glockenzeichen.) – Gut, ich melde mich für die 3. Runde.

Vorsitzende-Vertreter Karlheinz Kopf: Den Satz können Sie schon noch fertig sagen!

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Ja, aber es schließt sich noch eine Frage an, aber das mache ich jetzt noch kurz fertig. Sie haben ausgeführt, dass ja die politischen Hauptakteure – mit Finanzministerium, Taskforce, Oesterreichische Nationalbank, Finanzmarktaufsicht, FIMBAG, Management der Bank und die alle zusammen – die Probleme in dieser Form verstärkt haben.

Dr. Josef Christl: Wenn ich mich recht erinnere, heißt der Artikel: Viele Köche verderben den Brei. Also, meine Wahrnehmung zu dem Zeitpunkt war, dass irgendwie kein klares Konzept für die Bank erkennbar war und so gesehen sich da manche Institutionen gegenseitig behindert haben – die eine hü und die andere hott geschrien hat. Das wollte ich eigentlich zum Ausdruck bringen .…

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Dr. Christl, ich hätte jetzt noch ein paar kurze Fragen, und zwar: Wie wurde von der Nationalbank die Liquiditätsbeschaffung über Landesbanken mit Landeshaftungen überwacht? War das überhaupt möglich, welches Prozedere wurde da angewandt, und wie wurden die Anleiheemissionen überblickt?

Dr. Josef Christl: Entschuldigung! Bitte könnten Sie die Frage nochmals wiederholen? Ich habe das jetzt nicht ganz mitgekriegt.

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Wie die Nationalbank die Liquiditätsbeschaffung über Landesbanken mit Landeshaftungen überwacht hat – zum einen, wurde das überwacht, und zum anderen, ob die Anleiheemissionen hier auch überblickt wurden? Denn das ist die Überleitung zu einem Dokument, das ich Ihnen vorlegen möchte, wo Dkfm. Groier vor dem Kärntner Untersuchungsausschuss hiezu etwas gesagt hat, und mit dieser Aussage möchte ich Sie dann auch noch konfrontieren, aber jetzt in erster Linie die beiden Fragen, die ich Ihnen jetzt zum wiederholten Male gestellt habe.

Dr. Josef Christl: Also meines Wissens nach haben wir diese Liquiditätsbeschaffung über die Landeshaftungen, sagen Sie …? Ich meine, das ist ja … Wir haben natürlich schon angeschaut, welche Anleihen begeben werden, und dass die dann mit Landeshaftungen ausgestattet waren, das war eine zweite Sache, aber jetzt könnte ich mich an keine Analyse erinnern, wo das jetzt für alle Bundesländer oder so gemacht wurde.

Aber es ist ein Thema, das – sage ich jetzt einmal – vielleicht wohl analysiert wurde von dem einen oder anderen der OeNB-Mitarbeiter, aber das jetzt keinen regelmäßigen Stellenwert hatte, oder dass man gesagt hat, das ist etwas, was man jetzt sozusagen laufend auf den Tisch kriegt, auch als Vorstandsmitglied.

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Und Sie hatten damit auch nichts zu tun?

Dr. Josef Christl: Ich habe damit nichts zu tun. (Abg. Schenk: Als Person?) Nein, nein. Und die zweite Frage, die habe ich jetzt noch einmal verschwitzt?

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Wie wurden die Anleiheemissionen überblickt? (Auskunftsperson Christl: Die Anleiheemission verbucht?) – Überblickt! (Auskunftsperson Christl: Überblickt?) – Überblickt.

Dr. Josef Christl: Von den Landesbanken? (Abg. Schenk: Ja!) Also grundsätzlich, ich meine, wenn einen das interessiert, dann sieht man das, denn dann schaue ich in die Landeshypos rein und schaue sozusagen auf der Passivseite, was sie emittiert haben, oder schau mir den Emissionskalender an, aber ich hätte jetzt keinen Anlass gesehen, das laufend irgendwie zu überprüfen oder da jetzt ein großes … Also: Es war nicht etwas, was uns jetzt wahnsinnig unmittelbar interessiert hätte.

Es wird dann zum Thema, wenn eine Bank Schwierigkeiten hat, sich zu refinanzieren, das ist klar (Abg. Schenk: Genau!), und das war bei der Hypo dann in bestimmten Situationen natürlich der Fall, weil die nicht mehr vernünftig auf den Markt gekommen ist. Aber sonst, zu dem Zeitpunkt …? Die anderen Landesbanken haben ja da alle ein Toprating gehabt. Das war ja überhaupt kein Problem, da auf den Markt zu kommen.

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Ja, das ist eben auch das Problem. Jetzt komme ich zu dem Dokument, das ich eingangs erwähnt habe: Das ist das Dokument 33892 (der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt), es wurde Ihnen, glaube ich, auch vorgelegt. Die Passage, die ich jetzt kurz vorlese, ist markiert. Hier geht es um die Aussage des Dkfm. Groier im Kärntner Untersuchungsausschuss. Er war Wirtschaftsprüfer von CONFIDA, und er sagt hier:

„Wenn Sie meine persönliche Interpretation hören wollen, dann ist für mich das Entscheidende, dass die Hypo im August 2006, also knapp nachdem diese Verlustsituation entstanden ist, dass die Hypo im Jahr 2006 am Kapitalmarkt von der Landeshaftung“ 15 Milliarden € aufgenommen hat. – Entschuldigung! 18 Millionen sind es, glaube ich? Das kann man da schwer lesen, 18 Milliarden sind es (Auskunftsperson Christl: Milliarden, ja!), ich korrigiere mich: 18 Milliarden. – „Das ist ungefähr neunmal das Budget des Landes Kärnten. Also 18 Milliarden haben die in drei Jahren im Alpe-Adria-Raum verteilt. Ich würde mich also, wenn ich mir das Schicksal der Bank anschauen will und wenn ich wissen möchte, warum diese Bank dieses Schicksal erlitten hat, in erster Linie mit der Frage beschäftigen: Wo sind denn eigentlich die 18 Milliarden investiert worden? Aus diesen 18 Milliarden sind dann, wie ich der Presse entnehme, 8 Milliarden notleidende Kredite entstanden. Das ist natürlich für jede Bank vernichtend. Ich würde für mich persönlich bei dem Tag anknüpfen, wo man den Bilanzsummenturbo, wenn Sie so wollen, eingeschaltet hat und in drei Jahren die Bilanzsumme um 18 Milliarden erhöht hat. So viel Geld kann vernünftigerweise überhaupt kein Mensch ausgeben. So viele Projekte kann es in dem Zeitraum gar nicht gegeben haben. Das ist meine persönliche Sicht der Dinge.“

