226/KOMM XXV. GP

 

Kommuniqué

des Hypo-Untersuchungsausschusses

Veröffentlichung des wörtlichen Protokolls über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson Dr. Wolfgang Schüssel in der 34. Sitzung vom 7. Oktober 2015

 

Der Hypo-Untersuchungsausschuss hat in seiner 53. Sitzung am 28. Jänner 2016 einstimmig gemäß § 20 Abs. 1 Ziffer 1 Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse beschlossen, das in der Beilage enthaltene wörtliche Protokoll der öffentlichen Befragung der Auskunftsperson Dr. Wolfgang Schüssel  nach der erfolgten Entscheidung über Einwendungen und Berichtigungen gemäß § 19 Abs. 3 VO­UA zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung erfolgt in sinngemäßer Anwendung von § 39 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates als Kommuniqué im Internetangebot des Parlaments.

 

Wien, 2016 01 28

 

 

                  Gabriel Obernosterer                                           Doris Bures

                           Schriftführer                                                                         Vorsitzende

 


 

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Hypo-Untersuchungsausschuss

 

 

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Stenographisches Protokoll

 

34. Sitzung/medienöffentlicher Teil

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Gesamtdauer der 34. Sitzung

10.15 Uhr – 19.37 Uhr

Lokal V


Befragung der Auskunftsperson Dr. Wolfgang Schüssel

Vorsitzende Doris Bures: Herr Dr. Schüssel! Sie haben von der Möglichkeit, eine Vertrauensperson beizuziehen, nicht Gebrauch gemacht. Ich möchte Sie aber darüber informieren, dass zu Ihrer Linken Herr Professor Binder sitzt, der nach der Verfahrensordnung der Verfahrensanwalt ist und darauf zu achten hat, dass Grundrechte und Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen gewahrt werden. Wann immer Sie sich vertraulich beraten wollen, können Sie das tun und sich mit Professor Binder beraten; ich werde dafür jederzeit die Möglichkeit geben.

Auch wenn Sie während der Befragung irgendwann eine Pause haben wollen oder sonstige Rückfragen haben, stehe auch ich als Vorsitzende des Ausschusses Ihnen jederzeit gerne für Fragen zur Verfügung.

Es hat im Vorfeld schon eine Rechtsbelehrung gegeben. Nichtsdestotrotz hat der Verfahrensrichter noch einmal die Aufgabe, eine kurze Belehrung betreffend die Rechte und Pflichten der Auskunftspersonen vorzunehmen und dann eine Erstbefragung durchzuführen. – In diesem Sinne, Herr Dr. Pilgermair, haben nun Sie das Wort.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Guten Morgen, Herr Dr. Schüssel! Ich darf Sie zuerst bitten, dass Sie dieses Personaldatenblatt auf die Richtigkeit der darin eingetragenen Daten anschauen. (Die Auskunftsperson bestätigt diese.) – Das wird bestätigt.

Sie wurden bereits anlässlich der Ihnen zugekommenen schriftlichen Ladung für die heutige Sitzung über Ihre Rechte und Pflichten als Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss sowie auch über den Ablauf der Befragung in Kenntnis gesetzt.

Gerade vor Sitzungsbeginn hat Sie auch der stellvertretende Verfahrensrichter Herr Mag. Hellmich gemäß § 38 der Verfahrensordnung über Ihre Rechte und Pflichten als Auskunftsperson eingehend persönlich belehrt. Sie haben das über diese Rechtsbelehrung aufgenommene, hier vorliegende Protokoll auch unterfertigt.

Ich frage Sie nun, ob Sie diese Belehrung, insbesondere auch über die Gründe für eine Verweigerung der Aussage und einen Ausschluss der Öffentlichkeit sowie die Pflicht zur Angabe der Wahrheit und die allfälligen strafrechtlichen Folgen einer vorsätzlich falschen Aussage vor dem Untersuchungsausschuss, sowie schließlich auch die Belehrung gemäß dem Informationsordnungsgesetz verstanden haben.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich habe das verstanden.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Für den Fall, dass Sie zu der Ihnen erteilten Rechtsbelehrung noch Fragen haben, lade ich Sie ein, diese Fragen nun an mich zu richten. (Auskunftsperson Schüssel: Keine Fragen!) – Weil dies nicht der Fall ist, kann ich Sie abschließend über das allen Auskunftspersonen zustehenden Recht in Kenntnis setzen, vorab eine einleitende Stellungnahme abgeben zu können, die bis zu 20 Minuten dauern kann.

Herr Dr. Schüssel! Wollen Sie von diesem Recht Gebrauch machen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich glaube, das ist nicht notwendig.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Dann können wir schon mit der Erstbefragung beginnen.

Wie waren Sie in Ihrer Zeit als Bundeskanzler über die Kärntner Landesbank informiert?

Dr. Wolfgang Schüssel: Die Kärntner Landesbank, die Hypo Alpe-Adria, war eigentlich in den ersten Jahren eine Erfolgsgeschichte. Ich habe mir noch einiges aus den Zitaten herausgesucht, die ganz interessant sind: 2004 war Kulterer „Kopf des Jahres“ in der „Kleinen Zeitung“. Im „FORMAT“ ist im April 2005 vom „profitabelsten Geldhaus“ in Österreich“ und einem „sagenhaften Aufstieg“ die Rede. Im Magazin „Kärntner Monat“, das, glaube ich[1], zum Styria-Komplex gehört, wurden im Dezember 2005 Schaunig und Kulterer zu den Kärntnern des Jahres gewählt.

Das Ganze ist dann 2006 gekippt: Am 31. März 2006 wurde bekannt, dass diese Swapverluste von 328 Millionen aufgetreten sind. Das ist öffentlich geworden, und am gleichen Tag hat die Notenbank noch eine Prüfung vor Ort gemacht. Am gleichen Tag hat die Finanzmarktaufsicht ein Verfahren zur Enthebung des Vorstandes eingeleitet. – Somit war das Thema dann natürlich öffentlich.

Wir haben im Ministerrat darüber nicht berichtet, oder darüber wurde nicht berichtet, aber das war öffentlich ein Thema, allerdings natürlich überschattet durch die BAWAG-Affäre, die ja vor allem im April/Mai ausgebrochen ist und die – zumindest nach damaligem Wissen – ein weit größeres Ausmaß hatte. Wir haben diese damals in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Ende April/Anfang Mai in einer All-Parteien-Reaktion mit allen Geldinstituten,[2] mit der Notenbank gerettet. – Das waren die Hauptthemen. 

Dazu muss ich auch noch sagen, dass wir im ersten Halbjahr bekanntlich den EU-Vorsitz hatten und daher natürlich auch, so gesehen, eine Fülle von internationalen und nationalen Themen vorhanden war. Es war damals nicht nur ein Thema oder ein Problem zu bearbeiten.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Diese Dinge sind im Ausschuss schon viele Male zur Sprache gekommen. Ich darf meine Frage wiederholen, Herr Dr. Schüssel: Wie waren Sie persönlich über die Kärntner Landesbank informiert? Schließe ich richtig: Erst über die Swapverluste?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, sicher, über die Swapverluste, die öffentlich gemacht worden sind, und zwar vom Finanzminister. Dann war das ein Thema.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Und vorher?

Dr. Wolfgang Schüssel: Vorher überhaupt nicht. Vorher war das – noch einmal – eine Erfolgsgeschichte. Das sei ausdrücklich gesagt.

Und zum damaligen Zeitpunkt haben auch schon die Bayern großes Interesse am Erwerb der Alpe-Adria-Hypo  gehabt, weil sie ja in Kroatien ein Riesenproblem hatten und sich daher nicht mehr direkt am Balkan betätigen durften. Daher wollten sie um jeden Preis die Hypo erwerben und haben auch einen beachtlichen Teil hier eingezahlt, wie Sie wissen.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Jetzt steht natürlich die nächste Frage mit folgender Information in engem Zusammenhang: Inwieweit war die Kärntner Landesbank für Sie als Bundeskanzler von Interesse? – Das ist eine weite, eine offene Frage.

Dr. Wolfgang Schüssel: Jede Bank ist von Interesse. Die Hypo war natürlich ein interessanter Spieler in Südosteuropa, und das war natürlich im Rahmen der Oststrategie sämtlicher österreichischer Banken ein riesiges Thema und ein gutes Thema. Ich halte es im Prinzip auch für sinnvoll, dass sich die österreichischen Banken in Zentraleuropa, in Osteuropa und in Südosteuropa engagiert haben, und in diesem Sinn hatten sie ja auch immer wieder politische Unterstützung auf diesem Weg.

Das hat allerdings überhaupt nichts mit dem zu tun, was Sie jetzt offensichtlich meinen, was ja auch der Untersuchungsgegenstand ist, nämlich was intern in der Bank geschehen ist. Dass dort das Risikomanagement nicht funktioniert hat, ist heute evident. In der damaligen Situation, von außen, ohne je eine Bilanz zu Gesicht zu bekommen und ohne je Insiderinformationen zu haben, tun Sie sich da relativ schwer.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Haben Sie Informationen über die Interna der Bank bekommen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nie. Das wäre ja auch rechtswidrig gewesen.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Es könnte Sie ja die Bankenaufsicht informiert haben. Das wäre ja …

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein. Erstens ist auch die Bankenaufsicht unabhängig, das haben wir ja noch eingeführt. 2001 haben wir die Finanzmarktaufsicht eingerichtet, weil das in der ganzen Europäischen Union so üblich war. Wir haben das dann sogar Anfang 2002 – damals gab es, glaube ich, irgendein Verfassungsgerichtshof-Gutachten, dass man das weisungsfrei und unabhängig einrichten muss – mit Zweidrittelmehrheit beziehungsweise, wie ich glaube, sogar einstimmig im Parlament beschlossen. Und die FMA ist genauso wie jede andere Institution, vor allem jede Institution, die mit Finanzen zu tun hat, an strikte Verschwiegenheitsverpflichtungen gebunden. Sie dürfte einen Außenstehenden überhaupt nicht informieren, und der Bundeskanzler ist in diesem Sinn ein vollkommen Außenstehender, er ist weder Organ, noch zuständig. – Das müssten Sie aber wissen.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Herr Dr. Schüssel! Hatten Sie Kenntnis von den Notenbankberichten, von den Prüfberichten über die Hypo und auch von den Berichten des Rechnungshofes über die Hypo? Das ist doch etwas, was für einen prominenten Politiker von Interesse ist.

Dr. Wolfgang Schüssel: Noch einmal: Diesbezüglich gilt ja das Gleiche. Die Notenbank …

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Da gilt die Schweigepflicht?

Dr. Wolfgang Schüssel: Die Notenbankberichte, die auch Prüffunktion haben, sind genauso vertraulich. Diese werden doch nie einem – nicht einmal zuständigen – Regierungsmitglied, auch nicht dem Bundeskanzler vorgelegt! Natürlich weiß ich heute aus der Berichterstattung in den Medien sehr viel mehr, aber Sie fragen mich ja natürlich zu meinem damaligen Wissen. (Verfahrensrichter Pilgermair: Ja!) Natürlich weiß ich heute aus den Medien sehr viel mehr, wie wahrscheinlich jedes Ausschussmitglied hier, als wahrscheinlich manche Organe selbst dort gewusst haben. Aber zum damaligen Zeitpunkt hatte ich weder Informationen von der Notenbank noch von der Finanzmarktaufsicht.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Geht denn nicht notwendigerweise organisatorisch eine Informationskette von der Aufsicht ins Ministerium, ins Finanzministerium und vom Finanzministerium – wenn erforderlich – in die Regierung und damit auch zum Bundeskanzler, wenn das notwendig ist? Unterliegt das irgendeinem Geheimnis?

Dr. Wolfgang Schüssel: Erstens einmal sind die Berichte vertraulich. Und wenn Sie die Vertraulichkeit verletzen, dann sind Sie dran, dann sind Sie bitte auch strafrechtlich dran!

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Also: Ein Finanzminister darf die Berichte der Notenbank nicht lesen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Sie müssen mich als Bundeskanzler fragen. Ganz präzis: Ein Finanzminister ist ein Organ, das per definitionem für die Finanzen ressortzuständig ist. Ein Bundeskanzler ist das nicht. Daher wäre es völlig unzulässig, wenn die Notenbank oder die FMA dem Bundeskanzler oder einem anderen, nicht zuständigen Regierungsmitglied einen solchen vertraulichen Bericht zur Kenntnis bringt. Das ist eigentlich für einen Juristen völlig klar.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Und in der Regierung ist es denkunmöglich, dass der Finanzminister, wenn es denn einen entsprechender Anlassfall gäbe, die Regierung informiert und damit auch der Bundeskanzler davon Kenntnis erlangt, dass irgendwo etwas passiert ist, was auch von Interesse für den Bundeskanzler ist? So etwas ist undenkbar?

Dr. Wolfgang Schüssel: Denkbar ist vieles. Aber Sie fragen ja mich nach meinem Wissen. Wir haben zum damaligen Zeitpunkt in der Bundesregierung keinen Bericht darüber gehabt. – Das ist meine Antwort.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Hatten Sie persönliche Informationen? Ich habe das schon einmal gefragt, frage aber jetzt konkret noch einmal: Hatten Sie persönliche Informationen abseits von Berichten, zum Beispiel durch ein Gespräch mit jemandem, der Ihnen eine Information über die Bank gegeben hat? – Sie werden es ja aus den Medienberichten wissen, Herr Dr. Schüssel. Ich spiele jetzt auf die Medienberichte an, denn wie Sie ja auch wissen, waren Traumüller und Pribil hier im Ausschuss und haben als Auskunftspersonen ausgesagt.

Dr. Wolfgang Schüssel: Dann stellen Sie die Frage präzise!

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Haben Sie mit den beiden gesprochen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Selbstverständlich.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Worüber denn?

Dr. Wolfgang Schüssel: Wir haben am Rande einer Eröffnung der Raiffeisenbank Oberösterreich in Wien darüber gesprochen. Wir sind dann von der Raiffeisenbank Oberösterreich in Wien, die bei der Oper ist, ins Bundeskanzleramt hinübergegangen, die Herren haben mich begleitet, sie waren zufällig dort. Und am Rande dieses zufälligen Gesprächs – das nicht vereinbart war – habe ich gefragt: Wie seht ihr im Lichte …?

Sechs Monate vorher war die BAWAG-Krise, und dann gab es schon die ersten Berichte vom Internationalen Währungsfonds und, wie ich glaube, auch in der „FT“ über die East Exposure der österreichischen Banken, die ja damals ungefähr schon zwei Drittel des österreichischen Bruttoinlandsprodukts ausgemacht haben, weshalb sozusagen die Warnung da war, dass das ein Klumpenrisiko für den Finanzplatz Österreich werden könnte. Seit dem 31. März gab es dann öffentlich Berichte, dass die Hypo ein Swapproblem mit über 300 Millionen Schaden hat.

Daher lautete meine Frage an die beiden zuständigen Finanzmarktvorstände: Seht ihr da ein massives Problem für den gesamten österreichischen Finanzplatz herankommen? Und ihre Antwort war: Wir haben das unter Kontrolle. Wir kontrollieren das. Wir haben auch Probleme mit einzelnen Banken. Sie haben darauf hingewiesen, dass sie bereits ein Amtsenthebungsverfahren betreffend den Vorstand der Hypo eingeleitet haben. – That was it. Mehr war nicht.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Haben Sie noch mit anderen Personen außer diesen beiden ähnliche oder andere Gespräche über die Bank geführt?

Dr. Wolfgang Schüssel: Über die Hypo nicht, aber über den Finanzplatz Österreich immer wieder.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Über die Hypo nicht? (Auskunftsperson Schüssel: Nein!)

Kleiner Themensprung: Hat irgendjemand, ganz gleich wer – wieder eine ganz offene Frage –, sich an Sie als Bundeskanzler gewendet und Sie um Ihre Sicht in Bezug auf die Kärntner Bank gefragt oder Sie um Unterstützung für irgendein Anliegen ersucht?

Dr. Wolfgang Schüssel: Die Bayern haben bei jedem Gespräch, das sie mit irgendjemandem von uns geführt haben, immer ihr Interesse bekundet, die Hypo zu erwerben. Das war auch damals der Stand. Sie müssen das jetzt schon ein bisschen auch von der damaligen Zeit her sehen.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Ich habe nicht anders gefragt. Ich habe Sie nach Ihrer Zeit gefragt.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich weiß schon. Ich werde meine Antwort so formulieren, wie ich das vorhabe. Das heißt: Die Bayern waren natürlich sehr daran interessiert, diese Hypo um jeden Preis zu bekommen. – Das Abenteuer hat sie übrigens 5 Milliarden gekostet, was nicht uninteressant ist. – Sie haben eine Due Diligence-Prüfung gemacht und, und, und. Sie waren auch vor Ort in Kroatien, um sich die Dinge anzuschauen. Es kann also niemand behaupten, dass sie nicht gewusst haben, worauf sie sich einlassen.

Unsere Position war aber immer: Wir haben damit gar nichts zu tun, wir sind weder Eigentümer noch sonst etwas. Wendet euch an Kärnten! Wenn Sie mich daher fragen, ob mich jemand angesprochen hat, dann sage ich: Ja, die Bayern zum Beispiel.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Hat Sie jemand aus Kärnten angesprochen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Inwiefern?

 Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Auf die Bank.

Ich fragte Sie nach Wünschen, nach Sichtweisen, die Sie hätten, oder ob Wünsche an Sie herangetragen worden sind. Sie haben die Bayern angesprochen, und ich spreche jetzt an, ob auch aus Kärnten Kontakt mit Ihnen aufgenommen wurde und Wünsche geäußert wurden betreffend die Bank im weitesten Sinne – gleich, von wem, von der Bank selbst, vom Vorstand oder auch von der Eigentümerseite, vom Land.

Dr. Wolfgang Schüssel: Entschuldigung, die Bank … Wolfgang Kulterer war natürlich immer wieder bei verschiedenen Veranstaltungen dabei, genauso wie der Generaldirektor der Ersten oder von Raiffeisen oder von sonst wem. Wenn man ihn bei irgendeiner Veranstaltung trifft, gibt man ihm natürlich die Hand und fragt: Wie läuft das Geschäft?, oder: Wie seid ihr in Südosteuropa unterwegs?

Das sind allgemeine Small-Talk-Geschichten, aber was Sie ja offensichtlich wissen wollen: präzise Informationen über den Stand der Bank, über die Geschäftsprobleme, über die Kreditrisken – nein.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Die Frage war jetzt, ob von dieser Seite Wünsche an Sie herangetragen worden sind, aus Kärnten, entweder von der Bank oder vom Land als Mehrheitseigentümer. (Auskunftsperson Schüssel: Ja, aber Herr Doktor, Sie müssen die Frage ein bisschen …!) Die Informationsfrage war der Beginn, und jetzt frage ich schon wiederholt, Herr Dr. Schüssel, ob Wünsche von der Bank oder vom Mehrheitseigentümer an Sie herangetragen worden sind.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, gut, aber entschuldigen Sie, Sie müssen die Frage so formulieren, dass man sie beantworten kann. Was ist ein Wunsch für Sie, zum Beispiel?

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Ein Wunsch ist zum Beispiel: Können Sie sich dafür einsetzen, dass das und das geschieht? Das ist ein Wunsch, nicht?

Dr. Wolfgang Schüssel: Dass was geschieht?

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Dass irgendetwas im Zusammenhang mit der Bank geschieht! Ich kann ja nicht sagen, was Sie erfahren haben, was Sie wahrgenommen haben, das kann ich Ihnen doch nicht vorsagen. (Auskunftsperson Schüssel: Entschuldigen Sie, Sie fragen mich …!) Es ist eine offene, eine weite Frage.

Dr. Wolfgang Schüssel: Entschuldigen Sie, Sie fragen mich über die Jahre 2000 bis 2007 in einer Allgemeinheit, die das Gute, Wahre und Schöne beinhaltet. (Verfahrensrichter Pilgermair: Ja!) Es kann sein, dass mich jemand gefragt hat, was wir zu den Bayern sagen – ich kann mich daran nicht erinnern, aber es könnte sein. Da hätte ich gesagt: gute Idee, dann haben wir einen starken Partner! – Weiß ich aber nicht, hätte ich aber wahrscheinlich damals gesagt, wäre richtig (Verfahrensrichter Pilgermair: Ja!), dazu würde ich auch heute noch stehen.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Ich mache einen Themenwechsel – ich bin mir sicher, dieses Thema wird noch fortgesetzt werden – und frage Sie jetzt, weil die Zeit der Erstbefragung ja begrenzt ist: Herr Dr. Schüssel, wie haben Sie seinerzeit die Landeshaftungen gesehen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das habe ich mir herausgeschrieben. Also der Ministerratsbeschluss war am 18. Mai 2004. Vorher war einstimmig im Kärntner Landtag – am 22.4.2004 – der Beschluss über die Haftung für die Landesholding, und vorher, am 19. Februar 2004, war die Zustimmung, die Genehmigung der Europäischen Kommission.

Es wurde damals vom Finanzministerium der Antrag gestellt; also das Bundeskanzleramt hat es eingebracht, weil das sozusagen ein Landesgesetz ist, das ist ein üblicher Vorgang, und man fragt die zuständigen Ressorts, ob es Einwendungen gibt. Beide Ressorts, Justiz und Finanz, haben keine Einwendungen erhoben. Daher haben wir, wie gesagt, am 18. Mai im Ministerrat das einstimmig beschlossen, wobei der Inhalt damals war, dass die Haftung – auf Druck der EU übrigens – mit dem Jahr 2007 auslaufen muss.

Die Höhe der Haftung, nämlich die unbegrenzte Haftung, ist unverändert geblieben, damit bekam die Landesholding – und damit natürlich auch die Hypo – niedrigere Refinanzierungskosten und ein besseres Rating; sie haben dafür auch ein entsprechendes marktgerechtes Entgelt erhalten. Soweit ich das irgendwann einmal … Ich habe das jetzt im Kopf, das habe ich nicht recherchiert, aber ich glaube, sie haben sogar über die Jahre an die 150 Millionen € an Entgelt für diese Haftung insgesamt lukriert; galt auch für Rechtsnachfolger, wobei ich dazusagen muss, damals war natürlich der Verkauf überhaupt kein Thema.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Die Zeit der Erstbefragung ist abgelaufen. Ich bedanke mich für Ihre Antworten, Herr Dr. Schüssel.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich auch, danke.

*****

Vorsitzende Doris Bures: Danke vielmals, Herr Dr. Pilgermair, für die Durchführung der Erstbefragung.

Bevor wir in die erste Fragerunde einsteigen, möchte ich Sie noch einmal darauf aufmerksam machen, dass es eine einvernehmliche Redezeitvereinbarung gibt, und ich ersuche Sie darum, diese auch gewissenhaft einzuhalten.

Als erste Fragestellerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Herr Bundeskanzler Schüssel, ein herzliches Guten Morgen von meiner Seite! Wir haben uns immer geduzt, und wir duzen uns auch (Auskunftsperson Schüssel: Sicher!), wenn wir uns so irgendwo treffen, das heißt, ich hoffe, dass wir das Du auch hier im Ausschuss weiterführen können.

Ich hätte ganz gerne gewusst – die Erstbefragung von Herrn Dr. Pilgermair zielte jetzt für meine Begriffe ein bisschen darauf ab, was man heute weiß, was man aus den Medien weiß, was man heute darüber weiß, wie das Desaster mit der Hypo Alpe-Adria weitergegangen ist –: Kannst du uns vielleicht die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Lage der österreichischen Banken zu deiner Zeit schildern?

Dr. Wolfgang Schüssel: Na, ich habe versucht, auch schon in der Erstbefragung durch Dr. Pilgermair darauf einzugehen. Das Kernthema war, wir haben 1995 den EU-Beitritt gehabt, 1989 war die Ostöffnung, wir haben uns natürlich massiv auf diese neuen Märkte gestürzt. Das ist ein Volumen – wenn ich jetzt Ukraine und Russland natürlich weglasse – von weit über 100 Millionen Menschen, und Österreich ist in all diesen Märkten natürlich Nummer eins, zwei oder drei bei den Investitionen, vor allem in der Finanzwirtschaft, gewesen. Und mit der Finanzwirtschaft sind natürlich eine ganze Reihe von Klein- und Mittelbetrieben oder großen Betrieben mitgegangen, und das hat uns natürlich auch einen absoluten Mehrwert in Wachstum, Beschäftigung et cetera in Österreich gebracht.

Richtig ist natürlich, dass das auch ein Risiko mitbeinhaltet. Es wäre, glaube ich, ganz falsch, das zu leugnen. Wir haben also, wie gesagt, heute ein Volumen von, glaube ich, 350 Milliarden – mindestens – in diesem Bereich als Exposure stehen. Es hat dann später, 2009, diese riesige Diskussion gegeben, die aber vorher schon angefangen hat, also 2004, 2005 hat das schon begonnen, im IMF, mit „FT“, mit „Wall Street Journal“, Paul Krugman ist später noch nachgekommen, wo er Österreich quasi in den gleichen Topf wie Irland und so weiter geworfen und gesagt hat, das wird das nächste Riesenproblem. Dass wir da natürlich alle Segelohren aufgesperrt und gesagt haben: Radarschirme – ist da was, sind wir hier in irgendeiner Weise gefährdet, was müssen wir tun, was können wir tun?, das ist auch klar.

Also das war die Situation, und die Hypo ist ja – das ist schon ganz interessant, sich das anzusehen – in dieser Zeit zwar gewachsen, aber auch nicht wesentlich schneller gewachsen als zum Beispiel die europäischen Mitbewerber. Sie waren nur schneller, sie waren die Ersten, genauso wie Raiffeisen oder die Erste oder auch die Bank Austria und andere. Die Volksbanken sind viel später gekommen, haben auch viel mehr Probleme gehabt, weil sie ja dann die schlechteren Risken bekommen haben. Aber das war so ein bisschen die Situation damals.

Noch einmal: Für mich war klarerweise …[3] Ich habe andere Prioritäten gehabt, ich war EU-Vorsitzender in der ersten Hälfte 2006, und dazu kam noch wie ein Tsunami im Finanzbereich die BAWAG-Krise, die wir aber, glaube ich, wirklich in kürzester Zeit ordentlich bewältigt haben, ohne dass da etwas übriggeblieben ist und ohne politische Brösel. Ich habe auch sehr darauf verzichtet, das in irgendeiner Weise parteipolitisch zu nutzen, und das, glaube ich[4], war richtig so.

Die Hypo war damals schon als Problem ersichtlich; ich meine, 328 Millionen Swapverluste ist nicht nichts, aber das war nicht das ganz große Risiko. Außerdem hat die FMA, meiner Meinung nach, von außen betrachtet – nicht zuständig, aber von außen betrachtet –, das Richtige gemacht, nämlich sofort Prüfungen eingeleitet, die Notenbank ist hineingegangen, ein Absetzungsverfahren wurde eingeleitet, Kapitalnachschussverpflichtungen wurden verlangt, 250 Millionen sofortige Nachschusspflicht – hat übrigens den Preis reduziert, den Kärnten für den Verkauf bekommen hat –; also das ist schon, finde ich, eine Abfolge, die damals zumindest sehr vernünftig geklungen hat.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Kommen wir auf das Gespräch mit den beiden Vorständen der FMA zurück! Herr Dr. Traumüller hat hier im Ausschuss als Auskunftsperson ausgesagt, dass er sich an ein Gespräch erinnern kann, im Jahr 2006. Weißt du noch ganz genau, wann dieses Gespräch war, oder in etwa, in welchem Monat dieses Gespräch stattgefunden hat?

Dr. Wolfgang Schüssel: Da kann ich mich nicht erinnern, weil ich ja keinen Kalender habe aus dieser Zeit. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass das Anfang Juli gewesen sein soll – kann sein, aber man kann leicht recherchieren, wann die Raiffeisen Oberösterreich eröffnet worden ist. An diesem Tag muss es gewesen sein, denn da sind wir rübergegangen. Das war es.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): War es üblich, dass man die FMA-Vorstände bittet, dir als Bundeskanzler über die allgemeine Bankenlandschaft zu berichten?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, das war überhaupt nicht … Das war ein Zufall, das war ein Zufall[5], dass ich die dort getroffen habe, und wir sind sogar, glaube ich, gemeinsam hinausgegangen. Ich habe gesagt: Begleitet mich noch ein Stück hinüber ins Bundeskanzleramt!, und ich habe eben gefragt: Wie seht ihr die Gesamtsituation der Bankenlandschaft?

