223/KOMM XXV. GP

 

Kommuniqué

des Hypo-Untersuchungsausschusses

Veröffentlichung des wörtlichen Protokolls über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson Dr. Klaus Liebscher in der 31. Sitzung vom 24. September 2015

 

Der Hypo-Untersuchungsausschuss hat in seiner 53. Sitzung am 28. Jänner 2016 einstimmig gemäß § 20 Abs. 1 Ziffer 1 Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse beschlossen, das in der Beilage enthaltene wörtliche Protokoll der öffentlichen Befragung der Auskunftsperson Dr. Klaus Liebscher nach der erfolgten Entscheidung über Einwendungen und Berichtigungen gemäß § 19 Abs. 3 VO­UA zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung erfolgt in sinngemäßer Anwendung von § 39 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates als Kommuniqué im Internetangebot des Parlaments.

 

Wien, 2016 01 28

 

 

                  Gabriel Obernosterer                                           Doris Bures

                           Schriftführer                                                                         Vorsitzende

 


 

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Hypo-Untersuchungsausschuss

 

 

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Stenographisches Protokoll

 

31. Sitzung/medienöffentlicher Teil

Donnerstag, 24. September 2015

Gesamtdauer der 31. Sitzung

9.09 Uhr – 13.27 Uhr

Lokal VI


Befragung der Auskunftsperson Dr. Klaus Liebscher

Vorsitzende Doris Bures: Damit kommen wir zur Befragung der Auskunftsperson. Noch einmal herzlich willkommen, Herr Dr. Liebscher, und danke vielmals, dass wir den Termin vorziehen konnten und Sie sich gleich bereit erklärt haben, dem Ausschuss früher zur Verfügung zu stehen!

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass zur Ihrer Linken Professor Binder als Verfahrensanwalt und Verfahrensrichter Dr. Pilgermair sitzen. Beide sind aufgrund ihrer beruflichen Fähigkeiten und Erfahrungen für diese Funktionen ausgewählt worden und haben die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass die Verfahrensregeln, die sich dieser Ausschuss gegeben hat, auch eingehalten werden, vor allem im Zusammenhang mit Grundrechts- und Persönlichkeitsschutz.

Ich möchte Ihnen auch sagen, wann immer Sie sich möglicherweise beraten wollen – auch weil Sie keine Vertrauensperson mitgenommen haben –, dann können Sie das in einem vertraulichen Gespräch mit Professor Binder tun. Wenn Sie eine kurze Sitzungsunterbrechung wünschen, dann können Sie sich auch an mich wenden – auch in allen anderen Fragen – und ich werde dem dann nachkommen.

Damit übergebe ich für eine kurze Rechtsbelehrung und die Erstbefragung das Wort an Herrn Dr. Pilgermair. – Bitte.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Guten Morgen, Herr Dr. Liebscher! Ich begrüße Sie und darf Sie vorerst ersuchen, dass Sie einen Blick auf dieses Personaldatenblatt werfen und die Richtigkeit der eingetragenen Daten prüfen. (Auskunftsperson Liebscher: Stimmt so!)

Sie wurden bereits anlässlich der Ihnen zugekommenen schriftlichen Ladung für die heutige Sitzung über Ihre Rechte und Pflichten als Auskunftsperson hier im Untersuchungsausschuss sowie auch über den Ablauf der Befragung in Kenntnis gesetzt. Gerade jetzt vor Sitzungsbeginn hat Sie auch der stellvertretende Verfahrensrichter Herr Mag. Hellmich gemäß § 38 der Verfahrensordnung eingehend über Ihre Rechte und Pflichten als Auskunftsperson persönlich belehrt. Sie haben das über diese Rechtsbelehrung aufgenommene, hier vorliegende Protokoll auch unterfertigt.

Ich frage Sie nun, Herr Dr. Liebscher, ob Sie diese Belehrung, insbesondere auch über die Gründe für eine Verweigerung der Aussage und einen Ausschluss der Öffentlichkeit sowie die Pflicht zur Angabe der Wahrheit und die allfälligen strafrechtlichen Folgen einer vorsätzlich falschen Beweisaussage vor dem Untersuchungsausschuss, sowie schließlich auch die Belehrung gemäß dem Informationsordnungsgesetz verstanden haben.

Dr. Klaus Liebscher: Ja, habe ich verstanden.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Für den Fall, dass Sie zu der Ihnen erteilten Rechtsbelehrung noch Fragen haben, lade ich Sie ein, diese Fragen nun an mich zu richten.

Dr. Klaus Liebscher: Ich habe keine Fragen mehr.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Herr Dr. Liebscher, Sie haben keine Vertrauensperson beigezogen, sodass ich Sie nun gleich auf das allen Auskunftspersonen zustehende Recht, vor Beginn der Erstbefragung eine einleitende Stellungnahme abzugeben, die bis zu 20 Minuten dauern kann, hinweisen kann.

Wollen Sie von diesem Recht Gebrauch machen?

Dr. Klaus Liebscher: Danke, ich möchte davon Gebrauch machen.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Dann bitte ich Sie darum.

Dr. Klaus Liebscher: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ausschussmitglieder! Nach 28 Jahren in der Raiffeisen Zentralbank, hievon 15 Jahre im Vorstand und hievon wiederum sieben Jahre als Vorstandsvorsitzender, wurde ich mit 1.6.1995 über Vorschlag der damaligen Bundesregierung vom Herrn Bundespräsidenten zum Präsidenten der Oesterreichischen Nationalbank ernannt und nach Gründung der EZB, das war am 1.6.1998, per 1.9.1998 zum Gouverneur der OeNB bestellt. Diese Funktion hatte ich nach Wiederbestellung 2003 bis 31.8.2008 inne.

Dem Direktorium der Nationalbank gehörten in meiner Zeit vier Mitglieder an, deren Ressortzuständigkeiten der Generalrat der Bank festlegte. Ich wurde in den Funktionsperioden 1998 bis 2008 stets mit dem Bereich Notenbankpolitik betraut. Als Gouverneur der OeNB war ab 1.1.1999, also mit Beginn der Währungsunion, meine primäre und wesentliche Aufgabe, die Interessen des Eurogebietes wie auch jene der Bank im EZB-Rat und im Erweiterten Rat der EZB zu vertreten. Darüber hinaus war ich während meiner OeNB-Funktion auch als österreichischer Gouverneur beim Internationalen Währungsfonds und im Gouverneursrat der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel auf internationaler Ebene tätig.

Für die Bankenaufsicht, die bis 2006 in der Nationalbank als „Analyse und Revision“ und ab 2007 als „Finanzmarktstabilität und Bankenprüfung“ bezeichnet wurde, war vom 1.9.1998 bis 31.5.2003 Frau Vizegouverneurin Dr. Tumpel-Gugerell, die dann bekanntlich ab 1. Juni 2003 im Direktorium der EZB tätig war, zuständig. Ab 1.9.2003 übernahm Direktor Dr. Christl die Leitung dieses Ressorts, ebenfalls bis zum 31.8.2008.

Nach meinem Ausscheiden aus der Nationalbank wurde ich mit Wirkung vom 11.11.2008 von der Bundesregierung zum Vorstandsmitglied der FIMBAG, der Finanzmarktbeteiligung Aktiengesellschaft des Bundes, bestellt, und diese nahm dann schlussendlich am 1. Dezember 2008 ihre Tätigkeit auf.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin selbstverständlich bereit, an einer objektiven Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes mitzuwirken. Die Oesterreichische Nationalbank hat mich über mein Ersuchen auch vom Amtsgeheimnis entbunden.

Aufgrund der Fülle von Unterlagen und Informationen, die Ihnen vorliegen und die sicher weit über meinen eigenen Kenntnis- und Erinnerungsstand hinausgehen werden, möchte ich mich jetzt eigentlich nur auf einige grundsätzliche Bemerkungen konzentrieren.

Es wird in der öffentlichen beziehungsweise auch in der veröffentlichten Meinung vielfach der Eindruck erweckt, als ob die Bankenaufsicht tagtäglich in den Banken anwesend wäre, ja anwesend sein müsste, also jede Handlung, jede einzelne Kreditgewährung oder jede Bilanzierungsmaßnahme der hiefür verantwortlichen Organe wie auch der leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laufend auf ihre Recht- und Ordnungsmäßigkeit oder auch auf deren Risikogehalt überprüfen und bei eventuellen Ungereimtheiten oder bloßen, nicht belegbaren Verdachtsmomenten sofort den Staatsanwalt rufen müsste.

Das, meine Damen und Herren, ist ein völlig falsches Bild der Aufgaben der Aufsicht, das der Öffentlichkeit bewusst oder unbewusst vermittelt wird. Tatsächlich hat die Bankenaufsicht national wie auch international entsprechend den jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen die Überwachung der Einhaltung der bankaufsichtlichen Gesetze zur Aufgabe und setzt auf ein mehrstufiges System von Kontrollinstanzen, welchen unterschiedliche Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten zugeordnet sind.

Die erste und meines Erachtens auch die zentrale Stufe ist jene der bankintern aufgesetzten Prozesse zur Gesamtbanksteuerung, der Risikopolitik, des Risikomanagements, also des sogenannten internen Kontrollsystems.

Die nächste, also die zweite Stufe umfasst dann die internen Kontrollinstanzen wie Geschäftsleitung, Interne Revision, Aufsichtsrat, und vor allem aus meiner Sicht kommt dem Aufsichtsrat die zentrale Aufgabe der Genehmigung der Geschäftsstrategie, der Risikostrategie des Vorstandes und der laut Geschäftsordnung aufsichtsratspflichtigen Kreditvergaben zu. Bei diesen kommt nämlich dann dem Aufsichtsrat die Aufgabe zu, den Risikogehalt eines Kreditantrages, die Qualität der Sicherheiten – oder ob blanko vergeben werden kann – zu beurteilen.

Auf all diese Kontrollinstanzen, die ich bis jetzt erwähnt habe, folgt dann die externe Kontrolle durch den Wirtschafts- und Bankprüfer. Und erst auf diesen Kontrollinstanzen aufbauend beginnt die Tätigkeit der Aufsicht. Diese Verantwortlichkeiten, meine Damen und Herren, der einzelnen jeweils zuständigen Organe kann die Aufsicht nicht ersetzen und hat sie nicht zu ersetzen.

Dies vorausgeschickt möchte ich zur Tätigkeit der Aufsichtsbehörden, speziell jener der Nationalbank, bei der Hypo überleiten.

Auf Basis der früher geltenden und Ihnen auch bekannten, stark eingegrenzten rechtlichen Rahmenbedingungen kam es zunächst bis 2004/2005 im für Regionalbanken vorgesehenen Dreijahresrhythmus zu den gemeinsam zwischen zunächst BMF und ab 2002 Finanzmarktaufsicht und Oesterreichischer Nationalbank festgelegten Vorprüfungen. Aufgrund der schon damals gewonnenen Prüfungsergebnisse – teilweise unbefriedigende Konzernsteuerung, fehlende Risikopolitik, fehlende Risikostrategie und anderes mehr – wie auch vor dem Hintergrund der geschäftlichen Expansion und der stark wachsenden Ausweitung der Bilanzsumme wurde der Prüfungszyklus jedoch ab 2004/2005 auf den engstmöglichen Zeitraum von einem Jahr – wie damals bei den größten inländischen Kreditinstituten üblich – abgestellt.

Noch häufigere Prüfungen wären sicherlich nicht zielführend gewesen, da die Behebung der aufgrund der Prüfungen durch die Nationalbank festgestellten Mängel einerseits Zeit braucht und andererseits aber auch von der Bank zugesagt und in der Folge in Teilbereichen durchaus auch umgesetzt wurde.

Es handelte sich somit um spezielle, jeweils über Auftrag der FMA auf die Überprüfung der Rechtsnormen abgestellte, aber systemisch relevante Prüfungsgebiete, die wesentliche Schwächen der Bank aufzeigten und zu einer Reihe von Feststellungen der Nationalbank führten.

Ich möchte aber hier schon auch betonen, dass auch andere österreichische Banken keineswegs frei von derartigen Mängeln waren und die Prüfberichte der Nationalbank dies ebenfalls aufzeigten. Aus meiner eigenen langjährigen Erfahrung sprechend wurden beziehungsweise werden jedoch bei anderen Banken derartige Prüfberichte der Nationalbank nicht nur vom Vorstand behandelt und die entsprechenden Feststellungen abgearbeitet, sondern es werden auch die Aufsichtsräte durch den Vorstand informiert. Ersteres ist bei der Hypo in Teilbereichen durchaus geschehen, Letzteres offensichtlich sehr selten oder sehr verspätet.

Als Folge der von der Nationalbank gewonnenen Erkenntnisse wurde vor allem auch Druck seitens der Aufsicht ausgeübt, der Expansion der Bank entsprechend die Eigenkapitalbasis zu stärken. Und gerade diese Forderung führte zur Suche nach einem strategischen Partner, der in der Bayerischen Landesbank gefunden wurde. In diesen Partner wurde seitens der Nationalbank die Erwartung gesetzt, neben Kapital auch professionelles Know-how und Konsolidierungs- beziehungsweise Verbesserungsmaßnahmen zum Beispiel eben in der geschäftlichen Expansion, aber auch in Bereichen des Risiko- und Liquiditätsmanagements einzusetzen – Erwartungen, die sich nur zum Teil erfüllten, denn auch die Bayerische Landesbank setzte den Expansionskurs uneingeschränkt fort, und die notwendigen, von der Nationalbank aufgezeigten internen Verbesserungsmaßnahmen wurden viel zu spät angegangen.

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass sich für eine notwendige Mängelbehebung bei der Bank sowohl die Eigentümer- als auch Vorstands- und Aufsichtsratswechsel und die damit verbundenen strategischen, geschäftspolitischen wie auch organisatorischen Änderungen beziehungsweise Prioritätensetzungen belastend auswirkten. Diese hatten daher sicher auch verzögernden Einfluss auf die von der Aufsicht mit Nachdruck geforderten Maßnahmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wissend, dass ich nicht nur in diesem Raum, sondern auch darüber hinaus eine Minderheitsmeinung vertrete, bin ich dennoch fest davon überzeugt, dass die Aufsichtsbehörden, also Finanzmarktaufsicht und Nationalbank, unter Ausschöpfung des ihnen damals eingeräumten, allerdings sehr engen, ja ich möchte so weit gehen und sagen, eines unzureichenden gesetzlichen Handlungsspielraumes alle ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Behebung festgestellter Mängel bei der Hypo ausgenützt haben. Selbstverständlichkeiten von heute, die Sie, die ich, die wir alle kennen, also Regulierungen, die als Konsequenzen der Finanzmarktkrise 2007/2008 eingeführt wurden, wie zum Beispiel Beschränkung eines zu risikoreichen Geschäftsmodells oder Expansion nur auf Basis eines funktionsfähigen Risiko- und Liquiditätsmanagements, Anforderung von Sanierungsplänen, Capital Add-Ons, Erhöhung der Eigenmittelqualität, das alles war in den Jahren 2000 bis 2007 noch nicht vorhanden.

Keineswegs aber hat die Aufsicht in meiner Ära als Gouverneur weggesehen oder gar etwas vertuschen wollen, wie von verschiedenen Seiten immer wieder betont wird. Sind etwa die kritischen Berichte der Prüfer der Nationalbank ein Vertuschen? Sind die Aufdeckung und Analyse der Swapverluste und die Einleitung eines Geschäftsleiterqualifikationsverfahrens gegen den Vorstandsvorsitzenden und seinen Stellvertreter im Jahr 2006 ein Wegschauen der Aufsicht? – In meinen Augen ist es genau das Gegenteil! Natürlich stand die Hypo ab 2006 im Fokus der Aufsicht, aber Präventivmaßnahmen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie sie vorhin erwähnt und heute angewandt werden können, sah die damalige Gesetzeslage einfach nicht vor.

Als Folge dieser gesetzlich sehr eingeschränkten Prüf- und vor allem Sanktionsbefugnisse der Aufsichtsbehörden konnte der Vorstand der Hypo mit Wissen und/oder Duldung seines Aufsichtsrates wie auch seiner Eigentümer jene stark expansive, teilweise natürlich auch risikoreiche Geschäftspolitik betreiben, die auf Basis heutiger rechtlicher Rahmenbedingungen von den Aufsichtsbehörden sicherlich nicht akzeptiert werden würde. Keineswegs war aber mit dem Wissens- und Erkenntnisstand in meiner Ära als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank eine Kausalität für die spätere Fehlentwicklung der Bank absehbar oder gar voraussehbar, die – wie wir alle mit der Weisheit von heute ausgestattet wissen – insbesondere aufgrund der Finanzmarktkrise 2007/2008 in die Verstaatlichung führte.

Frau Präsidentin Dr. Griss führte in ihrem Beitrag vom 5. September dieses Jahres in der Tageszeitung „Standard“ aus – ich zitiere –: „(…) Verhalten, ob politisches oder anderes, kann immer nur nach den zeitgleichen Umständen beurteilt werden und nie aus nachträglicher Sicht“.

Dies, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, in Ihrer Beurteilung der Tätigkeit der Aufsichtsbehörden zu berücksichtigen.

Abschließend möchte ich noch ein konkretes Thema ansprechen. Den Medien habe ich entnommen, dass Herr Dr. Traumüller, ehemaliger Vorstand der FMA, am 28.5. dieses Jahres in diesem Plenum behauptete, dass ich in einem Gespräch mit ihm in Anwesenheit seines damaligen Vorstandskollegen Herrn Dr. Pribil – so schrieb eine Zeitung, nämlich der „Kurier“ – „die Idee in den Raum gestellt“ habe, „den Hypo-Vorstand, (…), im Amt zu belassen“.

Eine andere Tageszeitung, „Die Presse“, titelte aufgrund dessen: „Liebscher intervenierte für Kulterer“.

Ich möchte heute hier ganz klar feststellen, dass ein Gespräch mit solchem Inhalt nach meiner Erinnerung niemals stattgefunden hat, und wie ich ebenfalls den Medien entnahm, konnte sich auch Herr Dr. Pribil nicht an so ein Gespräch erinnern. Ich wüsste auch keine Begründung für die von Dr. Traumüller aufgestellte Behauptung, war es doch die Nationalbank unter meiner damaligen Führung, die das Ausmaß des Swapverlusts feststellte und auch analysierte, was dann schlussendlich in der Folge das Geschäftsleiterqualifikationsverfahren gegen Vorstandsmitglieder der Hypo Alpe-Adria auslöste.

Richtig ist aber, dass ich Dr. Traumüller an sich kritisch gegenüberstand und ihn dies auch durchaus mehrmals wissen ließ, und zwar in meiner damaligen Funktion als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der FMA; zum einen aufgrund seiner oftmals nur vagen Ausführungen zu Themen der Aufsichtsratssitzungen, zum anderen aber auch wegen seiner teils schulmeisterlichen Art bei der Qualität und Tonalität seiner Beantwortung von Fragen der Aufsichtsräte. Dies habe ich in manchen Sitzungen des Aufsichtsrates zum Ausdruck gebracht, und diese Verhaltensweise veranlasste mich auch einmal, eine Aufsichtsratssitzung aus Protest vorzeitig zu verlassen. Es mag sein, dass seine Erinnerung an mich dadurch, aber vielleicht auch durch den Umstand beeinflusst ist, dass ich aufgrund der Ergebnisse der Hearings bei der Vorstandsbestellung der FMA im Februar 2008 nicht ihm, sondern Mag. Ettl den Vorzug gab.

Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen, dass ich die Gelegenheit für dieses Eingangsstatement hatte.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Danke schön, Herr Dr. Liebscher, für Ihre einleitende Stellungnahme.

Somit kommen wir zur Erstbefragung.

Sie haben bereits auf einige Merkmale der Bankengruppe – ich sage jetzt kurz immer „die Bank“ und meine damit die gesamte Bankengruppe in Kärnten – Bezug genommen.

Wann und wodurch, Herr Dr. Liebscher, ist die Bank für Sie zu einem Problemfall geworden? Für den Fall, dass sie es geworden ist – wann und wodurch?

Dr. Klaus Liebscher: Das ist sie sicher geworden, aber zweifelsohne erst nach Auffliegen der sogenannten Swapverluste, also ab 2006. Bis 2006 war die Bank im Wesentlichen, würde ich sagen, nicht wesentlich auffälliger als andere Banken. Wie ich eingangs schon sagen durfte: Mängel gab es bei allen Banken in der damaligen Zeit, und jene Mängel, die bei der Hypo waren, waren nicht atypisch im Vergleich zu jenen Mängeln, die bei anderen Banken waren. Aber ab 2006, mit der ursprünglichen Verdeckung der sogenannten Swapverluste, ist die Bank zweifelsohne in den Fokus unserer und meiner Aufsicht gekommen.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Es fällt auf, dass sich die Bank in einer schwierigen Lage im Ausland befand: mit zahlreichen Töchtern in verschiedenen Ländern mit verschiedenen Rechtsgebieten, wo man erst einmal Fuß fassen musste und wo auch die Qualität des Personals wohl nicht immer die wünschenswerte war, zugleich ein sehr großes Wachstum, eine enorme Explosion des Wachstums und auch Mängel, die von der Nationalbank und vom Rechnungshof schon seit 1998 kontinuierlich festgestellt worden sind.

Ist das eine Besonderheit der Bank gewesen, oder ist das auch etwas, womit sie sich im Vergleich zu anderen großen österreichischen Banken durchaus im gleichen Feld befand?

Dr. Klaus Liebscher: Was die – ich habe jetzt natürlich nicht den Rechnungshofbericht von damals zur Hypo im Kopf – …

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Die Nationalbankberichte. 1998 hat das schon begonnen, dass man dort das organisatorische Vermögen der Bank und auch insbesondere das Kreditrisikomanagement deutlich kritisierte. Das setzt sich fort wie ein roter Faden.

Ist das zum einen und zum anderen diese unglaubliche Explosion im Wachstum und zum Dritten, dass man das in den Töchterländern machen musste und auch tat, ein Sonderfall in der Bankenlandschaft gewesen, oder war das auch bei mehreren anderen im gleichen Ausmaß so?

Dr. Klaus Liebscher: Bis 2006 – wiederhole ich noch einmal – war die Bank im Grunde genommen ähnlich zu sehen wie viele andere. Dass sie eine Expansion auf den Balkan machte, habe ich persönlich in den neunziger Jahren durchaus verstanden. Einige Banken anderer österreichischer Herkunft sind nach Osteuropa oder nach Mitteleuropa gegangen; naheliegend, dass sich die Hypo damals nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs und so weiter auf den Balkan bewegte.

Zweitens: Mängel gab es überall, wie gesagt. Die Expansionsvolumina waren meiner Erinnerung nach bei der Hypo in etwa gleich groß wie die Osteuropavolumina – prozentuell gesprochen – bei den anderen Banken. Da war sie also sicher nicht auffällig.

Drittens: Die Problematik natürlich mit Töchtern in den einzelnen Balkanländern bis hin in Italien, wo sie ja war, war jene, dass wir damals ja nur auf konsolidierter Basis Ergebnisse der Banken haben konnten. Die lokalen Aufseher in den einzelnen Ländern waren die Zuständigen für die regionalen Töchter – das war nicht Aufgabe oder auch gar nicht Zuständigkeit damals, also vor 2004, bevor beispielsweise Slowenien überhaupt erst beigetreten ist. Wir konnten ja Prüfungen ursprünglich nur in EU-Ländern machen, nicht aber in Nicht-EU-Ländern, waren also ausschließlich abhängig von den Ergebnissen von dort.

Und viertens: Aus dem Gesamtbild heraus hat sich eigentlich erst 2006 dann diese echte Verschlechterung abgezeichnet.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Wie haben Sie den Wechsel des Vorstandsvorsitzenden Kulterer in den Aufsichtsrat gesehen?

Dr. Klaus Liebscher: Negativ, persönlich, aus dem einen Grund, weil es eben allen Governance-Regeln widersprach, es aber zum damaligen Zeitpunkt – soweit ich mich erinnere – noch keine offizielle gesetzliche Regelung für die zweijährige cooling-off period gegeben hat. Und die dreijährige, glaube ich, cooling-off period, die in der Satzung der Hypo war, wurde durch eine Eigentümerentscheidung geändert, sodass er relativ rasch vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsrat wechseln konnte, was aber allen Grundprinzipien einer echten Corporate Governance widersprach.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Kann man Ihre einleitende Stellungnahme und Ihre bisherigen Angaben jetzt so zusammenfassen, dass sich die Bank, was ihre Performance im Gesamten betrifft, bis 2006 durchaus im Feld bewegt hat und nicht besonders auffällig war, zum einen, und zum anderen, dass das Prüfmanagement, auf das Sie in der einleitenden Stellungnahme auch eingegangen sind, ausreichend und angemessen war?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, das habe ich auch nicht in meiner einleitenden Stellungnahme so formuliert. Ich habe gesagt, dass es im Risikoprüfbereich, also im Risikomanagement sehr wohl Mängel gegeben hat. Da müssen Sie mich leider falsch verstanden haben.

Das, was ich gesagt habe, war, dass andere Banken genauso nicht frei von Mängeln waren im Risikomanagement, im Liquiditätsmanagement. Es gab ja dann sogar Forderungen der FMA bei einzelnen Banken, die nicht Gegenstand des Untersuchungsausschusses hier sind, Verstärkungen in qualitativer, in personeller Hinsicht im Risikomanagement zu machen. Also es ist nicht so, dass die Hypo damals schon weiß Gott wie auffällig gewesen wäre.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor. Herr Dr. Liebscher, ich meinte, ob das Prüfmanagement der Bankenaufsicht angemessen und ausreichend war. (Auskunftsperson Liebscher: Ach so, dann habe ich Sie …!) Ja, den Eindruck habe ich gewonnen, dass Sie das in der einleitenden Stellungnahme schon vermittelt haben, diesen Eindruck, dass Sie das Prüfmanagement der Bankenaufsicht für angemessen … (Auskunftsperson Liebscher: Nein!) – Der Bankenaufsicht?

Dr. Klaus Liebscher: Ja, der Bankenaufsicht, ja, aber ...

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Ja, das meinte ich. (Auskunftsperson Liebscher: Okay! Gut!) Ich meinte ja nicht die Bank, sondern die Bankenaufsicht.

Dr. Klaus Liebscher: Und ich meinte das Risikomanagement.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Ja, ja, das war ein Missverständnis. (Auskunftsperson Liebscher: Ja, okay!) Aber jetzt haben wir es geklärt. (Auskunftsperson Liebscher: Ja!)

Und ist die von mir gemachte Zusammenfassung zutreffend, dass Sie also das Prüfmanagement der Aufsicht, der Nationalbank, der FMA, damals für ausreichend und angemessen …

Dr. Klaus Liebscher: Absolut.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Also da wäre nichts zu wünschen gewesen, auch nicht ex post aus Ihrer Sicht?

Dr. Klaus Liebscher: Ex post vielleicht eines – aber die Qualität der Prüfer, die wir hatten, war gut. Die Möglichkeiten, die wir im Rahmen der sehr eingeschränkten gesetzlichen Rahmenbedingungen vorfanden, wurden genutzt. Die verantwortlichen Prüfer oder die verantwortlichen Organe der FMA, unterstelle ich, genauso, wie ich weiß, jene der Oesterreichischen Nationalbank haben das an Maßnahmen gesetzt, was im Rahmen der rechtlichen, vielleicht nicht wirklich ausreichenden Möglichkeiten, eher unzureichenden Möglichkeiten, möglich war.

Das, was vielleicht ein Problem war – und das, glaube ich, haben wir auch im Direktorium der Nationalbank immer wieder erörtert –: die Zahl der Prüfer selbst ausweiten zu müssen. Denn Sie wissen ja so wie ich, bis 2001 war die Finanzaufsicht oder Bankaufsicht ja beim Bundesministerium für Finanzen angesiedelt, aber die Oesterreichische Nationalbank war immer mit den Prüfungen mandatiert. Und erst dann, als eine Änderung kam, haben wir versucht, natürlich auch die Mitarbeiterzahl sukzessive aufzubauen. Aber ich gestehe durchaus, dass ich selbst auch ein immer auf die Kosten der Bank achtender Mensch war und daher meiner Vize-Gouverneurin Dr. Tumpel-Gugerell ihre Personalwünsche eher immer auch nur restriktiv erfüllt habe.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Also so dramatisch, dass man hätte zukaufen müssen, Expertise zum Beispiel, haben Sie den Zustand nicht gesehen?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, weil wir sicher die Expertise … (Verfahrensrichter Pilgermair: Personal zukaufen!), weil wir die Expertise im Haus hatten und …

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Fachlich, Herr Dr. Liebscher! Sie sagten selbst, dass Sie sparsam waren. Ich meine, ob auch ausreichend Personal da war.

Dr. Klaus Liebscher: Lassen Sie mich ausreden! – Aber personalmäßig haben wir natürlich einen Nachhol- und Aufholbedarf gehabt, den wir aber auch aus Kostengründen moderat machen mussten. Das ist eine ganz klare Ansage und Aussage von mir.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Das fragte ich Sie ja. Es war nicht so dramatisch, dass Sie sich entschlossen hätten, Personal zuzukaufen oder hereinzuholen.

