Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990 und das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der EU (EU-JZG) geändert werden (Strafprozessrechtsänderungsgesetz II 2016)

 

Vereinfachte wirkungsorientierte Folgenabschätzung

 

Einbringende Stelle:

Bundesministerium für Justiz

Vorhabensart:

Bundesgesetz

Laufendes Finanzjahr:

2016

 

Inkrafttreten/

Wirksamwerden:

2016

 

Vorblatt

 

Problemanalyse

1. Bis zum 27. November 2016 ist die Richtlinie 2013/48/EU über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (in der Folge: RL Rechtsbeistand) vollständig umzusetzen.

2. Sitzungspolizeiliche Maßnahmen sind nur im Rahmen erstinstanzlicher Hauptverhandlungen möglich.

3. Ungeachtet der jeweiligen Begleitumstände ist eine Diversion bei Todesfolge unzulässig.

4. Die aufgrund praktischer Schwierigkeiten in Details nachzuschärfende Kronzeugenregelung nach den §§ 209a und 209b StPO steht nur befristet bis 31. Dezember 2016 in Geltung.

5. Für den Fall einer fehlerhaften Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die nachträgliche Fortsetzung nach vorläufigem Rücktritt von der Verfolgung (Diversion) besteht keine prozessuale Konsequenz.

6. Die geltende Zuständigkeit kraft Zusammenhangs kann verfahrensunökonomische Konsequenzen nach sich ziehen, wenn das später (wegen des zeitlich früheren Tatvorwurfs) angerufene Gericht auch das früher (hinsichtlich zeitlich späterer Tatvorwürfe) bereits anhängig gewordene Verfahren jedenfalls einzubeziehen hat.

7. Die Zuordnung von Kosten einer Überstellung von Strafgefangenen zur weiteren Strafvollstreckung in das Ausland als Kosten des Strafverfahrens ist gesetzlich ungeregelt.

8. Seit dem Inkrafttreten des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, ist bereits jeder Verdächtige von der Ausübung des Amtes als Schöffe oder Geschworener ausgeschlossen.

 

Ziel(e)

1. Vollumsetzung der RL Rechtsbeistand.

2. Ermöglichung der Ergreifung sitzungspolizeilicher Maßnahmen auch außerhalb erstinstanzlicher Hauptverhandlungen im Rechtsmittelverfahren und in Haftverhandlungen.

3. Zulässigkeit der Diversion im Erwachsenenstrafrecht unter bestimmten Umständen auch bei Vorliegen einer Todesfolge.

4. Übernahme der Kronzeugenregelung nach den §§ 209a und 209b StPO in den endgültigen Rechtsbestand und Klarstellung in der Praxis aufgetauchter Fragen.

5. Möglichkeit der Korrektur einer fehlerhaften Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die nachträgliche Fortsetzung nach vorläufigem Rücktritt von der Verfolgung (Diversion).

6. Vermeidung verfahrensunökonomischer Einbeziehungen im Fall einer Zuständigkeit kraft Zusammenhangs.

7. Klarstellung der Eigenschaft der Kosten einer Überstellung von Strafgefangenen zur weiteren Strafvollstreckung in das In- oder Ausland als Kosten des Strafverfahrens.

8. Vermeidung des Ausschlusses vom Amt als Schöffe oder Geschworener bei einer bloß unkonkreten und noch zu bestimmenden Verdachtslage.

 

Inhalt

Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahme(n):

1. Möglichkeit des Beschuldigten, vor seiner Vernehmung einen Verteidiger zu verständigen, beizuziehen und zu bevollmächtigen. Gesetzliche Verankerung und Ausbau des (bislang auf vertraglicher Basis mit dem ÖRAK betriebenen) Rechtsanwaltlichen Journaldienstes. Teilnahme eines Verteidigers auch bei der Vernehmung zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft. Klarstellung, dass eine aufgrund eines Europäischen Haftbefehls festgenommene Person das Recht hat, auch im Ausstellungsstaat desselben einen Verteidiger zu bevollmächtigen.

2. Zulässigkeit sitzungspolizeilicher Maßnahmen im Rahmen des Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung vor dem OGH, der Berufungsverhandlung vor dem jeweiligen Rechtsmittelgericht und der Haftverhandlung im Hauptverfahren.