Sie haben das Dokument jetzt vor sich, und jetzt hätte ich gerne gewusst, wie Sie diese Aussage interpretieren, sofern Sie sie interpretieren möchten oder können.

Dr. Josef Christl: Na ja, es ist sehr einfach gehalten, würde ich sagen, also …

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Ich qualifiziere jetzt die Aussage von Dkfm. Groier nicht – ob sie einfach gehalten ist –, mir geht es um den Inhalt und um die 18 Milliarden €.

Dr. Josef Christl: Ersparen Sie mir das bitte jetzt, dass ich das kritisiere, aber ich meine, Faktum … Ich weiß jetzt nicht, ob die Zahlen genau stimmen, aber es könnte schon sein, 18 Milliarden € in den drei Jahren, das wird wahrscheinlich hinkommen, weil man auf Vorrat emittiert hat in der Zeit, wo die Landeshaftungen noch zur Verfügung waren, aber die ganzen Schlussfolgerungen daraus sind relativ einfach.

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Was heißt das jetzt, „relativ einfach“? (Auskunftsperson Christl: Ja, also zu einfach!) – Zu einfach für Sie oder zu einfach für wen?

Dr. Josef Christl: Zu einfach für die Erklärung dessen, was bei der … (Abg. Kogler: Das klingt aber plausibler als das Notenbanktestat!) – Da kann ich nicht mitreden, denn da war ich nicht mehr in der Notenbank. (Abg. Kogler: Ja, aber Gastkommentare haben Sie geschrieben!)

Vorsitzende-Vertreter Karlheinz Kopf: Sind das Gast-Zwischenrufe?

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Es geht auch grundsätzlich generell im ganzen Hypo-Komplex um die Frage, wo das Geld hingekommen ist. (Auskunftsperson Christl: Na ja, Sie wissen ja nicht …!) Irgendjemand hat einmal gesagt, das hat ja nur ein anderer, das hat nur den Besitzer gewechselt, aber es ist schon eine Frage, und wenn Sie das jetzt so ein bisserl flapsig kommentieren, bin ich damit wirklich nicht ganz einverstanden (Auskunftsperson Christl: Ich weiß es …, also ich …!), aber das bleibt Ihnen unbenommen, wie Sie antworten!

Dr. Josef Christl: Da müssen wir Bilanzanalysen der Hypo Alpe-Adria machen und uns anschauen, welche Projekte damals finanziert worden sind! Sie hat vielleicht auch die eine oder andere Bank gekauft, es kann sein, ich weiß es jetzt nicht mehr im Detail so genau, aber das kann man nachvollziehen und detailliert aufarbeiten an einzelnen Projekten.

Ich meine, das war eben, wie gesagt, die Zeit, als Südosteuropa auch noch eine Hoffnungsgegend war, Kroatien und der EU-Beitritt sozusagen eine Vision war – ein Land mit einer goldenen Küste, mit viel Tourismus und was weiß ich was allem – und wo alles dort relativ positiv gesehen wurde. Serbien war sozusagen eine aufstrebende Industrienation, und die Erwartungen an diese Märkte … Und das muss man schon fairerweise sagen: Die Hypo hat wirklich bei dem ganzen Osteuropabezug, den wir in unserem Finanzsystem haben, die schlechtesten Märkte in ihrem Portfolio gehabt und ist auch dann am meisten abgestraft worden, als der Bruch im Jahr 2008 eingesetzt hat.

Also das ist … da müsste man länger diskutieren, da müsste man mehr ins Detail gehen. Also die Analyse ist mir zu kurz.

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Okay. – Danke.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Herr Dr. Christl, ich komme zurück auf den Fall der Kick-back-Affäre Kulterer. Haben Sie zwischen dem Zeitpunkt, an dem Ihnen der Aktenvermerk bekannt wurde, und dem Zeitpunkt, an dem beschlossen wurde, dass hier der Verdachtsmoment sich nicht erhärtet, Kontakt mit Vertretern von Deloitte aufgenommen – entweder mündlich oder schriftlich?

Dr. Josef Christl: Nein.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Haben Sie in diesem selben Zeitraum Kontakt mit den Vor-Ort-Prüfern der OeNB bei der Hypo aufgenommen?

Dr. Josef Christl: Kann ich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, aber vermutlich.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Vermutlich, okay. Sie haben vorher, in der vorigen Runde, gesagt: Wir haben hier entschieden, dass die Verdachtsmomente nicht für eine Anzeige reichen. Können Sie ein bisschen näher erläutern: Wer ist „wir“? Wie passiert so etwas? Ist das jetzt ein Kollegialbeschluss der Direktoren, oder nur von zweien von Ihnen oder dreien? Wurde das dokumentiert? War es in einer Gesprächsrunde? Oder ein Rundtelefonat? Wie wird so eine Entscheidung getroffen, hier keine Anzeige zu erstatten?

