ERLÄUTERUNGEN

Allgemeiner Teil

 

Die geplante Änderung des Strahlenschutzgesetzes (StrSchG) dient im Wesentlichen der vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2011/70/Euratom über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle in nationales Recht.

Eine Teilumsetzung der Richtlinie erfolgte bereits durch die Änderung der Allgemeinen Strahlenschutzverordnung und der Radioaktive Abfälle-Verbringungsverordnung 2009, BGBl. II Nr. 22/2015.

Weiters werden ein kleiner Bereich der Richtlinie 2013/59/Euratom zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung in nationales Recht umgesetzt sowie einige der Klarstellung dienende textliche Anpassungen bestehender Festlegungen vorgenommen.

1. Inhalt und Ziele der Richtlinie 2011/70/Euratom:

Ziel der Richtlinie ist die Schaffung nationaler Vorkehrungen für ein hohes Sicherheitsniveau bei der Entsorgung der im Mitgliedstaat anfallenden abgebrannten Brennelemente und radioaktiven Abfälle, wobei alle Entsorgungsschritte vom Anfall der radioaktiven Abfälle bis zu ihrer Endlagerung einzubeziehen sind.

Zur Erreichung dieses Ziels haben die Mitgliedstaaten einen nationalen Gesetzes-, Vollzugs- und Organisationsrahmen („nationaler Rahmen“) zu schaffen, der die Verantwortlichkeiten regelt und ein „Nationales Programm“ zur Umsetzung der Politik für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle beinhaltet (im Folgenden als „Nationales Entsorgungsprogramm“ bezeichnet). Dies hat transparent, d.h. unter Einbindung der Öffentlichkeit, zu erfolgen. Darüber hinaus ist dafür Sorge zu tragen, dass unangemessene Lasten für künftige Generationen vermieden werden.

Weiters fordert die Richtlinie – analog zur Richtlinie 2009/71/Euratom über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen –, dass die Behörde, der die Bewilligung und Überprüfung von Anlagen zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle obliegt, zur Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit „funktional von allen anderen Stellen und Organisationen getrennt ist, die mit der Förderung oder Nutzung von Kernenergie oder radioaktivem Material, einschließlich der Elektrizitätserzeugung und der Anwendung von Radioisotopen, oder mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle befasst sind“. Die Mitgliedstaaten haben ferner für eine adäquate personelle und finanzielle Ausstattung der Behörde zu sorgen.

Die Richtlinie enthält darüber hinaus eine Erweiterung der Bestimmungen für eine grenzüberschreitende Verbringung von radioaktiven Abfällen gegenüber der Richtlinie 2006/117/Euratom, umgesetzt in Österreich durch die Radioaktive Abfälle-Verbringungsverordnung 2009 idF BGBl. II Nr. 22/2015.

2. Situation in Österreich betreffend Aufbereitung und Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle:

Abgebrannte Brennelemente fallen in Österreich nicht an, da für die Brennelemente der einzigen in Österreich betriebenen kerntechnischen Anlage (Forschungsreaktor am Atominstitut der TU Wien) – konform mit § 87 Abs. 2 Allgemeine Strahlenschutzverordnung, BGBl. II Nr. 191/2006 idF BGBl. II Nr. 22/2015 (AllgStrSchV) – eine Rücknahmevereinbarung mit dem Lieferanten der Brennelemente besteht. Die Umsetzung der Richtlinie 2011/70/Euratom in österreichisches Recht ist daher auf die Entsorgung radioaktiver Abfälle fokussiert.

In Österreich fallen ferner keine hoch radioaktiven Abfälle, sondern ausschließlich schwach- und mittelradioaktive Abfälle an, wobei mehr als 95 % der Abfälle schwach radioaktiv sind. Gemäß § 36c Abs. 1 StrSchG ist die Nuclear Engineering Seibersdorf GmbH (im Folgenden: NES) von der Republik Österreich mit der Entsorgung der in Österreich anfallenden radioaktiven Abfälle beauftragt. Dieser Auftrag umfasst die Sammlung, Sortierung, Aufbereitung, Konditionierung sowie die längerfristige Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle am Standort Seibersdorf.

