Entwurf (Stand 19.3.2014-v2)

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Erklärtes Ziel des GesRÄG 2011 war es, der Kritik internationaler Organisationen – insbesondere der Financial Action Task Force (FATF), die sich mit der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung beschäftigt – an den österreichischen gesetzlichen Regelungen zur Inhaberaktie Rechnung zu tragen. Um intransparente Beteiligungen zu verhindern, ist diese Aktienart inzwischen nur mehr bei börsenotierten Aktiengesellschaften und überdies nur in der Form einer Globalurkunde zulässig, während sonstige Gesellschaften ausschließlich Namensaktien ausgeben dürfen.

Für die somit in zahlreichen Aktiengesellschaften erforderliche Umstellung auf Namensaktien wählte der Gesetzgeber den Weg, den Gesellschaften ausreichend Zeit zu geben, die Aktienart (durch eine Satzungsänderung sowie Umtausch bzw. Kraftloserklärung der bisherigen Aktienurkunden) freiwillig zu ändern. Mit dem Ablauf der Umstellungsfrist – also mit Jahresbeginn 2014 – kam es jedoch auch in jenen Gesellschaften, die ihre Inhaberaktien beibehalten haben, zu einer automatischen Umstellung, indem unzulässige Inhaberaktien seither als Namensaktien gelten.

Bei der Evaluierung der neuen Rechtslage durch zwei Unterorganisationen der OECD (Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes, Arbeitsgruppe für Bestechungsfragen im internationalen Geschäftsverkehr) zeigte sich jedoch, dass für das System einer freiwilligen Umstellungsmöglichkeit sowie der ansonsten eintretenden automatischen Umstellung wenig Verständnis besteht. Kritisiert wurde vor allem das Fehlen unmittelbarer Sanktionen für Gesellschaften, die von einer freiwilligen Umstellung Abstand genommen haben. Diese Kritik konnte auch nicht durch den Hinweis entkräftet werden, dass die automatische Umstellung effektiver ist als Sanktionen, mit denen auf die gewünschte Umstellung bloß mittelbar hingewirkt werden kann.

Um diesen Kritikpunkt an der österreichischen Rechtslage zu beseitigen erscheint es geboten, nunmehr die von den genannten internationalen Organisationen als notwendig erachteten Sanktionen gesetzlich vorzusehen. Diese müssen sowohl die Gesellschaftsorgane, als auch gegen die Aktionäre treffen, wenn sie ihre Handlungspflichten bzw. Mitwirkungsobliegenheiten verletzten. Als Sanktion gegen den Vorstand, der seiner gesetzlichen Pflicht zur ordnungsgemäßen Führung des Aktienbuchs nach § 61 Abs. 1 AktG nicht nachkommt, bietet sich eine Zwangsstrafe nach § 258 Abs. 1 AktG an. Für mit dem Umtausch ihrer Aktien säumige Aktionäre soll die Konsequenz zum einen darin bestehen, dass die Urkunden über ihre Inhaberaktien gesetzlich für kraftlos erklärt werden (vgl. den vorgeschlagenen § 262 Abs. 33 AktG). Zum anderen sollen die Aktionäre ihre Dividendenansprüche für die Vergangenheit verlieren, wenn sie ihre Namensaktien nicht rechtzeitig im Aktienbuch eintragen lassen (vgl. den vorgeschlagenen § 61 Abs. 5 AktG).

Schließlich soll die nunmehrige Novellierung des AktG zum Anlass genommen werden, auch für jene (drei) Gesellschaften, die erst innerhalb der Übergangsfrist bis Ende 2013 in den Handel am Dritten Markt der Wiener Börse einbezogen wurden, dadurch Rechtssicherheit zu schaffen, dass auch sie von der Verpflichtung zur Umstellung auf Namensaktien ausgenommen werden (vgl. dazu die vorgeschlagene Ergänzung des § 262 Abs. 30 AktG).

Im Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) sollen insbesondere eine weitere Modernisierung der elektronischen Verlautbarungen im Intranet und allfällige organisatorische Klarstellungen erfolgen.