Dr. Klaus Liebscher: Nein, es ist machbar gewesen, aber es war absehbar, dass wir mehr Personal brauchen werden, und dieses haben wir moderat Jahr für Jahr aufgebaut.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Eine weitere vertiefte Überprüfung der Risikoaktiva haben Sie also nicht für notwendig erachtet – über das hinaus, wie sie stattgefunden hat?

Dr. Klaus Liebscher: Das ist in erster Linie eine Aufgabe des Wirtschafts- und Bankprüfers. Und wenn der Wirtschafts- und Bankprüfer nicht feststellt, dass es einen zusätzlichen Einzelwertberichtigungsbedarf gibt, dann verlassen wir uns natürlich auch darauf. Es ist in erster Linie eine Aufgabe des Wirtschaftsprüfers, festzustellen, ob die Einzelwertberichtigungen, die Risikovorsorgen in der Bank ausreichend sind. Und die Bank hatte in den Jahren vor 2006 eine NPL-Ratio von unter 4, also in der Größenordnung von 3 Prozent. Das ist eine damals nicht unübliche und nicht gefährliche Größenordnung gewesen.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Kleiner Themenwechsel: Sie haben auf Ihre Zusammenarbeit mit Traumüller schon Bezug genommen. Wie hat sich denn Ihre Doppelfunktion – einerseits Gouverneur und andererseits stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der FMA – vereinbaren lassen?

Dr. Klaus Liebscher: Das war an und für sich, glaube ich, sogar im FMABG vorgesehen, dass …

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Ich meine jetzt in der Praxis, nicht, ob es vorgesehen war und ob es möglich war (Auskunftsperson Liebscher: Nein, aber das ist ja einmal die Voraussetzung!), sondern wie Sie das in der Praxis gesehen haben.

Dr. Klaus Liebscher: Das ist ja die Voraussetzung, dass wir überhaupt einmal eine gesetzliche Basis für so etwas haben, denn es war gedacht, dass das Finanzministerium (Verfahrensrichter Pilgermair: Das ist eine Selbstverständlichkeit!) den Vorsitz führt und dass die Nationalbank in dieser Kooperation die Stellvertreterfunktion hat.

Zweitens: Es hat sich machen lassen – ich habe in meinem Leben fleißig gearbeitet; und ich habe zeitökonomisch gearbeitet.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Das meinte ich nicht, Herr Dr. Liebscher (Auskunftsperson Liebscher: Na aber so habe ich Ihre Frage verstanden!), sondern ob es da zum Beispiel Rollenkonflikte gab oder ob das immer kompatibel war, diese vielleicht doch mitunter unterschiedlichen Interessen. Oder gab es keine unterschiedlichen Interessen?

Dr. Klaus Liebscher: Natürlich gab es unterschiedliche Interessen, aber wenn Sie nach der Kompatibilität fragen, dann habe ich die geschafft.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Gab es nicht leicht unter einen Hut zu bringende unterschiedliche Interessen, und wenn ja, welche?

Dr. Klaus Liebscher: Da müsste ich ausholen, habe ich die Zeit dafür?

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Ja, im Verlauf der Sitzung sicher. Ich habe noch zweieinhalb Minuten und würde daher … (Auskunftsperson Liebscher: In den zweieinhalb Minuten kann ich Ihnen …!) – Nein, ich würde Ihnen gerne noch eine andere Frage stellen, Herr Dr. Liebscher. (Auskunftsperson Liebscher: Bitte!)

Ist auf Sie je in irgendeiner Weise Einfluss ausgeübt worden bei der Ausübung einer der verschiedenen Funktionen, die Sie hatten? Ich meine jetzt, im Zusammenhang mit der Hypo.

Dr. Klaus Liebscher: Nein, ein klares Nein. Und ich war, glaube ich, berühmt in diesem Lande in meiner Zeit oder vielleicht auch berüchtigt dafür, dass ich die Unabhängigkeit meiner Person und meiner Institution sehr hochgehalten habe.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Noch ein kleiner Themensprung: Wie haben Sie damals den Einstieg der Bayerischen Landesbank gesehen?

Dr. Klaus Liebscher: Positiv. Die Bank, nämlich die Hypo, litt, wie Sie ja so wie ich wissen, unter Kapitalschwäche, formulieren wir es so, und sie litt unter jenen Mängeln, die ich auch teilweise in meinem Eingangsstatement aufgezeichnet habe beziehungsweise die Ihnen ja auch aus anderen Aussagen bekannt sind.

Das heißt, auch meine persönliche Hoffnung war ein damals reputierliches Institut, wie die Bayerische Landesbank, dass hier eben Know-how eingebracht wird, dass hier Verbesserungsmaßnahmen kommen werden, die wir von der Bank angefordert hatten, und vor allem, dass eben auch der Expansion entsprechend eine entsprechende Kapitalunterlegung und Kapitalzuschüsse kommen, sodass sich eigentlich ein sehr rundes Bild für uns ergeben hat und wir durchaus den Einstieg dieser Bank mehr begrüßt haben, denke ich, als vielleicht irgendwelche anderen Investoren, die auch Interesse gehabt haben oder hätten haben können.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Wie war, jetzt noch einmal, punktuell, auf den Zeitpunkt des Einstiegs der Bayern bezogen, der Zustand der Bank, im Gesamten gefasst?

Dr. Klaus Liebscher: Offensichtlich ein solcher, dass die Bayerische Landesbank die Bank gekauft hat! Sie hat ja, wie ich weiß, eine Due Diligence gemacht. Und wenn die Bank eine Due Diligence macht und damals offensichtlich zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das in Ordnung ist – der Betrag X stand im Raum für den Unternehmenswert, 50 Prozent oder was immer hat die Bank damals, glaube ich, gekauft, also ist soundso viel bezahlt worden –, unterstelle ich, dass es den Bayern ausreichend war.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Danke, Herr Dr. Liebscher, für Ihre Antworten im Rahmen der Erstbefragung. (Auskunftsperson Liebscher: Gerne!)

*****

Vorsitzende Doris Bures: Danke vielmals für die einleitende Stellungnahme und die Erstbefragung.

Damit steigen wir in die erste Befragungsrunde ein, und ich bitte Sie noch einmal, die im Einvernehmen festgelegte Redezeitvereinbarung auch einzuhalten.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Dr. Liebscher, einiges haben Sie ja schon vorweggenommen mit Ihrem Einleitungsstatement.

Ich erinnere mich daran, dass Sie, glaube ich, fast am selben Platz gesessen sind und ich auch, nämlich voriges Jahr hier im Rechnungshofausschuss, wo wir ausführlichst die Rolle der FIMBAG besprochen haben – Sie waren damals auch als Vorstand der FIMBAG Auskunftsperson. Wir haben ja wesentlich mehr Übereinstimmung erzielt, als die meisten vermutet hätten.

Ich beziehe mich noch einmal – und da möchte ich jetzt eigentlich einsteigen und fortsetzen und nicht mehr Traumüller-Zitate hier herumschmeißen – auf eine „ZIB 2“-Sendung, in der Sie lange interviewt wurden, und zwar am 8.3.2014. Unter anderem ging es dann doch um die längere Vergangenheit. Und in Bezug darauf, dass ja immer schon kritisch geprüft wurde und dass sozusagen Redakteur Wolf natürlich kritisch nachgefragt hatte, sagen Sie dann: Damals sind eine Fülle von kritischen Berichten – das haben wir ja jetzt alles schon da – an die Bank gegangen. Es hängt aber von den Bankorganen, von den Wirtschaftsprüfern und von der FMA ab, was weiter passiert mit den Berichten, offensichtlich zu wenig oder gar nichts.

In Ihre Zeit fallen – das brauchen wir ja jetzt nur von den Jahreszahlen her anzureißen; Sie haben es erwähnt – die Prüfungen 2001, 2004, 2005, 2006, 2007 und 2008. Wenn wir nur einen Bericht herausgreifen, jenen aus dem Jahr 2007: Der ist im Prinzip schon dramatisch, in allen Bereichen.

Und ich möchte Sie jetzt fragen: Haben Sie den Eindruck oder bleiben Sie sozusagen bei dieser Fernsehaussage, dass in Wirklichkeit die Bankorgane, die Wirtschaftsprüfer dort und die Finanzmarktaufsichtsbehörde, jetzt die FMA, wesentlich mehr hätten tun müssen?

Dr. Klaus Liebscher: Erstens einmal: Wenn ich es damals so gesagt habe – und ich glaube Ihnen das, was Sie zitiert haben; ich habe es jetzt nicht mehr im Kopf –, dann habe ich keine Veranlassung, das zu dementieren.

Zweitens wäre ich auch unabhängig von dem, wenn Sie mich nur so gefragt hätten, der Ansicht, dass in erster Linie einmal – abgesehen vom Vorstand, der eine entsprechende Verantwortung hat – immer auch die Kontrollorgane – deshalb sind sie ja eingerichtet –, wie Aufsichtsrat, Interne Revision, aber auch Wirtschaftsprüfer, der der externe Kontrollor ist, eine zentrale Funktion haben. Die sind ja auch wesentlich näher an einer solchen Bank oder an jeder Bank oder an jedem Unternehmen dran als eine externe Aufsicht wie die Oesterreichische Nationalbank.

Drittens, was meine Bemerkung zur FMA anlangt, war es ja klar, dass die Oesterreichische Nationalbank nur die Findungsarbeit macht – man würde heute auf Englisch oder Neudeutsch so schön sagen: Fact Finding –, aber das Decision-Making war die FMA, ohne dass ich jetzt irgendjemandem etwas zuschieben möchte; aber ich glaube, man soll bei dem bleiben, wo die Verantwortlichkeiten der einzelnen Organe liegen. Und für mich war es immer so, wie ich auch im Einleitungsstatement und offensichtlich am 8.3.2014 im Fernsehen gesagt habe: Zuerst kommt die Verantwortlichkeit der Organe, der Kontrollorgane und des externen Wirtschaftsprüfers, und ganz zum Schluss die Finanzmarktaufsicht.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ja, wir wollen aber bei der behördlichen Aufsicht bleiben, denn schon damals durch die Kenntnis der Berichte Ihres Hauses und mit dem Wissen im Nachhinein natürlich erst recht, stellte sich hier heraus, dass die Interne Revision in der Form nicht funktioniert hat oder nicht den Stellenwert bekommen hat, die Aufsichtsräte in diesem Fall ebenfalls nicht genügend beaufsichtigt haben und die Wirtschaftsprüfer ja in einer seltsamen Allianz involviert waren. Das war ja damals schon erkennbar.

Bleiben wir also jetzt bei den Aufsichtsbehörden Nationalbank und FMA. Frau Dr. Griss sagt, nämlich nicht nur mündlich, sondern auch in ihrem Bericht, sehr viel, also genau betrachtet, dass schon vor 2007 ausreichend Instrumente – speziell natürlich für die FMA, aber Sie haben ja eng zusammengearbeitet – bestanden hätten und erst recht ab 1.1.2007.

Sie kommt – ich kann ja nicht alles zitieren, das werden wir ohnehin in den Bericht aufnehmen – zu folgenden Schlüssen:

Erstens: „Soweit Verletzungen des BWG festgestellt wurden“ – wir können das nachher noch durchgehen; in einem Bericht waren es gleich einmal neun an der Zahl –, „hätten Sanktionen verhängt werden können.“

Zweitens sagt sie: „Es kann die Bankenaufsicht daher nicht entlasten, dass ihre Befugnisse erst nach der Finanzkrise wesentlich“ – wesentlich! – „erweitert wurden.“

Das ist richtig; ab 1.1.2007 allerdings auch schon, und zuvor hatten auch Möglichkeiten bestanden. Immerhin hat man ja 2006 auch ein einziges Mal hingegriffen.

Jetzt ist schon die Frage, und die stelle ich: Wäre nicht das Regelwerk für Geschäftsleiterqualifikation und -enthebung bis hin zur Androhung des Entzugs der Lizenz, salopp formuliert, mit all den Zwischenschritten, die es auch gegeben hat, schon ab 2002, wäre das nicht eine Variante gewesen, auf diese Vorhalte in den Prüfungen zu reagieren, die Ihr Haus ja herausgearbeitet hat? Sie müssen sich ja dafür interessiert haben.

Ich frage Sie jetzt als Erstes: Haben Sie die Berichte immer regelmäßig verfolgt und gelesen, die erstellt worden sind? Davon gehe ich einmal aus.

Dr. Klaus Liebscher: Nein. (Abg. Kogler: Nicht!) Das kann ich Ihnen relativ einfach beantworten, weil ich sicher nicht alle Berichte erhalten habe. Das war auch gar nicht im System vorgesehen.

Also wenn Sie mir jene Berichte zeigen, wo ich … Ich habe ja keine Unterlagen mehr aus meiner Zeit von der Nationalbank, ich bin sieben Jahre weg, wie Sie wissen, aber ich bin sicher nicht bei allen Berichten der Bankaufsicht in irgendeiner Form involviert oder eingeschaltet gewesen, ohne dass ich jetzt irgendetwas von mir wegschieben möchte. Aber wenn Sie so präzise fragen, muss ich Ihnen präzise antworten.

Zweitens, es geht natürlich schon oder ging ja auch um die Frage der Verhältnismäßigkeit. Das ist ein Thema, das ja auch im BWG, glaube ich, sehr klar drinnen steht. Und der Konzessionsentzug, den Sie ansprechen, das ist die Ultima Ratio (Abg. Kogler: Natürlich!), die aber eigentlich eine echte Gläubigergefährdung voraussetzt. Und eine Gläubigergefährdung gab es damals in dieser Ära sicher nicht. Daher scheidet das Thema oder schied das Thema Konzessionsentzug sicher aus.

Und das, was ich heute als Sanktionen meine, ist nicht unbedingt etwas, was sich nur auf Geschäftsleiterenthebungsanträge bezog, auch wenn das die damals sicher wohl schärfste Waffe war, sondern dass wir heute als Aufsicht, denke ich, mehr Möglichkeiten hätten, als wir seinerzeit hatten, nämlich auch Sanktionen, und ich meine nicht finanzielle, sondern Sie können heute eben sagen: Beschränkung des Geschäftsumfangs, Überprüfung und Beschränkung der Geschäftspolitik, der Strategie.

Sie können heute die berühmten Capital Add-Ons geben, die Sie kennen und die dann – das ist allerdings post Verstaatlichung; Hypo, aber auch andere Banken – von der Oesterreichischen Nationalbank im Einvernehmen mit der FMA plus den ausländischen Behörden, also lokalen Aufseherbehörden, zusätzlich, über das gesetzliche Mindestausmaß hinaus noch gegeben wurden. Das sind Sanktionen, die ich meine, und die gab es seinerzeit nicht. Das Thema heißt Verhältnismäßigkeit.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Nicht nur, aber die Griss-Kommission kommt ja trotzdem zum Schluss: „kann die Bankenaufsicht (…) nicht entlasten, dass ihre Befugnisse (…) erweitert wurden“. – Und abgesehen davon waren Sie ab 1.1.2007 auch schon sehr weit.

Dr. Klaus Liebscher: 1.1.2008.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Die schreiben immer 1.1.2007.

Dr. Klaus Liebscher: Das ist falsch.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): 2008 war noch eine größere Novelle, da gebe ich Ihnen schon recht.

Dr. Klaus Liebscher: Aber die war die entscheidende. Und wir reden jetzt von 2008 aufwärts, aber Sie reden von 2008 vorher; da gab es diese Regelungen überhaupt noch nicht. (Abg. Kogler: Na ja!) – Nein, so war es.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Dann müssen wir alle davon ausgehen, dass Frau Dr. Griss jetzt bald schon über ein Jahr lang mit dem falschen Bericht herumwachelt.

Kommen wir zum Beispiel … (Auskunftsperson Liebscher: Das habe ich nicht zu beurteilen!) – Nein, das sage ich jetzt. Wie weit Sie immer involviert waren oder nicht, das ist eine andere Frage, das ist auch eine Frage der Übermittlung der Unterlagen der Nationalbank. Dafür können Sie natürlich nichts, weil bei kaum einem Bericht erkennbar ist, wie der Weg gegangen ist. Und es sind überhaupt offensichtlich ganz viele Mails von der Nationalbank noch nicht übermittelt worden, aber das ist ein eigener Punkt.

Zum 2007er-Bericht: Da sind neun Gesetzesverletzungen angeführt von – ich kann nicht alle aufzählen, aber …

Dr. Klaus Liebscher: Können Sie mir den Bericht zeigen? Ich kenne ihn nicht.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Den kennen Sie nicht? Gut, das kann ich gerne machen. Wir haben hier … Ich habe mir das eh alles rausgeschrieben …

Dr. Klaus Liebscher: Oder worauf läuft Ihre Frage hinaus? Machen wir es kürzer!

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ja, Sie können gern erstens einmal den Bericht haben. Wir haben jetzt natürlich nicht 25 Berichte kopiert, aber Sie können einmal einen haben, der 2007 erschienen ist, und zwar am 27.7. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Wie gesagt: neun Gesetzesverletzungen, von Eigenmittelunterschreitung über die problematische Erfassung verbundener Kunden, nicht einbezahlte Konzernmittel und so weiter. Dann wird ja ausdrücklich auch inhaltlich bewertet.

Weiters: Negierung von Kontrollinstrumenten im Bereich Risikomanagement, Vorzugsaktienemissionen 2004 und 2006 nicht eigenmittelanrechenbar – damals schon gewusst –, mangelhafte Kreditprüfung, nachträgliche Bewilligung von Finanzierungen, nicht bewilligte Krediterhöhungen, Verfehlungen bei der Sicherheitsgestionierung, fehlende Bewilligungen für Sicherheitenverzicht und so weiter. Also das wird ja immer noch ärger, wenn man weiterliest.

Man möchte ja Ihre Behörde loben, dass sie das herausgearbeitet hat. Meine Frage ist aber, da 2006 alles explodiert ist, zumindest imagemäßig, und, wie wir wissen, in Wirklichkeit auch bilanzmäßig, und sehr wohl von Gläubigergefährdung ausgegangen werden muss, wenn ich das da lese – da haben wir halt unterschiedliche Auffassungen von Betriebswirtschaft und Bankwirtschaft, ich nenne das jetzt halt so; und die Geschichte hat ja dann einen eigenen Weg gezeichnet –; also wenn man anlässlich dieser Vorhalte und dessen, was wir natürlich jetzt wissen, nicht von Gläubigergefährdung reden kann, dann ist das schon aufreizend mutig, finde ich.

Aber ich frage Sie jetzt ohnehin: Wenn das 2007 der Befund war, was ist in der Folge getan worden? Das ist ja so gravierend, wie man es selten bei einer anderen Bank findet. Wir hatten ja auch zu anderen Banken hier Ausschüsse.

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie sind schon weit in der Redezeit der zweiten Runde.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Jetzt frage ich Sie: Was haben Sie unternommen, außer darauf zu verweisen, dass die FMA vielleicht könnte und die Wirtschaftsprüfer vielleicht könnten und sollten, was haben Sie eigentlich unternommen anlässlich einer solchen Berichtslage?

Dr. Klaus Liebscher: Wenn ich das lese, an wen der Bericht ergangen ist, dann höre ich von dem Bericht heute zum ersten Mal. Er ist nämlich ergangen an den Herr Ittner und an den Herrn Zöllner. Er ist nicht an mich ergangen. Ich habe diesen Bericht – und ich kann jetzt ihn in der Geschwindigkeit sicher nicht lesen – nie gesehen, daher bin ich nicht in der Lage, jetzt inhaltlich zu antworten: Was haben Sie getan aufgrund dieses Berichts?

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Aber wollen Sie dem Ausschuss jetzt erklären, dass Sie im Jahr 2007 – da gibt es genau einen Bericht über die Hypo, der 2006 im Übrigen veranlasst wurde, dann ist er wiederaufgenommen wegen schwerwiegender Geldwäschevorwürfe – nie damit kontaktiert wurden?

Dr. Klaus Liebscher: Offensichtlich nicht.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ja, aber es hätte Sie ja interessieren können.

Dr. Klaus Liebscher: Interessieren kann man sich für sehr vieles im Leben, aber wenn Sie von etwas Internem nicht informiert werden, woher sollen Sie es dann wissen als Chef des Hauses?

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Sie wollen uns erklären, dass der Gouverneur in der Zeit zwischen 2006, 2007, wo das ja auf der ersten Agenda stand, selbst für Nichtexperten, dass Sie sich nicht darum gekümmert haben, wie überhaupt das Berichtswesen ist, was die Prüfbeauftragung ist und erst recht nicht, was die Ergebnisse sind?

Dr. Klaus Liebscher: Sie verdrehen aber Ihre Frage jetzt, Herr Abgeordneter (Abg. Kogler: Ich habe Sie vorher schon gefragt, ob Sie Kenntnis gehabt haben!); Sie haben mich gefragt: :.. ob Sie diesen Bericht kennen. Und ich sage Ihnen, den kenne ich nicht. (Abg. Kogler: Ja eh, und deshalb frage ich weiter, wie so etwas sein kann!) Und ich kann ihn nicht kennen, wenn ich nicht auf dem Verteiler draufstehe. Woher soll ich denn das wissen? Glauben Sie, dass ich alle Berichte des Hauses bekomme?

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Aber Sie könnten sich ja irgendwann informieren, wie die Hypo-Prüfungen weiterlaufen nach all dem, was passiert ist.

Dr. Klaus Liebscher: Ich antworte Ihnen nicht mehr auf solche Fragen.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Aber Sie haben ja immerhin … Sie haben sich nicht dafür interessiert – darf der Ausschuss das daraus schließen?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, das darf er nicht. (Ruf: Was darf er dann?) Entschuldigen Sie, das ist ja wohl eine gravierende Unterstellung, die Sie hier jetzt machen.

Vorsitzende Doris Bures: Eine Frage noch in dieser Runde.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich frage ja nur, ob sich die Auskunftsperson kraft ihrer Funktion – und das ist ja keine geringe – für diese Vorgänge interessiert hat. Ich hätte ja gar nicht geglaubt, dass Sie mir mit so einem negativen Punkt kommen. Das ist ja unglaublich, diese Antwort.

Dr. Klaus Liebscher: Nein, das ist also ein Verdrehen der Fakten, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Was sind die Fakten? Das sollen ja Sie erklären!

Dr. Klaus Liebscher: Sie haben mich gefragt, ich zitiere aus einem Bericht. Darauf bitte ich: Kann ich den Bericht sehen? Ich sehe, auf diesem Bericht stehe ich gar nicht drauf. Woher soll ich daher diesen Bericht – Sie haben sich konkret auf diesen Bericht bezogen – kennen? Beantworten Sie mir das bitte!

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich frage Sie schon das dritte Mal, ob Sie sich für die Hypo-Berichtslage ab dem Jahr 2006 wenigstens interessiert haben.

Dr. Klaus Liebscher: Generell. Sie haben mich nicht generell gefragt.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ja, jetzt schon das vierte Mal.

Dr. Klaus Liebscher: Wenn Sie mich generell fragen, dann haben wir sehr wohl Informationen gehabt im Haus über die schwierige Situation der Hypo, vor allem nach den Swapverlusten, die Reduktion des Eigenkapitals; daher der dringende Druck der Nationalbank auf die Organe der Bank, Eigenkapital zu beschaffen, einen strategischen Partner zu suchen.

Diese Frage haben Sie mir aber eingangs nicht gestellt. Sie haben sich auf diesen Bericht bezogen.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Es ist das Wesen der Befragung, dass man nach einer Antwort die nächste Frage stellt. Und deshalb stelle ich sie jetzt das fünfte Mal, inwieweit Sie sich interessiert haben und was Ihre …

Dr. Klaus Liebscher: Sehr wohl habe ich mich für die Entwicklung der Hypo interessiert. (Abg. Kogler: Aber nicht für die Berichte!)

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter, meine Bitte …

Dr. Klaus Liebscher: Wenn ich von einem Bericht nicht weiß, dass es ihn gibt, woher soll ich das wissen, lieber Herr Abgeordneter? (Zwischenruf des Abg. Kogler.)

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie können in der nächsten Runde reden, dann kommt es auch ins Protokoll. Da können Sie alles noch einmal ausführen. (Auskunftsperson Liebscher: Das ist ja lächerlich, diese Diskussion!) Man kann auch anschließen, wovon ich jetzt auch ausgehe.

Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ich werde da gleich ein bisschen weitermachen.

Also Sie haben in Ihren Ausführungen gesagt, dass die OeNB nicht in der Tiefe prüfen konnte und dass in Wirklichkeit der Aufsichtsrat zuständig war, eben einzelne Kredite zu überprüfen, in der Tiefe zu prüfen und vor allem auch der Wirtschaftsprüfer. Ist das so richtig?

Dr. Klaus Liebscher: Ja.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Jetzt müssen wir hier an dieser Stelle feststellen, dass es in Österreich überhaupt keine Kontrolle gibt, überhaupt keine für Banken, wenn das stimmt, was Sie sagen, denn die Wirtschaftsprüfer haben gesagt, sie können nicht in der Tiefe prüfen, sie müssen sich auf das verlassen, was der Vorstand ihnen sagt. Der Aufsichtsrat hat das Gleiche gesagt. Er hat gesagt, er muss sich auf das verlassen, was der Vorstand ihm liefert. Und Sie sagen, auch Sie müssen sich auf das verlassen, was der Vorstand Ihnen auftischt und können auch nicht in der Tiefe prüfen. Von den Staatskommissären rede ich gar nicht, denn die sind ohnehin für die Fisch. Das heißt, da gibt es anscheinend niemanden, der da irgendetwas prüft. Ist das so richtig?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, Sie verwenden eine Wortwahl, die nicht meiner entspricht.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Dann klären Sie mich auf!

Dr. Klaus Liebscher: Ich habe nur gesagt, die Verantwortlichkeit ist in einer Kette zu suchen. Und die ersten Verantwortlichkeitsstufen sind Vorstand, sind Aufsichtsrat, sind Wirtschaftsprüfer, und auf diesen setzt dann die Oesterreichische Nationalbank oder die Aufsicht, generell gesprochen, auf. Aber sie kann nicht die Beurteilung, die dem Aufsichtsrat beispielsweise für eine Kreditvergabe vorbehalten ist, ersetzen oder diesem abnehmen; ob er Kredite über 5 oder 10 Millionen blanko oder mit Sicherheiten oder überhaupt vergeben wird, das ist eine Sache des Aufsichtsrates (Abg. Lugar: Das ist die operative Tätigkeit, ich rede von der Prüfung!) und nicht jene der Bankenaufsicht.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Sie sprechen jetzt von der operativen Tätigkeit, ich spreche von der Prüfung. Es geht nicht darum, dass Sie entscheiden, ob der Kredit vergeben wird, es geht darum, dass Sie entscheiden, ob diese Vergabe plausibel ist und auch im Rahmen dessen, was für die Bank vertretbar ist.

Dr. Klaus Liebscher: Das ist in erster Linie immer zunächst auch eine Aufgabe des Wirtschaftsprüfers. Und wenn der Wirtschaftsprüfer oder Bankprüfer natürlich feststellt, dass dieses ein risikobehafteter Kredit sein kann, dann hat er – normalerweise zumindest – wahrscheinlich die Verantwortlichkeit, den Vorstand darauf aufmerksam zu machen, dass er eine Risikovorsorge bilden muss.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Alle Wirtschaftsprüfer haben uns gesagt, das können sie in dieser Tiefe nicht überprüfen, noch dazu, wo die meisten Kredite Cross-Border-Geschäfte waren, wo dann auch noch Zwischengesellschaften geschaltet wurden, wo man gar nicht mehr schauen konnte, wer diesen Kredit überhaupt hat. Noch dazu wusste man nicht einmal, wie die Verhältnisse sind von jenen, die diese Kredite aufgenommen haben. Diese Konstrukte waren ja extra so gewählt. Also uns haben die Wirtschaftsprüfer gesagt, man konnte das in dieser Tiefe nicht erkennen.

Dr. Klaus Liebscher: Dann verlassen Sie sich halt auf die Antwort der Wirtschaftsprüfer. (Abg. Lugar: Ja, dann ist aber die Frage: Was haben Sie gemacht?) – Lassen Sie mich ausreden! – Es ist sicher nicht Aufgabe der Oesterreichischen Nationalbank, den Wirtschaftsprüfer zu ersetzen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Was ist dann Ihre Aufgabe im Konkreten?

Dr. Klaus Liebscher: Die Aufgabe ist, nach dem Gesetz die Vorgaben zu überprüfen: Sind die Systeme korrekt? Können die Banken die entsprechenden Kontrollen durchführen, die sie brauchen – und dergleichen mehr? Und stichprobenartig wurden, soweit ich weiß, auch – und werden auch sicher heute – einzelne Kreditengagements überprüft – aber sicher nicht das gesamte Kreditportefeuille einer Bank. Dies ist in meinen Augen nach wie vor wirklich die Aufgabe des Wirtschafts- und Bankprüfers.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Und was passiert dann, wenn man draufkommt, dass manche Kredite im Argen liegen? Was passiert dann konkret?

Dr. Klaus Liebscher: Dann wird die Forderung – und das, glaube ich, hat auch die Oesterreichische Nationalbank in der Vergangenheit getan, auch ihrerseits, also von der Oesterreichischen Nationalbank her – aufgestellt, erhöhte Einzelwertberichtigungen, oder nennen wir es allgemein Risikovorsorgen, zu veranlassen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ich habe hier ein Dokument, und zwar mit der Nummer 9123. Das ist ein Gesamtbericht der Großkreditevidenz seitens der OeNB vom 31.3.2005. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.) Da steht drinnen, dass sozusagen die Anzahl der Großkredite, die also nicht besichert sind, bei bis zu 80 Prozent liegt. Und dann steht hier etwas ganz Interessantes drinnen: „ (…) oft zusätzlich zu den gemeldeten Sicherheiten einige ausländische Besicherungen“ …

Vorsitzende Doris Bures: Die Seitennummer bitte!

