Entwurf

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

I) Allgemeines

1) Ursache und Ziel der geplanten Reform

Im Laufe der letzten Monate verstärkte sich der Bedarf einer Reform im Bereich des Strafvollzugs und des Vollzugs freiheitsentziehender Maßnahmen. Dies betrifft in erster Linie die Betreuungssituation der Insassen (insbesondere der nach den §§ 21 bis 23 StGB und damit im sogenannten Maßnahmenvollzug untergebrachten Personen), aber auch die Organisation der Verwaltung des Strafvollzugs und des Vollzugs freiheitsentziehender Maßnahmen, insbesondere unter den Aspekten der Aufsicht und Kontrolle. Die derzeit bestehende Zweiteilung in eine grundsätzliche strategische Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz und die Wahrnehmung der operativen Agenden durch die Vollzugsdirektion hat sich als nicht ausreichend effizient erwiesen, um eine Weiterentwicklung des Strafvollzugs und des Vollzugs freiheitsentziehender Maßnahmen, aber auch des Vollzugs der Untersuchungshaft, gelockerter Vollzugsformen oder des elektronisch überwachten Hausarrests zu gewährleisten.

Im Vollzugsbereich sind verschiedenste Prozesse, wie etwa der Abteilungs- und Arbeitsbetrieb, aber auch die Behandlungs- und Betreuungsleistungen sowie exekutive Aufgaben aufeinander zu beziehen und miteinander zu koordinieren. Daher ist beträchtliches Know-How in den Bereichen Management und Führung, aber auch besondere Fachkunde im Umgang mit sozial abweichendem Verhalten gefordert.

Den hohen und vielfältigen Anforderungen in diesem Bereich soll nun durch die Schaffung einer neuen Organisation Rechnung getragen werden. Unter gleichzeitiger Auflösung der Vollzugsdirektion sollen sämtliche Agenden dieser bisher als Dienstbehörde I. Instanz und Vollzugsoberbehörde bestehenden Einrichtung zukünftig direkt in der Zentralstelle des Bundesministeriums für Justiz wahrgenommen werden. Die neu zu schaffende Organisationseinheit soll als Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen bezeichnet und als Gruppe innerhalb der Struktur des Bundesministeriums für Justiz eingeordnet werden, um ihre Bedeutung und Eigenständigkeit auch nach außen hin sichtbar zu machen. Die ausdrückliche Anführung anderer freiheitsentziehender Maßnahmen betont deren eigenständige Bedeutung. Auf diese Weise soll eine zentrale Kompetenz für Planung, Organisation, Leitung, Steuerung, Rechtsschutz und Öffentlichkeitsarbeit und ein zentraler Ansprechpartner für alle Belange des Vollzugsbereichs entstehen.

Erklärtes Ziel dieser Strukturreform ist es, unter möglichst vollständigem Verzicht auf Zwischenhierarchien eine einheitliche, zentrale Steuerungsebene zu schaffen. Die Organisationsstrukturen sollen gestrafft, die Entscheidungswege verkürzt, klarere Zuständigkeiten und Entscheidungsabläufe etabliert werden. Der Bundesminister für Justiz soll die ihm letztlich obliegende Verantwortung für den Vollzugsbereich effektiv wahrnehmen und effiziente Entscheidungen treffen können. Grundlegende Voraussetzung dafür ist ein rascher und möglichst unmittelbarer Informationsfluss. Die organisatorische und auch räumliche Nähe zur Ressortleitung soll konsequente, ungehinderte Entscheidungen ermöglichen.

Ein rein strategisch ausgerichteter Bereich soll losgelöst von den Belastungen des klassischen „Tagesgeschäfts“ notwendige Impulse in der Vollzugsverwaltung geben und auch über entsprechende – personelle und finanzielle – Ressourcen verfügen, um eine Gesamtstrategie vorgeben und Konzepte für eine Fortentwicklung der verschiedenen Vollzugsbereiche erarbeiten zu können.

