Entwurf

Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Der vorliegende Entwurf beinhaltet folgende Schwerpunkte:

1.)    Die vollständige Umsetzung der Richtlinie 2013/48/EU über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (in der Folge: RL Rechtsbeistand), ABl. Nr. L 294 vom 6.11.2013 S 1;

2.)    Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Ergreifung sitzungspolizeilicher Maßnahmen im Rahmen des Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof, der Berufungsverhandlung vor dem jeweiligen Rechtsmittelgericht und der Haftverhandlung im Hauptverfahren;

3.)    Zulässigkeit der Diversion im Erwachsenenstrafrecht, wenn durch die Tat ein Angehöriger des Beschuldigten fahrlässig getötet wurde, aber eine Bestrafung des Beschuldigten im Hinblick auf die bei diesem durch den Tod des Angehörigen verursachte schwere psychische Belastung nicht geboten erscheint;

4.)    Übernahme der Kronzeugenregelung nach den §§ 209a und 209b StPO in den endgültigen Rechtsbestand und Klarstellung in der Praxis aufgetauchter Fragen;

5.)    Möglichkeit der Korrektur einer fehlerhaften Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die nachträgliche Fortsetzung nach vorläufigem Rücktritt von der Verfolgung (Diversion) durch Einspruch gegen die Anklageschrift bzw. Zurückweisung des Strafantrages;

6.)    Festlegung, dass im Fall einer Zuständigkeit kraft Zusammenhangs dann, wenn gegen den Angeklagten zum Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit der Anklage ein Hauptverfahren anhängig ist, nicht auf den zeitlich früheren Tatvorwurf, sondern den Zeitpunkt des Vorliegens einer rechtskräftigen Anklage abzustellen ist;

7.)    Klarstellung, dass als ersatzpflichtige Kosten des Strafverfahrens neben den Kosten für die Einlieferung aus dem Ausland (im Rahmen der Erwirkung einer Auslieferung/Übergabe zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung) auch die Kosten einer Überstellung von Strafgefangenen zur weiteren Strafvollstreckung in das In- oder Ausland gelten;

8.)    Klarstellung, dass für den Ausschluss von der Ausübung des Amts als Schöffe oder Geschworener auf eine konkrete Beschuldigung abzustellen ist;

9.)    Umsetzung des Art. 10 RL Rechtsbeistand im EU-JZG durch Gewährleistung des Zugangs zu einem Rechtsbeistand für das das Verfahren im Vollstreckungsstaat und in Abs. 4 bis 6 für das das Verfahren im Ausstellungsstaat.

Ad 1.)

Am 30. November 2009 nahm der Rat eine Entschließung über einen Fahrplan zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren an (ABl. Nr. C 295 vom 04.12.2009 S 1). In dieser „Roadmap“ wird unter anderem als Maßnahme C „Rechtsbeistand und Prozesskostenhilfe“ zur Sicherstellung eines fairen Verfahrens die Gewährleistung des Zugangs zu einem Rechtsbeistand für einen Verdächtigen oder Beschuldigten zum frühesten geeigneten Zeitpunkt in einem Strafverfahren und das Recht auf Prozesskostenhilfe vorgesehen.

Der von der Europäischen Kommission am 8. Juni 2011 vorgelegte Entwurf der RL Rechtsbeistand dient unter anderem der Umsetzung der Maßnahmen C (ohne Verfahrenshilfe, die in der noch in Verhandlung befindlichen Richtlinie über vorläufige Prozesskostenhilfe für Verdächtige oder Beschuldigte, denen die Freiheit entzogen ist, sowie über Prozesskostenhilfe in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls geregelt werden soll, enthalten ist) der Roadmap. Die am 22. Oktober 2013 angenommene RL Rechtsbeistand sieht gemeinsame Mindestnormen für das Recht auf Rechtsbeistand und das Recht auf Kontaktaufnahme bei der Festnahme innerhalb der Europäischen Union vor. Sie ist gemäß Art. 15 von den Mitgliedstaaten bis zum 27. November 2016 umzusetzen.

Die Umsetzung eines Großteiles der RL Rechtsbeistand ist bereits Gegenstand des Entwurfs eines Strafprozessrechtsänderungsgesetzes I 2016 (RV 1058 d.B. XXV. GP). In diesem Entwurf noch nicht enthalten waren jene Bestimmungen, die den Zugang zu einem Rechtsbeistand vor der Befragung durch die Polizei oder Justizbehörden (Art. 3 Abs. 2 lit. a RL Rechtsbeistand) und nach dem Entzug der Freiheit regeln (Art. 3 Abs. 2 lit. c und Abs. 4 2. Satz, 10 Abs. 1 bis 3 RL Rechtsbeistand), weil in diesem Bereich umfangreichere organisatorische Vorkehrungen in Abstimmung mit dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag erforderlich waren, um den unverzüglichen Zugang zu einem Rechtsbeistand zu gewährleisten. Aufgrund des engen Zusammenhangs mit der noch in Verhandlung befindlichen Richtlinie über vorläufige Prozesskostenhilfe für Verdächtige oder Beschuldigte, denen die Freiheit entzogen ist, sowie über Prozesskostenhilfe in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls (im Folgenden: RL Prozesskostenhilfe), bestand die Intention, auch die Beschlussfassung dieser Richtlinie vor näheren Überlegungen zur Umsetzung des Art. 3 Abs. 2 lit. a und c RL Rechtsbeistand abzuwarten. Im Hinblick auf den derzeitigen Stand der Verhandlungen zur RL Prozesskostenhilfe und den Ablauf der Umsetzungsfrist der RL Rechtsbeistand mit 27. November 2016 kann jedoch mit der Vollumsetzung der RL Rechtsbeistand nicht länger zugewartet werden.

Mit dem vorliegenden Entwurf sollen nun auch die noch offenen Bestimmungen der RL Rechtsbeistand umgesetzt werden.

Art. 3 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand ist die zentrale Bestimmung der RL Rechtsbeistand. Gemäß Abs. 1 haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Beschuldigten das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand so rechtzeitig und in einer solchen Art und Weise zukommt, dass sie ihre Verteidigungsrechte praktisch und wirksam wahrnehmen können (vgl. §§ 49f, 57 ff StPO). Der Zugang zu einem Rechtsbeistand ist Beschuldigten gemäß Abs. 2 unverzüglich zu gewähren, jedenfalls

a) vor ihrer Befragung durch die Polizei oder Justizbehörden (vgl. §§ 153 Abs. 2, 221 Abs. 2 StPO);

b) ab der Durchführung von Ermittlungs- oder anderen Beweiserhebungshandlungen durch die zuständigen Behörden gemäß Absatz 3 Buchstabe c (s. §§ 49f, 57 ff StPO);

c) unverzüglich nach dem Entzug der Freiheit;

d) wenn der Beschuldigte vor ein Strafgericht geladen wurde, rechtzeitig bevor der Beschuldigte vor diesem Gericht erscheint (s. §§ 153 Abs. 2, 221 Abs. 2 StPO).

Art. 3 Abs. 3 gestaltet das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand näher aus. Demnach hat der Beschuldigte - auch vor der Befragung durch die Polizei oder Justizbehörden (s. § 58 Abs. 1 StPO) - das Recht, mit dem Rechtsbeistand, der ihn vertritt, unter vier Augen zusammenzutreffen und mit ihm zu kommunizieren; der Rechtsbeistand hat das Recht, bei der Befragung anwesend zu sein und an ihr wirksam teilzunehmen. Diese Teilnahme an der Befragung erfolgt gemäß dem nationalen Recht, sofern die wirksame Ausübung und der Wesensgehalt der Verteidigungsrechte gewahrt sind.