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Seite 127. – „(z.B. Hypotheken in Kroatien) deren Wert aber nicht angesetzt wird.“

Das heißt, das muss man sich einmal vorstellen! Das heißt, Sie schreiben in Ihrem Bericht, dass es hier Großkredite gibt, wo 80 Prozent praktisch blanko vergeben werden. Und dann wird hier geschrieben, dass die Bank das so erklärt, dass man einfach Sicherheiten nicht bewertet und nicht angesetzt hat. (Verfahrensanwalt Binder: Moment, bitte! Wir suchen!) Wenn Sie sich mit so etwas zufrieden geben, dann frage ich mich: Wo ist da die Aufsicht? (Die Auskunftsperson und der Verfahrensanwalt lesen in dem ihnen vorgelegten Schriftstück.)

Dr. Klaus Liebscher: Der letzte Satz hier! – Das kann ich Ihnen persönlich jetzt nicht beantworten.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Aber Sie können mir das System beantworten. Das heißt, Sie haben hier etwas beanstandet, was ja wirklich ein Wahnsinn ist, dass man 80 Prozent der Großkredite sozusagen blanko hinterlegt, also überhaupt keine Sicherheiten hat, und es wird dann vonseiten der Bank gesagt, das liegt nur daran, dass man diese Sicherheiten, die ja da sind, einfach nicht bewertet und nicht aufscheinen lässt. Das kann doch nicht die Antwort auf den Vorwurf sein – und das haben Sie anscheinend so stehen lassen!

Dr. Klaus Liebscher: Ich habe gar nichts stehen lassen, denn ich kenne auch diesen Bericht nicht. Der ist vorgeschrieben an Ittner und an Christl. Sie legen mir natürlich jetzt Sachen vor, die ich zum ersten Mal sehe. Ich habe keine Ahnung mehr natürlich –von wann ist der Bericht?, aus dem Jahr 2005 –, was damals bankintern im Bankaufsichtsressort dazu besprochen wurde.

Aber das, was ich eingangs sagte, das bleibt auch hier: In erster Linie ist für das Existieren überhaupt solcher Blankokredite der Aufsichtsrat zuständig. Die Bank, die Nationalbank in dem Fall, stellt fest, dass es einen sehr hohen Anteil von – was ist es? – 80 Prozent oder was immer an Blanko gibt und stellt das kritisch fest. Und dieser Bericht, ich weiß jetzt nicht, wie der dann hausintern weiterbehandelt wurde, ob er dann auch an die Finanzmarktaufsicht ging oder nicht ging; das entzieht sich ja alles meiner Kenntnis.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ich muss feststellen, es entzieht sich einiges Ihrer Kenntnis (Auskunftsperson Liebscher: Ja, das mag schon Ihre Meinung sein!), denn die Berichte waren von 2001 bis zu Ihrem Ausscheiden 2008 in Wirklichkeit immer die gleichen. Es waren immer die gleichen Beanstandungen, immer die gleichen Vorwürfe. Und es ist praktisch nichts besser geworden.

Und wenn Sie sagen, Ihnen sind aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen die Hände gebunden gewesen, dann wäre es natürlich unglaublich interessant, zu wissen, warum Sie in einem Zeitungsartikel gesagt haben, dass man erstens das Kind nicht mit dem Bade ausschütten darf, und zweitens (in seinen Unterlagen blätternd) vor Überregulierung warnen. Und zwar: Man darf auf keinen Fall den Fehler begehen – Sie sprechen hier eben von der BAWAG und von der Hypo, dass das eben Einzelfälle sind, diese Vorkommnisse –, und man darf hier auf keinen Fall an Überregulierungen denken. Und das Aufsichtssystem, so wie es ist, ist in Ordnung, und deshalb braucht man hier also keine zusätzlichen gesetzlichen Bestimmungen.

Also das steht ja im totalen Widerspruch – das war am 30. Mai 2006 – zu dem, was Sie vorher gesagt haben: dass Sie aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen gar nicht in der Lage waren, hier diese Missstände abzustellen.

Dr. Klaus Liebscher: Überregulierungen ist natürlich etwas anderes. Wenn wir heute zum Beispiel denken: Diese vielen Kapitalanforderungen, die natürlich jetzt zum Beispiel auch von den europäischen Aufsichtsbehörden kommen und die möglicherweise eher die Kreditvergabemöglichkeiten der Banken einschränken, als dass sie sie begünstigen, wenn die Wirtschaft wieder anspringen wird, das ist mein Thema mit Überregulierung – aber nicht bezogen auf die zwei Banken, die Sie jetzt dort ansprechen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Aber das hätte auch bei der Hypo sehr stark geholfen. Wenn man hier die Eigenkapitalsituation verbessert hätte, dann hätte man weniger schnell expandieren können und der Schaden für den Steuerzahler wäre wahrscheinlich geringer gewesen.

Dr. Klaus Liebscher: Das ist richtig. Da müssen Sie den Gesetzgeber fragen, warum er das damals nicht getan hat.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Sie wollten es ja auch nicht, Sie wollten ja auch keine Überregulierung.

Dr. Klaus Liebscher: Ich habe nur allgemein von Überregulierung gesprochen, nicht von speziellen Themen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Sie haben gerade gesagt, das betrifft auch die Eigenkapitalsituation, diese Überregulierung.

Dr. Klaus Liebscher: Gut, wenn Sie wollen, ist es so. (Abg. Lugar: Ja!) In Ordnung, ja!

Vorsitzende Doris Bures: Zweite Runde, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Also hätten Sie keine große Freude gehabt, wenn man diese Situation hier gesetzlich verbessert hätte?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, das würde ich jetzt so nicht akzeptieren, Ihre Formulierung (Abg. Lugar: Wie dann?), sondern ich habe gemeint: keine Überregulierung, die in die Geschäftsmöglichkeiten derart eingreift, dass sie beispielsweise dann Cross-Border oder was immer nicht mehr machen dürfen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Sie haben sich anscheinend für die ganzen Berichte nicht wirklich interessiert. (Auskunftsperson Liebscher: Nein, ich habe …!) Auf der anderen Seite sagen Sie aber, die Vorkommnisse in den genannten Banken seien Einzelfälle – bei der BAWAG und bei der Hypo. Das heißt, Sie haben sich zwar auf der einen Seite nicht allzu sehr für die Berichte interessiert, aber auf der anderen Seite konnten Sie beurteilen, dass das auf jeden Fall Einzelfälle in der österreichischen politischen und Bankenlandschaft sind. Ist das richtig?

Dr. Klaus Liebscher: Also erstens: Die eine Bank steht ja hier gar nicht zur Diskussion, zu der sage ich nichts. Und was die andere Bank anbelangt, so war das sicher auch in der Dimension, die damals in der Öffentlichkeit bearbeitet wurde und auch von der Oesterreichischen Nationalbank oder FMA so bearbeitet wurde, ein Einzelfall. Also mir ist nicht bekannt, dass es solche Ereignisse, wie sie 2006 im ersten Halbjahr waren, mehrfach gegeben hätte. Das waren also sicher Einzelfälle.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ich habe hier eine Übersicht über alle Berichte seit 2001 bis eben 2009, und es war immer wieder das gleiche Thema: kein Risikomanagement, Meldeverstöße, was die Kreditvergabe betrifft, ist einiges im Argen gelegen – und Sie sagen, Ihnen waren die Hände gebunden, das auch wirklich abzustellen.

Jetzt hatten Sie aber die Möglichkeit, den Vorstand abzuberufen – das haben Sie dann auch gemacht, aber leider viel zu spät. Warum haben Sie das nicht schon früher gemacht? (Abg. Krainer: Das ist ein falscher Vorhalt! Die OeNB hat nie die Möglichkeit, den Vorstand abzuberufen!) – Ja, das ist Spitzfindigkeit, bitte. Das ist eine totale Spitzfindigkeit, weil die OeNB und die FMA natürlich gemeinsam geprüft haben. Die OeNB war ausführend, und die FMA hat das dann dementsprechend … (Zwischenrufe der Abgeordneten Krainer, Tamandl und Kogler.)

Aber Sie hätten natürlich auch die Möglichkeit gehabt, hier einzuwirken. Haben Sie das getan? Sind Sie zur FMA gegangen, haben gesagt: Schauen Sie, da gibt es Probleme, da gibt es alle möglichen …? Sie haben ja auch an die FMA gemeldet, das heißt: Haben Sie sich nie dafür interessiert, warum das nie abgestellt wurde?

Dr. Klaus Liebscher: Noch einmal: Das, was ich jetzt schon mehrmals gesagt habe, war, dass diese Mängel, die es seinerzeit in den Jahren vor 2006 gab, insbesondere bevor die Geschichte mit den Swapverlusten kam, nicht untypisch am österreichischen Bankenmarkt waren. Viele andere Banken hatten ähnliche Mängel, und die Bank war daher bis 2004/2005 nicht auffälliger. Erst dann, als – natürlich auch begünstigt durch die Haftungen, die Landeshaftungen – die Expansion wesentlich stärker wurde, ist ja betreffend die Bank vom Drei-Jahres-Rhythmus auf den Ein-Jahres-Prüfrhythmus erhöht worden, wenn man so will, so wie das damals für die wenigen wirklichen österreichischen Großbanken üblich war. – Das heißt, hier gab es ja eine Reaktion.

Zweitens gab es ein sogenanntes ... immer Gespräche auch mit ... also ein Finanzmarktkomitee einerseits, und es gab natürlich … Alle Prüfberichte der Oesterreichischen Nationalbank sind ja auch an die FMA gegangen, daher werden sich dann auch die zuständigen Leute seitens der OeNB mit jenen der FMA diesbezüglich ausgetauscht haben, und erst dann ist der Schlussbericht an die jeweilige Bank gegangen. Also die Informationsweitergabe von der Nationalbank an die FMA hat zweifelsohne funktioniert.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Sie sehen also keinerlei Verantwortung bei der OeNB, was diesen 20 000-Milliarden-Schaden für den Steuerzahler angeht? Da sehen Sie keinerlei Verantwortung?

Dr. Klaus Liebscher: Also aus der Sicht von 2000 bis 2007 oder auch später – nein!

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Und wo ist dieser Schaden hergekommen, wenn es keine Verantwortung der Aufsicht gibt?

Dr. Klaus Liebscher: Der Schaden ist daher gekommen, dass viele der Engagements, vor allem jene, die auch am Balkan waren, sich im Zuge der Finanzmarktkrise und der danach folgenden wirtschaftlichen Rezession enorm beschleunigt haben. Das war sicher im Jahr 2005 oder 2004 oder auch noch 2006 weder absehbar noch voraussehbar.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Dann müssten ja alle Banken in Konkurs gegangen sein, die sich stark exponiert haben in solchen Gebieten, wo dann nach der Finanzkrise Probleme aufgetaucht sind.

Dr. Klaus Liebscher: Es sind im Ausland auch viele Banken ...

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Im Ausland, aber keine österreichischen – außer der Hypo.

Dr. Klaus Liebscher: Nein, aber es haben natürlich auch andere österreichische Banken – sagen wir einmal in den ersten Jahren – auch gewisse Gewinneinbußen gehabt – was verständlich war. Sie haben wahrscheinlich auch eine andere Risikodiversifikation gehabt, weil die anderen österreichischen Banken ja mehr in Ost- und Mitteleuropa waren und die Hypo speziell am Balkan beziehungsweise in Südosteuropa. Ich glaube schon, jetzt aus der Retrospektive betrachtet, dass das auch qualitativ ein gewisser Unterschied war.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Sie haben übrigens darauf hingewiesen: Dieses Klumpenrisiko haben Sie selbst in einem Bericht – also nicht Sie, aber die OeNB – angesprochen, aber abgestellt haben Sie es nicht.

Dr. Klaus Liebscher: Es ist für die Nationalbank wahrscheinlich gar nicht möglich gewesen, es abzustellen. Aber es muss ja auch im Aufsichtsrat über Klumpenrisiko berichtet werden, und ich denke, dass ... Wissen Sie, das Problem ist: Nimmt ein Vorstand Feststellungen einer Aufsichtsbehörde auch ernst und setzt er sie um? – Und wenn auf ein Klumpenrisiko hingewiesen wird, ist das per se noch nicht das größte Problem. Es kann natürlich ein Problem werden, wenn gewisse Faktoren und Umstände dann kumuliert eintreten.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Das heißt, die OeNB ist dann sozusagen wie ein Bewegungsmelder, der zwar Bewegung meldet, aber nichts dagegen tun kann. So wie an der österreichischen Grenze die Mitglieder des Bundesheeres reine Bewegungsmelder sind, so war wahrscheinlich die OeNB im Bankenbereich auch nur ein Bewegungsmelder, der halt schreit, aber ob etwas passiert oder nicht, ist egal oder interessiert dann keinen.

Dr. Klaus Liebscher: Nein, ich würde nicht sagen, was passiert, ist egal! Die Bank hat ja versucht, alle Aufmerksamkeit zu erwecken – auch in der Bank –, dass dort und da eben entsprechende Maßnahmen für Verbesserungen notwendig sind, aber entscheiden konnte die Bank nichts. Die Bank war – früher schon und dann ab 1.1.2008 – der klassische Fact Finder und hat diese Facts, die sie gefunden hat, eben auch weitergegeben an die FMA. Aber das war die Aufgabe und die Rahmenbedingung für die Oesterreichische Nationalbank.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Also so, wie ich das verstehe, waren Sie ein reiner Unternehmensberater. Sie haben Herrn Kulterer beraten und ihm ein paar Tipps gegeben, und was er dann damit macht, war Ihnen egal oder war nicht wichtig.

Dr. Klaus Liebscher: Das ist Ihre Wortwahl; ich würde das natürlich nicht so sehen wollen. Das kann man nicht so sehen! Aber Sie müssen ... (Abg. Lugar: Aber de facto war es doch so!) Aber Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es natürlich, wenn man aufzeigen muss, aufzeigen soll, aufzeigen kann, aber nicht wie heute – noch einmal – eine Möglichkeit besteht, darauf direkt zu reagieren, eben nur bei dieser Empfehlung oder bei dieser Feststellung bleiben kann.

Nur noch einmal: Ich weiß es aus eigener Erfahrung von früher, als ich noch nicht in der Nationalbank war, und von später, als ich vielleicht auch nicht mehr in der Nationalbank war, aber auch aus der Zeit, als ich in der Nationalbank war: In fast allen Häusern – oder ich würde sagen, in allen Häusern; also ich meine jetzt Banken – sind die Berichte einer Nationalbank so abgearbeitet worden, dass man bei den Follow-ups diese Abarbeitungen weitestgehend feststellen konnte und zweitens auch die entsprechende Information an die Aufsichtsorgane – sprich: an den Aufsichtsrat – erging.

Es lag dann natürlich in der Verantwortlichkeit hausintern, dass es auch einen Plan, einen Zeitplan gibt: Per wann wird diese oder jene Feststellung, diese oder jene Mängelfeststellung behoben und auch eine entsprechende Information an den Aufsichtsrat weitergegeben? Diese Erwartungshaltung haben wir sicher auch an die Hypo gehabt.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Das heißt, um es zusammenzufassen, wenn es einen Vorstand gibt wie Herrn Kulterer, der sich einfach nicht darum schert, was die OeNB will oder sagt, dann kann er auch über viele Jahre so weitermachen, ohne dass da irgendjemand einschreitet. War das so?

Dr. Klaus Liebscher: Das kann ich nicht so sagen, weil es normalerweise ein Kollegialorgan gibt. Ich weiß jetzt persönlich zu wenig, wie die hausinterne, also die Hypo-interne Information innerhalb des Vorstandes war, aber im Grunde genommen ist es so, dass eben auch Verantwortlichkeiten kontrolliert werden müssen, und dafür sind natürlich schon die internen Organe zuständig, nämlich – noch einmal, damit Sie mich richtig verstehen –: Wenn ein Prüfbericht kommt, der Mängel feststellt, ist er abzuarbeiten. Er wurde von anderen abgearbeitet, in Teilbereichen ja auch von der Hypo abgearbeitet. Es ist ja nicht so, dass die gar nichts gemacht oder umgesetzt hätten, aber sicher ist es auch eine Verantwortlichkeit des jeweiligen Aufsichtsrates, darauf zu achten, dass diese Feststellungen der Oesterreichischen Nationalbank ernst genommen werden.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Das heißt also, die Verantwortung hat der Aufsichtsrat, der vom Eigentümer und politisch besetzt ist. – Kann man das so sagen?

Dr. Klaus Liebscher: Ob er politisch besetzt ist, weiß ich nicht (Abg. Lugar: Das wissen Sie nicht!), aber jedenfalls wird normalerweise der Aufsichtsrat vom Eigentümer eingesetzt. Das ist absolut richtig.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Frau Vorsitzende! Herr Dr. Liebscher, es sind Ihnen jetzt schon verschiedene OeNB-Prüfberichte vorgehalten worden. Sie haben grundsätzlich gesagt, Sie haben diese nicht gelesen. Jetzt möchte ich grundsätzlich fragen: Welche Prüfberichte der OeNB in Sachen Hypo haben Sie überhaupt gelesen? Oder haben Sie gar keine gelesen?

Dr. Klaus Liebscher: Sie müssen von Folgendem ausgehen: Dort, wo ich auf einem Verteiler stand, habe ich ihn gelesen; wo ich nicht auf einem Verteiler, also zur Einsichtnahme, stand, habe ich ihn – aus welchen Gründen auch immer – nicht erhalten oder es wurde nicht für sinnvoll erachtet, nehme ich einmal an, und dann kann ich ihn auch nicht gekannt haben und habe ich ihn auch sicher nicht gekannt – so wie auch jetzt hier: Die sehe ich zum ersten Mal, die mir vorhin vorgelegt wurden.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Das war nicht ganz meine Frage. (Auskunftsperson Liebscher: Oh ja!) Ich habe nicht nach einem konkreten Prüfbericht gefragt, ob Sie da auf dem Verteiler waren, sondern: Haben Sie die Prüfberichte überhaupt in irgendeiner Form zur Kenntnis genommen? Oder sind Ihnen diese in irgendeiner Form – also gelesen haben Sie sie offensichtlich nicht –, sind Ihnen die Inhalte in irgendeiner Weise zur Kenntnis gebracht worden?

Dr. Klaus Liebscher: Noch einmal: Wenn – so wie Ihre Frage lautet – mir Prüfberichte zur Kenntnis gebracht worden sind, habe ich sie gelesen. Sind sie mir nicht zur Kenntnis gebracht worden, habe ich möglicherweise nicht einmal wissen können, dass es einen gibt. – Ihre Frage war sehr klar und meine Antwort auch.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ja, welche Prüfberichte sind Ihnen jetzt zur Kenntnis gebracht worden?

Dr. Klaus Liebscher: Dort, wo „Liebscher“ auf dem Verteiler stand! Das ist in einem Großbetrieb so üblich. Also wenn eine Hierarchie ... Der Herr Prüfer Ettl, sage ich jetzt, gibt den Prüfbericht weiter an seinen Hauptabteilungsleiter Ittner. Ittner gab ihn weiter an Tumpel-Gugerell oder später an Christl – so –; oder es steht auch noch einmal „Liebscher“ drauf. Wenn Letzteres der Fall ist, habe ich ihn zur Kenntnisnahme bekommen.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Dr. Liebscher, meine Frage hat sich nicht auf E-Mail-Verteiler bezogen. Meine Frage war ganz konkret: Welche von den durchaus kritischen Prüfberichten der Nationalbank 2001, 2004, 2006, 2007 und so weiter sind Ihnen zur Kenntnis gebracht worden?

Dr. Klaus Liebscher: Ich weiß es nicht mehr – heute, zehn Jahre später –, welche Berichte mir zur Kenntnis gebracht wurden. Wenn Sie sie mir zeigen: Wo ich draufstehe – ja. Aber wie soll ich Ihnen eine Frage beantworten, ob ich von etwas weiß, was ich nicht vorgelegt bekomme? Beantworten Sie mir bitte: Wie soll ich wissen, wenn ich nicht einen Akt vorgelegt bekomme, dass es diesen gibt? Wie würden Sie diese Frage, die Sie mir stellen, selber beantworten?

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Es geht ja um den Inhalt, das Dokument hat Ihnen ohnehin schon Kollege Lugar vorgelegt. Prüfbericht 2004: Risikopolitik und Strategie nur in Ansätzen, nicht vorhanden. (Auskunftsperson Liebscher: Ja, zum Inhalt ...!) Bericht 2006: Risikomanagement entspricht nicht den Anforderungen des § 39 BWG – also eine offensichtliche Verletzung des Bankwesengesetzes.

Sind Ihnen diese Inhalte, nämlich ein de facto nicht vorhandenes Risikomanagement und eine schwer mangelhafte Kreditvergabe, zur Kenntnis gebracht worden?

Dr. Klaus Liebscher: Ich gehe davon aus, dass im Direktorium natürlich gelegentlich darüber berichtet wurde, aber nicht der Prüfbericht selbst behandelt wurde.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ich rede von den Inhalten.

Dr. Klaus Liebscher: Und ich habe die Antwort gegeben: Ich gehe davon aus, dass im Direktorium – sei es über Tumpel-Gugerell oder über Christl – gelegentlich auch berichtet wurde.

Wir hatten die scharfe – wie soll ich sagen? – Regelung auch in der Nationalbank, dass wir die bankaufsichtlichen Themen natürlich schon quasi mit einer „Chinese Wall“ versehen hatten. Das heißt, wir wollten aus bewussten Gründen nicht, dass relativ breit über Themen, die ja teils sehr sensibel sind – jetzt nicht nur auf eine oder diese Bank abgestellt, sondern generell –, dann im Haus breitest diskutiert wird, weil beispielsweise nach jeder Direktoriumssitzung, die wir in der Nationalbank hatten, die jeweiligen Direktoriumsmitglieder ihre führenden Mitarbeiter über die Themen der Direktoriumssitzung informiert haben, und es wäre fatal gewesen, wenn jetzt über Details von Prüfungen im Direktorium breitest im Haus diskutiert worden wäre.

Wir haben damals Folgendes gesagt, und das war die Grundregel: Bankaufsichtliche Vorkommnisse, bankaufsichtliche Themen bleiben im Bereich des Ressorts Bankaufsicht und nur quasi oberste Spitze, Probleme sozusagen, das ist ...

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Dr. Liebscher, Entschuldigung, wenn ich unterbreche! Ich verstehe Ihre Antworten nicht.

Meine Frage war konkret: Sind diese Themen, wie sie auch hier aufgelistet sind, also nicht vorhandenes oder nur rudimentär vorhandenes Risikomanagement – also ein zentraler Pfeiler einer Bank, damit diese überhaupt funktionieren kann –, ist das im Direktorium besprochen worden? Ich möchte jetzt nicht wissen, ob Sie irgendwo am Verteiler oben waren oder nicht, ich möchte wissen, ob diese problematischen Themen im obersten Gremium der Nationalbank besprochen worden sind oder nicht.

Dr. Klaus Liebscher: In der Tiefe sicher nicht! In der Tiefe sicher nicht, weil wir eben diese „Chinese-Wall“-Regelung hatten, von der ich gesprochen habe. Das war eine originäre Verantwortlichkeit der Abteilung oder des Ressorts Bankaufsicht.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Das heißt, dass die Hypo, wie hier Sie selbst beziehungsweise Ihre eigenen Prüfer feststellen, im Jahr 2006 – aber auch schon vorher – durch das mangelhafte Risikomanagement das Bankwesengesetz verletzt, war nicht Gegenstand im OeNB-Direktorium?

Dr. Klaus Liebscher: Es war sicher eine Information, wir hatten aber keine Entscheidungen zu treffen. Die Nationalbank war nicht das Entscheidungsorgan.

Die Nationalbank hat das Fact Finding gehabt. Wir haben sicher im Direktorium generell über Probleme gesprochen, aber wir hatten keine Entscheidungen zu treffen, denn wir wussten ja, dass aufgrund der rechtlichen Situation die Entscheidung die Behörde FMA trifft.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Gut, jetzt zeigen Sie auf die FMA. Dazu komme ich noch.

Ich möchte nur kurz bei Ihrer Aussage im Einleitungsstatement bleiben, wo Sie gesagt haben, bei der Hypo wurden Ihnen keine Mängel bekannt, die nicht auch bei anderen Banken vorhanden waren.

Die logische Schlussfolgerung daraus ist: Wenn es diese Mängel, die ja Ihre eigenen Prüfer dokumentiert haben – schwerste Mängel im Risikomanagement – bei der Hypo gegeben hat, kann man jetzt daraus schlussfolgern, dass es diese schwersten Mängel bei anderen österreichischen Banken genauso gegeben hat?

Dr. Klaus Liebscher: Nein. – Ich habe anders formuliert, als Sie formuliert haben, und ich habe das schriftlich vor mir. Ich habe Folgendes gesagt:

„Ich möchte aber (...) betonen, dass auch andere österreichische Banken keineswegs frei von derartigen Mängeln waren und die Prüfberichte der Nationalbank dies ebenfalls aufzeigten.“

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Was meinen Sie mit „derartigen Mängeln“?

Dr. Klaus Liebscher: Generell gesprochen! Nicht alle Mängel bei allen Banken waren ident, aber dass es auch bei anderen Banken Probleme oder Mängel im Risikomanagement gegeben hat, mag und wird so auch gewesen sein. Das meinte ich.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): In diesem Ausmaß? (Auskunftsperson Liebscher: Bitte?) In diesem Ausmaß? So weitgehend, dass das Bankwesengesetz verletzt wird?

Dr. Klaus Liebscher: Das habe ich ja nicht gesagt. (Abg. Hable: Ja, aber das ist meine Frage!) Ich habe nur gesagt „derartige Mängel“, also Liquiditätsthemen, Risikothemen, die hat es gegeben. Das Wort „derartig“ ist ja ein relativ allgemeines, zumindest nach meinem Sprachverständnis.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Aber wollen Sie dann noch immer bei der Aussage bleiben – wo wir jetzt die Mängel, die Prüfberichte, die Ihnen offensichtlich nicht zur Kenntnis gebracht worden sind, wie Sie sagen, auf dem Tisch haben –, dass die Hypo eine Bank war wie jede andere?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, sicher nicht. Bis 2004, bis 2005 wahrscheinlich eher ja, weil sie dort auch nicht besonders auffällig war – noch einmal jetzt: verglichen auch mit anderen. Die Auslandsengagements hatten alle. Das Problem, das wirkliche Problem ist eigentlich erst dann nach der Kapitalverzehrung durch die Swapverluste entstanden. Dort ist sie dann wirklich in den Fokus der Aufsicht gekommen, also der Beobachtung.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Und das nicht vorhandene Risikomanagement aus den Prüfberichten 2001, 2004 (Auskunftsperson Liebscher: Na, aber das ist ja teilweise auf ...!) hat nicht dazu geführt, dass die Bank auffällig war für die Aufsicht?

Dr. Klaus Liebscher: Nein! In einzelnen Bereichen wurden ja auch, glaube ich – das müsste sich ja auch irgendwo finden –, Verbesserungen gemacht und Verbesserungen umgesetzt. Es ist ja nicht so, dass in der Bank gar nichts passiert ist; den Eindruck möchte ich hier nicht hinterlassen. Es ist nichts Ausreichendes passiert.

Es ist natürlich immer wieder etwas festgestellt worden, aber ich kann Ihnen sagen, es gibt Nationalbankberichte von heute, wo ich auch noch in Aufsichtsräten in Banken bin, wo immer noch irgendwelche Mängel festgestellt werden – manche gravierender, manche nicht so gravierend –, aber diese sind nicht existenzgefährdend. Die werden abzuarbeiten sein, aber es gibt keinen Rechnungshofbericht, wo nicht Mängel festgestellt werden. Das liegt dann wahrscheinlich in der Natur einer solchen Prüfung.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Da haben Ihre eigenen oder ehemaligen eigenen Prüfer der Nationalbank eine ganz andere Wahrnehmung. Es ist nämlich nie wirklich etwas gemacht worden. Es ist vor allem nie besser geworden, sondern es ist immer schlechter geworden vom Prüfbericht 2001 bis zum Prüfbericht 2009. Der Prüfbericht 2009 war der Gipfelpunkt mit über 20 Verletzungen des Bankwesengesetzes, dokumentiert im Prüfbericht. – Aber gut.

Dr. Klaus Liebscher: Zum Prüfbericht 2009 kann ich nichts beitragen, da war ich schon zwei Jahre oder eineinhalb Jahre nicht mehr in der Nationalbank. Das werden Sie akzeptieren müssen. Und was früher anlangt, ist es schon so: Ich kann jetzt nicht die Worte der einzelnen Prüfer, die hier vor Ihnen waren, überprüfen, ich war auch nicht dabei, aber es ist absolut falsch, wenn man sagt, es wäre nichts passiert.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Gehen wir weiter zur Rolle der Aufsicht insgesamt, die Sie selbst in Ihrem Einleitungsstatement ja auch angesprochen haben. Sie haben gesagt, die Aufsicht hätte alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Wie kommen Sie zu dieser Aussage? Was waren „alle Möglichkeiten“, und inwiefern sind diese ausgeschöpft worden?