Die laufende Finanzierung des Managements radioaktiven Abfalls erfolgt durch die Abfallverursacher. Gemäß § 36c Abs. 2 StrSchG haben jene Unternehmen / Institutionen, bei denen radioaktive Abfälle anfallen, bei Übergabe an NES einerseits ein Entgelt für die Aufarbeitung und Zwischenlagerung dieser radioaktiven Abfälle zu entrichten, und andererseits ein „Vorsorgeentgelt“, das vom Bund als zweckgebundene Einnahmen ausschließlich zur Finanzierung einer späteren Endlagerung dieses Abfalls verwendet werden darf. Die Republik Österreich trägt die Kosten für die Errichtung der Entsorgungsanlagen und Zwischenlagereinrichtungen bzw. für größere Anpassungen an aktuelle technische Standards.

3. Endlagerung radioaktiver Abfälle:

Eine Entscheidung über die spätere Endlagerung der radioaktiven Abfälle ist in Österreich – wie auch in vielen anderen Staaten weltweit – noch nicht gefallen. Im StrSchG ist verankert, dass neben der Errichtung eines nationalen Endlagers auch die Möglichkeit von internationalen Kooperationen bei der Abfallbehandlung und -entsorgung in Betracht zu ziehen ist.

Angesichts der geringen Abfallmengen und des niedrigen Gefährdungspotenzials (wie dargelegt handelt es sich fast ausschließlich um schwach radioaktive Abfälle) wird bislang vonseiten der Republik Österreich die längerfristige Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle im Seibersdorfer Zwischenlager als zweckmäßig angesehen, um die europäischen und internationalen Entwicklungen betreffend Abfallendlager zu beobachten und letztlich eine optimale Lösung für Österreich zu finden. Andere europäische Staaten setzen ebenfalls auf eine langfristige Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle. Aktuell besteht eine rechtliche Absicherung der Abfallaufbereitung und -zwischenlagerung am Standort Seibersdorf bis zum Jahr 2045.

Im Hinblick auf die Endlagerung radioaktiver Abfälle werden die erforderlichen Schritte zur Entscheidungsfindung seitens der Republik Österreich im „Nationalen Entsorgungsprogramm“ festzulegen und in weiterer Folge zu setzen sein.

4. Bereits erfolgte bzw. noch erforderliche Umsetzungsmaßnahmen:

Die Umsetzung der Richtlinie 2011/70/Euratom bringt Verpflichtungen einerseits für die Republik Österreich und andererseits für den Betreiber einer Entsorgungsanlage (konkret die NES) mit sich. Im Hinblick auf die Verpflichtungen der Verursacher radioaktiver Abfälle ergeben sich keine Änderungen.

Die aus der Richtlinie für die NES resultierenden Vorgaben sowie die Anpassung der Bestimmungen betreffend die grenzüberschreitende Verbringung von radioaktiven Abfällen wurden bereits mittels der o.zit. Verordnungsnovelle BGBl. II Nr. 22/2015 in nationales Recht umgesetzt.

Die Verpflichtungen an die Mitgliedstaaten, somit auch an die Republik Österreich, betreffen

-       die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Entsorgung radioaktiver Abfälle;

-       Anforderungen an die für die Bewilligung und Überprüfung von Entsorgungsanlagen zuständigen Behörden;

-       die Etablierung von nationalen Grundsätzen für die sichere Entsorgung von radioaktiven Abfällen (in der Richtlinie als „Nationale Politik“ bezeichnet) sowie

-       die Erstellung, Umsetzung und regelmäßige Aktualisierung eines „Nationalen Entsorgungsprogramms“ unter Einhaltung der Vorgaben hinsichtlich Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung.