Ein Umsetzungsbedarf besteht insoweit, als sicherzustellen ist, dass dem Beschuldigten auch in Haftfällen in möglichst kurzer Zeit tatsächlich ein Verteidiger zur Seite stehen kann. Darüber hinaus verlangt das durch Art. 3 Abs. 3 garantierte Recht auf Anwesenheit des Verteidigers bei sämtlichen Befragungen auch die Möglichkeit der Teilnahme an der Vernehmung zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft (§ 174 Abs. 1 StPO).

Gemäß Art. 10 Abs. 1 bis 3 RL Rechtsbeistand besteht das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand nach einer Festnahme aufgrund eines Europäischen Haftbefehls im Vollstreckungsmitgliedstaat unverzüglich ab dem Entzug der Freiheit. Das Recht auf Benennung eines Rechtsbeistands auch im Ausstellungsstaat eines Europäischen Haftbefehls und entsprechende Verständigungspflichten werden in Art. 10 Abs. 4 bis 6 RL Rechtsbeistand geregelt.

 

 

Ad. 2.)

Für sitzungspolizeiliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen des Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung vor dem OGH, der Berufungsverhandlung vor dem jeweiligen Rechtsmittelgericht und einer Haftverhandlung im Hauptverfahren besteht seit Inkrafttreten der Strafprozessreform eine Gesetzeslücke, die durch Schaffung einer ausdrückliche Grundlage für sitzungspolizeiliche Maßnahmen in diesen Verfahrensstadien geschlossen werden soll.

Ad 3.)

Im Einklang mit dem Bericht der Expertenkommission zur Prüfung der staatlichen Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich (März 2004) und dem Beschluss der Landeshauptleutekonferenz vom 4. November 2005 soll unter Berücksichtigung der bereits seit 1. Jänner 2008 (Strafprozessreformbegleitgesetz I, BGBl. I Nr. 93/2007) im JGG in Geltung stehenden gleichlautenden Regelung eine diversionelle Maßnahme künftig auch dann zulässig sein, wenn die Tat zwar den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat, es sich bei der getöteten Person jedoch um einen fahrlässig getöteten Angehörigen des Beschuldigten handelte und eine Bestrafung im Hinblick auf die beim Beschuldigten durch den Tod des Angehörigen verursachte schwere psychische Belastung nicht geboten ist.

Diese Änderung soll nunmehr auch für den Diversionsbereich außerhalb von Jugendstraftaten nachvollzogen werden. So soll – unter Beibehaltung der durch § 198 Abs. 2 Z 1 und 2 StPO normierten Kriterien – eine diversionelle Maßnahme künftig auch dann möglich sein, wenn durch die Tat ein Angehöriger des Beschuldigten fahrlässig getötet wurde, aber eine Bestrafung des Beschuldigten im Hinblick auf die bei diesem durch den Tod des Angehörigen verursachte schwere psychische Belastung nicht geboten erscheint.

Ad 4.)

Die Bestimmungen der §§ 209a und 209b StPO über den Rücktritt von der Verfolgung wegen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft („Kronzeugenregelung“) traten mit 1. Jänner 2011 in Kraft und stehen vorerst befristet bis 31. Dezember 2016 in Geltung. Die Einführung der Kronzeugenregelung wurde darüber hinaus auch von internationalen Organisationen positiv bewertet. Eine Evaluierung der bisherigen Praxis der Handhabung der Kronzeugenregelung zeigt ungeachtet deren Eigenschaft als ressourceneffizientes Ermittlungswerkzeug zur Bekämpfung v.a. schwer aufklärbarer, konspirativ begangener Delikte Bedarf nach Verbesserung der Kronzeugenregelung auf. Die im Sinne einer erleichterten praktischen Handhabung überarbeiteten Bestimmungen zur Kronzeugenregelung sollen nunmehr in den endgültigen Rechtsbestand übernommen werden.

Ad 5.)

Nach geltender Rechtslage besteht für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft ein Verfahren nach einem vorläufigen Rücktritt fortsetzt, ohne dass eine der Voraussetzungen des § 205 Abs. 2 StPO oder des § 38 Abs. 1 oder 1a SMG vorliegt, keine prozessuale Konsequenz. Der Beschuldigte hat somit keine Möglichkeit, unmittelbar auf Einhaltung der ihm angebotenen (und von ihm akzeptierten) Bedingungen der Diversion zu bestehen; auch das Gericht kann diesen Umstand nicht unmittelbar aufgreifen.

Im Einklang mit der bestehenden Gesetzessystematik soll daher dem Angeklagten ein ausdrücklicher Einspruchsgrund gegen die Anklageschrift (im Schöffen- bzw. Geschworenenverfahren) bzw. dem Gericht ein Grund für die Zurückweisung des Strafantrages (im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes und dem Bezirksgericht) eingeräumt werden.

Ad 6.)

Da § 37 Abs. 3 StPO nicht auf das Zuvorkommen abstellt, kann dies zur verfahrensunökonomischen Konsequenz führen, dass das später (wegen des zeitlich früheren Tatvorwurfs) angerufene Gericht auch das früher (hinsichtlich zeitlich späterer Tatvorwürfe) bereits anhängig gewordene Verfahren selbst dann einzubeziehen hat, wenn in jenem Verfahren bereits Beweise aufgenommen wurden. Aus diesem Grund soll festgelegt werden, dass im Fall einer Zuständigkeit kraft Zusammenhangs dann, wenn gegen den Angeklagten zum Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit der Anklage ein Hauptverfahren anhängig ist, nicht auf den zeitlich früheren Tatvorwurf, sondern den Zeitpunkt des Vorliegens einer rechtskräftigen Anklage abzustellen ist.

Ad 7.)

Vor dem Hintergrund der Entscheidung des OGH vom 9.12.2015, 15 Os 117/15t, 15 Os 118/15i, soll klargestellt werden, dass als ersatzpflichtige Kosten des Strafverfahrens neben den Kosten für die Einlieferung aus dem Ausland (im Rahmen der Erwirkung einer Auslieferung/Übergabe zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung) auch die Kosten einer Überstellung von Strafgefangenen zur weiteren Strafvollstreckung in das In- oder Ausland gelten.

Ad 8.)

Mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, wurde der Beginn des Ermittlungsverfahrens präzisiert und eine Unterscheidung zwischen dem bloßen Verdacht auf Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung gegenüber einer bestimmten Person und einer auf diesen Verdacht bezogenen konkreten Beschuldigung dieser Person getroffen.

Da der Ausschlussgrund des § 2 Z 4 GSchG in der geltenden Fassung bloß auf die Anhängigkeit eines Strafverfahrens abstellt, hat dies zur Folge, dass seit Inkrafttreten des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, bereits jeder Verdächtige von der Ausübung des Amtes als Schöffe oder Geschworener ausgeschlossen ist. Eine solche unkonkrete und noch zu bestimmende Verdachtslage soll jedoch für einen Ausschluss von der Ausübung des Laienrichteramtes nicht ausreichen, weil ein solcher nur im Fall einer konkreten Beschuldigung gerechtfertigt erscheint.

Ad 9.)