Noch einmal: Da sind keinerlei …, hätten sie auch nicht dürfen. Sie hätten keine einzige Information an mich weitergeben dürfen, die in irgendeiner Weise eine Verletzung ihrer Vertraulichkeit bedeutet hätte. Aber eine allgemeine Diskussion darüber, wie das Risiko für den Finanzplatz ausschaut – na, no na; das wäre ja absurd gewesen, hätte ich nicht gefragt, und noch absurder, hätten sie nicht ihre Meinung dazu gesagt.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Haben die beiden dann explizit die Lage in der Hypo angesprochen, denn zu diesem Zeitpunkt … Die Rückziehung des Testats ist ja Ende März erfolgt, und am 31. März 2006 waren ja die Zeitungen schon damit gefüllt. Haben die Vorstände dir gegenüber dann explizit die Hypo-Sache angesprochen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Unter anderem, aber nicht das Hauptthema. Das Hauptthema war die generelle Situation des Finanzplatzes. Natürlich war das insofern ein Thema, als das unmittelbar vorher – zwei oder drei Monate vorher – passiert ist, gar keine Frage. Aber ich finde ja auch, dass ihre Reaktion, sofort zu handeln, korrekt gewesen ist. Also das war eigentlich bei Weitem nicht das Hauptthema.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Haben sie dir damals auch davon erzählt, dass es gegen sie ein Verfahren gibt, angestrengt von den Anwälten der Hypo?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein. Das habe ich auch jetzt erst in den Zeitungen gelesen, war nie bekannt, war auch nie ein Thema. Das spricht auch für sie, dass sie das nie von sich aus angesprochen haben.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Hast du eine Wahrnehmung darüber, haben sie dir damals berichtet über das Geschäftsleiterqualifikationsverfahren gegen die Vorstände, das Absetzungsverfahren gegen die Vorstände Kulterer, Striedinger und Morgl im Zusammenhang mit der möglichen … Damals gab es ja die Verurteilung noch nicht, beziehungsweise damals war ja noch nicht einmal die Bilanzfälschung tatsächlich bekannt; man hat es vermutet, aber es war nicht bekannt. Haben sie dir darüber berichtet?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ehrlich gesagt, das kann ich heute deswegen nicht mit Sicherheit behaupten, weil das jetzt natürlich auch überlagert und überlappt, was ich heute weiß oder was heute in den Zeitungen oder auch in den Aussagen, die ich natürlich auch mitverfolgt habe, gesagt wurde. Das ist natürlich klar. Ob das damals ein Gesprächsthema war? – Ich glaube eher nicht, aber ich kann das jetzt nicht beschwören.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Gab es ein weiterführendes Gespräch zu dem Thema, oder war das damit abgehandelt – also quasi: die allgemeine Bankenlandschaft in Österreich zu dem Zeitpunkt, Sommer oder Juli 2006, und eben in diesem Zusammenhang die Hypo? Gab es da ein Folgegespräch?

Dr. Wolfgang Schüssel: Meiner Erinnerung nach nicht. Das wäre auch sehr komisch gewesen[6], denn es war dann sofort Wahlkampf. Wir haben im Herbst die Wahlen gehabt, und dann waren die Koalitionsverhandlungen; da hat es nachher sicher kein Gespräch mehr gegeben.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Wie war denn zum damaligen Zeitpunkt das Verhältnis mit der Kärntner Spitze in der Politik, also beispielsweise zu Landeshauptmann Haider?

Dr. Wolfgang Schüssel: Schwierig! Bekanntlich hat es ja von 2004 bis 2006 eine Koalition zwischen FPÖ beziehungsweise BZÖ und den Sozialdemokraten in Kärnten gegeben – unsere Leute waren damals in Opposition. Also es hat auch keinerlei direkte Kontakte gegeben. Im Gegenteil! Wir waren eher ... Bitte, Haider war ja 2003, 2004 extrem kritisch zu mir eingestellt. Es gibt das berühmte Interview im Jahr 2003 in der „Kleinen Zeitung“ – leicht nachlesbar oder es ist im Archiv auszuheben –, wo er öffentlich erklärt hat: Schüssel wird noch bitter zahlen für seinen Verrat. – Ich wüsste zwar nicht, was ich verraten hätte, nachdem er in Knittelfeld die FPÖ in die Luft gesprengt hat oder sprengen ließ. Jedenfalls war es aber sicher kein harmonisches und schon gar kein freundschaftliches Verhältnis – also kein Grund, ihm irgendetwas zuliebe oder „zufreunde“ zu tun.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Hat er dich jemals auf die Hypo angesprochen (Auskunftsperson Schüssel: Nie!) und hat gemeint, so quasi, so könne man mit seiner Bank, die er ja in Kärnten auch für seine Zwecke und für seine Politik benützt hat, nicht umgehen? Hat er dich da jemals darauf angesprochen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, aber er hat sich öffentlich aufgeregt, das ist ja auch bekannt. Er hat ja Interviews gegeben über die unsägliche Art und Weise, wie man mit der Hypo umgeht, wie die Finanzmarktaufsicht sich unmöglich aufführt und dass da ein Kampf von Wien gegen Kärnten geführt wird. – Das ist ja nun wirklich kein Geheimnis gewesen, Jörg Haider hat ja nun wirklich mit seiner Meinung nie hinter dem Berg gehalten. Das als Geheimnis zu bezeichnen, wäre wirklich absurd.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Jetzt hat man natürlich als Regierungschef auch Kontakt zu Managern von bedeutenden österreichischen Unternehmen. Die Hypo Alpe-Adria wurde ja hier im Ausschuss auch schon von einigen Auskunftspersonen als systemrelevante Bank bezeichnet.

Gab es außer den Treffen bei Veranstaltungen und so weiter deinerseits andere Zusammenkünfte mit Herrn Dr. Kulterer?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich habe nur gehört oder gelesen, ich glaube, im „profil“ war das, dass er angeblich mit mir einmal in Serbien gewesen sein soll. Ich erinnere mich, dass wir damals … Ich habe damals Zoran Đinđić …, mit ihm war ich wirklich befreundet, er war serbischer Ministerpräsident. Ich habe ihn hoch geschätzt, habe ihn auch in der Zeit von Milošević noch als Oppositionsführer immer wieder besucht und den Dialog mit ihm sehr geschätzt; er war von 2001 bis 2003 Regierungschef, dann ist er ja ermordet worden.

In dieser Zeit haben wir Raiffeisen in Belgrad eröffnet, und Kulterer behauptet, er war damals mit bei dieser Geschichte. Ich kann mich nicht erinnern, aber das ist durchaus möglich. Er kommt ja übrigens aus dem Raiffeisenbereich heraus, daher ist es durchaus möglich, dass er dort gewesen ist. An und für sich war aber nie ein sehr enger Kontakt. Man trifft ihn natürlich bei diversen internationalen oder nationalen Treffen, wenn Wirtschafts- und Finanzberichte vorgestellt worden sind, oder Ähnliches, oder wenn man in Kärnten ist, selbstverständlich, aber darüber hinaus hat es wenige Kontakte gegeben.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Hast du eine Wahrnehmung über das Standing damals als Banker? Es ist im Untersuchungsausschuss auch immer wieder betont worden: Kulterer war die Bank, er hat die Bank in- und auswendig gekannt. Es ist zum damaligen Zeitpunkt – nach dem Auffliegen der Swapverluste und dann letztendlich der falschen Bilanz und des zurückgezogenen Testats und des Enthebungsverfahrens seitens der FMA – ja dazu gekommen, dass er selbst als Vorstandsvorsitzender zurückgetreten ist. Er ist dann in den Aufsichtsrat gegangen, ist dann Aufsichtsratsvorsitzender geworden, und man hat das seitens der Verantwortungsträger so begründet, dass Kulterer die Bank sei und niemand wäre so gut gewesen und hätte die Bank so gut gekannt.

Hast du eine Wahrnehmung über das Standing? War das damals so, oder war das nur die Meinung in Kärnten rund um die Hypo, jener, die mit der Hypo befasst waren?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich habe ja zuerst erzählt, in der Einleitungsbefragung, wie damals so das Bild von Kulterer eigentlich durch die Bank gewesen ist – also nimm „trend“ her oder die „Kleine Zeitung“, die natürlich in Kärnten besonders verankert war und ist, „Format“ ist ein österreichisches Magazin, aber auch viele andere. Er war „Kopf des Jahres“, „Kärntner des Jahres“.

Das war eine wirkliche Erfolgsgeschichte – bis zum Auffliegen dieser Swapverluste, das muss man immer dazusagen. Das gibt er ja auch heute zu, dass sein großer Fehler eigentlich war, diese Swapverluste nicht sofort, viel früher, schon zwei oder eineinhalb Jahre früher, den Organen bekanntzugeben, auch gegenüber den Kontrollen aufzudecken; das gibt er ja ohne Weiteres zu. Das war, glaube ich, der wirkliche Sündenfall.

Meine persönliche Einschätzung ist, dass Kulterer sehr viele Qualitäten hat. Es wäre ganz falsch, ihn da jetzt vollkommen runterzumachen. Ich glaube, dass er wirklich Qualitäten als Manager gehabt hat, nur im Treasury-Bereich – und da ist ja die Hypo nicht der einzige Bereich –, wo diese Swaps und diese diversen Finanztransaktionsgeschäfte gemacht werden, das ist zum Teil so kompliziert, dass du das, selbst als wirklich guter CEO, nicht mehr durchschaust.

Ich glaube, dass sie da auch zum Teil nicht wirklich qualifizierte Leute dort sitzen gehabt haben. Ich glaube auch, dass die Expansion, im Nachhinein gesehen, zu schnell gewesen ist, weil einfach die Managementkapazität nicht ausgereicht hat, und damit hast du auch den Überblick verloren. Das ist sicher ein Thema, das wahrscheinlich in vielen Finanzbereichen international immer wieder auftritt, aber in der Kärntner Hypo ist das natürlich massiv gewesen.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Es ist ja so, dass wir hier immer wieder auch die Rolle der Bankenaufsicht besprechen, also: Welche Rolle hatte die Bankenaufsicht in all diesen Jahren? Jetzt ist natürlich auch klar, und Herr Mag. Lejsek hat es ja auch hier gesagt … Er ist wahrscheinlich das Mastermind der Bankenaufsicht im Finanzministerium und war ja schon vorher für die Bankenaufsicht zuständig. Und dann im Jahr 2001 – du hast es ja vorher schon angesprochen –, und dann der Beschluss im Jahr 2002 letztendlich, die Finanzmarktaufsicht, eine unabhängige Behörde. Vorher ist also sehr wenig passiert, dann hat man die FMA gemacht.

Wie würdest du, im Nachhinein gesehen, die Vorgänge zur Schaffung der Finanzmarktaufsicht bezeichnen? Warst du in diese Schaffung involviert, oder war das eine Sache, die sich rein im Finanzministerium abgespielt hat?

Dr. Wolfgang Schüssel: Es war natürlich schon ein gemeinsamer Plan, eine Finanzmarktaufsicht mit Zähnen zu schaffen. Da war natürlich ein ziemliches Tauziehen, wo soll das ...[7] Die Notenbank war nicht wirklich glücklich, denn das war ja bisher Notenbankkompetenz, das Finanzministerium wollte das zur Gänze quasi an sich ziehen. Dann ist ein relativ vernünftiger Kompromiss herausgekommen, den Finanzminister Karl-Heinz Grasser verhandelt hat, den ich aber voll mitgetragen habe.

Ich glaube, dass es auch sehr richtig gewesen ist, gleich am Anfang diese Dinge zu setzen und vor allem auch dann verfassungsrechtlich, weisungsfrei und unabhängig diese Behörde zu schaffen, weil du ja in dem relativ kleinen österreichischen Biotop sonst ununterbrochen Netzwerke hast, dass man sich einander nicht weh tut. Das war ja das Riesenthema, der Lombard-Club, die Kommission, der Wettbewerbskommissar, die haben immer wieder Druck gemacht. Und es war immer auch mein Anliegen, diese Dinge eigentlich quasi judoartig aufzugreifen und wirklich umzusetzen, weil uns das letztlich auch nützt.

Es ist ja letztlich auch im Interesse der Konsumenten, dass der Finanzplatz objektiv, transparent, preisgünstig und sicher geführt wird, und das haben wir eigentlich versucht umzusetzen. Klarerweise: Hauptverantwortlicher war natürlich Finanzminister Grasser, aber er hat meine volle Rückendeckung dabei gehabt.

Vorsitzende Doris Bures: Frau Abgeordnete, Sie kommen jetzt in die Redezeit der zweiten Runde.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Ich werde dann in der zweiten Runde weiterfragen.

Vorsitzende Doris Bures: Dann ist der nächste Fragesteller Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Guten Tag, Herr Dr. Schüssel! Es war ja im Vorfeld erkennbar, dass zumindest ein Grund Ihrer Ladung hier dieses von der Auskunftsperson Traumüller und von der Auskunftsperson Pribil bestätigte Gespräch war. Dazu haben Sie jetzt schon ein bisschen etwas gesagt, das Ganze hat aber eine andere Ursache gehabt. Auf Vorhalt eines „profil“-Texts, einer Interviewpassage mit Herrn Traumüller, ist es überhaupt erst hier in den Ausschuss gekommen. Darauf möchte ich zurückgreifen. Da sagt Herr Traumüller, wörtliches Zitat:

„Ich habe den Herren mehrfach gesagt:“ – gemeint sind die Vorstände der Hypo Alpe-Adria – „Wenn euch da etwas passiert, reiß’ ich euch den Kopf ab. Wir als FMA waren der Meinung, die seien auf dem besten Wege, die Bank geradewegs gegen die Wand zu fahren. Das habe ich so auch der Regierungsspitze vom Bundeskanzler abwärts kommuniziert.“

Jetzt zu dieser Sache: Hat Herr Traumüller außer bei jenem Spaziergang, der jetzt ja schon Thema war, mit Ihnen die Sache in dieser oder einer ähnlichen Form besprochen? (Auskunftsperson Schüssel: Nein!) – Nie? Ja gut, dann werden wir Herrn Traumüller da möglicherweise noch einmal anders befragen müssen, denn auf diesen Vorhalt hin sagt er nämlich Folgendes – wörtlich aus dem Protokoll –, was Ihre Rolle, also als Bundeskanzler betrifft – jetzt geht es nicht nur um den Spaziergang, sondern auf meinen Vorhalt hin –:

„Es ist völlig üblich, dass sich Regierungschefs einen Überblick über die Situation im Bankensektor verschaffen. Das ist üblich, das gehört zum Aufgabenprofil eines Regierungschefs. Würde er es nicht machen, dann hätte er seine Funktion nicht verstanden.“

Das sagt er auf den Vorhalt hin, dass er vom Bundeskanzler abwärts kommuniziert hätte, dass die Bank geradewegs gegen die Wand fährt. – Bleiben Sie einmal bei Ihrer Aussage? (Auskunftsperson Schüssel: Ja!) – Ja. Vielleicht ist es ja auch einmal interessant, eine Gegenüberstellung zu machen. Herr Traumüller ist ja von verschiedenen Leuten hier ohnehin schon relativ übel beleumundet worden, auch von der Auskunftsperson im Banken-Ausschuss. Man kann das ja auch so lesen: Der Mann ist halt eben irritiert, verwirrt – keine Ahnung, ich weiß nicht, ich frage Sie dazu gar nicht.

Ich frage Sie etwas anderes in dem Kontext. Herr Traumüller ist ja über einen Regierungsbeschluss zu dieser Position gekommen. Können Sie sich erinnern, wie Herr Traumüller FMA-Vorstand geworden ist?

Dr. Wolfgang Schüssel: Also erstens, nur zur Person Traumüller: Ich lasse das so nicht stehen, weil Sie da jetzt einfach eine Person abqualifizieren. Ich kann nur aus meiner Wahrnehmung – das will ich hier schon auch zu Protokoll geben – …

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich qualifiziere gar nichts ab, ich gebe wieder, was andere Auskunftspersonen hier vermittelt haben.

Dr. Wolfgang Schüssel: Dann habe ich Sie falsch verstanden, aber wahrscheinlich hat das jeder andere im Raum auch so getan. Der Kollege Traumüller, den ich ja vorher schon als Mitarbeiter eines Ministers gekannt habe, hat eigentlich eine ausgezeichnete Arbeit geleistet, und ich muss auch sagen, ich habe keinen Grund, ihn jetzt persönlich abzuqualifizieren. Ich habe auch nicht den Eindruck gehabt, dass er mich da in irgendeiner Form in etwas hineinziehen wollte, sondern das war ein gutes Gespräch. Ich kann mich jetzt an wortidente Details – das war vor neun Jahren – nicht erinnern, das wird ja wahrscheinlich ein anderer auch nicht können.

In Summe habe ich aber den Eindruck gehabt, die sehen die Probleme im Finanzsektor Österreichs, arbeiten auch korrekt und ziehen die richtigen Schlussfolgerungen. Im Nachhinein weiß ich, dass das auch erfolgt ist, also mit Prüfung OeNB, Abberufungsverfahren, Kapitalnachschussverpflichtung et cetera. Also das ist, glaube ich, ganz okay, und ich glaube, dass man da jetzt auch an der Person Traumüller nicht rütteln sollte. Der Vorschlag kam übrigens nicht von uns, das Bundeskanzleramt ist in diese Frage nicht involviert. Wir haben es in der Regierung beschlossen, aber wie intern das Auswahlverfahren läuft oder lief, kann ich Ihnen nicht sagen.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ja, das stimmt schon, das war ein gemischter Vorschlag von Notenbank und Finanzministerium, aber es ist jedenfalls Regierungsbeschluss. Wir haben zwischenzeitlich Rehabilitation walten lassen, aber jetzt frage ich da schon noch einmal nach: Traumüller sagt und Pribil bestätigt, sie hätten Ihnen mitgeteilt – das ist ja bitte nicht nichts –, die Hypo sei unterwegs wie ein Sportflugzeug im Nebel, und Pribil fügt dann noch hinzu, ja, und ohne Blindfluginstrumente.

Die behaupten, dass sie den Kanzler so eindringlich informiert hätten. Können Sie sich so genau erinnern, oder kommt das jetzt wieder?

Dr. Wolfgang Schüssel: An den Wortlaut kann ich mich natürlich nicht erinnern, also das … (Abg. Kogler: Aber das ist ja eine dramatische Formulierung, das bestätigen beide!) – Na gut, das werden ja Sie hoffentlich durchaus aus Ihrer eigenen Erinnerung wiedergeben, und ich bestreite das ja auch nicht, aber wenn Sie mich nach meiner Wahrnehmung fragen (Abg. Kogler: Ja, dann ist es gut!), kann ich Ihnen diesen Satz nicht bestätigen, weil ich kein Wortprotokoll über ein Gespräch, das 10 Minuten im Burggarten oder 15 Minuten am Weg von der Oper bis zum Bundeskanzleramt stattgefunden hat, geführt habe.

Richtig ist, dass auch die Hypo ein Thema gewesen ist und dass auch das Misstrauen – das habe ich aber auch im vorherigen Gespräch schon gesagt – gegen den Vorstand zum Thema gemacht wurde, und es ist ja auch bereits ein Abberufungsverfahren gelaufen. Also, so what? Ich glaube, das ist völlig okay gewesen.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ja, ja, das war der Zusammenhang in diesen Wochen damals, aber darauf wollte ich gar nicht hinaus, sondern vielmehr tatsächlich auf die Bestellung von Traumüller. Wenn wir ihn beide jetzt doch auch schätzen, so haben das die Personalberater und die Begutachtungskommission für diese Personalauswahl genau gar nicht gemacht. Da ist eine lange Liste ohne Traumüller erstellt worden, beim Hearing hat er schlecht abgeschnitten. Ich zitiere jetzt aus einem „Standard“-Artikel vom November 2007, die haben das gerade wieder frisch aufgedeckt:

„Die Begutachtungskommission (FMA-Aufsichtsrat und drei weitere Mitglieder) sprach sich einstimmig gegen ihn aus.“

Zuvor hat ihn schon der Personalberater als ungeeignet beschrieben. Dann kommt es jetzt aber, da könnten Sie jetzt ja vielleicht doch etwas in Erinnerung haben:

„Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt wurde bemüht, er räumte alle Bedenken aus. Am 14. Feber 2005 wurde Traumüller für drei Jahre zum FMA-Vorstand bestellt.“

Das ist ein Artikel des „Standard“, gezeichnet mit „gra“, immer gut informiert, immer gut recherchiert.

Haben Sie eine Erinnerung zu diesem Vorgang, dass Traumüller eigentlich rundum als ungeeignet für diese Position betrachtet wurde?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich kenne diesen Artikel im „Standard“ nicht, was mich wundert, aber ich kenne ihn nicht. Wenn ein gemeinsamer Vorschlag von Notenbank und Finanzministerium kommt und im Ministerrat abgestimmt wird, wird er in der Regel einstimmig genehmigt. Das ist meine Erinnerung daran, das kann ich Ihnen sagen.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Das stellen wir uns auch so vor, dass man da nicht alles hinterfragt, auch nicht als Regierungschef, aber die Frage richtet sich auf die Aussage, der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts wurde bemüht, der dann alle Bedenken ausgeräumt hätte.

Dr. Wolfgang Schüssel: Dann müssen Sie den Verfassungsdienst fragen.

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie kommen in die Redezeit der zweiten Runde.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ja, danke. – Ja, das wäre vielleicht gar nicht einmal so unerheblich.

Die zweite Person ist Herr Pribil – den kennen Sie ja viel besser –, der zum FMA-Vorstand bestellt wurde. Jetzt wird diese FMA frisch konstruiert, dann hat man zwischenzeitig kurzzeitig den Professor Grünbichler dort auf der Position gehabt, und dann kommen Traumüller und Pribil, die engsten Vertrauten damals durchaus noch von Grasser, und ich nehme an, Herrn Pribil werden Sie ja besser kennen als Herrn Traumüller. Wie ist es Ihrer Wahrnehmung nach dazu gekommen, dass ausgerechnet Pribil das wird?

Dr. Wolfgang Schüssel: Weil ihn die Notenbank vorgeschlagen hat.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ist da mit Ihnen darüber gesprochen worden?

Dr. Wolfgang Schüssel: Dass er einmal eine Zeit lang als Leihgabe der Notenbank bei mir gearbeitet hat, wie das übrigens üblich ist, ist ja nicht unbedingt ein Nachteil für ihn, oder?

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Das sage ich ja nicht, ich sage nur … (Auskunftsperson Schüssel: Aber es hat so geklungen!) – Nein, ich sage nur, dass es auffällig ist, wie diese Positionen besetzt wurden. Wir gehen ja von einem anderen Hintergrund aus – das muss man separat diskutieren beziehungsweise fragen –, dass meines Erachtens ja ein kolossales Aufsichtsversagen vorliegt, und zwar von Beginn dieser Konstruktion an. Deshalb fragen wir auch, wer dafür verantwortlich ist, dass diese Personen dort hingesetzt wurden.

Das größte Finanzverbrechen der Zweiten Republik: In dieser Zeit, in der die Notenbank diese Aufsichtsagenden von der FMA übernommen hat, wenigstens zum Teil – das ist ja dann außerdem dauernd durcheinander gegangen –, ist es passiert. Es waren damals die Hauptfehler, dass ein Bankomat, ein Billigbankomat, für Kärnten geschaffen wurde und die Hypo zur Hausbank der Balkanmafia wurde. Das ist nicht erst 2006 oder 2007 passiert. Deshalb interessiert den Ausschuss, wer wen damals zu was gemacht hat, weil unser Befund oder zumindest der Befund unserer Fraktion zwischenzeitig ist, dass die Aufsicht noch viel stärker versagt hat, als die Griss-Kommission das ohnehin schon beschrieben hat.

Jetzt ist die Frage, die sich an diesem Punkt stellt: Wieso gerade Pribil und Traumüller? Sie sagen, die sind super qualifiziert. – Ist das richtig so?

Dr. Wolfgang Schüssel: Sie fragen mich, wie Pribil nominiert wurde, und meine Antwort war zuerst schon, bevor Sie Ihre sachliche[8] Qualifikation abgegeben haben, dass er vorher schon im Stand der Notenbank gewesen ist, und die Nationalbank hat ihn wieder nominiert. Das ist meine Antwort dazu.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Und mit Ihnen ist darüber vorher nicht gesprochen worden? (Auskunftsperson Schüssel: Nein!)

Eine andere Personalbestellung betrifft Herrn Christl. Das war überhaupt ohne Vorschlag des Finanzministeriums, denn das Notenbankdirektorium wird direkt von der Regierung nominiert. Da hat hier Herr Liebscher, genauso wie er bestätigt hat, was die Traumüller-Vorgänge betrifft, bestätigt, dass Christl eigentlich nur der Drittgereihte war. Das ist auch hier schon gefragt worden.

Haben Sie zur Bestellung des Herrn Christl ins Direktorium der Notenbank, der dort dann für den bankenaufsichtlichen Teil zuständig war, eine Erinnerung?

Dr. Wolfgang Schüssel: Christl war vorgeschlagen, ist übrigens ein ausgezeichneter Ökonom und hat auch seinen Job sehr gut gemacht. Der ist bestätigt worden, stimmt. Er wurde auch nicht von mir vorgeschlagen.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Irgendwie muss er ja auf die Welt kommen, nicht? (Auskunftsperson Schüssel: Ja, sicher!) – Wer hat ihn vorgeschlagen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Er war vorgeschlagen vom Finanzministerium.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Wer hat ihn denn vorgeschlagen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Wie das üblich ist, das wissen Sie ja ohnehin alles.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Da steht im Nationalbankgesetz ja nur drinnen, dass die Regierung vorschlägt. Es könnte auch ein anderer auf die Idee kommen.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, das sage ich ja gerade (Abg. Kogler: Wer war es denn?), auf Vorschlag des Finanzministers.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Des Finanzministers?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, das wissen Sie ja auch.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Hat er Ihnen berichtet, dass er eigentlich nicht der Erstgereihte ist? Das war nämlich Herr Nowotny.

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein. Da hat es keinen Bericht gegeben. Es war ein Vorschlag des Finanzministers, die Regierung hat das beschlossen …

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Hat irgendjemand nachgefragt, ob es Bessergereihte gibt?

Dr. Wolfgang Schüssel: Wie das üblicherweise immer gemacht wird. Bitte, also nicht nur …

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ist es üblich, dass immer der Dritte kommt und nicht der Erste (Auskunftsperson Schüssel: Nicht nur, nicht nur …!), außer wenn es um den Regierungschef geht?

Dr. Wolfgang Schüssel: Wenn Sie mich ausreden lassen, tue ich mir leichter, denn ich höre sonst Ihre Zwischenrufe nicht.

Also es ist ganz üblich, dass immer wieder bei Besetzungen in der Notenbank der Finanzminister einen Vorschlag macht, die Regierung beschließt das. In der Regel wird nicht darüber berichtet, wer Erst-, Zweit-, Dritt-, Viertgereihter ist.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Okay, das war ja die Frage.

Dr. Wolfgang Schüssel: Das ist die Antwort.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Sie haben auch keine Kenntnis davon gehabt, dass Christl nicht der Erstgereihte war?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das ist meine Antwort gewesen (Abg. Kogler: Ja gut, das …!), dass das der einzige Vorschlag war, und das haben wir bestätigt.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Gut. – Zur Fragestellung, was schon bekannt sein musste. Sie sagen ja: Außenstehende dürfen da gar nichts erfahren und sonst was. Wir haben uns das angeschaut. Sie haben sich zur BAWAG im Zeitraum März 2006 – da ist ja ein paar Tage später die Hypo-Geschichte aufgeflogen – bis Jänner 2007, also in Ihrer Kanzlerzeit, zwanzigmal – nach den ganzen Trefferquoten – öfter geäußert als zur Hypo Alpe-Adria, und zwar relativ detailbeflissen. Wie ist das möglich, wenn die Außenstehenden da nichts Näheres erfahren dürfen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, aber Sie haben damals schon auch Zeitung gelesen. Das waren alles öffentliche Diskussionen, na selbstverständlich! Die ganzen Verluste, Elsner, international … (Abg. Kogler: Natürlich!) Das ist alles öffentlich breitgetreten worden. Das waren überhaupt keine Geschäftsgeheimnisse, sondern jeder, der einigermaßen – und Abgeordnete tun das ja sicherlich auch – die Zeitungen verfolgt, wusste das, wurde auch dazu gefragt und musste dazu Stellung nehmen.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Sehen Sie!

