Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Allgemeines:

Das Weisungsrecht des Bundesministers für Justiz gegenüber den Staatsanwaltschaften ist seit Jahrzehnten Gegenstand von Diskussionen sowohl in der verfassungs-, verwaltungs- und strafrechtlichen Rechtswissenschaft als auch – meist aus Anlass einzelner konkreter Strafverfahren – der allgemeinen und insbesondere der medialen Öffentlichkeit. Am 17. Februar 2014 konstituierte sich über Auftrag des Herrn Bundesministers für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter ein Beratungsgremium zur Reform der Berichtspflichten und des Weisungsrechts, um ein verfassungskonformes Modell der Leitung, Steuerung und Kontrolle der Staatsanwaltschaften zu erarbeiten, das die Staatsanwaltschaften aus dem Anschein einer politischen Beeinflussung löst. Diesem Beratungsgremium gehörten über Einladung des Herrn Bundesministers für Justiz Vertreter der Höchstgerichte, des Bundesministeriums für Justiz, der Oberstaatsanwaltschaften, der Rechtswissenschaft sowie Standesvertreter der Staatsanwälte, Richter und Rechtsanwälte an. Das Beratungsgremium trat in insgesamt fünf Sitzungen zusammen. Die Anhörung von Verfassungsrechtsexperten in der Sitzung vom 11. April 2014 und die daran anschließende eingehende Diskussion ergaben, dass eine (auch nur teilweise) Übertragung der Weisungsspitze an ein vom Bundesminister für Justiz verschiedenes Organ oder Gremium nur mit einem tiefgreifenden Eingriff in das verfassungsrechtliche Gefüge möglich wäre und insbesondere im Hinblick auf die Letztverantwortlichkeit samt parlamentarischer Kontrolle verfassungspolitisch nicht zu empfehlen bzw. nicht wünschenswert ist. Dieser Auffassung hat sich die Mehrheit des Beratungsgremiums angeschlossen. In den weiteren Sitzungen des Beratungsgremiums wurden konkrete Reformvorschläge, die von Mitgliedern des Beratungsgremiums zur Verfügung gestellt wurden, eingehend diskutiert und beraten. In der abschließenden Sitzung vom 19. November 2014 beschlossen die Mitglieder des Beratungsgremiums eine Punktation, in der die Empfehlungen des Beratungsgremiums für eine Reform des Weisungsrechts und der Berichtspflichten dargelegt werden.

Mit dem vorliegenden Entwurf sollen die in der Punktation enthaltenen wesentlichen Empfehlungen des Beratungsgremiums umgesetzt werden. Der Entwurf zielt einerseits darauf ab, zu präzisieren, welche Strafsachen berichtspflichtig sind und welche Informationen in den Berichten der Staatsanwaltschaften enthalten sein müssen. Künftig sollen Berichte grundsätzlich nur noch vor einer Beendigung des Ermittlungsverfahrens, einem Vorgehen nach § 35c StAG oder vor der Entscheidung über die Anmeldung oder Ausführung eines Rechtsmittels im Hauptverfahren zu erstatten sein, so ein bestimmtes Vorgehen im Vorfeld nicht von der Beurteilung einer noch nicht hinreichend geklärten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Mit dieser Änderung wird ein wesentlicher Beitrag zur Verfahrensbeschleunigung in berichtspflichtigen Strafsachen geleistet.

Auf der anderen Seite sieht der Entwurf die Einrichtung eines beratenden Beirats für den ministeriellen Weisungsbereich („Weisenrat“) vor und enthält dahingehende Regelungen über dessen Zusammensetzung, die notwendige Qualifikation und Bestellung seiner Mitglieder sowie seine Zuständigkeit, Aufgaben und Arbeitsweise. Der Beirat soll bei der Generalprokuratur eingerichtet werden und durch seine Tätigkeit dem Anschein einer politischen Beeinflussung der Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden durch den Bundesminister für Justiz im Bereich des Weisungsrechts und der Berichtspflichten entgegenwirken.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

1.)    Verringerung und Präzisierung der staatsanwaltschaftlichen Berichtspflichten.

