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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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59. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 21. Jänner 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

59. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode              Mittwoch, 21. Jänner 2015

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 21. Jänner 2015: 9.06 – 23.09 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurge­setz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden

3. Punkt: Bericht über den Antrag 805/A(E) der Abgeordneten Angela Lueger, Angela Fichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verbesserte Kommunikation zu lebens­mittel- und verbrauchsgüterbedingten Risiken“

4. Punkt: Bericht über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 10972/14 – Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hin­blick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Än­derung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Mög­lichkeit, den Anbau von genetisch veränderten Organismen (GVO) auf ihrem Hoheits­gebiet zu beschränken oder zu untersagen (32809/EU XXV. GP)

5. Punkt: Bericht über den Antrag 444/A(E) der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Abschaffung des Binnen-I

6. Punkt: Bericht über den Antrag 730/A der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bundeshymne der Republik Österreich, BGBl. I Nr. 127/2011, geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­haltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsan­waltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertrags­lehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienst­rechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Bundes-Bedienstetenschutz­gesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden

8. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 14, 21 und 24 sowie über die Bür­gerinitiativen Nr. 22, 46 und 52

9. Punkt: Bericht betreffend Erstattung eines Gesamtvorschlages für die Wahl der Vorsitzenden der Parlamentarischen Bundesheerkommission gemäß § 4 Abs. 9 des Wehrgesetzes 2001


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10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 20. März 1975, mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird (Ausländerbeschäfti­gungsgesetz – AuslBG), in der Fassung des BGBl. I 72/2013, geändert wird (693/A)

11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Michael Pock, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (842/A)

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 17

Ordnungsrufe ..................................................................................................  78, 79, 128

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 2864/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 65

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         176

Redner/Rednerinnen:

Ing. Waltraud Dietrich ................................................................................................ 176

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ..............................................  178, 185

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 179

Werner Amon, MBA ................................................................................................... 180

Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 181

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 183

Martina Schenk ........................................................................................................... 184

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 186

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 65

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .........................  110, 264

Unterbrechung der Sitzung ...............................................................................  110, 265

Antrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (454 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsge­setz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertrags­lehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienst­rechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonenge­setz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Bundes-Bedienste­tenschutzgesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (457 d.B.), ge­mäß § 53 Abs. 6 Z 2 der Geschäftsordnung an den Verfassungsausschuss rück­zuverweisen – Ablehnung ...................................................................................  264, 264

Antrag der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen, den Be­richt des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (454 d.B.): Bundes-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 3

gesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienst­gesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonen­gesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Pen­sionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzge­setz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (457 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 der Geschäftsordnung an den Verfassungsausschuss rückzuverwei­sen – Ablehnung  264, 264

Aktuelle Stunde (16.)

Thema: „Vom Spendierföderalismus zum Verantwortungsföderalismus“ .......... 17

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 17

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling .......................................................... 19

Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 22

Nikolaus Prinz ............................................................................................................... 24

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................. 25

Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................... 27

Dr. Kathrin Nachbaur ................................................................................................... 28

Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 29

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ................................................................................. 31

Mag. Michael Hammer ................................................................................................. 33

MMag. DDr. Hubert Fuchs .......................................................................................... 34

Mag. Daniela Musiol ..................................................................................................... 35

Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 37

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 38

Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (17.)

Thema: „TTIP-Verhandlungen: Doppelspiel der Bundesregierung beenden – Nationalratsbeschluss umsetzen“ ..................................................................................................................... 40

Redner/Rednerinnen:

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 40

Bundeskanzler Werner Faymann ............................................................................... 43

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 46

Jakob Auer .................................................................................................................... 47

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................... 49

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ............................................................................. 51

Rouven Ertlschweiger, MSc ....................................................................................... 52

Dr. Rainer Hable ........................................................................................................... 54

Mag. Christine Muttonen ............................................................................................. 55

Dr. Angelika Winzig ...................................................................................................... 56

MMMag. Dr. Axel Kassegger ...................................................................................... 58

Mag. Judith Schwentner ............................................................................................. 59

Ulrike Weigerstorfer ..................................................................................................... 61

Michael Pock ................................................................................................................. 62

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 17

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................. 64, 280, 280


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Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offen­sivpaket „Unternehmerisches Österreich“ (855/A)(E) .................................................................................................. 121

Begründung: Josef Schellhorn ................................................................................... 125

Bundeskanzler Werner Faymann ............................................................................. 130

Debatte:

Mag. Dr. Matthias Strolz ............................................................................................ 133

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 135

Peter Haubner ............................................................................................................. 137

MMMag. Dr. Axel Kassegger .................................................................................... 138

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 141

Dr. Kathrin Nachbaur ................................................................................................. 143

Mag. Nikolaus Alm ..................................................................................................... 145

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 147

Ing. Hermann Schultes .............................................................................................. 149

Mag. Roman Haider ................................................................................................... 150

Matthias Köchl ............................................................................................................ 153

Dr. Jessi Lintl .............................................................................................................. 155

Dr. Rainer Hable ......................................................................................................... 156

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 158

August Wöginger ....................................................................................................... 160

Erwin Angerer ............................................................................................................ 162

Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................. 163

Leopold Steinbichler .................................................................................................. 165

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 169

Wolfgang Katzian ....................................................................................................... 171

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 173

Dr. Marcus Franz ........................................................................................................ 174

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend die Dringlichkeit der Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften in den Wirtschaftskammern – Ablehnung ......................................................................  152, 175

Entschließungsantrag der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Qualitätsgütesiegel-Gesetz“ – Ablehnung .........................................................  167, 176

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages (855/A)(E) ............................ 175

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (445 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, das All­gemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015) (450 d.B.) ............................................................................................ 65

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ......................................................................... 65

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................... 69

Dr. Marcus Franz .......................................................................................................... 70

Mag. Michaela Steinacker ........................................................................................... 74

Herbert Kickl ................................................................................................................. 76

Mag. Daniela Musiol ..................................................................................................... 79

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (tatsächliche Berichtigung) ............................. 83

Anneliese Kitzmüller .................................................................................................... 84


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Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................... 85

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ............................................................. 87

Erwin Spindelberger .................................................................................................... 90

Dr. Erwin Rasinger ....................................................................................................... 94

Dr. Eva Mückstein ........................................................................................................ 95

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 97

Ulrike Königsberger-Ludwig ...................................................................................... 99

Dorothea Schittenhelm ............................................................................................. 100

Michael Ehmann ......................................................................................................... 102

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 103

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................... 104

Claudia Durchschlag ................................................................................................. 105

Dipl.-Ing. Georg Strasser ........................................................................................... 107

Barbara Rosenkranz .................................................................................................. 107

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Definition des Embryo ab dem Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle“ – Ablehnung ...........  73, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dorothea Schittenhelm, Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend verein­fachte Auskunftsmöglichkeiten der Kinder – Annahme (E 62) .....................................................................................................................  82, 112

Annahme des Gesetzentwurfes in 450 d.B. (namentliche Abstimmung) .................... 109

2. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (444 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmas­seurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz ge­ändert werden (451 d.B.) ................................................. 112

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ....................................................................... 112

Johann Hechtl ............................................................................................................. 113

Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 114

Dr. Eva Mückstein ...................................................................................................... 114

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 117

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................... 119

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 119

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Harmonisierung der Masseurberufe – Ablehnung                                                             116, 120

Annahme des Gesetzentwurfes in 451 d.B. ................................................................ 119

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 805/A(E) der Abgeordneten Angela Lueger, Angela Fichtinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verbesserte Kommunikation zu lebensmittel- und ver­brauchsgüterbedingten Risiken“ (388 d.B.) ................................ 186

Redner/Rednerinnen:

Peter Wurm ................................................................................................................. 187

Angela Lueger ............................................................................................................ 190

Angela Fichtinger ....................................................................................................... 191