Im Justizbetreuungsagentur-Gesetz (JBA‑G) sind Anpassungen und Klarstellungen zu den diversen Geschäfts- und Aufgabenbereichen der Justizbetreuungsagentur sowie rechtliche Klarstellungen in Bezug auf die jeweils zum Tragen kommenden Rechtsvorschriften vorgesehen.

Mit den im Bereich der Rechtsanwaltsordnung vorgeschlagenen Änderungen soll der mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11.6.2013, G 31-33/13-9, V20-28/2013-9, ausgesprochenen Aufhebung einer Wortfolge in § 24 Abs. 3 RAO Rechnung getragen und eine verfassungskonforme Nachfolgeregelung getroffen werden.

Besonderer Teil

Zu Art. X1 (Änderung des Aktiengesetzes – AktG):

Zu Art. X1 Z 1 (§ 61 AktG):

Personen, die sich nach der Umstellung von Inhaber- auf Namensaktien oder nach einem Erwerb von Namensaktien nicht im Aktienbuch eintragen lassen, können keine Aktionärsrechte ausüben; insbesondere können sie nicht stimmberechtigt an der Hauptversammlung teilnehmen und erhalten keine Dividenden. Seitens des Global Forum der OECD wurde an den Regelungen des GesRÄG 2011 zur Namensaktie dennoch kritisiert, dass solche Personen keine ausreichend abschreckenden Sanktionen zu gewärtigen hätten, weil sie sich auch (möglicherweise erst Jahre) später im Aktienbuch eintragen lassen können.

Durch die verspätete Eintragung – die aus verfassungsrechtlichen Erwägungen (Grundrecht auf Eigentum) nicht verwehrt werden kann – erleiden die Aktionäre insofern bereits jetzt einen Nachteil, als sie ihre Mitwirkungsrechte in früheren Hauptversammlungen nicht nachträglich ausüben können. In vermögensrechtlicher Hinsicht trifft sie allerdings nur dann ein Schaden, wenn ihr Anspruch auf Dividendenzahlungen aus früheren Geschäftsjahren bereits verjährt ist. Diesbezüglich findet sich in vielen Satzungen eine dreijährige Verjährungsfrist; ansonsten tritt die Verjährung erst nach 30 Jahren ein. Dividendenansprüche konnten bisher also auch rückwirkend geltend gemacht werden, sofern sie noch nicht verjährt waren.

Um auch einen starken vermögensrechtlichen Anreiz für Aktionäre zu einer ehestmöglichen Eintragung ihrer Namensaktien im Aktienbuch zu schaffen, soll für solche Fälle eine sehr kurze gesetzliche Präklusivfrist normiert werden: Dividendenansprüche sollen mit Ablauf des Geschäftsjahres verfallen, in dem die Hauptversammlung den Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns gefasst hat.

Zu Art. X1 Z 2 (§ 258 AktG):

Die in § 61 Abs. 1 AktG geregelte Führung des Aktienbuchs obliegt dem Vorstand. Angesichts der mit Beginn des Jahres 2014 gestiegenen praktischen Bedeutung des Aktienbuchs und diesbezüglicher Forderungen internationaler Organisationen soll diese Verpflichtung – wie eine Reihe weiterer in § 258 Abs. 1 AktG angeführter Verhaltenspflichten – nunmehr vom Firmenbuchgericht mit Zwangsstrafe gegen die einzelnen Vorstandsmitglieder durchgesetzt werden können.

Dieser Strafe unterliegen – abgesehen vom gänzlichen Unterlassen der Führung eines Aktienbuchs – nur wesentliche und systematische Unrichtigkeiten, nicht aber bloße Versehen bei einzelnen Eintragungen. Überhaupt keine dem Vorstand anzulastende Verletzung des § 61 Abs. 1 AktG liegt dann vor, wenn das Aktienbuch deshalb unvollständig oder sachlich unrichtig ist, weil manche Aktionäre ihrer Mitteilungsobliegenheit (vgl. dazu auch § 61 Abs. 3 AktG) nicht nachgekommen sind bzw. falsche Angaben gemacht haben. Da das Zwangsstrafverfahren nach § 258 Abs. 1 AktG nach den Vorschriften des § 24 FBG zu führen ist, werden die Vorstandsmitglieder in aller Regel auch die Möglichkeit haben, sich aufgrund einer bloßen Androhung einer Zwangsstrafe (vgl. § 24 Abs. 3 FBG) zu einem angeblichen Verstoß zu äußern, bevor die Strafe tatsächlich verhängt wird.