Dr. Klaus Liebscher: Die Aufsicht hat ihre Prüfungen gemacht, hat ihre Prüfungsberichte gemacht und hat dort, wo Maßnahmen zu verlangen waren, diese auch verlangt, in Teilbereichen – ich wiederhole mich natürlich –, aber es sind ja auch Verbesserungsmaßnahmen gekommen. Und vor allem dann dort, wo zum Beispiel diese sogenannten Swapverluste waren, hat sie ihre Möglichkeiten auch ausgeübt, nämlich bis hin zu diesem berühmten Geschäftsleiterenthebungsverfahren oder ‑qualifikationsverfahren.

Also noch einmal: Ich denke, das, was damals möglich war ... Sprich: Wir konnten als Aufsicht nicht verlangen: Geh nicht in diese Expansion, geh nicht in diese Märkte!

Heute – wenn mein Wissensstand richtig ist, aber er ist sicher nicht umfassend in Bezug auf das, was seit der Finanzmarktkrise alles neu gekommen ist – kann die Aufsicht solche Geschäftsbeschränkungen – nachhaltigkeitswirkende Maßnahmen und so weiter und so fort – einsetzen. (Abg. Hable: Das bringt mich zu Ihrer Aussage …!) Und im Rahmen dessen, was damals ... Was hatten wir damals an Möglichkeiten? Wir hatten im Wesentlichen den Konzessionsentzug und das Geschäftsleiterverfahren.

Ich glaube, alles andere, was so wirklich die Prüfungen anbelangt hat: Mehr als festzustellen, das gibt es, und die Erwartungshaltung zu haben, du, Vorstand, wirst das ja auch machen ... Das haben wir sicher alles getan.

Also ich glaube, schlimm wäre, wenn wir Mängel nicht gefunden hätten, verstehen Sie? (Abg. Hable: Herr Dr. Liebscher, bleiben wir – Sie haben es ohnehin gerade angesprochen – bei den rechtlichen Möglichkeiten, die Sie haben!) – Darf ich das noch sagen: Schlimm wäre, wenn wir Mängel nicht gefunden hätten, aber wir haben sie gefunden!

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Richtig, aber es hat keine Konsequenzen gegeben. Das ist die Tragik. Aber bleiben wir bei den rechtlichen Möglichkeiten, die Sie gerade wieder angesprochen haben und hinsichtlich derer Sie jetzt wiederholt gesagt haben, die wirklichen rechtlichen Möglichkeiten wären erst nach 2008 gekommen!

Welche Möglichkeiten hat es denn vor 2008 gegeben? Oder hatten wir eine vollkommen zahnlose Bankenaufsicht?

Dr. Klaus Liebscher: Wir hatten zumindest nicht jene Möglichkeiten – ich drehe es um –, die wir heute haben. Ich habe jetzt schon mehrere Beispiele gebracht, die ja … (Abg. Hable: Ja, schon, das interessiert mich nicht! Mich interessieren die Möglichkeiten, die vorher bestanden haben!) – Die Möglichkeiten, die vorher bestanden haben, waren, dass es, glaube ich, bei der FMA ... Wir als OeNB hatten keine.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Richtig, aber Sie haben sich jetzt schützend vor die FMA gestellt, da nehme ich Sie in die Verantwortung. Sie hätten die ganze Zeit die Möglichkeit gehabt, mit dem Finger auf die FMA zu zeigen. Das hätte ich akzeptiert, aber wenn Sie jetzt sagen, die Finanzmarktaufsicht hatte vor 2008 keine Möglichkeiten, dann muss ich hier natürlich Widerspruch einlegen. (Auskunftsperson Liebscher: Nein, tun S’ mir nicht ...!) Sie sind ja sehr lange im Bankgeschäft, Sie kennen ja § 70 Abs. 4 des Bankwesengesetzes, und der hat schon vor 2008 in dieser Form bestanden. (Auskunftsperson Liebscher: Ja, aber noch einmal, noch einmal ...!) Was steht denn da drin an Möglichkeiten?

Dr. Klaus Liebscher: Soweit ich weiß, kann man die Zwangsstrafe, glaube ich, nach § 70 verhängen, wobei ich glaube, dass manches dort auch erst im Jahr 2008 passiert ist, aber auf diese Diskussion kann ich mich aufgrund nicht detaillierter Kenntnisse jetzt nicht einlassen. Aber soweit ich …

Vorsitzende Doris Bures: Zweite Runde, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ich hab’s eh. Ich kann Ihnen aushelfen.

Dr. Klaus Liebscher: Nein, aber soweit ich weiß, steht ... (Abg. Hable: Herr Dr. Liebscher, ich hab’s eh vor mir!) – Wollen Sie mich reden lassen oder etwas fragen oder ...?

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ich möchte auf den Punkt kommen. (Auskunftsperson Liebscher: Ja, kommen Sie!) Zu § 70 Abs. 4: Ich muss das in diesem Ausschuss wiederholen, wir hatten es hier schon, aber ich kann das nicht im Raum stehen lassen, wenn hier wiederholt gesagt wird, die Finanzmarktaufsicht hätte vor 2008 keine Möglichkeiten gehabt, weil das einfach falsch ist.

§ 70 Abs. 4 Bankwesengesetz hat das klassische Eingriffsinstrumentarium der Finanzmarktaufsicht geregelt – das hat natürlich schon vor der Finanzkrise bestanden –, und das ist erstens, wenn die Bank das Bankwesengesetz verletzt, Zwangsstrafen anzudrohen oder zu verhängen, zweitens die Geschäftsführung zu untersagen, drittens, wenn all das – nämlich erstens und zweitens – nichts hilft, die Konzession zu entziehen.

Und all diese Möglichkeiten hat die Finanzmarktaufsicht nie wahrgenommen. Die hatte sie vorher, und sie hat sie nie wahrgenommen. Das wissen wir doch schon alles aus den Ergebnissen hier im Untersuchungsausschuss, und das kann ich, Herr Dr. Liebscher, wirklich so nicht stehen lassen. Das verstehe ich nicht, dass Sie sich zu dieser Aussage hinreißen lassen, dass die Aufsicht eh alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe. Sie hatte diese drei Möglichkeiten, und sie hat sie nie ausgeschöpft, kein einziges Mal, Faktum!

Dr. Klaus Liebscher: Ich kann Sie ja nicht überzeugen. Ich bin auch nicht davon ausgegangen, dass ich Sie überzeugen können werde. Worauf ich nur hinausmöchte, ist:

Erstens einmal muss man eine gewisse zu wahrende Verhältnismäßigkeit anwenden.

Zweitens dürfen Sie nicht von dem ausgehen, was Sie heute wissen. Was wir 2006 wissen konnten, das ist nicht vergleichbar. Wir konnten (Abg. Hable ein Schriftstück in die Höhe haltend : OeNB-Prüfberichte, da steht alles drin! In den eigenen Berichten steht es drin!) 2006 aufgrund des damaligen Kenntnisstandes und Wissensstandes nicht voraussehen, dass sich eine derartige Entwicklung ereignen wird.

Das ist das Hauptproblem, auch für Sie. – Das akzeptiere und respektiere ich hundertprozentig, aber Sie müssen sich in unsere Situation hineinversetzen: Sie haben zwar Mängel, ja, und das ist alles nicht gut und so weiter und so fort. Bis 2006, bis zu dieser ominösen Geschichte mit den Swaps und dann dem Geschäftsleiterqualifikationsverfahren waren das Fälle, wo ich sage: nicht gut, aber nicht existenzbedrohend. Das war und wäre kein Anlass für einen Konzessionsentzug oder was auch immer gewesen.

Daher hat man diese Maßnahmen – nehmen wir beispielsweise an eines Konzessionsentzugs – auch entsprechend nicht ..., weil das ja keine Gläubigergefährdung ist, wenn ich sage, du hast ein mangelhaftes Risikomanagement. Eine Gläubigergefährdung ist es, wenn ein Liquiditätsengpass entsteht. Eine Gläubigergefährdung …

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Dr. Liebscher, da muss ich Sie auch korrigieren. Von der Gläubigergefährdung steht hier in § 70 Abs. 4 Bankwesengesetz gar nichts.

Die einzige Voraussetzung dafür, dass die Aufsicht das Instrumentarium zur Anwendung bringen kann, ist eine Verletzung des Bankwesengesetzes, und die ist ja in den Prüfberichten (Auskunftsperson Liebscher: Ja, aber ...!) ausreichend dokumentiert.

Dr. Klaus Liebscher: Gut. Ich bin ja so weit, dass ich hergehe und sage: Glauben Sie, eine Zwangsstrafe von 5 000 € hätte das wirklich verhindert, was eingetreten ist?!

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Die Zwangsstrafe nicht, aber wenn wirklich geschaut worden wäre (Auskunftsperson Liebscher: Geschaut haben wir!), ob der Vorstand Konsequenzen setzt, ob es wirklich Maßnahmen gibt und … (Auskunftsperson Liebscher: Es gibt Maßnahmen! Es ist ja immer wieder was passiert!) Herr Dr. Liebscher, das hatten wir alles im Ausschuss schon. Das ist angekündigt worden ... (Auskunftsperson Liebscher: Ja, das weiß ich ja nicht, was Sie schon im Ausschuss hatten!) – Ja, deswegen sage ich es ja, weil ich es so nicht im Raum stehen lassen kann. Das ist alles angekündigt worden, und letztlich ist nichts wirklich umgesetzt worden. Das steht ja in den Prüfberichten der OeNB.

Nächste Aussage von Ihnen, die mich erstaunt hat und die ich auch nicht so im Raum stehen lassen möchte:

Sie haben gesagt, die Hypo wäre sozusagen eine Bank gewesen, die in der Finanzkrise umgekippt wäre – und wenn es die Finanzkrise nicht gegeben hätte, dann wäre die Hypo heute noch in Ordnung. Kann ich das aus Ihren Aussagen schlussfolgern?

Dr. Klaus Liebscher: Das ist jetzt eine Hypothese, die wir aufstellen. Aber was sicher ein Faktum ist, ist, dass die Finanzkrise viele Banken in ganz Europa – in Österreich letztendlich auch zwei – in größte Schwierigkeiten brachte und in die Verstaatlichung führte. Und eine von diesen beiden war eben die Hypo.

Ich unterstelle, dass bei der Hypo eben auch diese Entwicklung, wie wir sie dann aufgrund dieser Finanzkrise hatten, maßgeblich war. Andere Banken haben darunter gelitten, wurden aber nicht in ihrer Existenz gefährdet, und andere Banken – Sie kennen Sie, auch im Ausland einige –, von der Hypo Real Estate angefangen bis zu Commerzbank, ABN[1], RBS oder Bank of Ireland und so weiter sind pleitegegangen.

Die Finanzkrise hat vieles zustande gebracht, was man sich vielleicht auch von der Aufsicht vorher nicht so vorstellen konnte. Das konzediere ich.

Vorsitzende Doris Bures: Eine kurze Frage nur mehr in dieser Runde. (Auskunftsperson Liebscher: Bitte?) – Nein, das war an Herrn Abgeordneten Dr. Hable gerichtet. Eine kurze Frage in der Runde noch, und dann verweise ich Sie auf die dritte Runde. (Abg. Hable: Auf die dritte schon?) Ja.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Kurze Fragen gibt es bei mir nicht.

Dann versuche ich es einmal so: Herr Dr. Liebscher, die gesamten kriminellen Machenschaften in der Causa Hypo, die wir in diesem Ausschuss auch schon behandelt haben – von Hilltop über Punta Skala bis zum Consultants-Verkauf mit 100 Millionen Verlust –, müssen Ihnen doch, wenn nicht damals, so zumindest heute bekannt sein, und die Schlussfolgerung daraus muss sein, dass die Hypo definitiv keine Bank wie jede andere war.

Halten Sie Ihre Aussagen, dass die Hypo nur wegen der Finanzkrise ins Schleudern gekommen ist, unter diesen Gesichtspunkten aufrecht?

Dr. Klaus Liebscher: Ich würde dabei bleiben.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Dr. Liebscher, der Ausschuss hier untersucht vor allem auch politische Einflussnahme, Einflussnahme von politischen Personen. Nun sind zumindest drei Personen aus dem Kabinett des damaligen Finanzministers Grasser in OeNB- und FMA-Funktionen gewechselt.

Hatten Sie den Eindruck, dass das immer nur rein nach Qualifikation ging, oder hat bei der Bestellung vor allem auch das Naheverhältnis zum Minister eine gewisse Rolle gespielt?

Dr. Klaus Liebscher: Also das ist natürlich eine für mich sehr schwer zu beantwortende Frage, weil ich ja die Beweggründe der Entscheidungsträger nicht kenne und nur die Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen hatte.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Hat es damals bei der Bestellung zum Beispiel von Herrn Traumüller zum FMA-Vorstand schon Diskussionen gegeben, ob er überhaupt dafür geeignet ist oder ob es nicht Geeignetere gäbe? Sie haben selber gesagt, bei seiner zweiten Bewerbung haben Sie sich für den anderen Kandidaten ausgesprochen. Wie war denn das bei der ersten Bestellung?

Dr. Klaus Liebscher: Ich kann mich jetzt nicht mehr so genau erinnern. Ich erinnere mich nur an eines: Der erste Vorstand in der FMA war ja Professor Grünbichler, der dann allerdings eine andere Position angeboten bekam und die FMA verließ. Dann gab es ein Vakuum im Vorstand. In dieser Phase war einmal Dr. Traumüller bei mir in der Nationalbank – ich glaube, er war damals im Kabinett bei Minister Grasser, wenn ich nicht irre –, um mir zu sagen, er werde jetzt da irgendwo interimistisch, bis eine Neuausschreibung erfolge, diese Funktion des Vorstandes wahrnehmen. Das habe ich zur Kenntnis genommen, weil ich ja mit der FMA in Personalangelegenheiten nicht mehr zu tun gehabt habe.

Ich war aber sehr überrascht und eigentlich auch ein bisschen befremdet, sage ich ganz offen, dass Traumüller dann Vorstand wurde, weil er mir eigentlich in diesem Gespräch das Signal gegeben hat, er wird das nicht, er hält nur den Platz, damit in der Zwischenzeit jemand gesucht werden kann.

Und qualitativ? – Mein Gott, das ist jetzt natürlich alles schwierig so zu sagen, aber wie ich auch eingangs gesagt habe: Ich stand ihm kritisch gegenüber, weil seine Beantwortungen von Fragen durch Aufsichtsratsmitglieder eben vielfach ein bisschen vage, oberflächlich waren. Also für mich war die Entscheidung, dann 2008 einen anderen aus dem Hearing heraus zu nominieren, sehr einfach.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Weil es mehrere Kandidaten im Hearing gab?

Dr. Klaus Liebscher: Ich erinnere mich nicht mehr, wie viele, aber es waren mehrere.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Wenn man den Aufsichtsrat der FMA zum Zeitpunkt der Swapverluste ansieht, da war der Vorsitzende Herr Lejsek – in einem direkten Weisungsverhältnis zu Minister Grasser –, dann waren Sie und Herr Ittner von der OeNB – wo ich einmal sage, jedenfalls niemals in irgendeinem Weisungsverhältnis zu Herrn Grasser –, Herr Pichler stand hingegen ebenfalls in einem direkten Weisungsverhältnis, und Herr Dr. Christl und Frau Dr. Kanduth-Kristen standen ehemals in einem Weisungsverhältnis, als sie Mitarbeiter in seinem Büro waren.

Ist Ihnen das irgendwie komisch vorgekommen, dass mit Ausnahme von Ihnen und Herrn Ittner alle anderen stimmberechtigen Aufsichtsratsmitglieder entweder zu dem Zeitpunkt in einem Weisungsverhältnis zu Grasser standen oder unmittelbar davor, also wenige Monate oder Jahre vor diesen Sitzungen, in einem Weisungsverhältnis zu Grasser gestanden waren?

Dr. Klaus Liebscher: Also hinsichtlich Christl möchte ich das schon relativieren. Christl ist 2003 in die Nationalbank gekommen. Das heißt also, er stand zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise in einem Weisungsverhältnis.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Kanduth-Kristen stand zu diesem Zeitpunkt auch in keinem Weisungsverhältnis. (Auskunftsperson Liebscher: Nein, Christl, Christl!) Kanduth-Kristen!

Dr. Klaus Liebscher: Ach so! Das weiß ich jetzt nicht.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Aber unmittelbar davor!

Dr. Klaus Liebscher: Aha! Aber was unmittelbar davor ist, zählt nicht, sondern es zählt das, was zu dem Zeitpunkt ist. Und da war sicher mein Kollege Christl im Direktorium absolut weisungsfrei, so wie ich selbstverständlich auch.

Die Besetzung war, glaube ich, auch vom Gesetz oder sonst irgendwie vorgegeben – dass wir in der FMA im Aufsichtsrat drei/drei sind, also drei BMF, drei Nationalbank, und zwei Externe noch von der Wirtschaftskammer Österreich, Kreditsektion, damit auch eine gewisse Einbeziehung in den Aufsichtsrat der zu Prüfenden gegeben ist. Aber das waren die Fakten.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Als Sie OeNB-Gouverneur waren, gab es da irgendwelche Diskussionen wegen, sage ich einmal, Lecks – dass OeNB-Berichte an die Öffentlichkeit gekommen sind? Die OeNB ist ja bekannt für Diskretion. Gab es da irgendwelche Diskussionen, irgendwelche internen Berichte, woher das kam, woher diese Indiskretionen 2006/2007 kamen?

Dr. Klaus Liebscher: Sicher! Ich erinnere mich noch genau, dass wir damals – aber das ist jetzt ein Thema, das unter Umständen eigentlich nicht wirklich den Hypo-Ausschuss betrifft – bei einer Bank einen Prüfungsbericht hatten, den ich dann aufgrund gewisser Vorkommnisse relativ bald, nachdem wir ihn an das BMF und an die FMA versandt haben, in einem Wochenmagazin wortwörtlich wiederfand. Damals war er, glaube ich, vom Bankenausschuss angefordert, den es im Jahr 2006 gegeben hat. Und wir haben uns dann bei der damaligen Präsidentin des Nationalrates dagegen verwahrt, dass sich unsere Prüfungsberichte in den Zeitungen wiederfinden.

Wir wussten, woher er kommt.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ich glaube, Sie verwechseln jetzt zwei Sachen. Entschuldigung, wenn ich das jetzt ... (Auskunftsperson Liebscher: Ja!) Ich korrigiere Sie ungern, aber Sie meinen den Hypo-Rohbericht 2007 (Auskunftsperson Liebscher: Nein, ich ...!) und nicht den BAWAG-Bericht 2006. (Auskunftsperson Liebscher: Ja, darum habe ich ja gesagt ...! Aber der war in den Medien!) Beide waren in den Medien. Bezüglich des einen, stimmt (Auskunftsperson Liebscher: Ja, aber der ist sicherlich ...!), haben Sie sich bei Frau Mag. Prammer beschwert (Auskunftsperson Liebscher: Ja!) – das war im Juli 2007 (Auskunftsperson Liebscher: Ja!) –, aber beim BAWAG-Rohbericht 2006 haben Sie sich nicht bei Frau Mag. Prammer beschwert. (Auskunftsperson Liebscher: Beim Hypo...? Beim BAWAG-Rohbericht?) – Beim BAWAG-Endbericht 2006 haben Sie sich nicht bei Frau Mag. Prammer beschwert, weil es zu dem Zeitpunkt auch keinen Banken-Untersuchungsausschuss gab. Den gab es erst ein Jahr später.

Dr. Klaus Liebscher: Na dann weiß ich jetzt nicht, dann habe ich das zeitmäßig irgendwie verwechselt.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Da haben Sie sich beschwert. Da sind Sie draufgekommen, dass der Bericht, der in den Medien aufgetaucht ist, von Finanzminister Grasser war.

Dr. Klaus Liebscher: Ja, ja, richtig.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Da gibt es ja interne Berichte dazu.

Dr. Klaus Liebscher: Von uns oder ...?

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ja, von Ihnen!

Dr. Klaus Liebscher: Also ich weiß nur, dass wir der Sache nachgegangen sind und feststellen konnten, wo die Quelle für diese Veröffentlichung sein kann, weil die Nationalbank ein sehr feines, ausgeklügeltes System hatte, auf das ich natürlich nicht im Detail eingehen darf, durch das wir genau wussten, welche Stelle welche Version des Berichts hat, sage ich jetzt einmal so. Wir konnten daher immer nachvollziehen, woher dann die Veröffentlichung kam. Wir wussten allerdings nicht, wer im Speziellen die Person war.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Finanzminister Grasser hat sich damals verteidigt, dass er das quasi für alle Mitarbeiter im Kabinett kopieren lassen hat. Ich glaube, gerade dass er nicht beim Portier unten im Finanzministerium noch Exemplare aufgelegt hat. Deswegen war es für die Staatsanwaltschaft unklar, wer es dann an die Medien weitergegeben hat.

Aber so hat er sich damals verteidigt, dass das quasi so oft kopiert wurde, dass nicht mehr klar war, wer es war.

Dr. Klaus Liebscher: Da kann ich nichts beitragen, da war ich nicht dabei. Das weiß ich nicht.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das ist damals schriftlich an Sie – also nicht an Sie persönlich, aber an die OeNB – ergangen. Das haben wir im Banken-Untersuchungsausschuss gesehen. (Auskunftsperson Liebscher: Mhm!) 

Haben Sie sich jemals gegen Einflussnahme des Finanzministers oder dergleichen verwahrt?

Dr. Klaus Liebscher: In der Nationalbank gab es keine Interventionen oder Einflussnahmen im Zusammenhang mit Bankaufsichtsthemen. Es gab natürlich in der Nationalbank in meiner Ära immer wieder Versuche, Druck auszuüben, aber das war eher Druck in Richtung Geldpolitik und solche Themen.

Bundeskanzler Klima wollte im Jahr 1998 die Währungsreserven vereinnahmen – oder einen Großteil. Da habe ich mich quergelegt, habe in der „Pressestunde“ gesagt, das mache ich nicht, dass ich die Notenpresse in Bewegung setze. Dann hat mir der damalige Klubobmann Cap über die Medien ausgerichtet, ich soll mich nicht gebärden wie der Gouverneur einer Karibikinsel.

Im Jahr 1999 bei der ersten Zinssatzerhöhung hat mich der GPA-Vorsitzende Sallmutter, den ich sehr gut kannte, beschimpft, dass ich einer Zinserhöhung zugestimmt habe, wobei er das Abstimmergebnis aus dem EZB-Rat gar nicht wissen konnte.

Später gab es einmal Bundeskanzler Schüssel, der mich dringend ersuchte: Ja keine Zinserhöhung, das wäre schädlich für die österreichische Wirtschaft!, und so weiter.

Also diese Art Druck – aber nie Interventionen – gab es, aber im Zusammenhang mit Bankaufsicht gab es nichts, was mich als Nationalbank gestört hätte oder hätte beeinflussen können.

In Sachen FMA allerdings gab es im Zusammenhang – und Sie müssten mich da jetzt korrigieren, ob das 2006 oder 2007 war, das weiß ich jetzt nicht mehr – diese Möglichkeit, von der der Finanzminister Grasser … – daher muss es 2006 gewesen sein, denn der war nur bis 2006 –, also die Möglichkeit, dass er eine Sonderprüfung, glaube ich, oder wie immer man das nach dem FMABG nennt, machen wollte bei zwei Banken, glaube ich. Und da war ich eher sehr zurückhaltend bis dagegen, weil ich es als Eingriff in die Unabhängigkeit der FMA betrachtet habe, wenngleich er nach dem Gesetz dieses Recht hatte.

Also ich glaube, es war nichts Illegales oder Illegitimes, was er gemacht hat, aber ich war persönlich nicht sehr begeistert, weil ich eigentlich immer die Unabhängigkeit sowohl der FMA, ohne dass ich mich schützend vor die stellen möchte, wie auch der Nationalbank wirklich hoch eingeschätzt habe, denn das ist das höchste Gut. Also das, glaube ich, ist vorgekommen, dass hier so eine … Wie es ausgegangen ist, weiß ich jetzt aber nicht mehr.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Aus dem Aufsichtsratsprotokoll geht das hervor, das ist am 19. Juni 2006, da sagen Sie, da heißt es:

„Gouv. Dr. Liebscher erkundigt sich nach dem aktuellen Stand in den Verfahren Hypo Alpe Adria Bank AG und“ – geschwärzt, mutmaßlich BAWAG P.S.K. „Seitens der OeNB wird der Auftrag des Herrn Bundesministers für Finanzen nach § 16 Abs 4 FMABG unter Berücksichtigung der umfassend determinierten Prüfungsfelder einerseits und der gesetzlich normierten Weisungsfreiheit der FMA andererseits mit großer Zurückhaltung betrachtet.“

Also im Notenbank-Speak heißt das: Wir finden, das ist over the line – also Neusprech, da würde man das eher so sagen; denn Sie haben ja eine sehr zurückhaltende Sprache.

Dr. Klaus Liebscher: Ich war sicher dagegen, aber protokolliert ist es so.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ja ja, Lejsek unterstreicht dann den singulären Charakter des Auftrags, die Weisungsfreiheit bleibe unangetastet, und so weiter. Mag. Ittner schiebt dann noch nach und hält fest, „dass die Prüfungsaufträge der FMA“ – an die OeNB – „jedenfalls nicht über die Zielsetzungen des BWG hinausgehen dürfen.“

Das heißt, also so interpretiert er es, dass Sie prinzipiell sagen, Sie finden, das ist over the line, Lejsek versucht, den Minister ein bisschen zu verteidigen, und dann kommt Hauptabteilungsleiter Ittner und legt quasi die Linie fest: aber wir als OeNB lassen uns da nicht einspannen. (Auskunftsperson Liebscher: Ja!)

Ähnlich habe ich Sie erlebt in der sogenannten Fragebogenaffäre, die ja fast zeitgleich war. Können Sie uns da noch aus Ihrer Sicht sagen, wie das war?

Dr. Klaus Liebscher: Welche Fragebögen?

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Also diese Fragebögen mit den politischen Zielen vom Finanzminister: SPÖ ist schuld am BAWAG-Desaster, die Bundesregierung war super und hat alle gerettet, die Behörden haben keine Fehler gemacht.

Dr. Klaus Liebscher: Entschuldigen Sie, darf ich fragen: Ist das Untersuchungsgegenstand? (Die Auskunftsperson blickt in Richtung Verfahrensrichter und Verfahrensanwalt.)

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Es geht um politische Interventionen in dieser Zeit. – Natürlich!

Dr. Klaus Liebscher: BAWAG ist Untersuchungsgegenstand?

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Nein, ich frage Sie ja kein Wort zur BAWAG …

Dr. Klaus Liebscher: Aber Sie haben die BAWAG in den Mund genommen bei diesen Anfragen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ja, Entschuldigung, zweimal schon oder dreimal, aber ich frage Sie nach dem, wo ein Finanzminister an Sie herantritt, auch als OeNB, und an die FMA in dem Fall, um parteipolitische Munition zu bekommen. Das ist ja nichts Alltägliches (Auskunftsperson Liebscher: Nein!), das wird ja sicher zu Diskussionen geführt haben.

Dr. Klaus Liebscher: Ja. Also ich kenne diesen Fall natürlich und habe den nie vergessen, aber der ist meiner Erinnerung nach direkt an Dr. Christl herangetragen worden, ich habe sicher nicht von Bundesminister Grasser diese Anfrage erhalten. Wir haben – „wir“ heißt das Direktorium – sicher erst nach Beantwortung, und ich fürchte vielleicht sogar auch nach Versand der Antwort an den Minister, hievon erfahren, waren im Direktorium äußerst kritisch gegenüber dieser Vorgangsweise, weil wir drei anderen, sage ich jetzt, von dem nichts gewusst haben in dem Vierer-Direktorium, und haben uns verwahrt dagegen. Wir haben dann auch – ich weiß jetzt nicht, ob das wirklich schriftlich dann festgelegt wurde, aber jedenfalls im Direktorium – beschlossen oder uns darauf verständigt, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passieren darf, ohne dass es das restliche Direktorium weiß und dann entscheiden kann, was es macht oder was es nicht macht oder hinterfrägt oder was immer.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Nächster Fragenbereich: Wann haben Sie erfahren, dass Finanzminister Grasser ein Absetzungsverfahren gegen Traumüller und Pribil eingeleitet hat? Erinnern Sie sich noch, wie Sie davon erfahren haben?

Dr. Klaus Liebscher: Also ich erinnere mich nicht, und ich glaube eher medial.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Es gibt schon einen Bericht, wo Sie dabei waren im Aufsichtsrat, aber der entspricht nicht ganz der Wahrheit, muss man sagen, da steht nämlich nur, dass ein Verfahren nach § 16 FMABG eingeleitet wurde, das heißt, dass der Vorstand zur Stellungnahme aufgefordert wurde. Wir wissen aber in der Zwischenzeit, dass tatsächlich ein Absetzungsverfahren eingeleitet wurde. – Das heißt, Sie haben damals gar nicht davon erfahren?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, als Klaus Liebscher in der Nationalbank und als Gouverneur nicht. Ich weiß nicht, was das ist oder von wann diese Aufsichtsratssitzung stammt ...