2.)    Einrichtung eines Weisenrats für den ministeriellen Weisungsbereich.

Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Strafrechtswesen) sowie aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Angelegenheiten der Justizpflege, Angelegenheiten der Notare und der Rechtsanwälte sowie Zivilrechtswesen).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Das Recht der Europäischen Union wird nicht berührt.

II. Besonderer Teil

Zu Z 1 und 5 bis 7 (§§ 2a Abs. 3, 8 Abs. 1, 1a und 3 StAG):

Bislang haben die Staatsanwaltschaften gemäß § 8 Abs. 1 StAG hinsichtlich Strafverfahren, an denen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht, oder in denen noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen sind, von sich aus der jeweils übergeordneten Oberstaatsanwaltschaft unter Mitteilung der etwa schon getroffenen Anordnungen zu berichten und in diesen Berichten zum beabsichtigten weiteren Vorgehen Stellung zu nehmen. Für die WKStA gilt dies nach § 2a Abs. 3 StAG mit der Maßgabe, dass sie grundsätzlich nur vor einer Beendigung des Ermittlungsverfahrens nach den Bestimmungen des 10. bis 12. Hauptstückes der StPO zu berichten hat. Davor ist über bedeutende Verfahrensschritte zu informieren, nachdem diese angeordnet wurden.

In Anlehnung an Pkt. I. 1. der Punktation des Beratungsgremiums zur Reform der Berichtspflichten und des Weisungsrechts des Bundesministers für Justiz sollen künftig Berichte aller Staatsanwaltschaften nach §8 Abs. 1 StAG grundsätzlich nur noch vor einer Beendigung des Ermittlungsverfahrens, einem Vorgehen nach § 35c StAG oder vor der Entscheidung über die Anmeldung oder Ausführung eines Rechtsmittels im Hauptverfahren erstattet werden, es sein denn, dass zuvor ein Vorgehen von der Beurteilung einer noch nicht hinreichend geklärten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Im Übrigen haben die Staatsanwaltschaften in berichtspflichtigen Strafsachen über bedeutende Verfahrensschritte jedenfalls zu informieren, nachdem diese angeordnet wurden. Einer speziellen Ausnahmeregelung für die WKStA bedarf es daher nicht mehr.

Anstelle der Person des Tatverdächtigen soll nicht zuletzt im Hinblick auf die Wahrung des Rechts auf Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK auf dessen Funktion im öffentlichen Leben abgestellt werden. Da mit dieser Formulierung auch Strafsachen gegen Mitglieder eines allgemeinen Vertretungskörpers erfasst sind, bedarf es hinsichtlich dieser Fälle keiner gesonderten gesetzlichen Erwähnung mehr. Durch den Begriff „Strafsachen“ in § 8 Abs. 1 StAG ist jedenfalls sichergestellt, dass die Berichtspflicht nicht nur (begonnene) Ermittlungsverfahren, sondern auch jene Fälle umfasst, in denen gemäß § 35c StAG beabsichtigt ist, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen.

Berichte nach § 8 Abs. 1 StAG haben das beabsichtigte Vorgehen darzustellen und zu begründen sowie einen Entwurf der beabsichtigten Erledigung vorzulegen. Soweit sich diese Angaben nicht aus dem Entwurf der Erledigung ergeben, haben sie eine Darstellung des dem Bericht zu Grunde liegenden Sachverhalts, die aufgenommenen Beweise und deren Würdigung sowie die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts zu enthalten (Punkt I. 2. der Punktation).

