"Warum
lebst du noch?" Das ist die zutiefst unmenschliche Frage, die durch die
direkte Tötung eines Menschen an alle gestellt wird, die nach diesem
"Fall" in einer ähnlichen Leidens- und Krankheitssituation sind.
Dieser dadurch aufgebaute Druck, dass andere in meiner Situation ihrem Leben
ein Ende haben setzen lassen, zerstört den sozialen Zusammenhalt in
unserer Gesellschaft. Euthanasie ist asozial.
Wer für die Tötung Schwerkranker eintritt, führt zumeist zwei
Argumente an: "Freiheit" und "Mitleid".
1) Die erste Argumentationskette betont die Freiheit des Kranken, selbst zu
entscheiden. Gerade aber in einer todernsten Fragestellung soll ein Mitmensch,
allein gelassen von der Gesellschaft, werden: "Mach, was du willst"
hat als dunkle Schattenseite ein: "Geht mich nichts an, was du
machst!" In dieser Notsituation ist es ein wichtiges Signal der
Gesellschaft an den Kranken, deutlich positiv zum Kranken eingestellt zu sagen:
"Wir bejahen dich, deshalb bejahen wir dein Leben, das Grundlage für
deine Freiheit ist!" Euthanasie beseitigt die Freiheit.
2) Die zweite Argumentationskette stellt das Leiden des Erkrankten in den
Mittelpunkt. Das ist zunächst ein Widerspruch zum vorherigen Argument:
Gerade in seiner schmerzvollen Leidsituation wird der Erkrankte mit einer
Freiheitsentscheidung überfordert. Aber auch "Mitleid" allein
übersieht, dass Mitleid zweierlei heißen kann: Das Mitleiden mit dem
Leidenden in der Hoffnung, das Leid abzuwenden, und mit dem Leiden den Lebensweg
bis zu Ende mitzugehen, so dass darin Hoffnung aufleuchtet - das ist das echte
Mitleid. Das falsche Mitleid ist es, statt des Leids den Leidenden zu
beseitigen - zum Teil, weil wir als Gesellschaft mit dem Leid nicht mehr
umgehen können. Euthanasie zerstört die Solidarität mit den
Leidenden und Kranken und Alten.
3) Wirtschaftlich versierte Euthanasiebefürworter können auf die
großen Gesundheitskosten verweisen. Statistisch gesehen verbraucht ein
Mensch in seinem letzten halben Lebensjahr die Hälfte seiner gesamten
Krankenkassenkosten. Das Leben von Menschen zur Sanierung der Krankenkassen zu
missbrauchen, ist ein gefährlicher Weg in die Ökonomisierung des
Menschen.
Die durch die Euthanasie aufgeworfenen Fragen betreffen somit die existentielle
Verfassung des Menschen, nicht nur des Staates Österreich. Ein
Euthanasieverbot wäre nicht nur ein klares Bekenntnis des Staates
Österreich, zu den Leidenden, Alten und Kranken zu stehen. Es wäre
auch ein klares anti-nationalsozialistisches Zeichen, jede Form der Euthanasie
aus Österreich zu entfernen. Wir sollten aus der Geschichte lernen und mit
dem weiteren Ausbau der Palliativmedizin der Welt zeigen, dass es einen
menschenwürdigen Umgang mit Menschen gibt, die leiden, altern oder schwer
krank sind. Das ist eine Frage der Menschlichkeit, diesen Menschen als
Gesellschaft zu signalisieren: "Es ist gut, dass es dich gibt!"
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Dr. Benedikt J. MICHAL
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