Dr. Wolfgang Schüssel: Wie das Thema dann … (Vorsitzende Bures: Eine Frage noch!) – Ich bin noch am Wort. Wie das Thema dann relevant geworden ist, nämlich dass die ganze Bank in Schieflage kommt, ist Ewald Nowotny zu mir gekommen und hat mir die Dinge offengelegt, damit wir politisch handeln, und das haben wir über ein Wochenende gemacht, ohne einen Wirbel.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich habe jetzt nur mehr eine Frage, aber einleitend: „Zeitung lesen“ ist ein gutes Stichwort. Es haben ja sehr viele Informanten damals durchaus auch berichtet – nämlich im Jahr 2006 wohlgemerkt, begonnen hat es schon ab 2004; ich nehme auch an, dass Sie und Ihre Mitarbeiter Zeitung gelesen haben –, dass die Hypo mit den Swaps noch das geringere Problem hat, wenn man das gescheit verdaut, sondern dass auf der anderen Seite der Bilanz mit massiven faulen Krediten, mit Leasinggeschäften und mit allen diesen Dingen in Wahrheit mit den windigsten Geschäftspartnern, die durchaus der serbischen und der kroatischen Mafia zuzurechnen sind … Das war damals durchaus auch der Zeitungsstand.

Ich frage Sie, ob Sie davon irgendetwas erfahren haben, denn das wäre ja mindestens so interessant gewesen. Die Milliardenverluste der Hypo …

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter, wir haben damit begonnen, dass ich Sie ersucht habe, und Sie haben ja breit zugestimmt, dass wir uns auf die selbst … (Abg. Kogler: Ich frage ja, ob er diese Zeitung auch gelesen hat!) Wir haben ja mehrere Runden. Ich merke Sie auch gerne für die nächste Runde vor. – Herr Dr. Schüssel, Sie sind jetzt am Wort.

Dr. Wolfgang Schüssel: Also meiner Erinnerung nach ist das nicht korrekt, sondern es waren tatsächlich nur die Swapverluste zum damaligen Zeitpunkt das große Thema. Und da war schon auch ein Thema innerhalb dieser Swapverluste … Das hat erstens einmal nicht nur die Hypo gehabt, das hat Wien gehabt, Salzburg, Linz hat die gleichen Gesch…[9], auch andere Banken haben solche Dinge gehabt.

Das Thema war damals – und das könnte auch ein Thema gewesen sein, bei dem ich gefragt habe, wie seht ihr das?, bei diesem Gespräch, das weiß ich aber nicht mehr genau[10] – … Soll man das sozusagen auf einmal abschreiben, oder kann man das quasi über die Jahre verteilen? Heute ginge das gar nicht mehr, damals, bin ich nicht ganz so sicher, aber wahrscheinlich wäre es damals auch nicht zulässig gewesen.

Richtig ist aber, dass wir zum Beispiel bei der Länderbank-Sanierung, die ja viel früher gewesen ist, genau das gemacht haben und quasi die Verluste der Länderbank, die Spekulationsverluste, einfach auf zehn oder 15 Jahre gestreckt haben. Und das war schon ein Thema: Muss man sozusagen diese Mark-to-Market-Wertberichtigungen sofort machen, oder kann man das auf einige Jahre verteilen? Also ich glaube, dass es an sich richtig ist, das in einem zu machen.

Nur, der Unterschied – und das war natürlich auch ein Thema, das hat auch Haider immer wieder öffentlich gesagt – ist: Die Gebietskörperschaften, die die gleichen Spekulationen gemacht haben, müssen ja nicht diese Mark-to-Market-Berichtigungen machen, sondern die können natürlich[11] – Wien macht das, das verstehe ich auch völlig – … Die haben Frankenkredite, und die sagen natürlich: Warum sollen wir den Verlust jetzt sofort lukrieren? Schauen wir lieber, dass wir …[12] In einigen Jahren schaut die Welt anders aus. Jetzt kassieren wir die Vorteile aus den niedrigen Zinsen, während, wie gesagt, vielleicht die Situation auf dem Währungssektor später besser aussehen wird. Das heißt, die Gebietskörperschaften müssen nicht diese sofortige Mark-to-Market-Berichtigung machen. Die Hypo musste das. Das war sicher ein Thema. (Abg. Kogler: Wir reden jetzt von Mafiageschäften!)

Vorsitzende Doris Bures: Weitere Fragen, Herr Abgeordneter, bitte in der nächsten Runde.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Dr. Schüssel, gehen wir in diesem Thema gleich weiter. Sie haben gesagt, dass diese Erstreckung auf zehn Jahre, was die Verluste betrifft, damals ein Thema war. Wann genau haben Sie darüber gesprochen, wann haben Sie davon erfahren, wann war die Diskussion?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das war ein Thema, das Haider aufgebracht hat, auch öffentlich.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Wann?

Dr. Wolfgang Schüssel: Auch in dieser Zeit. Also wann genau, weiß ich nicht.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Inwieweit haben Sie darüber Bescheid gewusst oder haben sich irgendwo informiert?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das war auch kein Thema, also für mich als Bundeskanzler ist das überhaupt kein Thema. Das ist ein technisches Thema. Das mussten die Finanzmarktaufsicht, die Notenbank, auch das Finanzministerium natürlich mit den relevanten Banken besprechen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Wann haben Sie überhaupt von den Swapverlusten erfahren?

Dr. Wolfgang Schüssel: Als sie öffentlich wurden, am 31. März, aber nur indirekt.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Dann haben Sie sich darüber informiert, oder wie haben Sie sich über die Swapverluste informiert?

Dr. Wolfgang Schüssel: Hören Sie, ich war damals EU-Präsident. Ich weiß gar nicht, wo ich am 31. März überall in der Weltgeschichte herumgekurvt bin. Also ganz konkret: Irgendwann im Nachhang zum März haben wir in den Zeitungen erfahren, dass die Hypo wie auch andere Banken und Gebietskörperschaften Swapverluste hat.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Sie haben ja ganz konkret gesagt, dass das komplizierte Geschäfte waren, die selbst Kulterer nicht durchschauen konnte, und Herr Rauscher, also dieser Treasurer, diesbezüglich verantwortlich war. Wann haben Sie genau davon erfahren?

Dr. Wolfgang Schüssel: In den Medien, weil ich gar nicht gewusst habe, dass Herr Rauscher Treasurer ist.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Nein, das ist nicht in den Medien gestanden, dass das so hochkomplexe Geschäfte waren.

Dr. Wolfgang Schüssel: Meine Antwort hier ist jetziges Wissen natürlich, weil …

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Wann haben Sie dieses Wissen erlangt?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, aus den Zeitungen … (Abg. Lugar: Nein, das ist nicht in den Zeitungen gestanden, Herr Dr. Schüssel!) – Aber selbstverständlich, dass der Herr Rauscher Treasurer …

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Es ist nicht drinnen gestanden, dass das hochkomplexe Geschäfte waren, die nicht einmal Herr Kulterer durchschauen konnte.

Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter Lugar, der ganze Untersuchungsausschuss ist ständig in den Medien, und in den Zeitungsberichten ist gestanden, dass Herr Rauscher Treasury-Chef war, abgelöst wurde und der Vorstand sich nicht ausreichend informiert gefühlt hat oder auch nicht informiert wurde. Das ist doch bitte bekannt und öffentlich, oder?

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Nein, aber Sie haben etwas anderes …

Dr. Wolfgang Schüssel: Damals war das kein Thema.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Schüssel, Sie haben ja etwas ganz anderes gesagt. Sie haben gesagt, dass der Herr … (Auskunftsperson Schüssel: Für Sie Dr. Schüssel!) – Habe ich den Doktor vergessen? (Auskunftsperson Schüssel: Ja!) – Entschuldigen Sie, Herr Dr. Schüssel.

Sie haben gesagt, dass der Herr Kulterer das nicht durchschauen konnte, weil das so hochkomplexe Geschäfte waren und der Treasurer das dementsprechend eigenverantwortlich gemacht hat. Das ist eine Information, die in keiner Zeitung gestanden ist (Auskunftsperson Schüssel: Und ist auch nicht eine Information!), und die ich auch so nirgends gelesen habe. Also woher haben Sie die Information?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das ist jetzt nicht eine Information, die ich bekommen habe, sondern das ist eine Informationenschlussfolgerung, die ich allgemein auf eine Frage der Frau Abgeordneten Tamandl gesagt habe, dass diese sehr komplexen Finanzgeschäfte unter Umständen, oder sehr oft auch, sogar die CEOs überfordert haben, und Sie interpretieren das jetzt mit Namen. Das habe ich gar nicht gesagt.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Sie haben auch keinen Namen gesagt, sondern Sie haben gesagt (Auskunftsperson Schüssel: Eben!), dass eben der Treasurer dafür verantwortlich war und der Herr Kulterer das nicht durchblicken konnte und die Schuld beim Treasurer liegt. Das haben Sie vorhin gesagt, das habe ich mitprotokolliert. Sehen Sie das so?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das ist eine allgemeine Einschätzung über das Problem gewesen, dass manche Finanzprodukte nicht leicht durchschaubar waren, nicht einmal für den CEO, ohne Namensnennung und ohne speziell auf die Hypo einzugehen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Dr. Schüssel, wenn Sie das so einschätzen, müssen Sie sich ja darüber informiert haben, denn Sie müssen wissen, was für Geschäfte das waren, um das einschätzen zu können; nehme ich einmal an.

Dr. Wolfgang Schüssel: Darf ich eigentlich eine allgemeine Einschätzung zu Finanzprodukten haben oder nicht?

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Darf ich Ihnen sagen, warum ich Sie das frage? Das war nämlich die Argumentation von Kulterer, die wir in vielen Dokumenten gefunden haben. Kulterer hat sich so versucht am Rauscher abzuputzen, wobei wir widerlegt haben, dass der Rauscher tatsächlich schuld war, denn es hat interne Richtlinien gegeben, die bis zu 9 Milliarden solche Geschäfte auch erlaubt haben, und er hat überhaupt nicht gegen irgendwelche internen Richtlinien verstoßen, sondern – ganz im Gegenteil! – er hat das getan, was er tun konnte, und der Herr Kulterer hat sich damit an dem Herrn Rauscher abgeputzt.

Dr. Wolfgang Schüssel: Was ist die Frage?

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Die Frage ist, wie Sie zu dieser Einschätzung kommen. Die klingt mir ganz nach dem Herrn Kulterer, als hätte Sie Herr Kulterer darüber in Kenntnis gesetzt, wie schrecklich unfair man mit ihm umgegangen ist.

Dr. Wolfgang Schüssel: Aber ich kenne diese Einschätzung oder diese Interpretation vom Herrn Generaldirektor Kulterer gar nicht, also kann ich sie auch nicht gewusst haben.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Aber Sie haben sie hier wiedergegeben, deshalb frage ich Sie dazu.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich habe sie nicht wiedergegeben, weil ich sie gar nicht kannte.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Okay. Sie haben gesagt, das mit der Hypo hat Sie nicht so stark interessiert, weil das gar nicht Ihre Aufgabe war. Jetzt waren Sie gerade dabei, die Bawag irgendwie zu retten, und das haben Sie ja, wie Sie selbst gesagt haben, sehr erfolgreich getan. Sie haben sogar Ihre Ersparnisse transferiert und dort ein eigenes Sparbuch aufgemacht, um die Bevölkerung zu beruhigen.

Hatten Sie nicht Angst, dass Sie Ihr Sparguthaben demnächst gleich wieder transferieren müssen zur Hypo, die dann der nächste Pleitekandidat ist? War das nicht Ihre Befürchtung?

Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Wenn Sie mich zitieren, dann bitte präzise zitieren! Ich habe nicht gesagt, die Hypo hat mich nicht interessiert, sondern ich habe gesagt, im Vordergrund stand die Bawag, weil die war in Existenzgefährdung. Zum damaligen Zeitpunkt war nicht eine Existenzgefährdung der Hypo absehbar, das haben übrigens auch Notenbank-Berichte, die Sie hier bereits kritisch diskutiert haben, gezeigt, dass es hier keine akute Schieflage gegeben hat, sondern ganz konkret …

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Das stimmt überhaupt nicht! Sie sagen die Unwahrheit, Herr Dr. Schüssel!

Dr. Wolfgang Schüssel: Darf ich ausreden? Darf ich meine Antwort so formulieren wie ich darf, ohne dass Sie mich dauernd unterbrechen, oder nicht?

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): An und für sich darf ich Sie schon unterbrechen, ich glaube nicht, dass in der Verfahrensordnung steht, ich darf Sie nicht unterbrechen.

Vorsitzende Doris Bures: Das ist nur in der Sache, wenn man um eine Beantwortung der Frage ersucht, nicht sehr hilfreich. Das hat bis jetzt ganz gut funktioniert, Frage und Antwort, und ich glaube, wir können das heute auch so abhandeln.

Dr. Wolfgang Schüssel: Danke vielmals, Frau Vorsitzende! Also zum Sparbuch: Ich meine, das Sparbuch ist nicht auf meine Idee zurückzuführen, sondern auf eine Anregung und eine Bitte des damaligen Generaldirektors der Bawag, Ewald Nowotny, der gesagt hat, es droht ein Bank Run am 2. Mai, nach den Feiertagen, und es wäre gut, wenn wir ein sichtbares Zeichen setzen, indem wir gemeinsam, die Bundesregierung, ein Sparbuch einlegen, mit medialer Begleitung. Und tatsächlich hat das gewirkt. Es hat sofort aufgehört, plus natürlich die politische Einigung, dass man die Bawag rettet.

Zum damaligen Zeitpunkt war überhaupt kein Grund anzunehmen, dass die Hypo in einer ähnlichen Form existenzgefährdet ist. Im Gegenteil! Ich wiederhole es: Die Bayern waren massiv daran interessiert, die Hypo zu kaufen. Gerade weil es ein gewisses Problem gegeben hat mit den Swapkrediten, war es aus meiner Sicht völlig sinnvoll, dass die Bayern das erwerben. Also gar kein Grund, dass man Sparbücher in irgendeiner Weise einbringen muss oder gefährden muss.

Bitte, hören wir auf, das hat keinen Sinn, dass wir da jetzt Kleingeld wechseln! Wir wissen alle, wie problematisch die Situation war und ist, aber zum damaligen Zeitpunkt war nach bestem Wissen und Gewissen die heutige Schieflage nicht erkennbar.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Ex-Bundeskanzler Dr. Schüssel, Sie haben vorhin gesagt, es war niemandem bekannt, dass die 300 Millionen existenzgefährdend sind; das haben aber alle anders ausgesagt. Die Wirtschaftstreuhänder, auch der Herr Kulterer, alle haben davon gesprochen, dass das der Anfang vom Ende war. Und das war damals sehr wohl sichtbar, und auch die OeNB-Berichte, die Sie ja nicht gekannt haben, die Sie aber hier zitieren, sagen, dass Riesenprobleme da waren. Also so rosig war die Lage nicht!

Und wenn Sie sagen, Sie haben bei der Bawag alle möglichen Interventionen gemacht, um hier Schaden von der Republik abzuhalten, dann mussten Sie damals auch Sorge haben, dass das Gleiche mit der Hypo passieren könnte. Deshalb war das nicht so vom Tisch zu wischen. Und wenn Sie sagen, dass die Bayern damals schon interessiert waren, wussten Sie das schon Anfang 2006, dass die Bayern die Hypo kaufen oder übernehmen wollten? Wussten Sie das schon damals? Oder wann wussten Sie das?

Dr. Wolfgang Schüssel: Erstens habe ich nicht interveniert bei der Bawag. Noch einmal, das Wort „Intervention“ ist hier vollkommen falsch angebracht. Wir haben die Bawag mit einem eigenen Bundesgesetz, All-Parteien-Beschluss, gerettet. Und das war sinnvoll und notwendig, das hätte Tausende Sparer, Tausende Kreditgeber betroffen und hätte tatsächlich eine dramatische Folge auch für den Finanzplatz Österreich gehabt. Das ist überhaupt nicht vergleichbar mit den damals bekannt gewordenen Swapverlusten, die, ich meine, ehrlich gesagt, Salzburg, Linz in gleicher Höhe …[13] Das ist auch nicht existenzgefährdend jetzt für diese Gebietskörperschaften. Das ist unangenehm genug und wird auch bereinigt werden, hoffentlich, aber das war nicht das wirkliche Problem.

Die Bayern haben, wie schon erwähnt, 5 Milliarden verloren, der österreichische Steuerzahler wird 8 Milliarden plus weitere Milliarden insgesamt einbringen. Da sind die Swapverluste, die damals bekannt geworden sind, ein kleiner Punkt, der halt über der Wasserlinie gewesen ist, das ist schon richtig.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Dr. Schüssel, Sie wollen uns doch hier nicht weismachen, dass ein Vorstand, der ganz bewusst ein ganzes Jahr lügt, der betrügt, der Bilanzen fälscht, der ein Jahr später auch deshalb angezeigt wird, der wirklich aufs Ärgste betrügt, dass Ihnen das egal war, nachdem Sie gerade die Bawag am Hals hatten, und das kurz vor der Wahl. Das heißt, es muss Sie ja interessiert haben, ob da vielleicht noch ärgere Leichen im Keller liegen, nachdem der Kulterer wirklich ein ganzes Jahr lang bewusst die Unwahrheit gesagt hat.

Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter, ich weise das wirklich mit Entschiedenheit zurück, wenn Sie mir unterstellen, mir ist etwas egal! Das habe ich nie gesagt, ich habe auch hoffentlich nicht – für alle anderen Zuhörer und für die Medien – diesen Eindruck erwecken wollen. Im Gegenteil! Sobald das bekannt geworden ist, haben die zuständigen Organe der Republik (Abg. Lugar: Aber Sie haben nichts getan!) – darf ich weiterreden? – ein Enthebungsverfahren für den Vorstand eingeleitet, haben eine Anzeige wegen Bilanzfälschung gemacht. Sie können doch nicht sagen, das ist egal gewesen! Alle Organe haben zum jeweiligen Zeitpunkt versucht, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Das ist die Wahrheit, und nicht mir unterstellen, mir ist das egal gewesen!

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Dr. Schüssel, Sie waren sonst auch sehr umtriebig. Warum haben Sie da selbst keine Maßnahmen gesetzt? Sie haben sich einfach auf das verlassen, was die anderen tun, obwohl Sie gerade die Bawag am Hals hatten, und obwohl Sie auch dieses Klumpenrisiko des gesamten österreichischen Bankensektors gesehen haben, und obwohl Sie auch bei der FMA nachgefragt haben, und obwohl die FMA Ihnen gesagt hat, dass die Hypo wie ein Sportflugzeug durch den Nebel fliegt. Was wir beide wissen, ist, dass das sicher etwas ganz Gefährliches ist, wenn ein Sportflugzeug ohne entsprechendes Radar und Sonstiges durch eine Nebelbank fliegt, das ist lebensgefährlich. Das heißt, das muss Sie doch aufgeschreckt haben, da müssen Sie doch Gespräche geführt haben mit vielleicht dem Finanzminister Grasser oder mit wem auch immer. Warum haben Sie das nicht gemacht? Das ist die Frage.

Dr. Wolfgang Schüssel: Noch einmal: Erstens, dieser Vergleich mit dem Sportflugzeug im Nebel ist mir nicht geläufig. Ich habe das auch gelesen, dass das in den Befragungen hier gesagt wurde. Aber wir haben über die Situation geredet und es ist auch das Misstrauen gegenüber dem Vorstand zum Ausdruck gekommen. Und bitte, mehr als dass du den Vorstand enthebst, was im September 2006 übrigens erfolgt ist, kannst du wohl nicht machen. Und dazu einen neuen Eigentümer, und ehrlich gesagt, die Bayerische Landesbank ist ja nicht irgendwer gewesen. Das ist eine ganz starke Regionalbank gewesen, die sehr interessiert war, das zu erwerben. Ich habe das eigentlich für eine ausgezeichnete Lösung gehalten, um uns auch dieses Problem, dessen Ausmaße damals noch nicht im vollen Umfang absehbar waren, vom Hals zu schaffen.

Vorsitzende Doris Bures: Sie kommen in die Redezeit der zweiten Runde.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Danke, ich habe nur noch eine Frage.

Sie haben gesagt, damals, als das mit den Swapverlusten aufgetaucht ist und Sie gerade versucht haben, die Bawag zu retten, waren Sie froh, dass die Bayern das kaufen wollten, weil das dadurch besser darstellbar ist. Damals konnten Sie das noch gar nicht wissen, dass die Bayern interessiert sind. Warum wussten Sie das schon 2006?

Dr. Wolfgang Schüssel: Es hat Gerüchte gegeben und es hat auch durchaus bereits Indizien gegeben. Meines Wissens haben die Bayern ja auch bereits Anfang 2007 die Hypo gehabt.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ja, wir sind jetzt aber im Jahr 2006.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja schon, aber entschuldigen Sie, wenn Sie eine Bank Anfang 2007 kaufen, dann wissen Sie doch, dass das nicht von einem Tag auf den anderen geschieht. Da wird eine Due-Diligence-Prüfung gemacht, da werden Prüfungen vor Ort gemacht, da werden die Bücher geprüft, da gibt es Gerüchte, da gibt es Fragen: Wie seht ihr das? Mit wem sollen wir reden? – Das habe ich ja gerade gesagt, es war immer wieder auch von den Bayern Interesse an der Hypo, und wir haben immer gesagt, wir haben damit nichts zu tun – Kärnten.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Haben Sie vor dem Gespräch mit Traumüller gewusst, dass die Bayern interessiert sind?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Ich glaube ja, dass das vorher schon bekannt war. Ich glaube schon, ja.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Das heißt, Tilo Berlin müsste das auch gewusst haben, bevor er eingestiegen ist?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich kenne Tilo Berlin überhaupt nicht. Der ist mir in meinem ganzen Leben bewusst nie begegnet. Also fragen Sie mich wirklich über mich und meine Wahrnehmung und nicht über jemanden anderen. Das ist sinnlos.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Dr. Schüssel, ich möchte bei den Fragen vom Herrn Verfahrensrichter anschließen. Auf die Fragen von Herrn Dr. Pilgermair haben Sie sinngemäß gesagt, Sie haben damals keine konkreten Informationen zur Hypo bekommen, und das wäre auch unzulässig gewesen, weil das eine Verletzung der Vertraulichkeit bedingt hätte. Habe ich das richtig zusammengefasst?

Dr. Wolfgang Schüssel: In etwa, Kurzfassung.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Weil Sie auch keine Ressortzuständigkeit in dem Bereich haben, glaube ich, habe ich auch vernommen. Nun hat der Bundeskanzler ja genau genommen überhaupt keine Ressortzuständigkeit. Das würde bedeuten, wenn denn nun alle Ministerien aufgrund einer Vertraulichkeit – ich meine, dazu kommen wir noch – gar nicht miteinander reden können, auch Ihnen keine Informationen weitergeben können, dann frage ich mich, Herr Dr. Schüssel, ich weiß nicht, wie regiert man ein Land ohne Informationen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ist das eine Frage? (Heiterkeit.)

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ja.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ihre Information ist aber nicht zutreffend. Erstens ist der Bundeskanzler nach der österreichischen Bundesverfassung ein Minister, das heißt, er führt ein Ressort. Das kann größer sein, kann kleiner sein. Zum Beispiel habe ich in meiner Zeit das Personalressort gehabt, also die gesamte Personalgeschichte, nicht immer übrigens, das hat eine Zeit lang auch die Vizekanzlerin geführt, aber am Schluss habe das Personalressort ich geführt. Ich habe das Kulturressort gehabt und dazu – nicht vergessen! – hat der Bundeskanzler auch einige genuine Eigenverantwortlichkeiten, die in der Bundesverfassung aufgezählt sind. Aber natürlich nicht eine allgemeine Richtlinienkompetenz, wie das im Deutschen Bundestag der Fall ist oder in anderen Bereichen. Das ändert nichts daran, dass du natürlich aufgrund der Gestaltung der Tagesordnung, aufgrund der Themenstellung, die du selber machst, aufgrund der politischen Steuerungsmöglichkeiten, die du jetzt parteiintern hast, natürlich nicht beim Koalitionspartner, aber parteiintern, durchaus einiges direkt mitsteuern kannst. Ansonsten gilt das Kollegialprinzip. Das ist schon ein wichtiger Punkt. Der Bundeskanzler ist eigentlich nur Primus inter Pares. Aber er ist sicher nicht das Salzamt. Das ist jetzt wieder auch eine Illusion, hoffentlich.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Mich interessiert vor allem der Informationsfluss. Das würde bedeuten, wenn ich jetzt Ihren Argumenten folge und es dieses Vertraulichkeitsprinzip innerhalb der Bundesregierung gibt, dass Sie nur Informationen aus dem Bundeskanzleramt bekommen. Aber aus allen anderen Ressorts, wo es andere ressortzuständige Minister gibt, kriegen Sie keine Informationen, weil – Ihre Worte – das die Vertraulichkeit verletzen würde.

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, das mischen Sie jetzt. Natürlich, alles, was ein Minister, ein Ressortchef in den Ministerrat bringt, ist automatisch damit auch Gegenstand der politischen Betrachtung, der Diskussion, der politischen Beschlussfassung und der Information. Das ist völlig legal und legitim, notwendig sogar. Das ist etwas ganz anderes, was ich mit der Vertraulichkeit gemeint habe. Es kann nicht sein, dass zum Beispiel jetzt ein Bankprüfer aus der Notenbank hergeht und zum Beispiel dem Innenminister sagt: Du, pass auf, da habe ich festgestellt, da gibt es irgendein Risiko in irgendeinem Bereich. – Das ist absolut unzulässig! Das wäre ein Bruch der Amtsverschwiegenheit. Oder dass die Notenbank jetzt zum Beispiel ganz bestimmte Dinge, eine ganz bestimmte Prüfung oder eine bestimmte Studie, eine bestimmte Bilanz an jemanden weitergibt, der nicht ressortzuständig ist. Das ist ein Bruch der Verschwiegenheitsverpflichtungen. Das ist etwas ganz anderes. Also alles, was im Ministerrat berichtet wird, ist völlig richtigerweise Thema.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Dr. Schüssel, Sie waren ja nicht Innenminister, sondern Sie waren Bundeskanzler in dieser Zeit und hatten Gesamtverantwortung, die gesamte politische Verantwortung für die Bundesregierung. Ich höre jetzt aus Ihren Aussagen heraus, Sie konnten von der Problematik der Hypo nichts wissen. Also die Prüfer, Sie haben es selbst jetzt genannt, die haben das natürlich schon gewusst, auch schon damals gewusst, weit vor den Swapgeschäften bis ins Jahr 1997 zurück. Sie sagen, da würde es Verschwiegenheitspflichten geben, und damit würde der Bundeskanzler nichts erfahren.

Da frage ich mich schon: Wie kann das sein, dass es keine Berichtslinien aus den Ressorts zum Bundeskanzler gibt, der die gesamtpolitische Verantwortung trägt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die österreichische Bundesregierung so funktioniert. Natürlich muss es da Berichtslinien geben. Natürlich wird jetzt nicht der OeNB-Prüfer zu Ihnen ins Bundeskanzleramt kommen und Ihnen den Prüfbericht zum Lesen auf den Tisch legen. Das verstehe ich. Dazu haben Sie keine Zeit. Aber die wesentlichen Dinge, die Probleme, da muss es doch Berichtslinien geben! Das muss Ihnen doch zumindest der Finanzminister oder der jeweils Ressortzuständige berichten, auch außerhalb des Ministerrates.

Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter, wir haben einfach in der österreichischen Verfassung das Prinzip, dass der jeweilige Minister die Spitze der hierarchischen Behördenstruktur ist. Bei dem gilt das natürlich nicht, die entsprechende Auskunftsverweigerung oder Verschwiegenheitsverpflichtung et cetera. Der Bundeskanzler ist Primus inter Pares. Nur dann, wenn etwa ein Innenminister oder Finanzminister oder ein Außenminister einen Fall in den Ministerrat bringt, dann ist es ein Thema auch für den Bundeskanzler. Alles andere ist in einer Grauzone, die eigentlich rechtlich nicht geregelt ist und daher auch gar nicht ermöglicht, dass zum Beispiel jetzt ein direkter Prüfer aus der FMA oder aus der Notenbank direkt zum Bundeskanzler geht. Ich meine, ich will mich nicht abputzen, überhaupt nicht, aber das ist die Realität. Das ist die Verfassungsrealität in Österreich.