Die RL Rechtsbeistand enthält in Art. 10 Regelungen betreffend das Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls. Grundsätzlich ist ein Recht auf einen Verteidiger ab dem Zeitpunkt der Festnahme vorgesehen, und zwar in Abs. 1 bis 3 für das das Verfahren im Vollstreckungsstaat und in Abs. 4 bis 6 für das das Verfahren im Ausstellungsstaat.

Die vorgeschlagenen Änderungen des EU-JZG sollen der Umsetzung dieser Bestimmungen dienen.

II. Besonderer Teil

Zu Art. I (Änderungen der Strafprozessordnung 1975)

Zu Z 1 bis 4 (§§ 20a Abs. 4, 25 Abs. 3 und 6, 25a StPO):

In Anknüpfung an Terminologie und Regelungsinhalt des bisherigen § 20a Abs. 4 letzter Satz StPO soll in § 25 Abs. 3 und 6 StPO klargestellt werden, dass auch im Fall örtlicher Unzuständigkeit unaufschiebbare Anordnungen vor der Abtretung durch die jeweils unzuständige Staatsanwaltschaft jedenfalls zu treffen sind. Gleiches soll nach dem vorgeschlagenen § 25a StPO auch im Fall der sachlichen Unzuständigkeit einer Staatsanwaltschaft gelten. Auch diese hat bei ihr einlangende Anzeigen, Berichte und Rechtshilfeersuchen an die zuständige Staatsanwaltschaft weiterzuleiten und davor unaufschiebbare Anordnungen zutreffen; eine „Zurückweisung wegen Unzuständigkeit“ ist ebenfalls nicht möglich (vgl. Nordmeyer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 25 Rz 17). Eine gesonderte die WKStA betreffende Regelung ist somit nicht mehr erforderlich.

Zu Z 5 (§ 37 Abs. 3 StPO):

Nach dem § 37 Abs. 3 StPO in der geltenden Fassung liegt eine Zuständigkeit kraft Zusammenhangs dann vor, wenn gegen den Angeklagten zum Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit der Anklage ein Hauptverfahren (bereits und auch noch immer) anhängig ist. Da § 37 Abs. 3 StPO [- anders als etwa § 26 Abs. 2 zweiter Satz letzter Halbsatz StPO -] nicht auf das Zuvorkommen abstellt, kann dies zur - verfahrensökonomisch nachteiligen - Konsequenz führen, dass das später (wegen des zeitlich früheren Tatvorwurfs) angerufene Gericht auch das früher (hinsichtlich zeitlich späterer Tatvorwürfe) bereits anhängig gewordene Verfahren selbst dann „einzubeziehen“ hat, wenn im „zuvorgekommenen“ Verfahren bereits Beweise aufgenommen wurden. Aus diesem Grund wurde auch bereits in der Literatur die Auffassung vertreten, dass es de lege ferenda in solchen Fällen überlegenswert wäre, auf den Zeitpunkt der Verfahrensanhängigkeit abzustellen (Oshidari in Fuchs/Ratz, WK StPO § 37 Rz 9).

Durch die vorgeschlagene Änderung soll in diesem Sinn festgelegt werden dass es im Falle der Verbindung nicht auf den zeitlich früheren Tatvorwurf, sondern den Zeitpunkt des Vorliegens einer rechtswirksamen Anklage ankommt.

Die Rechtsprechung des OGH zur Frage, ob nur im Fall subjektiver Konnexität bis dahin getrennt geführte Verfahren durch das Gericht verbunden werden dürfen (dies bejahend Fabrizy, StPO12 § 37 Rz 4), ist uneinheitlich. Während 12 Ns 67/08m eine Verfahrensverbindung gemäß § 37 Abs. 3 erster Halbsatz StPO auch im Fall der Mittäterschaft, also zweier unmittelbarer Täter, als zulässig erachtete (ebenso Nimmervoll, Haftrecht 6 [Anm. 27]), wurde zu 15 Ns 38/09w ausgesprochen, dass – im Gegensatz zur alten Rechtslage (§ 56 StPO idF BGBl. Nr. 526/1993) – eine Verbindung von auf verschiedenen Anklagen basierenden Hauptverfahren gegen verschiedene Beteiligte (objektive Konnexität) im Gesetz nicht (mehr) vorgesehen sei (vgl. Oshidari in Fuchs/Ratz, WK StPO § 37 Rz 8).

Im Einklang mit den Erläuterungen zum Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, wonach die Regelungen über die Verfahrensverbindung gegenüber früherem Recht (insbesondere § 56 StPO aF) nicht eingeschränkt werden sollen (vgl. EBRV StPRefG 25 BlgNr 22. GP 56 f) soll durch die vorgeschlagene Änderung klargestellt werden, dass nicht nur auf die subjektive, sondern auch die objektive Konnexität abzustellen ist. Eine – der alten Rechtslage entsprechende - zusätzliche Ausdehnung des § 37 Abs. 3 StPO auch auf Fälle (bloß) engen sachlichen Zusammenhangs würde jedoch eine nicht unerhebliche Erweiterung des Anwendungsbereichs und insbesondere in Wirtschaftsstrafsachen nur mehr schwer überschaubare Prozesse (und damit verbundenen Verfahrensverzögerungen) bewirken, weshalb von einer solchen Abstand genommen werden soll.

Zu Z 6 (§ 39 Abs. 1a StPO):

Die vorgeschlagene Änderung dient der Beseitigung eines Redaktionsversehens.

Zu Z 7 und 8 (§ 59 Abs. 1 und 3 StPO):

Die Neufassung des ersten Satzes von § 59 Abs. 1 StPO dient der Klarstellung der Beschuldigtenrechte im Sinne von Art. 3 Abs. 2 und 3 der RL Rechtsbeistand. Demnach ist dem Beschuldigten die Kontaktaufnahme mit einem Verteidiger zu ermöglichen. Dabei kann es sich um einen vom Beschuldigten gewählten Verteidiger handeln, in Ermangelung eines solchen ist dem Beschuldigten die Kontaktaufnahme mit dem rechtsanwaltlichen Journaldienst zu ermöglichen. Nach erfolgter Kontaktaufnahme ist dem Beschuldigten die Bevollmächtigung des Verteidigers zu ermöglichen. Die Beiziehung des Verteidigers erfolgt durch Beratung mit diesem vor der Vernehmung und durch dessen Teilnahme an der Vernehmung im Rahmen des § 164 Abs. 1 StPO.

Dabei wird auf das Eintreffen des bevollmächtigten Verteidigers längstens drei Stunden zuzuwarten sein, wobei in Ballungsräumen, in denen eine ausreichende Anzahl von Rechtsanwälten tätig ist, in der Regel auch ein kürzerer Zeitraum als angemessen zu beurteilen sein wird.

Ein allfälliger Verzicht des Beschuldigten auf die ihm zustehenden Rechte ist schriftlich zu dokumentieren. Nach Einlieferung in die Justizanstalt ist der Beschuldigte erneut auf die ihm zustehenden Rechte und auf die Möglichkeit eines jederzeitigen Widerrufs eines allenfalls getätigten Verzichts hinzuweisen. Sofern der Beschuldigte einen bei der Kriminalpolizei getätigten Verzicht widerruft, ist ihm Gelegenheit zur Kontaktaufnahme mit einem Verteidiger seiner Wahl oder mit dem rechtsanwaltlichen Journaldienst zu geben.

Durch den neu eingefügten § 59 Abs. 3 StPO wird neben der Regelung der Kontaktaufnahme mit dem rechtsanwaltlichen Journaldienst eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für den Abschluss einer Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Justiz und dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag über dessen Betrieb geschaffen.