Ein Großteil dieser Verpflichtungen ist in Österreich bereits durch die bestehende Strahlenschutzgesetzgebung erfüllt.

Das betrifft zum einen die Vorgaben der Richtlinie in Bezug auf den rechtlichen Rahmen zur Entsorgung radioaktiver Abfälle (z.B. behördliches Genehmigungs- und Überprüfungssystem, Zuständigkeitsregelungen, Finanzierung), welche durch die bestehenden Festlegungen im StrSchG sowie den darauf gegründeten Verordnungen und vertraglichen Vereinbarungen vollinhaltlich erfüllt sind.

Zum anderen sind auch die Anforderungen, welche die Richtlinie an die Regulierungsbehörde einer Entsorgungsanlage in Bezug auf personelle und finanzielle Ausstattung stellt, im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) als der gemäß § 41 Abs. 1 Z 1 lit. b StrSchG zuständigen Behörde gegeben. Zur geforderten funktionalen Trennung der Regulierungsbehörde (BMLFUW) von den in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie genannten Stellen ist Folgendes anzuführen: Da in Österreich die Nutzung der Kernenergie zum Zweck der Energiegewinnung untersagt ist, ist diese funktionale Trennung nur auf die Tätigkeiten der NES anzuwenden. Zwischen dem BMLFUW und der NES besteht eine vollständige organisatorische, funktionelle und personelle Trennung.

Auch die Vorgabe der Richtlinie, dass die Regulierungsbehörde (sowie auch der Betreiber der Entsorgungsanlage) die Öffentlichkeit über deren Tätigkeiten zu informieren hat, ist bereits in nationales Recht umgesetzt worden (§ 79a Abs. 4 und 5 AllgStrSchV).

Die wesentlichen Grundsätze und Ziele betreffend die Entsorgung der in Österreich anfallenden radioaktiven Abfälle sind ebenfalls im bestehenden StrSchG verankert und werden – angepasst an den Wortlaut der Richtlinie – in § 36b Abs. 1 bis 4 zusammengefasst.

Im Rahmen der vorgesehenen Änderung des StrSchG festzulegen wären die Ziele, Inhalte und Rahmenbedingungen das „Nationalen Entsorgungsprogramms“, basierend auf Art. 11 und 12 der Richtlinie 2011/70/Euratom. Diese Festlegungen erfolgen in § 36b Abs. 6 und 7 des Novellenentwurfes, wobei der Richtlinientext großteils übernommen worden ist.

Da die in Österreich erforderlichen Maßnahmen für eine sichere Entsorgung radioaktiver Abfälle, insbesondere im Hinblick auf eine spätere Endlagerung, ausschließlich im nationalen Konsens getroffen werden können, wird die Bundesregierung mit der Erstellung und späteren Aktualisierung des Nationalen Entsorgungsprogramms betraut, wobei dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft die Koordination obliegt.

Gemäß den Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie) ist das Nationale Entsorgungsprogramm einer Umweltprüfung zu unterziehen.

Mit dieser Änderung des Strahlenschutzgesetzes wird somit die Vollumsetzung der Richtlinie 2011/70/Euratom erreicht. Weiters werden einige geringfügige Ergänzungen und Korrekturen bereits bestehender Bestimmungen des StrSchG vorgenommen.

Besonderer Teil

 

Zu Z 3 (§ 2 Abs. 3):

Der derzeit in § 2 Abs. 3 StrSchG verankerte Beseitigungsbegriff umfasst einerseits – konform mit der Begriffsbestimmung in der RL 96/29/Euratom – die End- oder Langzeitlagerung radioaktiver Abfälle. Andererseits sind gemäß dem zweiten Teilsatz der im StrSchG verwendeten Begriffsbestimmung auch andere Beseitigungsarten wie Ableitungen und Freigaben zu subsumieren. Durch die neuen Begriffsbestimmungen in der Richtlinie 2011/70/Euratom für die „Entsorgung radioaktiver Abfälle“ sowie deren „Endlagerung“ ist eine Anpassung des Beseitigungsbegriffes im StrSchG vorzunehmen. Er umfasst insbesondere