Zu Z 2 (§ 2a Abs. 6 StAG):

Seit 20. März 2013 steht bei der WKStA ein von der Business Keeper AG speziell für Ermittlungen im Bereich der Wirtschafts- und Korruptionsdelikte geeignetes Hinweisgebersystem als internetbasiertes anonymes Anzeigesystem zur Verfügung (BKMS® System). Das System ermöglicht es einerseits einem Hinweisgeber, eine anonyme Meldung hinsichtlich des Verdachts von Straftaten im grundsätzlichen Zuständigkeitsbereich der WKStA nach § 20a StPO erstatten, andererseits der Ermittlungsbehörde beim Hinweisgeber unter Wahrung dessen Anonymität nachzufragen, um den Wert der Hinweise zu objektivieren. Derart objektivierte Meldungen stellen Ermittlungsansätze dar bzw. sind als Voraussetzung eines Verdachts für die Einleitung eines Strafverfahrens zu begreifen. Jene Meldungen, die zwar innerhalb der gesetzten Schwerpunkte nach § 20a StPO, jedoch außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der WKStA liegen (insbesondere aufgrund der Schadenshöhe), werden der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Die Rechtsgrundlage des derzeitigen Probebetriebs des Systems bildet § 2 StPO. Um dahingehenden datenschutzrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Einrichtung eines Dauerbetriebs zu begegnen, wird eine eigene Rechtsgrundlage des Systems im StAG vorgeschlagen. Das allgemeine Anzeigerecht nach § 80 StPO bleibt von dieser Regelung unberührt.

Zu Z 3 (§ 3 Abs. 2 StAG):

Die vorgeschlagene Änderung stellt eine Anpassung an die Terminologie des Art. 90a B-VG dar.

Zu Z 4 und 5 (§ 6 Abs. 3 und 4 StAG):

Durch die vorgeschlagene Änderung soll sichergestellt werden, dass den gesetzlichen Anforderungen der Kenntniserlangung bereits durch das Einstellen der Geschäftsverteilungen in das Intranet Rechnung getragen wird.

Zu Z 9 und 10 (§ 8a Abs. 1 und 2 StAG):

Gemäß § 8a Abs. 1 StAG haben die Oberstaatsanwaltschaften Berichte nach § 8 StAG zu prüfen und gegebenenfalls die erforderlichen Anordnungen zu erteilen. Ist gemäß § 8a Abs. 2 StAG der Bundesminister für Justiz zu befassen, so hat sich die Prüfung vor der Vorlage an diesen auf bloße Aufträge zur Beseitigung von Mängeln der vorgelegten Berichte zu beschränken. Inhaltliche Weisungen zur Sachbehandlung dürfen durch die Oberstaatsanwaltschaften in diesem Fall nicht erteilt werden.

Die Vorlageverpflichtung an den Bundesminister für Justiz nach § 8a Abs. 2 StAG soll vor dem Hintergrund einer einheitlichen Rechtsanwendung im Einklang mit § 8 Abs. 1 StAG künftig auch jene Fälle jedenfalls erfassen, in denen eine noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen ist.

Zu Z 11 (§ 10 Abs. 3 StAG):

Die in § 10 Abs. 3 StAG erster Satz normierte Berichtspflicht der Oberstaatsanwaltschaften und der Generalprokuratur ist durch den Statusbericht 1/10 abgedeckt. Es wird daher der Entfall deren ausdrücklicher Erwähnung im StAG vorgeschlagen.

Zu Z 12 (§ 29 Abs. 2 StAG):

Die Niederschrift der mündlichen Erörterung der Sachbehandlung in einem bestimmten Verfahren ist künftig von sämtlichen anwesenden Personen zu unterfertigen.