Ein rechtsanwaltlicher Journaldienst wird bereits seit 2008 erfolgreich betrieben; er wurde bisher in über 2.900 Fällen in Anspruch genommen. Er besteht aus einem vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag betriebenen Callcenter, über das rund um die Uhr Bereitschaft versehende Rechtsanwälte erreichbar sind. Diese werden mit einem Pauschalbetrag entlohnt, der eine erste telefonische Beratung abdeckt. Eine über das erste Telefonat hinausgehende weitere Beratung und Vertretung des Beschuldigten erfolgt aufgrund einer Bevollmächtigung und ist daher vom Beschuldigten zu bezahlen. Das Bundesministerium für Justiz deckt die Kosten des laufenden Betriebs inklusive jener anwaltlichen Leistungen ab, deren Entlohnung Beschuldigte schuldig geblieben sind.

Aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen mit dem rechtsanwaltlichen Journaldienst soll diese Einrichtung weitergeführt und ausgebaut werden, weil aufgrund der zu erwartenden vermehrten Inanspruchnahme damit zu rechnen ist, dass künftig mehr Verteidiger Journaldienst verrichten werden. Aufgrund der Ausweitung des Teilnahmerechts an Vernehmungen, insbesondere auch an der Vernehmung über die Verhängung der Untersuchungshaft, werden höhere Honorare der in Anspruch genommenen Verteidiger anfallen. Bis zur Beschlussfassung und Umsetzung der noch in Verhandlung befindlichen RL Prozesskostenhilfe wird allerdings an dem Grundsatz, dass nur das erste Gespräch mit dem rechtsanwaltlichen Journaldienst kostenlos ist und darüber hinausgehende Leistungen grundsätzlich vom Beschuldigten zu bezahlen sind, festzuhalten sein, sodass sich die budgetären Auswirkungen in Grenzen halten werden.

Zu Z 9 (§ 174 Abs. 1 StPO):

Bereits nach geltendem Recht ist der Beschuldigte über das Recht auf Beiziehung eines Verteidigers (§ 164 Abs. 2 StPO) sowie darüber zu informieren, dass er berechtigt sei, sich zur Sache zu äußern oder nicht auszusagen und sich zuvor mit einem Verteidiger zu beraten, soweit dieser Kontakt nicht gemäß § 59 Abs. 1 StPO beschränkt werden kann (§ 164 Abs. 1 zweiter Satz StPO). In § 174 Abs. 1 StPO soll nunmehr in Umsetzung des Art. 3 Abs. 3 der RL Rechtsbeistand klargestellt werden, dass sich das Recht des Beschuldigten auf Teilnahme eines Verteidigers auch auf die Vernehmung zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft bezieht.

Das Gericht wird daher im Hinblick auf die Dringlichkeit der Entscheidung über die Verhängung der Untersuchungshaft einen bereits bevollmächtigten Verteidiger im kurzen Weg von der Vernehmung zu verständigen haben und, sofern eine Teilnahme gewünscht ist, eine angemessene Zeit zuzuwarten haben. Sofern der Beschuldigte noch keinen Verteidiger bevollmächtigt hat, ist ihm die Gelegenheit zur Kontaktaufnahme mit dem rechtsanwaltlichen Journaldienst oder mit einem Verteidiger seiner Wahl zu ermöglichen.

In Fällen, in denen der Beschuldigte noch keinen Rechtsanwalt bevollmächtigt hat, und er sich erst im Zuge der Kontaktaufnahme mit dem rechtsanwaltlichen Journaldienst zur Beauftragung eines Verteidigers entschließt, ist längstens drei Stunden zuzuwarten, weil laut der zwischen dem Bundesministerium für Justiz und dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag abgeschlossenen Vereinbarung über den Betrieb des rechtsanwaltlichen Journaldienstes die Vertretung durch einen Verteidiger ehestmöglich, tunlichst binnen drei Stunden persönlich und vor Ort zu erfolgen hat. In Ballungsräumen, in denen eine ausreichende Anzahl von Rechtsanwälten tätig ist, sowie in jenen Fällen, in denen der Beschuldigte bereits zuvor einen Verteidiger bevollmächtigt hat, wird in der Regel auch ein kürzerer Zeitraum ausreichen.

Sofern der Beschuldigte auf sein Recht auf Beiziehung eines Verteidigers verzichtet, ist dieser Verzicht schriftlich im Akt zu dokumentieren (§ 50 Abs. 3 StPO idF des Entwurfs eines Strafprozessrechtsänderungsgesetzes I 2016, RV 1058 d.B. XXV. GP) und auf die jederzeitige Möglichkeit des Widerrufs dieses Verzichts hinzuweisen. Nach erfolgtem Verzicht auf dieses Recht kann ohne weiteres Zuwarten mit der Vernehmung gemäß § 174 Abs. 1 StPO begonnen werden.

Das Fragerecht des teilnehmenden Verteidigers ergibt sich aus § 164 Abs. 2 StPO.

Zu Z 10, 18, 19 und 21 (§§ 175 Abs. 5, 287 Abs. 1, 294 Abs. 5 und 471 StPO)

Die Bestimmungen der Sitzungspolizei (§§ 233 bis 237 StPO) gelten nicht nur für die Hauptverhandlung vor dem Schöffen- und Geschworenengericht (§ 302 Abs. 1 StPO), sondern auch im Einzelrichter- und bezirksgerichtlichen Verfahren (§ 488 Abs. 1, § 447 StPO). Für die im Ermittlungsverfahren stattfindende Haftverhandlung (§ 176) wie auch die kontradiktorische Vernehmung (§ 165) gilt betreffend Ordnungsstrafen § 94, demnach sind dort auch die Bestimmungen der § 233 Abs. 3, §§ 235 bis 236a sinngemäß anzuwenden.

Für sitzungspolizeiliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen des Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung vor dem OGH und der Berufungsverhandlung vor dem jeweiligen Rechtsmittelgericht sowie einer Haftverhandlung im Hauptverfahren besteht jedoch seit Inkrafttreten der Strafprozessreform eine Gesetzeslücke. § 5 Abs. 1 StPO bestimmt nämlich, dass bei der Ausübung von Befugnissen nur soweit in Rechte von Personen eingegriffen werden darf, als dies ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist. Konnte man vor dem Inkrafttreten der Strafprozessreform die Anwendbarkeit der sitzungspolizeilichen Bestimmungen per analogiam auch für Verhandlungen vor dem Rechtsmittelgericht annehmen, so wird das in Bezug auf Zwangsmaßnahmen nunmehr durch diese - als Analogieverbot zu verstehende - Bestimmung verhindert (vgl. OGH vom 27.8.2008, 13 Os 83/08t; Fabrizy, StPO12 § 5 Rz 2; Danek/Mann in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 233 Rz 1; siehe auch die Stellungnahme des OGH vom 23. 9. 2009 [1 Präs. 1617–3686/09h] zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Urheberrechtsgesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Patentgesetz 1970, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geändert werden [18/SN-82/ME XXIV. GP]). Durch die vorgeschlagene Änderung soll eine ausdrückliche Grundlage für sitzungspolizeiliche Maßnahmen im Rahmen des Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung vor dem OGH, der Berufungsverhandlung vor dem jeweiligen Rechtsmittelgericht und der Haftverhandlung im Hauptverfahren geschaffen werden.