-       die Entsorgung radioaktiver Abfälle in einer Entsorgungsanlage,

-       die (eingeschränkte oder uneingeschränkte) Freigabe radioaktiver Stoffe,

-       die Ableitung radioaktiver Stoffe über den Luft- oder Wasserpfad,

-       die Entlassung von Rückständen aus der Überwachung zum Zweck der Deponierung oder Wiederverwertung,

-       die Beseitigung herrenloser radioaktiver Stoffe sowie

-       die grenzüberschreitende Verbringung radioaktiver Abfälle ins Ausland.

Zu Z 4 (§ 2 Abs. 7a):

Mittels des neuen Abs. 7a werden die Begriffe „Entsorgung“, „Zwischenlagerung“ und „Endlagerung“ radioaktiver Abfälle im Sinn von Art. 3 Z. 3, 8 und 14 der Richtlinie 2011/70/Euratom definiert.

Zu Z 5 und 8 (§§ 17 Abs. 1a Z 1 lit. b und 36c Abs. 2):

Die Anpassungen sind durch die neuen oder geänderten Begriffsbestimmungen gemäß § 2 Abs. 3 und 7a begründet.

Zu Z 6 (§ 29 Abs. 2):

Die Aufnahme des Abs. 2 sollte bereits durch das Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 146/2002, erfolgen, unterblieb jedoch auf Grund eines redaktionellen Fehlers, der hiermit behoben wird. Die aus der Bestimmung resultierenden Durchführungsvorschriften sind seit dem Jahr 2006 in Kraft (§§ 44 bis 50 AllgStrSchV).

Zu Z 7 und 14 (§§ 36b und 43 Abs. 7):

Die vorgesehene Neuformulierung des § 36b beinhaltet die noch ausständigen Umsetzungsmaßnahmen der Richtlinie 2011/70/Euratom in nationales Recht.

In den Abs. 1 bis 4 werden die Grundsätze festgehalten, die für die Beseitigung radioaktiver Abfälle gelten und die die Basis für das Nationale Entsorgungsprogramm bilden. Sie entsprechen den allgemeinen Grundsätzen, die der Art. 4 der Richtlinie 2011/70/Euratom für die „Nationale Politik“ der Mitgliedstaaten vorgibt. Der Großteil dieser Grundsätze ist bereits im derzeit geltenden Strahlenschutzrecht enthalten. Zwecks klarer Darstellung werden sie nun zusammengefasst; dabei werden weitgehend die Formulierungen der Richtlinie 2011/70/Euratom übernommen.

Abs. 1 legt im Sinn des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/70/Euratom die Letztverantwortung der Republik für die sichere Entsorgung von radioaktiven Abfällen fest. Dieses Grundprinzip wird auch im „Gemeinsamen Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle“ bekräftigt, das von Österreich ratifiziert worden ist (BGBl. III Nr. 169/2001).

Abs. 2 entspricht dem bisherigen § 36b Abs. 2 StrSchG; zusammen mit dem § 6a der Radioaktive Abfälle-Verbringungsverordnung 2009, BGBl. II Nr. 47/2009 idF BGBl. II Nr. 22/2015, wird damit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/70/Euratom unter Berücksichtigung von deren Erwägungsgrund 33 umgesetzt.

Die Festlegung des Abs. 3, dass beim Betrieb von Forschungsreaktoren keine abgebrannten Brennelemente zur Entsorgung in Österreich anfallen dürfen, wird im § 87 Abs. 2 der AllgStrSchV konkretisiert. Demnach hat der Bewilligungsinhaber eines Forschungsreaktors sicherzustellen, dass nur Brennelemente verwendet werden, deren Hersteller oder Lieferanten sich zur Rücknahme der abgebrannten Brennelemente verpflichtet haben, oder für die eine vertragliche Verpflichtung zur Übernahme der zu entsorgenden Brennelemente besteht. Wie im Allgemeinen Teil der Erläuterungen dargelegt, ist durch diese Bestimmung eine weitergehende Umsetzung der Richtlinie 2011/70/Euratom betreffend die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente nicht erforderlich.

