Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll57. Sitzung / Seite 45

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Ich weiß, dass das für viele von uns jetzt eine sehr schwierige Situation ist. Wir werden alle mit Menschen konfrontiert, die Angst haben, die wirklich Angst haben, speziell auch die Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde in Österreich. Ich möchte aus­drücklich betonen, wir alle stehen hinter ihnen, in Österreich und in Europa, mit Unter­stützung und Solidarität. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist, glaube ich, keine Frage, niemals gewesen. Aber diese Angst, die hier von vielen auch formuliert wird, darf aus meiner Sicht trotzdem nicht zu dem führen, was sich der Terror in Europa jetzt wünschen würde: zu Angst, Trittbrettfahrerei und lautstarken Be­kundungen.

Wir müssen unsere Grundrechte bis zum letzten Beistrich ganz präzise verteidigen und alle Mittel gegen extremistischen Terror ergreifen – aber auf Basis von Grundrechten, Demokratie und Rechtsstaat! (Beifall bei den Grünen und bei Angeordneten der SPÖ.)

10.00


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Diet­rich. – Bitte.

 


10.00.31

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzte Frau Präsident! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht Charlie! – genauso wie die meisten hier Anwesenden. Wir alle sind nicht Charlie! Keiner von uns hat mit einem solchen Mut und so kompromisslos für Mei­nungsfreiheit und westliche Werte gekämpft wie die Redakteure und Zeichner von „Charlie Hebdo“.

Trotz Anschlägen und trotz Todesdrohung sind sie ihren Weg kompromisslos weiterge­gangen. Sie haben sich nicht einschüchtern lassen und haben letztendlich den Preis, den höchsten Preis, den ein Mensch zahlen kann, nämlich den Preis des eigenen Le­bens, bezahlt. Dafür gebührt ihnen unser höchster Respekt, dafür gebührt ihnen unse­re höchste Anerkennung. (Beifall beim Team Stronach sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Keiner besitzt auch nur annähernd so viel Courage wie diese Opfer des IS. Ich möchte nicht falsch verstanden werden, die Inhalte sind nicht meines, aber Meinungsfreiheit ist das höchste Gut in einer Demokratie und darf auf keinen Fall verhandelbar sein.

Ich sage Ihnen, wer Charlie ist: Charlie ist ein kleines Mädchen in Syrien, in der zer­bombten Umgebung der Stadt Aleppo, das ein Schild über dem Kopf hält und sagt: Ich bin Charlie! Dieses Bild ist über Twitter rund um die Welt gegangen, und hätte jemand den Kopf oder das Gesicht des Mädchens erkannt, so würde es nicht mehr leben. – Das ist Mut, das ist Einsatz für Meinungsfreiheit!

Meine geschätzten Damen und Herren! Terror, Extremismus und Gewalt entstehen nicht im luftleeren Raum, entstehen nicht im gesellschaftspolitischen Vakuum und schon gar nicht von heute auf morgen. Eine multikulturelle Gesellschaft braucht klare Spielregeln, damit sie funktionieren kann. Wir brauchen Toleranz, gegenseitiges Ken­nen und Verstehen, denn nur dadurch ist die Basis für ein harmonisches Miteinander gegeben. Und viele, die jetzt rufen: Wir sind Charlie!, die haben die Augen verschlos­sen, die haben viel zu lange die Augen vor den extremistischen Umtrieben verschlos­sen, sie haben all die gesellschaftlichen und politischen Fehlentwicklungen, die den Boden für diese Gräueltaten bereiten, ignoriert, relativiert und totgeschwiegen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Spätestens seit gestern wissen wir: Österreich ist keine Insel der Seligen! Seit gestern wissen wir, auch bei uns wird zu Mord an Un­gläubigen aufgerufen. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn Tausende Menschen in un­serem Land besorgt sind, wie künftig das Miteinander stattfinden sollte. Vor einiger Zeit


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