Sämtliche Maßnahmen der Sitzungspolizei stellen – ungeachtet ihrer formellen Bezeichnung als Beschlüsse in § 237 Abs. 1 StPO – ihrem allein maßgebenden Wesen nach (vgl. Ratz in Fuchs/Ratz, WK-StPO Vor §§ 280 – 296 a Rz 5) bloß auf den Fortgang des Verfahrens gerichtete, sohin prozessleitende Verfügungen iSd § 35 Abs. 2 StPO dar, die nicht mit Beschwerde (§ 87 Abs. 1 StPO) bekämpfbar sind. Da es sich bei sitzungspolizeilichen Maßnahmen (einschließlich Ordnungsstrafen) nicht um strafrechtliche Sanktionen iSd Art 6 EMRK handelt, bestehen gegen diesen Beschwerdeausschluss auch keine grundrechtlichen Bedenken, denn das Grundrecht auf Rechtsmittel in Strafsachen steht gemäß Art. 2 7. ZPMRK nur in Bezug auf Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen zu (Danek/Mann in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 237 Rz 7). Dessen ungeachtet ist die Behebung gesetzwidriger Ordnungsstrafen jedoch im Wege einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes möglich (§ 292 letzter Satz StPO; vgl. 16 Os 12/89, 14 Os 70/92, 15 Os 88/94). Gegen eine Ordnungsfreiheitsstrafe (§ 233 Abs. 3 StPO) steht dem Betroffenen Grundrechtsbeschwerde (§ 1 Abs. 1 GRBG) an den OGH zu (RIS-Justiz RS0060991) [Danek/Mann in Fuchs/Ratz, WK-StPO § 237 Rz 7].

Zu Z 10 (§ 189 Abs. 1 StPO):

Mit dem Strafprozessreformgesetz BGBl. I Nr. 19/2004 wurden die §§ 187 und 188 StPO aF mit den erforderlichen strukturellen Anpassungen übernommen; der Staatsanwaltschaft sollte künftig daher auch die Entscheidung darüber zustehen, mit welchen Personen Untersuchungshäftlinge schriftlich und fernmündlich verkehren bzw. von welchen Personen sie Besuche empfangen dürfen (vgl. RV 25 BlgNR 22. GP, 229; wobei die Erläuterungen auf den Gesetzestext in der aktuellen Fassung Bezug nehmen). Nach § 188 Abs. 1 StPO idF vor dem Strafprozessreformgesetz stand die „Entscheidung darüber, mit welchen Personen die Untersuchungshäftlinge verkehren und telefonieren und welche Besuche sie empfangen dürfen, die Überwachung des Briefverkehrs, der Telefongespräche und der Besuche“ … dem Untersuchungsrichter zu.

In diesem Sinne wäre die Bestimmung des § 189 Abs. 1 StPO um die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft für Entscheidungen über den telefonischen Verkehr des angehaltenen Beschuldigten zu ergänzen.

Zu Z 11 (§ 198 Abs. 2 Z 3 StPO):

Bereits die Expertenkommission zur Prüfung der staatlichen Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich ist in ihrem Bericht (März 2004) mit großer Mehrheit dafür eingetreten, den absoluten gesetzlichen Ausschluss der Diversion bei Todesfolge zu beseitigen. Zwar werde die Diversion in solchen Fällen schon aus Gründen der Generalprävention auf besondere Ausnahmesituationen – wie etwa die leicht fahrlässige Tötung eines nahen Angehörigen bei einem Verkehrsunfall oder durch Vernachlässigung der Aufsicht des eigenen Kindes – beschränkt bleiben müssen, sie sollte aber – anders als nach geltendem Recht – in solchen (in der Praxis ohnedies seltenen) Ausnahmesituationen zulässig sein (Pkt. 2.5.1 des Expertenberichts; ÖJZ 2004/35).

Am 4. November 2005 hat zudem die Landeshauptleutekonferenz – auf Grund der Entschließung des Tiroler Landtages vom 11. Mai 2005 – in Hermagor einstimmig folgenden Beschluss gefasst: „§ 90a StPO (idF vor dem Strafprozessreformgesetz BGBl. I Nr. 19/2004) legt die Voraussetzungen für die Anwendung der Diversion fest. Ausdrücklich ist darin bestimmt, dass Diversion nur zulässig ist, wenn die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge hatte. Die Landeshauptleutekonferenz unterstützt eine Änderung der Strafprozessordnung, um die Anwendung der Diversion bei Unfällen mit tödlichem Ausgang im familiären Umfeld zu ermöglichen.“

Diesem Ansinnen wurde im Zuge der Strafprozessreform mit BGBl. I Nr. 93/2007 („Strafprozessreformbegleitgesetz I“) im JGG Rechnung getragen, wonach die Diversion auch dann zulässig ist, wenn die Tat zwar den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat, es sich bei der getöteten Person jedoch um einen fahrlässig getöteten Angehörigen des Beschuldigten handelte und eine Bestrafung im Hinblick auf die beim Beschuldigten durch den Tod des Angehörigen verursachte schwere psychische Belastung nicht geboten ist.

Diese Änderung soll nunmehr auch für den Diversionsbereich außerhalb von Jugendstraftaten nachvollzogen werden. So soll – unter Beibehaltung der durch § 198 Abs. 2 Z 1 und 2 StPO normierten Kriterien – eine diversionelle Maßnahme künftig auch dann möglich sein, wenn durch die Tat ein Angehöriger des Beschuldigten fahrlässig getötet wurde, aber eine Bestrafung des Beschuldigten im Hinblick auf die bei diesem durch den Tod des Angehörigen verursachte schwere psychische Belastung nicht geboten erscheint.

Handelt es sich daher um eine Vorsatztat, oder ist der Beschuldigte durch den Tod des Angehörigen gar nicht schwer psychisch belastet (weil beispielsweise trotz Angehörigeneigenschaft kein Naheverhältnis bestanden hat), soll auch weiterhin ein Rücktritt von der Verfolgung ausgeschlossen sein. Liegt zwar eine schwere psychische Belastung durch den Tod des Angehörigen vor, ist die Schuld jedoch als schwer anzusehen, ist ein Rücktritt von der Verfolgung nach § 198 Abs. 2 Z 2 StPO ebenfalls nicht möglich.

Da der Ausnahmesatz auf die fahrlässige Tötung und nicht bloß auf den Tatbestand des § 80 StGB abstellt, unterliegt auch die grob fahrlässige Tötung nach § 81 StGB dem Anwendungsbereich des § 198 Abs. 2 Z 3 StPO. Hier wird jedoch dem Diversionshindernis der schweren Schuld besondere Bedeutung zukommen. Andererseits ist darauf zu verweisen, dass der notwendig vorausgesetzte entsprechend hohe psychische Leidensdruck des Beschuldigten („Täterbetroffenheit“ – § 34 Abs. 1 Z 19 StGB) einen die Schuld iSd § 198 Abs. 2 Z 2 StPO reduzierenden Umstand darstellt (vgl. Schroll in Höpfel/Ratz, WK2 JGG § 7 Rz 19).

Zu Z 12 bis 15 (§§ 209a Abs. 1 und 4, 209b Abs. 1, 514 Abs. 12 StPO):

Die Bestimmungen der §§ 209a und 209b StPO über den Rücktritt von der Verfolgung wegen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft („Kronzeugenregelung“) wurden mit dem Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Gerichtsorganisationsgesetz zur Stärkung der strafrechtlichen Kompetenz geändert werden (strafrechtliches Kompetenzpaket, BGBl I Nr. 108/2010) eingeführt. Sie traten mit 1. Jänner 2011 in Kraft und stehen vorerst befristet bis 31. Dezember 2016 in Geltung.