Dr. Josef Christl: Ich glaube, ich habe dieses Thema aus meiner Sicht schon mit Ihnen vorher so abgehandelt, dass, nachdem Deloitte die Vorwürfe zurückgezogen hat, wir … – ich bin da jetzt gar nicht, weil mit mir persönlich hat Deloitte das ja nicht kommuniziert, das wurde ja kommuniziert mit Ettl, nehme ich an, oder mit Ittner, ich weiß es nicht genau –, dass dann gesagt wurde: Wir haben jetzt keinen Hinweis, aber wir werden versuchen, unsere Prüfer nochmals auf dieses Thema anzusetzen!, und dass das gemacht wurde. Mehr kann ich dazu nicht mehr sagen, Herr Abgeordneter, weil ich auch nicht mehr weiß, wie das Ganze sich dann zeitlich und so abgewickelt hat. Das ist leider Gottes für mein Gedächtnis zu lange zurück.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Aber wenn Sie sagen, Herr Dr. Christl, die Vorwürfe wurden von Deloitte zurückgezogen – von wem in Deloitte? Ich meine, es war ein Partner, der einen Mitarbeiter davon informiert hat. Dieser Mitarbeiter hat sehr professionell einen Aktenvermerk angefertigt. Es gibt dann für die Gegenbewegung, wenn ich so sagen darf, keinen Aktenvermerk, keine Dokumentation, nichts! Sie können mir auch nicht sagen, wer genau das beschließt – Sie haben vorher von Mitarbeitern gesprochen, dann von der Rechtsabteilung. Sie waren der Leiter der Bankenaufsicht!

Dr. Josef Christl: Ja, aber es gab, nachdem das zurückgezogen wurde, eigentlich inhaltlich substanziell jetzt keinen Hinweis darauf, dass etwas zu tun gewesen wäre.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Der Hinweis ist noch immer da, das ist der Aktenvermerk.

Dr. Josef Christl: Ja, aber Dr. Kandler hat Ihnen ja, so glaube ich, auch gesagt, dass er diese Kick-back-Vorwürfe zurückgezogen hat. Zumindest ist das das, was ich glaube, kommuniziert bekommen zu haben von meinen Mitarbeitern damals in der Oesterreichischen Nationalbank.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Ich versuche, zusammenzufassen: Es ist der einmalige Fall, dass der Partner eines Wirtschaftsprüfers seinen eigenen Kunden einer strafrechtlichen Handlung verdächtig, die OeNB darüber informiert und die OeNB nicht nur ihre Aufsichtspflicht nicht wahrnimmt, sondern eigentlich gegen das Gesetz verstößt, nämlich gegen § 78 StPO, wo ausdrücklich drinnen steht: Sobald der Verdacht bekannt ist, muss eigentlich Anzeige erstattet werden. Es steht Ihnen eigentlich nicht einmal zu, zu urteilen, ob der Verdacht erhärtet wird oder nicht.

Jetzt habe ich zwei Möglichkeiten – wie soll ich das interpretieren? Entweder grobe Vernachlässigung der Aufsichtspflicht oder politische Intervention, weil es zu diesem Zeitpunkt nicht opportun gewesen wäre, so einen Skandal ans Licht zu bringen. Welche der beiden Optionen soll ich annehmen: Inkompetenz oder politische Intervention, Herr Direktor?

Dr. Josef Christl: Gehen Sie von der Inkompetenz aus.

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Gut. Auch rechtswidrig. – Danke vorläufig.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Ein guter Zeitpunkt. Wir versuchen hier, festzustellen: Wieso kam es zu einem Multiorganversagen?

Der Befund aus dem Griss-Bericht war, dass offensichtlich die verschiedensten Institutionen, die eigentlich die Sicherungen wären – um das mit einem Stromnetz zu vergleichen –, nicht angeschlagen haben und sozusagen rechtzeitig gesprungen sind, damit man etwas tut. Jetzt kann man von der Annahme ausgehen, die Sie jetzt erhärtet haben: Es ist sozusagen angewandte österreichische Schlamperei in konzentrierter Form, die mehrfach – offenbar virale Ansteckungsgefahr – über alle Bereiche hinweggeht.

Sie haben vorher auf Befragung des Verfahrensrichters gesagt: Sie kannten Jörg Haider eigentlich gar nicht, Sie haben ihn vielleicht zwei, drei Mal gesehen, Sie waren mit Sicherheit nicht unmittelbares Netzwerk. Daher nütze ich die Gelegenheit, Herr Dr. Christl, Sie da zu haben, der Sie in dieser Zeit in einer ganz wichtigen Schaltstelle gewesen sind, um trotzdem Ihre Wahrnehmungen zu hören. (Auskunftsperson Christl: Entschuldigen Sie bitte, ich …!)

Ich stoße, wenn man sich anschaut, wer wo gesessen ist … Bei jeder der Institutionen führt die eine Schiene immer über Karl-Heinz Grasser – nicht irgendwer, Mitglied der Buberlpartie, mit 22 Landeshauptmannstellvertreter, dann sehr jung eingesetzt. Dessen Kabinettsleute findest du dann wieder als FMA-Vorstand, Entschuldigung: wie Sie in der höchsten Funktion der Bankenaufsicht in der OeNB und an anderen Positionen. Dann gibt es den Herrn Landeshauptmann, der empört an seinen lieben Karl-Heinz schreibt, wie es denn sein kann, dass diese FMA-Vorstände sich da unbotmäßig verhalten, und eigentlich sagt: Austauschen!, sprich: Aluminiumfolie rund um die Schmelzsicherung neu wickeln, damit sie ja nicht anzeigen kann.

Wie haben Sie das wahrgenommen? Sie waren ja auch aus demselben System entsandt, auch an eine ganz wichtige Schaltstelle: oberster Organverwalter im Direktorium für die Bankenaufsicht.

Ich glaube ja nicht, dass Jörg Haider ein „Dummie“ war, der war ein hochintelligenter Mensch, der hat die Sachen nicht dem Zufall überlassen. Diese Person hat planmäßig gehandelt, und ich glaube, dass dieser Teil auch planmäßig war – wir werden uns auch mit anderen Schaltstellen beschäftigen.