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 192

Ing. Waltraud Dietrich ................................................................................................ 193

Daniela Holzinger, BA ................................................................................................ 194

Mag. Gertrude Aubauer ............................................................................................. 195

Leopold Steinbichler .................................................................................................. 195

Konrad Antoni ............................................................................................................ 197

Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 198


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 6

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Evaluierung und Abänderung der bürokratischen Lebensmittelin­formationsverordnung – Ablehnung  188, 199

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 388 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „verbesserte Kommunikation zu lebensmittel- und ver­brauchsgüterbedingten Risiken“ (E 63)                   199

4. Punkt: Bericht des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Euro­päischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 10972/14 – Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Ra­tes zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von genetisch veränderten Organismen (GVO) auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen (32809/EU XXV. GP) (443 d.B.) ................................................................ 199

Redner/Rednerinnen:

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................................................ 199

Mag. Christine Muttonen ........................................................................................... 200

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................... 201

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 203

Rouven Ertlschweiger, MSc ..................................................................................... 204

Michael Pock ............................................................................................................... 206

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................... 207

Franz Leonhard Eßl .................................................................................................... 207

Michael Ehmann ......................................................................................................... 208

Dipl.-Ing. Georg Strasser ........................................................................................... 209

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 210

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein generelles GVO-Anbauverbot in der Europäischen Union – Ablehnung .............  202, 211

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 443 d.B. ..................................................... 211

5. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 444/A(E) der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maß­nahmen zur Abschaffung des Binnen-I (392 d.B.)      ............................................................................................................................. 211

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 211

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 213

Martina Schenk ..................................................................................................  213, 216

Claudia Durchschlag ................................................................................................. 214

Mag. Aygül Berivan Aslan ......................................................................................... 215

Michael Pock ............................................................................................................... 216

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 217

Asdin El Habbassi, BA .............................................................................................. 218

Wolfgang Knes ........................................................................................................... 219

Barbara Rosenkranz .................................................................................................. 220

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 392 d.B. ..................................................... 221

6. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 730/A der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bundeshymne der Republik Österreich, BGBl. I Nr. 127/2011, geändert wird (393 d.B.)                221


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Carmen Schimanek ................................................................................................... 221

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 222

Petra Steger ................................................................................................................ 223

Dorothea Schittenhelm ............................................................................................. 225

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................... 226

Nurten Yilmaz ............................................................................................................. 227

Herbert Kickl ............................................................................................................... 228

Michael Pock ............................................................................................................... 228

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 393 d.B. ..................................................... 229

7. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (454 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Lan­desvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landes­lehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehr­personengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Bun­des-Bedienstetenschutzgesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (457 d.B.) .................................................. 229

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 229

Otto Pendl ................................................................................................................... 231

Mag. Albert Steinhauser ............................................................................................ 250

Mag. Dr. Beatrix Karl ................................................................................................. 251

Ing. Robert Lugar ..............................................................................................  252, 262

Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 253

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 254

Staatssekretärin Mag. Sonja Steßl ........................................................................... 255

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 258

Christian Lausch ........................................................................................................ 260

Angela Lueger ............................................................................................................ 261

Dieter Brosz, MSc ...................................................................................................... 263

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reformen des Dienst- und Besol­dungsrechtes – Annahme (E 64)  259, 266

Annahme des Gesetzentwurfes in 457 d.B. (namentliche Abstimmung) .................... 264

8. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 14, 21 und 24 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 22, 46 
und 52 (375 d.B.) .......................................................................................................... 266

Redner/Rednerinnen:

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 267

Johann Hechtl ............................................................................................................. 267

Hermann Gahr ............................................................................................................ 268

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 269

Martina Schenk ........................................................................................................... 270

Michael Pock ............................................................................................................... 271

Hannes Weninger ....................................................................................................... 272

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................................................ 272

Erwin Preiner .............................................................................................................. 273

Mag. Johannes Rauch ............................................................................................... 273


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 8

Johann Hell ................................................................................................................. 274

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................... 274

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 375 d.B. ..................................................... 275

9. Punkt: Bericht des Hauptausschusses betreffend Erstattung eines Gesamtvor­schlages für die Wahl der Vorsitzenden der Parlamentarischen Bundesheerkom­mission gemäß § 4 Abs. 9 des Wehrgesetzes 2001 (449 d.B.) ...................................................................................................................... 275

Redner:

Mag. Christoph Vavrik ............................................................................................... 275

Annahme des Ausschussantrages in 449 d.B. ............................................................ 277

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesge­setz vom 20. März 1975, mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird (Ausländerbeschäftigungsgesetz – AuslBG), in der Fassung des BGBl. I 72/2013, geändert wird (693/A) ................................................................................................... 277

Redner/Rednerinnen:

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................... 277

Rainer Wimmer .......................................................................................................... 278

Dr. Karlheinz Töchterle .............................................................................................. 278

MMMag. Dr. Axel Kassegger .................................................................................... 279

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 279

Zuweisung des Antrages 693/A an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ............... 280

11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (842/A) ................. 280

Zurückziehung des Verlangens auf Durchführung einer ersten Lesung ..................... 213

Zuweisung des Antrages 842/A an den Verkehrsausschuss ...................................... 280

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 64

455: Protokoll zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

456: Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der un­zulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut

458: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechts­verhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) und das Bun­desgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Fi­nanzmarktstabilitätsgesetz – FinStaG) geändert werden (ÖBIB-Gesetz 2015)

Berichte ......................................................................................................................... 64

Vorlage 51 BA: Bericht über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 2014; BM f. Finanzen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 9

III-137: Bericht betreffend Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Le­gislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2015 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des italienischen, lettischen und luxemburgi­schen Ratsvorsitzes; BM f. Justiz

Anträge der Abgeordneten

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offensivpaket „Unternehmeri­sches Österreich“ (855/A)(E)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vollkommene Neuorganisa­tion des Spitalwesens in der Hand des Bundes“ (856/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schaumweinsteuergesetz 1995 geändert wird (857/A)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grundrechte verteidigen (858/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend diskriminierungsfreie Blut­spende (859/A)(E)

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend Diskriminierungsfreie Blutspende (860/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Möglichkeit zur Zu­sammenlegung von Krankenversicherungen in Reform-Bundesländern (861/A)(E)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Realwirtschaftsinvestitions­freibetrag von Euro 100.000 (862/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung Teilarbeitsfä­higkeit (863/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erwerbstätigkeitsanreize in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (864/A)(E)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (865/A)

Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines generellen Rauchverbots in der Gastronomie (866/A)(E)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewerberechtliche Trennung von Vermittlungsagenturen und PersonenbetreuerInnen in der 24-h-Betreu­ung (867/A)(E)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend psychologischer Bera­tung für SchöffInnen und Geschworene (868/A)(E)

Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsge­setz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr 1/1930, geändert wird (869/A)

Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sichtbarmachen von Leih­arbeiterInnen im Jahresabschluss (870/A)(E)

Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kündigung der Abkommen mit dem König Abdullah Zentrum (871/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiederholungen von Teilprüfungen bzw. von Prüfungsgebieten der abschließenden Prüfung (Matura) (872/A)(E)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 10

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung und Abänderung der bürokratischen Lebensmittelinformationsverordnung (873/A)(E)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürger­schaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl. Nr. 311/1985, geändert wird (874/A)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Potential­analyse in den Sozialversicherungen (875/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Potentialanalyse in den Sozialver­sicherungen (876/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz von Beiträgen und Leistungen in der Arbeitslosenversicherung (877/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenlegung der Sozialversi­cherungen (878/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusam­menlegung der Sozialversicherungen (879/A)(E)

Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines generellen Rauchverbots in der Gastronomie (880/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket gegen die sek­torale Arbeitslosigkeit in Österreich (881/A)(E)