Übrigens noch etwas dazu, weil das auch immer wieder kommt, auch bei diesem Landesgesetz: Es ist nicht so, dass der Bund für die Bundesländer nach der österreichischen Bundesverfassung haftet.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Das ist ein anderes Thema.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, aber ich will das nur sagen, weil es ein bisschen dazugehört. Das können wir später vielleicht noch diskutieren, das ist ganz klar geregelt.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ich möchte mich jetzt eh nicht so am OeNB-Prüfer festmachen, sondern an dem, was faktisch passiert ist. Sie haben, wie Sie selbst beschrieben haben, in diesem Juli 2006 offenbar die Gelegenheit wahrgenommen und die FMA-Vorstände mitgenommen, sich begleiten lassen und berichten lassen. Das finde ich vollkommen plausibel, dass sich ein Bundeskanzler, der die Gesamtverantwortung für die Bundesregierung trägt, auch wenn er nicht ressortzuständig ist, in den wesentlichen, zentralen, wichtigen Dingen berichten lässt, auch von weisungsfrei gestellten Behörden. Das haben Sie gemacht.

Aber deswegen verstehe ich nicht, dass Sie sich da grundsätzlich auf Verschwiegenheitspflichten berufen, denn dann hätte dieses Gespräch ja diese Verschwiegenheitspflicht, wie Sie sie nennen, verletzt. Dieses Gespräch hätte ja gar nicht stattfinden dürfen. (Auskunftsperson Schüssel: Nein!) Auch das Gespräch mit Herrn Nowotny, das Sie selbst erwähnt haben, als er wegen der BAWAG zu Ihnen gekommen ist, hätte dann wegen Verschwiegenheit auch nicht stattfinden dürfen.

Deswegen meine Frage: Wie regiert man ein Land ohne Informationen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Na gut, aber das ist eine polemische Zuspitzung, die in dieser Form nicht statthaft ist. Der Punkt ist folgender: Ein Gespräch über Dinge, die allgemein verständlich sind oder relevant sind, bekannt sein können, ist jederzeit möglich, mit der Finanzmarktaufsicht, mit der Notenbank, was immer; selbstverständlich.

Die Frage war vorher etwas anderes, ob wir präzise Informationen jetzt über Kreditrisiken, … – Das ist eine verständliche Frage. Antwort: Nein, weil das wäre ein Bruch der Vertraulichkeit gewesen. Das ist nicht möglich.

Ein allgemeines Gespräch ist immer möglich und eine allgemeine Einschätzung der Lage. Nur, und das ist ja das Risiko dieser Beamten oder dieser weisungsfrei gestellten Behörden: Die haben das Risiko. Ich habe es nicht. Ich kann jeden etwas fragen. Ob er mir das sagen darf, ist seine Sache. Daher müssen diese Grenzlinien sehr genau beachtet werden. Mein Eindruck war, dass die beiden FMA-Vorstände und auch die Notenbank das immer gemacht haben.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Gehen wir weiter, wechseln wir die Ressortzuständigkeit von Finanzen zu Verteidigung! (Auskunftsperson Schüssel: Haben Sie gesagt „Verteidigung“?) – Verteidigung, ja. – Es gibt ja in Sachen Hypo den einen oder anderen Bericht eines Nachrichtendienstes, nämlich vom deutschen Bundesnachrichtendienst, es gibt Berichte von der SOA, dem kroatischen Nachrichtendienst – die haben übrigens die Hypo als Geldwaschmaschine bezeichnet.

Auffällig ist: Es gibt offensichtlich keine Berichte von den österreichischen Nachrichtendiensten. Wir sind zwar ein kleines Land, haben aber ganz schön viele Nachrichtendienste für das kleine Österreich, nämlich einen zivilen und zwei militärische, und die wollen in Sachen Hypo nie etwas erfahren haben und nie etwas ermittelt haben. Warum schließe ich das? Weil sie eine Leermeldung abgegeben haben. Die haben dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss keine Akten geliefert, weil sie, wie sie sagen, keine haben.

Jetzt würde mich interessieren – und ich gehe davon aus, dass es, wie in allen Ländern üblich, Berichtslinien von den Nachrichtendiensten zum Regierungschef gibt –: Ist Ihnen von den österreichischen Nachrichtendiensten in Sachen Hypo oder rundherum berichtet worden?

Dr. Wolfgang Schüssel: Darf ich fragen: Aus welchen Jahren sind diese Berichte vom deutschen und vom kroatischen Geheimdienst?

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ich frage eh zu den österreichischen.

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, meine Frage war: Aus welchen Jahren sind diese Berichte, die Sie zitiert haben? Sie haben sie ja zitiert. Darf ich wissen, aus welchen Jahren sie sind?

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Das war das Einleitungsstatement, das war keine Frage. Dr. Schüssel, ich stelle …

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, aber ich darf ja zu meiner Information fragen, aus welchem Jahr diese Berichte sind! Ist das unzulässig?

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Sie waren von 2000 bis 2007 Bundeskanzler, deswegen bezieht sich meine Frage auf diese Zeit.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, aber ich brauche keinen Geheimdienst, um das zu wissen. (Heiterkeit.) Sondern meine Frage ist: Sie zitieren etwas, um hier sozusagen …

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Das habe ich angenommen. Aber deswegen wundert es mich, dass ich Sie erinnern …

Dr. Wolfgang Schüssel: Ist es Geheimwissen, von wann diese Berichte sind?

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Das betrifft nicht die Frage.

Dr. Wolfgang Schüssel: Aber meine Antwort bezieht sich vielleicht darauf.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Dr. Schüssel, ich stelle die Frage und Sie antworten darauf. So läuft das Spiel hier.

Verfahrensanwalt Dr. Bruno Binder: Herr Abgeordneter! Um Ihre Frage verstehen zu können, wurden Sie gebeten, zu sagen, aus welcher Periode zeitlich das stammt, was Sie behauptet hätten, dass nämlich der kroatische und der deutsche Geheimdienst da irgendetwas ermittelt hätten.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Professor Binder! Das hängt überhaupt nicht miteinander zusammen. Ich frage zu der Zeit, als Herr Dr. Schüssel Regierungschef war, 2000 bis 2007. Ich habe Sie daran erinnert, Herr Dr. Schüssel, und Sie gefragt, ob Sie in dieser Phase von den österreichischen Nachrichtendiensten informiert worden sind. Ich habe Sie nicht zu den deutschen oder kroatischen gefragt. Ich nehme einmal an, dass Sie von denen nicht informiert worden sind. Und das war übrigens eine Meldung zur Geschäftsordnung, eine Replik auf die Wortmeldung des Verfahrensanwalts. Ich bitte, diese Zeit abzuziehen.

Vorsitzende Doris Bures: Nein, Herr Abgeordneter. Sie sind in der Redezeit der zweiten Fragerunde.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ja, trotzdem. Ich bitte, das abzuziehen, denn das war eine Replik auf die …

Vorsitzende Doris Bures: Wir haben jetzt keine Geschäftsordnungsdebatte durchgeführt, Herr Abgeordneter. (Abg. Lugar: Du musst die Frage noch einmal ganz klar formulieren, das ist die Aufgabenstellung!)

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ich glaube, die Frage war eindeutig. Haben die österreichischen Nachrichtendienste Sie als Bundeskanzler zu irgendeiner Zeit in irgendeiner Form zur Causa Hypo oder rund um die Causa Hypo informiert?

Dr. Wolfgang Schüssel: Die Nachrichtendienste informieren nie direkt, sondern da gibt es eine eigene Arbeitsgruppe, eine interministerielle Gruppe. Die besteht meines Wissens aus dem Bundeskanzleramt, dem Außenministerium, dem Innenministerium, dem Verteidigungsministerium. Dort werden diese Dinge besprochen. Eine direkte Linie gibt es nicht.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Dr. Schüssel, das ist falsch. Das Heeresnachrichtenamt HNaA berichtet nicht nur direkt an den Verteidigungsminister, sondern direkt an den Bundeskanzler.

Dr. Wolfgang Schüssel: Jetzt habe ich Ihnen gerade gesagt, wie das läuft. Da gibt es eine eigene Arbeitsgruppe, ein interministerielles Komitee, und dort werden diese Dinge besprochen. Das läuft nicht direkt zum Innenminister oder zum Bundeskanzler oder zu sonst jemandem, das läuft in dieses Komitee hinein.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ja, und ich sage, es gibt eine Berichtslinie direkt an den Bundeskanzler, und Sie haben meine Frage nicht beantwortet. (Auskunftsperson Schüssel: Ich habe die Frage eigentlich …!) – Ich habe nicht gefragt, ob es eine Arbeitsgruppe gibt und was dort besprochen worden ist. Ich habe Sie gefragt: Haben die österreichischen Nachrichtendienste Sie über die Causa Hypo oder rundherum informiert? Ja oder nein?

Dr. Wolfgang Schüssel: Meine Antwort war völlig klar. (Abg. Hable: Nein, also ich habe es nicht verstanden!) Die Information dieser Nachrichtendienste geht nur an dieses interministerielle Komitee. Ich weiß nicht, drücke ich mich so unklar aus?

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ja. Ja oder nein?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich glaube, jeder andere hat es verstanden.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ich habe nicht gefragt, ob diese Informationen an jemanden anderen gegangen sind. Ich habe gefragt, ob Informationen an Sie gegangen sind! Die Frage ist sehr konkret und leicht zu beantworten. Ja oder nein?

Dr. Wolfgang Schüssel: Bei jedem Akt steht zum Beispiel „Der Bundeskanzler“ oder „Der Bundesminister“ unten. Das heißt ja nicht, dass der Bundeskanzler oder der Bundesminister das selber unterschrieben oder gesehen hat. Das ist der Bundekanzler beziehungsweise der Bundesminister als Behörde. Das müssten Sie eigentlich als Gesetzgeber wissen. Meine Antwort war daher präzise. (Abg. Hable: Auch das war nicht die Antwort auf meine Frage!) – Darf ich ausreden?

Meine Antwort war daher sehr präzise. Die Nachrichtendienste arbeiten …

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Meine Frage war: Haben Sie Informationen bekommen, ja oder nein?

Vorsitzende Doris Bures: Wir können leider weder die Frage noch die Antwort verstehen. Jetzt würde ich darum bitten, dass Sie noch einmal die Frage formulieren.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Noch einmal? Zum vierten Mal?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich glaube, jeder hat es verstanden. (Abg. Lugar: Ich glaube, die meisten haben es verstanden!) Die Informationen gehen an ein interministerielles Komitee und damit auch an das Ressort. Sie wollten wissen, ob es darüber hinaus eine direkte Information an die Person Bundeskanzler oder Minister gibt. Die Antwort war klar: Nein. (Abg. Hable: Ah, jetzt! Endlich! Danke!) Aber es gibt die Information an die Ressorts. Nehmen Sie das zur Kenntnis!

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Gut. Ich weiß nicht, warum wir für diese Frage vier Anläufe gebraucht haben, aber gut.

Dr. Wolfgang Schüssel: Weil Sie die Frage anders gestellt hätten. Weil Sie die Antwort nicht zur Kenntnis nehmen. Ist ja einfach.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Es war eine einfache Frage: Ja oder nein? Aber das Nein haben wir.

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, haben Sie nicht. (Abg. Hable: Ist zwar spannend, das die österreichischen Nachrichtendienste …!) Sie haben eine etwas differenzierte Antwort, bitte sehr.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Lassen Sie mich bitte ausreden, jetzt bin ich am Wort! Es ist zwar spannend, dass alle anderen Nachrichtendienste rund um Österreich sich natürlich diese Fragen angeschaut haben, nur die österreichischen nicht. Aber das werden wir uns ja noch genauer anschauen.

Herr Dr. Schüssel, ich gehe weiter zu einem anderen Thema. Es gibt einen Bericht der „Tiroler Tageszeitung“ vom 5. März 2014, ein Interview mit dem ehemaligen Kärntner ÖVP-Chef Georg Wurmitzer.

Er hat – so dieses Interview in der „Tiroler Tageszeitung“ – frühzeitig in Sachen Hypo gewarnt. Ist Ihnen das Interview bekannt? (Die Auskunftsperson schüttelt verneinend den Kopf.) – Dann lege ich das vor. Ich bitte um Durchsicht und Rückmeldung. Wenn Sie fertig sind, mache ich weiter. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt. Sie liest darin.)

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter, in dieser Fragerunde haben Sie noch etwa eine halbe Minute. (Abg. Hable: Wenn man das abzieht, fairerweise…!) Und wir waren in der Bemessung so, dass, glaube ich, Sie zu Ihrer Redezeit gekommen sind. Aber wir haben ja noch die dritte, vierte und fünfte Runde. Ich merke Sie dann vor.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, ich kenne den Inhalt. Er hat das immer wieder behauptet.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Vielleicht darf ich noch kurz zusammenfassen, damit das für alle verständlich ist. (Auskunftsperson Schüssel: Ah so! Ja!) Also in diesem Interview sagt Wurmitzer, ehemaliger ÖVP-Chef in Kärnten, dass er frühzeitig gewarnt hat, dass es eben Probleme bei der Hypo gibt. Er hat auch vor der Wandelschuldanleihe gewarnt, weil die nicht rückzahlbar ist.

Es hat dann ein Gespräch mit Ihnen gegeben. In diesem Gespräch hätten Sie den Herrn Wurmitzer aufgefordert, bei der Landtagswahl 2004 nicht zu kandidieren.

Man schließt daraus, Sie wollten Herrn Wurmitzer aufgrund seiner offensichtlich anderen Auffassungen, wie der damalige Landeshauptmann Haider, nicht in dieser Position haben – aber, weiß ich nicht. Ich bitte Sie um Ihre Wahrnehmung dazu sowie zu den Aussagen des Herrn Wurmitzer, der sagt, er hätte in Sachen Hypo frühzeitig gewarnt.

Dr. Wolfgang Schüssel: Also erstens ist es völlig falsch, dass ich zu Wurmitzer gesagt hätte, er dürfe nicht kandidieren. Das ist auch völlig unsinnig. Bei uns werden die Spitzenkandidaten von den jeweiligen Landesparteivorständen aufgestellt, und ich habe mich gerade in Kärnten nie eingemischt.

Ich weiß, dass das Verhältnis zwischen Wurmitzer und Haider sehr gespannt und sehr schwierig war, aber das ist von außen und von Wien her schon gar nicht zu lösen. Das ist seine Interpretation, das hat er immer wieder behauptet.

Mir tut es sehr leid. Ich habe ihm auch einmal einen persönlichen Brief geschrieben, der nie beantwortet wurde. Persönlich hat es mich immer sehr berührt, dass er mit so großer Bitterkeit über diese Zeit geschrieben oder geredet hat.

Aber es ist einfach unzulässig zu behaupten, ich hätte verboten, dass er kandidiert. Das waren ganz andere Dinge. Die Kärntner ÖVP wollte ihn nicht mehr als Spitzenkandidaten und damit ist das aus meiner Sicht erledigt.

Richtig ist, dass er kritisch war wegen der Wandelschuldanleihe, nur hat das mit dem Bund überhaupt nichts zu tun. Entschuldigen Sie, wenn die in Kärnten eine Wandelschuldanleihe beschließen, ist das deren Sache. Da ist der Bundeskanzler oder der jeweilige Parteivorsitzende der ÖVP, der zufällig Bundeskanzler ist, das absolute Salzamt. Das haben sie machen können, haben sie gemacht. Wurmitzer war dagegen, so what? Das hat mit mir nichts zu tun.

Wie gesagt, um Wurmitzer tut es mir persönlich sehr, sehr leid. Ich halte ihn für einen sehr anständigen, sehr aufrechten, wenn auch ein bisschen schwierigen Menschen. Mir tut es leid, dass er auf mich so eine Projektion hat – das kommt in dem Interview, das ich gerade gelesen habe, immer wieder vor. Das tut mir leid, aber das hat nichts mit der Sache zu tun.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Von der Wandelschuldanleihe abgesehen, hat er über Probleme in der Hypo berichtet?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, überhaupt nicht. Er war, glaube ich, gar nicht dabei, also er war nicht in dieser Hypo drinnen. Aber, wie gesagt, ab 2004, also schon mit Anfang 2004 war bekanntlich eine ganz andere Koalition. Da war eine FPÖ-BZÖ-Koalition mit der SPÖ.

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich muss Sie jetzt auf die nächste Runde verweisen.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Krainer zu Wort. – Bitte.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ich wollte eigentlich nur fürs Protokoll, weil … Ich glaube, dass wir jetzt über die BAWAG nicht viel zu diskutieren brauchen. Ich wollte nur zu Protokoll geben, dass ich glaube: We agree, we disagree, BAWAG-Fragen. Und ich glaube, damit ist das Thema zumindest von meiner Seite erledigt. Es sei denn, Sie wollen noch irgendetwas dazu sagen?

Dann habe ich nur noch eine einzige Frage ...

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich weiß nicht, worüber wir „disagree“, aber es ist mir wurscht. Lassen wir es!

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Almost everything. Aber das ist ja jetzt egal.

Die andere Frage ist: Was ich interessant gefunden habe, ist, dass Sie gesagt haben, dass Sie öfter gehört haben, dass die Bayern an der Hypo interessiert waren. Aber Sie haben das zeitlich nicht eingegrenzt. Können Sie das zeitlich eingrenzen auf Ihre Zeit der Kanzlerschaft? (Auskunftsperson Schüssel: Gegen Ende!) – Ja, aber definitiv als Sie noch Kanzler waren?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, sicher. Die Bayern haben es ja bitte Anfang 2007 gekauft. Das muss ja vorher schon gewesen sein.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ja, da bin ich eh bei Ihnen. Nur wird das ganz massiv bestritten. Von der Bank, von Kärnten, von allen wird bestritten, dass 2006 im Dezember irgendetwas davon bekannt war. Es heißt, die Bayern hätten erst später ihr Interesse bekundet. Deswegen.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich glaube, mich korrekt zu erinnern, aber bitte ich will das jetzt auch nicht hundertprozentig …

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Erinnern Sie sich an eine bestimmte Situation?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, wir haben so oft Kontakt gehabt bei allen möglichen Gelegenheiten, da kann das immer wieder ein Thema gewesen sein.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Bei was für Gelegenheiten zum Beispiel? (Auskunftsperson Schüssel: Treffen!) – Erinnern Sie sich an irgendein Treffen? (Auskunftsperson Schüssel: Nicht speziell!) – Ich würde jetzt einmal annehmen, dass die Treffen zwischen Ende September und Ende des Jahres nicht allzu dicht gewesen sein werden.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich kann es Ihnen nicht bestätigen. Ich habe keinen Kalender aus der damaligen Zeit und schreibe auch kein Tagebuch. Also ich kann Ihnen das nicht bestätigen. Ich kann nur allgemein sagen, dass die Bayern Interesse bekundet haben. Wann das genau war …

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Haben die nur Interesse an der Hypo bekundet oder auch an anderen Banken? (Auskunftsperson Schüssel: An der Hypo!) – An der Hypo, konkret? Und wer von den Bayern?

Dr. Wolfgang Schüssel: Alle möglichen Bayern, die immer wieder vorbeigekommen sind, haben das gesagt. Aber, wie gesagt, genau wann, wie, das war nicht wichtig damals, jeder war froh, dass das gekommen ist.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Schon klar. Sie haben ja nur gesagt, nicht dass Sie interessiert sind, aber andere Baustelle. (Auskunftsperson Schüssel: Ja!) – Aber können Sie uns auch sagen, wer das gewesen sein könnte? Sie sagen, „alle möglichen“. Die werden ja Namen haben und es werden ja nicht mehr als zwei oder drei sein.

Dr. Wolfgang Schüssel: Sie können sich ja selber Namen dazu erfinden. Ich weiß nur nicht, wer konkret. Wenn Sie wissen wollen, wer das konkret wann war, kann ich Ihnen das so nicht beantworten.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Aber Sie könnten uns helfen, das ein bisschen einzugrenzen (Auskunftsperson Schüssel: Auch das nicht!) – Auch das nicht. Also mit welchen Vertretern des Freistaates Bayern Sie Kontakt hatten?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich habe die Antwort schon gegeben.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Mit welchen Personen des Freistaates Bayern Sie Kontakt hatten? Da kann ich mich jetzt nicht erinnern.

Dr. Wolfgang Schüssel: Sie können sich sowieso nicht erinnern, aber ich kann mich jetzt nicht erinnern, wer genau zu welchem Zeitpunkt was gesagt hat.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das war nicht meine Frage.

Dr. Wolfgang Schüssel: Jeder Name, den ich jetzt nennen würde, würde natürlich sofort weitere Fragen aufwerfen. Ich kann es Ihnen beim besten Willen jetzt nicht sagen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Wenn Sie mir jetzt zwei, drei Namen sagen, stelle ich überhaupt keine Fragen mehr an Sie.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich nenne Ihnen aber keine zwei, drei Namen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Und wenn ich die Frage stelle: Mit wem vom Freistaat Bayern hatten Sie gegen Ende Ihrer Kanzlerschaft Kontakt?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das ist ja jetzt die gleiche Frage zum fünften Mal, nur von hinten formuliert. – Die gleiche Antwort wie vorher.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das heißt, Sie erinnern sich nicht?

Dr. Wolfgang Schüssel: Meine Antwort kann ich ja selber formulieren. (Abg. Krainer: Ja, ja!) – Eben, das habe ich gemacht.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das war jetzt anders formuliert. Ich gebe zu, es war von hinten rum, aber es war trotzdem eine neue Frage.

Dr. Wolfgang Schüssel: Die Antwort ist die gleiche.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Können Sie diese wiederholen? Ich habe die nicht mitbekommen, tut mir leid.

Dr. Wolfgang Schüssel: Das können Sie im Protokoll nachlesen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Dürfte ich trotzdem noch einmal ersuchen, ich habe es akustisch nicht verstanden.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich kann es Ihnen nicht beantworten, das war meine Antwort.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Weil Sie es nicht mehr wissen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich habe gesagt, ich kann das jetzt nicht beantworten. Sie wollen wissen, wann, wer, zu welchem Zeitpunkt, und das kann ich Ihnen nicht beantworten. (Abg. Krainer: Nein, das will ich nicht wissen!) – Und daher will ich es auch nicht allgemein beantworten, außer so, wie ich es gerade gemacht habe.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das will ich nicht wissen, das erwarte ich auch gar nicht. Ich will nur wissen, zu welchen Vertretern des Freistaates Bayern Sie, so im Jahr 2005, 2006 Kontakt hatten in Ihrer Funktion als Bundeskanzler.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich kann Ihnen das jetzt nicht sagen. Ich kenne die damaligen Vertreter natürlich, aber mit wem genau (Abg. Krainer: Das war auch nicht meine Frage!), zu welcher Zeit auch immer … Das bringt auch nichts für den jetzigen Untersuchungsgegenstand.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das ist aber unsere Entscheidung, ob das etwas bringt.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, aber meine Antwort ist auch meine Entscheidung. (Abg. Lugar: Es gibt eine Entschlagungsregelung!)

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich merke Sie für die nächste Runde vor. Für die Einhaltung der Verfahrensordnung haben wir einen Verfahrensrichter.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ich denke jetzt einmal darüber nach und hebe mir die Zeit für die zweite Runde auf. (Auskunftsperson Schüssel: Ich habe mich ja nicht entschlagen!)

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Herr Dr. Schüssel! Wie Sie wissen, waren wir eine der treibenden Kräfte, als es darum ging, dass Sie zu diesem Untersuchungsausschuss geladen werden. Ich möchte mich im Vorfeld dafür bedanken, dass Sie gekommen sind.

Ich glaube durchaus, dass Ihre Befragung berechtigt ist, denn laut bisherigen Aussagen sind Sie eine der wenigen Auskunftspersonen, die die Sache aus damaliger Zeit beurteilen und nicht durch die Brille der heutigen Zeit. Daher glaube ich, dass Sie uns behilflich sein können, diese Causa ins richtige Licht zu stellen, und vor allem, dass Sie das Bild abrunden können. Das war jetzt nur meine persönliche Bemerkung, noch keine Frage natürlich.

Dieser Spaziergang, den Sie mit Herrn Pribil und Herrn Traumüller unternommen haben, ist ja schon umfangreich beantwortet worden. Ich hätte nur eine zusätzliche Frage dazu: Der Herr Traumüller – das habe ich aus dem Protokoll, ich darf Ihnen das vorlesen – hat folgende Aussage getroffen:

„Es kam dann eine einzige Bemerkung zurück,“ – also von Ihnen – „an die ich mich erinnere. Es war wirklich nur eine einzige Bemerkung seitens des Herrn Bundeskanzlers, nämlich was wir denn von der Idee hielten, die damals auch schon in den Medien kursiert ist, die Hypo Alpe-Adria in eine Societas Europaea umzugründen.“ – Können Sie sich daran erinnern?

Dr. Wolfgang Schüssel: Eigentlich nicht, aber es ist richtig, dass das damals, das habe ich nachgelesen, ein Thema war und es ist dann von den … eher abgelehnt worden, weil das eigentlich zu einer Verdichtung der Kompetenzen geführt hätte. Der Sinn dieser Societas Europaea ist ja, dass Vorstand und Aufsichtsrat zusammengefasst wären, dann hätte man wieder den Aufsichtsratsvorsitzenden Kulterer als General dort sitzen gehabt. Also das war eigentlich nur eine Frage.

Aber ich konnte mich jetzt nicht mehr daran erinnern, ich habe das eigentlich nur aus der Berichterstattung dann gehört. Aber das wird so gewesen sein.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Es hätte ja sein können, dass da ein bestimmter Hintergedanke war, dass Sie damit etwas bezwecken wollten. Aber für mich ist es nachvollziehbar.

Zur Gründung der FMA haben wir ja auch schon einige Aussagen gehört. Unserer Kenntnis nach hat sich gerade in der Anfangsphase eine unheimliche Schnittstellenproblematik zwischen OeNB und FMA ergeben. War Ihnen das zum damaligen Zeitpunkt schon bewusst oder haben Sie sich mit dieser Thematik weniger beschäftigt? (Auskunftsperson Schüssel: Was präzise jetzt?)

Bei den bisherigen Auskunftspersonen war es so, dass erkennbar war, dass die Zusammenarbeit zwischen OeNB und FMA nicht reibungslos funktioniert hat. Und das hat ja auch letzten Endes der Rechnungshof kritisiert, nämlich 2007. Und da könnte es ja sein, dass das Ihnen einmal zugetragen wurde.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich habe erzählt, dass das eher bei der Gründung der FMA ein Thema war, weil natürlich die Notenbank und das Finanzministerium da nicht zu 100 Prozent kongruent gearbeitet haben. Da hat es unterschiedliche Interessen gegeben. Du darfst ja nicht vergessen, die Notenbanken, überhaupt mit der Euro-Einführung, hatten natürlich einen Riesendruck. Die klassischen Funktionen, die sie gehabt haben, angefangen von volkswirtschaftlicher Bewertung, von Währungsgeschichten, und, und, und, Präsenzen international, national, das reduziert sich natürlich alles. Die Musik spielt heute in Frankfurt, und daher ist natürlich immer auch die Frage gewesen: Wie kann ich die Kompetenzen in der Notenbank halten oder stärken? Und auf der anderen Seite war schon auch das Finanzministerium daran interessiert, eine eigene unabhängige, weisungsfreie Finanzmarktaufsicht zu schaffen. Also das war ein logischer Interessengegensatz, aber ich habe eigentlich das Gefühl gehabt, das hat sich sehr entschärft. Das ist nicht zu mir gedrungen, dass es da irgendwelche konkreten technischen Probleme gegeben hat zwischen den Prüfern. Der Rechnungshofbericht war natürlich anders, das ist schon klar, aber wiederum zu Ihrer Frage: Uns ist das damals nicht bewusst gewesen.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das ist ja die entscheidende Antwort.