Zu Z 13 und 14 (§ 29a Abs. 1und 1a StAG):

Im Einklang mit der Formulierung des § 8a Abs. 1 StAG hat der Bundesminister für Justiz die Berichte der Oberstaatsanwaltschaften sowie das beabsichtigte Vorgehen zu prüfen, wobei dies grundsätzlich auf Basis der vorgelegten Berichte geschehen soll. Wie in Punkt I. 3. der Punktation des Beratungsgremiums zur Reform der Berichtspflichten und des Weisungsrechts des Bundesministers für Justiz zum Ausdruck kommend, soll er jedoch Ermittlungs- oder Strafakten oder auch nur einzelne Aktenteile anfordern können, um begründete Bedenken gegen die Berichte oder vorgelegte Entwürfe aufzuklären. Gleiches gilt beim Vorliegen von Anhaltspunkten von Mängeln in den Berichten oder Entwürfen.

Erweist sich ein Bericht über entscheidende Tatsachen undeutlich, unvollständig, mit sich im Widerspruch stehend oder offenbar unzureichend begründet oder besteht zwischen den Angaben des Berichts und jenen des Erledigungsentwurfs ein erheblicher Widerspruch, so hat der Bundesminister für Justiz um Aufklärung dieser Umstände und neuerliche Berichtsvorlage zu ersuchen. Eine Weisung soll er jedoch nur erteilen dürfen, wenn diese Mängel nicht beseitigt wurden oder wenn im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde. Damit soll die Ermächtigung des dritten Satzes des Art. 90a B-VG, wonach durch Bundesgesetze die näheren Regelungen über ihre (der Staatsanwälte) Bindung an die Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe getroffen werden, ausgenützt und die Befugnis zur Weisungserteilung an rechtliche Kategorien gebunden werden (im Sinne einer Determinierung der Befugnisse des Bundesministers für Justiz – siehe dazu Adamovich „Über die verfassungsrechtliche Stellung der Staatsanwälte, FS Berka, 479ff, 486f). Selbst wenn man – mit Thienel, Die Stellung der Staatsanwälte nach Art. 90a B-VG – eine Zwischenbilanz, FS Walter, davon ausgeht, dass sich die Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers zur näheren Regelung der Bindung, 319ff, 337ff, an Weisungen auf die formalen Bedingungen der Weisungserteilung beschränkt, so ergibt sich die Zulässigkeit einer solchen Bindung aus dem Rechtmäßigkeitskorrektiv des Art. 20 Abs. 1 B-VG, das in § 30 StAG seine besondere Ausprägung erfahren hat. Letztlich kann eine schriftliche Begründung – sicher eine formale Bedingung der Weisungserteilung – nur verlangt werden, wenn klar ist, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen Organe der Gerichtsbarkeit eine Weisung erteilt werden kann.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Bundesminister für Justiz selbst in dem Fall, dass die Strafsache die Kriterien des § 29c StAG erfüllt, selbständig einen Verbesserungsauftrag erteilen darf. Eine Vorlage der Strafsache an den Weisenrat ist für den Fall schlichter Mängelbehebung daher nicht erforderlich.

Die mündliche Erörterung der Sachbehandlung in einem bestimmten Verfahren nach § 29a StAG unterliegt denselben Voraussetzungen wie nach § 29 StAG. Zu Z 17 (§§ 29b und 29c StAG):

Wie vom Beratungsgremium zur Reform der Berichtspflichten und des Weisungsrechts des Bundesministers für Justiz vorgeschlagen, soll für den ministeriellen Weisungsbereich ein Beirat („Weisenrat“) eingerichtet werden, der organisatorisch bei der Generalprokuratur angesiedelt ist (Punkt II. 4 und 5. der Punktation).

Aufgabe des Weisenrats ist die Beratung des Bundesministers für Justiz in jenen Fällen,

           1. in denen eine Weisung zur Sachbehandlung in einem bestimmten Verfahren (§ 29a Abs. 1 letzter Satz StAG) erteilt werden soll;

           2. bei denen es sich um Strafsachen gegen oberste Organe der Vollziehung (Art. 19 B-VG; konkret Bundespräsident, Bundesminister, Staatssekretäre und Mitglieder der Landesregierungen), gegen Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs sowie der Generalprokuratur handelt;

           3. wo ein außergewöhnliches Interesse der Öffentlichkeit an der Strafsache besteht, dies insbesondere bei wiederholter und überregionaler medialer Berichterstattung oder wiederholter öffentlicher Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei oder aus Befangenheitsgründen und der Bundesminister für Justiz die Befassung des Weisenrats für erforderlich hält.