Haben Sie indirekt über Karl-Heinz Grasser Druck gehabt, bestimmte Dinge zu tun? Ich könnte an öffentliche Stellungnahmen von Direktoriumsmitgliedern in der BAWAG-Affäre erinnern. Es war ja nicht so, dass man sich nicht darauf verlassen hätte, damals noch in der Himmelpfortgasse. (Auskunftsperson Christl: Nein!)

Vorsitzende-Vertreter Karlheinz Kopf: Meine Damen und Herren, seit 17.00 Uhr wartet die nächste Auskunftsperson! Aber wir haben natürlich noch ausreichend Fragezeit – ich wollte nur darauf aufmerksam machen. Wie gehen wir weiter? Kollege Podgorschek meldet sich. – Bitte.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Ich habe nur eine kurze Feststellung, aber Sie haben das ohnehin schon mit einem klaren Nein geäußert. Ich glaube, Kollege Matznetter hat heute Vormittag nicht aufgepasst.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Ihre Expertise im Bereich Finanzmarktstabilität, Bankenwesen und so weiter: Wie würden Sie die Systemrelevanz der Hypo im Jahr 2009 bewerten?

Dr. Josef Christl: Sie war in Österreich nicht systemrelevant, aber sicher in Kroatien, auch in Serbien wahrscheinlich, und so gesehen … Ich glaube, damit ist eh alles gesagt.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Also keine Systemrelevanz in Österreich, aber in Kroatien und Serbien.

Sie haben vorhin erwähnt, die Hypo hätte die schlechtesten Märkte im Portefeuille gehabt … (Auskunftsperson Christl: Entschuldigung, die schlechtesten was?) – Märkte im Portefeuille gehabt. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Hypo genau das in dieser Form gehabt hat?

Dr. Josef Christl: Es war … Die Hypo war ja eigentlich eine relativ kleine österreichische Bank, die sozusagen ein bisschen später als die anderen in diese Märkte gegangen ist – jedenfalls deutlich später als die CA, die Bank Austria und Raiffeisen. Raiffeisen war sozusagen eigentlich einer der Leader – Raiffeisen, Creditanstalt waren eigentlich ...

Natürlich haben sich auch von der regionalen Seite her diese Märkte, die an Kärnten angrenzen, und die in Südosteuropa, die auch von den anderen Banken nicht so gepflegt wurden, angeboten, um ein relativ rasches Expansionstempo hinzulegen. Und das hat die Bank gemacht.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Das halten Sie für das einzige Problem, warum das so eine Konzentration war?

Dr. Josef Christl: Das halte ich … Aus meiner Sicht war das der wesentliche Grund, warum die Bank nach Slowenien, Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro gegangen ist.

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Jetzt haben wir – ich habe nicht mitgezählt – an die 60, 70 Zeuginnen und Zeugen hier im Hypo-Untersuchungsausschuss gehabt, aber selten eine Auskunftsperson, die doch so lange in irgendeiner Form die Hypo federführend oder wie auch immer begleitet hat.

Sie waren von 2000 bis 2003 der Chefökonom im Kabinett Grasser, von 2003 bis 2008 auf Ruf von Grasser und Schüssel im Direktorium der Oesterreichischen Nationalbank, dann von 2009 bis 2013 im Aufsichtsrat der Oesterreichischen Bundesfinanzierungsagentur auf Ruf von Finanzminister Pröll und hatten dann von 2010 bis 2014 einen Beratervertrag für die Hypo.

Resümee aus dieser ganzen Geschichte: Was hätte anders gemacht werden sollen?

Dr. Josef Christl: Ich muss Ihnen ehrlich sagen, das gehört eigentlich nicht zu meinem Untersuchungsthema. Ich habe eine Meinung dazu, aber es ist nicht mein Untersuchungsthema und ich möchte das hier sozusagen auch nicht ausbreiten. Darum habe ich auch keine lange Einleitung gehabt, denn da wäre das unter Umständen dann auch zum Thema geworden. Also ich möchte diese Frage in dem Sinn nicht beantworten – wenn ich das so machen kann. (Die Auskunftsperson spricht mit dem Verfahrensanwalt.)

Vorsitzende-Vertreter Karlheinz Kopf: Herr Mag. Vavrik noch einmal? – Nicht mehr. Gut, ich sehe keine Wortmeldungen mehr. Kogler ist noch! (Heiterkeit.) – Bitte. Ich war zu langsam.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ja, möglicherweise war ich zu langsam. (Vorsitzende-Vertreter Kopf: Die anderen …!) Mit dieser Selbstdisziplinierung des Ausschusses habe ich nicht gerechnet.

Herr Dr. Christl, Sie waren – ich möchte bei Matznetter anknüpfen – in vielen wichtigen Stellen. Sie haben ja gesagt, nach bestem Wissen und Gewissen. Das habe ich jetzt mindestens zweimal bei der Befragung durch die Kollegin Lichtenecker gehört. Ich meine, jetzt natürlich mit dem Wissen im Nachhinein interessiert es uns schon – weil ich ja nicht annehme, dass Sie hier sozusagen Gewissenlosigkeit unterstellen –: Das beste Wissen war halt nicht ausreichend, es bleibt ja nur das. Wir recherchieren ja auch, wieso das Wissen nicht besser war, damit es künftig besser wird.

Und jetzt stelle ich fest, dass das meiste in seiner Verdichtung hier ja nicht einmal, glaube ich, allen Ausschussmitgliedern bekannt ist. Wir haben seit 2002 neu die FMA, vorher die OeNB – das hat einen Haufen neuen Koordinationsaufwand verursacht, es gibt sogar dauernd Gremien, die so heißen. Wir haben ein Koordinationsforum. Sie brauchen ja nur zu sagen, ob die dann alle irgendwie aktiv gewesen sind. Wir haben das Finanzmarktkomitee, wir haben die Aufsichtsratssitzungen in der FMA, wir haben das Abteilungsleiterforum. Wenn man sich anschaut, wie viele Leute da von der FMA und der OeNB teilgenommen haben – das waren riesige Meetings. Wir haben dann auf einzelne Banken hin das Einzelbankenforum – vielleicht ist das dem einen oder anderen hier sogar neu – und wir haben dann noch Risikoworkshops. Das verästelt sich immer so weiter hinunter. Und das Wissen ist dann nicht besser, als es war.

