Erläuterungen

Allgemeiner Teil

1. Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Mit dieser Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes sollen in erster Linie die präventiven Instrumente im Bereich des Schutzes vor Gewalt und vor extremistisch motivierten Straftaten verbessert werden. Bei gefährdeten unmündigen Minderjährigen soll ein Betretungsverbot für den Bereich der Schule oder sonstiger Betreuungseinrichtungen auch unabhängig von einem Betretungsverbot der Wohnung ausgesprochen werden können. Zusätzlich wird die Möglichkeit der präventiven Rechtsaufklärung von Gefährdern geschaffen. Durch die Schaffung einer Gefährderansprache zur Deradikalisierung sollen Betroffene in einem Gespräch über das besondere Gefährdungspotential einer weiteren Radikalisierung und die damit verbundenen Rechtsfolgen unterrichtet und auf bestehende Unterstützungsangebote hingewiesen werden können. Zusätzlich soll es bestimmten Sicherheitsbehörden möglich sein, den Betroffenen bescheidmäßig zum Erscheinen bei einer Dienststelle zu verpflichten.

Zur Verwaltungsvereinfachung soll das sprengelüberschreitende Einschreiten von Organen der Sicherheitsbehörden gemäß § 14 Abs. 3 SPG nicht bloß bei Gefahr in Verzug, sondern auch aus Gründen der Raschheit und Zweckmäßigkeit zulässig sein. Damit wird sichergestellt, dass die Organe schnellstmöglich am Einsatzort eintreffen können. Außerdem soll die Sicherheit in Gebäuden und Räumlichkeiten, die zur Nutzung durch das Bundesministerium für Inneres und die diesem organisatorisch nachgeordneten Dienststellen gewidmet sind, durch ausdrückliche Verankerung eines Waffenmitnahmeverbots und von Sicherheitskontrollen gewährleistet werden.

Zur Gewährleistung einer raschen und effektiven Unterstützung bei der Koordination und Administration von (Notruf-)Einsätzen soll eine Rechtsgrundlage zur Führung einer zentralen Datenanwendung zur Einsatzunterstützung geschaffen werden.

2. Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung eines diesem Entwurf entsprechenden Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 7 („Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“), Z 14 („Organisation und Führung der Bundespolizei“) und Z 16 („Einrichtung der Bundesbehörden und sonstigen Bundesämtern“) des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes)

Zu Z 1 bis 3 (Inhaltsverzeichnis):

Diese Bestimmungen dienen der Aktualisierung des Inhaltsverzeichnisses.

Zu Z 4 und 5 (§ 5 Abs. 4 und 7):

Bislang gibt das SPG in § 5 Abs. 4 weder Auskunft über Art noch Anzahl der Einsatzzentralen, sondern spricht lediglich davon, dass diese im notwendigen Umfang zu unterhalten sind (Vogl in Vogl/Thanner, SPG², § 5 Anm. 21), und beschränkt diese auf den Einsatz im Funkstreifendienst. Derzeit sind funktionell den örtlich zuständigen Bezirks- bzw. Stadtpolizeikommanden zugeordnete Bezirks- bzw. Stadtleitstellen sowie bei jeder LPD eine Landesleitzentrale eingerichtet. Künftig sollen aus Gründen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zur Besorgung des Exekutivdienstes nur mehr Einsatzzentralen auf Ebene der Landespolizeidirektionen unterhalten werden, die rund um die Uhr für Notrufe (§ 98 TKG 2003) erreichbar sind und die Kräfte vor Ort bei der Koordination von Einsätzen unterstützen sollen. Zu diesen Einsatzzentralen zählt ua. auch die Einsatzzentrale am Flughafen Wien-Schwechat, die für Notrufe von Flughafeneinrichtungen die erste Anlaufstelle bildet. Da Kurznotrufnummern kostenlos zur Verfügung gestellt sind (§ 20 Abs. 2 TKG 2003), entfällt die Erwähnung des Ortstarifs.