Harry Buchmayr, Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Bewahrung der Vorreiterrolle Österreichs zur Abschaffung der Todesstrafe (882/A)(E)

Zurückgezogen wurde das Verlangen auf erste Lesung binnen drei Monaten über den Antrag der Abgeordneten

Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (842/A) (Zu 842/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Nichtraucherschutz-Initiativen in Österreich (3475/J)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Radfahren auf Forststraßen der Österreichischen Bundesforste AG (3476/J)

Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend barrierefreie Telekommunikation (3477/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Redimensionierung des Weltmu­seums (3478/J)

Dr. Kathrin Nachbaur, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wis­senschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend „Wirtschaftsstandort: Nachholbedarf bei der Hightech-Industrie in Österreich“ (3479/J)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend der Handelsabkommen CETA, TTIP, TiSA die vorliegen bzw. in Verhandlung sind (3480/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 11

Jakob Auer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit be­treffend den durch die existenzielle Gefährdung der heimischen Geflügelproduktion be­dingten Rückgang der Inlandsversorgung (3481/J)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Verpartnerung am Standesamt (3482/J)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Verpartnerung am Standesamt (3483/J)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verpartnerung am Standesamt (3484/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend neue Hubschrauber für die Polizei (3485/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Häftlingszahlen, bedingte Entlassungen, Entlassungen gem. § 133a StVG, ge­meinnützige Leistung, sowie elektronisch überwachter Hausarrest im Jahr 2014 (3486/J)

Daniela Holzinger, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Fami­lien und Jugend betreffend „TOP-Jugendticket für alle unter 26 Jahren“ (3487/J)

Mag. Bernd Schönegger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung und Sport betreffend Verkauf von Rüstungsgütern ins Ausland (3488/J)

Mag. Bernd Schönegger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung und Sport betreffend die geplanten Einsparungen von 200 Millionen Euro (3489/J)

Dorothea Schittenhelm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit betreffend „Mammographie“ und Brustkrebsvorsorge (3490/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Werner Faymann vermeintlich als Privatperson bei den Bilderbergern (3491/J)

Hannes Weninger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Zustand österreichischer Grundwasserkörper (3492/J)

Zurückgezogen wurden die Anfragen der Abgeordneten

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend „Crowdfunding“ im Sport (3451/J) (Zu 3451/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Verbesserung des Trainerberufs (3452/J) (Zu 3452/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend Neugestaltung des Eislaufvereins am Wiener Heumarkt (3453/J) (Zu 3453/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend sportliche Aktivität in Verbindung mit dem Ausbildungsgrad (3454/J) (Zu 3454/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend des vergangenen Sportministerrates in Brüssel und im spe­ziellen über das dort behandelte Hauptthema „Sport und körperliche Aktivität im Schul­alter“ (3462/J) (Zu 3462/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 12

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen (2907/AB zu 3057/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen (2908/AB zu 3061/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen (2909/AB zu 3066/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Win­ter, Kolleginnen und Kollegen (2910/AB zu 3060/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen (2911/AB zu 3240/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (2912/AB zu 3063/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Win­ter, Kolleginnen und Kollegen (2913/AB zu 3058/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen (2914/AB zu 3079/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen (2915/AB zu 3155/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen (2916/AB zu 3246/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen (2917/AB zu 3059/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen (2918/AB zu 3054/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Tanja Windbüch­ler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen (2919/AB zu 3055/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Sche­rak, Kolleginnen und Kollegen (2920/AB zu 3073/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Sche­rak, Kolleginnen und Kollegen (2921/AB zu 3074/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Rainer Hab­le, Kolleginnen und Kollegen (2922/AB zu 3064/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Tanja Wind­büchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen (2923/AB zu 3056/J)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mi­chael Pock, Kolleginnen und Kollegen (2924/AB zu 3071/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 13

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2925/AB zu 3115/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2926/AB zu 3093/J)

der Bundesministerin für Familien und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mi­chael Pock, Kolleginnen und Kollegen (2927/AB zu 3072/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Petra Bayr, MA, Kolleginnen und Kollegen (2928/AB zu 3080/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kol­leginnen und Kollegen (2929/AB zu 3084/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Rauch, Kol­leginnen und Kollegen (2930/AB zu 3089/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Be­lakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2931/AB zu 3098/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Bela­kowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2932/AB zu 3105/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Ro­senkranz, Kolleginnen und Kollegen (2933/AB zu 3107/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Be­lakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2934/AB zu 3116/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Albert Stein­hauser, Kolleginnen und Kollegen (2935/AB zu 3119/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Plessl, Kol­leginnen und Kollegen (2936/AB zu 3125/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Plessl, Kol­leginnen und Kollegen (2937/AB zu 3126/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen (2938/AB zu 3128/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen (2939/AB zu 3131/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen (2940/AB zu 3135/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Elisabeth Hakel, Kolleginnen und Kollegen (2941/AB zu 3077/J)

des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen (2942/AB zu 3075/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen (2943/AB zu 3078/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2944/AB zu 3103/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 14

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen (2945/AB zu 3113/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen (2946/AB zu 3121/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen (2947/AB zu 3110/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen (2948/AB zu 3127/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen (2949/AB zu 3129/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen (2950/AB zu 3153/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Kolle­ginnen und Kollegen (2951/AB zu 3069/J)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dag­mar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2952/AB zu 3114/J)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Bri­gitte Jank, Kolleginnen und Kollegen (2953/AB zu 3132/J)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dag­mar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2954/AB zu 3094/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen (2955/AB zu 3118/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Josef A. Rie­mer, Kolleginnen und Kollegen (2956/AB zu 3108/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Josef A. Rie­mer, Kolleginnen und Kollegen (2957/AB zu 3106/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen (2958/AB zu 3088/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Josef A. Rie­mer, Kolleginnen und Kollegen (2959/AB zu 3109/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Josef A. Rie­mer, Kolleginnen und Kollegen (2960/AB zu 3111/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2961/AB zu 3097/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2962/AB zu 3092/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Bela­kowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2963/AB zu 3099/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 15

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Ro­senkranz, Kolleginnen und Kollegen (2964/AB zu 3141/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosen­kranz, Kolleginnen und Kollegen (2965/AB zu 3142/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Ro­senkranz, Kolleginnen und Kollegen (2966/AB zu 3143/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosen­kranz, Kolleginnen und Kollegen (2967/AB zu 3144/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosen­kranz, Kolleginnen und Kollegen (2968/AB zu 3145/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosen­kranz, Kolleginnen und Kollegen (2969/AB zu 3146/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosen­kranz, Kolleginnen und Kollegen (2970/AB zu 3147/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosen­kranz, Kolleginnen und Kollegen (2971/AB zu 3148/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Walter Rosen­kranz, Kolleginnen und Kollegen (2972/AB zu 3149/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Abgeord­neten Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen (2973/AB zu 3083/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Abgeordne­ten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (2974/AB zu 3086/J)

der Bundesministerin für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Josef A. Rie­mer, Kolleginnen und Kollegen (2975/AB zu 3085/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Abgeord­neten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2976/AB zu 3100/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2977/AB zu 3117/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2978/AB zu 3102/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen (2979/AB zu 3140/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen (2980/AB zu 3104/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Julian Schmid, BA, Kolleginnen und Kollegen (2981/AB zu 3120/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen (2982/AB zu 3133/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 16

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen (2983/AB zu 3137/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen (2984/AB zu 3138/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Je­newein, Kolleginnen und Kollegen (2985/AB zu 3090/J)

des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2986/AB zu 3091/J)

der Bundesministerin für Familien und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten An­neliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen (2987/AB zu 3124/J)

der Bundesministerin für Familien und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dag­mar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2988/AB zu 3095/J)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Ro­bert Lugar, Kolleginnen und Kollegen (2989/AB zu 3123/J)

der Bundesministerin für Bildung und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Ro­bert Lugar, Kolleginnen und Kollegen (2990/AB zu 3122/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Schell­horn, Kolleginnen und Kollegen (2991/AB zu 3081/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Be­lakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (2992/AB zu 3096/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen (2993/AB zu 3082/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen (2994/AB zu 3134/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen (2995/AB zu 3150/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen (2996/AB zu 3139/J)


 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 17

09.06.21Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 59. Sitzung des Nationalrates.