In den genannten Fällen hat der Bundesminister für Justiz dem Weisenrat den Bericht der Staatsanwaltschaft, die Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft sowie einen begründeten Erledigungsentwurf vorzulegen, woraufhin der Vorsitzende ehestmöglich eine Sitzung anzuberaumen hat. Auf entsprechendes Verlangen sind ihm einzelne Aktenbestandteile oder der gesamte Ermittlungsakt zu übersenden.

Es obliegt dem Weisenrat, ehestmöglich eine schriftliche Äußerung zum Erledigungsentwurf des Bundesministers für Justiz zu erstatten. Trägt der Bundesminister für Justiz der Äußerung des ihn beratenden Weisenrats im Ergebnis nicht Rechnung, so ist im Sinne der Forderung nach größtmöglicher Transparenz die Äußerung samt der Begründung, weshalb ihr nicht Rechnung getragen wurde, im Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat gemäß § 29a Abs. 3 StAG zu veröffentlichen (Punkt II. 8. und 9. der Punktation). Ungeachtet der jährlich zu erfolgenden Berichterstattung an das Parlament, kann es im Sinne der Tranzparenz der Entscheidungsfindung bei besonders medienwirksamen Verfahren geboten sein, dass der Weisenrat seine Entscheidung ad hoc entsprechend öffentlich kommunziert. Dies ist unter anderem in Fällen denkbar, in denen der Bundesminister der Empfehlung des Weisenrates im Ergebnis nicht folgt. Daraus ist aber keineswegs eine Verpflichtung abzuleiten, sondern es soll dadurch dem Weisenrat die Möglichkeit eingeräumt werden, ungeachtet der grundsätzlichen Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit und unter Beachtung der zu wahrenden Persönlichkeitssrechte der betroffenen Personen, eine Stellungnahme in der Öffentlichkeit abzugeben.

Besondere Bedeutung kommt auch dem Umstand zu, dass im Fall eines Vorhabens auf Einstellung oder einer Weisung auf Einstellung in den Fällen des § 194 Abs. 3 StPO – die sich insbesondere in den Fällen des Abs. 3 Z 1 leg. cit. praktisch mit den Kriterien der Befassung des Weisenrats nach § 29c Abs. 1 StAG überdecken   noch eine objektive Kontrolle in Gestalt der Überprüfung der Einstellungserwägungen durch den unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten der Justiz stattfindet, der auch die Möglichkeit hat, einen Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens einzubringen. Durch die Einfügung des § 29c Abs. 4 StAG sind auch Fälle, die von der Bestimmung des § 194 Abs. 3 StPO nicht erfasst sind, abgedeckt

Entsprechend der knappen Stimmenmehrheit im Beratungsgremium zur Reform der Berichtspflichten und des Weisungsrechts des Bundesministers für Justiz (Punkt II. 6. der Punktation) setzt sich der Weisenrat aus dem Generalprokurator als Mitglied und dessen dienstältestem Ersten Stellvertreter als vertretendes Ersatzmitglied von Amts wegen sowie je zwei weiteren Mitgliedern und diese vertretenden Ersatzmitgliedern zusammen.