Zu Z 6 (§ 14 Abs. 3):

Aufgrund der Zentralisierung der Einsatzzentralen (siehe Änderung in § 5 Abs. 7) und der erfolgten Zusammenlegung von Polizeiinspektionen zeigt sich die Notwendigkeit, dass im Einzelfall auch Organe tätig werden sollen, die zwar nicht der zuständigen Behörde zugeordnet sind, aber deren Einsatz aus Gründen der Raschheit und Zweckmäßigkeit angezeigt erscheint. Bisher ist das sprengelübergreifende Einschreiten nur für Fälle von Gefahr im Verzug in § 14 Abs. 3 geregelt. Nunmehr soll zusätzlich die Möglichkeit geschaffen werden, auch aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Raschheit sprengelüberschreitend tätig zu werden, um zu ermöglichen, dass jeweils jene Organe, die am schnellsten am Einsatzort eintreffen können, mit der jeweiligen Amtshandlung beauftragt werden.

Zu Z 7 (§ 15a):

Zum Zweck der Erhöhung der Sicherheit der vom Bundesministerium für Inneres sowie den diesem organisatorisch nachgeordneten Dienststellen genutzten Gebäude und Räumlichkeiten ist es angezeigt, ihr Betreten unter Mitnahme von Waffen zu untersagen und dies auch zu kontrollieren. Hierzu ist es jedoch nicht ausreichend, nur im Rahmen der Hausordnung das Verbot, Waffen in ein Gebäude mitzunehmen, auszusprechen. Weigert sich jemand, sich der Hausordnung zu unterwerfen, kann ihm gestützt auf das Hausrecht zwar das Betreten des Gebäudes untersagt und die Person weggewiesen werden; dies führt allerdings zu einem Spannungsverhältnis, wenn der Weggewiesene aufgrund einer öffentlich rechtlichen Verpflichtung, bspw. einer behördlichen Ladung, vor der Behörde erscheinen und damit das Amtsgebäude betreten muss. Aus diesem Grund wurden für den Bereich der Justiz bereits entsprechende Regelungen im Gerichtsorganisationsgesetz (§§ 1 ff GOG) normiert. Mit dem gegenständlichen Entwurf soll eine entsprechende Regelung für vom Bundesministerium für Inneres sowie von diesem organisatorisch nachgeordneten Dienststellen genutzte Gebäude und Räumlichkeiten (z.B. das Bundeskriminalamt, das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie die Zivildienstserviceagentur) implementiert werden, unabhängig von den jeweiligen Eigentumsverhältnissen am Gebäude bzw. der Räumlichkeit.

Demnach soll es künftig öffentlich rechtlich untersagt sein, bestimmte Gebäude und Räumlichkeiten mit einer Waffe zu betreten. Als Waffe ist – entsprechend der Regelung im Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) – jeder besonders gefährliche, zur Bedrohung von Leib oder Leben geeignete Gegenstand anzusehen (vgl. § 1 Abs. 1 GOG). Wer eine Waffe bei sich hat, hat sie beim Betreten zur Verwahrung zu übergeben und ist nachweislich über die maßgebenden Umstände für die Ausfolgung (bspw. zur Verwertung und Vernichtung nicht abgeholter bzw. ausgefolgter Waffen) in Kenntnis zu setzen.

Dieses Verbot der Waffenmitnahme gilt grundsätzlich nicht für Personen, die auf Grund ihres öffentlichen Dienstes zum Tragen bestimmter Waffen verpflichtet sind, hinsichtlich jener Waffen, die ihnen auf Grund ihres öffentlichen Amtes oder Dienstes von ihrer vorgesetzten österreichischen Behörde oder Dienststelle als Dienstwaffen zugeteilt worden sind (§ 47 Abs. 1 Z 2 lit. a WaffG). Nur bei Vorliegen bestimmter Umstände, etwa wenn die Person selbst als Beschuldigter in einem strafprozessualen Ermittlungsverfahren oder Disziplinarverfahren vorgeladen ist, kann es in einzelnen Fällen zur Gewährleistung der Sicherheit angezeigt sein, dass auch diese Personen ihre mitgeführten Waffen abgeben müssen.

Abs. 2 hält fest, dass zur Einhaltung dieses Verbotes Sicherheitskontrollen durchgeführt werden dürfen. Zur Durchführung der Sicherheitskontrollen können auch technische Hilfsmittel wie Torsonden, Metalldetektor-Torrahmen, Durchleuchtungsgeräte oder Handsuchgeräte herangezogen werden.

