Entwurf

Bundesgesetz, mit dem das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Änderung des Staatsanwaltschaftsgesetzes

Das Staatsanwaltschaftsgesetz, BGBl. Nr. 164/1986, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/xxxx, wird wie folgt geändert:

1. § 2a Abs. 3 lautet:

„In den im Gesetz vorgesehenen Fällen hat die WKStA der OStA Wien zu berichten.“

2. In § 2a wird nach Abs. 5 folgender Abs.  6 angefügt:

„(6) Bei der WKStA besteht ein internetbasiertes Hinweisgebersystem, über welches Hinweise insbesondere wegen der in § 20a Abs. 1 StPO genannten Vergehen oder Verbrechen auch anonym gemeldet werden können. § 80 StPO bleibt unberührt.“

3. § 3 Abs. 2 lautet:

„(2) Die bei den Staatsanwaltschaften ernannten und ständig tätigen Staatsanwälte sind Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit. In Verfahren wegen mit gerichtlicher Strafe bedrohter Handlungen nehmen sie Ermittlungs- und Anklagefunktionen wahr.“

4. In § 6 Abs. 3 erster Halbsatz wird nach dem Wort „Oberstaatsanwaltschaft“ die Wortfolge „in geeigneter Weise“ eingefügt.

5. In § 6 Abs. 4 wird nach der Wortfolge „Bundesministerium für Justiz“ die Wortfolge „in geeigneter Weise“ eingefügt.

6. § 8 Abs. 1 lautet:

„Die Staatsanwaltschaften haben über Strafsachen, an denen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Funktion des Verdächtigen im öffentlichen Leben ein besonderes öffentliches Interesse besteht, oder in denen noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen sind, von sich aus der jeweils übergeordneten Oberstaatsanwaltschaft nach Abs. 1a zu berichten.“

7. Nach § 8 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Berichte nach Abs. 1 haben das beabsichtigte Vorgehen darzustellen und zu begründen sowie einen Entwurf der beabsichtigten Erledigung vorzulegen; soweit sich diese Angaben nicht aus dem Entwurf der Erledigung ergeben, haben sie zu enthalten:

           1. eine Darstellung des dem Bericht zu Grunde liegenden Sachverhalts;

           2. die aufgenommenen Beweise und deren Würdigung;

           3. die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts.“

8. § 8 Abs. 3 lautet:

„(3) Berichte nach Abs. 1 sind grundsätzlich vor einem Absehen von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens (§ 35c), einer Beendigung des Ermittlungsverfahrens nach den Bestimmungen des 10. bis 12. Hauptstückes der StPO oder vor der Entscheidung über die Anmeldung oder Ausführung eines Rechtsmittels im Hauptverfahren zu erstatten, es sein denn, dass zuvor eine Anordnung oder ein Antrag von der Beurteilung einer noch nicht hinreichend geklärten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Im Übrigen haben die Staatsanwaltschaften in Strafverfahren, die einer Berichtspflicht nach Abs. 1 unterliegen, über bedeutende Verfahrensschritte zu informieren, nachdem diese angeordnet wurden.“

9. In § 8a Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Diese haben sich vor einem beabsichtigten Vorgehen nach Abs. 2 auf bloße Aufträge zur Beseitigung von Mängeln der vorgelegten Berichte zu beschränken und keine inhaltlichen Weisungen zur Sachbehandlung zu enthalten.“

10. In § 8a Abs. 2 wird nach der Wendung „betroffen sind“ die Wendung „oder eine noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen ist“ eingefügt.

11. § 10 Abs. 3 lautet:

„(3) Die Oberstaatsanwaltschaften haben Übersichten über die Disziplinarsachen der Richter und der Notare vorzulegen.“

12. In § 29 Abs. 2 wird folgender zweiter Satz angefügt:

„Die Niederschrift ist von sämtlichen anwesenden Personen zu unterfertigen.“

13. § 29a Abs. 1 lautet:

„(1) Der Bundesminister für Justiz hat die Berichte der Oberstaatsanwaltschaften sowie das beabsichtigte Vorgehen zu prüfen. Weisungen sind unter Bezugnahme auf diese Gesetzesstelle schriftlich auszufertigen und zu begründen. Die Oberstaatsanwaltschaften haben sodann gemäß § 29 vorzugehen.“