Es ist so, dass Mag. Grasser uns letzte Woche die Entstehungsgeschichte relativ detailliert geschildert hat und dass das eben damals wirklich im europäischen Kontext geschehen ist, dass es dann in Österreich mehr oder weniger, nachdem es Widerstände seitens der OeNB gegeben hat, zu einem Kompromiss gekommen ist, dass eben die FMA quasi die Prüfbehörde ist, aber die Prüfung selbst vor Ort die OeNB übernimmt. Waren Sie sich damals dessen bewusst, dass das unter Umständen zu Problemen führen könnte?

Dr. Wolfgang Schüssel: Na ja, mir hat das eigentlich eingeleuchtet, denn die Notenbank hatte natürlich qualifizierte Prüfer. Das muss man immer dazusagen. Die FMA musste das ja erst aufbauen, also daher war das aus meiner Sicht auch völlig vernünftig, das so zu machen.

Du hast ja das gleiche Problem heute auf der europäischen Ebene. Du hast ja heute genauso die europäische Prüfung, die, was die Banken betrifft, eben in Frankfurt angesiedelt ist, und zugleich die Parallelstruktur in den nationalen Prüfeinheiten. Also, ehrlich gesagt, diese Dinge bekommst du nie ganz weg, das muss sich eben einspielen über die Jahre, und ich hoffe, dass das auch gelingt. Auf der europäischen Ebene hat man es eben eingegrenzt auf die systemrelevanten Banken, während in Österreich oder bei den Nationen muss sich das eben insgesamt einspielen, dass die zwei gut zusammenarbeiten. Und ich hatte eigentlich den Eindruck, das funktioniert – nach Anlaufschwierigkeiten, die es immer gibt.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Mir ist das ja vollkommen klar. Dass damals die Hypo nicht das Thema Nummer eins in Österreich war im Gegensatz zu heute, ist ja immer mehr erkennbar, aber die vor Ort Prüfenden beziehungsweise die zuständigen Herren haben das damals ja anders gesehen. Also für mich ist entscheidend, dass diese Information nicht – salopp gesagt – nach oben getragen wurde. Sie haben das damals nicht erkannt.

Dr. Wolfgang Schüssel: Im Ministerrat war das damals überhaupt kein Thema.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Ich darf noch bei der FMA bleiben. Da ist jetzt kürzlich in der „Presse“ ein Artikel gestanden: „FMA: Des Finanzministers Sorgenkind“. Eine vernichtende Kritik über die FMA. Wenn ich kurz zusammenfassen darf: „Die FMA ist in der Wirtschaft als höchst bürokratische Behörde verschrien. Als Behörde, die den Unternehmen das Leben unnötig schwer macht. Als Behörde, die auf Effekthascherei aus ist – und keinesfalls auf Schadensminimierung. Als Behörde, die Unternehmen und Manager mittels knallharter Bescheide quasi an den Pranger stellt. Als Behörde, deren Bescheide letztlich oft juristisch nicht halten – nachdem sie immensen Schaden angerichtet haben.“

Können Sie sich erinnern, dass die FMA jemals diesen Ruf gehabt hat?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ehrlich gesagt: Einen Popularitätstest bei den Betroffenen wird die FMA, wenn sie ihre Aufgabe ernst nimmt, nie gewinnen. Das ist ja klar. Wenn die hineinfahren und jetzt zum Beispiel sagen: Kapitalnachschussverpflichtung, Prüfung, ob der Geschäftsführer/der Vorstand noch den Qualifikationen entspricht, Amtsenthebungsverfahren, Anzeige wegen Bilanzfälschung, Druck, dass die Eigenkapitalvorschriften nicht voll erfüllt sind, et cetera, also populär wirst du damit nicht, aber es ist unerhört notwendig aus meiner Sicht. Ich halte das Schielen auf Beliebtheitswerte hier für vollkommen unangebracht. Je besser diese Behörde arbeitet, umso weniger wird sie wahrscheinlich bei den Betroffenen geliebt werden, aber Respekt muss sie haben. Und ich habe den Eindruck, Respekt hat sie.

Das Gleiche gilt übrigens auch wieder auf der europäischen Ebene. Der Wettbewerbskommissar, das ist der unbeliebteste Kommissar von allen, aber er ist einer der Wichtigsten, weil er sicherstellt, dass wirklich geschaut wird, dass keine Monopole entstehen, dass der Wettbewerb funktioniert, et cetera. Nichts anderes machen eben die Bankkontrollore im Bankenwesen. Dass manchmal übers Ziel geschossen wird, ist eine zweite Frage, aber eher nicht von den Kontrolloren, sondern etwa von Basel, Basel II, Basel III, das halte ich persönlich für viel problematischer.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das ist ein anderes Thema, da gehe ich mit Ihnen vollkommen d‘accord. Es ist ja auch nicht die Aufgabe des Finanzamtes, dass es beliebt ist. Es ist auch eine Behörde, die entsprechend korrekt vorgehen sollte.

Ich darf vielleicht ein neues Kapitel aufschlagen und Ihnen einen Akt vorlegen lassen mit der Nummer 1180090. Dieser Akt ist von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt und betrifft Herrn Dr. Kulterer und trägt den Titel: „Gespräch mit Dr. Schüssel Montag, 18.02.2008“. Der Inhalt dieses Dokuments ist: „Mögliches Verfahren wegen Bilanzfälschung 2004“. Sie waren ja damals schon Klubobmann der ÖVP, also nicht mehr Bundeskanzler. Dieses Dokument wird bezeichnet als „Brief des Kulterer“, wobei wir bis dato diesen Brief nicht gefunden haben, sondern nur dieses Dokument. (Der Auskunftsperson wird ein Schriftstück vorgelegt.)

Jetzt meine Frage … (Auskunftsperson Schüssel: Entschuldige! Darf ich das einmal lesen?) – Bitte.

Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter, darf ich nur fragen: Das ist ein Brief an mich, oder?

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das wissen wir eben nicht. Es ist nur ein Bestandteil …

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich kenne das nicht.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das ist nur ein Bestandteil der Materialien der Staatsanwaltschaft. Es kann ein Dokument sein, es kann ein Gedächtnisprotokoll sein, es kann alles sein. Fakt ist … Hat es damals, in dieser Zeit einen Gesprächstermin zwischen Herrn Kulterer und Ihnen, damals als ÖVP-Klubobmann, gegeben? Oder können Sie sich an einen Brief erinnern? Das ist meine erste Frage.

Dr. Wolfgang Schüssel: Erstens: Dieses Dokument kenne ich gar nicht. Es gibt auch meines Wissens keinen Brief von Wolfgang Kulterer, er hat mir nie einen Brief geschrieben, aber okay. Das kenne ich nicht.

Es hat sicherlich einen Termin gegeben. Ehrlich gesagt, ob das am 18.2.2008 war, das kann ich beim besten Willen nicht bestätigen, aber ein Gespräch hat es gegeben. Er hat, glaube ich, irgendwann einmal in diesen Jahren – da war ich schon lange nicht mehr Bundeskanzler, aber noch Klubobmann – um ein Gespräch gebeten. Das hat vielleicht 20, 25 Minuten gedauert, und er wollte sich eigentlich – das war mein Eindruck – rechtfertigen. Das war so ein bisschen der Sinn des Ganzen. (Abg. Podgorschek: Genau darum geht es ja!) Weil er das Gefühl gehabt hat, er wird da zum alleinigen Sündenbock gemacht, jeder putzt sich an ihm ab, und er wollte eigentlich zwei Dinge sagen – das Einzige, woran ich mich erinnere. Erstens einmal: Er war nie ein Haider-Mann, das war das Erste, also Haider hat sogar ein paar Mal versucht, ihn anzuschwärzen oder abzusetzen, was ihm nicht gelungen ist, und er hätte immer wieder auch Dinge abgelehnt, die der Landeshauptmann von Kärnten von ihm verlangt hätte. Also gut, lassen wir das dahingestellt.

Und das zweite Thema war, und das ist, glaube ich, schon ein interessanter Punkt, deswegen ist mir das auch in Erinnerung geblieben, dass er mich aufmerksam gemacht hat, dass eigentlich nach der Übernahme der Bayern, also nach der Übernahme der Hypo durch die Bayern eigentlich[14] die Bilanzsumme massiv ausgeweitet wurde, ich glaube, von ein bisschen über 30 Milliarden auf weit über 40 Milliarden €. Und er sagt, viele Risken sind eigentlich damals hineingepackt worden von den Bayern. Das kann auch stimmen oder nicht, das muss der Ausschuss unter Umständen herausfiltern, aber es ist jedenfalls interessant, dass eine ziemliche Ausweitung in dieser Zeit stattgefunden hat. Das waren die zwei einzigen Dinge, die mir in Erinnerung sind, sonst war da nichts.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das stimmt ziemlich überein. Ich darf nur einen Absatz aus diesem Protokoll … Ich vermute, es dürfte eher ein Gedächtnisprotokoll von Herrn Kulterer gewesen sein, weil das bei seiner Arbeitsunterlage war. Ich lese Ihnen einen Absatz vor:

„Aus der Analyse des gesamten Ablaufes seit 30. März 2005“ – da gehe ich davon aus, dass das ein Fehler war, er hat eher 2006 gemeint – „ist klar, dass dieser Skandal politisch extrem genutzt wurde, meiner Ansicht nach sogar gemacht wurde. Ziel war es Haider extrem zu treffen. Das Opfer Kulterer war in verschiedensten Kreisen sehr angenehm. Die kolportierte Nähe von mir zu Haider nie gegeben. Er hat in den letzten 10 Jahren mehrfach versucht ,michʻ zu disziplinieren und ist rückblickend wahrscheinlich nicht traurig darüber, dass es mich im Land Kärnten nicht mehr gibt.“

Können Sie diese Einschätzung teilen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Aber, ehrlich gesagt, ich habe nicht den Eindruck, dass das ein Protokoll ist, sondern … Da steht: „Mein Anliegen“, „Meine rechtliche Vertretung“, „Mein Ziel“. Ich würde das eher so lesen, dass das sozusagen eine Art To-do-List für ihn ist, also quasi was er ... (Abg. Podgorschek: Ja, ist ja durchaus naheliegend!) Er hat sich eben seine Argumente zusammengeschrieben, damit er sozusagen für allfällige Gespräche einen Leitfaden hat. So lese ich das, aber bitte, ich bin da jetzt … Ich habe das nie bekommen, also ich kann da nichts sagen.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Also Sie haben das nicht bekommen; dann war es seine eigene Arbeitsunterlage wahrscheinlich.

Dr. Wolfgang Schüssel: Richtig ist, dass er eigentlich betonen wollte: Ich bin kein Haider-Mann.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Ja, das ist ja offensichtlich. Sie können diese Einschätzung teilen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Also ich glaube, wenn du so lange Chef der Alpe-Adria bist, dann kannst du nicht wirklich glaubhaft eine unglaubliche Distanz zum Landeshauptmann von dir behaupten, würde ich einmal annehmen. Also es wird schon Auf und Abs gegeben haben und Krisensituationen, das mag schon sein, aber jedenfalls das, was da steht – eine Nähe war nie gegeben –, also das lassen wir einmal dahingestellt.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das war wahrscheinlich auch nur zum damaligen Zeitpunkt, aber es ist wie in der Politik, es gibt ja immer unterschiedliche Koalitionen, nicht? (Auskunftsperson Schüssel: Wem sagen Sie das!)

Zum letzten Punkt, Herr Dr. Schüssel: Herr Mag. Grasser hat ja letzte Woche ebenfalls ausgesagt, und ich möchte Sie mit zwei Aussagen „konfrontieren“ – unter Anführungszeichen –, ob Sie eine ähnliche Sichtweise haben.

Also die erste Aussage – aus dem Vorläufigen Stenographischen Protokoll natürlich, es ist noch nicht genehmigt –: „denn sozusagen unter Bundeskanzler Schüssel haben wir die BAWAG gerettet, und die BAWAG ist eine durchaus vergleichbare Situation mit der Hypo Alpe-Adria. Warum dann die Hypo dermaßen danebengegangen ist, ist mir nicht klar – wäre in unserer Verantwortung“ – da hat er Sie gemeint, also Grasser und Sie – „und in unserer Zeit sicherlich nicht passiert. Das traue ich mir hier zu sagen, dass uns diese Pleite nicht passiert wäre.“

Die zweite Aussage, denn das steht in einem Zusammenhang: „Und noch einmal: Wir haben bewiesen, mit Bundeskanzler Schüssel, dass wir die BAWAG gerettet haben. Und die BAWAG war eine ganz konkret vergleichbare Situation mit Milliarden Euro an Haftungen für den Steuerzahler. Und wir haben nicht verstaatlicht, wir haben 900 Millionen Haftungen gegeben – und die wurden nicht in Anspruch genommen.“

Teilen Sie die Einschätzungen des Herrn Mag. Grasser?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, was die BAWAG betrifft, stimmt das. Wir haben ja auch geschaut, erstens einmal Haftung übernommen, dann einen internationalen Partner hereingeholt, der das auch wirklich gut abgewickelt hat, und die BAWAG ist heute ein absolut gesichertes Bankinstitut, und ich glaube, dass das auch jeder so sieht. Ich habe nicht ganz verstanden, warum ausgerechnet Abgeordneter Krainer sich distanziert. Also Sie müssen nur die damaligen SPÖ-Vertreter fragen – Ewald Nowotny, heute noch in der Notenbank, oder Minister Hundstorfer, der damals interimistisch in sehr schwerer Zeit die Gewerkschaft übernommen hat und eigentlich mit uns das alles verhandelt hat, oder auch andere. Also ich glaube, dass das irgendwie sehr gut gelaufen ist und dass wir das wirklich nach bestem Wissen und Gewissen abwickelt haben.

Ich will mich, ehrlich gesagt, jetzt, ein paar Jahre später nicht in Spekulationen wiegen, wie man das gemacht hätte. Das wäre verlockend, aber ich tue das nicht, weil ich auch nicht die notwendigen Informationen darüber habe. Ich weiß nicht, welcher Druck ausgeübt wurde vonseiten der EZB, was die Kommission hier für eine Rolle gespielt hat. Das müsste man alles wissen, um wirklich eine ehrliche und nicht einfach politisch geschönte, lockere Antwort zu geben. Ich traue mir das nicht zu, und will mich daher dieser Antwort enthalten.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Das verstehe ich vollkommen, aber es ist schon interessant, dass Herr Mag. Grasser das so eindeutig formuliert, aber wahrscheinlich war das aus seiner Sicht so oder würde das so sein, aber ...

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich halte mich immer zurück mit Kommentierungen zur heutigen Lage, aus mehreren Gründen. Ich weiß, wie kompliziert politisches Handeln und Entscheiden ist. Du musst immer entscheiden aufgrund unzureichender Informationen, das ist so, und im Nachhinein liest sich der Krimi natürlich ganz anders, nicht, wenn du dann alles das weißt, was du heute weißt, ja, dann kannst du natürlich im Nachhinein fünf Jahre in der Zeitreise zurück die Dinge ganz anders machen, nur du müsstest genau wissen: Wie war der Informationsstand zur damaligen Zeit? Wie war der Druck? Was waren die wirklichen Alternativen? Ehrlich gesagt, das ehrlich zu beantworten, das traue ich mir als irgendeiner, der dann vom Balkon runterkeppelt, nicht zu, will ich auch nicht sein.

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Na ja, das ist richtig, der Zeitpunkt bestimmt auch den Standpunkt manchmal, aber zur Phase 2 mit der Verstaatlichung werden wir sowieso noch kommen. – Danke vielmals.

Vorsitzende Doris Bures: Damit gelangen wir zur zweiten Runde. Frau Abgeordnete Tamandl?

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Ich habe vorerst keine Fragen. Danke.

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter Ing. Lugar? – Bitte.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Dr. Schüssel, jetzt ergibt das ja alles viel mehr Sinn für mich. Sie haben gesagt, als Herr Traumüller Ihnen dieses dunkle, düstere Bild von der Hypo gezeichnet hat etwa im Juni 2006, waren Sie relativ entspannt, weil Sie zu dieser Zeit ja schon wussten, dass die Bayern einsteigen.

Die Frage ist jetzt, warum Sie das zu dieser Zeit schon wussten, und da haben wir jetzt recherchiert und sind draufgekommen: Sie wussten wahrscheinlich deshalb davon, weil am 15. Mai Herr Grasser bei den Bayern war und anscheinend dort diese Information bekommen hat und Sie dann, wahrscheinlich in den nächsten Tagen und vor diesem Treffen mit Herrn Traumüller, darüber in Kenntnis gesetzt hat, dass die Bayern ohnehin einsteigen, und Sie das deshalb so entspannt hat. Kann das sein?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Hat Sie Herr Grasser nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass er bei den Bayern war?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Haben Sie das gewusst, dass er bei den Bayern war?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, ich war, wie gesagt, EU-Vorsitzender und war eigentlich die meiste Zeit, gerade in diesen Wochen, nicht in Österreich.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Grasser hat mit Ihnen nie über die Hypo gesprochen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Meines Wissens nicht.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Woher hatten Sie die Information, dass die Bayern einsteigen? Von den Bayern direkt?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das habe ich eigentlich schon dem Abgeordneten Krainer gesagt. Ich hatte den Eindruck, dass die Bayern sehr daran interessiert sind. Wann das genau war, wer das genau gesagt hat, das kann ich Ihnen beim besten Willen jetzt nicht sagen, das wäre … Ich habe auch nicht gesagt, dass das vorher, also dass das bei diesem Treffen oder bei diesem Gespräch mit Traumüller schon der Fall war. Das habe ich nicht gesagt. (Abg. Lugar: Doch!) Nein, das haben Sie ...

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Das habe ich mitgeschrieben. Ich habe zweimal nachgefragt, und Sie haben gesagt: Ja, das war schon vorher.

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, das habe ich auch bei den Nachfragen vom Abgeordneten Krainer relativiert (Abg. Lugar: Ja, da haben Sie es zurückgenommen!), weil ich mich nicht genau an diese Geschichte erinnern kann. Ihnen wird es wahrscheinlich auch nicht anders gehen neun Jahre danach!

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ja, aber das ist doch ein einschneidendes Erlebnis gewesen. Sie haben mit Herrn Traumüller gesprochen, der hat Ihnen das in düsteren Farben ausgemalt, und Sie waren gerade mit der BAWAG beschäftigt und haben sicherlich keine zweite BAWAG gebraucht, noch dazu, wo Sie kurz vor der Wahl gestanden sind, und Sie waren nur deshalb so entspannt – das haben Sie zumindest zuerst so interpretiert –, weil Sie wussten, die Bayern steigen ein. Und da die Bayern ja sehr potent sind und sicherlich auch ein besseres Risikomanagement haben, waren Sie da relativ entspannt.

Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter, das war kein einschneidendes Erlebnis für mich, dieser Weg von der Oper zum Ballhausplatz, das war ein Gespräch unter Tausenden, das jetzt eine gewisse Bedeutung zu haben scheint, weil Sie glauben, dass dort eine besondere direkte Information von Traumüller und Pribil an mich über spezifische Risken der Hypo weitergegeben wurde, was die beiden übrigens gar nie gesagt haben, und ich kann das auch nicht bestätigen.

Wir haben ein ganz allgemeines Gespräch über den Finanzplatz geführt, wo unter anderem auch vorgekommen ist, dass die Hypo Swapverluste hat und sie kein Vertrauen in den Vorstand haben. Das war’s. Das war weder einschneidend noch sonst etwas.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Bundeskanzler, Ex-Bundeskanzler Dr. Schüssel, wenn jetzt zum Beispiel das Rathaus abbrennt und Sie einen kleinen Brand im Nationalrat entdecken, dann werden Sie wahrscheinlich hellhöriger und wachsamer sein, als wenn vorher das Rathaus nicht abgebrannt wäre. In dem Fall war ja schon die BAWAG pleite. Sie haben sogar ein eigenes Konto dort eröffnet, um das alles noch einmal hinzubiegen. Das war ja eine ganz einschneidende Situation für Österreich.

Es gab auch andere Banken, die Probleme hatten, mit Klumpenrisiko und so weiter, und Sie sind total entspannt geblieben, und das war eine lockere Geschichte. Da hat ein FMA-Vorstand Ihnen etwas erzählt, das haben Sie gar nicht nachgefragt. Sie haben nicht mit dem Finanzminister darüber gesprochen, das war Ihnen einfach irgendwie nicht so wichtig. – Kann das sein? (Auskunftsperson Schüssel: Nein!) – Na eben! Also warum haben Sie nichts gemacht?

Dr. Wolfgang Schüssel: Weil der ganze Aufbau Ihrer Frage eine ununterbrochene Abfolge von Wertungen ist, die ich nicht gesagt habe. Ich habe Ihnen eigentlich in der ersten Fragerunde schon gesagt: Mein Eindruck war, dass die FMA sehr präzise Schritte gesetzt hat, um damit umzugehen: Abberufungsverfahren, Bilanzfälschungsanzeige, sehen, was das Risiko ist, Nachschussverpflichtung et cetera.

Es ist völlig unzulässig, zu behaupten, es ist egal gewesen, Entspannung, einschneidendes Verhältnis ... Das war ein Gespräch unter tausenden, und ich hatte auch aufgrund dieses Gesprächs den Eindruck, dass die FMA, die zuständige Behörde, das gut macht.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Und dann haben Sie zugelassen, dass die Gleichen, die das angeblich so toll machen, so toll im Griff haben, dann auch ein Enthebungsverfahren bekommen. – Haben Sie das auch zugelassen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das haben wir eigentlich auch schon diskutiert. Sie oder jemand anderer hat mich gefragt, ob ich davon überhaupt Kenntnis hatte, ob die mich informiert haben. Meine Antwort war: Nein! Wie soll ich mit dem Wissen von heute jetzt beantworten … über ein Enthebungsverfahren, wo niemand mich damals informiert hat, das auch nie stattgefunden hat? Was sollen diese hypothetischen Fragen, entschuldigen Sie?!

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Ex-Kanzler, kann das wirklich sein, dass Sie nichts gewusst haben, nichts bekommen haben, nichts gehört haben? Waren Sie ein Frühstückskanzler, oder was haben Sie da tatsächlich mitbekommen? (Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Vorsitzende Doris Bures: Bitte, Herr Abgeordneter ...

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, sicher habe ich gefrühstückt. Selbstverständlich frühstücke ich als Bundeskanzler – warum auch nicht?

Vorsitzende Doris Bures: Damit liegt mir jetzt keine Wortmeldung mehr vor. Dann kommen wir in die dritte Runde. (Abg. Hable – macht sich durch Handzeichen bemerkbar –: Doch! – Abg. Lugar: Ich melde mich immer!) – Sie melden sich immer?

Dann sind Sie vorher am Wort.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ja, Herr Bundeskanzler, Ex-Bundeskanzler, jetzt werden wir zu den Dingen gehen, wo Sie auch Verantwortung tragen, und zwar gibt es ja dieses Pfandbriefstelle-Gesetz, das geändert wurde, wo der Bund auch eine große Verantwortung hatte, wo auch der Nationalrat das beschlossen hat, durchgewunken hat, wo letztlich über 5 Milliarden € an Haftungen im Hypo-Haftungsverbund dagestanden sind, und deshalb auch ein Konkurs nicht im Raum gestanden ist. Es war ja nicht nur Kärnten, das im Konkursfall ein Problem gehabt hätte, sondern auch die Landes-Hypos.

Das heißt, mit diesem Gesetz 2004 hat man den Grundstein gelegt, dass dann später eben ein Konkurs absolut nicht möglich war und die Notverstaatlichung eben zugunsten der Landes-Hypos auch gemacht werden musste. Trifft Sie da nicht auch eine gewisse Verantwortung?

Dr. Wolfgang Schüssel: Da trifft eher, würde ich einmal sagen, die gleiche Verantwortung den Nationalrat, die Abgeordneten, denn die haben das beschlossen. Das ist vom Finanzministerium vorgelegt worden – es ist auch nicht eine Vorlage des Bundeskanzleramtes, sondern es ist eine Vorlage des Finanzministeriums. Und ich glaube schon, dass man mit Fug und Recht darüber diskutieren kann, ob ein Konkurs das richtige Mittel ist, um beispielsweise eine solche Schieflage zu bereinigen, oder ob es nicht andere Alternativen gibt.

Im Prinzip bin ich immer der Meinung – das war das Gleiche bei der BAWAG, das Gleiche wäre auch bei der Hypo und bei der Länderbank, immer das Gleiche –: Schauen, ob es nicht andere Methoden gibt, Alternativen gibt, um einen Konkurs eines so wichtigen Finanzinstituts zu vermeiden.

Bei den Hypos muss man immer dazusagen, dass dort ja noch dazu ganz bestimmte Ansprüche gestellt werden, auch von den Kunden – Mündelsicherheit, sehr viel Grundbesitzfinanzierungen et cetera. Das trifft ja die kleinen Leute, die Kleinsten von allen. Das sind nicht die großen Spekulanten. Daher: Hier zu schauen, dass man möglichst solche Worst-Case-Szenarien vermeidet, finde ich absolut richtig. Aber noch einmal: Das ist nicht Sache des Bundeskanzlers gewesen, das war eine Ressortvorlage aus dem Finanzressort und vom Nationalrat beschlossen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Im Nachhinein betrachtet: Gibt es irgendetwas, was Sie tun hätten können in Ihrer Verantwortung als Bundeskanzler, um diese Katastrophe für den Steuerzahler irgendwie abzuwenden oder abzumildern?

Dr. Wolfgang Schüssel: Die Frage ist natürlich vollkommen richtig und zulässig. Interessant ist halt nur: Ich glaube, das wahre Ausmaß ist erst mit der Finanzkrise wirklich aufgetaucht. Auch die „profil“-Berichte, die ja sehr beeindruckend und genau recherchiert sind, haben erst 2007 aufwärts begonnen. Im Sommer ist eine genaue Dokumentation veröffentlicht worden, was hier alles aufgedeckt wurde, und es beginnt alles erst 2007.

Richtig ist, rückblickend gesehen: Mit den Swapgeschichten ist das zum ersten Mal an die Oberfläche gekommen, wie der Eisberg, der über dem Wasser auftaucht, und neun Zehntel sind unter der Wasseroberfläche.

Ich habe schon den Eindruck, dass eigentlich gerade die FMA korrekt gehandelt und sich auch wirklich bemüht hat, die Dinge rechtzeitig aufzuklären. Ich bin nicht so informiert, was die Notenbank genau gemacht hat, aber das haben Sie, glaube ich, ohnehin ausreichend in den Befragungen herausgearbeitet.

Ich glaube daher, dass ein großer Teil der Fehler auch wirklich zum Teil nachher noch verschärft wurde. Das hat vorher begonnen, keine Frage, aber verschärft wurde es dann noch unter den Bayern.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ja, aber die Frage war, was Sie persönlich tun hätten können. Jetzt in der Nachschau: Hat es etwas gegeben, was Sie machen hätten können, um das Ganze zu verhindern?

Dr. Wolfgang Schüssel: Noch einmal: Ich glaube, dass man wahrscheinlich noch früher hätte versuchen müssen, einen international starken Partner hereinzuholen. Das Wachstum der Hypo war einfach zu – wie gesagt, im internationalen Gleichklang, aber für diese Bank mit diesen Managementressourcen –, zu schnell. Da hätte man wahrscheinlich von Anfang an – aber das ist auch Sache des Eigentümers primär, nicht der Bundesregierung, die hat ja eigentlich dort überhaupt keinen direkten Einfluss.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Da Sie da nicht so direkt darauf antworten, vielleicht eine kleine Gedächtnisstütze. Sie haben ja im Jahr 2004 das Landesholdinggesetz im Ministerrat durchgewunken – auf Ihren Antrag hin wurde das durchgewunken. Da hätte man ja reinschreiben können, dass die Haftungen nicht so derart ausgeweitet werden dürfen, denn zwischen 2004 und 2007 sind sie um über 12 Milliarden € ausgeweitet worden. Das hätte man damals unterbinden können. Warum ist das unterblieben?

Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter, nach der österreichischen Bundesverfassung gibt es zwei Antworten. Nach der österreichischen Bundesverfassung kann der Bund, die Bundesregierung einen Einspruch machen, aber nicht das Landesgesetz ändern. Das Landesgesetz hat die Haftungshöhe überhaupt nicht berührt. Die war vorher in voller, unbegrenzter Höhe, nachher in voller unbegrenzter Höhe. Neu hinzu kam die Limitierung der Haftung, also bis 2007 – übrigens auf Druck der EU – und nicht über die Laufzeit 2017 hinaus. Damit ist es ja auch langsam abgeschmolzen.