Die im Abs. 4 Z 1 bis 6 aufgeführten Grundsätze sind bei der Beseitigung radioaktiver Abfälle zu berücksichtigen und entsprechen Art. 4 Abs. 3 lit. a bis f der Richtlinie 2011/70/Euratom.

Abs. 4 Z 1 enthält den Grundsatz, den Anfall radioaktiver Abfälle hinsichtlich Aktivität und Volumen auf ein vernünftigerweise realisierbares Mindestmaß zu beschränken, um die Menge des später endzulagernden radioaktiven Abfalls zu minimieren. Dieses „Minimierungsprinzip“ für radioaktive Abfälle ist bereits jetzt im Strahlenschutzgesetz verankert (§ 36b Abs. 3) und ist auch ein wesentlicher Grundsatz des „Gemeinsamen Übereinkommens über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle“ (dortiger Art. 11 Z ii).

Gemäß Abs. 4 Z 2 sollen die wechselseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Schritte der Entstehung und Entsorgung radioaktiver Abfälle berücksichtigt werden. Der Hintergrund der – auch in Art. 11 Z iii des „Gemeinsamen Übereinkommens über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle“ formulierten – Regelung ist die enge Verzahnung der einzelnen Schritte bei der Entstehung und Entsorgung radioaktiver Abfälle, wodurch Entscheidungen, die bei einem Entsorgungsschritt getroffen werden, einen nachfolgenden Schritt beeinflussen können. Daher sollte jeder einzelne Entsorgungsschritt dahingehend analysiert und optimiert werden, dass sich für die nachfolgenden Schritte keine Nachteile ergeben. Beispielsweise sollten konditionierte Fässer, bevor sie in ein Zwischenlager gebracht werden, getrocknet werden. Mit dieser Maßnahme wird die Möglichkeit einer Korrosion von Abfallfässern von der Innenseite weitestgehend unterbunden.

Gemäß Abs. 4 Z 3 sollen in Hinblick auf die Langfristigkeit der Entsorgung radioaktiver Abfälle auch Aspekte der passiven Sicherheit berücksichtigt werden. Beispiele dafür sind die Verwendung von korrosionsarmen Fässern für die Zwischenlagerung von konditionierten radioaktiven Abfällen oder die spätere Endlagerung von radioaktiven Abfällen in einer Anlage, die nach dem Verschluss sich selbst überlassen werden kann.

Gemäß dem Grundsatz in Abs. 4 Z 4 sollen die Sicherheitsmaßnahmen bei einer Anlage oder einer Tätigkeit im Zusammenhang mit der Entsorgung radioaktiver Abfälle im Verhältnis zum Risiko stehen. Beispielsweise sind die Sicherheitsanforderungen für ein geologisches Endlager für abgebrannte Brennelemente und hoch radioaktive Abfälle wesentlich umfassender als bei der Lagerung schwach radioaktiver Abfälle.

Gemäß Abs. 4 Z 5 soll neben dem Umfang der Sicherheitsmaßnahmen selbst (gemäß Abs. 4 Z 4) auch die Dokumentation des Entscheidungsprozesses, soweit er sich auf Sicherheitsaspekte bezieht, im Verhältnis zum Risikograd stehen und eine Grundlage für Entscheidungen über die Entsorgung radioaktiver Abfälle bieten. Der Entscheidungsprozess soll auf einer Zusammenstellung der Argumente und Fakten beruhen, mit denen nachgewiesen wird, dass der erforderliche Standard für die Sicherheit einer Anlage oder Tätigkeit im Zusammenhang mit der Entsorgung radioaktiver Abfälle erreicht ist.