Zu Art. X1 Z 3 (§ 262 AktG):

Zu Abs. 30:

Zwischen dem Inkrafttreten des GesRÄG 2011 am 1. August 2011 und dem Ende der darin für nicht börsenotierte Gesellschaften festgelegten Umstellungsfrist auf Namensaktien am 1. Jänner 2014 sind zusätzlich zu den seinerzeit bereits am Dritten Markt gehandelten 23 Gesellschaften weitere drei Gesellschaften in den Handel am Dritten Markt aufgenommen worden, bei denen praktische Probleme im Zusammenhang mit der an sich vorgeschriebenen Umstellung auf Namensaktien auftraten.

Um für diese drei Gesellschaften und ihre Aktionäre Rechtssicherheit zu schaffen, soll die Übergangsvorschrift des § 262 Abs. 30 AktG auf sie ausgeweitet werden. Auch diese Gesellschaften dürfen ihre Inhaberaktien freilich nur unter der Voraussetzung beibehalten, dass die Aktien in einer Sammelurkunde verbrieft sind, die bei einer Wertpapiersammelbank hinterlegt wird (vgl. § 10 Abs. 2 AktG).

Zu Abs. 32:

Damit die österreichische Rechtslage den internationalen Standards entspricht, sollen diese Regelungen grundsätzlich so bald wie möglich in Kraft treten. Da es sich um neue Sanktionen handelt, ist den Betroffenen aber noch ausreichend Zeit zu gewähren, um sich gesetzeskonform zu verhalten. Im Hinblick auf die dafür mitunter erforderlichen längeren Vorlaufzeiten erscheint ein Inkrafttreten mit 1. Oktober 2014 angebracht.

Zu Abs. 33:

Durch eine entsprechende Bestimmung soll – wenngleich das bereits aus der Systematik des GesRÄG 2011 ableitbar ist – ausdrücklich angeordnet werden, dass ausgegebene Urkunden über Inhaberaktien und Zwischenscheine automatisch kraftlos werden, wenn sie nach dem GesRÄG 2011 bzw. auf dessen Grundlage erlassener Satzungsänderungen nicht mehr zulässig sind. Diese gesetzliche Kraftloserklärung soll ebenfalls mit 1. Oktober 2014 eintreten.

Für kraftlos erklärte Aktienurkunden können nicht mehr gehandelt werden; außerdem kann der Inhaber dieser Aktien keine Aktionärsrechte ausüben, bis er im Aktienbuch eingetragen wird. Zusammen mit der in § 61 Abs. 5 AktG vorgeschlagenen Verfallsregelung für Dividendenansprüche aus früheren Geschäftsjahren (siehe dort) haben Aktionäre, die sich vorerst nicht im Aktienbuch eintragen lassen, in Hinkunft somit zahlreiche negative Rechtsfolgen zu gewärtigen. Es ist daher auch seitens der Aktionäre mit einer (noch) höheren Befolgungsquote der Vorschriften über die Eintragung im Aktienbuch zu rechnen.

 

Zu Art. X2 (Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes – GOG):

Zu Art. X2 Z 1 (§ 23 GOG)

Die bisherige Regelung zur Übersicht über die Aufteilung der Planstellen für Richterinnen und Richter auf die einzelnen Gerichte (Systemisierungsübersichten) sieht noch eine nicht mehr zeitgemäße Einschaltung im „Amtsblatt der österreichischen Justizverwaltung“ vor. An die Stelle dieser verwaltungsaufwändigen und veralteten Lösung soll nun eine Veröffentlichung im Justiz-Intranet im Sinne der jüngst geschaffenen Bestimmung des § 78d treten. Bei dieser Gelegenheit soll vorgesehen werden, dass künftig auch die Systemisierungsübersichten für den staatsanwaltschaftlichen Bereich eingeschalten werden.