Aber auch die Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen Organisationseinheiten mit primär strategischer Ausrichtung und solcher mit operativen Agenden soll durch deren Konzentration in einer Behörde erleichtert werden. Eine zumindest teilweise interdisziplinäre Ausgestaltung und die Bündelung aller Vollzugs- und Betreuungsagenden in der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen sollen den bestmöglichen Umgang mit Betreuungsfragen garantieren. Die Neugestaltung soll zu einer Verbesserung der Betreuungssituation insgesamt führen – auch durch eine differenzierte Behandlung der einzelnen Vollzugsformen. Gleichzeitig soll ein System der Sicherung bestehender Qualität, aber auch der effektiven Aufsicht und Kontrolle eingeführt werden, bei dem alle Fäden hinsichtlich sämtlicher Beschwerden und sonstiger Missstandsmeldungen zusammenlaufen.

Die weiteren Aufgaben der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen entsprechen – abgesehen von den im Vollzugsbereich bestehenden Besonderheiten – der traditionellen Aufteilung in Personal und Infrastruktur.

Mögliche Alternativen zu der nun dargestellten Organisation wären die Etablierung von Vollzugskompetenzen bei den Oberlandesgerichten oder die dortige Errichtung von Außenstellen zur Wahrnehmung operativer Agenden (bei grundsätzlicher Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz) gewesen. Genauso wie die ebenfalls angedachte Reform der Vollzugsdirektion unter Schaffung einer neuen Abteilungsstruktur können diese Alternativen aber die angestrebten Ziele der Reorganisation nicht in gleichem Ausmaß, aber auch nicht in der gleichen Qualität erreichen. Das der Reform zugrunde liegende Hauptziel, nämlich die einheitliche Führung sämtlicher Vollzugsagenden in organisatorischer und räumlicher Nähe zur Ressortleitung, kann am besten durch die nun gewählte Organisation erreicht werden. Durch die Zusammenführung von Kompetenzen und Ressourcenverantwortung in einer zentralen Struktur wird der Koordinationsbedarf insgesamt vermindert, positive Synergieeffekte werden genutzt. Eine Mehrfachbelastung bereits vorhandener Organisationseinheiten wird vermieden.

Die neue Organisationsstruktur repräsentiert eine den Vollzugs-, Personal-, Wirtschafts- und Rechtsbereich allumfassende Steuerungsebene, die aufgrund ihrer Ansiedelung im Bundesministerium für Justiz die unmittelbare Nähe der Vollzugsverwaltung zur Ressortspitze gewährleistet, die Wahrnehmung der Aufsichts- und Durchgriffsbefugnisse ermöglicht und eine effiziente Führung der österreichischen Vollzugsverwaltung sicherstellt. Diese qualitativen Verbesserungen in Organisation und Struktur werden flankiert durch die bereits erfolgte Schaffung 100 zusätzlicher Planstellen für den Vollzugsbereich, die mit entsprechend qualifiziertem Personal besetzt werden sollen. Gemeinsam sollen diese Maßnahmen einen echten Neubeginn im Vollzugsbereich bewirken, sodass dieser sein primäres Ziel – die Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft – noch effektiver verfolgen kann.

2) Gesetzliche Anpassungen

Die Auflösung der Vollzugsdirektion bedingt eine Reihe von Änderungen in Gesetzen und Verordnungen, die derzeit Kompetenzen der Vollzugsdirektion vorsehen. Inhaltlich soll sich an den Vollzugskompetenzen hingegen nichts ändern. Neben Änderungen im Strafvollzugsgesetz und der Strafprozessordnung sind auch jene Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes, die sich auf die Festlegung des Vollzugsortes durch die Vollzugsdirektion beziehen, anzupassen.

Kleinere Änderungen betreffen das Exekutivdienst- und Anerkennungszeichengesetz und das Rechtspraktikantengesetz sowie die Richteramtsanwärter-Ausbildungsverordnung. Daneben werden weitere Verordnungen, etwa im Bereich der Grundausbildungen, zu ändern sein.