14. Nach § 29a Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Der Bundesminister für Justiz prüft das beabsichtigte Vorgehen grundsätzlich aufgrund der vorgelegten Berichte. Er kann jedoch Ermittlungs- oder Strafakten oder einzelne Aktenteile anfordern, um insbesondere begründete Bedenken oder Anhaltspunkte für Mängel in den Berichten oder vorgelegten Entwürfen aufzuklären. Wenn der Bericht über entscheidende Tatsachen undeutlich, unvollständig, mit sich im Widerspruch ist oder nur offenbar unzureichend begründet ist oder wenn zwischen den Angaben des Berichts und jenen des Erledigungsentwurfs ein erheblicher Widerspruch besteht, hat der Bundesminister für Justiz um Aufklärung dieser Umstände und neuerliche Berichtsvorlage zu ersuchen. Eine Weisung darf er nur erteilen, wenn diese Mängel nicht beseitigt wurden oder wenn im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde.“

15. Nach § 29a werden folgende §§ 29b und 29c samt Überschriften eingefügt:

„Beirat für den ministeriellen Weisungsbereich („Weisenrat“)

§ 29b. (1) Bei der Generalprokuratur wird ein Beirat für den ministeriellen Weisungsbereich („Weisenrat“) eingerichtet. Diesem gehören der Generalprokurator als Mitglied und sein dienstältester Erster Stellvertreter als Ersatzmitglied von Amts wegen sowie je zwei weitere Mitglieder und Ersatzmitglieder an.

(2) Die zwei weiteren Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder werden auf Basis einer Vorauswahl durch den Generalprokurator nach Anhörung der Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs über Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten für die Dauer von sieben Jahren bestellt. Wiederbestellungen sind nicht zulässig. Der Vorschlag hat zumindest doppelt so viele Namen zu enthalten, wie Personen als Mitglieder zu bestellen sind. Bei vorzeitigem Ausscheiden eines Mitglieds oder Ersatzmitglieds ist ein Nachfolger für den Rest der Funktionsperiode zu bestellen.

(3) Die Bestellung der weiteren Mitglieder und der Ersatzmitglieder endet bei Verzicht, im Fall des Todes, mit Ende der Bestellungsdauer oder wegen nachträglicher Unvereinbarkeit gemäß Abs. 5, im Fall des Endes der Bestellungsdauer jedoch nicht vor einer Neubestellung gemäß Abs. 2. Jedes Mitglied des Weisenrats hat eine Befangenheit im Sinne des § 47 Abs. 1 StPO unverzüglich den anderen Mitgliedern anzuzeigen.

(4) Im Fall der Verhinderung werden der Generalprokurator durch seinen dienstältesten Ersten Stellvertreter und die weiteren Mitglieder durch deren Ersatzmitglieder vertreten. Dies gilt auch bei Befangenheit nach § 47 Abs. 1 StPO und einem Ende der Bestellung nach Abs. 3 bis zur Neubestellung eines Mitglieds.

(5) Die gemäß Abs. 2 bestellten Mitglieder und Ersatzmitglieder des Weisenrats müssen besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet des Straf- und Strafverfahrensrechts aufweisen sowie mindestens fünfzehn Jahre in einem Beruf im Bereich des Strafrechts tätig gewesen sein, für den der Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften Berufsvoraussetzung ist. Richter- und Staatsanwälte des Dienststandes, Rechtsanwälte, die in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen sind, und andere Personen, die vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen ausgeschlossen oder zu diesem nicht berufen sind (§§ 2 und 3 des Geschworenen- und Schöffengesetzes) dürfen nicht bestellt werden. Das Gleichbehandlungsgebot ist zu beachten.

(6) Der Vorsitz des Weisenrats obliegt dem Generalprokurator. Der Weisenrat ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder oder, im Falle von Verhinderungen, die entsprechenden Ersatzmitglieder anwesend sind. Der Weisenrat trifft seine Entscheidungen mit einfacher Mehrheit. Eine Stimmenthaltung ist unzulässig. Eine Beschlussfassung im Umlaufweg ist zulässig, wenn sich sämtliche Mitglieder des Weisenrats damit im Einzelfall einverstanden erklären.

(7) Die Sitzungen und Abstimmungen des Weisenrats sind nicht öffentlich. Die Mitglieder des Weisenrats unterliegen der Amtsverschwiegenheit. Sie sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Die Entscheidungen des Weisenrates können von diesem in geeigneter Weise öffentlich gemacht werden, insbesondere wenn dies im Sinne der Transparenz der Entscheidungsfindung geboten ist.