Von diesen eigenen kritischen Notenbankberichten, die an vielen Stellen löblich ausgefallen sind – löblich-kritisch –, haben sie Antwort gegeben, aber es ist ja auch eine öffentliche Debatte entstanden, nicht erst nach den Swapverlusten – speziell dort –, sondern schon vorher über eine kritische Würdigung der Geschäftsgebarung der Hypo speziell am Balkan, vor allem was die Kredit- und Leasingseite der Geschäfte betrifft, dass da extreme Schräglagen vorherrschen, dass geradezu einzelne Projekte massiv havarieren.

Ich würde meinen, dass das eine Rolle gespielt haben könnte. Wie gesagt, allein die Zeitungsberichte lassen sich darüber aus, dass vermutlich bei Skiper, bei den diversen Hotelketten-Projekten mit den zugehörigen Firmen damals schon Hunderte Millionen Verlust drohen, gleichzeitig steht in Ihren Berichten ... – Also die OeNB hat ja nicht die Aufgabe, die Einzelfälle zu prüfen, da verstehen wir uns schon, aber dieses erwähnte Risikomanagement, gerade in der Kreditkontrolle, spielt natürlich schon eine Rolle.

Jetzt frage ich Sie: Hat es nicht mehr sozusagen erstens einmal Beauftragungen gegeben, da bestimmte Bereiche schärfer nachzuprüfen, gerade diese risikobehafteten Bereiche, wenn ohnehin schon alles Mögliche in der Zeitung steht, bei dem sich herausstellt, dass alles wahr ist?

Dr. Josef Christl: Herr Abgeordneter, doch, ich glaube, mich erinnern zu können. Aber da müssten Sie dann auch die FMA, die wahrscheinlich irgendwann wieder zu Ihnen kommen wird, nochmals fragen. Ich glaube, mich erinnern zu können, dass wir bestimmte Kreditportfolios durch Wirtschaftsprüfer speziell analysieren haben lassen, weil wir den Eindruck hatten, dass dort unter Umständen Risiken zutage treten können, die in der offiziellen Buchhaltung nicht richtig abgebildet werden.

Aber Sie wissen auch, dass wir natürlich mit den ausländischen Aufsichten Kontakt hatten und das es da immer Probleme gab, die Portfolios oder die Kreditportfolios der Töchter in diesen Ländern zu prüfen – jedenfalls eine Zeit lang, mittlerweile ist das besser.

Für mich ist nach wie vor … Sie sagen, was weiß ich: unheimlich viel Foren, Finanzmarktkomitee, Koordinationsforum. – Ja, es ist richtig, das ist ein riesiger bürokratischer Aufwand. Wenn Sie sich das bei der europäischen Aufsicht anschauen, da wird das noch dramatischer, und der Effekt ist eigentlich bescheiden.

Ich sage Ihnen jetzt auch meine … Wir werden sicher eine nächste Bankenkrise sehen, und wir werden sicher Institute sehen, die trotz dieser neuen Aufsicht Probleme kriegen werden. Und mein Schluss aus meiner Aufsichtstätigkeit und aus meinen ökonomischen Überlegungen ist daher, dass es besser wäre, wesentlich mehr Eigenkapital vorzuschreiben, weil Sie sich dann sozusagen eine Menge Bürokratie sparen und gleichzeitig mehr Sicherheit in dem Bereich haben.

Und die Eigentümer – starke Eigentümer – brauchen Sie in einer Bank auch. Die Hypo Alpe-Adria ist wahrscheinlich ein Beispiel für eher schwache Eigentümer. Das drückt sich in schwachen Aufsichtsräten und so weiter aus, in einer schwachen Internen Revision und so fort. Nicht, dass ich das jetzt abschieben möchte. Aber aus dem heraus – so wie Sie argumentiert haben – würde ich eher dieses Problem sehen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Welche Eigentümer der Hypo Alpe-Adria würden Sie als schwach bezeichnen – alle?

Dr. Josef Christl: Das liegt ja auf der Hand: Das Land Kärnten war kein besonders starker Eigentümer – dabei belasse ich es jetzt.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Aber GRAWE, Bayerische Landesbank: Hätten Sie die als starke Eigentümer gesehen oder nicht?

Dr. Josef Christl: Nein, in meiner Terminologie als eher schwache Eigentümer. (Abg. Krainer: Beide?) – Beide, ja. Wobei ich von der Bayerischen Landesbank – das habe ich schon gesagt, da, glaube ich, waren Sie noch nicht da – besonders enttäuscht war, weil ich eigentlich …

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ich bin hinten gesessen, ich habe das schon mitbekommen. (Auskunftsperson Christl: Ach so, na dann!) – Zugegebenermaßen nicht auf meinem Platz. (Auskunftsperson Christl: Das war nicht vorwurfsvoll!) – Nein, aber ich habe das schon mitbekommen. (Heiterkeit.)

Ich habe auch mitbekommen, wie dann diese Fragen waren – aufgrund der Erstbefragung, wo Sie gesagt haben, dass Sie beratend für die Hypo tätig waren –, wo Sie zum Teil geantwortet haben, aber gesagt haben, dass Sie nicht ganz den Zusammenhang zum Untersuchungsgegenstand sehen. Da wollte ich noch einmal für mich fragen: Sie haben gesagt, Ende 2009 bis 2014. Ich nehme an, wie die Hypo in die HETA umgewandelt wurde. Was heißt „Ende 2009“?