Die Vornahme der Sicherheitskontrolle gemäß Abs. 2 darf nicht erzwungen werden. Personen, die es allerdings zu Unrecht ablehnen, sich einer solchen Kontrolle zu unterziehen oder eine Waffe verwahren zu lassen, sollen gemäß Abs. 3 aus dem Amtsgebäude weggewiesen werden und gelten für die sie betreffende Amtshandlung als unentschuldigt säumig (Abs. 4). Im Fall der Nichtbefolgung der Wegweisung ist die Anwendung unmittelbarer Zwangsgewalt anzudrohen und bei Erfolglosigkeit der Androhung die Wegweisung mit angemessener unmittelbarer Zwangsgewalt unter möglichster Schonung des Betroffenen durchzusetzen.

Zu Z 8 (§ 16 Abs. 2):

Die Wortfolge „auf Begehren eines Beteiligten“ soll aufgrund der Strafrechtsakzessorietät des gefährlichen Angriffs an die Begrifflichkeiten des Strafrechts angepasst werden.

Zu Z 9 und 15 (§§ 36a Abs. 3 und 49a Abs. 2):

Die vorgeschlagene Änderung schafft – neben terminologischen Anpassungen – die Möglichkeit, Betretungsverbote im Zusammenhang mit Schutzzonen sowie Sicherheitsbereichen bei Sportgroßveranstaltungen bereits außerhalb dieser Bereiche aussprechen zu können, wenn schon vorab aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, der Betroffene werde in diesen Bereichen einen gefährlichen Angriff iSd §§ 36a Abs. 3 bzw. 49a Abs. 2 begehen. Damit verbunden ist der präventive Aspekt, dass die Betroffenen schon außerhalb dieses Bereichs ihr Verhalten entsprechend anpassen, etwa vor dem Sicherheitsbereich bei Sportgroßveranstaltungen.

Auch soll – entsprechend § 38a – klargestellt werden, dass das einschreitende Organ befugt ist, den Gefährder, der sich nach Ausspruch des Betretungsverbots weigert, den vom Betretungsverbot umfassten Bereich (somit die Schutzzone nach § 36a Abs. 1 bzw. den Sicherheitsbereich bei Sportgroßveranstaltungen nach §  49a Abs. 1) zu verlassen, nötigenfalls unter Ausübung von Zwangsgewalt wegzuweisen. Kehrt der Gefährder nach Ausspruch des Betretungsverbotes in die umfasste Schutzzone bzw. den umfassten Sicherheitsbereich zurück, begeht er eine Verwaltungsübertretung nach § 84 Abs. 1 und kann nach § 84 Abs. 2 weggewiesen und bei wiederholter Missachtung festgenommen werden (§ 35 VStG).

Zu Z 10 bis 13 (§ 38a):

In § 38a sind mehrere Neuerungen vorgesehen, die den Schutz vor Gewalt erhöhen sollen. Zum einen soll es möglich sein, ein Betretungsverbot alleine für eine Einrichtung gemäß Abs. 1 Z 2 auszusprechen, zum anderen soll die präventive Rechtsaufklärung des Gefährders gesetzlich verankert werden.

Um den Schutz gefährdeter unmündiger Minderjähriger umfassend zu gewährleisten, soll es künftig möglich sein, unabhängig vom Betretungsverbot für die Wohnung ein Betretungsverbot für die Einrichtungen nach Abs. 1 Z 2 zu erlassen. Dies erweist sich in Fällen als erforderlich, in denen etwa dem Gefährder die Wohnadresse gar nicht bekannt oder der gefährdete unmündige Minderjährige beispielsweise in einem Frauenhaus aufhältig ist. Soll sowohl das Betreten der Wohnung als auch der Einrichtung untersagt werden, sind hinkünftig zwei gesonderte Betretungsverbote auszusprechen. Durch Abs. 7 wird klargestellt, dass ein Betretungsverbot nach Abs. 1 Z 2, wenn es gemeinsam mit einem Betretungsverbot nach Abs. 1 Z 1 ausgesprochen wird, auch für den örtlichen Wirkungsbereich einer anderen Sicherheitsbehörde angeordnet werden kann.

Ebenso hat die Praxis gezeigt, dass es sich auch bei Einrichtungen nach Abs. 1 Z 2 als notwendig erweisen kann, dass der Gefährder eine solche während eines aufrechten Betretungsverbots aufsucht, etwa wenn die Einrichtung gleichzeitig auch ein Wahllokal ist. Muss der Betroffene eine vom Betretungsverbot erfasste Einrichtung aufsuchen, soll dies – wie auch bei der Wohnung ‑ nur in Gegenwart eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgen.