Das Zweite war natürlich, dass die Kärntner dafür auch ein entsprechendes Haftungsentgelt bekommen haben, was ihnen natürlich budgetär einiges gebracht hat.

Der Bund hätte Einspruch erheben können, das ist richtig. Dann hätte der Kärntner Landtag einen Beharrungsbeschluss gefasst, und das wäre genauso in Kraft getreten.

Also mit Verlaub gesagt: Der normale Fall ist immer ein Landesgesetz, bei dem ja der Bund kein Risiko eingeht, denn der Bund haftet ja nicht für die Bundesländer.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Aha, interessant! Weiß das der aktuelle Finanzminister auch?

Dr. Wolfgang Schüssel: Entschuldigung, das ist die österreichische Bundesverfassung, dass der Bund und die Länder komplett verschiedene, auch nicht über- und untergeordnete Entitäten sind, die sind gleichgeordnet. Es ist nicht so, dass der Bund für ein Land haftet.

Politisch ist das eine andere Frage, ob er ein Land zum Beispiel in Konkurs gehen lassen will – das ist eine politische Frage. Rechtlich ist der Bund in keiner Weise verpflichtet, zum Beispiel einem Land aus der Patsche zu helfen. Daher ergibt sich auch die Frage, dass der Bund gar kein genuines Einspruchsrecht in so einem Fall haben kann. Der Bund kann ja nur dort Einspruch erheben, wo wesentliche Bundesinteressen berührt sind. Eine Landeshaftung ist kein wesentliches Bundesinteresse.

Wie gesagt, politisch ist das ein zweiter Punkt, ob man ein Land wirklich riskieren lässt, in Konkurs zu gehen. Ich würde die Frage mit Nein beantworten, aber juristisch ist die Sache ganz klar.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Aber Ihr Nachfolger, ÖVP-Vizekanzler, hat ja dann auch die Notverstaatlichung deshalb gemacht, weil er gesagt hat, letztlich haftet der Bund für die Kärntner Haftungen, und das widerspricht Ihrer Argumentation jetzt. Das heißt, wenn Sie sagen, man hätte nicht haften müssen, warum hat man dann notverstaatlicht und das dem Steuerzahler umgehängt?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, weil das keine rechtliche Notwendigkeit war zu verstaatlichen, sondern eine …

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Also war das unvernünftig, oder wie?

Dr. Wolfgang Schüssel: Darf ich bitte meine Antwort so formulieren, dass sie nicht von Ihnen in einer Wertung dann völlig verzerrt wird? Ich habe nicht von vernünftig und von unvernünftig gesprochen, ich habe gesagt, juristisch hat es keine Notwendigkeit gegeben, die Kärntner Hypo zu verstaatlichen. Politisch ist es eine andere Frage, das müssen Sie dann in einer nächsten Phase, wenn Sie dieses Thema bearbeiten, besprechen.

Ich wollte gerade auseinandersetzen, dass der Bund gar keine Möglichkeit hat, ein Landesgesetz abzuändern, was Sie gerade von mir verlangt hätten. Das geht gar nicht, weil das nur ein Beharrungsbeschluss sein kann, eine Ablehnung sein kann, ein Einspruch sein kann, der vom Kärntner Landesgesetzgeber überrollt werden kann, und auch der Einspruch ist nur möglich, wenn Bundesinteressen berührt sind. Da der Bund für die Länder nicht haftet, kann man das nicht einmal juristisch ohne weiteres begründen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Es war damals aus Ihrer Sicht nicht absehbar, dass es dann einen ÖVP-Finanzminister gibt, der das ohne Not einfach dem Steuerzahler umhängt? Das war damals nicht absehbar, kann man das so sagen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Sie hängen wieder das Wort „ohne Not“ hinein, das ich so nicht beantworten kann und auch nicht will!

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Doch, Sie haben gesagt, das war juristisch nicht notwendig, nur politisch gewollt.

Dr. Wolfgang Schüssel: „Ohne Not“ ist eine politische Wertung, ich habe gesagt, juristisch ist es nicht notwendig, wenn Sie das Wort „juristisch“ hinzugefügt hätten, hätte es gestimmt. Wenn Sie es nicht weglassen, dann ist es eine politische Wertung, die ich nicht treffe. Denn die Frage ist, ob es notwendig war, politisch notwendig war, zu verstaatlichen, das müssen Sie im Nachhinein in einer nächsten Phase besprechen, auch aufgrund der Informationen und der Alternativen, die dann auf dem Tisch gelegen sind, das kann ich nicht beantworten.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Also hat die Politik gegen die Vernunft gewonnen, kann man das vielleicht so sagen? (Zwischenruf der Abg. Tamandl.)

Mich interessiert Ihre Einschätzung, Herr Bundeskanzler – Herr Ex-Bundeskanzler. (Abg. Krainer: Es geht um deine Einschätzung! Die kannst du draußen sagen!)

Nein, nein, es geht jetzt darum, herauszufinden, ob damals 2004 das Risiko sichtbar war oder nicht.

Dr. Wolfgang Schüssel: Das Risiko war nicht absehbar damals, das ist überhaupt keine Frage, es hat sich die Höhe der Haftung nicht verändert, es war das Ende der Haftung absehbar, deshalb haben alle Parteien, übrigens auch Ihre eigene und die SPÖ und die Grünen und die ÖVP im Kärntner Landtag, mitgestimmt, weil es auch vernünftig gewesen ist, diese Geschichte damals zu machen. Niemand hat damals das Risiko im Kärntner Landtag und in der Bundesregierung vorausgesehen, niemand hat vorausgesehen, dass es plötzlich eine Rechtsnachfolge geben wird mit den Bayern, dass das je verkauft wird, das war damals nicht absehbar, und damals hätte man beschränken können, wenn das möglich gewesen wäre, aber auch da weiß ich nicht, wie die Verhandlungen gelaufen sind, daher ist jede Bemerkung oder jede Wertung im Nachhinein falsch.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Was war denn Ihre persönliche Meinung damals, die EU hat ja eben dieses Abreifen dieser Landeshaftungen vorgeschrieben, das heißt, man wollte nicht, dass eben Landeshaftungen weiterhin bestehen, man hat da irgendwie was Schlechtes darin gesehen, auch zu Recht, wie wir jetzt im Nachhinein wissen. Jetzt wurden dann aufgrund des Beschlusses 2004 die Landeshaftungen fast verdoppelt, war das nicht irgendwie gegen die Intention der EU, oder war das eh in Ordnung aus Ihrer Sicht?

Dr. Wolfgang Schüssel: Schlecht waren die Haftungen nicht, sondern sie waren eigentlich wettbewerbsverzerrend. Man darf hier nicht vergessen: Ein Geldinstitut, das eine Landeshaftung hinter sich hat, also eine öffentliche Haftung mit einem Triple-A-Rating – das Kärnten heute natürlich nicht hat, aber natürlich der Bund, damals war das so –, ist natürlich in einer ganz anderen Situation, sich refinanzieren zu können am Kapitalmarkt als beispielsweise eine Privatbank, die sich zu einem um etliche Prozentpunkte höheren Satz refinanzieren muss, das heißt, die Wettbewerbsverzerrung ist das Kernthema gewesen. Schlecht/gut ist nicht die Frage, sondern es ist eine echte Wettbewerbsverzerrung, und ich halte es für richtig, dass man das beendet, und das ist damals geschehen. Übrigens, die EU hat immer gesagt, Übergangsregelung ist okay, und die EU-Kommission hat zugestimmt, dass das mit 2007 ausläuft, daher gab es auch von unserer Seite keinen Einwand, diesen Beschluss einfach mitzutragen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Von 2004 bis 2007, also als dieser Zeitraum gelaufen ist, wurden die Haftungen fast verdoppelt. Die Frage ist, ob das die Intention der EU war, dass man da jetzt noch einmal einen kräftigen Schluck aus der Flasche nimmt, bevor es zu Ende ist. War das die Intention?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, die EU stört nicht die Ausweitung des Kreditvolumens, die EU stört die Ungleichbehandlung der Wettbewerber. Die ist ab diesem Zeitpunkt nach der Übergangsfrist weg gewesen, das war das Ziel der EU, und das hat sie erreicht mit diesem Beschluss, den sie noch dazu im Februar genehmigt hat, im März hat dann der Landtag beschlossen, im Mai hat dann die Bundesregierung das beschlossen, daher war das okay. Die Ausweitung der Kredite war aus meiner Sicht insgesamt ein Problem, weil sie zu schnell gewesen ist und die Managementkapazität der Bank nicht mithalten konnte.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Dr. Schüssel, jetzt muss ich bei meiner Frage, ob Sie als Bundeskanzler Informationen von den österreichischen Nachrichtendiensten zur Hypo bekommen haben, den Sack noch zumachen. Also auf diese Frage haben Sie Nein geantwortet, aber natürlich …

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, da habe ich anders geantwortet.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Sie haben Nein gesagt.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich antworte dann, wenn Sie fertig sind.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Gut, dann formuliere ich die Frage noch einmal und umfassend. Haben Sie während Ihrer Zeit als Bundeskanzler Informationen zur Hypo von den österreichischen Nachrichtendiensten, die diese selbst ermittelt oder von Dritten bekommen haben, erhalten – direkt erhalten oder indirekt erhalten –, nämlich über Mitarbeiter anderer Organisationen, BKA oder sonst irgendjemanden? Ich glaube, jetzt war es vollständig, jetzt ist keine Lücke mehr offen, und ich bitte um Ja oder Nein.

Dr. Wolfgang Schüssel: Die Frage ist jetzt auch wesentlich besser formuliert, weil ich das eben nicht mit einem einfach Nein beantwortet habe, sondern gesagt habe, das Ressort wurde möglicherweise informiert, als Person wurde ich nicht informiert. Und daher gilt die Antwort auch für Ihre jetzige Frage: Also als Person bin ich nie informiert worden von irgendeinem Geheimdienstbericht, der direkt oder indirekt dann auch später zu mir gekommen hätte sein können, Mitarbeiter oder wer auch immer.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Gut. Den Herrn Sanader kennen Sie ja. Haben Sie sich jemals mit dem Herrn Sanader über die Hypo unterhalten?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich kenne Ivo Sanader sogar sehr gut, war und bin auch mit ihm befreundet, sage ich auch ganz offen. Dem Mann hat Kroatien sehr viel zu verdanken, der hat in Wahrheit nach der Tuđman-Ära, die sehr problematisch …

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Das war nicht meine Frage.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, aber ich darf trotzdem meine Antwort schon so formulieren, wie ich es will. Ich will daher zum Ivo Sanader … (Abg. Hable: Zum Untersuchungsgegenstand!) – Ich will daher zu Ivo Sanader auch sagen: Das ist ein Mann, dem Kroatien, auch gerade auf dem Weg zur Europäischen Union, sehr viel verdankt. Ich weiß, dass er im Gefängnis sitzt, dass er etliche Prozesse am Hals hat, mittlerweile auch wieder drei Freisprüche (Abg. Kogler: Zwei Freisprüche!) – zwei, Freisprüche, danke – in mittlerweile schon erfolgten Urteilen, also das Ganze ist eine sehr fragile Geschichte, man munkelt von mancher Politjustiz in dem Zusammenhang, und daher komme ich zu Ihrer Frage: Wäre dieser Mann wirklich so korrupt, wie behauptet wird, dann hätte er in seiner Amtszeit – wir waren wirklich befreundet, wir haben miteinander Fußball gespielt und, und, und –, dann hätte ich irgendwann einmal einen Versuch einer Einflussnahme in Richtung einer Korruption oder was auch immer erfahren. Nie, nie, der Mann hat mich nie angeredet in irgendeiner problematischen Art und Weise, daher kann ich diese Frage mit einem klaren Nein beantworten, und das sagt eigentlich auch ein bisschen etwas über seinen Charakter.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Da muss ich jetzt schon nachfragen: Wie hätten Sie als Bundeskanzler beurteilen können, ob sich der Herr Sanader jemals der Korruption schuldig gemacht hat? Also das war jetzt nicht meine Frage (Auskunftsperson Schüssel: Na schon!), aber Sie haben jetzt in der Einleitung den Herrn Sanader rückwirkend freigesprochen und gesagt, wenn er korrupt gewesen wäre, dann hätten Sie irgendwann mal etwas mitkriegen oder hören müssen. Da frage ich mich, wie hätten Sie das als Bundeskanzler …

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, es hat ja Gerüchte gegeben …

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ich bin noch nicht fertig! Wie hätten Sie als Bundeskanzler das wahrnehmen können? Woher hätten Sie die Informationen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Es gab ja Gerüchte, dass er angeblich von der Hypo Millionen bekommen hätte et cetera, und deswegen sage ich, es wäre ja irgendwann einmal, wenn das so ein Charakter wäre, dann wäre da sicher irgendwann einmal etwas aufgefallen: Kannst du mir nicht helfen oder …? Nie, nie, gar nie, das wollte ich so zum Ausdruck bringen, weil auch Medien da sind, das ist vielleicht gar nicht schlecht.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Gut. Den Herrn Stoiber kennen Sie naturgemäß auch. Haben Sie sich mit dem Herrn Stoiber jemals zur Hypo unterhalten?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, sicher, klar, weil er natürlich nicht sehr glücklich war über die Entwicklung der Hypo. Das ist ja gar keine Frage, das ist die größte Pleite in der bayerischen Nachkriegsgeschichte, ich habe es ja erzählt, 5 Milliarden hat der Ausflug nach Österreich gekostet, dass das natürlich nicht ohne Wirbel abgegangen ist in Bayern.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ich meine jetzt den Zeitraum Ihrer Kanzlerschaft.

Dr. Wolfgang Schüssel: Das kann ich Ihnen nicht sagen, beim besten Willen. Aber natürlich, ich treffe ja den Edmund Stoiber bis heute regelmäßig, natürlich reden wir noch immer über die Geschichten.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Sie haben sich jetzt an Gespräche mit dem Herrn Stoiber erinnern können, aber an keine Gespräche während Ihrer Kanzlerschaft? Das verstehe ich nicht. Wieso können Sie sich an Gespräche erinnern nach dem Bayern-Einstieg (Auskunftsperson Schüssel: Ich habe jetzt gerade …!), aber nicht an Gespräche während Ihrer Kanzlerschaft?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich habe jetzt gerade gesagt, ich treffe immer noch den Edmund Stoiber und habe daher natürlich immer wieder mit ihm über solche Geschichten geredet. – Wann, wie, was genau kann ich Ihnen überhaupt nicht sagen. Also ob das während meiner Kanzlerschaft gewesen ist, kann ich Ihnen bei Gott nicht sagen. Ich kenne den Edmund Stoiber aus der Zeit vor 25 Jahren, als ich Wirtschaftsminister geworden bin.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Dann werden wir vielleicht noch ein bisschen konkreter. Waren Fragen rund um den Bayern-Einstieg 2006/2007 jemals Thema eines Gespräches mit dem Herrn Stoiber?

Dr. Wolfgang Schüssel: Kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Warum nicht?

Dr. Wolfgang Schüssel: Na, weil ich es nicht beantworten kann. Entschuldige, das ist ja eine Frage, ob man das weiß.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Es gibt einen Grund, dass Sie sich nicht daran erinnern können oder … 

Dr. Wolfgang Schüssel: Sie können mich ja nur fragen, ob ich jetzt eine konkrete Wahrnehmung zu einer bestimmten Zeit habe. Das muss ja dann sitzen, das muss ja auch stimmen, wenn ich Ihnen das beantworte. Das kann ich Ihnen aber nicht beantworten, weil ich es nicht weiß.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Also die Antwort ist, Sie können sich daran nicht erinnern.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich kann mich jetzt nicht festlegen, wann ich zu welchem Zeitpunkt mit wem über was geredet habe. Entschuldige, ein Mensch, den ich seit 26 oder 30 Jahren kenne, immer wieder sehe, kann ich Ihnen doch jetzt nicht sagen, was haben Sie genau vor neun Jahren oder vielleicht war es vor neuneinhalb Jahren oder vielleicht war es nur vor achteinhalb Jahren oder gar erst vor siebeneinhalb Jahren geredet. Was soll das?

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Das war nicht meine Frage, Herr Dr. Schüssel.

Dr. Wolfgang Schüssel: Aber meine Antwort.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ja, die passt aber nicht zur Frage. Und Sie müssen die Fragen beantworten. Deswegen wiederhole ich sie: Haben Sie sich zur Frage des Bayern-Einstieges oder rund um den Bayern-Einstieg jemals mit dem Herrn Stoiber unterhalten?

Dr. Wolfgang Schüssel: Sicher, das habe ich ja zuerst schon beantwortet.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Während Ihrer Kanzlerschaft in den Jahren 2006/2007 (Auskunftsperson Schüssel: Das kann ich Ihnen nicht beantworten!), also vor dem Bayern-Einstieg?

Dr. Wolfgang Schüssel: Auch das habe ich schon ausreichend beantwortet. Mehr wird es nicht.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Warum können Sie das nicht beantworten?

Verfahrensanwalt Dr. Bruno Binder: Herr Abgeordneter, er hat klar begründet, dass er es nicht weiß, wann er … 

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Nein, das hat er nicht gesagt, Herr Verfahrensanwalt. Er hat nicht gesagt, dass er es nicht weiß, sondern, dass er es nicht beantworten kann. Das ist ein Unterschied.

Verfahrensanwalt Dr. Bruno Binder: Er hat gesagt, dass er sich nicht mehr erinnert, wann er diese Gespräche geführt hat. Und wenn Sie die Fragen immer wieder wiederholen, wird kein anderes Ergebnis herauskommen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das, was wir schon geklärt haben, ist, Sie hatten mit Edmund Stoiber Kontakt. Hatten Sie mit Herrn Kurt Faltlhauser regelmäßig Kontakt in den Jahren 2005/2006?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Mit dem Herrn Günther Beckstein?

Dr. Wolfgang Schüssel: Kann ich Ihnen nicht sagen, sicher, aber ob 2005/06, das kann ich nicht sagen. Das ist auch einer, den ich so lange kenne. Ich führe kein Tagebuch, ob es vier, fünf, sechs, sieben, acht … 

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das ist ja egal – einfach so in diesem Zeitraum?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, ich weiß es nicht. Ich kann das nicht einschränken auf einen bestimmten Zeitpunkt. (Abg. Krainer: Passt schon!) Das kann ich nicht sagen.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Mit anderen Vertretern des Freistaates Bayern?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, sicher, ich kenne alle seit vielen, vielen Jahren. Ich kenne alle, die in der bayerischen Politik Rang und Namen haben, seit 30 Jahren. Natürlich, klar.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Aber den Faltlhauser nicht?

Dr. Wolfgang Schüssel: Mit dem habe ich eigentlich fast nie Kontakt gehabt. Den habe ich einmal gesehen, glaube ich, irgendwann einmal, aber das war sicher lang nach meiner Kanzlerschaft.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Weil Sie „alle“ gesagt haben und der Faltlhauser dort zehn Jahre Finanzminister war.

Dr. Wolfgang Schüssel: Kennen tue ich ihn auch, aber ich habe mit den Finanzen nichts zu tun gehabt.

Vorsitzende Doris Bures: Damit kommen wir zur nächsten Runde. Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich möchte an die Kollegen appellieren, dass wir zunächst diese Bayern-Kontakte, wenn es noch Fragen dazu gibt, abschließen. Ich hätte noch welche. Es ist möglicherweise ein Missverständnis, dass Sie mit Juni, Juli 2006 schon etwas wissen konnten. Was mit Sicherheit stattgefunden hat, ist die Verleihung des Verdienstordens in Bayern 2007 – da waren Sie aber schon Klubobmann, glaube ich –, gleichzeitig mit dem Herrn Sanader, den Sie ja ohnehin schon miterwähnt haben. Und das war, glaube ich, dann ein Meeting Stoiber-Sanader-Schüssel. Können Sie sich an das erinnern?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das war meiner Erinnerung nach eine Verleihung, wo geschätzte 40 Personen, Persönlichkeiten aus Bayern und international einen Orden bekommen haben. Und das war eine ziemliche Massenveranstaltung. Und wenn Sie glauben, dass dort vertraulichste Gespräche über irgendwas geführt wurden – undenkbar.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich frage ja einmal, was überhaupt war. Jedenfalls ist es zum Zeitpunkt rund um das Signing, das ist ja schon 2007, und da ist es schon die Frage, ob Sie dort Wahrnehmungen darüber haben, dass Stoiber auf Sanader eingewirkt hätte, dass die kroatische Nationalbank gut gesonnen wäre. Denn es hat sich ja schon abgezeichnet – Sie kennen ja die ganzen Vorgänge, nehme ich an –, dass dort ein Veto kommen würde, und das ist ja dann auch prompt so passiert. – War das ein Thema oder hat es diese Art von Gesprächen gar nicht gegeben?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, nein. Das war ein Fest, das war ein Festakt mit, wie gesagt, hunderten Leuten.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Für den Tilo Berlin war die Hypo auch ein Fest. Also das ist ein Fest.

Dr. Wolfgang Schüssel: Der war, glaube ich, nicht dort. Nein, also da ist darüber nichts geredet worden, da habe ich auch überhaupt keine Wahrnehmung darüber.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Und Sie haben aber irgendwann erfahren, es ist ja sogar medial berichtet worden – im Nachhinein weiß man immer mehr, mittlerweile auch aus den Akten –, dass es einen Vorgang gegeben hat: Stoiber wirkt ein auf Sanader. Und tatsächlich ist bei Rohatinski, dem Chef der kroatischen Nationalbank, interveniert worden und einzelne Interveneure haben Schmiergeld – ich kürze das einfach ab – für diese Intervention kassiert.

Haben Sie von diesen Vorgängen wenigstens im Nachhinein erfahren?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, aber ehrlich gesagt, was ich in der Zeitung lese, ist ja kein Gegenstand der Befragung. Oder?

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Nein. Ob Sie von diesen Vorgängen irgendwas mitbekommen haben?

Dr. Wolfgang Schüssel: Aus den Zeitungen. Aus den Zeitungen, sonst gar nicht.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ja, ist Ihnen dann einmal der Gedanke gekommen, wenn Sie eh schon Fußball mit dem Herrn Sanader spielen, wenn Sie bei den Festspielen sind, wenn er Gast am Opernball und wenn er Überraschungsgast bei Ihrem Geburtstagsfest ist, den Herrn Sanader zu fragen: Geh, was ist denn da?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das Fußballmatch war in der EU-Präsidentschaft, Opernball detto. (Abg. Kogler: Ja, das sehe ich schon!) Ich meine, Sie mischen natürlich jetzt alle möglichen Daten zusammen, um eine Beziehung … 

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Nein, Sie haben die Freundschaft ja selbst betont, wir haben die Daten dazu und dieser Vorgang war ja später.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, ist in Ordnung. Und daher sage ich ja nur, aus meiner (Abg. Kogler: Sie sind ja jetzt noch mit ihm befreundet!) Erfahrung kann ich überhaupt nicht bestätigen, dass sich Sanader in irgendeiner Weise in irgendeiner Form hier etwas zuschulden kommen hätte lassen. Das hätte ich bemerkt, denn da bin ich sehr kritisch gewesen in meiner ganzen Zeit.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Gut. Ich sage Ihnen nur gleichzeitig auch, was diese Prozesse betrifft – da sind ja noch nicht alle urteilsaufgehoben –, dass es ja tatsächlich so ist, dass bei vielen Vorgängen am Balkan, bei denen es – sagen wir es einmal salopp – unschön zugegangen ist, bis hinauf zur Parteispitze immer wieder erkennbar ist, dass hier ein politisches, ein wirtschaftliches und mafiöses Netzwerk zugegen war, und der Herr Sanader nicht allzu weit weg ist davon.

Dr. Wolfgang Schüssel: Aus all diesen Gründen hätte ich eigentlich eben angenommen, dass das durchaus offener gespielt worden wäre und ich das auch erfahren hätte. Und dann hätte ich mit Sicherheit reagiert. – Das war mein Versuch einer Antwort.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Das müssen wir so zur Kenntnis nehmen. Das ist so.

Dann bleibe ich bei dem Bayern-Komplex: Der Herr Finanzminister Grasser ist nachweislich noch in seiner Amtszeit im Herbst 2006 von Tilo Berlin kontaktiert worden, wegen des Bayern-Einstiegs, möchte man mutmaßen, jedenfalls ist dies der der hintergründige Zusammenhang. Haben Sie jemals mit Grasser darüber gesprochen, wieso Grasser dazu kommt, entweder für sich, für einen Dritten oder für seine Schwiegermama beim Hypo-Zwischendeal zu investieren?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, das war überhaupt erst nachher bekannt, das war nie ein Thema zwischen uns, nie ein Thema zwischen uns.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ich habe eine grundsätzliche Frage. Wir wissen, dass seit 2000, als Sie Bundeskanzler wurden, die Hypo stark expandiert hat, dass die Hypo mehr Risiko genommen hat, dass sie praktisch schneller gewachsen ist als alle anderen Banken, dass sich auch die Raiffeisenbank – die Ihnen ja nicht unbekannt ist – oft darüber beschwert hat, dass die Hypo jedes Geschäft macht, egal, zu welchen Konditionen und mit einem gewaltigen Risiko. Das war ab 2000 ja bekannt, es gibt auch Berichte von der OeNB beziehungsweise vom Rechnungshof, alle möglichen Berichte.

Das heißt, ab 2000 wusste man, diese Bank geht ein hohes Risiko ein. War das ein gewisser Gewissenskonflikt, da ja von diesem Risiko die Kärntner, Ihr Koalitionspartner, nämlich die FPÖ stark profitiert hat, erstens durch die Gewinne, die abgeworfen wurden, und zweitens das Land Kärnten, auch das Budget, durch die Haftungsprovisionen, die permanent ausgeweitet wurden? Das heißt, es gab ein massives Interesse der Kärntner, auch der FPÖ in Kärnten, dass das so weiterläuft, und Sie als Bundeskanzler mussten ja eher die Interessen der Steuerzahler und Österreichs im Auge behalten. War das nicht ein gewisser Gewissenskonflikt?

Dr. Wolfgang Schüssel: Erstens einmal ist es schon noch so, dass die Sphären getrennt sind, du hast die Sphäre der Bankexpansion, die von den Banken und von den Organen zu verantworten ist – und auch hoffentlich kontrolliert wird –, und vom Aufsichtsrat, von den internen Kontrollen, von den externen Kontrollen – Notenbank, FMA, später dann die europäischen Institutionen.

Prinzipiell bin ich nach wie vor der Meinung, dass die Expansion Richtung Zentral-, Ost- und Südosteuropa richtig war und ist. Das ist überhaupt keine Frage. Und ich lasse es auch nicht zu, dass man jetzt aus dem furchtbaren Debakel der Kärntner Hypo generell eine Abkehr zu dieser Internationalisierungsstrategie fährt. Das ist nicht richtig, du musst das kontrollieren können. Es ist auch nicht richtig, dass die Kärntner Hypo sich sensationell anders entwickelt hat, oder exemplarisch anders entwickelt hat.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Das haben alle gesagt, alle.

Dr. Wolfgang Schüssel: Sie sind nicht stärker gewachsen als die anderen. (Abg. Lugar: Doch!) – Nein, habe ich nicht gesagt.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Aber die anderen haben es gesagt, die hier im Ausschuss waren. Fast alle haben es gesagt.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, aber sie sind international im Gleichklang gewachsen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Nein, nein, das sagen Sie, aber sonst hat das niemand gesagt im Ausschuss, niemand.

Dr. Wolfgang Schüssel: Sie sind zu schnell gewachsen für ihre Größe, aber sie sind natürlich … Schauen wir uns die Raiffeisen Bank International oder die Erste International an, die sind auch gewachsen und die haben auch ihre Probleme und ihre Risken gehabt, aber sie haben es aufgrund ihrer Managementkapazität besser beherrschen können. Die Hypo konnte das nicht.