3) Finanzielle Auswirkungen

Die Neuorganisation des Vollzugs erfolgt im Wesentlichen mit dem Ziel der Planstellenneutralität. Die für die Erfüllung jener Aufgaben, die der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen im Zuge der Neuorganisation übertragen werden, benötigten Bediensteten werden primär aus vorhandenen Personalkapazitäten bereitgestellt. Dies wird möglich durch die Auflösung sowohl der Vollzugsdirektion als auch der derzeit mit der Führung der Aufgaben des Strafvollzugs betrauten Abteilung des Bundesministeriums für Justiz. Das bereits mit der spezifischen Ausgestaltung der Vollzugsdirektion angestrebte Ziel der Interdisziplinarität soll auch in der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen verwirklicht werden. Daher sollen die verschiedenen im Vollzugsbereich tätigen Berufsgruppen auch dort repräsentiert sein. Dies schließt naturgemäß nicht aus, dass nach eingehender Evaluierung der neuen Organisationsform über einen längeren Zeitraum hinweg ein Nachjustieren bei der Personalausstattung erforderlich wird.

Durch die Zusammenführung sämtlicher Vollzugsagenden in der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen werden zudem zwei Funktionsposten eingespart.

Die Vollzugsdirektion ist derzeit extern untergebracht. Durch die Auflösung der Vollzugsdirektion entfallen die Kosten für die Anmietung dieser Räumlichkeiten. Im Gegenzug wird es durch die Überführung des Großteils des Personals der Vollzugsdirektion in die Zentralstelle und der dadurch bedingten Erhöhung der Gesamtzahl an Bediensteten erforderlich sein, neue Räumlichkeiten in unmittelbarer Nähe des Bundesministeriums für Justiz anzumieten. Dafür werden aber aller Voraussicht nach geringere Mietkosten anfallen, sodass höchstwahrscheinlich sogar eine Kostenreduktion erreicht werden kann.

II. Kompetenzgrundlage

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 (Strafrechtswesen; Justizpflege; Einrichtungen zum Schutz der Gesellschaft gegen verbrecherische oder sonstige gefährliche Personen) und aus Art. 10 Abs. 1 Z 16 („Einrichtung der Bundesbehörden und sonstigen Bundesämter; Dienstrecht und Personalvertretungsrecht der Bundesbediensteten“) des Bundes-Verfassungsgesetzes.

III. Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

IV. Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Das Recht der Europäischen Union wird nicht berührt.

Besonderer Teil

 

Zu Art. 1 Z 1 bis 11 und 13 sowie 17 bis 29, Art. 2, 3 und 4 (§§ 10 Abs. 1, 12, 13, 14 Abs. 1 und 3, 14a Abs. 1 und 2, 15 b Abs. 1, 15c Abs. 1. 16a Abs. 1 Z 2 und 3, 24 Abs. 3, 78 Abs. 2, 80 Abs. 2, 84 Abs. 1 und 3, 101 Abs. 2 und 3, 106 Abs. 3, 116 Abs. 1, 121 Abs. 5, 134 Abs. 1 und 6, 135 Abs. 2 und 161 StVG; §§ 183 Abs. 2 und 3 und 514 Abs. 26 StPO; §§ §§ 55 Abs. 5, 56 Abs. 1 und 57 sowie Art. VIII Abs. 4h JGG 1988; §§ 26 Abs. 1 Z 3, 26a und 30 Abs. 9):

Die hier vorgeschlagenen Änderungen sind durch die beabsichtigte Auflösung der Vollzugsdirektion und Schaffung der Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen als Organisationseinheit im Bundesministerium für Justiz bedingt.