Zugleich soll die Formulierung des Abs. 1 in sprachlichen Einklang mit den sonstigen Bestimmungen zu Betretungsverboten und Wegweisungen (§§ 36a Abs. 3 und 49a Abs. 2) gebracht werden.

Seit 2011 wird österreichweit mit Gefährdern nach § 38a durch besonders geschulte Bedienstete kurze Zeit nach dem Vorfall ein Zweitgespräch – die sogenannte „präventive Rechtsaufklärung" – durchgeführt. Diese beruht auf Freiwilligkeit und wird von den Gefährdern grundsätzlich gut angenommen. Bei der präventiven Rechtsaufklärung geht es darum, die persönliche Gesamtsituation des Gefährders gemeinsam zu betrachten und eine Verdeutlichung der Normen und vor allem der den Gefährder im Wiederholungsfall erwartenden Konsequenzen herbeizuführen.

Nunmehr soll – angelehnt an die Gefährderansprache bei Sportgroßveranstaltungen (§ 49b) – eine gesetzliche Grundlage für die Möglichkeit der präventiven Rechtsaufklärung und der Vorführung von Gefährdern zu dieser Maßnahme geschaffen werden.

Nach Abs. 6a wird der Sicherheitsbehörde, die gemäß Abs. 6 innerhalb von 48 Stunden jedes Betretungsverbot zu überprüfen hat, die Möglichkeit iS eines Handlungsermessens eingeräumt, den Gefährder während eines aufrechten Betretungsverbotes (Frist nach Abs. 8) zur präventiven Rechtsaufklärung vorzuladen, wenn dies aufgrund der Gesamtsituation beim Einschreiten (Verhältnis von gefährdeter Person und Gefährder, bekannte Gefahrenmomente) oder wegen der Persönlichkeit des Gefährders (Verhalten bei Wegweisung, erkennbare Gewaltbereitschaft, Gefährdungsprognose, einschlägige Vorfälle in jüngster Vergangenheit) erforderlich erscheint. Im Rahmen eines Auswahlermessens trifft die Sicherheitsbehörde die Entscheidung, ob der Gefährder durch einfache Vorladung, welche an keine bestimmte Form gebunden ist und daher auch telefonisch, mündlich oder schriftlich ergehen kann, oder mittels Vorladungsbescheid vorgeladen wird. Soll die Vorladung auch vollstreckbar sein, dann muss diese – neben der Androhung eines konkreten Zwangsmittels im Bescheid selbst – zu eigenen Handen zugestellt werden. Die Zustellung hat diesfalls an die als Abgabestelle nach Abs. 3 genannte Adresse zu ergehen. Die Einhaltung der Frist nach Abs. 8 ist dann gewahrt, wenn die Ladung an den Gefährder innerhalb dieses Zeitraums ergeht. Der Gefährder kann zur Sicherheitsbehörde oder zu jeder Dienststelle vorgeladen werden.

Zu Z 14 (§ 42a Abs. 3):

Auf Anregung des Österreichischen Städtebundes soll es im Bereich des Fundwesens zu Verwaltungsvereinfachungen kommen. Bereits bei Fundabgabe wird der Finder in der Regel über den Beginn seiner Anwartschaft auf Eigentum informiert. Bei geringfügigen Funden, wobei die Geringfügigkeitsgrenze der strafrechtlichen Geringfügigkeitsgrenze angepasst werden soll, wird mit dieser Information, die etwa durch Aushändigung eines Informationsblattes erfüllt wird, dem Interesse des Finders genüge getan. Bei Funden in Wert von mehr als 100 Euro erfolgt zusätzlich noch nach Erwerb der Anwartschaft eine Verständigung anhand der vom Finder im Zeitpunkt der Fundabgabe bekannt gegebenen Erreichbarkeitsdaten, etwa durch Verständigung per SMS, E-Mail, Fax oder postalisch. Von der Verpflichtung, in jedem Fall eine Verständigung durch Zustellung zu eigenen Handen durchzuführen, und nach Verständigung noch sechs Monate zuzuwarten, soll zur Verwaltungsvereinfachung abgegangen werden.