Aber es war an sich richtig, dass die Hypo prinzipiell diesen Weg eingeschlagen hat. Sie können nicht aus der heutigen Sicht, ich habe das schon ganz am Anfang gesagt, die Hypo so bewerten, wie sie damals nicht bewertet wurde. Sie wurde damals zwischen 2000 und 2006 eigentlich erstklassig bewertet, von allen – ein Vorzeigeprojekt –, von den Medien, von der internationalen Öffentlichkeit, auch von den Konkurrenten, die zum Teil neidisch hingeschaut haben. So ist das nicht. Heute wissen wir, da war sehr vieles auf Sand gebaut, keine Frage.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Wissen Sie, warum das alle so positiv bewertet haben? Weil niemand unter die Decke schauen konnte. Wir haben lustigerweise alle bisher schon da gehabt – die Wirtschaftsprüfer, StaatskommissärInnen, OeNB, FMA. Alle haben das Gleiche gesagt: Sie konnten nicht im Detail prüfen, sie konnten nicht genau hinschauen, sie konnten nicht die einzelnen Kredite überprüfen, weil sie das nicht durften.

Und jetzt sind wir bei der Gründung der FMA. Sie haben ja die FMA gemeinsam mit dem Herrn Grasser gegründet und haben der FMA nicht die Möglichkeit gegeben, tatsächlich hinzuschauen. Erst viel später, erst im Jahr 2007, ich zitiere nur die Aussage der FMA-Vorstände. Die FMA-Vorstände haben … (Zwischenruf des Abg. Krainer) – Ruhe, Herr Krainer, bitte, du kannst dich ja melden. (Abg. Krainer: Zur Geschäftsordnung!)

Die FMA-Vorstände haben einstimmig gesagt, dass sie erst im Jahr 2007 ausreichende Möglichkeiten hatten, um hier einzuschreiten. Das heißt, Sie haben eine FMA gegründet, eine FMA gebaut, die gar nicht die Möglichkeit hatte, hier einzuschreiten. Das heißt, die haben von der OeNB die Berichte bekommen, die haben immer wieder darauf hingewiesen, dass es Probleme gibt, aber sie konnten nicht einschreiten. Niemand konnte einschreiten, das System war so gebaut. Erst im Jahr 2007, als es zu spät war, wurde das geändert.

Sie haben also doch eine Verantwortung dafür, dass das nicht so gemacht wurde, dass man auch tatsächlich hinschauen konnte.

Verfahrensanwalt Dr. Bruno Binder: Herr Abgeordneter, was ist jetzt Ihre konkrete Frage?

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ob er eine Verantwortung hat, denn er hat die FMA gemeinsam mit dem Herrn Grasser ins Leben gerufen.

Dr. Wolfgang Schüssel: Erstens einmal habe nicht ich gemeinsam mit Grasser als persönliches Joint Venture die FMA ins Leben gerufen, sondern die FMA, die Finanzmarktaufsicht ist eine europäische Notwendigkeit gewesen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Nein, das hat Herr Grasser auch in Abrede gestellt.

Dr. Wolfgang Schüssel: Selbstverständlich … 

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Der wird das doch besser wissen.

Dr. Wolfgang Schüssel: Darf ich weiterreden?

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Natürlich.

Dr. Wolfgang Schüssel: Danke. – Die ist also eine europäische Notwendigkeit, alle entwickelten Industrieländer und Finanzplatzländer haben so etwas, die haben eine unabhängige, weisungsfreie Finanzmarktaufsicht. Die musst du aufbauen, du kannst nicht am Anfang von null weg etwas beginnen, daher war es sinnvoll, dass man die bewährten Prüfer der Notenbank miteinbindet. Das möchte ich gerne sehen … 

Übrigens hat das der Nationalrat einstimmig beschlossen, also nehmen Sie Ihre Vorgänger mit in die Haftung, und nicht sagen, das war ein privates Joint Venture von Grasser und Schüssel. Das ist einfach absurd. Das war ein einstimmiger Beschluss, der auch sinnvoll war, die Kompetenzen und die Ressourcen der Notenbank zu bündeln. Ich hätte mir die Diskussion angeschaut, wenn wir das anders gemacht hätten und dann die Notenbank gesagt hätte: Warum verzichtet ihr auf das wertvolle Wissen, das wir über all die Jahre aufgehäuft haben? – Also völlig absurd.

Das war eine völlig logische, richtige Entscheidung damals. Und dass das nicht funktioniert: Im Nachhinein sind wir klüger, sagt das russische Sprichwort, das ist wahr. Aber da müssen sich eben die Leute in der Notenbank auch überlegen: Warum haben sie ihre Prüfnotwendigkeit nicht so wahrgenommen, warum hat der Aufsichtsrat weggeschaut? Wieso gibt es Wirtschaftsprüfer, die Testate geben? – Die schauen hinein meine Lieben, so ist das nicht.

Und dass jemand dann verantwortlich ist, der nicht einmal eine Bilanz zu Gesicht bekommt von einer Bank, das finde ich putzig.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Dr. Schüssel, Sie argumentieren total an der Realität vorbei. Es ist ja nicht darum gegangen, und das hat auch Grasser bestätigt, es waren zwei Denkschulen. Die einen haben gesagt, wir brauchen eine FMA, und die anderen, geben wir diese Agenden doch zur OeNB. Und da geht es nicht darum, die OeNB auszuschalten, sondern man hätte die gesamte Kompetenz der OeNB geben können. Und die OeNB wollte das auch so, aber Sie wollten das nicht. Sie wollten eine eigene Behörde gemeinsam mit Grasser, um hier mehr politischen Einfluss zu haben. Das war die ursprüngliche Idee.

Dr. Wolfgang Schüssel: Eine weisungsfreie Behörde, die einen politischen Einfluss hat, schaue ich mir an, wirklich.

Vorsitzende Doris Bures: Das war jetzt auch keine konkrete Frage.

Wenn wir eine Geschäftsordnungsdebatte führen wollen, dann würde ich um eine Sitzungsunterbrechung ersuchen. (Abg. Krainer: Ich habe eingesehen, dass es sinnlos ist beim Kollegen Lugar! – Auskunftsperson Schüssel: Es ist sinnlos!) – Es ist jetzt keine Geschäftsordnungsdebatte gewünscht, wenn ich das so zusammenfassen darf.

Dann ist Herr Abgeordneter Dr. Hable am Wort. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Dr. Schüssel, den Herrn Sanader und den Herrn Stoiber haben wir jetzt schon durchgemacht. Nächste Frage: Haben Sie jemals mit dem Herrn Fahrenschon zur Hypo gesprochen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Wer ist das?

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Fahrenschon, ehemaliger bayerischer Finanzminister.

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Kennen Sie nicht? Haben Sie sonst jemals mit einem bayerischen oder kroatischen Politiker zur Hypo gesprochen, insbesondere auch zur Frage Bayern-Einstieg und Vorgänge rund um den Bayern-Einstieg?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das habe ich eigentlich zuerst schon beantwortet. Natürlich ist das ein Riesenthema später gewesen, als Österreich geklagt hat … 

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Während Ihrer Kanzlerschaft?

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein. Das ist auch schon hundertmal beantwortet worden.

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Kennen Sie einen Herrn Robert Ježić? Und wenn ja, haben Sie sich mit ihm jemals zur Hypo unterhalten?

Dr. Wolfgang Schüssel: Wer soll das sein?

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Ich weiß es nicht, meine Frage ist, ob Sie ihn kennen.

Dr. Wolfgang Schüssel: Da ich den Namen zum ersten Mal höre, kann ich das schwer sagen. Vielleicht ist er mir irgendwann einmal über den Weg gelaufen, unbekannterweise, als Anonymus. Vielleicht helfen Sie mir weiter, wer das sein soll, dann kann ich vielleicht eher die Frage beantworten. Oder ist das wieder ein Geheimdienstbericht?

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): So viel Zeit haben wir leider nicht, dass ich Ihnen den Hintergrund aller Fragen erklären kann. Aber in diesem Sinne vorerst keine weiteren Fragen. Das müssten wir in einem Privatissimum klären.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich habe nichts mehr zum Bayern-Kroatien-Komplex, ich glaube, die anderen auch nicht mehr. Dann komme ich zu einem Thema, das wir für den Ausschuss noch abrunden sollten. Es sind ja schon zwei Personalien gefallen, eine heute auch schon mit Ihnen. Ich komme noch einmal zurück zum Herrn Pribil. In Anlehnung an eine Fernsehserie kann ich einleiten: Anruf aus St. Pölten, und tatsächlich finden wir in den Presseartikeln folgende Aussage: Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll sagt – also der sagt alles Mögliche, aber bezugnehmend auf Pribil sagt er auch, und das ist in mehreren Medien wortwörtlich gleich:

Pribil hat allein der ÖVP seinen Job zu verdanken. – Erste Aussage.

Zweitens: Ohne Partei wäre Pribil nichts. – Zitatende.

Gehen wir das einmal durch: Pribil hat seinen Job – gemeint ist jener in der Nationalbank und in der FMA – der ÖVP zu verdanken.

Dr. Wolfgang Schüssel: Und was ist jetzt Ihre Frage?

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich frage Sie, ob Sie dieser Einschätzung des Herrn Landeshauptmannes nähertreten?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ich kenne dieses konkrete Zitat nicht (Abg. Kogler: Wir können es Ihnen gerne bringen!), nur meine ich, der Dr. Kurt Pribil ist seit Beginn seiner beruflichen Laufbahn in die Nationalbank aufgenommen worden (Abg. Kogler: Ja, eh!), also ich nehme nicht an … Da die ein ordentliches Qualifikationsverfahren haben, glaube ich nicht, dass das jetzt in irgendeiner Weise an ein Parteibuch gekoppelt war. Wenn er zufällig auch eine politische Meinung hat, würde ich ihm das ja nicht unbedingt sofort als einen Minuspunkt anrechnen. (Abg. Kogler: Nein! Eh nicht!) Ich kann ihn nur wirklich … – Er war einige Jahre bei mir im Kabinett im Wirtschaftsministerium: Erstklassig, ein wirklicher erstklassiger Experte, der mir damals eben auf unsere Bitte von der Nationalbank zur Verfügung gestellt wurde. Die machen das Gott sei Dank auch bei anderen Ressorts, was auch klug ist, weil damit sowohl die Nationalbank Informationen aus der praktischen Arbeit in der Verwaltung bekommt und umgekehrt natürlich auch das Wissen und das Know-how der Notenbank in vernünftige wirtschaftspolitische Entscheidungen einfließt. Er hat sicher den Posten nicht mir zu verdanken oder der ÖVP, sondern ausschließlich seiner Qualifikation. Dass er eine Meinung haben wird – so what? Das haben wir alle, hoffentlich!

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ja, Sie werden verstehen, dass wir das noch kurz nachgetragen haben. Also Sie sind der Meinung, Pröll ist hier im Unrecht.

Dr. Wolfgang Schüssel: Na, das … Entschuldigen Sie vielmals, das ist wieder so eine … Was soll diese Personalisierung? Ich habe auf Ihre Frage, ob Pribil mir oder der ÖVP den Job zu verdanken hat, geantwortet. (Abg. Kogler: Die hat eh der Pröll formuliert!) Warum muss man jetzt einen emotionalen Satz des Herrn Landeshauptmannes – den ich gar nicht jetzt im Detail kenne und kennen will – in eine Konfrontation bringen? So what? Emotionen gehören zum Menschen dazu. Die sachliche Qualifikation von Kurt Pribil steht für mich außerhalb jedes Zweifels.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ist schon recht. Eine andere Personalie, die parallel mit der Wurmitzer-Frage läuft in diesen … Es ist ja nicht nur Wurmitzer verbittert an die Medien gegangen zu verschiedenen Zeitpunkten, sondern auch sein Vorgänger Reinhold Lexer. Der behauptet ja – beziehungsweise ist ja einmal objektiv nachweisbar –, dass das Präsidium der Kärntner ÖVP die Aussetzung der Landeshaftungen beschlossen hat und in diesem Sinne verlangt hat. Im Übrigen war es dann so, nur zur Information fürs Auditorium hier, dass am gleichen Tag, an dem das erschienen ist – das war, so glaube ich, eh noch im „WirtschaftsBlatt“ –, zwei Stunden der Kulterer angerufen hat, zwei Stunden der Aufsichtsratsvorsitzende Koch damals und ihn, Lexer, massiv bedroht haben und dass er überhaupt bald politisch verschwinden wird. So kam es dann auch. Der Punkt ist nur, Lexer sagt … Da gibt es was weiß ich wie viele Darstellungen, warum er da abserviert worden ist, das brauche ich mit Ihnen nicht zu diskutieren, da sind Sie ja viel zu routiniert dazu, um da irgendwie einen Punkt machen zu wollen, nur Lexer behauptet ja – da muss ich Ihnen aus dem „Standard“ vorhalten, weil es ja schon bei einer anderen Person gefragt wurde, „Standard“, 31. Juli 2012, in dem Fall von der Frau Steiner: „(…) Lexer glaubt, dass Schüssel (…) mitverantwortlich sei.“

Dr. Wolfgang Schüssel: Also: Tut mir leid, wenn er es glaubt. Wahr ist vermutlich – genauso wie bei Georg Wurmitzer –, dass die relativ schlechten Wahlergebnisse in Kärnten dafür verantwortlich waren, dass die einige Wechsel im Vorsitz gehabt haben, und ich meine mit Verlaub: Ich war der Letzte, der das bejubelt hat. Im Gegenteil! Ich habe mich wirklich immer gekümmert. Der Gabi Obernosterer, der hier sitzt, weiß das, wie oft ich mich bei Wahlkämpfen und, und, und eingebracht habe, der Kärntner ÖVP geholfen habe mit Know-how, auch mit Geld, auch mit Expertise und, und, und. Ich habe mich wirklich hineingeworfen, dass die etwas zusammenbringen. Nur, ehrlich gesagt: Du kannst von Wien aus Kärnten nicht erfolgreich machen. Du kannst auch vom Bund aus nicht eine Landespartei plötzlich von außen heraus reformieren, das muss von innen heraus geschehen, und dass das manche dann natürlich ganz gerne nach außen projizieren, das verstehe ich – tut mir weh –, aber es stimmt nicht.

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich werde Sie jetzt nicht unterbrechen, solange mir keine Wortmeldung mehr vorliegt. (Abg. Lugar: Ich! Ich melde mich immer, habe ich gesagt! Ich melde mich immer, habe ich vorhin gesagt!) Herr Klubobmann, das ist insofern spannend, als man ja nicht weiß, was bereits vorher gefragt wurde und ob das nicht auch dabei war, aber ich nehme Sie jetzt auf die Rednerliste, und Sie haben das Wort. Ich weiß nicht, ob Sie dann nachher noch das Wort wünschen? (Abg. Kogler nickt bejahend.) Gut, dann unterbreche ich Sie nach 3 Minuten und übergebe an Herrn Abgeordneten Mag. Kogler.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ich würde gerne noch einmal auf die Gründung der FMA und das Verhältnis zur OeNB zurückkommen. Jetzt haben Sie gesagt, es war unausweichlich, weil das im internationalen Vergleich üblich war, dass hier eine unabhängige Kontrolle stattfindet. Jetzt wäre natürlich auch die Möglichkeit gewesen, laut Grasser, der OeNB diese Rolle zu geben. Man hat sich dagegen entschieden. Man wollte das nicht. Vielleicht können Sie das kurz ausführen, warum man nicht der OeNB die gesamte Verantwortung geben wollte, die ja auch als unabhängig bezeichnet werden könnte?

Dr. Wolfgang Schüssel: Weil eigentlich die meisten guten Finanzplätze eine unabhängige Finanzmarktaufsicht haben, die nicht in der jeweiligen Zentralbank angesiedelt ist, aber ich meine, darüber kann man diskutieren. Daher war, glaube ich, die … Richtig ist, dass Grasser eher die andere Meinung vertreten hat, richtig ist aber auch, dass die Notenbank mit guten Argumenten darauf gedrängt hat, dass wir das gemeinsam machen sollen, und so ist es gekommen. Ich meine, das ist aber eh auch im Nationalrat x-mal diskutiert worden. Warum habt ihr es dann einstimmig beschlossen, wenn das so schlecht war?

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Na, ich war damals noch nicht im Nationalrat (Auskunftsperson Schüssel: Ja, das weiß ich schon, aber die Fraktionen halt!), aber das habe ich nur jetzt einmal so am Rande erwähnt. Wenn Sie sagen: Okay, Grasser wollte das bei der OeNB haben, Sie wollten es eher als eigenständige FMA haben, jetzt sagen Sie: Das war dann eine unabhängige Behörde. Warum haben Sie dann den Herrn Pribil, der aus Ihrem Kabinett gekommen ist … (Auskunftsperson Schüssel: Entschuldigung, haben Sie jetzt gerade …, Grasser wollte es bei der OeNB haben?) – Sie haben das gerade gesagt, vorhin. (Auskunftsperson Schüssel: Nein, Sie haben das gesagt jetzt!) – Nein, nein, Sie haben das vorher gesagt! (Abg. Kogler: Ein Missverständnis! – Auskunftsperson Schüssel: Nein, das habe ich überhaupt …!) Sie haben gesagt, Grasser hat das anders gesehen. War das nicht auf das bezogen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Grasser hat anders gesehen, dass … Der wollte das nicht ausschließlich bei der OeNB haben. Das war jetzt wirklich ein Missverständnis.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ah, Sie wollten es bei der OeNB haben? (Auskunftsperson Schüssel sinkt in seinem Sessel zusammen.) – Na, weil Sie gesagt haben, er hat es anders gesehen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Er hat das anders gesehen: Die Notenbank war der Meinung, sie kann das, und sie hat das bisher gemacht. Grasser hat das anders gesehen und wollte vergleichbar mit anderen Finanzplätzen eine eigenständige Finanzmarktaufsicht machen. (Abg. Lugar: Ah, anders als die Notenbank, okay!) Das Gescheiteste war, wirklich die Kompetenz in einem relativ kleinen und mittleren Land wie Österreich zusammenzuführen, und das hat das Parlament auch einstimmig beschlossen. Das war richtig, finde ich.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Das heißt, Sie und Grasser wollten das eben nicht, dass es bei der OeNB bleibt. – Ist das richtig?

Dr. Wolfgang Schüssel: Noch einmal: Die Verhandlung habe gar nicht ich geführt. Ich habe das abgesegnet am Schluss, weil ich das für richtig gehalten habe. Da hat es eine Arbeitsgruppe gegeben. Das war eines unserer Vorhaben in der Regierung, steht in der Regierungserklärung drinnen, haben wir abgearbeitet. Da hat es eine eigene Arbeitsgruppe gegeben, die das Finanzministerium geführt hat mit der Notenbank. Und das Ergebnis dieser Verhandlung kam dann in den Ministerrat. Meine persönliche Präferenz spielt da gar keine Rolle, aber ich habe das für völlig richtig gefunden, was die ausgearbeitet haben.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Wie würden Sie damals zu dem Zeitpunkt die Notenbank beschreiben? War die stark von der Regierung abhängig? Hat die eigenständig agiert? Wie würden Sie sie beschreiben?

Dr. Wolfgang Schüssel: Die Oesterreichische Notenbank war immer unabhängig, war immer eigenständig, war immer großkoalitionär und hat das aus meiner Sicht auch immer sehr gut gemacht.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Okay, das heißt, wir hatten damals eine Situation, wo es eine OeNB gegeben hat, die sehr eigenständig agiert hat, auch gut geprüft hat, alles gut gemacht hat, da gibt es ja auch sehr kritische Berichte, auch zur Hypo, und dann haben Sie eine Behörde gegründet, die angeblich eben noch unabhängiger werden soll, haben aber Ihren Kabinettsmitarbeiter, den Herrn Pribil, dort hingeschickt und Herr Grasser den Herrn Traumüller, der aus seinem Kabinett gekommen ist. Das klingt aber nicht nach sehr großer Unabhängigkeit.

Dr. Wolfgang Schüssel: Entschuldigung, Herr Abgeordneter, ich glaube, ich drücke mich extrem schlecht aus oder irgendjemand oder die Sender-Empfänger-Welle funktioniert nicht. Ich habe das eigentlich jetzt mehrfach beantwortet. Nicht ich habe jemanden hingeschickt, sondern das Finanzministerium und die Notenbank haben ausgewählt, die bestqualifizierten Leute – hoffentlich – dorthin.

Ich habe damit überhaupt nichts zu tun gehabt. Ich habe aber die Entscheidungen für völlig richtig gefunden. Warum soll ich mich dagegen wehren? Warum unterstellen Sie dauernd ein Privat-Joint-Venture Grasser-Schüssel in der Geschichte. Ich weiß nicht, was Sie da …, was Sie heute da … – Das Wetter ist zwar trüb, aber warum muss die Stimmung so sein?

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Na, schauen Sie. Wenn Sie vielleicht nicht ganz wissen, worauf ich hinaus will (Auskunftsperson Schüssel: Ja, dann sagen Sie es!), dann erkläre ich es ganz kurz. Ich sehe hier also ein Problem, da es eine Bank gegeben hat, die starken politischen Einfluss hatte und da es eine Regierung gegeben hat, die dafür sorgen soll, dass diese Bank auch dementsprechend geprüft wird, dass dieser Bank auch ein gewisser Riegel vorgeschoben wird, wenn sie spekuliert, wenn sie Dinge tut, die nicht in Ordnung sind, die den gesamten Finanzplatz gefährden, die den Steuerzahler gefährden, dann gibt es da eine gewisse Aufgabe, also eine Aufgabe, dass die Regierung sich schützend vor die Steuerzahler stellt. Ich glaube, da werden wir einer Meinung sein.

Das Problem war, dass es hier einen Einfluss der Politik gegeben hat und dass die Regierung sozusagen von der gleichen Partei gestellt wurde und damit natürlich ein Interessenkonflikt entstanden ist, und deshalb wurde aus meiner Sicht die FMA gegründet, um hier der OeNB, die ja sehr kritisch war, das Heft aus der Hand zu nehmen, und die OeNB hat das ja auch sehr kritisch gewürdigt, und immer wieder hat es Reibungen gegeben zwischen FMA und OeNB, das haben wir hier im Ausschuss ja oft gehört. Das heißt, die Frage ist jetzt natürlich berechtigt: Warum wurde die FMA damals mit so wenig Rechten ausgestattet, dass sie auf 2007 warten musste, bis sie endlich ordentlich einschreiten konnte? Das ist die zentrale Frage.

Dr. Wolfgang Schüssel: Jetzt haben Sie gerade vorher genau das Gegenteil erklärt. Sie haben vorher erklärt, dass sozusagen die Notenbankprüfung zahnlos war und die FMA hat hineingebissen. (Abg. Lugar: Was? Nein!) Ja, sicher, war in der vorigen Geschichte. (Abg. Lugar: Ich weiß genau, was ich rede, ja, also das habe ich sicher nicht gesagt!) Sicher, genau so habe ich das jetzt mitbekommen. Abgesehen davon, warum soll ich … – wenn das so wäre, wenn wir also unbedingt die Kärntner schützen hätten wollen –, warum haben wir dann ausgerechnet den Pribil und den Traumüller dort hingeschickt, die angeblich massiv hineingefahren sind? (Abg. Lugar: Ja, erst später!) Also erklären Sie mir das!

Vorsitzende Doris Bures: Eine kurze Frage noch, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Erst 2006, als es gar nicht mehr anders gegangen ist, und sogar da wurden sie dann auch noch bedroht, dass sie ihren Job verlieren, wenn sie nicht brav sind, nicht?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, also da waren sie offensichtlich nicht brav (Abg. Lugar: Da waren sie brav, aber vorher nicht!), und daher war ja Gott sei Dank die Entscheidung völlig richtig, die zwei dort hinzuschicken, weil sie dort aufgeräumt haben.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Aber vier Jahre nicht, vier Jahre waren sie nicht so, wie wir uns das vorstellen hätten können.

Dr. Wolfgang Schüssel: Na gut, dann müssten sie es mit Ihnen diskutieren. (Abg. Lugar: Haben wir!) Sie haben jedenfalls keine …

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Wissen Sie, was sie gesagt haben? – Sie konnten nicht, weil sie nicht mit ausreichend Kompetenzen ausgestattet wurden. So schaut es aus.

Dr. Wolfgang Schüssel: Und weil offensichtlich die Notenbank das vielleicht nicht ordentlich geprüft hat. Das müssen Sie aufklären, nicht ich! (Abg. Lugar: Nein, das hat niemand gesagt! Das unterstellen Sie mir, Herr Dr. Schüssel!)

Vorsitzende Doris Bures: Da noch eine Wortmeldung vorliegt, frage ich trotzdem die Fraktionen in der Reihenfolge noch einmal durch. Herr Dr. Hable? Sozialdemokraten? Freiheitliche? – Dann kommen wir in die fünfte Runde. (Zwischenruf der Abg. Tamandl.) – Um 14.44 Uhr wird ganz abgebrochen, und um 13.44 Uhr werde ich Sie noch einmal aufmerksam machen, dass die Soll-Befragungszeit beendet ist. Damit sind wir in der fünften Fragerunde. Am Wort ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Ich wollte nur noch diese Vielschichtigkeit zum Aufsichtskonstrukt und unserer Meinung nach Aufsichtsversagen der Konstruktion FMA-Notenbank darlegen. Es ist schon richtig, dass das ambivalent ist, weil die FMA immer wieder, auch in der Vorsprache, Mittel wollte, Instrumente, die schärfer gestellt werden. In meiner Analyse stellt sich das aber so dar: Zur Nationalbank wurde die Finanzmarktaufsicht dazugesellt. Was die Bankenprüfung betrifft, hat es Überschneidungen gegeben. Es war überhaupt nicht zwingend, dass die Bankenprüfung in die FMA muss. Heute ist der Finanzminister Schelling unterwegs und will diesen Teil wieder in die FMA zurückmanövrieren.

Im Übrigen gibt es genau über die Zeit, in der Sie Bundeskanzler waren, einen Rechnungshofbericht, der in den ersten Jännertagen 2007 erschienen ist, der verheerend war für das Arbeiten, gar nicht so sehr für die Gesetze – und da widerspricht sich tatsächlich der Kollege Lugar ja selber, das haben Sie aufgedeckt –, aber für mich bleibt halt schon, dass die FMA noch nicht alles hatte, was sie jetzt hat, aber sehr viel hätte tun können, was sie nicht gemacht hat, mit einer Ausnahme, deshalb kommt ja das immer alles durcheinander.

Da ist der Rechnungshof eigentlich massiv kritisch unterwegs, was alles damit zu tun hat, dass es dann ja auch bei der Hypo so zuging, nicht nur bei der BAWAG, dort haben Sie ja in Wahrheit auch versagt, denn da war alles, was passiert ist, Management-Gespräche mit dem Herrn Elsner – ja, wir wissen sogar, wo und mit welcher Rechnung –, aber es wurde nicht durchgegriffen, und die Instrumente wären da gewesen. Hier heißt es, die Vor-Ort-Prüfungen waren unzureichend, sind unterblieben und noch dramatischer die Follow-up, weil ja immer wieder kritische Dinge festgestellt wurden.

Auch der Rechnungshof kommt zum Schluss: Besser ist, wir legen diesen Teil der Bankenprüfung wieder zusammen, und das Thema zieht sich ja bis heute herauf. Also dass das Konstrukt besonders geglückt ist, kann man ja nicht sagen.

Jetzt können Sie das aber nicht den Abgeordneten alleine vorhalten, denn ich habe …, und da bin ich aber jetzt beim Schluss, was meine Bewertung zum Aufsichtsversagen betrifft: Es wäre mit anderen Führungspersonen, die anders gehandelt hätten, ganz anders gewesen als mit dem Quartett – auf der einen Seite Traumüller hatten wir, Pribil hatten wir, und in der Notenbank waren Liebscher und Christl verantwortlich. Meiner Meinung nach gibt es dort auch ein massives persönliches Versagen, und dieses Versagen hat aber die Bundesregierung, mit Ihnen an der Spitze, mitzutragen, weil Sie die Leute dauernd dort hinsetzen, und wenn man genau hinschaut, sind das lauter schwarz-blaue! Da kann man über die eine oder andere Qualifikation von mir aus streiten, aber ganz so davonstehlen kann man sich nicht, insbesondere wenn Sie am 30. März 2006, auf den Tag genau, als diese Hypo-Geschichte losgeht und die BAWAG schon ein paar Tage sozusagen köchelt, selber sagen: „Meine Aufgabe als Bundeskanzler ist es, die Integrität des Finanzstandortes Österreichs zu sichern.“  – Nein, alles ist uns da nicht gelungen, Herr Bundeskanzler.