Dr. Josef Christl: Ich glaube, ich habe mich da nicht ganz … Ich glaube, das stimmt nicht, das könnte 2010 sein, weil ich darauf hingewiesen wurde, dass 2009 ja die Verstaatlichung war. (Abg. Krainer: Genau!) Und es ist eigentlich erst gekommen, wie das neue Management dann … Daher muss es 2010 gewesen sein. Aber legen Sie mich jetzt nicht genau fest!

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Wer hat Sie da auf diese beratende Tätigkeit angesprochen?

Dr. Josef Christl: Das waren Pressesprecher, die mich … (Abg. Krainer: Der Pressesprecher der Bank?) – Die Pressesprecherin der Bank, ja.

Vorsitzende-Vertreter Kopf: Da warst du noch nicht da!

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ja, dann habe ich anscheinend doch ein bisschen zu viel in das Handy geschaut zwischendurch, das gebe ich schon zu.

Ich habe nur mitbekommen, dass Sie nicht sagen wollten, wie viel, nur dass es ein erheblicher Teil des Umsatzes Ihrer Consultants-Tätigkeit war.

Dr. Josef Christl: Nein, es sind zwischen fünf und zehn Prozent, habe ich gesagt.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Und dass Sie Analysen und allgemeine volkswirtschaftliche Analysen geliefert haben. Frage: Haben Sie da quartalsmäßig oder monatlich berichtet?

Dr. Josef Christl: Anlassbezogen, also wenn es erforderlich war – Budget- oder Prognosesitzung oder so etwas, also je nachdem.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Haben Sie da schriftlich oder mündlich berichtet?

Dr. Josef Christl: Auch schriftlich, also mit PowerPoint und so.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Also da sind Sie eingeladen worden zu Sitzungen, waren vor Ort und haben eine Präsentation gehalten? (Auskunftsperson Christl: Ja!) – Sind Sie nach Stunden oder pauschal abgerechnet worden?

Dr. Josef Christl: Nach Zeiteinsatz, also nicht nach Stunden, sondern nach Mann-Tagen. (Abg. Krainer: Nach Tagen?) – Personen-Tagen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Sie glauben jetzt, dass das 2010 gewesen sein muss? (Auskunftsperson Christl: Ja!) – Den Vertrag haben Sie aber nicht mit der Pressesprecherin gemacht, sondern mit … (Auskunftsperson Christl: Nein, mit der Bank, also …!) – Mit wem auch immer.

Diese Präsentationen waren auch nicht vor der Pressesprecherin, sondern vor dem Vorstand – oder vor wem haben Sie da präsentiert?

Dr. Josef Christl: Ja, da waren mehrere Leute, durchaus auch Vorstände, aber natürlich Treasury-Leute und oft überhaupt größere Foren, wenn es um Budgetplanung gegangen ist, wie die Budgetgestaltung in den nächsten Jahren mittelfristig sein wird und so.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Woher haben Sie Ihr Wissen über diese Region bezogen?

Dr. Josef Christl: Aus Datenanalysen. Ich lese auch sozusagen Währungsfonds, EBRD, auch das wiiw und so weiter und so fort.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ganz ehrlich, mich wundert das, denn ich wäre eher auf die Idee gekommen, das wiiw zu fragen.

Dr. Josef Christl: Die sind zu wenig bankenaffin. Sie müssen schon auch ein bisschen einen Background haben, was Sie dort für eine Bank prognostizieren müssen. Das ist der Vorteil, wenn Sie Ihr Leben lang in Banken gearbeitet haben, weil Sie wissen, wo die Bedürfnisse von Banken bestehen. Das wiiw ist eine klassische Prognoseinstitution, die prognostizieren alles und jedes, aber bestimmte finanzmarktrelevante Variablen unter Umständen nicht.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Sie haben ja Ihr Leben lang in Banken gearbeitet? (Auskunftsperson Christl: Relativ lange, ja!) – Also in der Oesterreichischen Nationalbank …

Dr. Josef Christl: Ja, vor allem in der CA lange Zeit – die längste Zeit.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ja, davor. Eine Frage habe ich noch: Wann haben Sie vom Absetzungsverfahren der FMA-Vorstände, das Grasser eingeleitet hat, erfahren?

Dr. Josef Christl: Ich weiß gar nicht, ob mir das damals aufgefallen ist. Ich hatte das eigentlich erst jetzt in der Presse so gelesen, dass das stattgefunden hat. Das war damals eigentlich kein wirkliches Thema. Oder kann ich mich einfach nicht mehr erinnern.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (ein Schriftstück in die Höhe haltend): Es wurde in einer Aufsichtsratssitzung der Finanzmarktaufsicht am 19. Juni 2006 berichtet, wo Sie allerdings entschuldigt waren. (Auskunftsperson Christl: Ja, das kann …!) Haben Sie dann das Protokoll gelesen?

Dr. Josef Christl: Schon, wahrscheinlich. Aber ich kann mich daran eigentlich nicht mehr erinnern.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (auf ein Schriftstück weisend): Es ist auch nicht 18 Punkt groß und fett: Grasser leitet Verfahren gegen FMA-Vorstände ein und bedroht sie mit Absetzung. Da steht es ja nur sehr verklausuliert. Da muss man schon das FMABG kennen, damit man weiß, was das heißt. Aber ich nehme an, dass Sie das FMABG gekannt haben?

Dr. Josef Christl: Ich habe es jedenfalls gehabt, ja.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ist Ihnen überhaupt in Ihrer gesamten Tätigkeit – egal ob im Kabinett oder im BMF, wo auch immer, im Aufsichtsrat der FMA oder in der OeNB – jemals ein Absetzungsverfahren außer diesem untergekommen? (Auskunftsperson Christl: Nein!) – Haben Sie überhaupt jemals mitbekommen, dass so etwas auch nur angedacht wird? (Auskunftsperson Christl: Nein!) – Also ist das schon außergewöhnlich? (Auskunftsperson Christl: An sich schon!)