Zu Z 16 und 25 (§§ 49d, 49e und 84 Abs. 1a):

Das SPG sieht derzeit präventive Rechtsbelehrungen (§§ 49b und 49c) nur im Zusammenhang mit der Verhinderung von Gewalt und Rassismus bei Sportgroßveranstaltungen vor. Nunmehr sollen solche präventiven Instrumente auch zur Verhinderung von terroristisch, ideologisch oder religiös motivierten Straftaten eingesetzt werden können. Mit beiden Maßnahmen wird das Ziel verfolgt, bei Vorliegen bestimmter Hinweise auf eine beginnende Radikalisierung mit präventiven Maßnahmen einer weiteren Radikalisierung gegenzusteuern. Die jeweils im Einzelfall zu treffende Prognoseentscheidung kann sich zum einen auf einschlägige Verwaltungsübertretungen in der Vergangenheit stützen, zum anderen auch auf an sich niederschwellige Straftaten, die aber eine extremistische Motivation erkennen lassen sowie auf Hinweise aus dem persönlichen Umfeld des Betroffenen. Um sicherzustellen, dass mit der Materie besonders vertraute Personen über diese Maßnahmen zur Verhinderung von Radikalisierung und extremistisch motivierten Straftaten entscheiden, sollen beide Maßnahmen nur von den bei den Landespolizeidirektionen angesiedelten Organisationseinheiten für Verfassungsschutz veranlasst werden. Der konkrete Ort für die Durchführung der Maßnahme richtet sich regelmäßig nach dem Wohnort des Betroffenen.

Erklärtes Ziel der Gefährderansprache nach § 49d ist es, zu einer Deradikalisierung des Betroffenen beizutragen. Dazu soll der Betroffene in einem Gespräch nach Möglichkeit von speziell dazu ausgebildeten Präventionsbeamten über das besondere Gefährdungspotential einer weiteren Radikalisierung und die damit verbundenen Rechtsfolgen (etwa über Beginn von gerichtlich strafbarem Verhalten, Befugnisse der Sicherheitsbehörden) unterrichtet und auf bestehende Unterstützungsangebote und Anlaufstellen (Deradikalisierungsprogramme etc.) hingewiesen werden.

Unter Wahrung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit soll es im Einzelfall auch möglich sein, den Betroffenen zu im Bescheid konkret anzugebenden Zeitpunkten zu verpflichten, bei einer Dienststelle zu erscheinen (Meldeverpflichtung), um einen regelmäßigen Kontakt mit dem Betroffenen sicherzustellen. Durch den regelmäßigen Kontakt wird das Ziel verfolgt, eine weitergehende Radikalisierung oder örtliche Veränderungen des Betroffenen zeitnahe erkennen und entsprechend reagieren zu können sowie bei entsprechendem Gefährdungspotential den Betroffenen von der Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen fernzuhalten, um bestimmten verfassungsgefährdenden Angriffen vorzubeugen. Der Zeitpunkt bzw. die konkreten Zeitpunkte sind demnach je nach vorliegendem Gefährdungspotential im Einzelfall zu wählen, wobei bei der Auswahl eben auch Veranstaltungen oder sonstige öffentliche Ereignisse miteinzubeziehen sind. Der Betroffene kann zu jeder Dienststelle vorgeladen werden, wobei sich die Festlegung der zuständigen Dienststelle primär am Aufenthaltsort des Betroffenen zu orientieren hat und nur in besonderen Fällen, etwa wenn mit der Meldeverpflichtung auch ein Fernhalten von einer bestimmten Veranstaltung verbunden sein soll, nicht die dem Aufenthaltsort des Betroffenen nächstgelegene Dienststelle sein wird.

Entsprechend der Regelung zur Meldeauflage soll es eine Verwaltungsübertretung darstellen, wenn jemand einer Gefährderansprache zur Deradikalisierung oder einer Meldeverpflichtung nicht nachkommt oder die amtliche Belehrung nach § 49d behindert oder stört.

Zu Z 18 bis 21 (§§ 57 und 58 Abs. 1):

Mit der Änderung in § 57 Abs. 1 Z 5 soll eine dem § 39 Abs. 1 Z 2 EU-PolKG vergleichbare Regelung geschaffen werden, um Personen, bei denen eine Gesamtbetrachtung ihrer Person befürchten lässt, dass sie künftig mit beträchtlicher Strafe bedrohte gerichtlich strafbare Handlungen begehen, zur verdeckten Kontrolle auszuschreiben.