Die Amtlichen Protokolle der 57. und 58. Sitzung vom 14. Jänner 2015 sind in der Par­lamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet ist unsere leider erkrankte Frau Präsidentin Doris Bures, wei­ters auch die Abgeordneten Keck, Kirchgatterer, Kucher, Lipitsch, Höfinger, Dipl.-Kffr. (FH) Pfurtscheller, Dr. Bösch, Doppler, Mag. Hauser, Ing. Höbart, Dr. Karlsböck, Themessl, Hagen und Dr. Vetter.

Ich wünsche der Frau Präsidentin sowie auch allenfalls anderen erkrankten Kollegin­nen und Kollegen von dieser Stelle aus rasche Genesung.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Karlheinz Kopf: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertre­tung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Der Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner wird durch den Staatssekretär im Bundes­ministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Harald Mahrer sowie der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz durch die Bun­desministerin für Familien und Jugend Dr. Sophie Karmasin vertreten.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr und von ORF III in voller Länge übertragen wird.

09.07.58Aktuelle Stunde

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Vom Spendierföderalismus zum Verantwortungsföderalismus“

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Loacker. Ich erteile Ih­nen das Wort und mache Sie darauf aufmerksam, dass die Redezeit 10 Minuten nicht überschreiten darf. – Bitte.

 


9.08.22

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister Schelling! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Ga­lerie und vor den Fernsehschirmen! Vom Spendierföderalismus zum Verantwortungsfö­deralismus: 2015 ... (Unruhe im Sitzungssaal.) – Man merkt, die Schulklasse hat sich eine Woche nicht gesehen, es ist noch etwas Unruhe im Saal. – 2015 wird ein arbeits­reiches Jahr für die Bundesregierung, insbesondere für den Finanzminister: zum einen, weil die Steuerreform ansteht, und zum anderen, weil die Finanzausgleichsverhandlun­gen anstehen. Nicht einleuchtend ist die Tatsache, dass diese beiden Reformen ge-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 18

trennt voneinander betrachtet und behandelt werden, denn in Wirklichkeit greifen sie inhaltlich wie Zahnräder ineinander und können eben nicht voneinander getrennt beur­teilt werden. (Abg. Rädler: Oberlehrer!)

Wenn man eine Entlastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erreichen will, dann muss man für einen sorgfältigen Umgang mit den Steuergeldern sorgen, und ich bin schwer in Sorge, ob man mit den geplanten Reformen dieses Ziel erreichen kann. Der Finanzausgleich, der die Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auf finanzieller Ebene regelt, wäre das Steuerinstrument, um zielgerichtet zu steuern, welche konkreten Aufgaben mit welchem Geld auf welcher Ebene erledigt werden und inwiefern die Entscheidungsträger dafür dann auch zur Verantwortung gezogen wer­den.

An einem einfachen Beispiel aus einem Nachbarland erklärt: Wenn in der Schweiz ein Hallenbad gebaut wird, dann bekommen die Bürger die Fakten geliefert: die Dimen­sionen, die Kosten und was es für die Gemeindesteuer bedeutet, wenn dieses Hallen­bad gebaut wird, und in weiterer Folge wird darüber entschieden. Und es ist völlig klar, dass derjenige, der für die Ausgaben verantwortlich ist, auch für die Einnahmen zu sor­gen hat und am Schluss politisch dafür geradesteht.

In Österreich würde ein solcher Bau eines Hallenbads zu einer Kostenüberschreitung von 50 bis 100 Prozent führen, eine Zeitverzögerung würde eintreten, und alles, was übrig bliebe, wäre ein riesengroßes Denkmal für die Misswirtschaft, die ihresgleichen sucht. Aber der Bürgermeister würde Glück haben, weil er der Bevölkerung ein Hallen­bad verschafft hätte, und für die Schulden, die er damit fabriziert hätte, würde er nicht geradestehen müssen.

Das können wir auch jetzt beobachten, 2015, wo wir Gemeindewahlen haben – in Kärn­ten, Niederösterreich, Vorarlberg, Oberösterreich und der Steiermark –, dort werden jetzt wieder Gemeindesäle renoviert, Schulen erneuert, Feuerwehrautos angeschafft. Das Auftragsbuch von Rosenbauer möchte ich einmal hinsichtlich eines Zusammen­hangs mit den Gemeindewahlen untersuchen.

Und wenn ... (Zwischenruf des Abg. Rädler.) – Ja, Herr Bürgermeister Rädler, das weiß ich schon, dass Sie Politik danach machen, wie Sie gewählt werden, aber es wä­re auch gut, Politik im Sinne der Steuerzahler zu machen. (Abg. Rädler: ! Herr Ober­lehrer!) Dass hier jede Möglichkeit fehlt, die Verantwortungsträger heranzuziehen, wenn sie Misswirtschaft betreiben, zeigen uns zum Beispiel die Städte Linz und Wien mit ih­ren Frankengeschäften. Das bleibt ohne jede Konsequenz für die Verantwortlichen.

Es gibt auch nach wie vor kein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften, obwohl uns die Bundesländer Kärnten und Salzburg ebenso wie die Stadt Linz Symbole der Miss­wirtschaft vor Augen führen, die jeden Unternehmer schon längst in den Konkurs ge­zwungen hätten.

Und gleichzeitig – das darf man nicht vergessen – gibt es Gemeinden, die sorgfältig wirtschaften, wo die Bürgermeister auf die Gemeindekassen schauen, nur mit der Kon­sequenz, dass die Bürger der sparsamen Gemeinden nichts davon haben, weil die ver­schwenderischen das Gesamtbudget so belasten.

Die Ortskaiser, Herr Abgeordneter Rädler, und die Landesfürsten haben subjektiv ja gar nicht das Gefühl, dass sie das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aus­geben, weil der Prozess ein ganz anderer ist. Der Bund presst die Bürger aus wie Zi­tronen, und die Landesfürsten pressen den Bund aus und freuen sich, dass sie dem Fi­nanzminister einen ordentlichen Batzen Geld abgejagt haben, denken aber nicht da­ran, dass dieser Batzen Geld von ihren Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern begli­chen werden muss, von ihren Wählern zu Hause. Stattdessen stimmen sie sie mit Wahlgeschenken gnädig. (Abg. Wöginger: So ein Blödsinn!)


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Wie wir schon mehrmals betont haben, gibt es hier natürlich vonseiten der NEOS ganz klare Lösungsansätze, die nicht wir erfunden haben, sondern die die Experten immer wieder empfehlen, nämlich die Koppelung von Aufgaben, Einnahmen und Ausgaben. Da­her ist erhöhte Steuerautonomie für Länder und Gemeinden essenziell, wenn wir dem politischen Opportunismus entgegenwirken und wenn wir für einen verantwortungsvol­len Umgang mit Steuergeld sorgen wollen.

Der beste Schutz der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor Schröpfung ist immer noch die regionale Steuerautonomie, weil dann auch verglichen werden kann, wie das denn die Nachbargemeinde und das Nachbarbundesland löst. Dann müsste sich zum Beispiel ein Landeshauptmann dafür rechtfertigen, warum die Einkommensteuer in Ober­österreich einen Prozentpunkt niedriger ist als im Nachbarbundesland oder es in Mit­tersill günstiger geht als in Kufstein oder umgekehrt.