Die weiteren (Ersatz-)Mitglieder werden auf Basis einer Vorauswahl durch den Generalprokurator nach Anhörung der Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs über Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten für die Dauer von sieben Jahren bestellt, wobei Wiederbestellungen nicht zulässig sind. Sie haben besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet des Straf- und Strafverfahrensrechts aufzuweisen und müssen mindestens fünfzehn Jahre in einem Beruf im Bereich des Strafrechts tätig gewesen sein, für den der Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften Berufsvoraussetzung ist. Richter- und Staatsanwälte des Dienststandes, in die Liste der Rechtsanwälte Eingetragene sowie andere Personen, die vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen ausgeschlossen oder zu diesem nicht berufen sind (§§ 2 und 3 des Geschworenen- und Schöffengesetzes) dürfen nicht bestellt werden. Ihre Bestellung endet grundsätzlich bei Verzicht, Tod, mit Ende der Bestellungsdauer (in diesem Fall jedoch nicht vor einer Neubestellung gemäß Abs. 2) oder wegen nachträglicher Unvereinbarkeit nach Abs. 5.

Befangenheiten sind den anderen Mitgliedern des Weisenrats unverzüglich anzuzeigen, woraufhin die Vertretungsregelungen zur Anwendung gelangen.

Der Vorsitz des Weisenrats obliegt dem Generalprokurator. Der Weisenrat ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder oder, im Falle von Verhinderungen (wozu auch Befangenheiten zählen), die entsprechenden Ersatzmitglieder anwesend sind. Die Entscheidung erfolgt mit einfacher Mehrheit, Stimmenthaltungen sind unzulässig.

Die Sitzungen und Abstimmungen des Weisenrats sind nicht öffentlich. Die Mitglieder des Weisenrats unterliegen der Amtsverschwiegenheit. Sie sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden (Punkt II. 6. der Punktation). Die gemäß Abs. 7 vorgesehene Weisungsfreiheit beruht auf Artikel 20 Abs. 3 Z 2 B‑VG. Sie soll gewährleisten, dass künftig jeglicher Anschein einer politischen oder persönlichen Einflussnahme auf den Inhalt einer Weisung ausgeschlossen werden kann. Organisatorisch ist der Weisenrat an die Generalprokuratur angebunden. Seine Kanzleigeschäfte werden daher von der Geschäftsstelle der Generalprokuratur wahrgenommen.

Die Entschädigung der weiteren Mitglieder und Ersatzmitglieder des Weisenrats orientiert sich an jener des Rechtsschutzbeauftragten (§ 47a Abs. 6 StPO). Dem Generalprokurator und seinem Stellvertreter gebührt keine Entschädigung. Die vom Bundesministerium für Justiz in das Beratungsgremium eingebrachte Variante einer bloß ehrenamtlichen Tätigkeit wurde als wenig zweckmäßig nicht weiter verfolgt.

Zu Z 16 (§ 34 Abs. 2 StAG):

Die vorgeschlagene Ergänzung dient der Anpassung an die durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, erfolgte Einführung des „Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens“ (§ 35c StAG).

Zu Z 17 (§ 34a Abs. 2 StAG):

Mit der vorgeschlagenen Präzisierung soll im Einklang mit den aktuellen technischen Entwicklungen und auch vom Rechnungshof in der Vergangenheit formulierten Anforderungen eine fundierte gesetzliche Basis für eine künftige, vollständig digitale Aktenführung geschaffen werden.

Diese ist im Bereich der staatsanwaltschaftlichen Anwendung „EliAs“ bereits realisiert und wird im Rahmen der strategischen Initiative „Justiz 3.0“ mittelfristig für den gesamten Justizbereich angestrebt.

In diesem Kontext ist „Verfahrensautomation Justiz“ in einem weiten Sinn zu verstehen, sodass davon sämtliche IT-Anwendungen der Justiz umfasst sind. Nach Maßgabe der technischen und personellen Möglichkeiten soll unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklungen in diesem Bereich vorrangig die digitale Akten- und Verfahrensführung angestrebt werden.

Zu Z 18 (§ 42 Abs. 19 StAG):

Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten mit 1.1.2016. Die Ergänzung in § 34 Abs. 2 StAG soll als Anpassung an die durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, bedingten Änderungen demgegenüber früher – also mit dem der Kundmachung im BGBl  I folgenden Tag – in Kraft treten.