Analog zur Regelung in § 16a Abs. 11 MeldeG soll es zulässig sein, aus Anlass der Anmeldung eines Kraftfahrzeuges zu überprüfen, ob dieses zur Fahndung (§ 57 Abs. 2) ausgeschrieben ist. Ebenso soll es zulässig sein, im Fall einer neuen nationalen Fahndungsausschreibung eine Überprüfung dahingehend durchzuführen, ob dieses Fahrzeug in Österreich zugelassen ist. Zusätzlich soll durch die Änderung in § 57 Abs. 3 klar gestellt werden, dass auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Übermittlungsempfänger für Fahndungsdaten sein kann.

Die § 57 Abs. 1 Z 2 und § 58 Abs. 1 Z 2 haben aufgrund des Strafprozessreformgesetzes 2004 keinen Anwendungsbereich mehr.

Zu Z 22 (§ 58e):

Zur Administration von Notrufen sowie für die Unterstützung bei der Koordination von Einsätzen wird ein Informationsverbundsystem eingerichtet. Dieses wird vom Bundesminister für Inneres betrieben. Ermächtigt zur Datenverarbeitung sind der Bundesminister für Inneres (hiervon erfasst sind insbesondere das Einsatzkommando Cobra als Sondereinheit der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit gem. § 1 Z 4 Sondereinheiten-Verordnung sowie das Einsatz- und Koordinationscenter als zentrale Informations-, Kommunikations- und Koordinationsplattform des Bundesministeriums für Inneres) sowie die Landespolizeidirektionen. Unter Notruf wird zum einen jeder Anruf, der bei einer Einsatzzentrale (Notrufdienst iSd § 98 TKG 2003) einlangt, und zum anderen auch jeder über eine technische Alarmeinrichtung iSd § 92a oder über eCall direkt bei der Einsatzzentrale einlangende Alarm verstanden.

In diesem Informationsverbundsystem dürfen zum einen Daten über die vom Notruf oder Einsatz betroffenen Personen, insbesondere zum Anrufer eines Notrufs und zur gefährdeten Person, verarbeitet werden. Hierzu zählen die erforderlichen Identifikations- und Erreichbarkeitsdaten einschließlich der Stamm- und Standortdaten gemäß § 98 TKG 2003. Zum anderen dürfen die erforderlichen Sach- und Gebäudedaten einschließlich KFZ-Kennzeichen, Daten zu Zeit, Ort, Grund und Art des Einsatzes, Erreichbarkeitsdaten von sonstigen zu verständigenden Stellen (Sprengelärzte, Jagdaufsichtsorgane, Bestattungsunternehmen, Abschleppdienste etc.) sowie Verwaltungsdaten und der Mindestdatensatz eines eCalls gem. Art. 2 lit. h der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 305/2013 zur Ergänzung der Richtlinie 2010/40/EU in Bezug auf die harmonisierte Bereitstellung eines interoperablen EU-weiten eCall-Dienstes, ABl. Nr. L 91 vom 3.4.2013 S. 1, verarbeitet werden. Der Mindestdatensatz eines eCalls umfasst Fahrzeugtyp, Fahrzeugkennung, Fahrzeugenergiespeicherart, Zeitpunkt, Fahrzeugposition, Fahrtrichtung, letzte Fahrzeugposition und Anzahl der Fahrzeuginsassen.

Im Rahmen der Entgegennahme von Notrufen (einlangende und ausgehende Anrufe bei einem Notrufdienst) dürfen Telefongespräche gem. § 93 Abs. 3 TKG 2003 aufgezeichnet und rückverfolgt werden. Abs. 2 legt fest, dass durch diese Sprachaufzeichnung ermittelte Daten nach drei Monaten zu löschen sind. Alle übrigen im Rahmen des Einsatzes verarbeiteten Daten sind nach Beendigung und Evaluierung des Einsatzes, längstens jedoch nach 18 Monaten zu löschen.

Abs. 3 nennt die Übermittlungsempfänger von im Rahmen der Administration von Notrufen und der Unterstützung bei der Koordination des Einsatzes verarbeiteten Daten. Neben den Sicherheitsbehörden, den Staatsanwaltschaften und den ordentlichen Gerichten können Daten an sonstige Notrufdienste (etwa dem Rettungswesen oder der Feuerwehr zugehörige Dienste) sowie an sonstige Stellen (etwa Abschleppdienste oder die ASFINAG) übermittelt werden, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr, zur Hilfeleistung oder für die Verrechnung erforderlich ist.