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das ist in derselben Aufsichtsratssitzung gewesen, am 19. Juni. Ich kann es Ihnen vorlegen!

Vorsitzende Doris Bures: Bitte vorlegen!

Dr. Klaus Liebscher: Nein, nein, das glaube ich Ihnen schon jetzt, der 19. Juni ...

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): 10542 ist die Nummer.

Dr. Klaus Liebscher: Da ist dieses auch behandelt worden?

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Auch, beides; aber es ist verschleiert behandelt. Ich lasse es einmal zum Anschauen vorlegen. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Vorsitzende Doris Bures: Herr Dr. Liebscher, Sie können sich das Dokument auch in Ruhe durchlesen.

Dr. Klaus Liebscher (in dem Schriftstück lesend): Na gut, da habe ich mich erkundigt. Das ist das, was Sie mich zuerst gefragt haben, und dann: Widerruf, zur Eingabe an den Bundesminister ... Lejsek führt aus – das meinen Sie jetzt, oder? Also das haben wir dann einfach zur Kenntnis genommen im Aufsichtsrat, diese Stellungnahme …

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ja ja, ich sage Ihnen nur, wie es wirklich war: Herr Lejsek hatte den Auftrag vom Kabinettsbüro, den Ball flach zu halten im Aufsichtsrat und hat dort anscheinend nicht ganz so berichtet, was wirklich passiert ist. Also wenn ich das lese, heißt das, es gäbe eine Eingabe nach § 7 Abs. 3 FMABG, was es nicht gab, sondern es gab eine Eingabe nach § 7 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, und dass ein Verfahren nach § 16 eingeleitet worden ist, das ist ein Auskunftsverfahren; also um Stellungnahme des Vorstandes wird ersucht.

Tatsächlich, das haben wir aufgrund der Akten, wurde ein Absetzungsverfahren eingeleitet. Das heißt, Traumüller und Pribil wurden quasi mit der Absetzung bedroht, und es ist ihnen auch klar gesagt worden: Wir leiten ein Absetzungsverfahren ein, und ihr müsst jetzt zu den Vorwürfen Stellung nehmen! Und das wurde dann noch einmal verlängert und erst eingestellt einen Tag, nachdem das Geschäftsleiterqualifikationsverfahren gegen die Hypo Alpe-Adria, also gegen Kulterer, Striedinger und Morgl, eingestellt wurde. Erst einen Tag später wurde dieses Verfahren von Grasser eingestellt, und das wurde nicht ganz korrekt berichtet muss man sagen.

Dr. Klaus Liebscher: Das ist sicher an uns als Nationalbank vorbeigegangen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ja, aber das ist bis jetzt jedenfalls im Ausschuss der klarste neue Fall von politischer Intervention, vor allem vom Finanzminister, an die Aufsicht. Also es gab ja andere wie die Fragebogenaffäre, die Kreditabfragen …

Dr. Klaus Liebscher: Ja, aber das ist FMA und nicht OeNB.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ja natürlich, aber es ist Grasser.

Dr. Klaus Liebscher: Ja, aber ich meine an die Aufsicht FMA und nicht OeNB.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Richtig, aber Sie waren stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. – Ich mache Ihnen ja keinen Vorwurf.

Dr. Klaus Liebscher: Nein, ich habe das so zur Kenntnis genommen, was damals war (Abg. Krainer: Ja ja!), aber wir waren nicht involviert, ich war nicht involviert, mit mir hat niemand darüber gesprochen gehabt.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Wie viel Zeit haben wir noch?

Vorsitzende Doris Bures: 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Greiner.

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Vorsitzende! Herr Dr. Liebscher, ich möchte kurz auf die Landeshaftungen zu sprechen kommen, die Sie in einer Ihrer Antworten schon selbst erwähnt hatten. Sie haben vorhin ausgeführt, dass die Landeshaftungen quasi ein Geschäftsmodell waren, wodurch auch dieses Wachstum möglich war. Warum haben Sie die Landeshaftungen nicht geprüft?

Dr. Klaus Liebscher: Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube nicht, dass wir einen gesetzlichen Auftrag dazu hatten – und das Wort „hatten“ ist wahrscheinlich auch besser als „haben“ –, so etwas zu überprüfen, denn ich meine, wir haben weder von Oberösterreich, von Niederösterreich oder sonst irgendwo Landeshaftungen überprüft oder beurteilt. Das, was ich meinte, war: nur dadurch, dass eben eigentlich alle Hypos, und die Kärntner Hypo natürlich im Besonderen, von der Möglichkeit dieser Landeshaftungen – und damit der Emission und Refinanzierungsbasis verbreiternd und vor allem lange Fristen habend – wesentlich stärker Gebrauch gemacht haben als vergleichbare andere Hypothekenbanken.

Aber die Überprüfung: Ich weiß nicht, welche Rolle da ein Landesrechnungshof oder der Rechnungshof schlechthin hat, aber ich denke, es sind eher diese Organe als die OeNB, die sicher keinen gesetzlichen Prüfauftrag in der Richtung hatte.

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Sie haben es jetzt angeschnitten: Wenn Sie das Mandat nicht hatten, was offensichtlich so war, hätte es wahrscheinlich gehabt, Sie haben es gerade erwähnt, der Landes- beziehungsweise der Bundesrechnungshof?

Dr. Klaus Liebscher: Ja, ich bin kein – wie sagt man jetzt? – Verwaltungs- oder Öffentlichkeitsrechtsjurist, also ich kenne mich da nicht so aus, ob das Landes- oder, sagen wir, Bundesrechnungshof ist, aber sicher ist für die Finanzgebarung eines Bundeslandes nicht die Nationalbank zuständig.

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Dann möchte ich noch vertiefend nachfragen aufgrund einer Ihrer Antworten vorhin, nämlich betreffend Prüfergebnisse aus verschiedenen Prüfungen, die die OeNB durchgeführt hatte. Sie haben auch selbst erwähnt, es wurde der Zyklus verkürzt, den üblichen Drei-Jahres-Zyklus hat man dann verkürzt, sodass öfter Prüfungen stattfinden konnten. Die Hypo war, wir wissen es, eine der bestgeprüften, am öftesten geprüften Banken. Man hat bei diversen Prüfungen Mängel aufgezeigt.

Meine konkrete Frage, weil Sie es vorhin ein bisschen angeschnitten hatten, ist: Hat man Prüfergebnisse erfolgter Prüfungen für Follow-ups oder auch für nachfolgende Prüfungsthemen, Prüffelderdefinitionen verknüpft, hat man die alten Ergebnisse sozusagen umgelegt oder vorgesehen, diese in neuen Prüfthemen abzuarbeiten?

Sie haben gesagt, ja, teilweise hat man das schon gemacht, diese Erwartungshaltung hatte man auch an die Hypo. Aber aufgrund der Tatsachen, die wir heute vor uns liegen haben, aufgrund dieser wirklichen Fehlentwicklungen drängt sich der Verdacht auf, dass man dann doch nicht so Mängel bearbeitet hat, abgearbeitet hat, wie es eigentlich erforderlich gewesen wäre, sprich: Hat man möglicherweise an brisanten Dingen vorbeigeprüft?

Dr. Klaus Liebscher: Ich glaube nicht, dass man an brisanten Dingen vorbeigeprüft hat, ich glaube eher, dass anhand, sagen wir einmal, einer Prüfung und der festgestellten Mängel natürlich dann im Follow-up ja schon hingewiesen oder darauf geachtet wurde, was von dem abgearbeitet worden ist. Und alles, was ich aus einzelnen Prüfungen gehört habe, ist, dass es ja eben sehr wohl Verbesserungsmaßnahmen in Einzelbereichen gegeben hat, aber sicher nicht in allen und sicher nicht mit entsprechendem Zeitdruck. Jetzt könnten Sie natürlich die Frage stellen: Was hat dann die Nationalbank gemacht? – Die hat wiederum darauf hingewiesen, dass das weiter abzuarbeiten ist, wenn ich Ihre Frage jetzt richtig verstanden habe. (Abg. Greiner: Danke vorerst!)

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Herr Dr. Liebscher, Sie haben wohl schon bestätigt, dass es dieses Gespräch mit Herrn Traummüller oder Traumüller, oder wie immer ... (Auskunftsperson Liebscher: Traumüller!) – Traumüller, ja. – Er hat ja hier im Ausschuss gesagt, dass er nicht weiß, ob er jetzt geträumt hat oder ob dieses Gespräch tatsächlich stattgefunden hat.

Dr. Klaus Liebscher: Das habe ich in der Zeitung gelesen.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Ja, das haben Sie ja schon bestätigt, dass es nicht stattgefunden hat. Aber eine andere Frage zu Herrn Traumüller: Der war ja schon im Finanzministerium und ist unter Minister Edlinger als Gruppenleiter für Personalfragen bestellt worden. Haben Sie vorher schon mit ihm etwas zu tun gehabt? (Auskunftsperson Liebscher: Nein!) – Haben Sie nie? Gut.

Dann ist ja jetzt aufgezeigt worden, dass der Aufsichtsrat der FMA, dem Sie ja angehört haben, quasi bestimmt war vom Finanzministerium. Wissen Sie zufällig, wie heute die Konstellation ist, hat sich da irgendetwas geändert?

Dr. Klaus Liebscher: Also: „der Aufsichtsrat (…) bestimmt war vom Finanzministerium“ … Ich glaube, dass es im Gesetz so drinnen stand oder steht, dass paritätisch Nationalbank und BMF die sechs Mitglieder stellen. Wir haben natürlich keinen Einfluss genommen und gehabt auf die Bestellung durch das BMF, und das BMF hat keinen Einfluss gehabt auf die Bestellung durch die OeNB.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Also da hat sich jetzt nichts geändert, nach meinem Wissensstand ist das immer noch so, und es ist sogar ein Kabinettsmitglied von Herrn Minister Schelling im Aufsichtsrat der FMA, also ...

Dr. Klaus Liebscher: Das mag sein, das weiß ich nicht.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Ja, ist Fakt. Nur damit man jetzt nicht glaubt, dass es damals dann anders war oder wider das Gesetz gehandelt wurde.

Sie haben bei der Befragung durch Herrn Dr. Pilgermair nicht mehr antworten können, weil die Zeit nicht gereicht hat. Sie haben es ein bisschen angedeutet, dass es Differenzen gegeben hat zwischen OeNB und FMA. Können Sie das bitte ein bisschen erläutern?

Dr. Klaus Liebscher: Mein Gott, schauen Sie: Bis 2001 war das Finanzministerium für die Bankaufsicht zuständig und hat die Oesterreichische Nationalbank mandatiert, diese Prüfungen durchzuführen. Dann ist, glaube ich, auf europäischer Ebene die Diskussion entstanden, und damit auch auf österreichischer Ebene. Dieses ist eine relativ singuläre Konstellation, dass ein Finanzministerium für die Bankaufsicht zuständig ist, denn in den meisten anderen europäischen und überseeischen Ländern waren es die Nationalbanken, die für die totale Bankaufsicht zuständig waren.

Dann ist Minister Grasser Finanzminister gewesen und wollte eigentlich der Nationalbank die bankaufsichtlichen Tätigkeiten im Zuge einer solchen Reorganisation überhaupt entziehen. Es ist uns damals allerdings – meiner Kollegin im Direktorium, Frau Dr. Tumpel-Gugerell, Präsident Wala, damals Vorsitzender im Generalrat gewesen, und mir – gelungen, den Minister zu überzeugen, dass das, was er plant, nicht das Gelbe vom Ei ist.

Es war damals nämlich so, dass in England die damalige Regierung der Bank of England die Bankaufsicht entzogen hat, die FSA gegründet hat, eine unabhängige Finanzmarktaufsicht. Dann gab es eine interessante politische, würde ich sagen, Konstellation, nämlich dass Grasser mit Minister Eichel, dem deutschen Finanzminister, eine Allianz schmiedete, dass die Deutschen nicht unbedingt die Bundesbank als Finanzaufsicht wollten und die Österreicher, also Grasser, nicht unbedingt die Nationalbank. Und in beiden Ländern haben sie dann eine unabhängige Finanzmarktaufsicht gegründet, bei uns die FMA, in Deutschland die BaFin, da waren sie sich interessanterweise einig.

Wir haben gekämpft, was gegangen ist, für unsere Möglichkeiten, in der Nationalbank weiter in der Bankaufsicht zu bleiben. Grasser wollte ursprünglich, dass diese FMA sogar abhängig wird und nicht unabhängig wird. Es ist mir gelungen, ihn zu überzeugen, dass er damit in der OECD keine gute Nachricht oder Reputation bekommen hätte, wenn wir eine abhängige, eine weisungsabhängige Bankaufsicht hätten.

Gut, dann ist die FMA 2002 gegründet worden, und es ist relativ klar: Wir haben die Expertise gehabt, die FMA ist auf der grünen Wiese gegründet worden, mit einigen Beamten aus dem Finanzministerium, qualitativ hervorragend, aber nicht in der direkten Bankaufsicht. Und natürlich gab es dann am Anfang ein gewisses, ich würde sagen, Claim-Abstecken, in den ersten zwei, drei Jahren vielleicht, wer ist wofür und wie – und natürlich war eine unglückliche Gesetzgebung, das möchte ich schon auch sagen hier, nämlich mit Doppelgleisigkeiten.

Die FMA hat Leute hineinschicken dürfen in eine Prüfung und die OeNB in erster Linie. Jetzt waren ja oft manchmal dann die Streitereien: Wer ist wirklich dafür zuständig, und wer macht die Prüfungen? – Ich glaube nicht, dass die Qualität der Prüfung per se gelitten hat. Die Prüfer selber, das habe ich so am Rande mitbekommen, haben sich weitestgehend ja alle entweder eh schon gekannt von früher oder auch gut zwischenmenschlich verstanden.

Aber oben auf der geschäftspolitischen, strategischen Ebene, jetzt sage ich: Direktorium Nationalbank und Vorstand FMA, da hat es sicher einiges an Diskussionen gegeben, weil wir natürlich auch mit Argusaugen beobachtet haben, was die in unserem Metier machen, und die wahrscheinlich, was wir machen.

Also ich war eigentlich sehr glücklich, dass dann – und ich glaube, das war ein Ergebnis des Bankenausschusses von seinerzeit, 2006 oder 2007 – diese Neuordnung gekommen ist, dass mit 1.1.2008 die Bankaufsicht, die wirkliche, reale Bankaufsicht bei der Nationalbank geendet ist und lediglich die behördliche Funktion bei der FMA.

Also es wäre falsch, wenn man sagen würde, das war völlig friktionsfrei. Das hat aber eher mehr die geschäftspolitische Ebene zwischen den zwei Vorstandsebenen betroffen, auf der Prüferebene hat es sicher, glaube ich, schon besser funktioniert bis gut funktioniert, das hat aber sicher nicht die Qualität der Prüfberichte beeinflusst.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das haben uns an und für sich die Prüfer, die wir im Frühjahr schon befragt haben, mehr oder weniger so bestätigt, also im Grunde genommen dürfte das wirklich damals so gewesen sein. Ich habe nur die Motivationslage noch nicht herausgefunden, warum das damals sowohl Grasser als auch Minister Eichel, wie Sie gesagt haben, machen wollten. War das einfach damals en vogue, oder hat es da irgendeine andere Motivation gegeben? Ideologisch kann es ja nicht begründet sein, denn Herr Minister Eichel kommt ja, soviel ich weiß, von der SPD.

Dr. Klaus Liebscher: Wie ich zu erläutern versucht habe, war es so, dass die Engländer vorgeprescht waren, und die Engländer haben, jetzt sage ich bewusst, der Bank of England die Bankaufsicht entzogen und haben eine unabhängige Behörde gemacht, weil sie der Meinung waren – und da gibt es ja in der Literatur, in der Ökonomie und in der Theorie sehr, sehr viele Pro- und Kontrastimmen –, dass Geldpolitik und Bankaufsicht nicht in einer Hand sein sollten.

Das war ja dann ein Argument auch für Grasser und, ich denke, auch für Eichel in Deutschland, zu sagen – das war damals Gordon Brown in England –, versuchen wir, die Notenbanken etwas zurückzudrängen. Ganz offen gesagt, manchen Regierungen waren die Notenbanken mit ihrer Unabhängigkeit auch nicht gerade so nahestehend, sagen wir einmal so, und wenn wir ihnen jetzt die Bankaufsicht auch noch geben, dann werden sie noch stärker.

Das waren für mich die wahren Beweggründe. So gesehen hat man dann eben versucht, so eine unabhängige Behörde zu schaffen. Bei uns war dann die Kompromissversion am Anfang: Also wenn es schon nicht anders geht, dann lassen wir die Nationalbank wenigstens hinein in die Bankaufsicht über die Prüfung, aber die FMA steht genauso Gewehr bei Fuß und hat auch eigene Bankprüfer.

Aber der Hintergrund war nichts Ideologisches, sondern das war eher: Halten wir die Nationalbanken im Zaum, die werden uns möglicherweise zu mächtig!

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das erklärt mir jetzt dann doch einiges. Die Lösung, die in Österreich gemacht worden ist, war halt dann ein bisschen ein Kompromiss, kann man eigentlich davon ausgehen.

Dr. Klaus Liebscher: Meine Meinung war, ich hätte am liebsten die FMA, sage ich brutal, seinerzeit nicht gehabt und die Bankaufsicht in der Nationalbank. Das war nicht drinnen. Sie sind wesentlich erfahrener als ich in der Richtung. Deswegen ist es ein Kompromiss geworden: Machen wir die FMA doch, denn das ist ja im Ausland teilweise auch so! Es hat sich in der Zwischenzeit bestätigt, dass das nicht die beste Lösung war. Die FSA ist eigentlich wieder zurückgezogen worden und ganz anders konstruiert worden, und in manchen anderen Ländern haben sie dann auch wieder stärker die Nationalbanken genommen. Das habe ich nicht zu beurteilen.

Damals jedenfalls war es dann der Kompromiss, mit dem alle Beteiligten, denke ich, leben konnten, bis 2008. 2008 – ich glaube, das war eben ein Ergebnis des damaligen Bankenausschusses – hat man dann gesagt, so geht das nicht, das ist doppelgleisig. Darum habe ich ja versucht, manchmal zu sagen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen waren nicht optimal. Und das war auch eine der Rahmenbedingungen. Versuchen wir, das ein bisschen zu fokussieren: Die Nationalbank wird zuständig für die Aufsicht, und die Behörde ist die FMA.

Ich war dann nur mehr kurz, ein halbes Jahr oder acht Monate, in der Bank, aber was ich dann empfunden habe, war, dass viele der auf der oberen Ebene bestanden habenden Friktionen weggefallen sind. Das hängt aber teilweise auch mit den Akteuren zusammen, wie immer im Leben sind Personen sehr entscheidend. Aber in der Sache – das müssen Sie nicht, aber sollten Sie mir glauben – haben sich die Prüfer von diesen Schwierigkeiten da oben nicht beeinflussen lassen in ihren Prüfungsergebnissen.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Ich möchte jetzt wieder zur Hypo zurückkommen. Leider war halt damals die Zeit der Friktionen genau in dieser Phase, wo die Hypo dementsprechender Aufmerksamkeit bedurft hat.

Ich darf Ihnen den Akt 9670 vorlegen, ein Schreiben von Herrn Dr. Kulterer an Sie. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.) Den ganzen Brief brauche ich jetzt nicht vorzulesen, ich lese das jetzt nur auszugsweise vor. Das Schreiben ist vom 18. Jänner 2002, da steht:

„Sehr geehrter Herr Gouverneur, lieber Freund! Ich darf Dir als Beilage einen Brief übermitteln, den ich an Frau Vize-Gouverneurin Dr. Tumpel-Gugerell versandt habe und bitte auch Dich, meine Sensibilität nicht mißzuverstehen.“ – So beginnt der Brief.

Inhaltlich beklagt er, Dr. Kulterer, sich, dass bereits seit sieben Jahren immer wieder der Versuch unternommen werde, über Gerüchte das Image und die Reputation der Hypo Alpe-Adria zu schädigen. Aufgrund der Erfolge der Bank im Alpe-Adria-Raum fühlt er sich aber „aus Kreisen verfolgt die der Meinung sind, daß etwas nicht sein kann, was nicht sein darf“. Seine Erfahrungen „mit einzelnen administrativen Organisationen und Kontrollinstanzen auf der Wiener Ebene“ haben bei ihm persönlich „eine unheimliche Sensibilität hervorgerufen“. Er bittet Sie daher „um entsprechenden Schutz und faire Behandlung“.

Können Sie sich an dieses Schreiben noch erinnern?

Dr. Klaus Liebscher: Ich freue mich, dass es das noch gibt, denn jetzt kann ich mich erinnern. Ja, ich kann mich erinnern.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das Schreiben an Frau Dr. Tumpel-Gugerell ist nicht im Aktenbestand. Wissen Sie noch, was da drinnen gestanden ist?

Dr. Klaus Liebscher: Nein.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Ich habe bei der Befragung von Herrn Kulterer auch den Eindruck gehabt, dass da wirklich eine gewisse Sensibilität vorhanden war. Ich will das jetzt nicht so krass ausdrücken und „Verfolgungswahn“ sagen, aber man hat ein bisschen das Gefühl gehabt, dass die Kärntner den Eindruck gehabt haben, dass die „Wiener“ – unter Anführungszeichen – die Kärntner verfolgen, so wie es ja in diesem Brief drinnen steht.

Können Sie das irgendwie bestätigen, oder haben Sie eine andere Wahrnehmung?

Dr. Klaus Liebscher: Bestätigen kann ich es sicher nicht. Meine Wahrnehmung war – ich kann natürlich nur für die Nationalbank sprechen –, dass hier nach objektiven Maßstäben vorgegangen wurde, Prüfungen gemacht wurden und dergleichen mehr und wir weder Begünstigungen noch Verfolgungen gegenüber irgendeiner Bank hatten.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Ja, aber von wem könnte er sich verfolgt gefühlt haben?

Dr. Klaus Liebscher: Das müssten Sie ihn fragen.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Also Sie haben nie mit ihm persönlich noch einmal darüber gesprochen?

Dr. Klaus Liebscher: Ich glaube, dass ich in meiner Ära als Gouverneur Dr. Kulterer, den ich ja noch aus meiner Raiffeisenzeit heraus kannte, vielleicht ein-, zweimal irgendwo gesehen habe in Wien, vor allem auch bei gelegentlichen von Banken durchgeführten Veranstaltungen, wo er auch war.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Aber da ist dann darüber nicht mehr gesprochen worden?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, sicher nicht.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Haben Sie auf dieses Schreiben überhaupt geantwortet? Wir finden nämlich nichts im Aktenbestand.

Dr. Klaus Liebscher: Das ist richtig, denn ich habe nicht geantwortet. Ich habe öfters Schreiben erhalten, die ich, wie, ich glaube, auch hier mit meiner Schrift oben steht, mit „Ablage“ versehen habe, und damit war für mich der Fall erledigt, denn so einen Brief beantworte ich nicht.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Es ist oft besser, man antwortet nicht, da kann ich Ihnen recht geben.

Zur Zeit dieses Schreibens kann er sich ja noch nicht von der FMA verfolgt gefühlt haben, denn die hat es ja damals noch nicht gegeben. Da wäre ja dann eigentlich nur das BMF oder die OeNB in Frage gekommen.

Dr. Klaus Liebscher: Ist das eine Frage?

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Nein, das war mehr oder weniger eine Feststellung.

Dr. Klaus Liebscher: Eben, da brauche ich ja nicht zu antworten.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Sie haben aber auch nie den Eindruck gehabt, Sie müssen Herrn Kulterer vor denjenigen, die ihn aus Wien verfolgen, besonders schützen?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, sicher nicht.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Wir werden Herrn Kulterer vielleicht eh noch einmal befragen können.

Dann hätte ich noch ein weiteres Kapitel: Soweit ich das in Erinnerung habe, sind Sie zwei Monate, bevor die OeNB bei Vergabe des Partizipationskapitals non-distressed festgestellt hat (Auskunftsperson Liebscher: Vier Monate vorher!) – oder vier Monate – … Da war ja schon Ihr Nachfolger, der Herr Gouverneur Nowotny … Hat das in Ihrer Zeit noch eine Rolle gespielt, als Sie noch Gouverneur waren? Oder ist das erst nach Ihrer Zeit diskutiert worden?

Dr. Klaus Liebscher: Was denn?

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Der Antrag auf Partizipationskapital beziehungsweise die Prüfung der OeNB.

Dr. Klaus Liebscher: Nein, sicher erst … Nein, nein, nein, war bis 31.8. kein Thema in der Nationalbank.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): War kein Thema, also auch Sie haben nicht … (Auskunftsperson Liebscher: Also meiner Erinnerung nach: Nein!) Sie haben nichts mit der Beurteilung der OeNB zu tun? (Auskunftsperson Liebscher: Nein!) – Gut, Danke.

Dr. Klaus Liebscher: Die Beurteilung der OeNB haben Sie gesagt?

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Durch die OeNB, Entschuldigung.

Dr. Klaus Liebscher: „Durch die OeNB“, das ist etwas anderes.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Durch die OeNB; also dass die OeNB festgestellt hat, dass die Bank non-distressed ist. (Auskunftsperson Liebscher: Nein, nein!) – Gut, danke vielmals.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Herr Dr. Liebscher, Sie haben gesagt, es kommt natürlich in der Zusammenarbeit zwischen OeNB und FMA auch auf die Personen an. Sie haben das Verhältnis zu Traumüller angesprochen. Das hat bei mir zwei Fragen aufgeworfen.

Die erste ist: Sie haben davon gesprochen, dass Traumüller bei Ihnen war und gesagt hat, er wird jetzt einmal vorübergehend in der FMA die Führung übernehmen. Und dann haben Sie vom Jahr 2008 gesprochen, von einem Hearing, als Sie sich dann für Ettl entschieden haben. Heißt das, dass es im Jahr 2002 kein Hearing gegeben hat und dass Traumüller ganz einfach stillschweigend von einem interimistischen Vorstand zu einem dauerhaften Vorstand bis 2008 wurde?

Dr. Klaus Liebscher: Wissen Sie, die Frage habe ich mir in der Zwischenzeit auch schon gestellt gehabt – und ich kann sie nicht mehr beantworten; ob das nicht damals ein reines Nominierungsrecht des Finanzministeriums war, so wie wir als Nationalbank auch ein Nominierungsrecht hatten, bei der Erstbestellung nämlich. Und bei der Zweitbestellung oder Wiederbestellung sind wir dann gemeinsam mit dem BMF auf die Hearings gekommen.

Ich glaube, dass das eine Situation war, die eben aus der Gründungsphase herauskam. Aber ich bin mir jetzt auch nicht mehr sicher, wie die Umstände wirklich waren. Aber ich bin mir hundertprozentig sicher, beim Thema der Wiederbestellung gab es Hearings, die im Finanzministerium stattgefunden haben.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Das heißt, hätten Sie Herrn Traumüller dann in den Vorstand … Oder: Hätten Sie sich für Traumüller ausgesprochen, hätte es damals schon ein Hearing gegeben?

Dr. Klaus Liebscher: Das ist eine hypothetische, theoretische Frage, die ich eigentlich nicht beantworten möchte. Ich habe sie aber beantwortet, wie 2008 meine Einstellung war.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Die zweite Frage, die sich mir betreffend die Zusammenarbeit zwischen FMA und Nationalbank stellt, ist: Wir haben schon einige Prüfer hier gehabt, die von Machtkämpfen unter den Prüfern gesprochen haben. Ist Ihnen das jemals aufgefallen?

Dr. Klaus Liebscher: Also ich habe nichts von Machtkämpfen gehört. Dass es Reibereien – sage ich einmal vielleicht so – oder kleinere Rivalitäten gegeben haben mag, lag eben an dieser in meinen Augen nicht sehr glücklichen Situation, dass es sowohl Prüfer von der einen wie auch von der anderen Institution gemeinsam waren und es da vielleicht das eine oder andere gab. Aber überwiegend war zumindest damals mein Eindruck, das funktioniert auf Prüferebene.

Und viele haben sich ja auch aus der Vergangenheit gekannt, weil die Prüfer der FMA – zumindest in der Anfangsphase – alle aus dem BMF gekommen sind und seinerzeit ja schon, bevor es die FMA gab, mit der OeNB zusammengearbeitet haben. Also ich glaube, dass man das nicht überbewerten darf und dass das daher grosso modo eher friktionsfrei funktioniert hat.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Jetzt gibt es natürlich immer wieder Berührungspunkte zwischen diesen beiden Institutionen, zwischen der Nationalbank und der FMA, in der gesamten Aufsicht. Und da gibt es ein paar – ich würde sagen – Schlüsselerlebnisse. Das eine war wahrscheinlich, als CONFIDA-Chef Karl-Heinz Moser, zuerst Wirtschaftsprüfer – die CONFIDA war ja vorher Wirtschaftsprüfer der Hypo Alpe-Adria-Bank –, in den Aufsichtsrat gewechselt ist und dann auch Aufsichtsratsvorsitzender geworden ist.

Da gab es ja eine rechtliche Überprüfung. Waren Sie damit befasst? (Auskunftsperson Liebscher: Nein!) – Überhaupt nicht? (Auskunftsperson Liebscher: Nein!) Da gab es keine Gespräche mit Ihnen? (Auskunftsperson Liebscher: Nein!) – Okay.