Diese Vergleichbarkeit von Gebietskörperschaften, Herr Bundesminister, können Sie per­sönlich auch noch verbessern, indem endlich die schon zugesagten einheitlichen Rech­nungslegungsvorschriften für alle Bundesländer kommen; denn was die Republik von fast jedem Unternehmer verlangt, das muss für eine Gebietskörperschaft eine Selbst­verständlichkeit sein.

Die Finanzausgleichsverhandlungen stehen in den Startlöchern, Herr Minister, und da würde ich gerne von Ihnen hören, wie Sie sich positionieren. Die Mehrheit der Lan­deshauptleute spricht sich klar für eine Steuerautonomie der Länder aus. Erwin Pröll hat erst kürzlich im „Standard“ verlauten lassen, dass er sich eine Diskussion über die Abgabenautonomie wünscht, weil damit der langwährenden Diskussion darüber, dass die Länder Geld lediglich ausgeben, entgegengetreten werden könne, und hier wolle er einen wesentlichen ersten Schritt in diese Richtung sehen. Damit steht er nicht allein da, die Landeshauptleute Platter, Haslauer, Wallner und Häupl argumentieren eben­falls in diese Richtung.

Da bin ich allerdings skeptisch, ob das auch gelingen wird. Von SPÖ und ÖVP sind wir es gewohnt, dass eher lauwarme Kompromisse das Ergebnis der Verhandlungen sind, und ich möchte Sie deswegen daran erinnern, dass der Umgang mit Steuergeld eben­so wichtig, ja in unseren Augen noch wichtiger ist als die Kompromisse innerhalb der Regierungsfraktionen. Es müssen die Haushalte offengelegt werden – einheitlich, stan­dardisiert und vollständig – und es darf kein Geld mehr zwischen Bund, Ländern und Gemeinden versickern, nur weil wir es in den Finanzausgleichsverhandlungen, und da muss ich eigentlich sagen, weil Sie es in den Finanzausgleichsverhandlungen nicht schaffen, den Finanzdschungel zu lichten.

Daher unsere Aufforderung an Sie, Herr Bundesminister: Schützen Sie nicht länger die Verschwender in den Gemeinden und vor allem in den Ländern, schützen Sie die Steu­erzahler und Steuerzahlerinnen! Werden Sie aktiv und geben Sie den Ländern und Ge­meinden die Macht in die Hand, selbst Steuern einzuheben – mehr Steuern und we­niger Steuern –, und geben Sie damit den Bürgerinnen und Bürgern die Macht, ihre Verantwortungsträger heranzuziehen, wenn Misswirtschaft betrieben wird, und diese zu belohnen, wenn sie gut wirtschaften! – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten des Teams Stronach.)

9.16


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Finanzminister Dr. Schelling. – Bitte, Herr Minister.

 


9.16.26

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst dafür bedan­ken, dass dies Thema in der Aktuellen Stunde ist, weil es ein Thema ist, das uns seit


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Langem bewegt. Es ist kein neues Thema, es gibt auch viele Fragen, die schon viel­fach gestellt und von mir schon vielfach beantwortet wurden – auch wenn man es nicht überall gehört hat –, und ich möchte einige einleitende Positionen dazu beziehen.

Als Erstes würde ich doch darum bitten, dass es zu keinen Pauschalverurteilungen kommt. Es gibt Kommunen – das wissen alle, auch Matthias Strolz, der aus einer klei­nen Gemeinde kommt –, die durchaus hochökonomisch und effizient agieren. Deswe­gen sollte es keine Pauschalverurteilungen dahin gehend geben, dass alle Gemeinden, wie Sie gemeint haben, verschwenderisch seien. Die Gemeinden haben große Verant­wortung in ihrer Nähe zum Bürger, in ihrer Leistung für die Bürgerinnen und Bürger.

Daher möchte ich gleich zum zweiten Grundsatz überleiten: Ich glaube, dass das The­ma Föderalismus in der Form, wie Sie es präsentiert haben, zu kurz greift. Wir müssen, wie ich meine, das Grundprinzip der Subsidiarität diskutieren, also die Frage stellen, auf welcher Ebene der Körperschaften welche Leistung wie erbracht werden soll und wie sie effizient und verantwortungsvoll ausgeführt werden kann. Die Frage „zentral oder dezentral“ greift hier, glaube ich, zu kurz.

Ich bin der Meinung, dass wir in aller Breite eine Diskussion hinsichtlich der Frage füh­ren sollten, was auf der kommunalen, der Bezirks-, Landes- und Bundesebene pas­siert, immer unter Berücksichtigung dessen, was von der übergeordneten supranatio­nalen Ebene, der Europäischen Union, noch dazukommt. Daher glaube ich, dass es richtig ist, diese Diskussion jetzt auch in dieser Öffentlichkeit zu führen, denn es gibt dazu verschiedene Lösungsansätze und Anmerkungen, die wichtig sind.

Erster Punkt: Sie kritisieren, dass die Steuerreform und der Finanzausgleich nicht gleich­zeitig gemacht werden. Sie wissen – es ist ja hier beschlossen worden –, dass der gül­tige Finanzausgleich bis Ende 2016 verlängert wurde. Wenn wir nun im März dieses Jahres eine Steuerreform beschließen, dann wirkt sich das auf den laufenden Finanz­ausgleich aus. Daher ist es wichtig, für die budgetäre Planung der Länder für das Jahr 2016 sicherzustellen, dass sie die Auswirkungen der Steuerreform kennen. Dass das natürlich ein anderes langfristiges Projekt in der Frage des Finanzausgleichs ist, ist überhaupt kein Thema.

Zweiter Punkt: Der Finanzausgleich ist nur ein Teil dieser Diskussion. Das ist keine Grund­satzdiskussion über die Frage „Föderalismus oder Nichtföderalismus“, denn der Fi­nanzausgleich ist nur ein Steuerungsinstrument in diesem System. Und daher glaube ich, dass wir gut daran getan haben, diese Frage über viele Jahre zu klären. Auch der Österreich-Konvent hat hier hervorragende Arbeit geleistet.

Worum es jetzt gehen wird, ist, zu Einigungen darüber zu kommen, wie wir in Zukunft mit der Verantwortlichkeit umgehen. Hier habe ich im Rahmen der Diskussionen über den Finanzausgleich etliche Dinge schon gesagt. Eines davon ist, dass, so glaube ich, wenn man das Subsidiaritätsprinzip ernst nimmt, die erste Stufe die Vornahme einer Aufgabenkritik ist: Wer hat zurzeit welche Aufgaben, und wie werden sie wahrgenom­men? Wir werden dann vielleicht merken, dass nicht alles so läuft, wie wir es uns wün­schen. Nach dieser Aufgabenkritik sollten wir uns gemeinsam dazu entschließen, einen aufgabenorientierten Finanzausgleich mit dem Ziel zu machen, die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit in eine Hand zu bekommen.

Ich halte auch in der jetzigen Diskussion betreffend die verschiedensten Bereiche der Ressorts nichts davon, dass einer bestellt und der andere bezahlt. Daher bin ich für diese Diskussion durchaus offen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ, Team Stro­nach und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Ich habe daher angekündigt, dass wir uns im Rahmen des Finanzausgleichs in einer Arbeitsgruppe selbstverständlich auch die Frage von autonomen Steuern anschauen werden. Wir wollen dort – Start ist die Einladung der Schweizer Finanzministerin – ein-


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mal aufzeigen, welche Probleme und Chancen solche Möglichkeiten bergen. Ich möch­te Ihnen, Herr Loacker, aber aus meinem Kenntnisstand sagen: Die Einigkeit betref­fend diese Frage ist innerhalb der Länder nicht sehr groß. Es ist genauso, wie Sie ge­sagt haben: Es gibt welche, die das befürworten, und es gibt auch welche, die das völ­lig ablehnen. Ich bitte doch, zu beachten, dass eine Diskussion am Schluss so verläuft, dass wir eine Frage, die von so entscheidender Bedeutung ist, mehrheitsfähig aufbe­reiten, und in diesem Fall – darf ich dazusagen – wird die Entscheidung einstimmig sein müssen. Daher werde ich diese Arbeitsgruppe im Rahmen des Finanzausgleichs einberufen, um diesen Weg zu beschreiten.