Gemäß Abs. 4 Z 6 sind die Kosten für die Entsorgung radioaktiver Abfälle von deren Verursachern zu tragen. Dieses „Verursacherprinzip“ ist bereits im § 36c Abs. 2 Z 1 und Z 2 StrSchG verankert.

Abs. 5 schafft die Rechtsgrundlage für die Erstellung des Nationalen Entsorgungsprogramms. Da radioaktive Abfälle in Österreich aus Anwendungen von radioaktiven Stoffen in der Medizin, Forschung, Industrie und aus dem Rückbau von ehemals für die Nuklearforschung genutzten Anlagen anfallen, ist das Spektrum der Abfallverursacher sehr breit. Die Erstellung und Implementierung eines Entsorgungsprogramms ist somit ein gesamtstaatliches Anliegen und wird daher der Bundesregierung überantwortet. Um eine rasche und effiziente Erarbeitung des Entsorgungsprogramms zu gewährleisten, wird das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Rahmen seiner Koordinierungsfunktion eine interministerielle Arbeitsgruppe einrichten.

Mit dem Abs. 6 werden die Vorgaben des Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2011/70/Euratom für den Inhalt des Nationalen Entsorgungsprogramms übernommen.

Abs. 7 übernimmt Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2011/70/Euratom. Das Nationale Entsorgungsprogramm legt die österreichische Strategie für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung radioaktiver Abfälle dar. Es handelt sich dabei um ein Managementinstrument der öffentlichen Verwaltung, das keine Rechtsnormqualität hat. Die von Artikel 10 der Richtlinie 2011/70/Euratom geforderte Transparenz durch Information und Beteiligung der Öffentlichkeit wird durch Abs. 8 und 9 gewährleistet. Diese bestimmen auch, dass das Nationale Entsorgungsprogramm auf der Internetseite des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft veröffentlicht werden muss.

Zu Abs. 8 und 9: Das Nationale Entsorgungsprogramm stellt ein Programm im Sinn des Art. 3 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2001/42/EG (SUP-Richtlinie) dar und ist daher einer Strategischen Umweltprüfung zu unterziehen. Darüber hinaus fordert Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2011/70/Euratom, dass der Öffentlichkeit im erforderlichen Umfang die Möglichkeit gegeben wird, sich an der Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der Entsorgung radioaktiver Abfälle effektiv zu beteiligen. Diesen Umständen wird in den Abs. 8 und 9 Rechnung getragen. Die diesbezüglichen Festlegungen im StrSchG erfolgen unter Verweis auf die Regelungen über die Umweltprüfung im Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 (AWG 2002).

Bei der Erstellung des Nationalen Entsorgungsprogramms sind in Umsetzung der SUP-Richtlinie folgende Schritte durchzuführen:

Es ist ein Untersuchungsrahmen festzulegen (Scoping) und ein Umweltbericht gemäß Anhang 7 Teil 2 AWG 2002 zu erstellen. Den Landesregierungen wird in Wahrung ihrer Umwelt- und Planungskompetenzen bei der Festlegung des Umfangs und Detaillierungsgrads der in den Umweltbericht aufzunehmenden Informationen eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

Der Umweltbericht wie auch der Entwurf des Nationalen Entsorgungsprogramms ist der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen (vgl § 8a Abs. 5 AWG 2002). In der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, dass jede Person innerhalb von sechs Wochen beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft eine Stellungnahme abgeben kann. Erforderlichenfalls sind grenzüberschreitende Konsultationen im Sinn von § 8b AWG 2002 durchzuführen. Unter Berücksichtigung der eingelangten Stellungnahmen zum Umweltbericht und zum Entwurf des Nationalen Entsorgungsprogramms wird die endgültige Fassung des Programms erarbeitet.