Im Übrigen wird auf die gleichzeitig erfolgenden Anpassungen von § 78d verwiesen.

Zu Art. X2 Z 2 und 3 (§ 78d GOG)

Die jüngst eingeführte und von der Praxis gut angenommene Bestimmung über die Kundmachung von Erlässen im Bereich der Justizbehörden im Wege der Veröffentlichung im Justiz-Intranet soll ausgebaut und künftig vorgesehen werden, dass auch

           1. einer Veröffentlichung im nicht mehr zeitgemäßen und daher obsolet gewordenen ‚Amtsblatt der österreichischen Justizverwaltung‘ oder

           2. einer Vorlage von Geschäftsverteilungen, Geschäftseinteilungen und Geschäftsverteilungsübersichten an die Zentralstelle des Bundesministeriums für Justiz

durch entsprechende Einschaltung im Justiz-Intranet entsprochen wird.

Im Übrigen wird auf die gleichzeitig erfolgenden Anpassungen von § 23 verwiesen.

 

Zu Art. X3 (Änderung des Justizbetreuungsagentur-Gesetzes – JBA‑G):

Zu Art. X3 Z 1 (§ 1 Abs. 1 JBA-G)

Es soll klargestellt werden, dass die Aufgaben der Justizbetreuungsagentur nicht (mehr) auf den Straf- und Maßnahmenvollzug beschränkt sind. Dabei soll der derzeit bestehende Aufgabenbereich der Justizbetreuungsagentur nicht erweitert, sondern nur dem Status quo klarer Ausdruck verliehen werden.

Zu Art. X3 Z 2-4 (§ 2 JBA-G)

Mit dem Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetzes 2013, BGBl. I Nr. 15/2013, wurde der Anwendungsbereich dieses Gesetzes dahingehend erweitert, dass die Justizbetreuungsagentur auch ermächtigt wurde, unter bestimmten Voraussetzungen Verträge über die Bereitstellung von Experten zur Unterstützung der Gerichte in familienrechtlichen Angelegenheiten abzuschließen (siehe § 2 Abs. 5 zweiter Satz JBA-G).

Diese Bestimmung hat sich hervorragend bewährt, weshalb von der Praxis mehrfach angeregt wurde, diese Unterstützungsmöglichkeit auch für die Gerichte und Staatsanwaltschaften in jugendstrafrechtlichen Angelegenheiten durch entsprechende Verstärkung der Jugendgerichtshilfe (siehe den sechsten Abschnitt des Jugendgerichtsgesetzes 1988, BGBl Nr. 599) auszudehnen. Eine Ausdehnung der Jugendgerichtshilfe ist auch im Abschlussbericht des Runden Tischs zur Untersuchungshaft für Jugendliche enthalten. Mit der vorliegenden Erweiterung von § 2 Abs. 5 wird diesem berechtigten Anliegen entsprochen.

Anzumerken ist, dass mit der in § 2 Abs. 5 vorgenommenen Eingrenzung auf den sechsten Abschnitt des JGG (Jugendgerichtshilfe zur Unterstützung der Gerichte und Staatsanwaltschaften) Abgrenzungsschwierigkeiten zum Strafvollzug vermieden werden sollen.

Die vom Rechnungshof hinterfragte unsystematische Befristungsregel des Abs. 5b soll entfallen.

Anlässlich der Erweiterung des Aufgabenbereiches der JBA mit BGBl. I Nr. 137/2009 und BGBl. I Nr. 15/2913 wurde eine Anpassung des § 2 Abs. 7 JBA-G offenbar übersehen. Es ist daher klarzustellen, dass die in dieser Bestimmung normierten Ausnahmen nicht nur für das den Justizanstalten überlassene Personal, sondern für alle Personalbereitstellungsbereiche der JBA gelten.

Zu Art. X3 Z 5 (§ 18 Abs. 5 Z 4 JBA-G)

Aus § 14 JBA-G ergibt sich, dass die Justizbetreuungsagentur wie eine kleine Kapitalgesellschaft im Sinn des § 221 Abs. 1 Unternehmensgesetzbuch zu behandeln ist. Demnach kommt ihr auch die Erleichterung des § 243 Abs. 4 Unternehmensgesetzbuch zu, der kleine Kapitalgesellschaften von der Verpflichtung der Erstellung eines Lageberichts befreit.

Der Zusatz „und des Lageberichts“ in § 18 JBA-G war damit überschießend und wird nun zur Klarstellung gestrichen.

 

Zu Art. X4 (Änderung der Rechtsanwaltsordnung – RAO)

Zu Art. X4 Z 1 (§§ 24 RAO)

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11.6.2013, G 31-33/13-9, V20-28/2013-9, wurde die Wortfolge „; Entsprechendes gilt bei einer im Rahmen einer Plenarversammlung vorgenommenen Abstimmung“ in § 24 Abs. 3 letzter Satz RAO als verfassungswidrig aufgehoben, wobei die Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 2014 in Kraft tritt. Die aufgehobene Regelung sieht vor, dass die nach § 24 Abs. 3 RAO für bestimmte in der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer durchzuführende Wahlen vorgesehene unterschiedliche Stimmgewichtung zwischen Rechtsanwälten einerseits und Rechtsanwaltsanwärtern andererseits auch bei allen der Plenarversammlung zugewiesenen Abstimmungen zum Tragen kommt.

Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs sei eine unterschiedliche Gewichtung der Stimmen und somit ein qualifiziertes Stimm- und Mitspracherecht bei Abstimmungen in der Plenarversammlung im Rahmen des (weiten) rechtspolitischen Gestaltungsraums des Gesetzgebers in der Organisation der nichtterritorialen Selbstverwaltung dann zulässig, wenn die unterschiedliche Gewichtung auf Unterschieden im Tatsächlichen beruht, die mit der jeweiligen Angelegenheit zusammenhängen, und dem aus dem Gleichheitssatz erwachsenden Sachlichkeitsgebot genügt sowie mit dem sich aus Art. 120a und Art. 120c B-VG ergebenden demokratischen Prinzip vereinbar ist. Bei zahlreichen der in § 27 Abs. 1 RAO der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer zugewiesenen Aufgaben sei eine höhere Stimmgewichtung für Rechtsanwälte gegenüber den Rechtsanwaltsanwärtern im Hinblick auf deren unterschiedliche fachliche Qualifikation, unterschiedliche Befugnisse und unterschiedliche Verantwortung sehr wohl sachlich gerechtfertigt, nicht jedoch hinsichtlich sämtlicher zugewiesener Entscheidungsgegenstände. Gerade bei den unmittelbar die Rechtsanwaltsanwärter betreffenden Regelungen der Umlagenordnung (über die gemeinsame Versorgungseinrichtung) und der Beitragsordnung (etwa über den Beitrag der Rechtsanwaltsanwärter zur Prämie für die Unfallversicherung) sei keine sachliche Rechtfertigung für die (auch für diese Fälle geltende) unterschiedliche Stimmgewichtung zu finden. Damit erweise sich die Regelung aber als verfassungswidrig, weil mit ihr die dem demokratischen Prinzip innewohnende grundsätzliche Gleichheit der Stimme unterschiedslos durchbrochen werde, ohne dass hierfür ein entsprechender sachlicher Grund bestehe.

Bei einer näheren Analyse der vom Gesetzgeber der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer zur Entscheidung übertragenen Angelegenheiten im Lichte der Ausführungen und Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zeigt sich, dass neben den von diesem ausdrücklich genannten Punkten (Umlagen- und Beitragsordnung) im Ergebnis nur mehr die Beschlussfassung über die Beiträge der Kammermitglieder zur Deckung der Ausgaben im Sinn des § 27 Abs. 1 lit c RAO eine Gleichstellung des Gewichts der Stimmen der Rechtsanwaltsanwärter zwingend erfordert. Bei sämtlichen anderen der Plenarversammlung zugewiesenen Entscheidungsgegenständen ist demgegenüber von einem klaren Interessen-Überhang in Richtung der Rechtsanwälte auszugehen, weil zentraler Inhalt dieser Angelegenheiten die Sicherstellung und Wahrung der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit des Rechtsanwaltsberufs und -standes im Rahmen der verfassungsmäßig gewährleisteten nichtterritorialen Selbstverwaltung (Art. 120a ff. B-VG) ist. Folglich müssen sich die damit im Zusammenhang zu treffenden Entscheidungen und vorzunehmenden Ausrichtungen in allererster Linie am Berufsträger und damit am Rechtsanwalt orientieren. Daher steht es mit den verfassungsgesetzlichen Vorgaben im Einklang, Berufsanwärter, bei denen es erfahrungsgemäß eine große Fluktuation gibt und die oft auch nur vergleichsweise kurz Kammerangehörige sind, denen gleichzeitig aber aufgrund ihrer großen absoluten Zahl bei genereller gleicher Gewichtung des ihnen zukommenden Stimmrechts ein solches Stimmgewicht zukommen würde, dass sie in ganz grundsätzlichen Fragen Systementscheidungen über den Beruf des Rechtsanwalts treffen können, die zwar vielleicht der Haltung und Interessen (eines Teils) der Berufsanwärter entsprechen, die sich aber wesentlichen von denen der Rechtsanwälte unterscheiden, in Bezug auf diese Abstimmungen anders zu behandeln als voll berufsberechtigte Standesangehörige.

Die vorgeschlagene Neuregelung sieht daher eine gleiche Stimmgewichtung zwischen Rechtsanwälten und Rechtsanwaltsanwärtern lediglich bei den Abstimmungen nach § 27 Abs. 1 lit. d über die Festsetzung der Jahresbeiträge der Kammermitglieder zur Bestreitung der Verwaltungsauslagen der Kammer und der Beiträge der Kammermitglieder zur Deckung der Ausgaben im Sinn des § 27 Abs. 1 lit c sowie bei der Beschlussfassung über die Umlagenordnung nach § 51 vor. Bei den weiteren, der Plenarversammlung zugewiesenen Entscheidungsgegenständen soll dagegen auch künftig die Stimmgewichtungsregel, dass jeweils zwei Stimmen von Rechtsanwaltsanwärtern der Stimme eines Rechtsanwalts entsprechen, Anwendung finden.

Zu Art. X4 Z 2 (§ 53 RAO)

In § 53 Abs. 2 erster Satz RAO ist vorgesehen, dass sich die in der von der Plenarversammlung zu beschließenden Umlagenordnung festzusetzenden Beiträge für die Versorgungseinrichtung für Rechtsanwaltsanwärter höchstens auf die Hälfte der von den in die Liste der Rechtsanwälte tatsächlich zu entrichtenden Beitragsteil belaufen dürfen. Grund dafür ist die regelmäßig geringere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Rechtsanwaltsanwärter. Bei diesen Beiträgen soll künftig auch sichergestellt werden, dass diese eine bestimmte Mindesthöhe nicht unterschreiten. Grund dafür ist, dass nach § 50 Abs. 2 Z 2 lit. a RAO in den Satzungen der Versorgungseinrichtung vorgesehen werden kann (und auch durchwegs vorgesehen wird), dass Beitragsmonate für die Altersversorgung von Rechtsanwaltsanwärtern nur aliquot erworben werden können (weil diese eben zum einen geringere Beiträge leisten und zum anderen nicht selbst zu Verfahrenshelfern bestellt werden können und daher auch nicht unmittelbar und in eigener Verantwortung Leistungen erbringen, die im Rahmen der vom Bund zu bezahlenden, von den Rechtsanwaltskammern ua. für die Altersversorgung zu verwendenden „allgemeinen“ Pauschalvergütung berücksichtigt werden). Um daher einen relevanten Erwerb von Beitragsmonaten auch bereits für die Zeit der Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter sicherzustellen, soll mit der vorgeschlagenen Änderung des § 53 Abs. 2 RAO neben einer Beitragshöchst- nunmehr auch eine Beitragsmindesthöhe für Rechtsanwaltsanwärter gesetzlich vorgesehen werden, dies in Höhe eines Viertels der von den in die Liste der Rechtsanwälte tatsächlich zu entrichtenden Betrags.