Der dritte entscheidende Punkt – und das haben Sie zu Recht angesprochen – ist die Frage der Finanzströme, die dann weiterlaufen. Die Finanzströme von den Ländern zu den Kommunen – das habe ich immer erklärt und bleibe dabei – müssen transparenter werden. Das ist überhaupt keine Frage! Daraus resultierend habe ich hier gesagt, wir werden die Harmonisierung des Haushaltsrechts vornehmen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS sowie der Abg. Nachbaur.)

Die Harmonisierung des Haushaltsrechts ist so gut wie ausverhandelt, aber Sie alle hier im Hause wissen, dass es interessanterweise keine alleinige Entscheidung des Fi­nanzministers ist, diese Verordnung zu erlassen, sondern ich brauche die Zustimmung des Präsidenten des Rechnungshofes. Daran arbeiten wir zurzeit intensivst, und ich habe selbst mehrere Gespräche mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rech­nungshofes, aber auch mit dem Präsidenten des Rechnungshofes geführt, damit wir da zu einer Lösung kommen.

Ich bitte Sie, einen Punkt, der damit im Zusammenhang steht, auch mitzunehmen: Es geht nicht um die Harmonisierung des Haushaltsrechts auf der Länderebene – das ist ein entscheidender Punkt! –, sondern wir brauchen dieselbe Harmonisierung auch auf der kommunalen Ebene, damit eben die Transferströme, die im Rahmen des Finanz­ausgleichs vorgenommen werden, sichtbar und transparent sind. Ziel ist es, dass wir durch diese Harmonisierung und die vergleichbaren Daten, die zur Verfügung stehen, Benchmarks setzen können, Best-Practice-Beispiele erkennen können und auch klar aufzeigen können, in welchen einzelnen Strukturen es bessere Modelle beziehungs­weise schlechte Modelle gibt. Dann sollten wir diesen Finanzausgleich in diese Rich­tung bringen.

Ich glaube daher, dass es wichtig ist, dass das neben der Harmonisierung des Haus­haltsrechts im ersten Quartal, also bis März, abgeschlossen ist, und ich gehe davon aus, dass das auch gelingt. Wir haben daher die Diskussionen zu intensivieren, vor al­lem was die Ebene der Kommunen anbelangt. Ich denke, dass wir schon Verständnis dafür haben müssen, dass bestimmte Kleinstkommunen das nicht unbedingt nach dem­selben weitgehenden Prinzip des Bundeshaushaltsrechts machen können – aber ver­gleichbar, in dieselbe Richtung gehend.

Ich erinnere mich an die Diskussion im Budgetausschuss: Als der Rechnungshofprä­sident den Rechnungsabschluss 2013 präsentiert hat, diesen erstmals nach den neuen Regeln dargestellt hat, haben die einen gesagt: Ja ist denn das nicht verrückt, dass wir 19 000 Seiten Unterlagen bekommen?!, und die anderen haben gesagt: Das ist uns alles noch viel zu wenig! Daher sollten wir da einen Ausgleich finden. Wir sind auf ei­nem guten Weg, dass wir das gleichzeitig durchbringen, auch wenn es möglicherweise zeitversetzt in Kraft treten wird.

Es wird auch von großer Bedeutung sein, die Frage zu beantworten, wie der Prozess weitergeht, denn dieser Prozess ist ein Teilprozess dessen. Ich meine, eine Erkenntnis bei den verantwortlichen Verhandlern auf Ebene der Länder und Kommunen gesehen zu haben. Auch wenn man seit 20 Jahren über die Frage der Kompetenzen trefflich streitet und zu keinen Einigungen kommt – obwohl es viele Lösungsansätze gibt –, könn-


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te es ja durchaus gelingen, dass wir über den Umweg des Geldes zu einer Ordnung der Kompetenzen kommen. Das muss auch ein Ziel des Finanzausgleichs sein.

Noch einmal zum Prozess Finanzausgleich: Wir starten im April mit einer Kick-off-Ver­anstaltung mit den Ländern und Gemeinden. Wir werden im Mai die Schweizer Finanz­ministerin zu einem Vortrag zum Thema Chancen und Risken kommunaler Steuern einladen.

Ich möchte aber auch dazusagen, dass sie mir zwei Botschaften mitgegeben hat: Ers­tens, in der Schweiz ist das alles mit der direkten Demokratie gekoppelt, und da müs­sen wir auch die Kultur in diesem Bereich ändern. Ich habe immer folgendes Beispiel gebracht: Wenn in der Schweiz darüber abgestimmt wird, ob die Urlaubswochen ver­längert werden sollen, dann stimmen die Schweizer mit Nein; bei uns würde man noch eine Woche drauflegen, und das neben dem, was gefordert wird. (Abg. Kickl: Testen wir’s einmal!) Das heißt, wir brauchen eine Kultur, in der jeder begreift, dass das, was wir entscheiden, auch etwas kostet. Wenn wir das schaffen, ist es gut so. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, Team Stronach und NEOS sowie der Abg. Moser. – Abg. Kickl: Die ÖVP muss nicht !)

Zweitens: Ich habe immer gesagt und bleibe dabei: Die Quelle allen Geldes sind die Bürgerinnen und Bürger. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kickl.) Wir in der Politik haben die Verantwortung, mit dem Geld sorgsam umzugehen. Das trifft nicht nur für den Bund zu, das trifft auch für die Länder und die Gemeinden zu.

Ein weiterer Punkt ist ganz entscheidend. – Die Schweizer Finanzministerin hat zu mir gesagt, was nicht passieren soll, nämlich: dass es auf der Länderebene einen ruinösen Steuerwettbewerb gibt, der dann dazu führt, dass die Länder, wenn ihnen das Geld ausgeht, zum Bund kommen und sagen: Bitte gib mir etwas! Diesen Weg wollen wir nicht beschreiten, daher braucht es also klare Spielregeln.

Ich gehe davon aus, dass wir im Rahmen der Verhandlungen, die wir im April beginnen werden, zu einem Ergebnis kommen werden, dass wir das Richtige entscheiden und nicht nur das Populistische weiterverfolgen werden. (Abg. Moser: So soll es sein!) Un­sere Aufgabe als Politiker ist es, das Richtige populär zu machen und nicht das Popu­listische zum Richtigen zu erklären. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten von Team Stronach und NEOS sowie der Abgeordneten Moser und Weninger.)

9.26


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an dieser Aktuellen Stunde 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte.

 


9.26.43

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die schon zu früher Morgenstunde der Plenarsitzung folgen! Herr Mag. Loacker, in der Medizin ist es so, dass ein Grundsatz nicht vergessen werden sollte, nämlich: Anamnese, Diagnose, dann Therapie, eventuell Rehabilitation, dann ist der Patient gesund. (Zwischenruf der Abg. Moser.) Vertauschen Sie diese Reihenfolge, ist das maximal Kurpfuscherei, wahr­scheinlich Scharlatanerie und am Ende schädlich.