Eine Evaluierung der bisherigen Praxis hat gezeigt, dass die Kronzeugenregelung bisher nur in wenigen Fällen zur Anwendung gelangte. In Verfahren, in denen dies der Fall war, stellte § 209a StPO jedoch ein effizientes Ermittlungswerkzeug zur Bekämpfung v.a. schwer aufklärbarer, konspirativ begangener Delikte dar. Die Einführung der Kronzeugenregelung wurde darüber hinaus auch von internationalen Organisationen positiv bewertet. So wird die Kronzeugenregelung etwa von Transparency International in dem Bericht über den Korruptionswahrnehmungsindex 2015 als eine der zahlreichen Verbesserungen im Bereich Korruptionsprävention und Transparenz hervorgehoben. Die Übernahme in den endgültigen Rechtsbestand erscheint daher jedenfalls sinnvoll und zweckmäßig.

Die Evaluierung der bisherigen Praxis zeigt jedoch auch Bedarf nach Verbesserung der Kronzeugenregelung auf. So besteht in der Praxis Unsicherheit darüber, bis zu welchem Zeitpunkt die Kronzeugenregelung nach § 209a StPO angewendet werden darf, insbesondere ob es ein Ausschlusskriterium darstellt, wenn gegen den potentiellen Kronzeugen bereits ermittelt wird. Vor allem die in § 209a Abs. 1 StPO enthaltene Wortfolge „sein Wissen über Tatsachen offenbart, die noch nicht Gegenstand eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens sind“ wurde uneinheitlich interpretiert. Zur Beseitigung dieser Unklarheiten wird daher eine Formulierung vorgeschlagen, die auf neue, den Strafverfolgungsbehörden noch nicht bekannte Tatsachen abstellt. Wie schon bereits bisher soll die Kronzeugenregelung auch weiterhin grundsätzlich auch auf Personen angewendet werden können, gegen die bereits ermittelt wird. Insbesondere soll der Status als Verdächtiger die Anwendung der Kronzeugenregelung nicht ausschließen. Aber auch, dass gegen den potentiellen Kronzeugen bereits aufgrund bestimmter Tatsachen konkret wegen der ihm zur Last liegenden Straftat (Kronzeugentat) ermittelt wird und er somit Beschuldigter ist, soll nicht automatisch einen Ausschluss der Kronzeugenregelung bedeuten. Der Status in der Verfahrensjustiz (VJ) soll jedenfalls nicht entscheidend sein, vielmehr sollen stets die jeweiligen Umstände des Einzelfalls genau beurteilt werden. Diese Beurteilung erfolgt im Rahmen der Präventionsprüfung und Verhältnismäßigkeitsabwägung gemäß § 209a Abs. 2 StPO. In diese Abwägung sind jedenfalls auch der Aufklärungsbeitrag durch die Offenbarung des Wissens des Kronzeugen, das Verhältnis zwischen der Kronzeugentat und der mit seinem Beitrag aufgeklärten Straftat (Aufklärungstat) und der Zeitpunkt der Zusammenarbeit einzubeziehen. Wiegt die Kronzeugentat etwa deutlich schwerer als die Aufklärungstat oder hat der Täter offensichtlich taktiert und Informationen über Straftaten von Dritten „gesammelt“, um sich von einer Strafbarkeit in Zusammenhang mit der Kronzeugentat „freizukaufen“, wird die Abwägung in aller Regel gegen ihn ausschlagen. Außerdem muss der Aufklärungsbeitrag jedenfalls umso gewichtiger sein, je konkreter die Verdachtsgründe gegen den potentiellen Kronzeugen bereits sind.

Da die Kronzeugenregelung im Hinblick auf § 209a Abs. 1 Z 1 StPO das Konzept verfolgt, dass der Kronzeuge als Zeuge gegen einen Dritten aussagt und zur Aufklärung dessen Straftat beiträgt, wird vorgeschlagen durch die Einfügung der Wortfolge „eines Dritten“ klarzustellen, dass an der Aufklärungstat zumindest ein Dritter beteiligt gewesen sein muss. Ob der Kronzeuge selbst an dieser Tat beteiligt war oder lediglich ein Zusammenhang mit der Kronzeugentat besteht, soll nicht entscheidend sein. Die alleinige Aufdeckung der eigenen Tat des aussagewilligen Beschuldigten soll jedoch nicht ausreichen.

Da § 209a Abs. 1 StPO bereits die Leistung eines wesentlichen Beitrages fordert, wird vorgeschlagen, die zusätzliche Verwendung des Wortes „entscheidend“ in § 209a Abs. 1 Z 1 StPO entfallen zu lassen, weil diese (unnötige) Doppelung für Verunsicherung in der Praxis sorgte. Entscheidend soll die Leistung eines wesentlichen Aufklärungsbeitrages bleiben.

In der Praxis zeigte sich auch die in den Wiederaufnahmegründen nach § 209a Abs. 4 Z 2 StPO enthaltene Wortfolge „keinen Beitrag zur Verurteilung des Täters“ problematisch, weil sie als Erfolgshaftung des Kronzeugen für die Verurteilung des Dritten verstanden werden kann. Umstände, die nicht in der Sphäre des Kronzeugen liegen, sollen ihm jedoch nicht zur Last fallen, sofern er die ihm auferlegte Verpflichtungen erfüllt hat. Zu solchen Umständen würde es etwa zählen, wenn eine Verurteilung wegen Zurechnungsunfähigkeit des Täters oder Verjährung ausscheidet, sich die Staatsanwaltschaft bei Einbringung der Anklage, nicht jedoch das Gericht im Urteil auf die Angaben des Kronzeugen stützt, oder das Gericht das Verfahren diversionell erledigt. Daher wird vorgeschlagen, anstelle des mangelnden Beitrags zur Verurteilung des Täters den fehlenden wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der in Abs. 1 Z 1 angeführten Straftat als Wiederaufnahmegrund anzuführen.

Der erste Halbsatz in § 209b Abs. 1 StPO verweist auf ein Vorgehen der Bundeswettbewerbsbehörde nach § 11 Abs. 3 WettbG. Bis zum Inkrafttreten des Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetzes 2012 (BGBl. I Nr. 13/2013) war in § 11 Abs. 3 WettbG auch die Möglichkeit der geminderten Geldbuße angeführt. Seit 1.3.2013 ist diese nunmehr in § 11 Abs. 4 WettbG geregelt. Da bei der Änderung des Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetzes offenbar nicht beabsichtigt wurde, den ursprünglich intendierten Anwendungsbereich des § 209b StPO einzuschränken, wird vorgeschlagen, den Verweis auf § 11 Abs. 4 WettbG in § 209b Abs. 1 erster Halbsatz StPO einzufügen.

Da auf eine Erledigung nach der Kronzeugenregelung kein subjektives Recht besteht und das Instrument ausschließlich durch die Staatsanwaltschaft anzuwenden ist, wurde die Bestimmung des § 199 StPO (§ 281 Abs. 1 Z 10a) StPO durch das strafrechtliche Kompetenzpaket (BGBl I Nr. 108/2010) dahingehend geändert, dass sie nicht auf eine Erledigung nach §§ 209a, 209b StPO anzuwenden ist. Bei einer Übernahme der Kronzeugenregelungen in den endgültigen Rechtsbestand wäre konsequenterweise auch § 199 StPO in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 108/2010 in den endgültigen Rechtsbestand zu übernehmen. Die in § 514 Abs. 12 StPO vorgesehene Befristung der §§ 199, 209a und 209b StPO hätte daher zu entfallen.