Vorsitzende Doris Bures: Ich muss Sie auf die Redezeit aufmerksam machen.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Denn gar so integriert ist das alles nicht, außer dass wir ausgehend von Kärnten zugegeben einen Megaskandal haben, der geradezu aus einer Orgie der Verantwortungslosigkeit herauskommt, und die Aufsicht hat dem zugeschaut, das ist eine Wegsicht und keine Aufsicht. Wenn Sie jetzt dem Ausschuss weismachen wollen, dass Sie nie etwas damit zu tun gehabt haben, wirft das auch ein seltsames Licht auf Sie. Das hätten Sie gar nicht notwendig, kann ja immer einmal ein Fehler passieren. (Auskunftsperson Schüssel: Und was ist jetzt genau die Frage? – Abg. Kogler: Gar nichts, ich habe ja gesagt, ein Resümee! – Auskunftsperson Schüssel: Gar nichts, ah so, gut!)

Vorsitzende Doris Bures: Herr Dr. Schüssel, wir haben manchmal auch Ausführungen ohne eine direkte Frage an die Auskunftsperson.

Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Dr. Schüssel, gehen wir noch einmal zurück! Die OeNB hat ja geprüft, gemeinsam mit dem Finanzministerium, und dann war das so, dass die FMA der OeNB in Wirklichkeit nur den Auftrag zur Prüfung gegeben hat, die OeNB geprüft hat und die FMA dann eben Schlüsse daraus gezogen hat. Das heißt, die eigentliche Prüfung ist ja bei der OeNB geblieben. Das wissen Sie ja, nehme ich einmal stark an?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, steht im Gesetz.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ja, genau. Das heißt, wenn Sie sagen, eine unabhängige Prüfung, eine unabhängige Behörde, dann war diese Behörde ja abhängig von der OeNB, und davon, was die vor Ort herausfindet, oder nicht?

Dr. Wolfgang Schüssel: Was ist die Frage jetzt konkret?

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ja, die Frage ist, was diese FMA denn tatsächlich tun konnte? Sie konnte ja nichts anderes, als die Berichte der OeNB nehmen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen, und das konnte sie aber deshalb nicht, weil sie nicht die Rechtsmöglichkeiten hatte, hier dementsprechend einzugreifen. Zumindest haben uns das immer wieder die Vorstände der FMA gesagt, und sie haben auch gesagt, dass sie auch immer wieder interveniert haben politisch, um mehr Rechte zu bekommen, die sie dann tatsächlich 2007 auch bekommen haben.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, aber entschuldigen Sie! Die Rechte der FMA – steht ja alles im Gesetz drinnen. Das ist ja jetzt nicht eine Frage meiner Wahrnehmung. Ich habe das Gesetz jetzt nicht vor mir, aber die FMA stützt sich natürlich auf die Vorprüfungen. Das ist ja logisch, nicht? Klar, da geht ein Prüfer hin, schaut sich das vor Ort an – das ist ja auch gemacht worden –, aber zum Beispiel dann die ganzen Wirtschaftsprüferberichte, die ganzen Bilanzgeschichten, das hat ja alles die FMA und dazu hat die FMA auch vorher schon, vor 2007, eine ganze Reihe von sehr wirksamen Instrumenten gehabt, die sie auch angewendet hat, nämlich Abberufungsverfahren, Anzeigeverpflichtung, wenn etwa eine strafrechtliche Unzulänglichkeit, etwa die Bilanzfälschung, auftaucht. Das haben sie auch alles gemacht. Sie können zum Beispiel Bilanz…, Entschuldigung[15], Kapitaleinschussverpflichtungen verhängen – haben sie gemacht. Also der Eindruck, den Sie erwecken wollen, dass die überhaupt nichts gemacht haben, nichts können, fürs Salzamt sind, zum Krenreiben sind, ist einfach falsch! Das stimmt so nicht!

Im Gesetz steht drinnen, die Notenbank macht sozusagen vor Ort die Prüfungen, aber das Ergebnis dieser Prüfung plus die Auswertung dieser ganzen Dinge … – Und die können auch jederzeit den Vorstand vorladen, die können jederzeit die zuständigen Leute herholen. Also das können sie alles machen. Es ist nicht die Frage, wer jetzt vor Ort hineingeht und hineinschaut (Abg. Lugar: Doch, das ist die Frage!), und sie haben ja auch gehandelt. Das finde ich ja positiv, das sollte man nicht unbedingt jetzt alles in Zweifel ziehen. (Abg. Lugar: Ich spreche jetzt nicht von 2006!) Ich will das nicht heiligsprechen, es sind sicher absolute Fehler gemacht worden, nur: Meiner Meinung nach sind einmal die allersten Fehler – Wirtschaftsprüfer, Aufsichtsrat – zu sehen. Das muss man auch einmal dazusagen.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Da müssen wir noch einmal ins Detail gehen, Herr Dr. Schüssel. Sie sagen, die FMA hat sich eben auf die Organe wie Wirtschaftsprüfer, Staatskommissäre und so weiter gestützt, nur die haben ihrerseits wieder gesagt, sie konnten auch nicht im Detail reinschauen, der Wirtschaftsprüfer hat das gesagt, die Staatskommissäre haben das gesagt, die OeNB hat auch gesagt, dass sie nicht im Detail reinschauen konnte und deshalb konnte die FMA auch nicht im Detail reinschauen. Niemand konnte im Detail reinschauen und das haben die Vorstände, die hier waren, Traumüller und Pribil, auch gesagt, dass sie sich auf das verlassen mussten, was man ihnen von allen möglichen Seiten gesagt hat.

So wie Sie es sagen, man konnte den Vorstand vorladen, aber wenn der Vorstand einen „deppert“ sterben ließ, konnte man nichts tun und das war das Problem bis 2007. Und da hat man nichts dagegen getan, obwohl die Vorstände immer wieder bei der Politik versucht haben, mehr Rechte zu erwirken, ist da nichts passiert. Und da ist jetzt die Frage, weil Sie gesagt haben, es sind Fehler passiert: Kann man diese Fehler auch Ihnen zurechnen?

Dr. Wolfgang Schüssel: Das steht Ihnen frei, das zu machen, nur der Kern ...

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ich will wissen, was Sie dazu sagen.

Dr. Wolfgang Schüssel: Nein, es steht Ihnen frei und ich darf meine Antwort so formulieren, wie ich das möchte. Darf ich das?

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ja.

Dr. Wolfgang Schüssel: Danke.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Jederzeit.

Dr. Wolfgang Schüssel: Na fein. Das heißt: Erstens einmal sitze ich selber in einem Präsidium von einer großen Firma, also bitte: Mir zu erzählen, dass der Aufsichtsrat nicht reinschauen kann, dass die Wirtschaftsprüfer nicht reinschauen können … Es gibt einen Kontrollausschuss bei einem großen Industriebetrieb, der alles genau anschaut, jedes Risiko, ganz genau überprüft. Wenn die sagen, die haben nicht hineingeschaut, dann haben sie nicht hineingeschaut, aber nicht weil sie nicht durften, sondern weil sie es nicht gemacht haben. Also mit Verlaub gesagt, Sie können …

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Stimmt nicht.

Dr. Wolfgang Schüssel: Was ist denn sonst ab 2007 auf einmal anders? Sie sind ja wiederum gestützt auf bestimmte Vorberichte und Vorinformation, das ist ja logisch. Und wenn man sich nicht interessiert oder wenn man die Dinge nicht liest oder nicht richtig interpretiert, dann kommen eben solche Dinge zustande. Das werden Sie nie ausschalten. Meiner Meinung nach liegt hier wirklich ein Organversagen vor, dass alle trifft.

Zu allererst noch einmal Wirtschaftsprüfer, Aufsichtsrat, dann auch die anderen Prüfer, aber das hängt nicht von den Gesetzen und den Instrumenten ab, die man hat, die sind schon okay.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Warum haben dann Traumüller und Pribil immer wieder gesagt, dass sie eben nicht mit ausreichend Kompetenzen ausgestattet waren und erst ab 2007 hier einschreiten konnten? Und viele haben auch gesagt, dass jetzt so etwas nicht mehr passieren könnte, weil die FMA mittlerweile mehr Möglichkeiten hat, Dinge abzustellen. Das ist jetzt besser, hat es geheißen, also war es früher schlechter, und die Frage ist, warum es früher schlechter war. Und hat man das von Ihrer Seite oder vielleicht auch vonseiten des Finanzministeriums nicht erkannt?

Und Sie haben ja gesagt, es sind Fehler passiert. Können Sie das ein bisschen ausführen? Wer hat Fehler gemacht? Ganz konkret.

Dr. Wolfgang Schüssel: Aber das ist ja so eine allgemeine Frage, die bringt nichts.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Doch, sie bringt sehr viel. Wir wollen hier die politische Verantwortung klären.

Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, sicher. Aber die politische Verantwortung besteht darin, dass man erstens einmal die richtigen Institutionen schafft. Das haben wir gemacht: mit der FMA, mit der OeNB. Übrigens ist die Besetzung in der OeNB, vor allem Liebscher, lange vor meiner Zeit geschehen. Und er hat es meiner Meinung nach ausgezeichnet gemacht, übrigens auch Christl.

Christl ist dann politisch nicht genehm gewesen, aber von der sachlichen Arbeit her war der Vorstand, der Direktor Christl, absolut in Ordnung, das darf man nicht … (Abg. Kogler: Als Volkswirt, aber nicht als Bankenaufseher! Der hat doch katastrophal versagt!) Aber, Entschuldigung, trotzdem …

Vorsitzende Doris Bures: Herr Abgeordneter Kogler …

Dr. Wolfgang Schüssel: Es hat auch vor Christl schon Notenbankprüfungen gegeben, die vom Rechnungshof sehr zerzaust worden sind, also tun Sie nicht immer alles politisch zuspitzen. Ich glaube, dass jeder von denen das zumindest nach seinem besten Wissen und Gewissen gemacht hat. Allerdings nicht gut genug, das muss man auch sehen.

Und ich glaube einfach, das, was nicht passieren kann, ist zum Beispiel jetzt diese Bewertung der Swapgeschichten, das muss jetzt Mark-to-Market sofort abgeschrieben werden. Das war vorher eine etwas vage Geschichte. Ich glaube, es war auch damals nicht zulässig, aber darauf hat sich jedenfalls der Hypo-Vorstand bezogen und auch der Landeshauptmann von Kärnten.

Das ist mittlerweile geklärt, das ist auch richtig so, das in jedem Moment korrekt zu bewerten, weil du nur so eine Transparenz hast, sonst kannst du das alles verschleiern.

Vorsitzende Doris Bures: Damit gelangen wir zur sechsten Fragerunde.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Ich bin natürlich geneigt, mir das jetzt noch ein Stunde anzuhören, das ist natürlich überhaupt keine Frage. Ich möchte aber doch – und es steht auch mir zu, ein Statement abgeben –, ich möchte doch noch einmal in Erinnerung rufen, Herr Kollege Lugar: Erstens einmal wurde die FMA hier im Haus im Jahr 2001 beschlossen und im Jahr 2002 dann einstimmig beschlossen. (Abg. Kogler: Aber nicht Traumüller!) – Darum geht es ja nicht, Herr Kollege Kogler, du kannst dich ja gerne zu Wort melden, aber ich möchte ja nur sagen: Das ist eine gesetzliche Regelung. Auch Kollege Kogler hat schon seinerzeit in seiner Rede am 5. Juli 2001 seiner Fraktion empfohlen, dem Ganzen zuzustimmen. Ich darf vielleicht zitieren, dass er es auch gut gefunden hat, dass die Nationalbank nach wie vor in dieser Bankenaufsicht vertreten ist, und dass er das als gutes Konstrukt gefunden hat. Kollege Kogler, da wirst du mir ja zustimmen. (Abg. Kogler nickt zustimmend.)

Und dazu, dass der eine oder andere Bericht der Nationalbank, der negative Bericht oder der extrem kritische Bericht seitens der FMA keine Konsequenzen gefunden hat, wie beispielsweise einen Entzug der Bankenlizenz, dazu haben wir ja da im Untersuchungsausschuss bereits all diejenigen, die dafür zuständig sind, befragt.

Aber ich möchte schon eines sagen, weil der Kollege Lugar immer sagt, die FMA hätte die eine oder andere Kompetenz nicht gehabt: Ich erinnere daran, dass – als seitens der Wirtschaftsprüfer das Testat zurückgezogen worden ist – sehr wohl die FMA bestimmt hat, wie diese sogenannten Swapverluste bilanziert werden müssen. Und die FMA hat sich hier durchgesetzt.

Das heißt, die FMA hat sehr wohl die Konsequenzen gezogen. Wäre das nämlich nicht der Fall gewesen, dann hätte man so gehandelt, wie die Bank das vorgeschlagen hat und wie auch beispielsweise die CONFIDA das vorgeschlagen hat, nämlich die Verluste, diese sogenannten Swapverluste, auf zehn Jahre zu verteilen.

Und ich glaube, das muss man zurechtrücken, um diese Im-Kreis-Befragerei irgendwann einmal zu beenden, lieber Kollege Lugar, denn du tust ja gerade so, als wäre die Regierung, die im Jahr 2001 beziehungsweise im Jahr 2002 die FMA gegründet hat, schuld daran, dass das Hypo-Desaster aufgekommen ist.

Also, Kollege Lugar, es ist weit hergeholt, wenn du keine anderen Fragen hast, dann tut es mir leid, dann bist du schlecht vorbereitet, aber im Übrigen kann man nur sagen, dass die FMA sehr wohl  Wir haben ja auch gehört, warum sie der Hypo die Bankenlizenz nicht entzogen hat: Weil das natürlich auch andere Konsequenzen für die Einleger gehabt hätte.

Das heißt, ich bin auch der Meinung, dass die Bankenaufsicht komplett versagt hat, aber das ist ja auch der Grund, dass nach dem Banken-Untersuchungsausschuss im Jahr 2007 etwas passiert ist. Und ich hoffe, dass es nach diesem Untersuchungsausschuss sehr wohl auch wieder in der Bankenaufsicht – was die Staatskommissäre betrifft, aber insgesamt die Bankenaufsicht  zu einer Gesetzesänderung kommen wird, damit wir nämlich solche Dinge, wie sie hier passiert sind, wirklich nicht mehr erleben.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH) (zur Geschäftsbehandlung): Das war eindeutig eine falsche Aussage: Die CONFIDA hat niemals gesagt und niemals vorgeschlagen, dass auf zehn Jahre verteilt wird. Das war die Idee der Bank. Die CONFIDA hat von Rückdatierungen und diesen Dingen gesprochen und diese Dinge vorgeschlagen, dass man das Ganze vertuscht und in der 2005er-Bilanz unterbringt, aber die Zehnjahresverteilung war nie ein Thema der CONFIDA.

Vorsitzende Doris Bures: Das war jetzt keine Geschäftsordnungswortmeldung, aber ich nehme Sie wieder auf die Liste.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Kollegin Tamandl hat mich an eine Frage erinnert, die ich tatsächlich vergessen habe. Herr Dr. Cap, der Klubobmann der Sozialdemokraten im Jahr 2007, als Sie es auch noch waren, hat ja mehrmals gesagt, dass es damals Druck einerseits vom Raiffeisensektor gab, aber andererseits von der ÖVP, die ja den Bankenuntersuchungsausschuss nie wollte, vom ersten Tag an nicht. Der Chef von Raiffeisen wollte sogar die einzelnen Abgeordneten klagen, die diesen Ausschuss eingebracht haben. Aber das ist sich ja dann doch nicht ganz ausgegangen.

Aber zum Ende dieses Untersuchungsausschusses: Haben Sie mit Herrn Klubobmann Cap einmal während des laufenden Ausschusses über die Arbeit gesprochen und darüber, wann er auf welche Weise beendet werden sollte?

Dr. Wolfgang Schüssel: Ist das jetzt Untersuchungsgegenstand?

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Das finde ich schon, ich kann es auch selber begründen: Wir untersuchen ja, ob …

Dr. Wolfgang Schüssel: Seine Frage war (in Richtung der Vorsitzenden Bures), ob ich seinerzeit im Jahr 2007 (Abg. Kogler: Als Klubobmann!) mit dem damaligen SPÖ-Klubobmann Cap über die Beendigung eines anderen Untersuchungsausschusses geredet habe, und daher war meine Frage, ob das eigentlich eine Frage ist, die vom Untersuchungsgegenstand hier abgedeckt ist.

Verfahrensrichter Dr. Walter Pilgermair: Das betrifft sicher nicht den Untersuchungsgegenstand.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Entschuldigung, ich nehme mein Wortmeldungsrecht weiter in Anspruch. Wir untersuchen das staatliche Handeln, im Übrigen gar nicht so sehr das einzelne Hypo-Geschäft, was wir aber gerne machen, weil wir ja dann wissen, wo die Aufsicht versagt hat, wenn man sich das Banktreiben anschaut. Zum staatlichen Handeln gehört es aber doch auch, wenn sich die Republik und das Parlament einen Untersuchungsausschuss geben.

Und dann ist es darum gegangen – und das war lange ein politisches Thema –, dass dieser Ausschuss zuerst gar nie gewünscht wurde, dann auch noch hinuntergedodelt und am Schluss unsanft beendet worden ist.

Und ich weise noch einmal darauf hin, dass Dr. Cap immer wieder gesagt hat, der Druck ist einerseits vom Raiffeisensektor – nicht von der Hypo, im Übrigen –, andererseits von der ÖVP so groß, dass es jetzt nicht mehr geht. Wir haben den ja mit einer rot-grün-blauen Mehrheit eingesetzt, das war dann die Konsequenz. Und aus meiner Sicht ist das 1 : 1 zum Untersuchungsgegenstand gehörig, weil ja das Bilden und in dem Fall das Abwürgen eines Untersuchungsausschusses selbstverständlich etwas mit der Aufsicht zu tun haben. Im Übrigen ist er genau dann abgedreht worden, als wir bei der Hypo waren – und das ist der logische Folgeausschuss davon –, und hätte man den damals nicht abgedreht, hätten wir uns später viel erspart. Genau deshalb frage ich ja auch!

Vorsitzende Doris Bures: Ich schließe mich der Meinung des Verfahrensrichters an. (Abg. Kogler: Ja ich habe eh noch was anderes auch!) Wollen Sie noch? (Abg. Kogler: Ja!) Bitte, Sie haben noch eine knappe Minute.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Das andere betrifft wieder ein Resümee. Die FMA-Konstruktion war natürlich immer eine quasi nicht so starke Sache. Der Punkt ist nur, dass auch die Griss-Kommission feststellt, dass damals – das ist da noch nicht eingebracht worden – auch zwischen 2002 und 2007 wesentlich mehr Instrumente zur Verfügung gestanden sind, um einzuschreiten, sie kritisiert, dass das nicht passiert ist. Da sind wir uns eh einer Meinung.

Ich möchte nur noch einmal festhalten, dass wir ja dann hier einerseits von Christl und andererseits von Liebscher gehört haben, dass sie sich um die Hypo-Berichte gar nicht gekümmert haben. Und Liebscher sagt ja sogar implizit, er hat sich für die Hypo-Berichte ja nicht einmal interessiert. Das war der Zustand der Aufsicht, obwohl überall schon die Granaten eingeschlagen haben.

Und als Letztes – auch 2006, weil wir uns da nicht einig waren: Sie haben sich in Kärnten engagiert, haben Sie gesagt. Wir haben uns auch engagiert, Rolf Holub und ich. 2004 bis 2006 war schon klar, dass die Swapverluste nicht das Einzige sind und dass wir – ich sagte es schon – auf der anderen Seite der Bilanz mit den Entwicklungen, mit erstens den windigsten Geschäftspartnern und zweitens in ganz anderer Dimension, in eine Schieflage geraten, die nicht mehr einzufangen ist. Und die Aufsicht hat die Informationen gehabt und hat weggeschaut. Und die Regierung hätte sich auch darum kümmern können, weil damals schon bekannt war, dass diese ganzen Kreditprojekte den Bach hinuntergehen 

Vorsitzende Doris Bures: Redezeit, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Und das nicht erst 2007 oder 2010 oder jetzt.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Dass die Frau Tamandl sich da schützend vor den – nach ihren Aussagen – erfolgreichsten Kanzler aller Zeiten stellt, ist aus meiner Sicht nachvollziehbar.

Dr. Wolfgang Schüssel: Danke.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ja, sie sieht das anscheinend so, das ist Frau Tamandl auch unbenommen. Die Frage ist aber immer – und die sollen wir uns im Ausschuss auch stellen: Wer hat die politische Verantwortung? Und wenn ein Kanzler hier ist, der von 2000 bis 2007 die politische Verantwortung für ganz Österreich hatte, dann muss die Frage zulässig sein: Ist die Verantwortung auch wahrgenommen worden? Wir finden hier eine Situation vor, wo die FMA-Vorstände einhellig sagen, sie konnten aufgrund dessen, dass man sie mit zu wenig Rechten und Möglichkeiten ausgestattet hat, nicht eingreifen und das verhindern, wo die Wirtschaftsprüfer sagen, auch sie konnten nicht im Detail prüfen, sie mussten sich auf das verlassen, was der Vorstand sagt – auch das ist O-Ton –, wo die OeNB sagt, sie konnte aufgrund dieser weitläufigen Konstrukte und der Möglichkeiten, die die Bank hatte, Dinge zu verschleiern, auch nicht in Details reinschauen – zwar kritische Anmerkungen machen, aber die ganzen Konstrukte bis nach Liechtenstein nicht durchschauen , und wo die Staatskommissäre aufgrund ihrer Ausstattung und aufgrund der Konstruktion auch nicht genau hinschauen konnten – auch das haben die Staatskommissäre hier wieder ausgesagt.

Das heißt, alle, die ich hier genannt habe, haben ausgesagt, dass sie aufgrund der gesetzlichen, aufgrund der sonstigen Umstände nicht handeln konnten. Dann bleibt die Frage im Raum: Warum ist dieses Debakel passiert und wer hat die politische Verantwortung? Und da bleibt dann nur noch die einzige Frage zu stellen: Ist es ein Versagen der Regierung oder hat man bewusst weggeschaut, um jemanden – vielleicht das Land Kärnten – zu begünstigen? Das ist die zentrale Frage, und die musste ich heute stellen. Wenn Sie darauf keine Antwort geben wollen, kann ich das nachvollziehen, aber ich glaube, die Frage ist legitim.

Dr. Wolfgang Schüssel: Jede Frage ist legitim. Aber ich habe Ihnen ja ganz am Anfang gesagt, ich hätte überhaupt keinen Grund gehabt, den Landeshauptmann von Kärnten, der mich öffentlich beschimpft hat …

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): 2000 bis 2002 nicht!

Dr. Wolfgang Schüssel: 2003 bis 2006 (Abg. Lugar: Ja eben!) hat er mich beschimpft, dass ich sozusagen Verrat begangen habe und das auf Heller und Pfennig bitter bezahlen werde müssen. Warum soll ich bitte den Landeshauptmann von Kärnten, Haider, um Gottes Willen schützen? Also das ist absurd, allein der Gedanke!

Aber noch einmal: Wenn alle sozusagen nicht prüfen können, was ist dann bitte seit 2007 anders? Was ist da anders? Es ist nämlich nichts anders. Es muss jedes Organ nach wie vor die Möglichkeiten zur Kontrolle nützen. Wenn sie das nicht machen – weil sie nicht wollen oder können –, dann haben Sie die gleiche Situation wie jetzt. Und da wird wieder irgendwer schuld sein müssen, das ist eh gar keine Frage. Die Schuldfrage können Sie definieren, aber ich glaube, dass die Möglichkeiten auch vor 2007 durchaus gegeben gewesen wären oder jedenfalls auch nachher noch. Nicht bei den Bayern, das ist dann eine zweite Geschichte. Die hätten dann die Verantwortung selber wahrnehmen müssen, in den Organen. Aber vorher sind zu allererst einmal die Organe verantwortlich. Ich glaube nicht, dass die Instrumente im Gesetz das Problem oder das Hindernis gewesen sind.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Das ist ja hochinteressant, Herr Dr. Schüssel. Vorher haben Sie gesagt, Sie haben sich im Detail damit nicht auseinandergesetzt. Und jetzt wissen Sie besser als beide Vorstände der FMA, welche Möglichkeiten sie vor 2007 hatten. Wenn beide Vorstände hier sagen, dass erst ab 2007 die Möglichkeiten geschaffen wurden, dann weiß ich nicht, warum die das anscheinend weniger gut wissen als Sie, wo Sie sich doch sozusagen nicht im Detail damit beschäftigt haben.

Dr. Wolfgang Schüssel: Noch einmal: Was ist jetzt konkret anders? Was kann die FMA jetzt dramatisch anders machen als vorher? Sagen Sie mir das!

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Das müssen Sie die Vorstände fragen, die hier gesessen sind und genau …

Dr. Wolfgang Schüssel: Das müssen ja Sie die Vorstände fragen, nicht mich, um Gottes Willen.

Verfahrensanwalt Dr. Bruno Binder: Herr Abgeordneter, das ist ein undifferenzierter Einwand. Wenn wir den Griss-Bericht lesen, dann wird dort ausdrücklich festgehalten  anders als es die Vorstände sagen , dass schon vor 2007 die Möglichkeit bestanden hätte, einzugreifen. Und das hat doch auch ein gewisses Gewicht. Wir wollen das vielleicht nicht werten, wer da recht hat, der Griss-Bericht oder die Vorstände. Aber so eindeutig, wie Sie das sagen, ist es sicherlich nicht. Und Sie sollten die Meinung des Herrn Dr. Schüssel eben zur Kenntnis nehmen. Er meint auch – so wie der Griss-Bericht –, dass dies vorher genauso oder zumindest in einer ähnlichen Weise möglich gewesen wäre.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ich habe ja nur zitiert, was die Vorstände gesagt haben, ich habe das ja nicht gewertet. Ich habe nur Herrn Dr. Schüssel mit den Aussagen der Vorstände konfrontiert und gegenübergestellt, dass er es anscheinend besser weiß als die Vorstände. Das war das Einzige, was ich gemacht habe.

Dr. Wolfgang Schüssel: Das habe ich aber nicht gesagt. Ich weiß nichts besser. Ich habe nur meine Meinung gesagt.

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Gut, ich glaube, das können wir damit belassen.

Vorsitzende Doris Bures: Danke vielmals. Mir liegen dazu keine Wortmeldungen mehr vor. Ich frage Sie, Herr Dr. Pilgermair, haben Sie abschließend noch ergänzende Fragen an Herrn Dr. Schüssel? (Der Verfahrensrichter verneint dies.) – Danke. Dann haben wir keine weiteren Fragen.

Dr. Wolfgang Schüssel: Aber ich bedanke mich sehr herzlich.

Vorsitzende Doris Bures: Ich bedanke mich. Ich erkläre die Befragung für beendet.

Ich bedanke mich, Herr Dr. Wolfgang Schüssel, bei Ihnen für Ihr Erscheinen vor dem Untersuchungsausschuss.



[1] „glaube ich“ - bitte streichen“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt. 

 

[2] Nach „Geldinstituten“ -  bitte einen Beistrich setzen“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde angenommen. 

 

[3] „Für mich war klarerweise …“ - bitte streichen“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt. 

 

[4] „glaube ich“ - bitte streichen“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt. 

 

[5] „das war ein Zufall“ - einmal bitte streichen“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt. 

[6] „Das  wäre auch sehr komisch gewesen“ - bitte streichen“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt. 

 

[7] „wo soll das …“ - bitte streichen“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt. 

 

[8] „sachliche bitte unter - „sachliche“ – setzen“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt. 

 

[9] Aus „Gesch…“ - bitte ersetzen durch Geschäfte

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt. 

 

[10]bei diesem Gespräch, das weiß ich aber nicht mehr genau …“ - bitte streichen“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt. 

 

[11] Nach „natürlich“ - bitte strecken einfügen“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt. 

 

[12] „Schauen“ - bitte durch Warten ersetzen

dass wir ….“ - bitte streichen“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt. 

[13] Nach „Höhe …“ - bitte verzeichneten einfügen“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt. 

 

[14]eigentlich“ - bitte streichen“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt. 

 

[15]Sie können zum Beispiel Bilanz …., Entschuldigung,“ - bitte streichen.“

Anmerkung: Diese Einwendung wurde abgelehnt.