Das zweite Schlüsselerlebnis war zweifelsohne der Fall des Auftauchens oder der Fall des Aufdeckens der sogenannten Swapverluste und der Rückziehung des Testats im März 2006. Können Sie uns aus Ihrer Wahrnehmung sagen, wie Sie das damals wahrgenommen haben, wann Sie davon erfahren haben und ob Sie auch damit befasst waren?

Dr. Klaus Liebscher: Also das genaue Datum, wann ich davon erfahren habe, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Aber Sie haben gesagt, am 30. März (Abg. Tamandl: Am 30. März 2006 wurde das Testat zurückgezogen!) 2006, daher unterstelle ich, dass ja sehr, sehr nahe dazu sicherlich seitens der Prüfer die Nationalbank und die FMA oder die FMA und die Nationalbank – ich weiß nicht, in welcher Reihenfolge – zu informieren waren. Und da dies sicher ein eher ungewöhnliches Ereignis ist, gehe ich davon aus – auch wenn ich keine schriftlichen Unterlagen dazu habe –, dass ich sehr rasch davon informiert wurde, dass dieses Testat zurückgezogen wurde. Aber das muss daher in den … Ich weiß jetzt gar nicht, was der 30. für ein Wochentag war, aber wenn es nicht am 30. selbst war, dann wird es am 1. oder am 2. gewesen sein, sicher.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Ich möchte Ihnen gerne das Dokument 9670 vorlegen – die Dokumentennummer ist schon erwähnt worden, das ist nämlich an diesen Brief angehängt, den Ihnen Herr Kulterer geschickt hat –, Lieferant ist die Oesterreichische Nationalbank; das ist mit 31. März 2006 datiert, das war der Tag, als die Öffentlichkeit von der Rückziehung des Testats informiert wurde.

Dr. Klaus Liebscher: Das ist aber … – 6. Juni steht hier.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Seite 4 von 4; das ist mit 31. März 2006 datiert, und da sind Sie zitiert, also „OeNB-Gouverneur Liebscher: Keine Duldung undurchsichtiger Transaktionen am österreichischen Finanzplatz – Solidität des österreichischen Finanzplatzes unverändert gegeben“, und so weiter.

Waren Sie da seitens der FMA eingebunden? Hat man da gemeinsam versucht, Schadensbegrenzung zu machen? Natürlich hätte das auch dazu führen können, dass die Kunden ihre Guthaben von der Bank abziehen und es zu einem Bankenrun kommt.

Dr. Klaus Liebscher: Also es war sicher nicht Schadensbegrenzung in Richtung der Bank, sondern es war Schadensbegrenzung in Richtung des gesamten Finanzplatzes. Am 31. März 2006 hatten wir einen Parallelfall auch in Österreich, als die Leute bei den Schaltern Schlange gestanden sind, um Geld im Sackerl abzuholen. Und daher – und da steht eh die zweite Bank auch in dieser Aussendung drinnen – war es Schadensbegrenzung in Richtung: keine Vertrauenskrise in die österreichischen Banken generell entstehen lassen. Und darum war auch der letzte Satz: „Die Spareinlagen sind nicht gefährdet.“

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Konkret geht es natürlich bei der zweiten Bank um die BAWAG. (Auskunftsperson Liebscher: Ja!) Das war natürlich damals auch Thema. Ich gehe davon aus, dass das natürlich auch Thema war beim berühmten Gespräch im Burggarten zwischen den beiden Vorständen der FMA, Traumüller und Pribil, und dem damaligen Bundeskanzler Schüssel, weil man ja nicht wollte, dass der Finanzplatz gefährdet ist, was ja Herr Traumüller hier auch geschildert hat. Das werden wir ja noch herausfinden, was da konkret in diesem Gespräch besprochen wurde.

Ich möchte aber, was diese Swapverluste betrifft, noch fragen: Hat es das in Ihrer Zeit, als Sie zehn Jahre lang in der Notenbank Gouverneur waren, jemals gegeben, dass ein Bankprüfer sein Testat zurückgezogen hat?

Dr. Klaus Liebscher: Ich erinnere mich nicht.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Jetzt kam es zu diesem Geschäftsleiterqualifikationsverfahren – es wurde ja heute schon angesprochen – ...

Dr. Klaus Liebscher: „Ich erinnere mich nicht“ heißt: Ich kenne keinen Fall!

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Ja, ja, ich weiß. Ich habe das schon so verstanden, darum bin ich da jetzt darüber hinweggegangen.

In diesem Fall kam es dann zu diesem Geschäftsleiterqualifikationsverfahren. Man hat angestrebt, die Vorstände von ihrer Funktion zu entheben. Kulterer ist ja dann selber zurückgetreten und ist in den Aufsichtsrat gewechselt und dann auch Aufsichtsratsvorsitzender geworden. Das hat natürlich, sage ich einmal, eine völlig schiefe Optik, weil er ja dann derjenige war, der als Aufsichtsrat seine Tätigkeit als Vorstand kontrolliert hat, wo er ja letztendlich wirtschaftlich versagt hat. Er ist ja später wegen Bilanzfälschung angeklagt und verurteilt worden, denn da wurde ja mit Gutachten und Gegengutachten versucht, zu beweisen, dass die Bilanzierung im Jahr 2004 richtig war. Aber man hat halt dann festgestellt, dass die Bilanzierung eben anders gesehen wurde, und deshalb ist das Testat zurückgezogen worden, neuerliche Prüfung et cetera.

Waren Sie in diese Sache involviert, als Kulterer dann in den Aufsichtsrat gewechselt ist? (Auskunftsperson Liebscher: Nein!) – Überhaupt nicht?

Vorsitzende Doris Bures: Sie sind bereits in der zweiten Runde!

Dr. Klaus Liebscher: Nein, denn das war ja nicht unser Thema. Wir mussten es eigentlich zur Kenntnis nehmen, denn weder die FMA noch die Oesterreichische Nationalbank hat[2] mir damals eine Einflussnahme darauf – weil es ja diese gesetzlichen cooling-off periods noch nicht gegeben hat; die sind, glaube ich, ein halbes Jahr später dann gekommen – ... Wir mussten das daher zähneknirschend, aber doch zur Kenntnis nehmen.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Wie gesagt, eine total schiefe Optik, dass sich jemand dann selbst kontrolliert: Er scheidet aus dem operativen Geschäft aus, geht in den Aufsichtsrat, kontrolliert seine eigenen Machenschaften.

Viele der Auskunftspersonen hier im Untersuchungsausschuss haben gesagt, Kulterer war die Bank, man musste Kulterer behalten, um Kontinuität für die Bank zu haben. – Wie haben Sie das damals gesehen?

Dr. Klaus Liebscher: Mein Gott, wissen Sie, Kulterer hatte – ich rede jetzt sicher von den Jahren bis 2006 und nicht nachher – bei manchen seiner Bankkollegen … Und daran erinnere ich mich auch, dass die mir gesagt haben: Na schaut euch an, wie der das da unten macht! Und warum sind wir nicht auch so expansiv unterwegs? – Das war nicht die Mehrheitsmeinung, aber das waren Stimmen.

Sicher war für mich auch klar, dass Kulterer am Anfang ein geschickter Bankmanager war, der offensichtlich sein Geschäft durchaus verstanden hat – wie immer Sie das jetzt werten wollen –, aber es gab ja auch in den neunziger Jahren oder in den ersten 2000er Jahren keine wesentlichen, sagen wir einmal, Gründe, an seiner Integrität oder an seiner persönlichen Qualifikation, bis hin auch zu Themen einer Governance oder „fit and proper“, wie wir es heute nennen, zu zweifeln. Allerdings glaube ich, wenn dann gegen jemanden ein Geschäftsleiterqualifikationsverfahren ausgesprochen werden muss, weil ihm zunächst der Verdacht unterstellt werden musste, dass er Bilanzen fälscht, dann bricht natürlich so ein Gebilde in sich zusammen und Sie haben einen anderen Einblick und Eindruck.

Aber in den ersten Jahren seiner Tätigkeit würde ich nicht glauben wollen, dass es nicht auch durchaus eine Reihe von Menschen gegeben hat, die ihn bewunderten. Ob man ihn wirklich so bezeichnet hat – Kulterer ist die Bank! –, das weiß ich nicht mehr, aber Kulterer war sicher stark identifiziert mit der Bank, weil er ein starker Vorstandsvorsitzender sicher war.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sicher bis zum 30. oder 31. März 2006, keine Frage. Spätestens dann aber – denn auch das haben einige oder viele Auskunftspersonen hier ausgesagt: es war überhaupt nie jemandem ein anderer Fall bekannt, wo die Wirtschaftsprüfer, die Bankprüfer ein Testat zurückgezogen haben –, spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten wirklich alle Alarmglocken schrillen müssen. Trotzdem hat man Kulterer in den Aufsichtsrat geschickt, er hat sich dann letztendlich selber kontrolliert.

Ich möchte Ihnen noch einen Aktenvermerk vorlegen mit der Dokumentenummer 12838. Meinen Kollegen hier ist dieser Aktenvermerk bestens bekannt, das ist der Aktenvermerk von Herrn Dr. Kandler von Deloitte. Deloitte war einer der Wirtschaftsprüfer – es gab ja hier ein Joint Audit zwischen CONFIDA und Deloitte. Deloitte waren ja diejenigen, die dann letztendlich den Bestätigungsvermerk als Erste zurückgezogen haben, die CONFIDA da ein bisschen ausgebremst haben. Ich habe auch schon gesagt, alle Alarmglocken hätten schrillen müssen.

Aber die Prüfer haben oder Kandler hat dann im Jahr 2007, nämlich am 26. Februar 2007, einen Aktenvermerk verfasst, wo er ein Telefonat geführt hat mit Herrn Mag. Ettl über das Entdecken oder das Vermuten von Kick-back-Zahlungen an die Herren Kulterer und Striedinger. Sie sind hier auch angeführt – „zur Information“. Also Herr Mag. Ittner, Herr Dr. Christl und Sie sind hier angeführt als „zur Information“.

Hier ist von mehreren Hunderttausend Euro Kick-back-Zahlungen die Rede. Da ist die Rede davon, dass das Vertrauensverhältnis seitens Deloitte total gestört wäre, dass man schon überlege, ob man nicht das Mandat zurücklegt. – Können Sie sich daran erinnern?

Dr. Klaus Liebscher: Ja, kann ich.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Können Sie uns sagen, was Sie damit zu tun hatten oder was man unternommen hat?

Dr. Klaus Liebscher: Mein Gott, schauen Sie, jetzt sage ich Ihnen einmal eines: Ich hatte damals schon einige Jahrzehnte im Bankgeschäft hinter mich gebracht. Für mich war der Vorwurf einer Kick-back-Zahlung zunächst nichts Sensationelles – für mich persönlich –; so etwas habe ich drei, vier Mal in meinem Leben früher auch erlebt. Alles ist eingestellt worden, nie ist etwas gewesen.

Was allerdings hier anders war, ist, dass es natürlich vom Wirtschaftsprüfer kam. Das ist anders, als wenn Sie anonyme Anzeigen haben oder wenn Sie dieses Whistleblowing oder so irgendwie, wie man es heute nennt, haben. Aber trotzdem hat es mich persönlich, sage ich einmal, aufgrund meiner vergangenen Erfahrungen nicht aus dem Sessel geworfen, und ich habe es als Verdacht empfunden – und ein Verdacht heißt ja noch lange nicht, dass etwas ist.

Zweitens war klar, dass mir damals auch gesagt wurde – und ich habe das sicher auch in der Nationalbank mit Christl besprochen, denn Christl war mein erster Ansprechpartner, weil er Direktoriumskollege und für die Bankaufsicht zuständig war –, wir müssten dieser Sache nachgehen, aber wir warten jetzt einmal, weil ja Kandler selber gesagt hat, er wird sich da noch schlaumachen, was denn dort überhaupt herauskommt.

Also noch einmal: unangenehm, so ein Verdacht; ein Wirtschaftsprüfer spricht das sicher mit Bedacht aus und nicht ins Blaue hinein. Andererseits, für mich persönlich: So etwas habe ich mehrmals erlebt – nachgehen, prüfen und dann weiter schauen, was kommt aus dem Verdacht an Realität, an echtem Vorwurf heraus, und dann wird man zu agieren haben.

Vorsitzende Doris Bures: Frau Abgeordnete, erstens einmal ist Ihre Redezeit für die erste und zweite Runde ausgeschöpft – ich merke Sie gerne für die dritte Runde vor.

Zweitens haben wir zu Beginn vereinbart – und das werde ich jetzt auch machen, weil wir die Sondersitzung aufzurufen haben –, die Sitzung jetzt zu unterbrechen. Wir sehen uns im Nationalratssitzungssaal, und ich werde die unterbrochene Sitzung dann um etwa 12.15 Uhr wieder aufnehmen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Der medienöffentliche Teil der Sitzung wird um 11.50 Uhr unterbrochen und um 12.18 Uhr als solcher wieder aufgenommen.)

*****

12.18

Vorsitzende Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wir setzen die Befragung der Auskunftsperson Dr. Klaus Liebscher fort.

Frau Abgeordnete Tamandl hat in dieser Runde noch eine Restredezeit von einer Minute. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Herr Dr. Liebscher! Lassen Sie mich noch einmal auf diesen Aktenvermerk von Kandler zurückkommen und noch einen anderen Aspekt mit hereinbringen.

Es war ja dann so, dass ein Jahr zuvor, im März 2006, als Deloitte vorgeprescht ist und das Testat zurückgezogen hat, am nächsten Tag, nachdem die Prüfer in die Bank gekommen sind, sie von Kulterer aus der Bank geschmissen worden sind. Ein Jahr später tauchte dann der Verdacht auf Kick-back-Zahlungen auf – und dann prüfte man und kam zu dem Schluss, dass an den Kick-back-Zahlungen nichts dran war.

Können Sie sich erinnern, wie da geprüft wurde? Gab es da auch Vorfälle, dass die Prüfung behindert wurde, verhindert wurde, dass man Drohungen ausgestoßen hat in Bezug darauf, warum da überprüft wurde? Können Sie sich daran erinnern?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, mir ist nichts bekannt, dass gegenüber den Prüfern der Nationalbank Drohungen oder Behinderungen oder so etwas ausgesprochen wurden, sondern die haben dann ihre Prüfung ganz normal über Auftrag der FMA aufgenommen.

Aber mir ist nie etwas zu Ohren gekommen, dass wir der Tür verwiesen wurden, oder solche Themen.

 

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Das heißt, so wie man im Jahr 2006 mit den Wirtschaftsprüfern umgegangen ist, so ist man im Jahr 2007 nicht mit den …?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, ich glaube der Respekt gegenüber der Nationalbank war trotzdem ein höherer!

Vorsitzende Doris Bures: Frau Abgeordnete ich muss Sie jetzt auf die dritte Runde verweisen. (Abg. Tamandl: Darf ich nur noch einen Satz …!) – Ja.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sie haben jetzt nämlich das Stichwort geliefert, der Respekt gegenüber der Nationalbank war doch noch größer. Da frage ich Sie jetzt aber schon: Warum hat man dann nie mit Lizenzentzug gedroht? Wenn der Respekt so groß war, hätte man doch irgendwann einmal sagen müssen: So, und jetzt entweder …, oder Lizenzentzug! Wie sehen Sie das?

Dr. Klaus Liebscher: Das ist eben schwarz-weiß. In Wirklichkeit ging es schon damals auch um die Verhältnismäßigkeit der einzuleitenden Gegenmaßnahmen oder Maßnahmen durch die Aufsicht, und sagen wir einmal, alle damals vier, fünf … – ich rede immer noch von der Zeit vor dem Geschäftsleiterqualifikationsverfahren und vor diesen Swapverlusten – waren Vorkommnisse, die nicht erfreulich sind, die zu beheben sind, aber alle nicht geeignet waren, um einen Konzessionsentzug als allerallerletztes Mittel herbeizuführen, denn der Konzessionsentzug ist das Mittel dann, um zu sagen … oder weil vorher eine Gläubigergefährdung wäre; aber aus risikomanagementtechnischen Überlegungen, aus Mängeln dieser Art, ist keine Gläubigergefährdung – und ich sage noch einmal: zum damaligen Zeitpunkt – absehbar, voraussehbar oder feststellbar gewesen.

Vorsitzende Doris Bures: Damit gelangen wir zur dritten Fragerunde.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Wir haben nur mehr eine Stunde und zehn Minuten, denke ich, und nur zur Komplettierung und für das Protokoll – es haben ja auch andere schon in die Richtung gearbeitet –: Der Griss-Bericht sagt ja: Immer schon hat es Möglichkeiten gegeben, nach dem Bankwesengesetz einzuschreiten, und dann speziell ab 1.1.2007. Herr Dr. Liebscher spricht ja immer von 2008, da war eine größere Reform, aber es hat ja auch eine Reform 2007 gegeben. § 70 weist eine Reihe von Möglichkeiten aus, speziell für die Zwangsstrafbeauftragung, wenn der rechtmäßige Zustand nicht hergestellt wird, also auch in kleineren Fällen, im Wiederholungsfall, die Geschäftsführung teilweise zu untersagen. Also es hat schon differenzierte Möglichkeiten gegeben. Das passt jetzt jedenfalls in die Befragung mehrerer Kollegen hier. Wir können das ja auch später in die Berichte aufnehmen. Ich habe extra das Rechtsinformationssystem noch einmal bemüht, mit welchem Datum welche Novellen waren.

Jetzt zu etwas anderem: Herr Dr. Liebscher, im Zuge der Berichtslegung 2007, wobei diese Prüfung 2006 schon aufgenommen wurde, gibt es einen Aktenvermerk, in welchem der Prüfer Alarm schreit, weil die Eigenmitteldarstellung bei Weitem nicht ausreichend ist. Er macht sogar eine Ad-hoc-Meldung nach oben. Ich darf Ihnen das bringen lassen. (Der Auskunftsperson werden Schriftstücke vorgelegt.) Darin sind Sie in der Pyramide auch einkopiert und haben offensichtlich unterschrieben.

Da geht es also am 20. Oktober 2006 um ein zentrales Prüfkapitel dieses Notenbankberichts 2007. Ist das Ihre Unterschrift da umseitig? (Auskunftsperson Liebscher: Ja, absolut!) – Ja. Die Sache ist aber – wenn Sie die erste Seite anschauen –, dass der Prüfer ja schon einleitet … Da er eine Vorortprüfung nach BWG macht, stößt er jetzt auf diese Eigenmittelausstattungsproblematik, die ja in dem Prüfbericht dann das Hauptkapitel darstellt. Was wollen Sie dem Ausschuss sagen: dass Sie sich nicht erinnern können, dass Sie mit der Berichtslegung und Aufarbeitung 2007 nie befasst waren, oder können Sie sich vielleicht nur nicht erinnern? Da geht ja eindeutig hervor, dass das mit einem aktuellen Bericht zu tun hat.

Dr. Klaus Liebscher: Was ist Ihre konkrete Frage? Die habe ich jetzt vielleicht überhört.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Sie sind ja hier einkopiert (Auskunftsperson Liebscher: Ja!), und der Prüfer sagt: Wir sind gerade vor Ort, machen diesen Bericht 2007, bei dem Sie sagen, er ist Ihnen nie vorgelegt worden. Das mag sein, ich frage Sie aber jetzt noch einmal, ob Sie von dieser Sache dann nicht wenigstens Kenntnis hatten oder ob Sie das nur vergessen haben, denn das ist ja das Gleiche, das Ihr Interesse hätte wecken können.

Dr. Klaus Liebscher: Ich glaube, das ist relativ allgemein natürlich zu beantworten, dass die Eigenmittelausstattung der Hypo immer eine knappe war.

Vorsitzende Doris Bures: Eine kurze Frage noch in dieser Runde, bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ja. Dieser Aktenvermerk beweist ja, dass … (Auskunftsperson Liebscher: … im Oktober 2006 sollten sich die Eigenmittel entspannen …!) Ja, im September 2006 hat die Prüfung begonnen, nach einem Monat schreiben die Prüfer gleich im ersten Absatz, weil sie diese Vorortprüfung machen (Vorsitzende Bures: Eine kurze Frage!) – ja, ich komme genau jetzt dazu –, hier geht es mit den Eigenmitteln komplett durcheinander, da fehlt es ja in Zigmillionenhöhe im Kontext, und Sie zeichnen das ab.

Jetzt frage ich Sie noch einmal, ob Sie sich nicht irgendwie erinnern können, nicht an Eigenmittelgeschichten, sondern dass die OeNB in dieser Zeit im Haus war und dabei ist, einen höchst kritischen Bericht zu legen.

Dr. Klaus Liebscher: Ja, das ist ja offensichtlich durch diesen Aktenvermerk dokumentiert. (Abg. Kogler: Warum erklären Sie dann dem Ausschuss, dass Sie kein Interesse …?) – Bitte? (Abg. Kogler: Warum erklären Sie dann dem Ausschuss …?)

Vorsitzende Doris Bures: Nein, Herr Abgeordneter, das ist Ihre Redezeitvereinbarung, die Sie getroffen haben.

Dr. Klaus Liebscher: Das habe ja ich nicht gesagt! Das hat Herr Abgeordneter Lugar gesagt, aber nicht ich. Er hat mir unterstellt, dass ich kein Interesse hätte. Ich selbst habe das Wort sicher nie in den Mund genommen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Schöne Überleitung! Ich habe eine Frage und zwar zu diesen Kick-back-Zahlungen: Sie haben gesagt, dass für Sie das nichts Ungewöhnliches war, dass Sie das öfters gehört haben, dass Kick-back-Zahlungen stattgefunden haben. Können Sie das ein bisschen erläutern: Wo ist das passiert, und wie oft ist das passiert, und war das alltäglich?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, also alltäglich natürlich nicht, und ich habe auch vorher gesagt, wie die Frage war, dass ich ungefähr drei- oder viermal in meinem früheren Leben – und jetzt müsste ich sagen, vor meiner Zeit in der Nationalbank natürlich – so etwas erlebt habe, dass es den Vorwurf, den Verdacht einer Kick-back-Zahlung gegeben hat bei Institutionen, die hier nichts verloren haben, dass sie namentlich erwähnt werden. Diese Verdachtsmomente haben sich aber auch in meinen Erfahrungen damals als nicht realistisch herausgestellt, und es wurden daher auch weiter keine Probleme darin gesehen.

Also ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass für mich der Vorwurf einer Kick-back-Zahlung nicht etwas war, was ich in meinem Leben noch nie gehört hätte.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Okay. Von wem wurde das herangetragen? Waren das auch Wirtschaftsprüfer, war das ein Steuerberater, oder war das irgendjemand, der diese Kick-back-Zahlungen an Sie herangetragen hat, also in den vorhergehenden Fällen?

Dr. Klaus Liebscher: Das war sicher nicht auf der Ebene des Wirtschaftsprüfers. (Abg. Lugar: Das heißt, das war hier einmalig, dass der Wirtschaftsprüfer das …!) Das war Whistleblowing – das hat man seinerzeit noch nicht so benannt –, also quasi anonyme Anzeigen oder teilweise auch namentliche Vorhalte oder mit einem Schreiben gebracht von jemandem, sogar unterschrieben, mit einem konkreten Verdacht: Der nimmt Provisionen oder was auch immer, also auch ein Art Kick-back, selbstverständlich.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Das heißt, bei all diesen Ereignissen war das nicht verdichtbar im Sinne von: Wenn der Wirtschaftsprüfer das sagt, wenn das der Steuerberater sagt, dann muss das ja irgendwie mehr Gewicht haben, als wenn das irgendwer sagt, nehme ich einmal an.

Dr. Klaus Liebscher: Die Qualität des Informanten, in dem Fall Wirtschaftsprüfer, ist sicher eine höhere, als wenn Sie entweder eine anonyme Verdachtsmeldung oder selbst von einem Mitarbeiter einer betroffenen Unternehmung so etwas bekommen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Das heißt, man könnte sagen, dass in dem Fall das wirklich eine starke Qualität hatte, weil es eben der Wirtschaftsprüfer war, noch dazu, wenn man betrachtet, dass die gleiche Kanzlei ja schon einmal ein Testat zurückgezogen hatte und sich sicherlich in den Aussagen etwas vorsichtiger verhalten wird.

Dr. Klaus Liebscher: Das habe ich gesagt: Die Qualität des Wirtschaftsprüfers bei so einem Verdachtsmoment ist sicher eine andere, als die eines anonymen Anzeigers.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Genau, und trotzdem hat Sie das nicht vom Sessel geholt, und Sie sind der Sache auch nicht wirklich nachgegangen, nehme ich einmal an.

Dr. Klaus Liebscher: Sie haben recht, wenn Sie sagen, es hat mich nicht vom Sessel geholt. Sie haben nicht recht, wenn Sie sagen, ich bin der Sache nicht nachgegangen. (Abg. Lugar: Wie sind Sie konkret der Sache nachgegangen?), weil ich sicher damals meinen Kollegen Christl und meinen Gesprächspartner aus dem Direktorium – und Zuständiger für die Bankaufsicht war Christl – diesbezüglich angesprochen habe. Ich mache allerdings sicher nicht über jedes meiner Gespräche, das ich in der Nationalbank geführt habe oder darüber hinaus, schriftliche Notizen, sondern ich habe sicher gesagt: Wir müssen der Sache nachgehen, und wir müssen die Sache überprüfen, aber mehr ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht notwendig!

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Und wie ist die Sache ausgegangen?

Dr. Klaus Liebscher: Soweit ich mich erinnere, hat der Prüfer, der Wirtschaftsprüfer, seinen Verdacht zurückgezogen, allerdings nach einer gewissen Zeit erst; aber zurückgezogen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Und warum er das gemacht hat, wissen Sie nicht? (Auskunftsperson Liebscher: Nein!) War er für Sie nicht relevant.

Dr. Klaus Liebscher: Nein, das behaupten Sie! Aber wenn er dann sagt, der Verdacht hat sich nicht erhärtet, dann ist ja offensichtlich die Causa erledigt. Ich kann ja nicht ...

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Na, nicht wirklich, nicht wirklich! Warum? – Es gibt ein Gesetz, und zwar: In der Strafprozessordnung, in § 78 steht: „Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht“ – der Verdacht! – einer strafbaren Handlung bekannt, „die ihren (…) Wirkungsbereich betrifft“ – das wäre in diesem Fall ja auf jeden Fall gegeben –, dann hat sie die Verpflichtung, eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zu übermitteln.

Das heißt, der Verdacht reicht aus, und der Verdacht ist ausreichend, wenn der Wirtschaftsprüfer ein Schreiben beziehungsweise ein Telefonat macht, wo er sagt, dass das hier auch verifizierbar ist – er hat da von einem Betrag gesprochen, das heißt, er muss ja Rechnungen gesehen haben. Er hat gesagt, das ist eindeutig zuordenbar, und er hat sogar gesagt, dass kein Vertrauen mehr zwischen Bank und Wirtschaftsprüfer bestehe und man überlege, das Prüfmandat zurückzulegen. Das heißt: Da sieht man ja auch schon aufgrund der Wortwahl, dass man sich da einiges überlegt hat, also nicht einfach so ins Blaue hinein formuliert hat.

Das heißt, dieser Verdacht wurde Ihnen bekannt, und Sie hätten die Pflicht gehabt, das anzuzeigen. Warum haben Sie das nicht getan?

Dr. Klaus Liebscher: Ich weiß nicht, ob ich die Pflicht gehabt hätte. (Abg. Lugar: Das steht ja hier im Gesetz!) Ich weiß nicht, ob dieses Gesetz damals in dieser Form auch so gegolten hat. (Abg. Lugar: 1975! Ich glaube, das passt!) – Okay, na ja, dann passt es.

Nein, ich bin kein Strafjurist, ich kann das nicht beurteilen. Da wissen Sie viel besser Bescheid, offensichtlich, als ich. Aber ich bin immer davon ausgegangen, in meinem ganzen Leben, dass ich einen Verdacht begründen muss, um eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft einzubringen, und nur aufgrund eines offensichtlich sehr vagen Verdachts, wie ich auch vorher in diesem Aktenvermerk lesen konnte, ist das in meinen Augen zu wenig. Hätte sich dieser Verdacht erhärtet, wäre der Wirtschaftsprüfer nachher gekommen und hätte gesagt, ja ... (Abg. Lugar: Aber das ist nicht Ihre Aufgabe! Sie haben uns ja vorher gesagt, das ist nicht Ihre Aufgabe!) – Warum lassen Sie mich denn nicht ausreden? (Abg. Lugar: Na, weil Sie da hier etwas sagen, was im Widerspruch zu dem ist, was Sie vorher gesagt haben!)

Verfahrensanwalt Dr. Bruno Binder: Ja, das darf er doch! Er darf Ihnen doch widersprechen!

Dr. Klaus Liebscher: Ich muss ja nicht Ihrer Meinung sein, oder muss ich das? (Abg. Lugar: Nein, aber Sie sollten konsistent in Ihren Aussagen bleiben!) Aber Sie dürfen mir vielleicht … oder geben Sie mir die Gnade, dass Sie mir zuhören? Danke! Wenn sich der Verdacht erhärtet hätte, wären wir dieser Sache sicherlich mit einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft nachgegangen, denn dann hätten wir sagen können, das und das und das sind die Gründe, weshalb ein dringender Tatverdacht besteht.