Zu Z 16 und 17 (§§ 212 Z 8, 215 Abs. 3 und 485 Abs. 1 Z 2 StPO):

Für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft ein Verfahren nach einem vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung fortsetzt, ohne dass eine der Voraussetzungen des § 205 Abs. 2 StPO oder des § 38 Abs. 1 oder 1a SMG vorliegt, besteht nach geltender Rechtslage keine Möglichkeit der prozessualen Sanierung. Weder hat der Beschuldigte die Möglichkeit, unmittelbar auf Einhaltung der ihm angebotenen (und von ihm akzeptierten) Bedingungen der Diversion zu bestehen, noch kann das Gericht diesen Umstand unmittelbar aufgreifen.

Zur Schließung dieser „Rechtsschutzlücke“ wird im Einklang mit der bestehenden Gesetzessystematik vorgeschlagen, dem Angeklagten im Schöffen- bzw. Geschworenenverfahren einen ausdrücklichen Einspruchsgrund gegen die Anklageschrift und dem Gericht im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes bzw. dem Bezirksgericht einen Grund für die Zurückweisung des Strafantrages einzuräumen, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren zu Unrecht nachträglich gemäß § 205 Abs. 2 oder nach § 38 Abs. 1 oder 1a SMG StPO fortgesetzt hat.

Zu Z 20 (§ 381 Abs. 1 Z 6 StPO):

Die vorgeschlagene Ergänzung des § 381 Abs. 1 Z 6 StPO dient vor dem Hintergrund der Entscheidung des OGH vom 9.12.2015, 15 Os 117/15t, 15 Os 118/15i, der Klarstellung, dass als ersatzpflichtige Kosten des Strafverfahrens neben den Kosten für die Einlieferung aus dem Ausland (im Rahmen der Erwirkung einer Auslieferung/Übergabe zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung) auch die Kosten einer Überstellung von Strafgefangenen zur weiteren Strafvollstreckung in das In- oder Ausland gelten. Durch die Änderung des § 381 Abs. 1 Z 6 StPO soll im Einklang mit der überwiegenden bisherigen Praxis verdeutlicht werden, dass Kosten der Bewachung und Beförderung eines Strafgefangenen im Rahmen seiner Überstellung aus dem bereits laufenden österreichischen in den weiteren ausländischen Strafvollzug oder auch umgekehrt ersatzpflichtige Kosten der Vollstreckung eines Strafurteils darstellen und von den Gerichten zu bestimmen sind.

Zu Z 22 (§ 514 Abs. xx StPO):

Diese Bestimmungen regeln das Inkrafttreten. Die Regelungen betreffend den Einspruch gegen die Anklageschrift bzw. Zurückweisung des Strafantrages wegen zu Unrecht erfolgter nachträglicher Fortsetzung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft kommen in jenen Fällen zur Anwendung, in denen die Anklage nach dem Inkrafttreten der neuen Bestimmungen eingebracht wurde. § 37 Abs. 3 StPO soll in der geänderten Fassung zur Anwendung kommen, wenn nach seinem Inkrafttreten eine Anklage rechtswirksam wird, die eine Verfahrensverbindung nach der genannten Bestimmung erfordert.

Zu Z 23 (§ 516a Abs. 6 StPO):

Durch die genannten Änderungen werden Teile der RL Rechtsbeistand im nationalen Recht umgesetzt.

Zu Art. 2 (Änderung des Geschworenen- und Schöffengesetzes 1990):

Zu Z 1 (§ 2 Z 4):

Mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, wurde der Beginn des Ermittlungsverfahrens präzisiert und eine Unterscheidung zwischen dem bloßen Verdacht auf Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung gegenüber einer bestimmten Person und einer auf diesen Verdacht bezogenen konkreten Beschuldigung dieser Person getroffen. Demnach beginnt das Strafverfahren, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung eines Anfangsverdachts nach den Bestimmungen des 2. Teils der StPO ermitteln (§ 1 Abs. 2 erster Halbsatz StPO). Als Verdächtiger gilt nunmehr jede Person, gegen die zur Aufklärung eines Anfangsverdachts (§ 1 Abs. 3 StPO) ermittelt wird (§ 48 Abs. 1 Z 1 StPO). In Abgrenzung dazu soll der Begriff des „Beschuldigten“ hingegen nur noch für jene Verdächtigen Anwendung finden, die aufgrund bestimmter Tatsachen konkret verdächtig sind, eine strafbare Handlung begangen zu haben und zur Aufklärung dieses konkreten Verdachts nach dem 8. oder 9. Hauptstück der StPO Beweise aufgenommen oder Ermittlungsmaßnahmen angeordnet oder durchgeführt werden (§ 48 Abs. 1 Z 2 StPO). Durch das Abstellen auf den Begriff „Verdächtiger“ wird - auch gegenüber der Öffentlichkeit - ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass erst eine vage Verdachtslage besteht, die weiterer Konkretisierung bedarf (vgl. ErlRV 181 der Beilagen XXV. GP 3).

Da der Ausschlussgrund des § 2 Z 4 GSchG in der geltenden Fassung bloß auf die Anhängigkeit eines Strafverfahrens abstellt, hat dies zur Folge, dass seit Inkrafttreten des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, bereits jeder Verdächtige von der Ausübung des Amtes als Schöffe oder Geschworener ausgeschlossen ist. Eine solche unkonkrete und noch zu bestimmende Verdachtslage soll jedoch für einen Ausschluss von der Ausübung des Laienrichteramtes nicht ausreichen, weil ein solcher nur im Fall einer konkreten Beschuldigung gerechtfertigt erscheint.

Zu Z 2 (§ 20 Abs. 1d):

Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten.

Zu Artikel 3 (Änderungen des ARHG)

Nach Art. 10 Abs. 1 der RL Rechtsbeistand besteht ein Recht des Betroffenen auf Zugang zu einem Verteidiger bereits ab dem Zeitpunkt der Festnahme aufgrund eines Europäischen Haftbefehls.

Nach geltendem Recht (§ 18 Abs. 2 EU-JZG) sind im Übergabeverfahren diesbezüglich die Bestimmungen des ARHG anzuwenden; nach diesen ist die betroffene Person vor der Entscheidung über die Verhängung der Auslieferungshaft unter anderem darüber zu belehren, dass es ihr freistehe, sich zuvor mit einem Verteidiger zu verständigen (§ 29 Abs. 3 ARHG).

Die oben zu § 59 StPO vorgeschlagene Neuregelung, wonach einem Festgenommenen jedenfalls die Bevollmächtigung eines Verteidigers ermöglicht werden muss, soll (in Umsetzung der RL Rechtsbeistand) auf jede Festnahme im Inland aufgrund eines Europäischen Haftbefehls erstreckt werden.

Da aber kein sachlicher Grund erkennbar is, warum die gleiche Regelung nicht auch im Anwendungsbereich des ARHG gelten soll, wird vorgeschlagen, in § 29 Abs. 3 ARHG eine Bestimmung aufzunehmen, wonach einer Person, deren Auslieferung begehrt und die im Inland festgenommen wird, die Bevollmächtigung eines Verteidigers ermöglicht werden muss; vorgeschlagen wird, diesen Regelungsinhalt in Form eines Verweises auf § 59 StPO vorzusehen.