(8) Die Kanzleigeschäfte des Weisenrats werden von der Geschäftsstelle der Generalprokuratur wahrgenommen. Den gemäß Abs. 2 bestellten Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Weisenrats gebührt als Entschädigung für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Bundesgesetz für jede, wenn auch nur begonnene Stunde ein Zehntel der Entschädigung eines Ersatzmitgliedes des Verfassungsgerichtshofes für einen Sitzungstag (§ 4 Abs. 3 des Verfassungsgerichtshofgesetzes). Für die Vergütung ihrer Reisekosten gelten die Bestimmungen der Reisegebührenvorschrift für Bundesbedienstete sinngemäß mit der Maßgabe, dass ihr Wohnsitz als Dienstort gilt und dass ihnen die Reisezulage in der Gebührenstufe 3 gebührt. Für die Bemessung der den gemäß Abs. 2 bestellten Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Weisenrats zustehenden Gebühren ist der Bundesminister für Justiz zuständig.

Aufgaben des Weisenrats

§ 29c. (1) Der Bundesminister für Justiz hat dem Weisenrat (§ 29b) zu seiner Beratung in folgenden Fällen den Bericht der Staatsanwaltschaft, die Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft sowie einen begründeten Erledigungsentwurf vorzulegen:

           1. wenn eine Weisung zur Sachbehandlung in einem bestimmten Verfahren (§ 29a Abs. 1 letzter Satz) erteilt werden soll;

           2. bei Strafsachen gegen oberste Organe der Vollziehung (Art. 19 B-VG), gegen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs sowie der Generalprokuratur;

           3.  wenn es der Bundesminister für Justiz wegen des außergewöhnlichen Interesses der Öffentlichkeit an der Strafsache, insbesondere bei wiederholter und überregionaler medialer Berichterstattung oder wiederholter öffentlicher Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei, oder aus Befangenheitsgründen für erforderlich hält;

(2) Wird dem Weisenrat vom Bundesminister für Justiz ein Erledigungsvorschlag gemäß Abs. 1 vorgelegt, so hat der Vorsitzende ehestmöglich eine Sitzung des Weisenrats anzuberaumen; auf Verlangen sind ihm einzelne Aktenbestandteile oder der gesamte Ermittlungsakt zu übersenden.

(3) Der Weisenrat erstattet unter Beachtung des Beschleunigungsgebotes (§ 9 StPO) ehestmöglich eine schriftliche Äußerung zum Erledigungsentwurf des Bundesministers für Justiz. Trägt der Bundesminister für Justiz der Äußerung des Weisenrats im Ergebnis nicht Rechnung, so ist die Äußerung samt der Begründung, weshalb ihr nicht Rechnung getragen wurde, jedenfalls im Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat gemäß § 29a Abs. 3 StAG zu veröffentlichen.

(4) Wird der Weisenrat gemäß Abs. 1 mit einem Einstellungsvorhaben befasst, das auch durch den Weisenrat zur Kenntnis genommen wird oder wird einer Stellungnahme des Weisenrats auf Einstellung gefolgt, so hat überdies die Staatsanwaltschaft den Rechtsschutzbeauftragten im Sinne des § 194 Abs. 3 StPO mit den Wirkungen des § 195 Abs. 2a zu verständigen.“

16. In § 34 Abs. 2 wird nach der Wortfolge „Die Gründe für“ die Wortfolge „das Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§ 35c),“ eingefügt.

17. § 34a Abs. 2 lautet wie folgt:

„(2) In die Register und Geschäftsbehelfe sowie Tagebücher und Ermittlungsakten dürfen nur solche Daten aufgenommen werden, die erforderlich sind, um den Zweck des Registers, Geschäftsbehelfs, Tagebuchs oder Ermittlungsakts zu erfüllen. Die Führung der Register, Tagebücher, Ermittlungsakten und sonstigen Geschäftsbehelfe sowie die Speicherung des Inhalts der Ermittlungsakten, Aktenbestandteile, staatsanwaltschaftlichen Tagebücher, Behelfe und sonstigen Unterlagen haben nach Maßgabe der technischen und personellen Möglichkeiten mit Hilfe der Verfahrensautomation Justiz zu erfolgen. Die Daten der Register und sonstigen Geschäftsbehelfe haben den Inhalt der Ermittlungsakten bzw. Tagebücher und der sonstigen Geschäftsbehelfe vollständig wiederzugeben.“

18. In § 42 wird nach Abs. 18 folgender Abs. 19 angefügt:

„(19) Die §§ 2a Abs. 3 und 6, 3 Abs. 2, 6 Abs. 3 und 4, 8 Abs. 1, 1a und 3, 8a Abs. 1 und 2, 10 Abs. 3, 29 Abs. 2 und 3, 29a Abs. 1, 1a und 2, 29b, 29c, und 34a Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/xxxx treten mit 1.1.2016 in Kraft.“