Wenn ich aber am soundsovielten Februar damals, wie dieser Notiz zu entnehmen ist, nur höre, der Wirtschaftsprüfer spricht von einem möglichen Verdacht, fragt an, ob wir so etwas überhaupt schon gekannt haben – wir haben es nicht gekannt –, dann ist es naheliegend, dass man sich im Hause der Nationalbank einmal damit beschäftigt, mit dem Wirtschaftsprüfer spricht, weitere Verfolgungsschritte setzt, in Richtung Wirtschaftsprüfer: Überprüfe, was du hier sagst! Und wenn dann der Wirtschaftsprüfer drei oder vier Wochen später kommt und sagt: Der Verdacht hat sich nicht erhärtet!, ist für mich eigentlich der Fall erledigt. Was soll ich dann noch anzeigen?

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Darf ich jetzt? Wissen Sie, warum im Gesetz steht: „der Verdacht einer Straftat“? Da steht nicht drin: der erhärtete Verdacht, oder: die Bestätigung einer Straftat; da steht drin, „der Verdacht“. Wissen Sie, warum?

Wenn Sie zum Beispiel als Sozialarbeiter ein Kind sehen, das mit einem blauen Auge aus einer Wohnung kommt, und Sie die Nachbarn fragen, und die sagen: Ja, ich habe gehört, dass es da Probleme gegeben hat!, dann sind Sie verpflichtet, das anzuzeigen. Sie müssen nicht den Vater fragen, ob er tatsächlich die Stiege runtergefallen ist oder eine Tachtel bekommen hat, sondern Sie müssen das einfach anzeigen, weil das so im Gesetz steht – „der Verdacht einer Straftat“ –; und Sie haben nicht darüber zu befinden, ob sich das erhärtet oder Sonstiges. (Vorsitzende Bures: Wenn Sie bitte die Frage formulieren!) Sie haben einfach nur diesen Verdacht anzuzeigen, weil es so im Gesetz steht, und wenn Sie das anders auslegen, ist es eindeutig nicht gesetzlich, ganz eindeutig.

Dr. Klaus Liebscher: Nehme ich zur Kenntnis.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Dr. Liebscher, kommen wir zurück zu der letzten Frage von mir aus der vergangenen Runde, wo ich nicht mehr viel Zeit hatte und Sie bei Ihrer Grundaussage geblieben sind, die Hypo sei sozusagen durch die Finanzkrise gefällt worden, und ich diese Frage gestellt habe – die Hypo ist ja nicht wie eine andere Bank gewesen; mir stellt sich die Frage –, ob Sie keine Wahrnehmung hatten zu den kriminellen Vorgängen in der Bank selbst, beziehungsweise, wenn Sie es damals nicht hatten, mit dem Kenntnisstand von heute, ob Sie nicht Ihre Meinung revidieren würden, dass die Hypo nicht von der Finanzkrise gefällt wurde, sondern schon vorher.

Dr. Klaus Liebscher: Mein Kenntnisstand von heute ist nicht relevant für das, was ich seinerzeit gewusst oder nicht gewusst habe.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Aber Ihre Aussage ist nach wie vor von heute, die haben Sie ja heute wieder bestätigt, dass die Hypo Ihrer Meinung nach durch die Finanzkrise in Schwierigkeiten gekommen ist.

Dr. Klaus Liebscher: Ich habe in meiner Stellungnahme gesagt, zum damaligen Zeitpunkt war diese Fehlentwicklung der Hypo weder absehbar noch voraussehbar, und habe dann nur einen Nebensatz angefügt, wie sie dann letztlich durch die Finanzkrise ausgelöst wurde.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ich frage Sie sozusagen aus der Perspektive des heutigen Wissensstandes. Würden Sie heute noch immer sagen, die Hypo ist durch die Finanzkrise gefällt worden? Das haben Sie ja bestätigt, deswegen frage ich ja.

Dr. Klaus Liebscher: Ich bin fest überzeugt, so wie andere Banken auch durch die Finanzkrise geschädigt wurden, dass ein wesentlicher Faktor die Finanzkrise war hinsichtlich der Liquidität, hinsichtlich der wirtschaftlichen Rezessionserscheinungen, die sich dann abgezeichnet haben, die natürlich dann sicher zu einer dramatischen Verschlechterung der Bonität – gerade am Balkan – verschiedener Kreditnehmer, verschiedener Sicherheiten – man hat da sehr auf das Thema Sicherheiten gesetzt – führte.

Und ich glaube nicht, dass … Und Ihre Frage, ob ich von irgendwelchen kriminellen Machenschaften seinerzeit – die nachträglich im Zuge der CSI Hypo wahrscheinlich überwiegend, denke ich, zu Tage getreten sind – … Das haben wir als Nationalbank sicher nicht gewusst, weil auch viele Fälle, wo ja diese Machenschaften waren – und jetzt spreche ich natürlich auch teilweise mit dem Wissen von heute – in jenen Ländern waren, wo die Notenbank ja gar nicht prüfen durfte, weil das nicht vorgesehen war, in der damaligen Zeit; sondern da war der lokale Aufseher, und wir haben konsolidierte Ergebnisse bekommen und mussten uns auch verlassen auf das, was der Wirtschaftsprüfer vor Ort in Kroatien oder in Slowenien oder in Montenegro oder in Bosnien von sich gegeben hat, und nicht mehr und nicht weniger.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Wie gesagt, mich interessiert Ihr Wissensstand von heute – und deswegen finde ich es erstaunlich, dass Sie auch heute noch sagen, es war die Finanzkrise, denn das stimmt ja in Sachen Hypo einfach nicht.

Heute wissen wir – natürlich, ich glaube Ihnen das schon, dass Sie das damals nicht gewusst haben –, dass zum Beispiel in der Causa Hilltop 37 Millionen € vergeben worden sind ohne Sicherheiten, mit einem gefälschten Gutachten, und die ganze Transaktion verschleiert durch Liechtensteiner Briefkastenfirmen. (Auskunftsperson Liebscher: Ja, aber das haben wir ...!) Würden Sie mit diesem Kenntnisstand noch immer sagen, die Hypo ist durch die Finanzkrise gefällt worden?

Dr. Klaus Liebscher: Ich sitze hier als Auskunftsperson für die Zeit von 2000 bis 2007, und die Fragen, die Sie mir stellen, sind Fragen, die sich nachträglich erst über forensische Untersuchungen überhaupt ergeben haben. Wir als Nationalbank haben sicher in dieser Zeit, in der wir geprüft haben, von diesen Vorkommnissen, aus Gründen, die ich vor zwei oder drei Minuten näher zu erläutern versucht habe, nichts gewusst. Und ob ich heute dieses oder jenes anders oder so beurteile, das dürfen Sie mich erst fragen, vielleicht, wenn ich in der dritten Phase dieses U-Ausschusses auch noch eingeladen werden sollte.

Aber zu der Frage 2000 bis 2007 bitte ich auch das zu beachten, was Frau Dr. Griss, die ja heute von verschiedenen Abgeordneten schon mehrfach zitiert wurde, im „Standard“ am 5. September sehr klar gesagt hat: Verhalten ist aus zeitgleichen Umständen und nicht mit dem Wissensstand im Nachhinein zu beurteilen.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ja, und aus heutiger Sicht haben wir zu beurteilen, ob die Hypo unter anderem durch kriminelle Vorgänge ins Kippen gekommen ist oder durch die Finanzkrise. Ich sage ganz offen, warum mir das so wichtig ist: weil die Begründung mit der Finanzkrise natürlich eine Ausrede ist! Heute wissen wir es ja besser, und deswegen erstaunt es mich, dass Sie auch heute, mit dem heutigen Wissen, noch immer dieser Ausrede, es wäre die Finanzkrise gewesen, Vorschub leisten. (Auskunftsperson Liebscher: Ich kann Ihnen Ihr Erstaunen nicht ...!)

Aus der Phase 2007, um ein weiteres Beispiel zu nennen, das wir auch schon im Untersuchungsausschuss hatten: Verkauf der Consultants-Tochter. Grundstücke, die mindestens 300 Millionen € wert waren, wie wir erfahren haben, sind um 62 Millionen € verkauft worden. Und auf die Kredite, die darauf gelegen sind, in Höhe von mindestens 150 hat die Bank verzichtet.

Das wissen wir heute. Kann man heute ernsthaft noch behaupten, die Hypo ist durch die Finanzkrise ins Kippen gekommen und nicht dadurch, dass solche Geschäfte abgeschlossen worden sind?

Vorsitzende Doris Bures: Nachher noch eine kurze Frage.

Dr. Klaus Liebscher (nachdem er in seinen Unterlagen gelesen hat): Ich schaue nur nach, was ich wirklich gesagt habe. Ich habe gesagt: insbesondere auch aufgrund der Finanzmarktkrise. Also habe ich nicht „ausschließlich“ gesagt, und ich lege Wert darauf, dass Sie mich auch so verstehen – wollen, können.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Gut, dann eine letzte Frage noch, anschließend an den bekannten Kandler-Aktenvermerk; es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ist durch die Nichtanzeige dieses Verdachts sozusagen die Aufsichtspflicht verletzt worden, oder es hat vielleicht Interventionen gegeben, um diese Vorwürfe unter der Tuchent zu halten. Die Frage ist natürlich: War das jetzt Inkompetenz, oder war es Intervention, vielleicht von politischer Seite?

Herr Christl, Ihr Kollege von damals, hat ja letzte Woche im Untersuchungsausschuss diese Frage beantwortet. Er meint zur Frage Inkompetenz oder politische Intervention: „Gehen Sie von (...) Inkompetenz aus.“

Wie würden Sie diese Frage beantworten?

Dr. Klaus Liebscher: Sicher nicht so. – Erstens, Ihre Frage nach politischer Intervention: Nein, hat es sicher nicht gegeben.

Zweitens: Das Aufzeigen der Swapverluste, und darauf bezog sich ja Ihre Bemerkung ... (Abg. Hable: Nein! Kandler-Vermerk!) – Kandler. Ach so, Kick-back. Kandler-Kick-back.

Also: Politische Intervention gab es sicher gar nicht. Und Inkompetenz? – Ich wüsste nicht, was da für ein Zusammenhang mit Inkompetenz sein soll, denn was ich im Liveticker von Christl gesehen habe, war das eine Frage von Ihrem Herrn Kollegen Vavrik im Zusammenhang mit den Vorwürfen von Deloitte im Zusammenhang mit den Swapverlusten. Dort hat er nämlich gesagt: Ist es nicht sonderbar, dass die Swapverluste durch den Prüfer der Bank mitgeteilt werden, und die Aufsicht hat das nicht gewusst? – Und da sagte Christl: Nennen Sie es Inkompetenz.

Ich lehne das ab! Ja, zumindest im Liveticker habe ich es so gelesen.

Also Ihre Frage war nicht auf Kandler … Bei Kandler wüsste ich nicht, was inkompetent sein sollte. (Zwischenruf des Abg. Hable.)

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich muss Sie auf die nächste Runde verweisen.

Dr. Klaus Liebscher: Ich interessiere mich schon auch aktuell für die Vorgänge. Wir haben also nicht angezeigt, das habe ich jetzt schon mehrfach gesagt. Ich bin auch kein Strafjurist, ich weiß auch nicht, ob das schlecht oder gut war. Ich nehme zur Kenntnis, was Herr Abgeordneter Lugar gesagt hat.

Aber: Ich stehe eben trotzdem auf dem Standpunkt – ich bin auch kein Rechtsanwalt –, dass man einem Verdacht doch nachgehen sollte. Und dann, wenn er begründet ist, klage ich an oder mache ich eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft. Das ist halt mein Zugang zu diesem Thema.

Da Herr Kandler oder der Wirtschaftsprüfer – ich bleibe allgemein, weil ich ja gar nicht weiß, ob es dann auch Herr Kandler war – diesen Verdacht wieder entschärft und zurückgezogen hat, war damit für uns auch klar, dass wir nicht mehr zum Staatsanwalt gehen. Wäre der Verdacht erhärtet worden, dann wäre es auch klar, dass wir zum Staatsanwalt gehen.

Verfahrensanwalt Dr. Bruno Binder: Herr Abgeordneter, Ihre Frage ist wirklich vollständig beantwortet. Die Auskunftsperson hat gesagt, dass sie den Verdacht als begründeten Verdacht versteht, und das ist auch völlig in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung. Es ist nicht so, dass man, wenn irgendwer etwas sagt, gleich zum Staatsanwalt rennt, sondern dass man das eben begründen muss. So hat er das beantwortet.

Wenn Sie anderer Meinung sind, dann ist es Ihnen ja unbenommen, aber Sie können nicht sagen, dass die Frage nicht beantwortet war und nicht begründet beantwortet war. (Abg. Hable: Das habe ich auch nicht gesagt!)

Vorsitzende Doris Bures: Gut, dann gehen wir in der Befragung weiter. Nächster Fragesteller: Herr Abgeordneter Kucher.

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Dr. Liebscher, ich möchte noch einmal zu der politischen Verantwortung kommen. Aus Ihrer langjährigen Erfahrung: Ist Ihnen einmal aufgefallen, haben Sie mitbekommen, dass auch versucht wurde, konkret auf die Auswahl und Festlegung von Prüfgebieten politisch Einfluss zu nehmen (Auskunftsperson Liebscher: Nein! Also mir ist nicht ...!), dass Finanzminister zum Beispiel gesagt haben, sie würden sich gewisse Schwerpunkte wünschen? Ist das einmal vorgekommen oder Ihnen erinnerlich?

Dr. Klaus Liebscher: Also wenn, dann spielen Sie auf einen Fall an, der in die Ära zurückgeht, als die Bankaufsicht noch im Finanzministerium war. Aber nachher, also ab 2002, nach Gründung der FMA, ist das meines Wissens sicher nie erfolgt.

Ich würde auch unterstellen … Und darum habe ich mich ja auch dagegen ausgesprochen oder sehr zurückhaltend geäußert in der FMA-Sitzung, in der Aufsichtsratssitzung, als damals dieses zwar gesetzlich legitimierte, aber doch eher unübliche Vorgehen war, dass man hier eine Sonderprüfung oder eine spezielle Prüfung macht.

Also mir ist nichts bekannt, dass die Nationalbank – also über mich hundertprozentig nicht, und meine Kollegin Dr. Tumpel-Gugerell sicher genauso nicht – irgendetwas hatte.

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Und dass Bankdirektoren direkt Prüfgebiete vorschlagen und herangetragen werden und diese übernommen werden, ist Ihnen auch nicht erinnerlich?

Dr. Klaus Liebscher: Das ist eher unüblich, denn erstens einmal kann sich eine Bank nicht eine Prüfung wünschen, sondern die Prüfung wird durch die Oesterreichische Nationalbank vorgenommen, im Auftrag der FMA.

Zweitens wäre es ja eher ungewöhnlich, wenn ich Bankvorstand wäre – und das war ich viele Jahre hindurch –, dass wir bei der Aufsicht eine Prüfung beantragen, sondern ich denke, jede Bank ist froh, wenn sie möglichst wenige Prüfaktivitäten bei der Aufsicht auslöst.

Drittens, noch einmal: Wünschen kann sich eine Bank das nicht, sondern unabhängig davon nimmt die Oesterreichische Nationalbank oder die FMA die Prüfgebiete und all das von sich aus wahr.

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Wobei natürlich dieser Wunsch nach einer Prüfung schon Sinn machen kann! Wenn ich weiß, dass in gewissen Bereichen die Bank sehr gut funktioniert und ich da Stärken habe, kann es ja Sinn machen, auch zu sagen, ich möchte, dass ihr ganz genau da prüft, und andere Dinge nenne ich da nicht explizit. Das kann ja durchaus auch ein Fall sein, oder? – Würde auch Sinn machen.

Dr. Klaus Liebscher: Ich glaube nicht, dass das ... Ja, aus der Sicht der Bank kann das Sinn machen, aber aus der Sicht der Aufsicht nicht.

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Ich möchte Ihnen das Dokument mit der Nummer 13297 vorlegen. Das ist ein internes Vorbereitungsdokument aus dem Kabinett von Karl-Heinz Grasser anlässlich einer Fragestunde im Bundesrat. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Dr. Klaus Liebscher: Was soll ich dazu sagen?

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Ich möchte vielleicht nur, damit wir das auch chronologisch aufarbeiten, auf die Seite 25 gehen. Da schreibt Kulterer an ...

Dr. Klaus Liebscher: Auf welche Seite?

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Seite 25, rechts oben. (Auskunftsperson Liebscher: Seite 25, ja!)

Kulterer schreibt einen persönlichen Brief an Sektionschef Lejsek und berichtet, dass er Schwierigkeiten hat mit der General-Partners-Gruppe, dass es da Probleme gegeben hat, dass ein Aufsichtsratsmitglied ausgeschieden ist, dass das zu Turbulenzen in der Bank geführt hat, dass es immer wieder auch einen Briefverkehr dazu gibt. Er wünscht sich dann sozusagen vom Finanzministerium Gegenmaßnahmen, bei Gegenmaßnahmen würde er Hilfe brauchen. Er nennt konkrete Bereiche und sagt abschließend: „wäre uns mit einer derartigen Vorgangsweise sehr geholfen“.

Das Spannende ist sozusagen das: Dieser Brief geht an das Finanzministerium, und auf der ersten Seite dieses Dokuments sehen Sie, dass am 3. September Bundesminister Mag. Grasser in einem Gespräch mit der Sektionsleitung genau diese Punkte, die von Kulterer bestellt wurden, auch in die Prüfung aufnimmt und diese Punkte auch anweist.

Ist es unüblich, dass ein Finanzminister sich persönlich an den Wünschen eines Bankvorstandes auch orientiert und sagt, wir nehmen genau diese Punkte auf?

Dr. Klaus Liebscher: Also erstens einmal: Die Zuständigkeit war damals natürlich im Finanzministerium. Da gab es ja die FMA noch nicht.

Zweitens: Ich sehe das Dokument natürlich zum ersten Mal, weil es offensichtlich ein internes des Finanzministeriums ist. Davon habe ich nie Kenntnis erlangt.

Drittens: Dass der oberste Bankaufseher – wenn ich das locker sagen darf – mit seinen Beamten, die für die Bankaufsicht zuständig sind, eventuell irgendein Prüfungsgebiet oder Prüfungsthema bespricht – kann ich auch nicht beantworten, ob das Usus oder nicht Usus war.

Natürlich hat zum Beispiel in der Bank – also Nationalbank oder der Stelle in der FMA – schon die Abteilungsleitung oder die Hauptabteilungsleitung bei einer Prüfung im Vorfeld besprochen: Wir haben den und den Auftrag, wir sollen dieses und jenes prüfen; wie macht man es? Wer macht das? So gesehen, würde es für mich aufs Erste ja nicht ganz unlogisch sein, dass innerhalb des Ministeriums so etwas besprochen wird. Ob es Usus war, dass sich der Minister einschaltet oder nicht, kann ich Ihnen nicht beantworten. Mir käme es ein bisschen übertrieben vor.

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Sie haben ja gerade ausgeführt, dass Sie, wenn ein Bankdirektor Ihnen persönlich geschrieben hätte: Ich hätte gerne diese Punkte und möchte darüber geprüft werden!, gesagt hätten: Nein, das machen wir so nicht, die Auswahl treffen wir.

Wenn das dann über die Bande funktioniert und direkt der Finanzminister angeschrieben wird und der sich persönlich der Sache annimmt und anweist, dann scheint es zu funktionieren, damals noch.

Dr. Klaus Liebscher: Es ist zumindest aus meiner Sicht, sagen wir, schon auffällig, dass sich der Minister selber darum annimmt. Dass ihm die Bank das schickt – mein Gott, mir wurde vorher ein Brief vorgelegt, den Herr Kulterer direkt mir als Gouverneur der Nationalbank geschickt hat. Ich habe ihn zur Ablage gegeben und habe gesagt: Das war’s.

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Ja, gut. Hier wurde aber offensichtlich der Finanzminister tätig.

Dr. Klaus Liebscher: Offensichtlich. Aber ich muss das Wort „offensichtlich“ bringen, weil ich ja das ganze Vorgehen nicht kenne.

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Das ist atypisch! Ich kann nur den Vergleich bringen: Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, etwas getrunken habe und die Polizei mich kontrolliert, dann kann ich auch nicht sagen: Ich wünsche mir heute: Schauen Sie nach, ich habe den Zulassungsschein mit, das Pannendreieck ist hinten im Auto eingesteckt, und das Reifenprofil passt auch, das dürfen Sie gerne kontrollieren und bestätigen, dass das alles passt, aber die anderen Sachen lassen wir alle weg! Das funktioniert ja nicht so, dass ich, wenn ich geprüft werde, mir aussuche, wo ich geprüft werde.

Dr. Klaus Liebscher: Der Vergleich ist gut, leicht verständlich, aber natürlich in der Qualität ein bisschen zu einfach. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Auf Seite 9 wird dann offensichtlich, dass sich das Kabinett von Karl-Heinz Grasser auch für den weiteren Verlauf dieses kritischen Nationalbank-Prüfberichts interessiert hat und nachfragt, was da herausgekommen ist, es möchte Informationen haben. Dem Finanzministerium und dem Kabinett war auch dieser kritische Prüfbericht 2002 bekannt. Und dann schreibt ein Mitarbeiter, ein Herr Gancz aus dem Finanzministerium, er „orte aber bei hohen Funktionären der OeNB ein Interesse am gegenständl. Bericht“.

Dr. Klaus Liebscher: Das ist unter Punkt 3? (Abg. Kucher: Seite 9!) – Ja, ja. Unter Punkt 3 (bruchstückhaft aus dem Schriftstück vorlesend): „Ein Prüfbericht liegt (…) nicht vor. Er muss in der OeNB (…).“ (Abg. Kucher: Der letzte Satz!) „(…) dieser wird aber lt. OeNB weder eine Gefahr (…) noch eine Gläubiger…“. – Ja, das ist ein interner Schriftverkehr.

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Wenn die Hypo eine ganz normale Bank war, so wie alle anderen, ist es doch merkwürdig, dass sich hohe Funktionäre der Nationalbank bereits 2002 dafür interessieren und der Finanzminister persönlich sich in die Prüfgebiete einmischt. Wenn das eine ganz normale Bank war, warum mischen sich Spitzenvertreter ...

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter!

Dr. Klaus Liebscher: Wo steht da etwas von einem Spitzenvertreter? (Abg. Kucher: Der Herr Finanzminister ist ein Spitzenvertreter!) – Nein, von der Nationalbank. (Abg. Kucher: Hohe Funktionäre ...!)

Vorsitzende Doris Bures: Entschuldigung! Herr Professor Binder, vielleicht kann man bei dem Dokument einmal nachschauen.

Dr. Klaus Liebscher: Wo steht da das von den hohen Funktionären? (Die Auskunftsperson liest in den Unterlagen.)

Ach so, die letzte Zeile: „(…) orte aber bei hohen Funktionären der OeNB ein Interesse am gegenständl. Bericht“.

Na ja, gut. Das wäre ja nicht unverständlich, da die Bankaufsicht damals noch über das Finanzministerium gelaufen ist, dass wir dann einen Schlussbericht auch ... Aber die Prüfung kommt ja von uns, und die Prüfung müssten wir gemacht haben. Die hat ja nicht das Ministerium gemacht. Daher weiß ich nicht, was dieser ...

Ich kann auch Herrn Gancz nicht interpretieren, wenn er da unten schreibt: „orte (...) hohen Funktionären (...)“.

Also ich sicher nicht! Und ich würde fast unterstellen, auch meine damalige Stellvertreterin Frau Dr. Tumpel-Gugerell sicher nicht.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Herr Dr. Liebscher, ich möchte jetzt noch einmal konkret die Frage bezüglich „verstehen wollen“ stellen. Ich habe da eine Aussage im Liveticker. Ich kann das nicht verstehen, oder ich habe Ihre heutige Aussage anders vernommen, nämlich zu Kollegen Hable. Da steht:

„Auch Hable übt Kritik an den Aussagen Liebschers. Sich herauszureden“, dass Liebscher Berichte nicht gelesen hat, „‚ist wenig überzeugend’. Es handle sich um einen Chef, der nicht weiß, was passiere. Politische Intervention habe ‚funktioniert’ – über Haider und Grasser. Die Aufsicht hätte eingreifen müssen, der Bank hätte damals die Lizenz entzogen werden sollen.“

Jetzt noch einmal meine konkrete Frage, denn Sie haben das ja an und für sich aus meiner Sicht schon korrekt beantwortet: Haben im Zusammenhang mit der Hypo Alpe-Adria Grasser, Haider oder andere Politiker politisch interveniert?

Dr. Klaus Liebscher: Also erstens einmal erinnere ich mich nicht, dass Herr Dr. Hable mir die Frage mit den Namen zum Beispiel gestellt hat. Das weiß ich nicht. Das müssen Sie dann offensichtlich den Medien gesagt haben. Hier habe ich dieses nicht in Erinnerung, aber möglicherweise lässt mein Erinnerungsvermögen jetzt auch in der Sitzung schon nach.

Zweitens aber kann ich die Frage von Ihnen kurz beantworten: Nein.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Danke, dann habe ich keine weiteren Fragen.

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Dr. Liebscher, weg von der politischen Intervention, die man eigentlich nicht klar heraushört, hin zu dem, was die Politik eigentlich mit dieser Bank wollte: Sie sind ja auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei der FMA gewesen. Ist das richtig?

Dr. Klaus Liebscher: Ja.

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Im Jahr 2004 ist es ja eigentlich zu dem Gesetz gekommen, worüber die Griss-Kommission sagt: Das war die Todsünde, diese Haftungsgeschichte damals mit den unbeschränkten Haftungen und vor allem die Rechtsnachfolge.

Es gibt sechs Stellungnahmen zur Gesetzesbegutachtung. Gemeindebund, Städtebund, Arbeiterkammer, das sind alles Zweizeiler gewesen. Da ist man nicht näher darauf eingegangen und hat gesagt, man hat keine Einwände.

Und es gibt drei ganz klare Stellungnahmen, die eigentlich alle drei das Gleiche aussagen, die darauf hinweisen: Rechtsnachfolge – auch dann haftet man, wenn das Land keinen Einfluss mehr hat. Man soll in beschränkte Haftungen hineingehen, man soll Beschränkungen machen. Eine Einsicht des Aufsichtskommissärs des Landes ist zu wenig, wenn man weiß, dass die Hypo International ordentlich expandieren möchte. Das ist schriftlich dabei. Und zwar sind diese Stellungnahmen von der Finanzmarktaufsicht, von der Wirtschaftskammer Kärnten und auch vom Unabhängigen Verwaltungssenat, die ganz klar aufzeigen, was da passieren kann. Und wir sitzen heute eigentlich hier, weil man damals nicht darauf gehört hat.

In den Ausschüssen hat man von Kulterer und vom Aufsichtsratsvorsitzenden Veit Schalle gehört, man hat nicht geglaubt, dass man diese Ausdehnung der Haftungen des Landes Kärnten auch für die Hypo International bekommt. Das war für mich Neuland, das habe ich vor diesem Ausschuss nicht gewusst. Trotzdem hat in den Jahren 2003 und 2004 die Holding diesen Gesetzentwurf einstimmig beschlossen, die Kärntner Landesregierung 2004 mehrheitlich mit einer Gegenstimme, damals von der ÖVP, und im Landtag einstimmig beschlossen, wieder mit allen vier Fraktionen.

 

Haben Sie eine Wahrnehmung, wenn die Politik hingewiesen wird auf diese Risiken, wobei wir heute leider die Tatsachen kennen, warum damals die Politik nicht – dafür gibt es ja diese Stellungnahmen – darauf gehört hat, obwohl ein Generaldirektor Kulterer und Aufsichtsratsvorsitzender hier in diesem Ausschuss unter Wahrheitspflicht aussagen, wir haben damit nicht gerechnet (Vorsitzende Bures: Herr Abgeordneter, formulieren Sie bitte Ihre Frage!), diese Haftungen zu bekommen? Was kann da der Grund gewesen sein? Da brauche ich keine Intervention mehr, denn da habe ich dann alles.

Dr. Klaus Liebscher: Dazu habe ich keine Wahrnehmung. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) – Ihre Frage war, ob ich eine Wahrnehmung habe. – Ich habe keine Wahrnehmung dazu.

Vorsitzende Doris Bures: Einen Satz noch.

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Wir sprechen hier von einer politischen Verantwortung.

Dr. Klaus Liebscher: Ich bin fern der Politik, auch als Nationalbankgouverneur.

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Wie verstehen Sie die politische Verantwortung in diesem Bereich – darf ich Sie das vielleicht fragen?

Dr. Klaus Liebscher: Das ist in erster Linie, denke ich, eine Landesverantwortlichkeit, also eine Verantwortlichkeit derer, die das beschlossen haben. Das ist so, wie wenn hier im Hohes Haus, nehme ich an, etwas beschlossen wird, dann ist es die Verantwortlichkeit derer, die das beschließen. So ähnlich ist es in diesem Fall auch.

Aber ich dilettiere in einem Metier, in dem ich ja nicht zu Hause bin. Und Wahrnehmung habe ich keine dazu. Aber es wäre manchmal wahrscheinlich günstiger, wenn man warnende Stimmen auch bei anderen Begutachtungsverfahren von Gesetzen ernster nähme, als es in der Realität möglicherweise ist – aber ich schweife ab vom Untersuchungsgegenstand.