Das sollten Sie auch bei der Gründung neuer Parteien beachten – also: erstens eine Idee haben, zweitens ein Programm haben, dann erst die Leute aufstellen und dann kandidieren. Die umgekehrte Reihenfolge, wie es die NEOS machen – ohne Inhalt an­zutreten, dann mit Aktionismus anzufangen (Abg. Strolz: Das ist ein Blödsinn ! – Zwi-


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schenruf des Abg. Brosz), um populär zu werden –, ist zu wenig. Da wird diese Reihen­folge nicht eingehalten. (Abg. Strolz: Das ist ein völliger Topfen!) Daher müssen wir hier gemeinsam daran arbeiten, dass sich etwas entwickelt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Der Herr Bundesminister hat darauf hingewiesen, dass das Thema durchaus okay ist, denn wir müssen das angehen, dass die Effizienz in einem relativ komplizierten Ge­bilde auch bei uns im Land stimmt – keine Frage! Wir haben fünf Verwaltungsebenen: die Europäische Union, eine Bundesebene, eine Landesebene, eine Bezirksebene und eine Gemeindeebene. Die Frage ist, ob wir wirklich fünf Ebenen brauchen. Das ist eine Frage, die man sich immer wieder stellen kann und die auch schon gestellt wurde, mit wechselhaftem Erfolg. Ich erinnere an diverse Vorstöße: In der Steiermark hat es einen Landespolitiker gegeben, der vor 20 Jahren plötzlich drei Bundesländer machen woll­te. – Er ist gleich öffentlich „hingerichtet“ worden.

Es gab auch den Vorschlag – ich glaube, es war Bundeskanzler Gusenbauer, der das einmal gesagt hat –, man solle die Bezirksebene weglassen. – Er wurde auch dafür an­gegriffen, obwohl das genau jene Ebene wäre, die nicht demokratisch legitimiert ist (Abg. Kickl: Schauen Sie einmal, wie man mit denen umgeht, die Europa hinterfra­gen!) und wo wir praktische Erfahrung haben. Die österreichischen Statutarstädte ver­walten viel besser als die mittelbare Bundesverwaltung oder die Bundesverwaltung.

Ich bin Wiener, ich habe den Unterschied selbst erlebt. Lassen Sie sich heute in Wien einen Pass ausstellen! – Tausend zu eins, und nicht, weil bei der Polizei, die das früher gemacht hat, alle unfähig gewesen wären! Ich glaube, dass die österreichischen Ge­meinden, wenn sie eine ausreichende Größe haben, eine sehr gute, fast perfekte Form im Verhältnis Bürger/öffentliche Hand haben und dass wir uns zumuten können – das sehen wir gerade bei den städtischen Strukturen –, ihnen mehr Verantwortung zu über­tragen. (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Jetzt komme ich zur Frage der Bezahlung: Natürlich kommt dauernd das Argument, die sollen sich das gefälligst selbst einheben. Das wird lustigerweise oft von denselben Po­litikern vertreten, die hier kritisieren, wie stark die Gebührenerhöhungen sind, beim Was­ser, beim Müll oder sonst wo. (Zwischenruf des Abg. Strolz.) Sie kritisieren genau dort, wo die Autonomie besteht, und sagen gleichzeitig: Jetzt sollen sie die Einkommensteu­er und womöglich die Körperschaftsteuer auch noch selber einheben! (Abg. Kickl: Häupl könnte die Reichensteuer !)

Liebe Freunde! Europa hat ein Problem, nämlich leere Kassen in zehn von achtund­zwanzig Staaten. Warum? – Weil die internationalen Konzerne keinen Cent mehr auf dem Kontinent zahlen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Podgorschek, Loacker und Strolz.) Wieso ist das so? Wieso gibt es LuxLeaks? – Weil in Luxemburg niemals der Sitz des größten Onlinehändlers wäre, wenn man ihn mit Vereinbarungen nicht künst­lich hingeholt hätte. (Abg. Kickl: Wer hat diesen Mann im Amt bestätigt?) Ist das effi­zient? – Nein! Ist das der optimale Standard? – Nein! Es ist nur ein Nutzen von Steueroa­sen. (Abg. Strolz: Sie haben das entschieden! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Jetzt gibt es Personen, die nicht nachdenken, kein Programm haben, die gewählt wer­den, weil sie neu sind, die sich hier hersetzen und das in Österreich einrichten wollen. (Abg. Strolz: Sie wollten das so!) Zu Recht verweist Bundesminister Schelling darauf, dass ein ruinöser Steuerwettbewerb am Ende allen schadet. Schauen Sie sich den Kon­tinent an! – Kein Griechenland, kein Spanien, kein Irland ohne den! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Dame und Herren von den NEOS, wenn Sie Marktwirtschaft wollen, brauchen Sie ein einheitliches Spielfeld (Zwischenruf des Abg. Neubauer), so dass nicht jeder Einzelne tricksen und sagen kann: Bei mir kriegst du in 48 Stunden die Steuer zurück!, sondern: gleiches Recht, gleiche Verhältnisse, einheitlicher Standort. Dann gewinnt der,


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der die am besten ausgebildeten Leute und den besten Standort hat, und dann funktio­niert die Marktwirtschaft. Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben. Holen Sie die Pro­grammatik nach, vielleicht ist es das nächste Mal besser! Ich wünsche viel Glück, mei­ne Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.31


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

 


9.31.43

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Entscheidungen sollen dort fallen, wo die Menschen betrof­fen sind, oder – wie unser Finanzminister Hans-Jörg Schelling es einmal im Parlament ausdrückte –: Wir müssen es schaffen, die Zuständigkeiten und die Verantwortlichkei­ten zusammenzubringen.

Was uns die NEOS heute als Aktuelle Stunde verkaufen wollen, ist der Versuch, ihre Ideen einmal einer größeren Menschengruppe näherzubringen. Das ist ihr gutes Recht, neu ist das allerdings nicht. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Denken wir an den Landtagswahlkampf in Vorarlberg, wo Matthias Strolz mit dem Sager aus der heu­tigen Aktuellen Stunde durchaus schon durch die Lande gezogen ist! Mit welchem Er­gebnis? – Wahlziel klar verfehlt!

Kommen wir aber zurück zum Thema, das durchaus spannend ist. Natürlich ist es not­wendig, offen über Kompetenzbereinigungen zu diskutieren, aber mit Augenmaß und ganz sicher nicht mit der Brechstange, wie etwa nach dem Motto der NEOS: Liebe Landesparlamente, wenn ihr nicht tut, was wir wollen, schaffen wir euch einfach ab! – Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. (Abg. Strolz: Oh ja, abschaffen!)

Für einen aufgabenorientierten Finanzausgleich, wie wir ihn uns vorstellen, braucht es aber zuerst eine Aufgabenreform. In einem ersten Schritt müssen wirklich alle Pflicht­aufgaben, Pflichtbereiche der einzelnen Kommunen definiert werden – was können die Gemeinden erledigen? –, und als nächsten Schritt gilt es natürlich, die Aufgaben und Kompetenzen der einzelnen Gebietskörperschaften entsprechend festzulegen. Erst dann kann man über Prozentsätze oder Ähnliches weiterdiskutieren.

Eine Grundvoraussetzung ist natürlich – darum geht es auch mir persönlich –, dass im Finanzausgleich möglichst jeder Bürger gleich viel wert ist, egal, wo er wohnt. Der ab­gestufte Bevölkerungsschlüssel muss endlich fallen. Ich denke, es geht auch darum, dass wir den ländlichen Raum nicht durch eine ungerechte Verteilung der Finanzmittel in der zukünftigen Entwicklung behindern.

Ich komme selber aus einer kleinen Gemeinde, einer Mühlviertler Gemeinde, und bin dort Bürgermeister. Daher ist es mir auch wichtig, den ländlichen Raum entsprechend zu unterstützen. Wir müssen uns von der Philosophie, dass der ländliche Raum der Aus­gleichsraum für Ballungsräume ist, verabschieden. Wir müssen von Bürgern gleichen Ran­ges und gleicher Wertigkeit reden und ausgehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es wird gerne darüber diskutiert, dass die Städte überört­liche Aufgaben wahrzunehmen haben. – Ja, das ist so. Man soll aber auch dazusagen, dass sie im Verhältnis überproportional profitieren und auch höhere Steuereinnahmen durch ihre Standortvorteile haben.