Durch die bereits erwähnte geltende Bestimmung in § 18 Abs. 2 EU-JZG gilt diese Regelung auch für Personen, gegen die ein Europäischer Haftbefehl aufrecht ist und die im Inland festgenommen werden, sodass eine gesonderte Bestimmung im EU-JZG entbehrlich ist.

Zu Artikel 4 (Änderungen des EU-JZG)

Die RL Rechtsbeistand enthält in Art. 10 Regelungen betreffend das Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls. Grundsätzlich ist ein Recht auf einen Verteidiger ab dem Zeitpunkt der Festnahme vorgesehen, und zwar in Abs. 1 bis 3 für das das Verfahren im Vollstreckungsstaat und in Abs. 4 bis 6 für das das Verfahren im Ausstellungsstaat.

Die vorgeschlagenen Änderungen des EU-JZG sollen der Umsetzung dieser Bestimmungen dienen. Für den Fall, dass Österreich Ausstellungsstaat ist, soll das Recht auf einen Verteidiger (in Österreich) in § 30a verankert werden. Für den Fall, dass Österreich Vollstreckungsstaat ist (also eine Person aufgrund eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Europäischen Haftbefehls in Österreich angehalten wird), soll einerseits im Wege des Verweises von § 18 Abs. 2 EU-JZG auf das ARHG (konkret auf die vorgeschlagene Ergänzung in § 29 Abs. 3 ARHG) vorgesehen werden, dass das Recht auf einen Verteidiger in Österreich ab dem Zeitpunkt der Festnahme besteht; andererseits soll auch sichergestellt werden, dass der Festgenommene sein Recht auf einen Verteidiger auch im Ausstellungstaat wahrnehmen kann (§ 16a Abs. 1 Z 5 und Abs. 2).

Zu Z 2 (§ 16a Abs. 1 Z 3 und 5 EU-JZG):

1. Die vorgeschlagene Anpassung von § 16a Abs. 1 Z 3 ist eine Folge der zu § 29 Abs. 3 ARHG vorgeschlagenen neuen Bestimmung, die auf Grund des Verweises in § 18 Abs. 2 EU-JZG auch im Übergabeverfahren gilt.

2. Nach Art. 10 Abs. 4 der RL Rechtsbeistand haben Personen, die zum Zweck der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls festgenommen werden, das Recht auf Beiziehung eines Verteidigers auch im Ausstellungsstaat des Europäischen Haftbefehls, worüber sie unverzüglich in Kenntnis zu setzen sind.

Diese Belehrung soll in § 16a Abs. 1 Z 5 verankert werden; sie wird – ebenso wie jene über die Rechte nach § 16a Z 1 bis 4 – regelmäßig durch die Sicherheitsbehörden zu erfolgen haben, welchen zu diesem Zweck ein entsprechendes Formblatt –nicht nur auf Deutsch sondern auch in gängigen Fremdsprachen – zur Verfügung zu stellen sein wird.

Festzuhalten ist, dass die Rolle des Verteidigers im Ausstellungsstaat entsprechend der RL Rechtsbeistand lediglich darin besteht, den inländischen Verteidiger durch Übermittlung von Informationen und durch Beratung zu unterstützen. Während diese Beschränkung für die umgekehrte Situation nicht übernommen werden soll (unten zu § 30a), scheint ihre Aufnahme hier durchaus sinnvoll, zumal es sich bei der neuen Z 5 um eine Belehrung über ein in einem anderen Mitgliedstaat bestehendes Recht handelt und es durchaus denkbar ist, dass andere Mitgliedstaaten die erwähnte Beschränkung in ihre Gesetze aufnehmen.

Zu Z 3 (§ 16a Abs. 2 EU-JZG):

Diese Bestimmung statuiert in Umsetzung von Art. 10 Abs. 5 der RL Rechtsbeistand die Verpflichtung der inländischen Staatsanwaltschaft, die zuständige Behörde des Ausstellungsstaats umgehend in Kenntnis zu setzen, wenn der Betroffene von seinem Recht auf Beiziehung eines Verteidigers im Ausstellungsstaat Gebrauch machen will und noch über keinen Verteidiger in diesem Staat verfügt.

Die Behörde des Ausstellungsstaats wird dann die erforderlichen Schritte zu setzen haben, um dem Betroffenen die Wahl eines Rechtsbeistands zu ermöglichen (vgl. die Ausführungen zur korrespondieren Regelung in § 30a Abs. 2).

Zu Z 4 (§ 21 Abs. 2a EU-JZG):

§ 21 Abs. 2a soll in Umsetzung von Art. 10 Abs. 6 der RL Rechtsbeistand klarstellen, dass die Fristen für die Entscheidung über die Übergabe des Betroffenen durch dessen Recht auf Beiziehung eines Rechtsbeistands im Ausstellungsstaat nicht berührt werden. Dieses Recht darf somit nicht zu einer Verlängerung der Dauer der Übergabeverfahren führen.

Zu Z 5 (§ 30a EU-JZG):

Für den Fall, dass ein Europäischer Haftbefehl in Österreich ausgestellt wurde und der Gesuchte in einem anderen Mitgliedstaat festgenommen wird, soll in Umsetzung von Art. 10 Abs. 4 der RL Rechtsbeistand in Abs. 1 das Recht auf einen Verteidiger (in Österreich) in § 30a verankert werden. Das Recht soll ab dem Zeitpunkt der Festnahme in dem anderen Mitgliedstaat zustehen. Angemerkt sei, dass das Recht auf Zugang zu einem Verteidiger im österreichischen Strafprozessrecht grundsätzlich (d.h. ohne besonderen Bezug zu einem Auslieferungsverfahren oder ein Verfahren über einen Europäischer Haftbefehl) ohnehin bereits vorgesehen ist (siehe § 58 StPO).

Abs. 2 stellt die korrespondierende Regelung zu § 16a Abs. 2 dar und dient wie diese der Umsetzung von Art. 10 Abs. 5 der RL Rechtsbeistand. Sie verpflichtet die inländische Staatsanwaltschaft, die die Festnahme mittels eines Europäischen Haftbefehls angeordnet hat, wenn ihr von der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaates mitgeteilt wurde, dass der Betroffene von seinem Recht auf Beiziehung eines Verteidigers (auch) im Inland Gebrauch machen will, dem Genannten umgehend Informationen zukommen zu lassen, um diesem die Ausübung des betreffenden Rechts zu erleichtern. Konkret wird in Anlehnung an die Vorgangsweise in Fällen des § 62 StPO vorgeschlagen, dass die Staatsanwaltschaft die zuständige Rechtsanwaltskammer verständigen muss, damit diese dem Betroffenen eine Liste in Betracht kommender Verteidiger übermittelt (was auch im Wege der Behörde im Vollstreckungsstaat zulässig sein wird).

Zu Z 8 (§ 140 Abs. 15 EU-JZG) und zu Artikel 5:

Die RL Rechtsbeistand ist mit 27.11.2016 umzusetzen (Artikel 15). Es wird daher – wie zu den Bestimmungen der StPO, die die RL Rechtsbeistand umsetzen – vorgeschlagen, dass die geänderten Bestimmungen zum 1.11.2016 in Kraft treten.