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Sie haben mir doch noch ein Stichwort gegeben, Herr Dr. Christl. Auch wenn Sie dazu nicht sehr viel sagen wollen, aber der Begriff „schwache Eigentümer“ hat bei mir schon ein paar Fragen aufgeworfen. Vielleicht wollen Sie zum konkreten Beispiel dann keine Antwort geben, aber ich möchte wissen, wie Sie das mit „schwache Eigentümer“ gemeint haben, in politischer oder in wirtschaftlicher Hinsicht?

Dr. Josef Christl: Nur in der Hinsicht, dass man die Eigentümerinteressen in einer Bank oder in einer Unternehmung, die einem gehört, wirklich scharf wahrnimmt. Das heißt sozusagen das Übliche: eine ordentliche Corporate Governance, starke Aufsichtsräte und eine starke interne Revision. Das sind die typischen Kriterien für mich, wo ich sagen würde …

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Glauben Sie, dass das ein Kärntner Spezifikum war oder betrifft das generell Länder oder Gebietskörperschaften, die im Eigentum einer Bank sind?

Dr. Josef Christl: Ich möchte dazu … Das ist eigentlich kein Thema dieser Veranstaltung, oder?

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Die Hypo kann man aber nicht isoliert betrachten, sondern man muss sie schon im Konnex zur gesamten Bankenwelt sehen. Die Hypo war ja eine der vielen Landesbanken, wenn sie auch gravierendste Folgen nach sich gezogen hat.

Dr. Josef Christl: Ich glaube, dass man den Kärntner Fall jedenfalls nicht verallgemeinern kann.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das heißt, Sie sagen, dass es in anderen Ländern egal ist, dass da aus Ihrer Sicht starke Eigentümer sind?

Dr. Josef Christl: Also ich würde nicht a priori ausschließen wollen, dass auch eine Landesbank gut geführt werden kann, aber wie man in Deutschland gesehen hat, waren die Landesbanken auch etwas anfälliger.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Und wie schaut es bei den österreichischen aus?

Dr. Josef Christl: So wie ich gesagt habe, ich würde a priori nicht ausschließen wollen, dass Landesbanken gut geführt werden – mit starken Aufsichtsräten, mit starker Interner.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Hat vielleicht die Kombination der öffentlichen Hand mit einer Versicherung eine gewisse Rolle spielen können?

Dr. Josef Christl: Also da fühle ich mich jetzt nicht mehr kompetent, diese Sachen zu beurteilen – das muss ich ehrlich sagen.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Aber Sie haben vorher auch ein Urteil abgegeben.

Dr. Josef Christl: Über die Eigentümer, über die Frage der Eigentümer, über die starken und die schwachen.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Im Speziellen diese Kombination, von der Sie jetzt noch glauben, dass das eine schlechte Kombination war.

Dr. Josef Christl: Da habe ich geglaubt … Das war für meine Begriffe keine gute Kombination.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Haben Sie das damals auch schon erkannt oder erst jetzt mit dem Wissensstand von heute?

Dr. Josef Christl: Na ja, man hat immer seinen Verdacht, aber es wird eindrücklicher, wenn man dann die Entwicklungen sieht.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Aber die Grazer Wechselseitige zum Beispiel ist ja Eigentümer der Bank Burgenland; dort spielt es dann keine Rolle?

Dr. Josef Christl: Ich möchte mich dazu nicht äußern. (Abg. Podgorschek: Danke!)

Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Herr Dr. Christl, ich habe nur eine kurze Frage – Ihr Hinweis auf die Eigenkapitalausstattung von Banken hat mich zu dieser Frage geführt –, und zwar: Haben Sie Wissen oder eine Wahrnehmung darüber, wie hoch eigentlich die Finanzierungen der Immobilienprojekte, von denen dann ja sehr viele leider notleidend wurden, war, also hat man da 100 Prozent des Projektes finanziert oder nur einen bestimmten Anteil?

Dr. Josef Christl: Wie meinen Sie das jetzt? Bei der Hypo? (Abg. Jank: Bei der Hypo, ja!) Finanziert, oder meinen Sie die Eigenkapitalunterlegung, oder, weil Sie von …

Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Nein, ich meine, wenn man ein Immobilienprojekt finanziert hat. Meistens war es so: Zuerst einmal ist der Ankauf sowie auch die Projektentwicklung und dann …

Dr. Josef Christl: Wie stark geleveraged sozusagen die einzelnen Projekte waren? Wie viel Eigenkapital …

Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Genau. Wie viel Eigenkapital man verlangt hat und wie viel man finanziert hat.

Dr. Josef Christl: Ich habe dazu keine unmittelbare Wahrnehmung. Ich würde natürlich denken, dass in schwierigen Märkten und bei riskanten Projekten dieser Anteil relativ hoch sein sollte und dass man, wenn man in gesättigten Märkten wie Österreich ist, wo die Rahmenbedingungen des Projektes besser sind, da runtergehen kann, aber dazu bin ich schon zu lange aus dem Geschäft weg, dass ich da irgendwelche …

Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Wir haben die Frage eigentlich, glaube ich, auch noch nicht gestellt – auch nicht Vorständen oder Aufsichtsräten –, was wir noch nachholen werden, aber: Was wäre aus Ihrer Expertise heraus ein adäquater Anteil an Finanzierung in den Märkten, in die man hineingegangen ist?

Dr. Josef Christl: Wie gesagt, das so global zu sagen, ist, glaube ich, ein bisschen … Man muss das konkrete Projekt dann schon sehen und man muss sich die einzelnen Rechnungen anschauen; nur, bestimmte Untergrenzen sollte man keinesfalls unterschreiten, und da würde ich sagen, da wäre für mich ein Drittel oder so irgendetwas eine absolute Untergrenze, bei der ich mit einer gewissen Vorsicht sagen würde, das dürfte … Aber das sind eher subjektive Wahrnehmungen, und ob das marktrelevant ist oder nicht, kann ich nicht sagen.

Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Könnte man grundsätzlich sagen, dass eine 100-Prozent-Finanzierung aus der Sicht einer Bank eher atypisch wäre?

Dr. Josef Christl: Sozusagen blanko oder was? Sie finanzieren 100 Prozent eines Projektes, ohne dass Eigenkapitalanteil dabei ist?

Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Ja, wobei es unterschiedliche Formen gegeben hat, wie man finanziert hat.

Dr. Josef Christl: Also das würde mir nicht gefallen. (Abg. Jank: Danke!)

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Christl, Sie haben auf die vorige Frage durchaus auch eine treffende Antwort gegeben – so für die Makroanalyse und Systemanalyse, wie sich eine Aufsicht überhaupt bewegen kann und was die neuen Aufsichtsregime bringen.

Wir haben ja auch über Ihre Funktion, wegen der Sie geladen sind, ein paar korrekte und, glaube ich, sogar inhaltlich tiefgehende Diskussionen geführt, aber jetzt wollte ich nicht darauf hinaus. Ich wollte darauf hinaus, was Sie in Ihrer Funktion wahrgenommen haben, und zwar im Verhältnis Ihrer Arbeit zur FMA. 2007, 2006, 2005, 2004 hinunter hat sich das alles sogar schon für die kritische Öffentlichkeit angekündigt; dann ist eine Prüfung eben in Ihrer Zeit, als Sie der oberste Zuständige in der Notenbank waren, wieder aufgenommen worden. Prüfbeauftrage war ja immer die FMA. Also ich will auf dieses Verhältnis zu ihr hinaus und darauf, was von dort gekommen ist.

Die Prüfung ist ja wegen Geldwäschefragen – Zagorec und so weiter – wieder aufgenommen worden. Dann hat die FMA einen gewissen Mitarbeiter, Schantl, sozusagen mit in die Prüfung – wie auch öfters – mitgeschickt. Dieser Schantl hat hier ausgesagt, dass er in den Studien zur Geldwäschebekämpfung auch einige Kreditakten – ich weiß gar nicht, wie viele, dass ich nicht lüge – gesehen hat, und dann ist dieses Zitat, das hier herinnen schon bekannt ist, gefallen: Mir ist schlecht geworden bei der Betrachtung der Kreditakten.

Da hat er aber offensichtlich auf jene angespielt, die auch in der Öffentlichkeit schon bekannt waren.

Dr. Josef Christl: Das habe ich jetzt nicht ganz verstanden, den letzten Satz.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Er hat auf jene Fälle angespielt, die in der Öffentlichkeit schon bekannt waren. Diese Kreditausschussprotokolle von der Hypo halte ich Ihnen jetzt nicht vor; die müssen Sie nicht kennen, überhaupt nicht. Ich habe vorher ja schon zwei Namen angeboten, aber da gibt es eben Mitarbeiter, die auch in diese Vor-Ort-Prüfungen eingebunden waren und so etwas von sich geben.

Meine Frage lautet: Ist laut Ihrer Wahrnehmung irgendjemand von der FMA, aus welcher Ebene auch immer, bei Ihren Leuten – also in der Reihe Ittner, Ettl und so weiter – vorstellig geworden und hat gesagt: Leute, wir haben hier Hinweise, dass es dort im Kredit- und Leasingbereich, und zwar mit plausiblen Vorhalten auf Einzelgeschäftsebene, ganz arg in die schiefe Richtung geht und dass innerhalb nur weniger Projekte Schäden von Hunderten Millionen drohen?

Dr. Josef Christl: Ich kann mich an das nicht erinnern, denn es ist ja klar, dass man dann wahrscheinlich ganz drastische Schritte unternehmen muss. Tut mir leid, da habe ich keine Wahrnehmung dazu.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Zu Ihnen ist nichts gekommen, genau. Wir werden es mit der FMA weiterdiskutieren, denn das sind ja die, die in Ihrem Haus die Aufträge für die Prüfungen geben. Dort ist es sehr wohl eingelangt und diskutiert worden.

Ich habe genau zu dem Komplex nur mehr eine Frage: Ist Ihnen – immerhin Chef des FMA-Pendants Notenbank – einmal mitgeteilt worden, dass es auch in den Zeiträumen 2005 bis 2007 schriftliche Eingaben und Beschwerden über die – ich sage es abgekürzt – Zustände am Balkan gegeben hat? Konkret waren es Beschwerden darüber, wie die Hypo dort unterwegs ist, und zwar vor dem Hintergrund, dass die HBInt in Klagenfurt alle diese Zweckgesellschaften mit Bankensitz Klagenfurt gründete – es geht um Kroatien et cetera –, und man kann dann sagen, okay, dort kann man nicht prüfen; es lief alles von Klagenfurt aus. Ist Ihnen da einmal etwas zugetragen worden, weil das in der FMA veraktet ist? Meine Frage ist: Hat man Ihnen jemals erzählt, dass hier schriftliche Eingaben von Informanten sind, die ganz dramatische Hinweise auf Schieflagen der Hypo am Balkan beinhalten?

Dr. Josef Christl: Beim besten Willen: Ich weiß es nicht. Keine Ahnung, ob das jemals irgendwer gesagt hat. Keine Ahnung.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Sie können dazu nichts sagen?

Dr. Josef Christl: Nein, ich weiß es nicht. (Abg. Kogler: Danke!)

Vorsitzende-Vertreter Karlheinz Kopf: Es gibt keine Wortmeldungen mehr? – Gut, die Befragungszeit ist noch nicht ausgeschöpft.

Ich frage den Herrn Verfahrensrichter, ob er noch abschließende Fragen hat. (Der Verfahrensrichter verzichtet auf weitere Fragen.) – Vielen herzlichen Dank.

Dann erkläre ich die Befragung für beendet.

Ich bedanke mich bei Herrn Dr. Christl für das Erscheinen.