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Hätte die FMA mehr machen können?

Dr. Klaus Liebscher: Ich bin nicht die FMA. Aber die FMA hat offensichtlich Parteiengehör oder kann eine Stellungnahme abgeben, und die FMA hat eine zurückhaltende oder kritische Stellungnahme abgegeben. Aber das kommt im täglichen Leben, glaube ich, sehr häufig vor.

Vorsitzende Doris Bures: Damit kommen wir zur vierten Fragerunde. Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Der rechtliche Rahmen für das vorher Vorgebrachte ist ja in Wahrheit schon genau ein Jahr vorher passiert, für alle Bundesländer, im Grasser-Monti-Abkommen; weil die Bundesregierung natürlich mit der Kommission verhandelt und nicht die Landtage, die das alle mehr oder weniger gleich umgesetzt haben, aber mit Unterschieden.

Jetzt zu diesen Dokumenten – nur damit wir das dann schnell fertig haben, fürs Protokoll: Es wurde Ihnen dieser Aktenvermerk vorgelegt mit diesen behaupteten Kick-back-Zahlungen. Ich habe dazu eine ähnliche Meinung wie Sie, im Übrigen, wann wer etwas anzeigen muss. Mit geht es um etwas ganz anderes: Aus dem Aktenvermerk geht auch wieder hervor – er geht aber bis zu Ihnen –, dass gerade eine OeNB-Prüfung läuft. Das ist eben diese dramatisch ausgefallene 2007er-Prüfung.

Ich hatte Ihnen vorhin – da sind wir stehen geblieben – ein anderes Dokument vorgehalten über die dramatische Eigenmittelausstattung – jetzt sagen Sie, das war immer so –, aber der Punkt ist: Hier sagt ja der Prüfer bis zu Ihnen hinauf: Die Darstellung der Bank … Darum geht es ja, da sieht man schon immer, wie die schwindeln. Am 30.6.2006 wären noch 30 Millionen € Überschuss gewesen, und am 30.9., wo er nachfragt, was da los ist, ist ein Fehlbetrag von fast 60 Millionen €. Und jetzt schreibt er: Um Gottes willen!, und die arbeiten das alles in diese Prüfung ein.

Weil Sie sagen, Sie haben sich mit den Dingen befasst, die Ihnen vorgelegt wurden, frage ich Sie: Haben Sie nie nachgefragt, was aus diesem Prüfbericht wird? Das war, was wir eingangs hatten.

Dr. Klaus Liebscher: Die Antwort heißt: Druck auf die Bank, eigenkapitalstärkende Maßnahmen zu setzen – ist gleich strategische Partnersuche.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Sie haben ja gesagt, Sie haben den 2007er-Bericht nicht vorgelegt bekommen!

Dr. Klaus Liebscher: Nein, aber entschuldigen Sie, Sie fragen mich jetzt zu diesem Eigenmittelthema ...

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Nein, ich frage Sie, ob Sie sich in der Folge für diesen Bericht interessiert haben. Das war ja nur ein Aktenvermerk, und Sie haben vorher gesagt, Sie haben den Bericht überhaupt nie bekommen.

Dr. Klaus Liebscher: Ich habe mich für den Inhalt, für den Sukkus interessiert: Was ist die Konsequenz daraus? Oder: Welche Konsequenz ist aus so einem Bericht zu ziehen.

Und die Konsequenz ist: Wenn die Bank – nicht zuletzt aufgrund der Ereignisse 2006 und der generellen Marktstimmung 2006; und Sie erinnern sich so wie ich daran, was damals alles an Themen im ersten Halbjahr vor allem war – jetzt hier über Liquiditätsabzüge, über Spareinlagenabzüge, über Eigenmittelprobleme am Ende auch damit verfügt, war noch einmal der erhöhte Druck der Oesterreichischen Nationalbank in Richtung: Du musst eigenkapitalstärkende Möglichkeiten finden!

Das war ja immer unser wesentliches Anliegen, weil die Bank immer knapp alles erfüllt hat, aber nie ... Und die 13 Millionen, die da vorher genannt wurden, oder 12 und die 55, das ist ja alles nicht so ein Riesending, leider Gottes, dass man sagen kann: Du bist liquiditäts- und eigenkapitalmäßig völlig ...

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Sie wären unter die Quote gekommen, und das hätte ganz andere Veranlassungen gehabt. (Auskunftsperson Liebscher: Nein …!) Aber es muss Sie ja interessieren, wie dann der Schlussbericht ausfällt, und bei dieser Gelegenheit vielleicht nicht nur in diesem Kapitel. Wir reden von dem Bericht, in dem neun Gesetzesverletzungen festgestellt wurden und von dem Sie eingangs gesagt haben, der ist Ihnen nie vorgelegt worden.

Ich frage Sie noch einmal: Was unternehmen Sie in so einem Fall, wo es mehrere Hinweise darauf gab, dass sich da die ärgsten Dinge zusammenbrauen, um sich selbst zu überzeugen, wie der Bericht ausfällt?

Dr. Klaus Liebscher: Ich habe ja schon versucht, Ihnen zu erklären, nachdem Sie mir am Schluss gesagt haben: Was sagen Sie denn dazu, dass da 55 Millionen fehlen?, und so weiter: Druck – das ist ja eine Konsequenz. Ich muss ja nicht auf jede Seite eines Berichts reagieren. Ich muss den Sukkus, das ist das Entscheidende, haben. (Abg. Kogler: Genau!), und der Sukkus war: Ihr müsst Eigenkapital beschaffen! Und am Ende geht das weiter bis eben hin zur Bayerischen Landesbank.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Genau, und am Ende geht es dahin, dass das genau die Dinge waren, wo jetzt schon – weiß ich wie viele – Urteile wegen der Vorzugsaktien da sind.

Aber hätten Sie sich für den Bericht interessiert, hätten Sie auch die neun Gesetzesverletzungen und diese dramatischen Versagensketten in der Kreditmittelkontrolle – das ist ja noch viel dramatischer als die Eigenmittelfrage – gesehen, dann wäre das auf Ihrem Tisch gelegen. Das ist ja das Unverständliche, zumindest für einige Ausschussmitglieder.

Ich frage Sie aber etwas anderes. Es gibt noch ein Dokument, das wir abarbeiten müssen. 2002 – das ist, glaube ich, von Kollegen Podgorschek gekommen; mir geht es nicht um den Inhalt –, da schreibt Herr Kulterer an Sie: „Sehr geehrter Herr Gouverneur, lieber Freund!“

Können Sie dem Ausschuss erklären, wie lieb der Freund Kulterer war? (Allgemeine Heiterkeit.)

Dr. Klaus Liebscher: Mein Gott! Ich glaube, 90 Prozent in Österreich, vielleicht auch in diesem Raume hier, sind wahrscheinlich per Du miteinander – und so war das bei uns.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Wir haben jetzt einen Kaffee getrunken, aber ich würde trotzdem nicht „lieber Freund“ an Sie schreiben.

Vorsitzende Doris Bures: Haben Sie noch eine Frage?

Dr. Klaus Liebscher: Ernsthaft – ich meine, Sie haben eine ernste Frage, und ich gebe eine ernste Antwort (Abg. Kogler: Bitte!) –: Mein Bezug zu Kulterer geht ja Jahrzehnte zurück im Grunde genommen, weil ich ihn aus der Raiffeisen-Zeit … Er war ja damals, glaube ich, Chef oder Co-Chef im Raiffeisenverband Kärnten. Natürlich waren wir alle im Raiffeisen-Sektor … Und ich bin auch mit vielen anderen Bankkollegen per Du, mit denen ich im Laufe meines Lebens zu tun hatte, und so war es auch mit Kulterer.

Ich glaube, „lieber Freund“ ist eine durchaus übliche Formulierung. Der Textinhalt dieses Briefes, den ich vorgelegt bekam, ist, glaube ich, so, dass ich auf so etwas nicht antworte – nämlich nicht Ihnen, sondern Kulterer.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich weiß schon, ich bin nicht mehr dran. Ich würde nur vermuten, dass man bei der BaFin in Deutschland die Anrede „Lieber Freund“ seltener findet als in Österreich.

Dr. Klaus Liebscher: Das ist sicher richtig, aber in Deutschland sind die Leute auch wesentlich seltener per Du als bei uns. Ich kenne Vorstände in deutschen Unternehmen, die miteinander per Sie sind.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Auch ich bin mit vielen per Du. Ich bin sogar mit Grasser per Du. Trotzdem ist er nicht mein „lieber Freund“. (Auskunftsperson Liebscher: Bitte?) Ich bin mit vielen per Du, die sind aber trotzdem nicht alle meine „lieben Freunde“.

Dr. Klaus Liebscher: Aber ich weiß nicht, wie Sie ihm schreiben würden. Ich würde daraus nichts Besonderes sehen. Also ich schreibe oft Leuten „lieber Freund“, was soll’s? Ich bin mit ihm aber nicht persönlich befreundet. Ich war mit ihm nicht einmal Abendessen oder irgendetwas.

Aber wenn man schreibt: Sehr geehrter Herr Generaldirektor! – oder Gouverneur in diesem Fall –, und im nächsten Satz: Wie geht es dir?, oder so ähnlich, dann kann man, denke ich, auch oben „lieber Freund“ schreiben.

Aber ich war mit Kulterer nicht persönlich befreundet – im Sinne des Wortes. Ich war auch überrascht darüber, dass er mich als „lieber Freund“ anschreibt. Ich habe mir gedacht, „sehr geehrter Herr Gouverneur“ würde genügen beim Inhalt dieses Briefes.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (Stronach): Also wenn Sie behaupten, dass Sie kein gutes Verhältnis zu Herrn Kulterer hatten ...

Dr. Klaus Liebscher: Nein, das habe ich nicht behauptet. Ich habe gesagt, ich habe kein freundschaftliches. Das schließt nicht ein, dass es ein schlechtes sein muss.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (Stronach): Okay. Es gibt da ein Schreiben von Herrn Laszlo an einige, auch an Sie. Darin geht es darum, dass die FMA eben dieses Geschäftsleiterqualifikationsverfahren beabsichtigt und Herr Laszlo sich aufs Extremste dagegen wehrt und hier wirklich auch Politik macht, indem er die FMA angreift, der FMA alles Mögliche vorwirft. Das ist das Dokument Nummer 12718, wenn Sie sich das vielleicht kurz anschauen.

Dr. Klaus Liebscher: Das ist dieses … von Gruppenleiter Laszlo an die Herren Ettl, Ittner, Liebscher?

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Genau. Dort werden der FMA ziemlich harte Vorwürfe gemacht. Man unterstellt hier, dass die FMA Ergebnisse manipuliert, in ihrem Sinne, zu ihrem Zweck. Hier wird auch alles Mögliche angeführt. Man macht sich hier auch seitens der OeNB Sorgen, dass die Bank in der Folge das Emissionsprogramm schlechter unterbringt. Das sind alles Dinge, wo die OeNB an und für sich weder das Recht noch die Aufgabe hat, in dieser Form zu agieren. Wie können Sie sich das erklären?

Dr. Klaus Liebscher: Das ist hier keine offizielle Stellungnahme der Geschäftsleitung der Oesterreichischen Nationalbank, sondern das ist eine sehr persönliche, allerdings intern weitergeleitete Information des Prüfungsleiters Laszlo. Das ist keine Haltung der OeNB nach außen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Haben Sie ihn gerügt dafür, oder haben Sie ihn zurechtgewiesen? (Auskunftsperson Liebscher: Nein!) Haben Sie ihm erklärt, dass er das nicht zu tun hat, denn in Wahrheit steht ihm das doch nicht zu, oder?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, das ist auch nicht meine Aufgabe gewesen, denn wenn Sie sich vorstellen, wie man in einem Großunternehmen agiert, dann ist die Rüge, von der Sie mehr oder minder sprechen, höchstens durch Ittner als seinen Vorgesetzten oder allenfalls Ettl als seinen Vorgesetzten …, aber sicher als den nicht für die Bankaufsicht zuständigen Liebscher, etwas, wo ich den Herrn Laszlo rüge.

Aber sicher ist so ein Papier … Es ist nicht unverständlich oder nicht verhinderbar, dass er so etwas macht; aber das ist nicht die Meinung des Hauses.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Können Sie sich erklären, warum er das macht? Er hat uns das so geschildert, dass die OeNB das Organ ist, das ihn prüft, das ihm die Fakten zusammenträgt, und die FMA dann diejenigen sind, die eben dann einschreiten oder tun, was immer sie tun müssen. Das tun sie in diesem Fall, und es war, im Nachhinein betrachtet, auch gut, dass sie es getan haben. Warum diese scharfe Reaktion? Können Sie mir das erklären?

Dr. Klaus Liebscher: Nein, das kann ich Ihnen nicht erklären, denn das hat wahrscheinlich er Ihnen zu erklären versucht.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Auch ihm ist es nicht wirklich gelungen; aber Sie sind ja sein Vorgesetzter gewesen. (Auskunftsperson Liebscher: Nein, ich war nicht sein Vorgesetzter!) – Ja, aber zumindest ganz oben (Auskunftsperson Liebscher: Ja, aber das ist schon ein Unterschied!) in der Hackordnung.

Dr. Klaus Liebscher: Nein. Disziplinär bin ich nicht sein Vorgesetzter. Das war im Direktorium, wenn Sie so wollen, damals – wann war das? –, 2006, Dr. Christl.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Haben Sie mit Dr. Christl darüber geredet, nämlich über seinen Mitarbeiter, der da anscheinend alle möglichen Schachzüge plant?

Dr. Klaus Liebscher: Wir haben sicher über den Fall natürlich gesprochen. Das ist ja selbstverständlich, wenn ein Geschäftsleiterqualifikationsverfahren im Raume steht – und damals, so wie ich das lese, war das eben noch im Raume stehend; da sagt er ja: „die sehr frühe, auf Basis noch dünner Faktenlage gewählte Devise (…) ‚Null Toleranz‘“ –; da haben wir das natürlich auch erörtert.

Dieses hier ist aber nicht Meinung des Hauses. Aber ich kann doch dem Prüfer nicht vorschreiben: Zieh das Ganze zurück!, das wäre ja eine gefährliche Geschichte.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Haben Sie dieses Enthebungsverfahren damals begrüßt? (Auskunftsperson Liebscher: Ich habe es unterstützt!) – Sie haben dann auch unterstützt, dass Herr Kulterer in den Aufsichtsrat kommt. (Auskunftsperson Liebscher: Nein!) – Haben Sie nicht? (Auskunftsperson Liebscher: Nein!) – Was haben Sie dagegen getan?

Dr. Klaus Liebscher: Nichts, weil wir – und das wissen Sie genauso wie ich – damals nicht die Möglichkeit hatten, es zu verhindern! Das war eine reine Eigentümergeschichte, weil die Corporate-Governance-Kodex-Regeln, über die wir hier heute schon gesprochen haben, zu diesem Zeitpunkt noch nicht ex lege gegolten haben, sich aber, soweit ich informiert bin, der Eigentümer eben entschlossen hat, Kulterer unmittelbar vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsratsvorsitz zu nehmen.

Ein halbes Jahr später wäre das, glaube ich, nicht mehr möglich gewesen. Zu diesem Zweck hat er sogar die Satzung geändert, denn er hatte in der Satzung eine cooling-off period, und die ist bewusst herausgestrichen worden. Und auf die Eigentümerentscheidungen in so einem Fall hat die Aufsicht – weder die Nationalbank noch die FMA – keinen Einfluss gehabt.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Die FMA hat aber gesagt, dass Sie erstens keine Freude damit hatten und zweitens auch versucht haben, das irgendwie abzuwenden, wobei Sie natürlich rechtlich keine Möglichkeit hatten.

Haben Sie mit irgendjemandem darüber gesprochen? Haben Sie in diese Richtung irgendetwas versucht?

Dr. Klaus Liebscher: Sicher nicht so in Richtung des Eigentümers, das ist klar! Ich würde nicht ausschließen, dass ich mein Unbehagen über diese Vorgangsweise vielleicht auch in Richtung Finanzministerium, sicher innerhalb der Nationalbank, zum Ausdruck gebracht habe – aber ohne Niederschlag.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): In einem Interview mit dem „profil“ wurden Sie gefragt, was die Notverstaatlichung betrifft, ob es gescheit gewesen wäre, Sie in den Verkauf miteinzubeziehen. Sie haben darauf gesagt: „Ich weiß nicht, ob es anders gelaufen wäre, wenn man uns hinzugezogen hätte. Das waren politische Entscheidungen.“ – Was meinen Sie damit?

Dr. Klaus Liebscher: Sind wir schon bei der Notverstaatlichung, oder sind wir bei 2000 bis 2007?

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ich bin jetzt bei der Notverstaatlichung, wenn es recht ist.

Dr. Klaus Liebscher: Aber ich wurde eingeladen zu 2000 bis 2007.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Sie brauchen mir nur zu sagen, was diese politische Entscheidung bedeutet. Was war eine politische Entscheidung daran?

Dr. Klaus Liebscher: Ich beantworte es, aber ... Ich meine, ich wurde gefragt: Warum hat man Sie nicht beigezogen? Das haben Sie, glaube ich, nicht so vorgelesen. (Abg. Lugar: Doch, habe ich!) – Ich habe auf eine Frage – wurden Sie beigezogen? – geantwortet und habe gesagt, ich bin nicht beigezogen worden. (Abg. Lugar: Genau!) – Mehr kann ich nicht dazu sagen. Ich wurde nicht beigezogen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ja, aber Sie haben gesagt, auch wenn man Sie hinzugezogen hätte, es hätte nichts geändert, denn das war eine politische Entscheidung.

Dr. Klaus Liebscher: Na ja, die Frage der Verstaatlichung einer Bank mit Einsatz öffentlicher Mittel letztendlich ist eine politische Entscheidung. Ich glaube, das wäre keine Entscheidung von mir gewesen, die Bank zu verstaatlichen oder nicht. Das war eine politische Entscheidung.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ja, aber das ist ja genau die Frage, die ich Ihnen stelle. Was heißt das für Sie? Heißt das für Sie, dass es keine ökonomische Entscheidung war, keine überlegte Entscheidung, sondern eben eine politische, wo eben andere Interessen dahinterstehen?

Dr. Klaus Liebscher: Auch Ökonomisches ist wahrscheinlich immer dabei. Auch zur Frage, ob die Währungsunion nur eine ökonomische oder eine politische Entscheidung ist, habe ich immer gesagt, sie ist in erster Linie eine politische Entscheidung, aber es ist eine ökonomische Konsequenz. Hier ist es genau dasselbe.

Wenn die Herrn Minister von Bayern und Minister von Österreich sich unterhalten oder verhandeln, was zu tun ist, ist es ein politisches Thema mit ökonomischen Konsequenzen.

Vorsitzende Doris Bures: Eine Frage noch, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Das ist mir schon klar. Natürlich ist es eine politische Entscheidung, weil diese Entscheidung von Politikern getroffen wird. Die Frage ist aber, ob man ökonomische Überlegungen außer Acht lässt, um politische Ziele zu verfolgen. Das ist hier die Frage.

Dr. Klaus Liebscher: Nein, ich glaube, man hat damals sehr wohl ökonomische Konsequenzen ins Auge gefasst, und das sind eben die Themen: Was geschieht mit den Landeshaftungen – das waren damals 22 Milliarden –, was geschieht mit der Einlagensicherung? Was geschieht mit der Pfandprüfstelle?[3] Alle diese Themen waren damals sicher ökonomische. Aber über allem war die politische Diskussion und die politische Entscheidung. So interpretiere ich das, und so habe ich es verstanden und auch gesagt.

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter! Wir haben diese Redezeitvereinbarung getroffen. Ich mache jetzt darauf aufmerksam, dass die Sollbefragungszeit von drei Stunden, die wir in der Verfahrensordnung festgehalten haben, bereits erreicht ist und dass ich, wie vereinbart, in 11 Minuten die Befragung für beendet erklären werde, weil es im Anschluss, wie Sie wissen, ja noch eine Besprechung gibt und dann der Nationalrat tagt.

Herr Abgeordneter Dr. Hable, ich würde Sie bitten, kurz diese Fragen noch zu stellen; wie gesagt: 11 Minuten haben wir noch.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ja, mit 11 Minuten werde ich sicher auskommen. Danke für den Hinweis auf die Besprechung, sie ist natürlich sehr relevant, weil es um die Frage geht, ob dieser Untersuchungsausschuss endlich auch Akten von der Hypo bekommt oder ob es weiter die Absurdität gibt, dass wir einen Hypo-Ausschuss ohne Hypo-Akten haben.

Lustig habe ich auch den letzten Beitrag unserer Kollegen von der FPÖ gefunden, die ihre Redezeit dazu benutzt haben, um eine Aussage vor den Medien im Protokoll unterzubringen. Ich danke dafür, wobei es natürlich ein bisschen verwechselt war, denn die politische Intervention hat nicht Herr Dr. Liebscher bestätigt, sondern die haben wir schon vorher im Untersuchungsausschuss bestätigt bekommen, von den ehemaligen FMA-Vorständen, die ausdrücklich gesagt haben, dass sie unter starkem politischen Druck aus Richtung Kärnten und Finanzministerium gestanden sind.

Die entscheidende Frage war natürlich dann – und dort unterscheide ich mich ja auch von den FMA-Vorständen –, ob sie diesem Druck nachgegeben haben.

Da sind wir bei dem Punkt, den wir auch heute schon diskutiert haben: Hat die Aufsicht jemals in dieser ganzen Phase irgendeines ihrer Instrumente angewendet? § 70 Abs. 4 Bankwesengesetz kann jeder nachlesen: drei Instrumente, die klassischen Instrumente der Aufsicht. Diese sind nie zur Anwendung gekommen, kein einziges Mal. Dann ist natürlich meine Schlussfolgerung daraus, dass dieser politische Druck zum Erfolg geführt hat.

Ich tue mir schwer, nachzuvollziehen, Herr Dr. Liebscher, um zu Ihnen zu kommen, dass die Prüfer der Nationalbank Ihnen all diese Probleme in der Bank – einerseits die fragwürdige Kreditvergabe, andererseits das Risikomanagement, das de facto nicht vorhandene Risikomanagement, also die zwei zentralen Pfeiler einer Bank – und diese schweren Mängel, die da festgestellt worden sind, offensichtlich, wie Sie sagen, nicht zur Kenntnis gebracht haben.

Da frage ich mich schon: Was ist da los in der Nationalbank? Wie kann es sein, dass hier Prüfungen in der Kompetenz der Nationalbank sind und wesentliche, schwere Mängel eines mittlerweile dann auch schon großen Institutes, wie Sie sagen, Ihnen nie zur Kenntnis kommen? Also da kann ja in der Nationalbank irgendetwas Gröberes nicht stimmen. Da frage ich mich, wozu man einen Chef der Nationalbank hat, wenn der von diesen Vorgängen nichts weiß.

Und zu guter Letzt – damit bin ich schon fertig – eine letzte Anmerkung zum Herrn Verfahrensanwalt: Herr Professor Binder, Sie haben natürlich recht, ein Verdacht muss begründet sein. Ich kann nicht irgendeinen Verdacht äußern und erwarten, dass die StA schon ermittelt, aber der Verdacht war ja begründet. Wir haben in der Causa Puris – in die 44 Millionen € von der Hypo reingeflossen sind – Zahlungen zu einem Unternehmen gehabt, das im Einflussbereich von Herrn Kulterer gestanden ist.

Die Frage: Wo war die Leistung?, ist nie wirklich überzeugend beantwortet worden. Das hätte als begründeter Verdacht ausgereicht, das hätte bei der StA angezeigt werden müssen – ist eh passiert, aber erst sehr viel später.

Verfahrensanwalt Dr. Bruno Binder: Das ist ja unbestritten, aber Sie müssen zugeben, dass man da auch anderer Auffassung sein kann. Herr Dr. Liebscher hat seine Auffassung gesagt und damit Ihre Frage beantwortet.

Dr. Klaus Liebscher: Darf ich noch einen Satz sagen, denn es ist ja jetzt so unterschwellig zum Ausdruck gekommen: Warum hat man Ihnen …, oder was ist denn das für ein System in der Nationalbank, wenn man Ihnen diese und jene schwerwiegenden Berichte nicht gibt?

Es ist natürlich eine Unterscheidung zu treffen zwischen direkten prüferischen Aktivitäten, die teilweise eben nur innerhalb der internen Hierarchie der Bankaufsicht bleiben, und einem schwerwiegenderen Bericht, von dem dann auch noch allenfalls der Gouverneur – in dem Fall damals halt Liebscher – informiert wird. Aber viele Themen – und auch in meinem eigenen Bereich in der Nationalbank, ich meine, ich war auch zuständig für das Controlling oder für Rechnungswesen und dergleichen – sind auch nicht Themen gewesen, die wir jetzt im ganzen Haus breit gestreut hätten.

Also ich glaube, Sie wissen so wie ich: Viele Informationen dienen der Linie, und gewisse Informationen gehen dann noch einmal einen Sprung höher. Aber dort, wo ich Einsicht bekam, habe ich auch davon gewusst. Wo ich aber nicht auf einem Aktenvermerk mit Einsichtsvermerk stehe, kann ich es nicht wissen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ich darf Ihnen einen Artikel aus dem „Standard“ von Renate Graber vom 29. November 2007 mit der Überschrift „Postenbesetzung à la Grasser“ vorlegen. „Wie der ehemalige Finanzminister die Bankenaufsicht besetzte – Traumüller und Christl als ‚Bestqualifizierte‘ ausgewählt“; „bestqualifiziert“ unter Anführungszeichen.

Da geht es unter der Zwischenüberschrift „Kraftakt“ weiter – also Grasser sagt mehr oder weniger, auf seinen Vorschlag sind die Bestqualifizierten von der Regierung zur Kenntnis genommen worden –, unter dem Zwischentitel „Kraftakt“ steht:

„Tatsächlich war die Bestellung Traumüllers ein veritabler Kraftakt gewesen. Per November 2004 hatte FMA-Chef Andreas Grünbichler seinen Job quittiert, ein Interimsvorstand musste her. Der von Finanzministerium und OeNB nominierte FMA-Aufsichtsrat ernannte daraufhin Traumüller zum interimistischen Chef.“

Bla bla bla.

„Die Kür zog sich: Es gab 23 Bewerber, die Personalberater von Korn & Ferry erstellten eine Shortlist – ohne Traumüller. Beim Hearing schnitt er schlecht ab, er erfülle die Ausschreibungserfordernisse nicht, hieß es. Die Begutachtungskommission (FMA-Aufsichtsrat und drei weitere Mitglieder) sprach sich einstimmig gegen ihn aus. Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt wurde bemüht, er räumte alle Bedenken aus. Am 14. Feber 2005 wurde Traumüller für drei Jahre zum FMA-Vorstand bestellt. Auf der Referenzliste von Korn & Ferry scheint die FMA-Besetzung übrigens nicht auf.“

Dann geht es weiter:

„Nicht so kompliziert war die Bestellung von Grassers Chefvolkswirt, Josef Christl, in die OeNB gelaufen. Er musste 2003 nur den Erstgereihten (Ewald Nowotny) und den Zweitgereihten (Heinz Handler, Wirtschaftsministerium) im vom OeNB-Generalrat erstellten Dreiervorschlag überholen, um ins Direktorium einziehen zu können.“

Meine Frage an Sie: Widerspricht das, was hier steht, Ihrer Erinnerung an die Bestellung dieser zwei Herren aus dem Kabinett vom Finanzminister?

Dr. Klaus Liebscher: Also ich muss ganz offen sagen: Bei der Bestellung von Traumüller 2004 war ich nicht dabei. Das muss eine BMF-interne Begutachtungskommission mit Korn/Ferry gewesen sein. Also ich erinnere mich sicher nur an das Prozedere 2008, da war ich dabei, und da habe ich meine Entscheidung anders getroffen.

Was Christl anbelangt, gab es einen Dreiervorschlag, den damals der Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank der Bundesregierung vorlegte; die Bundesregierung war an den Dreiervorschlag nicht gebunden. Nach Gesetz hätte er[4] also einen Vierten auch nehmen können, oder sich einfach die drei aussuchen. Ich hatte zur Kenntnis zu nehmen, wer mein künftiger Kollege wird.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ja, aber meine Frage war: Das heißt, es widerspricht nicht dem, wie Sie sich daran erinnern oder wie Ihre eigene Wahrnehmung war? (Auskunftsperson Liebscher: Nein, das widerspricht nicht!) – Beides nicht? Okay, gut.

Vorsitzende Doris Bures: Damit erkläre ich die Befragung für beendet. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Dr. Liebscher, dass Sie dem Ausschuss zur Verfügung gestanden sind.

 

 



[1] […] Commerzbank, ABM, RBS oder Bank […]

Einwendung: „… Commerzbank, ABN, RBS …..“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde angenommen.

[2] „… weder die FMA noch die Oesterreichische Nationalbank hat mir damals eine …“ ist nicht verständlich (evtl. Hörfehler?). Gemeint war von mir: „… hatten wir …“.

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt.

[3] „… Pfandprüfstelle …“ soll richtigerweise „Pfandbriefstelle“ heißen.

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt.

[4] „Nach Gesetz hätte er also …“ sollte wohl heißen „… hätte sie also …“.

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt.