Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Zielsetzung und Inhalt:

Der vorliegende Entwurf enthält Änderungen des Strafgesetzbuchs (StGB), durch die insbesondere die im materiellrechtlichen Teil des Römer Statuts (RS) des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH; BGBl. III Nr. 180/2002, sh. auch Erläuterungen in RV 196 dB NR XXI. GP) verankerten Tatbestände der Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Art. 7 RS und der Kriegsverbrechen nach Art. 8 RS in das StGB aufgenommen werden sollen, um eine lückenlose Strafverfolgung zu ermöglichen. Zudem soll auch das Zweite Protokoll zur Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (BGBl. III Nr. 113/2004; im Folgenden: P II HK) und das Übereinkommen zum Schutz aller Menschen vor dem Verschwindenlassen (BGBl. III Nr. 104/2012) durch Einfügen entsprechender Tatbestände in das StGB umgesetzt werden.

Mit der Ratifikation des RS gingen die Vertragsstaaten eine Umsetzungspflicht vor allem hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem IStGH ein. Österreich hat die diesbezüglichen innerstaatlichen Voraussetzungen durch das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (BGBl. III Nr. 135/2002 idgF) geschaffen. In diesem Zusammenhang stellt sich für die Vertragsstaaten auch die Frage der Anpassung des nationalen Strafrechts an die im RS und den dazu beschlossenen Verbrechenselementen (vgl. Art. 9 und Art. 21 Abs. 1 lit. a RS) definierten Tatbestände. Obwohl die Vertragsstaaten nicht direkt aufgrund des RS völkerrechtlich verpflichtet werden, diese schwersten völkerrechtlichen Verbrechen auch national zu kriminalisieren, sprechen doch verschiedene Gründe für entsprechende Strafbestimmungen im nationalen Recht, mit denen nicht zuletzt dem Ziel und Zweck des RS Rechnung getragen werden soll. Es entspricht Ziel und Zweck des RS, „dass die schwersten Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren, nicht unbestraft bleiben dürfen und dass ihre wirksame Verfolgung durch Maßnahmen auf einzelstaatlicher Ebene [...] gewährleistet werden muss“ sowie „dass der Straflosigkeit der Täter ein Ende zu setzen und so zur Verhütung solcher Verbrechen beizutragen“ ist (Abs. 4 und 5 der Präambel des RS). Abs. 6 der Präambel erinnert zudem an die völkerrechtliche Strafverfolgungspflicht der Staaten hinsichtlich der internationalen Verbrechen.

Zudem stellt das dem RS zugrunde liegende Komplementaritätsprinzip für viele Vertragsstaaten ein wesentliches Argument dar, eine lückenlose nationale Strafgerichtsbarkeit über die Tatbestände des RS zu schaffen. Aufgrund des Komplementaritätsprinzips ist der IStGH in einem konkreten Fall dann nicht zuständig, wenn bereits ein Staat Ermittlungen oder eine Strafverfolgung durchführt, außer wenn dieser Staat nicht fähig oder nicht willens ist, die Ermittlungen oder Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen, oder wenn ein Verfahren vor dem IStGH den Grundsatz ne bis in idem verletzen würde (Art. 17 und 20 RS). Das somit die innerstaatliche Strafgerichtsbarkeit lediglich ergänzende RS belässt unmissverständlich den Staaten die primäre Zuständigkeit zur Strafverfolgung der IStGH-Tatbestände. In diesem Sinn wurde auch eine Resolution der Versammlung der Vertragsparteien des RS einstimmig angenommen, die die Staaten auffordert, diese Tatbestände in ihre Strafgesetzgebung aufzunehmen (Resolution ICC-ASP/12/Res.4).

Im Rahmen der Überprüfungskonferenz des RS vom 31. Mai bis 11. Juni 2010 in Kampala (Uganda) wurde eine Änderung des Art. 8 RS (Kriegsverbrechen) verabschiedet, die den darin enthaltenen Kriegsverbrechenskatalog erweitert (Resolution RC/Res.5 vom 10. Juni 2010). Damit konnte auch einem wesentlichen österreichischen Anliegen Rechnung getragen werden. Die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen, die Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen und die Verwendung von sogenannten „Dum-Dum-Geschossen“ wurde im RS ursprünglich nur in internationalen bewaffneten Konflikten als Kriegs­verbrechen verankert. Durch die in Kampala beschlossene Änderung, die von Österreich 2014 ratifiziert wurde (27 dB NR XXV. GP), wird der Einsatz dieser Waffen und Geschosse auch in nicht internationalen bewaffneten Konflikten unter Strafe gestellt. Diese Änderung soll durch den vorliegenden Entwurf ebenfalls berücksichtigt werden.

Außerdem wurde in Kampala eine weitere Änderung des RS beschlossen, mit der eine Definition des Verbrechens der Aggression in das RS aufgenommen und Bedingungen der Ausübung der Gerichtsbarkeit des IStGH über dieses Verbrechen festgelegt werden (Resolution RC/Res. 6 vom 11. Juni 2010). Auch diese Änderung, die nicht vor 2017 in Kraft treten soll, wurde von Österreich bereits ratifiziert (28 dB NR XXV. GP). Die Aufnahme eines entsprechenden Tatbestands in das StGB wird zu einem späteren Zeitpunkt in Aussicht genommen.

Die Aufnahme der Straftatbestände trägt nicht zuletzt auch dazu bei, die Genfer Abkommen zum Schutze der Opfer des Krieges von 1949 (Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde; Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See; Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen; Genfer Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten; alle BGBl. Nr. 155/1953; im Folgenden: GA I – IV) sowie die ersten beiden Zusatzprotokolle zu diesen Abkommen aus 1977 (Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte, im Folgenden: ZP I; Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte, im Folgenden: ZP II; beide BGBl. Nr. 527/1982) in Ergänzung des allgemeinen Strafrechts lückenlos innerstaatlich umzusetzen.

Das Übereinkommen zum Schutz aller Menschen vor dem Verschwindenlassen trat für Österreich am 7. Juli 2012 in Kraft (BGBl. III Nr. 104/2012). Durch das Übereinkommen, insbesondere Art. 4 bis 7, wird deutlich, dass das „Verschwindenlassen von Personen“ nicht nur ein Verbrechen darstellt, das die Vertragsstaaten effektiv verhindern müssen, sondern dass sie diesen Tatbestand auch in ihr Strafrecht aufnehmen müssen. Daher ist das StGB diesbezüglich anzupassen.

Zur Änderung der Strafprozessordnung: Ziel des Strafverfahrensrechts muss es sein, effiziente Ermittlungsmaßnahmen und wirksame Strafverfolgung bei den genannten Taten zu gewährleisten, um bei derartig schwerer Kriminalität ein Entkommen von der Strafverfolgung jedenfalls zu verhindern. Schon Art. 4 des Beschlusses 2003/335/JI des Rates vom 8. Mai 2003 betreffend die Ermittlung und Strafverfolgung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen (ABl. L 2003/118, 12) sieht vor, dass die Mitgliedstaaten zu prüfen haben, „ob innerhalb der zuständigen Strafverfolgungs- bzw. Ermittlungsbehörden Spezialeinheiten mit besonderer Zuständigkeit für die Ermittlung und gegebenenfalls die Strafverfolgung der betreffenden Verbrechen eingerichtet oder benannt werden müssen“.

Die vorgeschlagenen Änderungen sollen nun eine bundesweite (sachliche) Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wien für die Verfolgung von Vergehen und Verbrechen nach dem 25. Abschnitt des Strafgesetzbuchs – Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen – sowie korrespondierend eine Sonderzuständigkeit beim Landesgericht für Strafsachen Wien für entsprechende Anklagen einrichten.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Schaffung folgender neuer Straftatbestände:

- Verschwindenlassen einer Person (§ 312b)

- Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 321a)

- Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 321b)

- Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte (§ 321c)

- Kriegsverbrechen gegen internationale Missionen und Schutzzeichen (§ 321d)

- Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung (§ 321e)

- Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung (§ 321f)

- Verantwortlichkeit als Vorgesetzter (§ 321g)

- Verletzung der Aufsichtspflicht (§ 321h)

- Unterlassen der Meldung einer Straftat (§ 321i)

- Handeln auf Befehl oder sonstige Anordnung (§ 321j)

Der Tatbestand des Völkermords nach § 321 StGB bleibt unverändert.

Schaffung einer Sonderzuständigkeit beim Landesgericht für Strafsachen Wien.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Strafrechtswesen).

Besonderer Teil

Zu den einzelnen Bestimmungen

Zu Art. 1 (Änderung des StGB)

Zu Z 1 (§ 57 Abs. 1 StGB):

Durch die vorgeschlagene Änderung wird die Unverjährbarkeit der Verfolgung von strafbaren Handlungen nach dem fünfundzwanzigsten Abschnitt normiert.

Zu Z 2 (§ 59 Abs. 1 StGB):

Durch die vorgeschlagene Änderung wird die Unverjährbarkeit der Vollstreckung von wegen strafbarer Handlungen nach dem fünfundzwanzigsten Abschnitt verhängten Strafen normiert.

Zu Z 3 und 4 (§ 64 Abs. 1 Z 4 und 4c StGB):

Die vorgeschlagene Ergänzung des § 64 StGB bedeutet, dass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch bei den Tatbeständen der Folter, des Verschwindenlassens einer Person sowie strafbaren Handlungen nach dem fünfundzwanzigsten Abschnitt bei Tatbegehung im Ausland unabhängig davon, ob die Handlung auch nach dem Strafrecht des Tatorts strafbar ist, die Tat nach österreichischem Recht strafbar ist. Bezüglich des bisher in der Z 4 geregelten Foltertatbestands bedeutet die Änderung im Wesentlichen, dass inländische Gerichtsbarkeit auch dann ohne weiteres gegeben ist, wenn der Täter Ausländer ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat.

Zu Z 5 (§ 312b StGB):

§ 312b StGB dient der Umsetzung der Art. 2 bis 4 des Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (BGBl. III Nr. 104/2012; sh. auch Erläuterungen in RV 1637 dB NR XXIV. GP). Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet „Verschwindenlassen“ „die Festnahme, den Entzug der Freiheit, die Entführung oder jede andere Form der Freiheitsberaubung durch Bedienstete des Staates oder durch Personen oder Personengruppen, die mit Ermächtigung, Unterstützung oder Duldung des Staates handeln, gefolgt von der Weigerung, diese Freiheitsberaubung anzuerkennen, oder der Verschleierung des Schicksals oder des Verbleibs der verschwundenen Person, wodurch sie dem Schutz des Gesetzes entzogen wird“. Art. 3 dieses Übereinkommens regelt, dass jeder Vertragsstaat geeignete Maßnahmen zu treffen hat, um wegen Handlungen im Sinne des Art. 2, die von Personen oder Personengruppen ohne Ermächtigung, Unterstützung oder Duldung des Staates begangen werden, zu ermitteln und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen; in diesem Sinn wurde der Tatbestand des Entwurfs auf Handlungen politischer Organisationen erweitert. Art. 4 dieses Übereinkommens verpflichtet die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass das Verschwindenlassen nach ihrem Strafrecht eine Straftat darstellt. Der Entwurf strebt eine möglichst dem Wortlaut entsprechende Umsetzung an. Von der Aufnahme der Tathandlung „und sich weigert, diese Freiheitsentziehung einzugestehen“ in § 312b StGB soll jedoch Abstand genommen werden, weil diese Formulierung wohl gegen das verfassungsgesetzliche Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung verstößt.

Zu Z 6 (Überschrift des fünfundzwanzigsten Abschnitts):

Die bisherige Überschrift („Völkermord“) soll um die neu vorgeschlagenen Delikte bzw. Deliktsgruppen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ sowie „Kriegsverbrechen“ erweitert werden.

Zu Z 7 (§§ 321a bis 321j StGB):

Zu § 321a StGB:

Vorbemerkungen:

§ 321a StGB beruht auf Art. 7 RS und stellt Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Strafe. Das StGB kannte bislang keinen Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Selbst wenn einzelne Tathandlungen bereits im StGB erfasst sind, fehlte jedoch das Element des ausgedehnten oder systematischen Angriffes gegen eine Zivilbevölkerung.

Der Tatbestand des § 321a orientiert sich weitestgehend an der Struktur des Art. 7 RS, wonach zwischen einer Gesamttat („ausgedehnter oder systematischer Angriff gegen die Zivilbevölkerung“) und Einzeltaten unterschieden wird. Den Einzeltaten werden, abhängig von der Schwere der Tat, unterschiedliche Strafrahmen zugeordnet. Abweichend vom RS wird eine Zusammenführung der Tatbestände des Art. 7 Abs. 1 RS und deren Definitionen in Art. 7 Abs. 2 sowie eine Reihung der Tathandlungen nach der Schwere der Tat vorgenommen (vgl. ebenso Art. 7 des deutschen Völkerstrafgesetzbuches vom 26. Juni 2002, dBGBl. I S.2254, im Folgenden: dVStGB).

Ein bestimmter Sachverhalt kann sowohl als Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder auch als Kriegsverbrechen qualifiziert werden, weil sich die Anwendungsbereiche und die Tatbestands­voraussetzungen dieser Verbrechenskategorien teilweise überschneiden.

Zur Struktur des § 321a StGB:

Der Tatbestand „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ wird in drei Absätze gegliedert:

Abs. 1 setzt einen ausgedehnten oder systematischen Angriff als Gesamttat gegen eine Zivilbevölkerung voraus, in dessen Rahmen eine bestimmte Einzeltat (Z 1 bis 10) begangen wird.

In den Fällen der Z 1 ist eine lebenslange Freiheitsstrafe, in den Fällen der Z 2 eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder eine lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehen. In den Fällen der Z 3 bis 7 ist eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren und in den Fällen der Z 8 bis 10 eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorgesehen.

Abs. 2 normiert Erfolgsqualifikationen bei Todesfolge einer Person. Der Täter ist bei Todesfolge in den Fällen nach Abs. 1 Z 3 bis 7 mit einer Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe und in den Fällen des Abs. 1 Z 8 bis 10 mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren zu bestrafen.

Abs. 3 enthält das Verbrechen der Apartheid als Absichtsdelikt, das als Qualifikation ausgestaltet und nicht wie im RS als selbstständige Tatbestandsvariante verankert ist.

Zu Abs. 1:

Nach Abs. 1 macht sich strafbar, wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung die dort aufgezählten Einzeltaten (Z 1 bis 10) begeht.

Der Begriff „Wer“ stellt darauf ab, dass das Delikt von jedermann begangen werden kann.

Der Täter muss vorsätzlich handeln. Der Vorsatz muss sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale, daher grundsätzlich auf die Einzeltat und die Gesamttat, beziehen. Auch das RS legt in Übereinstimmung mit dem Völkergewohnheitsrecht und der Rechtsprechung der internationalen Strafgerichtshöfe fest, dass der Täter „in Kenntnis des Angriffes“ gegen die Zivilbevölkerung handeln muss. Das bedeutet wiederum, dass der Täter sowohl von dem Angriff gegen die Zivilbevölkerung als auch davon wissen muss, dass sich seine Einzeltat in diesen Angriff einfügt.

Nach der in Art. 7 Abs. 2 lit. a RS verankerten Legaldefinition ist unter einem „Angriff gegen die Zivilbevölkerung“ eine Verhaltensweise zu verstehen, die mit der mehrfachen Begehung der in Art. 7 Abs. 1 RS genannten Handlungen gegen eine Zivilbevölkerung verbunden ist, in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staates oder einer Organisation, die einen solchen Angriff zum Ziel hat. Tathandlungen, die keinerlei Bezug zu einem Angriff gegen die Zivilbevölkerung aufweisen, sind daher nicht von den Tatbeständen des Abs. 1 erfasst.

Ein Angriff verlangt weder körperliche Gewalt, noch muss es sich um einen militärischen Angriff handeln.

Übereinstimmend mit dem RS wird ein ausgedehnter oder systematischer Angriff vorausgesetzt, wobei sich die Attribute „ausgedehnt“ und „systematisch“ nur auf den Angriff als Gesamttat beziehen. Das bedeutet, dass diese Merkmale auf die angeführten Einzeltaten (Z 1 bis 10) nicht zutreffen müssen.

Der Begriff des ausgedehnten oder systematischen Angriffes beruht auf dem Völkergewohnheitsrecht. Unter einem „ausgedehnten Angriff“ verstehen z. B. die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und für Rwanda (ICTR), deren Rechtsprechung durch den IStGH Bestätigung fand (vgl. IStGH, Fall Bemba, Beschluss vom 15. Juni 2009 zur Bestätigung der Anklage, ICC-01/05-01/08, Abs. 83), ein in großem Maßstab durchgeführtes Vorgehen mit einer großen Anzahl von Opfern; auch ein Angriff, der sich über ein großes geographisches Gebiet erstreckt, kann ausgedehnter Natur sein. Das Merkmal „ausgedehnt“ stellt aber jedenfalls auf das quantitative Element des Angriffes ab. Der „systematische Angriff“ hingegen nimmt Bezug auf das qualitative Element der Gesamttat. Der Begriff „systematisch“ legt zwar ein planvolles und organisiertes Vorgehen nahe, dennoch setzt das Völkergewohnheitsrecht einen Plan als Deliktsmerkmal nicht voraus (vgl. ICTY, Fall Kunarac et al., Berufungsurteil vom 12. Juni 2002, IT-96-23, IT-96-23/1-A, Abs. 98).

Die Zivilbevölkerung als Tatobjekt verlangt eine Personenmehrheit (vgl. Art. 50 ZP I). Es ist jedoch nicht die Anzahl der Opfer, sondern vielmehr der funktionale Zusammenhang von Einzel- und Gesamttat entscheidend.

Zur Auflistung der Einzeltaten in Abs. 1 Z 1 bis 10:

Z 1 beruht auf Art. 7 Abs. 1 lit. a RS und stellt die vorsätzliche Tötung einer Person (§ 75 StGB) im Rahmen eines Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung unter Strafe.

Z 2 beruht auf Art. 7 Abs. 1 lit. b RS und stellt die „Ausrottung“ im Rahmen eines Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung unter Strafe. Die Legaldefinition in Art. 7 Abs. 2 lit. b RS umschreibt Ausrottung als „die vorsätzliche Unterwerfung unter Lebensbedingungen – unter anderem das Vorenthalten des Zugangs zu Nahrungsmitteln und Medikamenten – mit dem Ziel die Vernichtung eines Teils der Bevölkerung herbeizuführen“.

Es wird verlangt, dass der Täter in der Absicht handelt, eine Bevölkerung ganz oder teilweise zu vernichten. Der Eintritt des Todes einer Person ist keine Voraussetzung für die Strafbarkeit.

Z 3 beruht auf Art. 7 Abs. 1 lit. c RS und stellt die Sklaverei (§ 104 StGB) und den Menschenhandel (§ 104a StGB) im Rahmen eines Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung unter Strafe. Eine Erscheinungs­form der Versklavung ist beispielsweise der Verkauf einer oder mehrerer Personen.

Die Legaldefinition des RS (sh. Art. 7 Abs. 2 lit. c RS) definiert Versklavung als die „Ausübung aller oder einzelner mit einem Eigentumsrecht an einer Person verbundenen Befugnisse und umfasst die Ausübung dieser Befugnisse im Rahmen des Handels mit Menschen, insbesondere mit Frauen und Kindern“. Diese Definition erfolgte in Anlehnung an einschlägige völkerrechtliche Verträge (vgl. Art. 1 des Übereinkommens betreffend die Sklaverei, BGBl. Nr. 283/1928) und ist auch völkergewohnheitsrechtlich anerkannt.

Z 4 beruht auf Art. 7 Abs. 1 lit. d RS und stellt die völkerrechtswidrige Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung im Rahmen eines Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung unter Strafe. Der Wortlaut der Z 4 lehnt sich inhaltlich an die Legaldefinition des RS an (sh. Art. 7 Abs. 2 lit. d RS), wo der Tatbestand als „erzwungene, völkerrechtlich unzulässige Verbringung der betroffenen Personen durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen aus dem Gebiet, in dem sie sich rechtmäßig aufhalten“, beschrieben wird.

Tathandlungen sind die Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung aus einem Gebiet, in dem sie sich rechtmäßig aufhält, sowie die Anordnung dieser Vertreibung oder Überführung. Die zwangsweise Verbringung kann durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen sowie entweder innerhalb eines Staatsgebietes oder grenzüberschreitend erfolgen.

Die Verbringung muss unter Verstoß gegen das Völkerrecht erfolgen. Nicht erfasst sind völkerrechtskonforme Abschiebungen von Personen aufgrund einer individuellen Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde (vgl. § 46 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF) oder die Evakuierung der Zivilbevölkerung oder eines Teils davon, z. B. aus Gründen der Sicherheit der betreffenden Zivilpersonen.

Als Tatobjekt wird „die Bevölkerung“ genannt, worunter die gesamte Zivilbevölkerung oder ein Teil davon zu verstehen ist.

Z 5 beruht auf Art. 7 Abs. 1 lit. f RS und stellt den Tatbestand der Folter im Rahmen eines Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung unter Strafe. Der Wortlaut der Z 5 lehnt sich inhaltlich an die Legaldefinition in Art. 7 Abs. 2 lit. e RS an, wonach „Folter“ bedeutet, „dass einer im Gewahrsam oder unter der Kontrolle des Beschuldigten befindlichen Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden; Folter umfasst jedoch nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind.“

Z 5 unterscheidet sich von § 312a StGB (Folter), der das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafe (BGBl. Nr. 492/1987) umsetzt, insofern, als sie im Einklang mit dem RS auch Schmerzzufügungen erfasst, die ohne einen besonderen Folterzweck, wie beispielsweise zur Erlangung von Aussagen, vorgenommen werden. Unterschiede bestehen auch bezüglich des Tatsubjektes, da sich der Täterbegriff nicht auf „Amtsträger“ (§ 74 Abs. 1 Z 4a lit. b oder c StGB) oder faktisch als „Amtsträger“ handelnde Personen (§ 312a Abs. 3) beschränkt.

Unter der Tathandlung Zufügen „großer körperlicher oder seelischer Schmerzen oder Leiden“ ist auf die Gesamtumstände des Einzelfalles abzustellen, insbesondere ist aber auf die Dauer der Misshandlung und deren körperliche oder seelische Auswirkungen Bedacht zu nehmen. Neben körperlichen Schmerzen durch z. B. Knochenbrechen, Herausreißen von Zähnen oder das Versetzen von Stromstößen können auch seelische Schmerzen, etwa durch den Zwang, bei der Folterung eines Familienmitglieds anwesend zu sein, oder das Simulieren einer Exekution, den Tatbestand erfüllen.

Die rechtliche Zulässigkeit einer Sanktion ergibt sich entweder aus dem nationalen Recht oder aus dem Völkerrecht.

Z 6 beruht auf Art. 7 Abs. 1 lit. g RS und stellt verschiedene Arten sexueller Gewalt im Rahmen eines Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung unter Strafe. Der Entwurf fasst im Einklang mit dem RS die Tatbestände der Vergewaltigung (§ 201 StGB), Nötigung zur Prostitution (§ 106 Abs. 3 StGB), Beraubung der Fortpflanzungsfähigkeit (§ 85 Z 1 StGB) und die erzwungene Schwangerschaft zusammen. Das RS sanktioniert darüber hinaus noch die „sexuelle Sklaverei“ als spezielle Erscheinungsform der Versklavung, bei der der Täter bewirkt, dass das Opfer sich auf sexuelle Handlungen einlässt, und „jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere“. In Z 6 wird auf derartige Regelungen aus Bestimmtheitsgründen verzichtet und stattdessen die geschlechtliche Nötigung (§ 202 StGB) als generalisierende Auffangvorschrift einfügt, um eine Kriminalisierung der im RS verankerten Verhaltensweisen zu gewährleisten.

Der Tatbestand der erzwungenen Schwangerschaft in Z 6 lehnt sich eng an die Legaldefinition in Art. 7 Abs. 2 lit. f RS an, wonach darunter „die rechtswidrige Gefangenhaltung einer zwangsweise geschwängerten Frau in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen oder andere schwere Verstöße gegen das Völkerrecht zu begehen“, zu verstehen ist.

In objektiver Hinsicht muss der Täter eine schwangere Frau rechtswidrig gefangen halten. Nicht vorausgesetzt wird hingegen, dass der Täter die Frau selbst geschwängert hat. Darüber hinaus muss der Täter in der Absicht handeln, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen oder andere schwere Verstöße gegen das Völkerrecht zu begehen.

Z 7 beruht auf Art. 7 Abs. 1 lit. i RS und stellt das „Verschwindenlassen einer Person“ im Rahmen eines Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung unter Strafe. Sh. dazu die Erläuterungen zum Entwurf von § 312b StGB.

Z 8 beruht auf Art. 7 Abs. 1 lit. k RS und stellt die vorsätzliche schwere Körperverletzung einer Person (§ 84 Abs. 1 StGB) im Rahmen eines Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung unter Strafe.

Z 9 beruht auf Art. 7 Abs. 1 lit. e RS und stellt unter Strafe, wer einer Person im Rahmen eines Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung unter Verstoß gegen das Völkerrecht in schwerwiegender Weise die persönliche Freiheit entzieht (§ 99 StGB). Abweichend vom RS, das einen Verstoß gegen die Grundregeln des Völkerrechtes voraussetzt, sollen nach dem Entwurf jegliche Verstöße gegen das Völkerrecht genügen.

Der objektive Tatbestand ist erfüllt, wenn der Täter eine Person daran hindert, ihren Aufenthaltsort zu verlassen. Erfasst sind alle Situationen, in denen die Bewegungsfreiheit einer Person eingeschränkt ist (z. B. durch Einsperren in einem Raum, aber auch innerhalb eines Ghettos).

Z 10 beruht auf Art. 7 Abs. 1 lit. h und Abs. 2 lit. g RS und stellt die Verfolgung einer bestimmten Gruppe oder Gemeinschaft im Rahmen eines Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung unter Strafe.

Nach Z 10 macht sich strafbar, wer eine identifizierbare Gruppe oder Gemeinschaft verfolgt, indem er ihr aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, aus Gründen des Geschlechts oder aus anderen nach dem Völkerrecht als unzulässig anerkannten Gründen grundlegende Menschenrechte entzieht oder diese wesentlich einschränkt.

Die Tathandlungen können sich vom vollständigen Entzug eines grundlegenden Menschenrechtes, über dessen Einschränkung bis hin zur Anordnung einer solchen Maßnahme erstrecken. Sie können, müssen sich aber nicht nur gegen Gruppen per se richten. Eine Tathandlung nur gegen Einzelpersonen ist möglich, wenn beispielsweise ein Repräsentant einer identifizierbaren Gruppe angegriffen wird. Die Tathandlungen, die grundlegende Menschenrechte verletzen, können rechtlicher, physischer oder auch ökonomischer Natur sein. Abgestellt wird lediglich auf den objektiv rechtsbeeinträchtigenden und diskriminierenden Charakter der Verletzungshandlung. Als Verfolgungshandlung wird nur der schwerwiegende Entzug grundlegender Rechte verstanden.

Tatobjekt bzw. Opfer ist entweder eine Gruppe oder eine Gemeinschaft, wenn diese z. B. durch Gesetz oder Verordnung diskriminiert werden. Für die Strafbarkeit kommt es darauf an, dass der Täter die Gruppe, die er angreift, als solche identifiziert bzw. dass er das Opfer einer bestimmten Gruppe zuordnet.

„Grundlegende Menschenrechte“ finden sich z. B. in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (BGBl. Nr. 591/1978; im Folgenden: IPBPR) sowie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. Nr. 210/1958; im Folgenden: EMRK), wobei in diesem Zusammenhang vor allem auf das Recht auf Leben, auf körperliche und geistige Unversehrtheit, auf Freiheit und das Recht auf ein ordentliches Strafverfahren zu verweisen ist.

Zu Abs. 2:

Abs. 2 normiert Erfolgsqualifikationen bei Herbeiführung des Todes einer Person. In den Fällen des Abs. 1 Z 3 bis 7 ist eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder lebenslange Freiheitsstrafe und in den Fällen des Abs. 1 Z 8 bis 10 eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren vorgesehen.

Zu Abs. 3:

Abs. 3 beruht auf Art. 7 Abs. 1 lit. j und Abs. 2 lit. h RS und stellt Verbrechen wie jenes der Apartheid unter Strafe. Nach Abs. 3 macht sich strafbar, wer ein Verbrechen nach Abs. 1 in der Absicht begeht, ein institutionalisiertes Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer rassischen Gruppe durch eine andere aufrechtzuerhalten. Der Entwurf sieht vor, dass der Täter mit Absicht handeln muss. Abweichend vom RS wird die Wortfolge „ähnlicher Art wie die in Absatz 1 genannten“ durch „ein Verbrechen nach Absatz 1“ ersetzt, um dem Bestimmtheitsgebot zu entsprechen.

Eine „rassische Gruppe“ ist eine solche, die unter Bezugnahme auf die Rasse, Hautfarbe, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft ihrer Mitglieder definiert wird (vgl. Art. 1 des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 377/1972).

Zu §§ 321b bis 321f StGB:

Vorbemerkungen:

§§ 321b bis 321f StGB beruhen auf Art. 8 RS, der Tatbestände von Kriegsverbrechen enthält. Grundsätzlich geht es bei Kriegsverbrechen um das „Recht im Kriege“ (ius in bello), d.h. nach neuerer Diktion um das im Rahmen eines bewaffneten Konflikts anwendbare Recht („humanitäres Völkerrecht“). Kriegsverbrechen sind nicht vom Bestehen eines formellen Kriegszustands abhängig, sondern stellen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht dar, die eine unmittelbare völkerrechtliche Strafbarkeit nach sich ziehen. Wie im dVStGB (§§ 8 bis 12) sind im vorliegenden Entwurf die Tatbestände in Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 321b), Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte (§ 321c), Kriegsverbrechen gegen internationale Missionen und Schutzzeichen (§ 321d), Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden (§ 321e) und Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung (§ 321f) gegliedert. Ein Wesensmerkmal sämtlicher Kriegs­verbrechen ist, dass sie „im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt“ oder einer militärischen Besetzung (vgl. Art. 2 GA I – IV) begangen werden müssen. Voraussetzung ist ein sachlicher Zusammen­hang zwischen der Tathandlung und den Zielen der Kampfführung einer Partei des bewaffneten Konflikts bzw. einer Besatzungsmacht.

Zwar gibt es im humanitären Völkerrecht keine abschließende Definition des „bewaffneten Konflikts“, doch werden darunter die Anwendung von Waffengewalt zwischen Staaten oder ausgedehnte bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und organisierten bewaffneten Gruppen oder zwischen solchen Gruppen innerhalb eines Staates verstanden. Das humanitäre Völkerrecht unterscheidet zwischen „internationalen bewaffneten Konflikten“, die zwischen mindestens zwei Staaten ausgetragen werden, und „nicht internationalen bewaffneten Konflikten“, in denen die Streitkräfte eines Staates (vgl. Art. 43 ZP I) gegen organisierte bewaffnete Gruppen oder in denen solche Gruppen untereinander kämpfen, sofern die Kampfhandlungen von einer gewissen Dauer und Intensität sind. Nicht erfasst sind demnach Fälle innerer Unruhen und Spannungen, Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten oder andere ähnliche Handlungen (vgl. Art. 8 Abs. 2 lit. f RS und Art. 1 Abs. 2 ZP II).

Mit Ausnahme der in § 321b Abs. 2 StGB genannten Kriegsverbrechen gegen Personen, die nur im Zusammenhang mit einem „internationalen bewaffneten Konflikt“ begangen werden können, sind alle anderen Kriegsverbrechen in allen „bewaffneten Konflikten“ strafbar.

Die Kriegsverbrechen sind mit wenigen Ausnahmen (vgl. z. B. § 321b Abs. 2 Z 2 und § 321e Abs. 1 Z 10) im Entwurf als Allgemeindelikte formuliert, weshalb der Täter jedermann sein kann.

Ein bestimmter Sachverhalt kann sowohl als Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder auch als Kriegsverbrechen qualifiziert werden, weil sich die Anwendungsbereiche und die Tatbestands­voraussetzungen dieser Verbrechenskategorien teilweise überschneiden.

Zur Struktur des § 321b StGB:

Abs. 1 erfasst verschiedene Kriegsverbrechen gegen Personen (Z 1 bis 10), die im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt begangen werden, unabhängig davon, ob es sich um einen internationalen oder nicht internationalen bewaffneten Konflikt handelt.

In den Fällen der Z 1 ist eine lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehen, in den Fällen der Z 2 eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren, in den Fällen der Z 3 und 4 eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren und in den Fällen der Z 5 bis 10 eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren.

Abs. 2 stellt speziell auf Taten ab, die im Rahmen eines internationalen bewaffneten Konflikts begangen werden.

Abs. 3 schafft Erfolgsqualifikationen bei Todesfolge einer Person in den Fällen nach Abs. 1 Z 2 bis 10.

Abs. 4 definiert die nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Personen.

Zu Abs. 1:

Nach Abs. 1 macht sich strafbar, wer im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt die in Z 1 bis 10 angeführten Taten begeht.

Z 1 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. a (i), lit. c (i) RS und stellt die vorsätzliche Tötung (§ 75 StGB) einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person (Abs. 4) unter Strafe. Die Tötungsmittel sind unbeachtlich.

Z 2 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. a (viii) und Art. 8 Abs. 2 lit. c (iii) RS und stellt die Geiselnahme (§ 102 StGB) einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person (Abs. 4) unter Strafe.

Z 3 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. a (ii) RS, der die Folter oder die unmenschliche Behandlung einschließlich biologischer Versuche regelt. Zusätzlich werden auch Art. 8 Abs. 2 lit. a (iii), Abs. 2 lit. b (x), Abs. 2 lit. c (i) und Abs. 2 lit. e (xi) RS erfasst, die beispielhaft auch die Verstümmelung und die unmenschliche Behandlung anführen.

Nach Z 3 macht sich strafbar, wer einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person (Abs. 4), die sich in seinem Gewahrsam oder sonstiger Weise unter seiner Kontrolle befindet, große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zufügt, sofern sich diese nicht lediglich aus einer rechtlich zulässigen Sanktion ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind. Die Tathandlung ist – wie auch im RS vorgesehen – das Zufügen großer körperlicher oder seelischer Schmerzen oder Leiden. Diese Tathandlung ist grundsätzlich mit der Tathandlung der Folter ident (§ 312a StGB). Z 3 unterscheidet sich von § 312a StGB insofern, als auch Schmerzzufügungen erfasst sind, die ohne einen besonderen Zweck, wie beispielsweise zur Erlangung von Aussagen, vorgenommen werden. Unterschiede bestehen auch bezüglich des Tatsubjektes, da sich der Täterbegriff nicht auf „Amtsträger“ (§ 74 Abs. 1 Z 4a lit. b oder c StGB) oder faktisch als „Amtsträger“ handelnde Personen (§ 312a Abs. 3) beschränkt.

Der Wortlaut dieser Bestimmung ist nahezu ident mit dem Entwurf für § 321a Abs. 1 Z 5 StGB. Eine Abweichung besteht insofern, als Z 3 beim Tatobjekt auf eine „nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person“ (Abs. 4) abstellt.

Z 4 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xxii) und Abs. 2 lit. e (vi) RS und erfasst strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und sexuelle Selbstbestimmung. Nach Z 4 macht sich strafbar, wer eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person (Abs. 4) vergewaltigt (§ 201 StGB) oder geschlechtlich nötigt (§ 202 StGB), sie zur Prostitution nötigt (§ 106 Abs. 3 StGB), der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt (§ 85 Z 1 StGB) oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält.

Der Wortlaut dieser Bestimmung ist nahezu ident mit dem Entwurf für § 321a Abs. 1 Z 6 StGB. Eine Abweichung besteht insofern, als Z 4 beim Tatobjekt auf eine „nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person“ (Abs. 4) abstellt.

Z 5 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. a (iii) RS. In ihr wird die Zufügung großer körperlicher oder seelischer Qualen (zum Begriff Qualen vgl. § 91 Abs. 1 und § 312 Abs. 1 StGB) oder einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) unter Strafe gestellt. Tatobjekt ist eine „nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person“ (Abs. 4).

Z 6 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xxvi) und Abs. 2 lit. e (vii) RS betreffend das Kriegsverbrechen der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindersoldaten.

Die Altersgrenze von fünfzehn Jahren ergibt sich aus Art. 8 Abs. 2 lit. b (xxvi) und Abs. 2 lit. e (vii) RS, Art. 77 Abs. 2 ZP I, Art. 4 Abs. 3 lit. c ZP II und Art. 38 Abs. 3 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (BGBl. Nr. 7/1993). Die Altersgrenze von achtzehn Jahren ergibt sich aus Art. 1, 2 und 4 des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (BGBl. III Nr. 92/2002). Bei der Zwangsverpflichtung zu Streitkräften eine Staates (Art. 43 ZP I) wird die Anwendung von Zwang vorausgesetzt, bei der Eingliederung hingegen ist Zwang nicht erforderlich, sondern umfasst auch die freiwillige Verpflichtung von Kindern. Neben den Streitkräften sind auch nicht-staatliche „bewaffnete Gruppen“ erfasst. Unter der „Verwendung zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten“ werden neben Kampfhandlungen auch sonstige militärische Aktivitäten, wie zum Beispiel die Tätigkeit als Lockvogel, Spion, Kurier, oder als Munitionstransporteur, verstanden.

Z 7 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. e (viii) RS und stellt die zwangsweise Überführung oder Vertreibung der Zivilbevölkerung unter Strafe. Tathandlungen sind die zwangsweise Überführung oder Vertreibung der gesamten Zivilbevölkerung oder eines Teils davon sowie die Anordnung dieser Überführung oder Vertreibung. Nicht erfasst sind völkerrechtskonforme Abschiebungen von Personen aufgrund einer individuellen Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde (z. B. aufgrund § 46 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF) oder die vorübergehende Verlegung (z. B. Evakuierung) der Zivilbevölkerung oder eines Teils davon aus Gründen der Sicherheit der betreffenden Zivilpersonen oder aus zwingenden militärischen Gründen. Die zwangsweise Überführung oder Vertreibung kann innerhalb eines Staatsgebietes oder grenzüberschreitend erfolgen.

Z 8 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. a (vi) und Abs. 2 lit. c (iv) RS und stellt unter Strafe, wenn gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe verhängt oder vollstreckt wird, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt wurde. Die Strafbarkeit tritt erst mit der Verhängung beziehungsweise mit der Vollstreckung der Strafe ein, da der Entzug der Verfahrensrechte erst zu diesem Zeitpunkt endgültig feststeht. Unter einer „erheblichen Strafe“ ist jedenfalls eine Freiheitsstrafe zu verstehen. Ein unparteiisches ordentliches Gerichtsverfahren hat den Mindestvorgaben des Völkerrechts zu entsprechen (z. B. Art. 99 ff. GA III; Art. 66 ff. GA IV; Art. 75 ZP I; Art. 6 ZP II) und die Entscheidung durch ein unabhängiges, unparteiisches und auf Gesetz beruhendes Gericht (vgl. Art. 14 IPBPR; Art. 6 EMRK) vorzusehen.

Z 9 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. a (ii) und Abs. 2 lit. b (x) und Abs. 2 lit. e (xi) RS und stellt insbes. medizinische Versuche, Gewebe- und Organentnahmen an nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Personen (Abs. 4) unter bestimmten Voraussetzungen unter Strafe. Die nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person muss sich in der Gewalt einer anderen Konfliktpartei, d.h. nicht jener des Opfers, befinden. Lit. b und c orientieren sich zudem an Art. 11 Abs. 1 und 2 ZP I.

Objektiv wird vorausgesetzt, dass der Täter durch die unter Z 9 lit. a bis c angeführten Handlungs­weisen eine zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Schädigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit bringt. Im Einklang mit Art. 11 Abs. 2 ZP I schließt die Einwilligung der zu schützenden Person die Strafbarkeit nicht aus (ausgenommen ist lediglich der in lit. b genannte Unterfall der Entnahme von Blut oder Haut).

Lit. a stellt Versuche unter Strafe, die weder medizinisch notwendig sind, noch im Interesse der zu schützenden Person durchgeführt werden. Erfasst werden insbesondere wissenschaftliche, medizinische oder auch biologische Versuche, wie etwa Experimente an Personen zur Erprobung neuer Medikamente, Ausrüstungsgegenstände oder Materialien.

Lit. b stellt die Gewebe- oder Organentnahme für Übertragungszwecke an andere Personen unter Strafe. Lediglich die Entnahmen von Blut oder Haut sind ausdrücklich ausgenommen, sofern dies zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen steht und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat (vgl. Art. 11 Abs. 3 ZP I).

Lit. c stellt die Anwendung sonstiger, nicht in lit. a und b angeführter medizinischer Verfahren unter Strafe, die nicht durch den Gesundheitszustand der zu schützenden Person geboten sind und nicht mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen im Einklang stehen. Unter „nicht allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen“ sind solche zu verstehen, die nicht dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Forschung und der örtlichen Praxis entsprechen (vgl. Art. 11 Abs. 1 letzter Satz ZP I).

Z 10 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xxi) und Abs. 2 lit. c (ii) RS und stellt die schwerwiegende entwürdigende oder erniedrigende Behandlung einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person (Abs. 4) unter Strafe. Entsprechend den Verbrechenselementen können geschützte Personen auch nach ihrem Tod Tatobjekt sein. Tathandlungen können Verhaltensweisen wie etwa Beschimpfungen, exzessive oder grausame Verhöre, öffentliche Verhöhnung oder Zurschaustellung von zu schützenden Personen umfassen. Um auf den Schweregrad eines Verhaltens abzustellen, ist die Position eines objektiven Beobachters unter Berücksichtigung des kulturellen Hintergrundes des jeweiligen Opfers einzunehmen.

Zu Abs. 2:

Nach Abs. 2 macht sich strafbar, wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt die in Z 1 bis 4 angeführten Taten begeht.

Z 1 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. a (vii) RS und stellt die widerrechtliche Verschleppung oder Gefangenhaltung (§ 99 StGB) einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person (Abs. 4) unter Strafe. Darüber hinaus wird auch die ungerechtfertigt verzögerte Heimschaffung unter Strafe gestellt (vgl. Art. 85 Abs. 4 lit. b ZP I; Art. 109 Abs. 1 und Art. 118 Abs. 1 GA III; Art. 35 Abs. 1 und Art. 134 GA IV). Unter der widerrechtlichen Gefangenhaltung sind einerseits Fälle der rechtswidrigen Gefangennahme zu verstehen und andererseits solche, bei denen der rechtfertigende Grund für die Gefangennahme weggefallen und eine Freilassung widerrechtlich nicht erfolgt ist. Bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit ist insbesondere auf die Vorschriften des humanitären Völkerrechts abzustellen.

Z 2 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (viii) RS und stellt die unmittelbare oder mittelbare Überführung eines Teils der eigenen Zivilbevölkerung durch die Besatzungsmacht in das von ihr besetzte Gebiet, oder der Gesamtheit oder eines Teils der Bevölkerung des besetzen Gebiets innerhalb desselben oder aus diesem Gebiet unter Strafe.

Dieser Tatbestand soll insbesondere die im besetzten Gebiet ansässige Zivilbevölkerung schützen. Tatsubjekt kann nur sein, wer einer Besatzungsmacht angehört oder für diese tätig wird. Nach Art. 42 der Haager Landkriegsordnung (RGBl. Nr. 180/1913; im Folgenden: HLKO) gilt ein Gebiet als besetzt, wenn es tatsächlich in die Gewalt der gegnerischen Streitkräfte gelangt ist. Die Überführung kann durch unmittelbare oder mittelbare Handlungen erfolgen. Unbeachtlich ist, ob die eigene Zivilbevölkerung freiwillig oder mittels Anwendung von Zwang umgesiedelt wird.

Z 3 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. a (v) RS und stellt die Nötigung (§ 105 StGB) einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person (Abs. 4) zur Dienstleistung in den Streitkräften (vgl. Art. 43 ZP I) einer feindlichen Macht unter Strafe. Die Vorschrift bezweckt den Schutz von Personen, die sich in der Gewalt des Gegners befinden, vor Loyalitätskonflikten. Die Tathandlung ist die Nötigung zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht. Nötigungsmittel sind Gewalt oder gefährliche Drohung (§ 105 StGB).

Z 4 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xv) RS und stellt die Nötigung (§ 105 StGB) eines Angehörigen der gegnerischen Partei zur Teilnahme an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land unter Strafe. Kriegshandlungen umfassen nicht nur militärische Tätigkeiten, sondern auch Zwangsarbeit für militärische Zwecke. Tatobjekt sind Personen, die der gegnerischen Partei angehören, insbesondere Zivilpersonen und Kriegsgefangene. Dabei ist unerheblich, ob diese Personen bereits vor Kriegsausbruch im Dienst des Kriegsführenden standen oder nicht. Die Vorschrift bezweckt wie Z 3 den Schutz von Personen vor Loyalitätskonflikten.

Zu Abs. 3:

Abs. 3 normiert Erfolgsqualifikationen bei zumindest fahrlässiger Herbeiführung des Todes einer Person in den Fällen des Abs. 1 Z 2 bis 10. Im Fall des Abs. 1 Z 2 ist eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder lebenslange Freiheitsstrafe, in den Fällen der Abs. 1 Z 3 und 4 eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren und in den Fällen des Abs. 1 Z 5 bis 10 eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren vorgesehen.

Zu Abs. 4:

Dieser Absatz definiert, wer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind. Darunter sind geschützte Personen im Sinne der vier GA und deren ZP I und II zu verstehen. Insbesondere sind folgende Personen vom geschützten Personenkreis umfasst: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, die sich bedingungslos ergeben haben oder sonst außer Gefecht sind, Kriegsgefangene und Zivilpersonen, sofern und solange letztere nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen.

Zu § 321c StGB:

§ 321c beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. a (iv), Abs. 2 lit. b (xiii) und (xvi) sowie Abs. 2 lit. e (v) und (xii) RS und stellt Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte unter Strafe. § 321c setzt auch Art. 15 Abs. 1 lit. c und e P II HK um. Unbeachtlich ist, ob der Eigentümer oder Träger sonstiger Rechte ein Staat oder eine Privatperson ist. Ebenso kann das Eigentum von natürlichen oder von juristischen Personen betroffen sein. Tatbestandsvoraussetzung ist, dass die Tat im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt begangen wird, unabhängig davon, ob es sich um einen internationalen oder nicht internationalen bewaffneten Konflikt handelt.

Z 1 stellt die Plünderung sowie, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, die sonstige, in erheblichem Umfang durchgeführte völkerrechtswidrige Zerstörung, Aneignung oder Beschlagnahme von Sachen der gegnerischen Partei oder von deren Angehörigen unter Strafe. Alle Tathandlungen mit Ausnahme der Zerstörung setzen voraus, dass die Sachen in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Täters übergehen. Die Zerstörung kann auch aus der Distanz erfolgen.

Vorausgesetzt ist, dass sich die Tat gegen Sachen der gegnerischen Partei oder von deren Angehörigen richtet. Die Plünderung umfasst alle Formen der rechtswidrigen Aneignung von Eigentum in einem bewaffneten Konflikt. Die Zerstörung ist im Sinne des § 125 StGB zu verstehen. Aneignung ist der – auf einen nicht unerheblichen Zeitraum – angelegte Entzug einer Sache gegen oder ohne den Willen des Berechtigten. Beschlagnahme ist die Überführung eines Gegenstandes in die Gewahrsame mittels förmlicher Sicherstellung oder auf andere Weise.

Die Wortfolge „in erheblichem Umfang“ macht deutlich, dass Bagatellfälle nicht tatbestandsmäßig sind. Im Einzelfall wäre insbesondere auf den Wert des betroffenen Eigentums, die Schwere der Tatfolgen für das Opfer und auf den betroffenen Personenkreis abzustellen.

Weiters müssen die Tathandlungen „völkerrechtswidrig“ sein. Daher ist zu prüfen, ob ein allgemeiner völkerrechtlicher Rechtfertigungsgrund oder ein spezifischer Rechtfertigungsgrund des humanitären Völkerrechts vorliegt. So beinhaltet z. B. Art. 53 HLKO spezifische Rechtfertigungsgründe für die Beschlagnahme von Sachen in besetzten Gebieten.

Z 2 setzt Art. 15 Abs. 1 lit. c P II HK um und stellt die Zerstörung oder Aneignung in großem Ausmaß von Kulturgut im Sinne der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (BGBl. Nr. 58/1964; im Folgenden: HK) unter Strafe.

Kulturgut im Sinne der HK sind, ohne Rücksicht auf Herkunft oder Eigentumsverhältnisse: a) bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe aller Völker von großer Bedeutung ist, wie zum Beispiel Bau-, Kunst- oder geschichtliche Denkmale religiöser oder weltlicher Art, archäologische Stätten, Gebäudegruppen, die als Ganzes von historischem oder künstlerischem Interesse sind, Kunstwerke, Manuskripte, Bücher und andere Gegenstände von künstlerischem, historischem oder archäologischem Interesse sowie wissenschaftliche Sammlungen und bedeutende Sammlungen von Büchern, Archivalien oder Reproduktionen des oben bezeichneten Kulturguts; b) Baulichkeiten, die in der Hauptsache und tatsächlich der Erhaltung oder Ausstellung des unter a) bezeichneten beweglichen Gutes dienen, wie zum Beispiel Museen, größere Bibliotheken, Archive sowie Bergungsorte, in denen im Falle bewaffneter Konflikte das unter a) bezeichnete bewegliche Kulturgut in Sicherheit gebracht werden soll; c) Orte, die in beträchtlichem Umfange Kulturgut im Sinne der Unterabsätze a) und b) aufweisen und als „Denkmalsorte“ bezeichnet sind.

Unter der Tathandlung „sich aneignen“ ist das Delikt des (schweren) Diebstahls nach den §§ 127 und 128 Abs. 1 Z 3 StGB zu verstehen (sh. die interpretative Erklärung Österreichs zu Art. 15 Abs. 1 lit. c P II HK).

Z 3 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xiv) RS und stellt die völkerrechtswidrige Anordnung der Aufhebung, Aussetzung oder Nicht-Einklagbarkeit vor Gericht von Rechten und Forderungen aller oder eines Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei unter Strafe. Unter „Rechte und Forderungen“ ist nicht nur der Zugang zum Gericht zu verstehen, sondern alle gerichtlich geschützten Rechte und Forderungen. Anordnungen, die sich nur auf einen Einzelfall beziehen und nicht darauf abzielen, Rechte und Forderungen aller oder eines Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei zu entziehen, fallen nicht darunter.

Zu § 321d StGB:

§ 321d erfasst drei Tatbestände von Kriegsverbrechen gegen internationale Missionen und Schutzzeichen, die im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt begangen werden, unabhängig davon, ob es sich um einen internationalen oder nicht internationalen bewaffneten Konflikt handelt.

In den Fällen des Abs. 1 Z 1 und Z 2 ist eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorgesehen.

Im Fall des Abs. 2 beträgt der Strafrahmen fünf bis fünfzehn Jahre.

Zu Abs. 1:

Z 1 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (iii) und Art. 8 Abs. 2 lit. e (iii) RS und stellt Angriffe gegen Personen, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge unter Strafe, die an einer humanitären Hilfsmission oder an einer friedenssichernden Mission in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen (VN) beteiligt sind, solange sie Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem humanitären Völkerrecht gewährt wird. Z 1 setzt auch Art. 9 des Übereinkommens über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordneten Personal (BGBl III Nr. 180/2000) um, soweit dies nicht durch allgemeines Strafrecht erfolgt ist.

Als „Angriff“ ist im Sinne des Art. 49 Abs. 1 ZP I „sowohl eine offensive als auch eine defensive Gewaltanwendung gegen den Gegner“ zu verstehen.

Tatobjekte sind Personen, die an humanitären Hilfsmissionen (vgl. § 1 Z 1 lit. b erster Fall des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG), BGBl. I Nr. 38/1997 idgF) oder friedenssichernden Missionen (vgl. § 1 Z 1 lit. a KSE-BVG) teilnehmen, oder Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge solcher Missionen. Der geschützte Personenkreis umfasst sowohl Angehörige von Streitkräften als auch ziviles Personal. Unter Einrichtungen, die sowohl ortsfest als auch beweglich sein können, sind neben Hauptquartieren, Stützpunkten und sonstigen Diensträumen auch Unterkünfte des Personals zu verstehen.

Das Völkerrecht kennt keine Definition der „humanitären Hilfsmission“. Aus Art. 70 Abs. 1 ZP I und Art. 18 Abs. 2 ZP II lässt sich jedoch ableiten, dass solche Missionen auf die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern wie z. B. Lebensmitteln und Sanitätsmaterial ausgerichtet sind. Solche Missionen erfolgen nur mit der Zustimmung der beteiligten Parteien und in Überein­stimmung mit den Grundsätzen der Unparteilichkeit und der Menschlichkeit.

Der Begriff „friedenssichernde Missionen“ umfasst insbesondere friedenserhaltende oder friedensschaffende Missionen (vgl. § 1 Z 1 lit. a KSE-BVG und Erläuterungen in RV 503 dB NR XX. GP), die in Übereinstimmung mit der Satzung der VN durchgeführt werden.

Die an solchen Missionen beteiligten Personen und Objekte haben Anspruch auf den Schutz, der auch Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach den Regeln des humanitären Völkerrechts zukommt. Dieser Schutz endet durch die unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten (vgl. Art. 51 Abs. 3 ZP I), sofern diese Teilnahme nicht im Rahmen der Notwehr (§ 3 StGB) Deckung findet.

Der Vorsatz des Täters muss sich auf den besonderen Schutzstatus der vom Tatbestand erfassten Personen und Objekte beziehen.

Z 2 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xxiv) und Art. 8 Abs. 2 lit. e (ii) RS und stellt Angriffe gegen Personen, Gebäude, Material, Sanitätseinheiten (Art. 8 lit. e ZP I) oder Sanitätstransportmittel zu Land, zu Wasser oder in der Luft (vgl. Art. 8 lit. f bis j ZP I) unter Strafe, die in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht mit den Schutzzeichen der GA oder der ZP I und II sowie des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Aufnahme eines zusätzlichen Schutzzeichens (ZP III), BGBl. III Nr. 137/2009, gekennzeichnet sind.

Als „Angriff“ ist im Sinne des Art. 49 Abs. 1 ZP I „sowohl eine offensive als auch eine defensive Gewaltanwendung gegen den Gegner“ zu verstehen.

Angriffe gegen die angeführten Tatobjekte sind nach Z 2 nur strafbar, wenn diese mit den Schutzzeichen der Genfer Abkommen (Art. 38 GA I), d.h. mit dem Roten Kreuz, dem Roten Halbmond oder dem Roten Löwen mit roter Sonne, jeweils auf weißem Grund, gekennzeichnet sind. Seit dem Inkrafttreten des ZP III zählt auch der „Rote Kristall auf weißem Grund“ (vgl. § 8 Abs. 1 lit. c Rotkreuzgesetz, BGBl. I Nr. 33/2008) zu den Schutzzeichen. Keine Strafbarkeit nach Z 2 liegt vor, wenn ein Angriff gegen Personen oder Objekte erfolgt, die ein Schutzzeichen entgegen den Bestimmungen des humanitären Völkerrechts verwenden (vgl. Art. 44 GA I, Art. 41ff GA II, Art. 38 Abs. 1 ZP I, Art. 12 ZP II).

Zu Abs. 2:

Abs. 2 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (vii) RS und stellt im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt den Missbrauch von anerkannten Schutzzeichen (Art. 38 GA I und ZP III), der Parlamentär­flagge (vgl. Art. 32 HLKO) oder der Flagge, militärischer Abzeichen oder der Uniform des Feindes, neutraler oder anderer nicht am Konflikt beteiligter Staaten, oder der VN unter Strafe, wenn dadurch der Tod oder die schwere Verletzung einer Person (§ 84 Abs. 1 StGB) verursacht wird. Über das RS hinausgehend erfasst Abs. 2 auch den Missbrauch in nicht internationalen bewaffneten Konflikten sowie den Missbrauch der Flagge, militärischer Abzeichen oder der Uniform neutraler oder anderer nicht am Konflikt beteiligter Staaten (vgl. Art. 37 Abs. 1 lit. d und Art. 39 ZP I).

Ein Missbrauch liegt vor, wenn die genannten Kennzeichen entgegen den Bestimmungen des humanitären Völkerrechts verwendet werden (vgl. Art. 32 HLKO, Art. 44 GA I, Art. 41ff GA II, Art. 37 Abs. 1 lit. a und d ZP I; Art. 12 ZP II). Vorausgesetzt wird ferner, dass durch den Missbrauch der genannten Kennzeichen der Tod einer Person oder eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 Abs. 1 StGB verursacht wird, wobei bereits die fahrlässige Herbeiführung des Erfolges ausreichend ist (§ 7 Abs. 2 StGB). Der Missbrauch muss jedenfalls kausal für die Tötung oder schwere Verletzung sein. Durch das Wort „eine Person“ stellt der Gesetzgeber klar, dass es nicht erforderlich ist, dass das Opfer auch Mitglied der gegnerischen Streitkräfte ist.

Zur Struktur des § 321e StGB:

Abs. 1 erfasst verschiedene Tatbestände des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung (Z 1 bis 11), die im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt begangen werden, unabhängig davon, ob es sich um einen internationalen oder nicht internationalen bewaffneten Konflikt handelt.

In den Fällen der Z 1 bis 10 ist eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren und im Fall der Z 11 eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren vorgesehen.

Abs. 2 schafft Erfolgsqualifikationen in den Fällen der Z 1 bis 10 bei Todesfolge oder bei Verursachung einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person (§ 321b Abs. 4 StGB) und sieht für diese Fälle eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren vor.

Zu Abs. 1:

Unter der Tathandlung „Angriff“ in Z 1, 2, 3, 5, 6 und 7 ist im Sinne des Art. 49 Abs. 1 ZP I „sowohl eine offensive als auch eine defensive Gewaltanwendung gegen den Gegner“ zu verstehen.

Z 1 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (i) RS und stellt Angriffe gegen die Zivilbevölkerung oder einzelne Zivilpersonen, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen, unter Strafe. Tatobjekt ist die Zivilbevölkerung oder einzelne Zivilpersonen (vgl. Art. 50 ZP I). Darüber hinaus wird vorausgesetzt, dass die Tatobjekte nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen (z. B. offensiv durch Beteiligung an Kampfhandlungen oder defensiv durch Blockade einer militärischen Bewegungslinie).

Z 2 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (ii) und (ix), Abs. 2 lit. e (iv) RS und stellt Angriffe gegen zivile Objekte unter Strafe. Z 2 setzt auch Art. 15 Abs. 1 lit. a und d P II HK um.

Tatobjekte sind „zivile Objekte“, d.h. (bewegliche oder unbewegliche) Objekte, die nicht militärische Ziele sind (sh. Art. 52 ZP I), und umfassen auch Kulturgut (sh. Erläuterungen zu § 321c Z 2). Militärische Ziele sind nur solche Objekte, die auf Grund ihrer Beschaffenheit, ihres Standorts, ihrer Zweckbestimmung oder ihrer Verwendung wirksam zu militärischen Handlungen beitragen und deren gänzliche oder teilweise Zerstörung, deren Inbesitznahme oder Neutralisierung unter den in dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umständen einen eindeutigen militärischen Vorteil darstellt (Art. 52 Abs. 2 ZP I). Im Zweifelsfall wird vermutet, dass in der Regel für zivile Zwecke bestimmte Objekte, wie z. B. Wohnhäuser oder sonstige Wohnstätten, Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, geschichtliche Denkmäler oder Krankenhäuser, nicht dazu verwendet wird, wirksam zu militärischen Handlungen beizutragen (Art. 52 Abs. 3 ZP I).

Die Tathandlung ist ein gegen zivile Objekte gerichteter Angriff (Art. 49 Abs. 1 ZP I). Angriffe gegen zivile Objekte sind nur strafbar, solange die Objekte durch das humanitäre Völkerrecht als solche geschützt sind. Der Schutz des humanitären Völkerrechts endet, sobald ein Objekt zu einem militärischen Ziel im Sinn des Art. 52 Abs. 2 ZP I geworden ist.

Z 3 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (v) RS sowie Art. 59 und 60 iVm 85 Abs. 3 lit. d ZP I und stellt Angriffe auf unverteidigte Orte und entmilitarisierte Zonen unter Strafe.

Tatobjekte sind unverteidigte Orte und entmilitarisierte Zonen. Unverteidigte Orte (Art. 59 ZP I) sind zur Besetzung offenstehende bewohnte Orte, z. B. Städte oder Dörfer, welche die in Art. 59 Abs. 2 ZP I genannten Voraussetzungen erfüllen. Angriffe gegen einzelne unverteidigte Objekte, wie z. B. Wohn­stätten oder Gebäude, sind nicht erfasst, können jedoch unter Z 2 fallen. In entmilitarisierten Zonen (Art. 60 ZP I) dürfen keine Kriegshandlungen vorgenommen werden. Solche Zonen werden durch Vereinbarung zwischen den Konfliktparteien festgelegt, sofern sie die Voraussetzungen des Art. 60 Abs. 3 ZP I erfüllen.

Die Tathandlung ist ein gegen unverteidigte Orte oder entmilitarisierte Zonen gerichteter Angriff (Art. 49 Abs. 1 ZP I). Über das RS hinausgehend, erfasst Z 3 auch Angriffe in nicht internationalen bewaffneten Konflikten.

Z 4 setzt Art. 15 Abs. 1 lit. b P II HK um. Eine Straftat im Sinne der Z 4 begeht, wer Kulturgut unter verstärktem Schutz oder seine unmittelbare Umgebung zur Unterstützung militärischer Handlungen verwendet.

Unter „Kulturgut unter verstärktem Schutz“ ist gemäß Kapitel 3 P II HK jenes Kulturgut (vgl. Art. 1 HK, sh. Erläuterungen zu § 321c Z 2 StGB) zu verstehen, das die Bedingungen des Art. 10 P II HK erfüllt und dem vom Ausschuss für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten gemäß Art. 11 dieses Protokolls verstärkter Schutz gewährt wurde. Voraussetzung für die Strafbarkeit ist, dass das Tatobjekt zum Zeitpunkt der Tat unter verstärktem Schutz steht (vgl. Art. 13 und 14 P II HK).

Tathandlung ist die Verwendung von Kulturgut unter verstärktem Schutz oder seiner unmittelbaren Umgebung für militärische Zwecke oder dafür, militärische Anlagen zu schützen (vgl. Art. 10 lit. c P II HK), wie z. B. die Verwendung des geschützten Kulturgutes als Gefechtsstand oder für militärische Kommunikationseinrichtungen oder die Stationierung von Waffensystemen in unmittelbarer Nähe des Kulturgutes.

Z 5 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (iv) RS und setzt Art. 85 Abs. 3 lit. b ZP I um. Nach Z 5 macht sich strafbar, wer einen Angriff durchführt, der gegen militärische Ziele gerichtet ist, in dem Wissen, dass dadurch unverhältnismäßige zivile Begleitschäden (Kollateralschäden) verursacht werden. Auf der subjektiven Tatseite wird Wissentlichkeit iSd § 5 Abs. 3 StGB vorausgesetzt, sodass der Täter das Eintreten der genannten Folgen nicht bloß für möglich, sondern für gewiss halten muss, wobei eine ex ante Betrachtung für die Abwägung der Verhältnismäßigkeit entscheidend ist.

Ob die durch den Angriff verursachten zivilen Begleitschäden „in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil“ stehen, ist im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abwägung zu beurteilen. Ein militärischer Vorteil ist dann als „unmittelbar“ anzusehen, wenn der militärische Nutzen ohne das Hinzutreten einer Zwischenursache zu erwarten ist.

Die zivilen Begleitschäden sind die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen (Art. 50 ZP I) oder die Zerstörung oder Beschädigung ziviler Objekte (Art. 52 Abs. 1 ZP I).

Z 6 setzt 85 Abs. 3 lit. c ZP I um. Nach Z 6 macht sich strafbar, wer einen Angriff gegen gefährliche Kräfte enthaltende Anlagen oder Einrichtungen richtet, in Kenntnis davon, dass dadurch unverhältnismäßige zivile Begleitschäden (Kollateralschäden) verursacht werden. Damit wird auf der subjektiven Tatseite zumindest dolus eventualis (§ 5 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB) vorausgesetzt, wobei eine ex ante Betrachtung für die Abwägung der Verhältnismäßigkeit entscheidend ist.

Die Tatobjekte nach Z 6 sind Staudämme, Deiche und Kernkraftwerke als Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten (sh. die jeweils taxative Aufzählung in Art. 56 ZP I und Art. 15 ZP II). Sind solche Anlagen oder Einrichtungen keine militärischen Ziele (vgl. Art. 52 Abs. 2 und 56 Abs. 2 ZP I), sind Angriffe gegen diese von Z 2 erfasst.

Ob die durch den Angriff verursachten zivilen Begleitschäden „in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil“ stehen, ist im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abwägung zu beurteilen. Ein militärischer Vorteil ist dann als „unmittelbar“ anzusehen, wenn der militärische Nutzen ohne das Hinzutreten einer Zwischenursache zu erwarten ist.

Die zivilen Begleitschäden sind die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen (Art. 50 ZP I) oder die Zerstörung oder Beschädigung ziviler Objekte (Art. 52 Abs. 1 ZP I).

Z 7 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (iv) RS und setzt Art. 35 Abs. 3 und Art. 55 ZP I sowie das Übereinkommen über das Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindseligen Nutzung umweltverändernder Techniken (ENMOD-Konvention, BGBl Nr. 144/1990) um. Nach Z 7 macht sich strafbar, wer einen Angriff durchführt, in Kenntnis davon, dass dadurch weitreichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursacht werden. Auf der subjektiven Tatseite wird zumindest dolus eventualis (§ 5 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB) vorausgesetzt. Abweichend vom RS und entsprechend Art. 35 Abs. 3 und Art. 55 ZP I sieht Z 7 keine Abwägung der Verhältnismäßigkeit zwischen den Umweltschäden und dem militärischen Vorteil vor.

Die Begleitschäden (Kollateralschäden) sind weitreichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt. Die Voraussetzungen „weitreichend, langfristig und schwer“ müssen kumulativ vorliegen. „Weitreichend“ sind Schäden, die sich über hunderte Quadratkilometer erstrecken. „Lang­fristig“ umschreibt einen Zustand, der zumindest über Jahre hinweg anhalten muss. „Schwer“ ist ein Schaden, aus dem die Vernichtung des ökologischen Systems resultiert.

Z 8 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xxiii) RS und stellt unter Strafe, wer eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person (§ 321b Abs. 4 StGB) als Schutzschild benutzt, um den Gegner von Kriegshandlungen gegen bestimmte Ziele abzuhalten.

Die Tathandlung ist das Benutzen einer zu schützenden Person als Schutzschild mit dem Ziel, Kriegs­handlungen von bestimmten Punkten oder Gebieten fernzuhalten, militärische Ziele vor Angriffen abzuschirmen oder Kriegshandlungen zu decken, zu begünstigen oder zu behindern (Art. 51 Abs. 7 ZP I). Ob diese Person freiwillig oder unfreiwillig als Schutzschild herangezogen wird, ist unbeachtlich.

Z 9 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xxv) RS und stellt das Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegsführung unter Strafe. Über das RS hinausgehend erfasst Z 9 auch nicht internationale bewaffnete Konflikte (vgl. Art. 14 ZP II).

Tatobjekte sind jegliche Zivilpersonen, weshalb grundsätzlich auch eigene Staatsangehörige umfasst sein können.

Tathandlung ist das Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegsführung, entweder durch das Vorenthalten lebensnotwendiger Gegenstände (Art. 54 Abs. 2 ZP I und Art. 14 ZP II) oder die Behinderung von Hilfslieferungen zur Versorgung von Zivilpersonen mit lebensnotwendigen Gegen­ständen unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Das wird in der Regel dadurch verwirklicht, dass eine Konfliktpartei Zivilpersonen von ihren eigenen Nahrungsmittelreserven abschneidet oder ihre Versorgung mit lebensnotwendigen Gegenständen unterbindet.

Lebensnotwendige Gegenstände können nicht nur Nahrungsmittel, zur Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzte, landwirtschaftliche Gebiete, Ernte- und Viehbestände, Trinkwasserversorgungsanlagen und -vorräte, etc., sondern auch Decken, Kleidung und Arzneimittel umfassen.

Unter „Hilfslieferungen“ sind „Hilfsaktionen“ im Sinn der GA und ZP I und II zu verstehen. Die Behinderung von Hilfslieferungen ist nur dann strafbar, wenn sie gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt (vgl. Art. 59 GA IV, Art. 70 ZP I, Art. 18 Abs. 2 ZP II).

Ein Einsatz als „Methode der Kriegsführung“ liegt dann vor, wenn das Aushungern von Zivilpersonen durch eine Konfliktpartei als „Waffe“ eingesetzt wird, um den Gegner dadurch zu schwächen.

Z 10 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xii) und lit. e (x) RS und stellt die Anordnung oder Erklärung durch einen Vorgesetzten, dass kein Pardon gegeben wird, unter Strafe.

Im Einklang mit den Verbrechenselementen zu Art. 8 Abs. 2 lit. b (xii) und lit. e (x) RS ist der Täterkreis auf Vorgesetzte (§ 321g Abs. 2 StGB) eingeschränkt, die tatsächliche Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle über ihre Untergebenen innehaben.

Die Tathandlung ist die förmliche Erteilung eines Befehls bzw. einer Weisung oder die Abgabe einer sonstigen Erklärung gegenüber Untergebenen, dass kein Pardon gegeben wird. Der Begriff „kein Pardon“ bedeutet, dass niemand am Leben gelassen werden soll (vgl. Art. 40 ZP I).

Z 11 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xi) und Abs. 2 lit. e (ix) RS und dient u.a. der Umsetzung von Art. 37 Abs. 1 ZP I (soweit die Tat nicht von § 321d Abs. 2 StGB erfasst ist) und stellt die heimtückische Tötung oder Verwundung von Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder Kämpfern der gegnerischen Partei unter Strafe. Unter Verwundung iSd Z 11 ist eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) zu verstehen.

Als „heimtückisch“ gelten Handlungen, durch die ein Gegner in der Absicht, sein Vertrauen zu miss­brauchen, verleitet wird, darauf zu vertrauen, dass er nach den Regeln des humanitären Völkerrechts Anspruch auf Schutz hat oder verpflichtet ist, Schutz zu gewähren (z. B. Vortäuschen der Absicht, sich zu ergeben; Vortäuschen von Kampunfähigkeit infolge Verwundung oder Krankheit; Vortäuschen eines zivilen oder Nichtkombattantenstatus; vgl. Art. 37 Abs. 1 ZP I).

Tatobjekte sind Angehörige der gegnerischen Streitkräfte oder Kämpfer der gegnerischen Partei. Der Ausdruck „Kämpfer der gegnerischen Partei“ bezieht sich auf nicht internationale bewaffnete Konflikte und umfasst alle Personen, die unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen.

Zu Abs. 2:

Abs. 2 schafft Erfolgsqualifikationen in den Fällen der Z 1 bis 10 bei Todesfolge oder der Verursachung einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person (Entwurf für § 321b Abs. 4 StGB) und sieht für diese Fälle eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren vor. Im Rahmen der Erfolgsqualifikation ist die fahrlässige Herbeiführung des Erfolges ausreichend (§ 7 Abs. 2 StGB).

Zur Struktur des § 321f StGB:

Abs. 1 erfasst verschiedene Tatbestände des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung (Z 1 bis 3), die im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt begangen werden. Für alle Tatbestände ist eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vorgesehen.

Abs. 2 schafft Erfolgsqualifikationen bei Todesfolge einer Person oder bei Verursachung einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) und sieht für diese Fälle eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren vor.

Abs. 3 sieht einen erhöhten Strafrahmen von zehn bis zu zwanzig Jahren für jene Fälle vor, in denen die verwendeten Mittel (Abs. 1) zur Massenvernichtung bestimmt und geeignet sind.

Zu Abs. 1:

Nach Abs. 1 macht sich strafbar, wer im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt die in Z 1 bis 3 angeführten Mittel verwendet, unabhängig davon, ob es sich um einen internationalen oder nicht internationalen bewaffneten Konflikt handelt. Die Ausweitung der Strafbarkeit auf die Verwendung der in Z 1 bis 3 angeführten Mittel in nicht internationalen bewaffneten Konflikten beruht auf einer im Rahmen der Überprüfungskonferenz des RS des IStGH am 10. Juni 2010 in Kampala beschlossenen Änderung des Art. 8 Abs. 2 lit. e RS durch Einfügung der lit. e (xiii) bis (xv); vgl. Erläuterungen in RV 27 dB NR XXIV. GP.

Z 1 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) und Art. 8 Abs. 2 lit. e (xiii) RS und stellt die Verwendung von Gift oder vergifteten Kampfmitteln unter Strafe. „Gift“ ist nach den Verbrechenselementen zu Art. 8 Abs. 2 lit. b (xvii) und Art. 8 Abs. 2 (e) (xiii) RS eine Substanz, die durch ihre toxischen Eigenschaften wirkt und geeignet ist, den Tod oder einen schweren Gesundheitsschaden zu bewirken. Sofern im Rahmen eines Waffeneinsatzes giftige Substanzen freigesetzt werden oder entstehen, ist die durch den Einsatz bezweckte Schädigungsweise entscheidend. Das bedeutet, dass giftige (Neben-)Wirkungen, die außerhalb der bezweckten Schädigungsweise der Waffe liegen, für Z 1 nicht tatbestandsmäßig sind.

Z 2 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xviii) und Art. 8 Abs. 2 lit. e (xiv) RS und stellt die Verwendung von biologischen oder chemischen Kampfmitteln unter Strafe. Für die Definition von biologischen und chemischen Kampfmitteln wird auf die Erläuterungen zum Entwurf des § 177a Abs. 1 StGB verwiesen (sh. RV 327 dB NR XIX. GP, S.48; vgl. auch Art. I des Übereinkommens über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen, BGBl. Nr. 432/1975, und Art. II Z 1 und 2 des Übereinkommens über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes Chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen, BGBl. III Nr. 38/199).

Z 3 beruht auf Art. 8 Abs. 2 lit. b (xix) und Art. 8 Abs. 2 lit. e (xv) RS und stellt die Verwendung von Geschossen unter Strafe, die sich leicht im Körper des Menschen ausdehnen oder flachdrücken, insbesondere Geschosse mit einem harten Mantel, der den Kern nicht ganz umschließt oder mit Einschnitten versehen ist (sog. „Dum-Dum-Geschosse).

Ein Einsatz derartiger Geschosse, der nicht im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt steht (z. B. Maßnahmen der Verbrechensbekämpfung wie Geiselbefreiungen), ist nicht von Z 3 erfasst (sh. oben die Vorbemerkungen zu den Entwürfen für §§ 321b bis 321f StGB sowie Z 4 der Verbrechenselemente zu Art. 8 Abs. 2 lit. e (xv) RS).

Der Vorsatz des Täters muss sich auch darauf beziehen, dass die Natur der Geschosse derartig ist, dass ihre Verwendung unnötigerweise die Leiden oder Verletzungswirkung verstärkt (vgl. Z 3 der Verbrechenselemente zu Art. 8 Abs. 2 lit. b (xix) und Art. 8 Abs. 2 lit. e (xv) RS).

Zu Abs. 2:

Abs. 2 schafft Erfolgsqualifikationen bei Todesfolge einer Person oder bei Verursachung einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) und sieht für diese Fälle eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren vor. Im Rahmen der Erfolgsqualifikation ist die fahrlässige Herbeiführung des Erfolges ausreichend (§ 7 Abs. 2 StGB).

Zu Abs. 3:

Abs. 3 sieht einen erhöhten Strafrahmen von zehn bis zu zwanzig Jahren für jene Fälle vor, in denen die verwendeten Mittel (Abs. 1) zur Massenvernichtung bestimmt und geeignet sind.

Für die Definition von zur Massenvernichtung bestimmten und geeigneten Kampfmitteln wird auf die Erläuterungen zum Entwurf des § 177a Abs. 1 StGB verwiesen (sh. RV 327 dB NR XIX. GP, S.48).

Der Vorsatz des Täters muss sich auch darauf beziehen, dass die verwendeten Mittel zur Massenvernichtung bestimmt und geeignet sind.

Zu §§ 321g bis 321i StGB:

Vorbemerkungen:

§§ 321g bis 321i StGB beruhen auf Art. 28 RS und begründen die Verantwortlichkeit Vorgesetzter für oder im Zusammenhang mit Straftaten ihrer Untergebenen nach dem fünfundzwanzigsten Abschnitt des StGB (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen).

Die unterschiedlichen Erscheinungsformen der strafrechtlichen Vorgesetztenverantwortlichkeit werden in drei Tatbestände gegliedert: Verantwortlichkeit als Vorgesetzter (§ 321g), Verletzung der Aufsichtspflicht (§ 321h) und Unterlassung der Meldung einer Straftat (§ 321i).

Alle diese Tatbestände schaffen echte Unterlassungsdelikte, d.h. die Nichtvornahme eines gebotenen Tuns wird mit Strafe bedroht, und sind als Sonderdelikte für Vorgesetzte konzipiert.

Die Verantwortlichkeit von Vorgesetzten als Bestimmungstäter ist hingegen von § 12 StGB erfasst.

Zu § 321g StGB:

Zu Abs. 1:

Nach Abs. 1 macht sich strafbar, wer es als Vorgesetzter (Abs. 2) unterlässt, einen Untergebenen, der seiner tatsächlichen Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle untersteht, daran zu hindern, eine Tat nach dem fünfundzwanzigsten Abschnitt des StGB zu begehen. Der Vorgesetzte wird wie ein Täter der von dem Untergebenen begangenen Tat bestraft.

Der Vorgesetzte handelt tatbestandsmäßig, wenn er es unterlässt, einen Untergebenen an der Tat zu hindern. Der Vorgesetzte muss grundsätzlich alles in seiner Macht stehende tun, um den Erfolgseintritt abzuwenden. Er muss aber auch tatsächlich in der Lage sein, die Tat des Untergebenen zu verhindern. Die Strafbarkeit scheidet weiters aus, wenn das zur Verhinderung hinreichend geeignete Verhalten aus vom Vorgesetzten unbeeinflussbaren Gründen scheitert (vgl. dazu Kienapfel/Schmoller, StudB BT III2 § 286 Rn 26).

Unter „Befehlsgewalt“ ist die formelle Befugnis zur Erteilung von Befehlen (§ 2 Z 5 des Bundesgesetzes über besondere strafrechtliche Bestimmungen für Soldaten (Militärstrafgesetz – MilStG), BGBl. Nr. 344/1970 idgF und § 2 Z 4 der Verordnung der Bundesregierung vom 9. Jänner 1979 über die Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV), BGBl. Nr. 43/1979 idgF, in einer militärischen Hierarchie zu verstehen. Der Ausdruck „Führungsgewalt“ stellt einerseits auf Situationen ab, in denen dem Täter aufgrund besonderer Anordnung (z. B. Gesetze, Verordnungen, Organisationsvorschriften und Dienstanweisungen) das Recht zusteht, Weisungen (vgl. Art. 20 Abs. 1 B-VG) oder sonstige Anordnungen an Untergebene in einer zivilen Organisationen oder einem Unternehmen zu erteilen, andererseits auch auf Situationen, in denen der Täter ungeachtet einer formellen Hierarchie faktisch Autorität über andere Personen ausübt (z. B. Anführer einer Rebellengruppe). Zusätzlich zur „Befehls- oder Führungsgewalt“ muss der Vorgesetzte auch die Kontrolle über den Untergebenen innehaben. “Kontrolle“ liegt dann vor, wenn der Vorgesetzte die Befolgung seiner Anordnungen auch gegen den Willen des Untergebenen durchsetzen kann.

Zu Absatz 2:

Abs. 2 definiert wer „Vorgesetzter“ ist.

Als „militärischer Vorgesetzter“ gilt, wem aufgrund besonderer Anordnung (z. B. Gesetze, Verordnungen, Organisationsvorschriften, Dienstanweisungen und Befehle) in einer militärischen Hierarchie das Recht der Befehlsgebung gegenüber Untergebenen zusteht, die auf Grund dieser Anordnung an seine Befehle gebunden sind (vgl. § 2 Z 5 ADV).

„Zivile Vorgesetzte“ sind Personen, denen aufgrund besonderer Ermächtigung innerhalb einer zivilen Organisation oder einem Unternehmen die Befugnis erteilt wurde, Weisungen (vgl. Art. 20 Abs. 1 B-VG) oder sonstige Anordnungen an Untergebene zu erteilen.

Als Vorgesetzte gelten auch Personen, die ohne militärische oder zivile Vorgesetzte zu sein, in einer Truppe, in einer zivilen Organisation oder in einem Unternehmen über andere Personen tatsächliche Führungsgewalt und Kontrolle ausüben. Dies umfasst auch Situationen, in denen der Täter ungeachtet einer formellen Hierarchie faktisch Autorität über andere Personen ausübt (z. B. Anführer einer Rebellengruppe). Dadurch wird die Verantwortlichkeit auch auf Personen ausgedehnt, die zwar nicht militärische oder zivile Vorgesetzte sind, aber faktisch mit diesen vergleichbare Funktionen innehaben. Zusätzlich zur „Führungsgewalt“ muss der Vorgesetzte auch die Kontrolle über den Untergebenen innehaben. “Kontrolle“ liegt dann vor, wenn der Vorgesetzte die Befolgung seiner Anordnungen auch gegen den Willen des Untergebenen durchsetzen kann.

Zu § 321h StGB:

Zu Abs. 1:

Abs. 1 beruht auf Art. 28 lit. a (ii) RS und stellt die Verletzung der Aufsichtspflicht durch einen Vor­gesetzten (Entwurf des § 321g Abs. 2 StGB) unter Strafe. Demnach macht sich ein Vorgesetzter strafbar, der es unterlässt, einen Untergebenen, der seiner tatsächlichen Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle untersteht (vgl. Erläuterungen zu § 321g Abs. 1), gehörig zu beaufsichtigen, wenn der Untergebene eine Tat nach dem fünfundzwanzigsten Abschnitt des StGB begeht, deren Bevorstehen dem Vorgesetzten erkennbar war und die er hätte verhindern können. In diesem Fall ist eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen.

Die Pflicht des Vorgesetzten umfasst die Beaufsichtigung des Untergebenen dahingehend, dass dieser keine Straftaten nach dem fünfundzwanzigsten Abschnitt des StGB begeht. Die Tathandlung erschöpft sich daher in der Verletzung der Aufsichtspflicht des Vorgesetzten. Nicht jede mangelhafte Beaufsichtigung ist tatbestandsmäßig; die unterlassene Beaufsichtigung muss vielmehr gerade den Bereich berühren, der die Verhütung drohender Straftaten nach diesem Abschnitt des StGB zum Gegenstand hat. Die gehörige Beaufsichtigung beginnt bereits bei der Ausbildung und Unterweisung der Untergebenen.

Die Aufsichtspflichtverletzung ist nur strafbar, wenn der Untergebene eine Tat nach dem fünfund­zwanzigsten Abschnitt des StGB begeht.

Vorausgesetzt wird auch, dass das Bevorstehen der Tat für den Vorgesetzten erkennbar war und er diese verhindern hätte können. Es muss also ein gewisser Kausalzusammenhang zwischen der Aufsichtspflichtverletzung des Vorgesetzten und der Tat des Untergebenen bestehen. Durch ein Hinzudenken der gebotenen Aufsicht müsste demnach der Taterfolg in seiner konkreten Gestalt entfallen.

Zu Abs. 2:

Abs. 2 stellt die fahrlässige Verletzung der Aufsichtspflicht nach Absatz 1 unter Strafe. In diesem Fall ist eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorgesehen.

Zu § 321i StGB:

§ 321i beruht auf Art. 28 lit. a (ii) und lit. b (iii) RS und stellt das Unterlassen der unverzüglichen Anzeige einer Straftat nach dem fünfundzwanzigsten Abschnitt des StGB, die ein Untergebener begangen hat, durch einen Vorgesetzten (§ 321g Abs. 2) unter Strafe. In diesem Fall ist eine Freiheits­strafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen.

Der Vorgesetzte hat unverzüglich nach Kenntnis von der Tat des Untergebenen die relevanten Informationen der für die Untersuchung oder Verfolgung solcher Taten zuständigen Stellen vorzulegen. Im Lichte der §§ 78 StPO sowie 4 HDG 2014 bedeutet dies aus österreichischer Sicht die Anzeige an die Staatsanwaltschaft.

Zu § 321j StGB:

§ 321j beruht auf Art. 33 Abs. 1 lit. b RS und stellt das Handeln auf Befehl oder sonstige Anordnung dann straffrei, wenn der Täter nicht wusste, dass der Befehl oder die Anordnung rechtswidrig war. Im Einklang mit Art. 33 Abs. 2 RS (demzufolge Anordnungen zur Begehung von Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit immer als offensichtlich rechtswidrig gelten) bezieht sich der Verbotsirrtum nach § 321j nur auf Kriegsverbrechen (§§ 321b bis 321i), nicht jedoch auf Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Der Täter ist nach § 321j nicht zu bestrafen, wenn er die Tat in Ausführung eines militärischen Befehls (§ 2 Z 5 MilStG) oder einer sonstigen Anordnung von vergleichbarer Bindungswirkung (z. B. Gesetze, Verordnungen, Dienstanweisungen und Weisungen) begeht. Der Täter muss rechtlich verpflichtet sein, solchen Befehlen oder Anordnungen Folge zu leisten. Erfasst sind daher nur solche Befehle oder Anordnungen, die von einer berechtigten Einrichtung oder Stelle ausgehen.

Voraussetzung der Straffreiheit ist, dass der Untergebene nicht erkennt, dass der Befehl oder die Anordnung rechtswidrig ist und deren Rechtswidrigkeit auch nicht offensichtlich ist.

Zu Artikel 2 (Änderung der Strafprozessordnung 1975)

Zu Z 1 bis 7 (§§ 20c, 28a, 32a, 514, 516)

Mit diesem Vorschlag soll internationalen Standards und „best practice“-Vorbildern gefolgt werden. Europaweit haben bis zum Jahr 2010 bereits mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union Sonderzuständigkeiten (bei Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft) geschaffen, nämlich Belgien, Dänemark, Deutschland, Niederlande, Norwegen und Schweden[1]. In Deutschland ist der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof für die Verfolgung von Straftaten nach dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) originär zuständig.

Gerade im Bereich dieser schwersten Straftaten scheint eine Spezialisierung, wie sie in Österreich bereits für die Verfolgung von umfangreichen Wirtschaftsstrafsachen und Korruption durch Einrichtung der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) erfolgt ist, geboten. Gemeinsam mit der Umsetzung der materiell-rechtlichen Bestimmungen des RS des IStGH im StGB soll deswegen eine Sonderzuständigkeit bei der Staatsanwaltschaft Wien eingerichtet werden, wobei auch korrespondierend entsprechende Anklagen beim Landesgericht für Strafsachen eingebracht und dort verhandelt werden sollen, um einerseits auch bei Gericht spezialisierte Organe einsetzen zu können und andererseits Wechsel zwischen Ermittlungs- und Hauptverfahren zu vermeiden und die Effizienz des gesamten Strafverfahrens zu erhöhen. Eine Zentralisierung in Wien hat darüber hinaus den Vorteil, dass eine größere Anzahl von Dolmetscherinnen und Dolmetschern für ein breiteres Spektrum von Sprachen zur Verfügung steht, was gerade im Bereich der Verfolgung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen notwendig erscheint.

Die vorgeschlagenen Sonderzuständigkeiten der Staatsanwaltschaft Wien (§ 20c) und des Landesgerichts für Strafsachen Wien (§ 32a) sollen sich daher speziell auf die im 25. Abschnitt des Strafgesetzbuchs geregelten sowie allenfalls auf damit in Zusammenhang (§ 26) stehende Straftaten beschränken. Die gerichtlichen Zuständigkeiten im Ermittlungs- und Hauptverfahren sollen hierfür insoweit klar und genau abgegrenzt werden und vorhersehbar sein.

Ermittlungsverfahren wegen der genannten Straftaten werfen zumeist zahlreiche transnationale Aspekte auf, weil Opfer und allenfalls auch Täter in unterschiedlichen Staaten Zuflucht bzw. Versteck suchen. Es ist deswegen in nationalen Ermittlungsverfahren damit zu rechnen, dass Ermittlungsmaßnahmen im Ausland auf Basis eines Rechtshilfeersuchens durchgeführt und letztlich auch Auslieferungsersuchen gestellt werden müssen. Die Zentralisierung hat auch hier den Vorteil, dass internationale Kontakte geknüpft werden können, die einen besseren Erfahrungsaustausch ermöglichen.

Insgesamt scheint es daher im internationalen Kontext effizient zu sein, eine einzige „Ansprechstelle“ einzurichten. In diesem Sinne hat eine bundesweite Zuständigkeit für die Leistung von Rechtshilfe durch Österreich aufgrund eines Ersuchens aus dem Ausland den Vorteil, dass einerseits ein engerer Kontakt zwischen den Strafverfolgungsbehörden der unterschiedlichen Staaten besteht, der die Leistung von Rechtshilfe erleichtern und unter Umständen beschleunigen kann, und andererseits das Wissen über die international anhängigen Strafverfahren bei einer Behörde gebündelt wird.

In diesem Zusammenhang ist ferner auf den Beschluss 2002/494/JI des Rates vom 13. Juni 2002 zur Einrichtung eines Europäischen Netzes von Anlaufstellen betreffend Personen, die für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gesucht werden (ABl. 2001/16, 1), zu verweisen. Dieser sieht vor, dass jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union eine nationale Anlaufstelle für den Austausch von sachdienlichen Informationen betreffend Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu bestimmen hat. Gemäß Art. 2 Abs. 1 des genannten Beschlusses ist es Aufgabe der Anlaufstellen, „im Einklang mit den einschlägigen Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten und dem geltenden innerstaatlichen Recht auf Ersuchen alle verfügbaren Informationen, die für die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Ermittlungen zu Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen von Belang sein können, zu erteilen bzw. die Zusammenarbeit mit den zuständigen einzelstaatlichen Behörden zu erleichtern“. Nach Abs. 2 leg. cit. können die Anlaufstellen „[i]n den Grenzen des geltenden innerstaatlichen Rechts […] sachdienliche Informationen ohne ein diesbezügliches Ersuchen untereinander austauschen“. Die Anlaufstelle für Österreich ist derzeit im Bundesministerium für Justiz angesiedelt und soll nach Umsetzung dieses Vorschlages der bundesweiten sachlichen Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wien übertragen werden.

Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wien soll jedoch nicht sämtliche subjektiv und/oder objektiv konnexe Verfahren mitumfassen. Deswegen wird als Ausnahme vom Grundsatz des Zusammenhangs (§ 26) eine gemeinsame Führung mit anderen Ermittlungsverfahren nur für den Fall vorgeschlagen, dass ein sachlicher Zusammenhang zu den in Abs. 1 genannten Straftaten besteht. Andere nicht zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt konnexe Straftaten hätte die Staatsanwaltschaft Wien zu trennen (§ 27) und an die zuständige Staatsanwaltschaft zu übermitteln.

Die Regelung in § 28a betrifft, wie auch schon bei der WKStA, die Schaffung einer Kompetenz der Generalprokuratur, die in den Fällen eines Zuständigkeitskonflikts zwischen der – im Rahmen dieser Straftaten bundesweit zuständigen – Staatsanwaltschaft Wien und anderen Staatsanwaltschaften entscheiden soll.

Aus Effizienzerwägungen sind die vorgeschlagenen Änderungen nur in den Verfahren anzuwenden, die nach Inkrafttreten der Bestimmungen beginnen werden (§ 1 Abs. 2).



[1] Strategies for the Effective Investigation and Prosecution of Serious International Crimes – The Practice of Specialised War Crimes Units, December 2010 (http://www.fidh.org/IMG/pdf/The_Practice_of_Specialised_War_Crimes_Units_Dec_2010.pdf).