Zu Z 23 (§ 64 Abs. 2):

Nach dem geltenden Wortlaut des § 64 Abs. 2 würde jede Maßnahme, die das Wiedererkennen einer Person lediglich abstrakt möglich macht, die Definition der erkennungsdienstlichen Maßnahme erfüllen, auch wenn diese Maßnahme nicht zum Zweck der Wiedererkennung ergriffen wurde. So würden selbst Bildaufnahmen, die etwa ausschließlich zur Dokumentation behördlichen Einschreitens angefertigt wurden, hiervon erfasst sein. Zur Klarstellung, dass unter diese Begrifflichkeit ausschließlich solche Maßnahmen fallen, die gerade zum Zweck der Wiedererkennung eines Menschen angefertigt wurden, soll § 64 Abs. 2 präzisiert werden.

Zu Z 24 (§ 83a Abs. 1):

Es handelt sich um eine terminologische Anpassung an § 5 Abs. 2.

Zu Z 17 und Z 26 (§§ 53 Abs. 3a, 54 Abs. 4, 91c Abs. 2):

Es handelt sich um redaktionelle Berichtigungen.

Zu Z 27(§ 94 Abs. 40 und 41):

Es handelt sich um die Inkrafttretensbestimmungen. Aufgrund des umfassenden technischen Umsetzungsbedarfs ist für die §§ 5 und 58e eine längere Legisvakanz erforderlich.

Zu Artikel 2 (Änderung des EU-Polizeikooperationsgesetzes)

Zu Z 1 (§ 25 Abs. 1):

Es handelt sich um eine redaktionelle Berichtigung.

Zu Z 2 (§ 33 Abs. 6):

Bislang wurde die Übermittlung an Behörden für Zwecke des Asyl- und Fremdenwesens unmittelbar auf Art. 40 Abs. 1 lit. b des Beschlusses 2007/533/JI des Rates vom 12. Juni 2007 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) gestützt. Nunmehr soll im Zuge der Anpassung des § 57 Abs. 3 SPG auch Abs. 6 entsprechend geändert werden.

Zu Z 3 bis 5 (§ 40):

Es bedarf der Anpassung des Abs. 1, da zur Fahndung ausgeschriebene Identitätsdokumente nicht nur zur Sicherstellung nach den Vorschriften des SPG oder im Strafverfahren, sondern etwa auch zur Sicherstellung nach dem Passgesetz 1992 gesucht werden.

Im Rahmen des Schengener Informationssystems (SIS II) wird derzeit nach ca. 8.000 „foreign terrorist fighters“ gefahndet. Als eine der Maßnahmen zur Verhinderung der Ausreise werden Identitätsdokumente für ungültig erklärt und im SIS II zur Sicherstellung ausgeschrieben. In § 40 Abs. 3 soll nunmehr als Anschlussstück die Möglichkeit geschaffen werden, im Ausland für ungültig erklärte Identitätsdokumente dem im Inland betretenen Betroffenen abzunehmen und an die jeweils zuständige Vertretungsbehörde zu übergeben.

Während § 57 Abs. 2 SPG Regelungen in Bezug auf die nationale Fahndung trifft, soll § 40 Abs. 4 die schengenweite Fahndung regeln (siehe EB zu § 57 SPG).

Zu Z 6 (§ 46 Abs. 4 und 5):

Es handelt sich um die Inkrafttretensbestimmung sowie um die Beseitigung eines Redaktionsversehens.

Zu Artikel 3 (Änderung des Waffengebrauchsgesetzes 1969)

Zu Z 1 (§ 2):

Es soll eine Anpassung an die geänderten Begrifflichkeiten in § 5 Abs. 2 SPG erfolgen, um klar zu stellen, wer unter den personellen Anwendungsbereich des WaffGG fällt (vgl Keplinger/Nedwed, Waffengebrauchsgesetz 19696, § 2 Anm. 3.1 ff). Zusätzlich zu den Organen der Bundespolizei und der Gemeindewachkörper werden die Angehörigen des rechtskundigen Dienstes der Landespolizeidirektion und des Bundesministeriums für Inneres sowie sonstige Angehörige der Landespolizeidirektion und des Bundesministeriums für Inneres ausdrücklich in den Anwendungsbereich des WaffGG aufgenommen, wenn sie zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt sind.

Zu Z 2 (§ 15 Abs. 5):

Es handelt sich um die Inkrafttretensbestimmung.