Zu Art. 1 Z 12 (§ 18 Abs. 2 StVG):

Diese Änderung steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem gegenständlichen Gesamtvorhaben, soll aber gleichfalls in einem Detailbereich für eine erhöhte Effizienz sorgen. Nach § 18 Abs. 1 StVG steht im Verfahren nach den §§ 16 Abs. 3 und 16a die Entscheidung einem Senat zu. Die Senate setzen sich aus zwei Richter/innen, von denen eine/r den Vorsitz führt, und einem/einer fachkundigen Laienrichter/in zusammen. Die Regelung des Abs. 2, wonach im Falle mehrerer Senate die Beschwerden von in ein- und derselben Anstalt angehaltenen Personen auch demselben Senat zuzuweisen sind, wurde seinerzeit geschaffen, um Ausgeschlossenheiten nach § 18 Abs. 3 Z 1 (fachkundige Laienrichter/innen sind in Beschwerdesachen ausgeschlossen, wenn sie in erster Instanz an der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt haben) hintanzuhalten. Die Bestimmung orientierte sich an § 11a Abs. 1 StVG idF BGBl. I Nr. 138/2000, der schon für die Vollzugskammern eine ähnliche Lösung vorgesehen hatte. In der Praxis hat sich jedoch nunmehr herausgestellt, dass die Regelung auch bewirkt, dass extreme Anfallsungleichheiten durch die starre, im Gesetz festgelegte Vorgabe auf der Ebene der Geschäftsverteilung (ohne Änderung derselben) nicht mehr ausgeglichen werden können. Um hier die für eine unbürokratische Herstellung der Belastungsgerechtigkeit nötige Flexibilität gewährleisten zu können, wird vorgeschlagen, § 18 Abs. 2 ersatzlos zu streichen. Eine Abschwächung des Grundsatzes der festen Geschäftsverteilung ist damit nicht verbunden (vgl. 1Ob36/13 mwN).

Zu Art. 1 Z 14 bis 16 (§§ 25 Abs. 1, 52 Abs. 3 und 64 Abs. 2 StVG):

Auch diese Änderungen sind Konsequenzen der beabsichtigten Auflösung der Vollzugsdirektion. Allerdings sollen die dort geregelten Agenden (Genehmigung der von den Anstaltsleiter/innen konzipierten Hausordnungen der einzelnen Justizanstalten; Genehmigung der von den Anstaltsleiter/innen festgelegten Stückvergütung statt Zeitvergütung; Genehmigung der Veräußerung von schriftlichen Aufzeichnungen oder Erzeugnissen der bildnerischen Betätigung, die sich unmittelbar auf eine vom Genehmigungswerber/von der Genehmigungswerberin begangene strafbare Handlung beziehen, während der Haft) aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung nun nicht mehr an die Generaldirektion für den Vollzug im Bundesministerium für Justiz rück- bzw. weiterübertragen werden.

Zu Art. 1 Z 29 (§ 181 Abs. 27 StVG):

Während die Reorganisation insgesamt per 30. Juni 2015 abgeschlossen sein soll (und daher ein Inkrafttreten per 1. Juli 2015 vorsieht), soll die davon unabhängige Änderung des § 18 (Entfall des Abs. 2; siehe dazu oben bei Art. 1 Z 12) so rasch wie möglich, das heißt an dem der Kundmachung der gegenständlichen Novelle im Bundesgesetzblatt folgenden Tag, in Kraft treten.

Zu Art. 5 Z 1 (§ 2b Abs. 2 EDuAZG):

Auf Grund der Auflösung der Vollzugsdirektion kann deren Leiter zukünftig nicht mehr für die Verleihung des Anerkennungszeichens zuständig sein. Da für den Bereich des Straf- und Maßnahmenvollzugs keinen nachgeordnete Dienstbehörde mehr bestehen wird, obliegt die Verleihung zukünftig dem Bundesminister für Justiz.

Zu Art. 6 Z 1 (§ 6 Abs. 3 RPG):

Die bisherige Anführung der Vollzugsdirektion als mögliche Ausbildungsstation für Rechtspraktikant/innen ab dem sechsten Ausbildungsmonat hat angesichts deren Auflösung zu entfallen.