3. Zulässigkeit der Diversion im Erwachsenenstrafrecht dann, wenn ein Angehöriger des Beschuldigten fahrlässig getötet wurde und eine Bestrafung im Hinblick auf die durch den Tod des Angehörigen beim Beschuldigten verursachte schwere psychische Belastung nicht geboten erscheint.

4. Kein automatischer Ausschluss der Kronzeugenregelung bei konkreten Ermittlungen gegen den Kronzeugen wegen der Kronzeugentat. Klarzustellung, dass an der Aufklärungstat zumindest ein Dritter beteiligt gewesen sein muss. Verankerung des fehlenden wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Straftat als Wiederaufnahmegrund. Entfall der Befristung der §§ 209a und 209b StPO.

5. Schaffung eines zusätzlichen Einspruchsgrundes gegen die Anklageschrift bzw. Zurückweisungsgrundes des Strafantrags.

6. Abstellen auf den Zeitpunkt des Vorliegens einer rechtskräftigen Anklage in bestimmten Fällen der Zuständigkeit kraft Zusammenhangs.

7. Ausdrückliche Anführung der Kosten der Überstellung von Strafgefangenen in den in- oder ausländischen Strafvollzug in § 381 StPO.

8. Klarstellung, dass für den Ausschluss von der Ausübung des Amts als Schöffe oder Geschworener auf eine konkrete Beschuldigung abzustellen ist.

 

Beitrag zu Wirkungsziel oder Maßnahme im Bundesvoranschlag

 

Das Vorhaben trägt dem Wirkungsziel "Objektive, faire und unabhängige Führung und Entscheidung von Verfahren durch Gerichte und Staatsanwaltschaften in angemessener Dauer." der Untergliederung 13 Justiz im Bundesvoranschlag des Jahres 2016 bei.

 

Finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und andere öffentliche Haushalte:

 

Finanzielle Auswirkungen sind im Zusammenhang mit der Vollumsetzung der RL Rechtsbeistand zu erwarten und resultieren aus dem Ausbau des Rechtsanwaltlichen Journaldienstes sowie den erweiterten Möglichkeiten der Beiziehung eines Verteidigers.

Gegenüber den schon derzeit aufgewendeten Kosten des (seit 2008 auf vertraglicher Basis) betriebenen Rechtsanwaltlichen Journaldienstes (zuletzt rund 108.000 Euro im Jahr) ist bedingt durch eine zu erwartende größere Bekanntheit des Journaldiensts und der dadurch vermehrten Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen von einer Kostensteigerung von jährlich 50% (bestehend aus Gebühren für die Journaltätigkeit, dem Betrieb des Callcenters und dem Einstehen für Kosten des im Rahmen des Journaldiensts bevollmächtigten Verteidigers, die dieser vom Beschuldigten letztlich nicht vergütet erhält) auszugehen.

Im Jahr 2016 wirkt sich der jährliche Steigerungsbetrag aufgrund des Zeitpunkts des Inkrafttretens des Gesetzes am 1. November 2016 nur mit einem Jahressechstel aus. Zusätzlich werden 2016 jedoch Kosten für Werbung und Schulung auf Basis eines gemeinsamen Kommunikationskonzepts mit dem ÖRAK schlagend.

Für die Folgejahre wird eine Steigerung von jeweils 5% aufgrund von Inflation und der vermehrten Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen durch laufend größere Bekanntheit des Journaldiensts angenommen.

Die Bedeckung erfolgt gemäß BFRG/BFG aus dem Budget des Bundesministeriums für Justiz.

 

Finanzielle Auswirkungen pro Maßnahme

 

Maßnahme

2016

2017

2018

2019

2020

Werkleistungen

9.000

56.700

59.535

62.512

65.637

Sachaufwand (Werbekosten)

11.000

0

0

0

0

 

Anmerkungen zu sonstigen, nicht wesentlichen Auswirkungen:

Keine.

 

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union

§§ 59 Abs. 1 und 4 und 174 Abs. 1 StPO und §§ 16a Abs. 1 Z 5 und Abs. 2, 21 Abs. 2a und 30a EU-JZG dienen der Umsetzung der Richtlinie 2013/48/EU über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs, ABl. Nr. L 294 vom 06. 11.2013 S 1.

 

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Keine.

 

Diese Folgenabschätzung wurde mit der Version 4.2 des WFA – Tools erstellt (Hash-ID: 1410643469).