Nach Beschluss des Programms ist gemeinsam mit dem Nationalen Entsorgungsprogramm eine zusammenfassende Erklärung über die Berücksichtigung der Ergebnisse der Umweltprüfung auf der Internetseite des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zu veröffentlichen (vgl § 8a Abs. 6 AWG 2002).

Bei geringfügiger Änderung des Nationalen Entsorgungsprogramms hat eine Umweltprüfung zu erfolgen, wenn voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt vorliegen. Dies ist an Hand der Kriterien gemäß Anhang 7 Teil 1 AWG 2002 zu prüfen (Erheblichkeitsprüfung). Ist die Notwendigkeit für eine Umweltprüfung nicht gegeben, ist Abs. 9 anzuwenden.

Hinsichtlich der Durchführung grenzüberschreitender Konsultationen wird auf § 8b AWG 2002 verwiesen, wobei klar gestellt wird, dass auch Nicht-EU-Mitgliedstaaten miteinbezogen werden können.

Abs. 10 legt die regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung des Entsorgungsprogramms entsprechend Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2011/70/Euratom fest.

Zu Z 9 und 11 (§§ 36c Abs. 6 und 7 sowie 39 Abs. 2 Z 7):

Die bisher sehr allgemein formulierte Verordnungsermächtigung in § 36b Abs. 1 wird konkretisiert und darüber hinaus aus legistischen Gründen in den § 36c (als Abs. 6 und 7) verschoben. Als Folge dieser Änderung ist der Verweis in § 39 Abs. 2 Z 7 anzupassen.

Zu Z 10 (§ 38b Abs. 6):

Die Richtlinie 2013/59/Euratom zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung verpflichtet die Mitgliedstaaten unter anderem zu Maßnahmen, um das Gesundheitsrisiko durch das natürlich vorkommende radioaktive Edelgas Radon in Innenräumen zu senken. Diese Maßnahmen sind in einem „Nationalen Radon-Maßnahmenplan“ zusammenzufassen (Art. 103 sowie Anhang XVIII der Richtlinie).

In Österreich wurden bereits in den Jahren 2004 bzw. 2008 gesetzliche Regelungen geschaffen, um erhöhte Radonkonzentrationen in Innenräumen zu verringern (§ 38b StrSchG sowie Natürliche Strahlenquellenverordnung, BGBl. II Nr. 2/2008). Auf dieser Basis wurden und werden Tätigkeiten auf dem Radonsektor durchgeführt wie z.B. die Durchführung österreichweiter Radonmessungen, die Erstellung einer bundesweiten Radonpotenzialkarte, die Schaffung einer zentralen Radondatenbank sowie Informationstätigkeiten für die Bevölkerung, Behörden und Stakeholder. Diese Leistungen ermöglichen es, den geforderten österreichischen Radon-Maßnahmenplan rasch zu erstellen. Gemäß den strahlenschutzrechtlichen Zuständigkeiten obliegt die Erstellung dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Nachdem dieses Dokument die Grundlage für alle Umsetzungsmaßnahmen auf dem Radonsektor bilden soll, ist eine baldige Fertigstellung anzustreben. Zur Schaffung einer dezidierten Rechtsgrundlage ist vorgesehen, den bestehenden § 38b durch einen neuen Abs. 6 zu erweitern.

Zu Z 12 (§ 41 Abs. 1):

Mit dem Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 146/2002, sind im StrSchG die Teile IIIa („Radioaktive Abfälle“) und IIIb („Schutz vor natürlichen Strahlenquellen bei Arbeiten“) eingefügt worden. Dabei wurde irrtümlich unterlassen, die Regelung der Zuständigkeiten für die Vollziehung des StrSchG im § 41 dementsprechend zu ergänzen. Wie immer intendiert und auch in der Praxis bisher gehandhabt, wird der Anwendungsbereich des § 41 nun ausdrücklich auf die Teile IIIa und IIIb ausgeweitet.