Kommen wir aber zurück zu dem von den NEOS sprichwörtlich kreierten Verantwor­tungsföderalismus: Ich denke, es ist auch an der Zeit, über eine gerechte Verteilung der Kommunalsteuer nachzudenken. Wo wohnen die Menschen? Wo arbeiten sie? Für die Zukunft wäre eine gerechte Verteilung der Kommunalsteuer zwischen Arbeitsort und Wohnort durchaus zu diskutieren. – Da darf man durchaus applaudieren, weil es wirklich ein ganz wichtiger Punkt ist: Gerechtigkeit für die Bürger! (Beifall bei der ÖVP.)


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Weiters gilt es natürlich, im Rahmen des Finanzausgleichs über die demografische Ent­wicklung nachzudenken. Denken wir an Regionen, die mit Abwanderung kämpfen, den­ken wir an die zukünftige Entwicklung im Gesundheits- und Pflegebereich! Denken wir auch an die Niederlassung von Ärzten auf dem Land! In diesen Bereichen gilt es wei­terzuarbeiten, nachzudenken, auch im Bereich der gemeindeübergreifenden Zusam­menarbeit und der Betriebsgebietsentwicklung. Ich denke, das sind wertvolle Ansätze.

Als Oberösterreicher bin ich in der glücklichen Lage, Ihnen einige positive Beispiele für Zusammenarbeit nennen zu können, die in meinem Bundesland bereits erfolgreich um­gesetzt sind. Wir sind uns der Verantwortung, die wir im Umgang mit öffentlichen Gel­dern haben, durchaus bewusst und versuchen, diese Verantwortung auch entspre­chend zu leben.

In Oberösterreich funktioniert zum Beispiel die Gemeindezusammenarbeit im Bereich der Bezirksabfallverbände hervorragend. Denken wir auch an die Zusammenarbeit im Bereich Wasser und Kanal oder an gemeindeübergreifende Bauhöfe! Als Vorzeigepro­jekt in Österreich gilt die oberösterreichische Lösung beim Erhalten des ländlichen We­genetzes. Die Güterwege sind die Lebensadern des ländlichen Raumes. In Oberöster­reich geschieht das gemeindeübergreifend in den Verbänden mit Unterstützung des Landes. Wie Sie sehen, sind wir bei der Ausnützung von Synergien bereits sehr weit, und ich finde, das ist auch gut so.

Oberösterreich hat als eines der Bundesländer bewiesen, dass nicht nur Reformeifer gegeben ist, sondern auch etwas umgesetzt wird. Denken wir an die Spitalsreform oder an andere Umsetzungen im Bereich der Verwaltungsvereinfachung! (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.) Während sich die NEOS noch mit Überschriften beschäftigen, set­zen Oberösterreich und andere Bundesländer konkrete Schritte, was den verantwor­tungsvollen Umgang mit Steuergeld betrifft. Auf dieser Ebene gilt es weiterzuarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.36


Präsident Karlheinz Kopf: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


9.36.39

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Nach der letzten Rede könnte man fast den Verdacht haben, dass in Oberösterreich vielleicht bald Landtagswahlen sein werden. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordne­ten von Grünen und NEOS.)

Meine Vorredner von SPÖ und ÖVP und auch der Herr Bundesminister haben vom Rednerpult aus Worte verkündet, bei denen ich gedacht habe: Bumm, die kennen sich aber gut aus, die wissen, wie es geht! – Sie sind echte Ankündigungsriesen, aber seit Jahrzehnten Umsetzungszwerge. Herr Bundesminister, Sie sind von großer Statur, auch das, was Sie heute hier gesagt haben, ist wichtig, Sie haben nur ein Problem: Sie sind eingebettet in eine Koalition von SPÖ und ÖVP, in einem Land, in dem genau die­jenigen, um die es jetzt geht, nämlich die Bundesländer und die dort Verantwortlichen, kein Interesse daran haben, auch nur irgendetwas zu ändern.

Natürlich haben wir die föderale Struktur in unserer Verfassung, und aus freiheitlicher Sicht ist das auch gut so, denn es wurde schon gesagt, Verantwortung, Kompetenz, Entscheidung gehören auch dorthin, wo man näher beim Menschen ist. Das ist die Ge­meinde, das ist das Land, und letztlich ist es der Bund; das muss man hier machen.

Herr Bundesminister, Sie haben den Verfassungskonvent zitiert. – Wir sind hier nicht in einer historischen Abhandlung, der Verfassungskonvent ist jetzt mittlerweile zehn Jah­re her. Wo bleibt jegliche Umsetzung dessen, was Herr Kollege Matznetter oder auch


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Sie heute genannt haben? Wo ist die Umsetzung? (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Heute haben wir gehört, das ist ein guter Weg, aber vielleicht gibt es eine Zeitverzöge­rung. – Also Entschuldigung, Zeitverzögerung, das sind vielleicht wenige Bruchteile von Minuten, Stunden oder Tagen, aber das, was Sie hier betreiben, ist in Wirklichkeit Verweigerung. Und eines steht nicht in der Bundesverfassung: blockieren, behindern, betonieren, Macht, Machterhalt, Machtausbau und Machtmissbrauch auf Geheiß von Parteisekretariaten.

An die Redner von SPÖ und ÖVP gerichtet: Herr Kollege Matznetter – ich sehe ihn jetzt gerade nicht, ich weiß nicht, von wem er sich einen Rüffel oder eine Weisung ho­len muss –, die Macht Ihrer Partei in Fragen des Föderalismus, das, was Sie hier er­zählen, reicht in Wirklichkeit nur einen Steinwurf weit bis ins Wiener Rathaus, wo Sie mit 180 gegen die Betonmauer fahren. Und für Sie, Kollegen aus der ÖVP, endet sie bereits in St. Pölten, wo Sie ebenfalls mit 180 gegen die Betonmauer fahren. Alles, was hier für einen konstruktiven Föderalismus geschehen soll, geschieht in Wirklichkeit nicht. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Loacker und Vavrik. – Zwischenruf des Abg. Prinz.)

Kollege Prinz, Ihr Professionalismus hat sich eigentlich nur darin gezeigt, dass Sie in Ihrer Rede hundertmal das wunderschöne Bundesland Oberösterreich angeführt ha­ben. Da hat offensichtlich ein Ghostwriter gesagt: Das muss einmal hinein! (Ruf bei der ÖVP: Das ist der Neid!) In jedem Bundesland wird gute Arbeit geleistet, und in sehr vielen Gemeinden wird gute Arbeit geleistet.

Und zur Ansicht der NEOS, dass so verschwendet wird: Es kann in den österreichi­schen Gemeinden und auch in vielen niederösterreichischen Gemeinden – sogar in Niederösterreich ist eine Wahl – gar nicht mehr verschwendet werden, weil kein Geld mehr dafür da ist. Es geht einfach nicht mehr. Es werden nicht mehr die Bauprojekte eröffnet, sondern nur mehr die Styropormodelle in irgendwelchen Gemeindestuben, für etwas anderes reicht es nicht mehr, Hauptsache ist, die lokalen Medien berichten da­rüber. (Zwischenruf des Abg. Prinz.) Aber es gibt auch verschiedenste Beispiele, zu denen man sagen muss: Diejenigen, die Zentralismus haben wollen, sind eindeutig auch auf dem falschen Weg. Ich möchte da ein Beispiel aus der jüngsten Vergangen­heit zitieren.

Die Frau Bundesministerin für Unterricht Heinisch-Hosek hat gesagt: Man muss jetzt bei den Schulen schauen, dass man anstatt der Kleinschulen eine Struktur schafft, die dahin geht, dass 300 Kinder in jede Schule gehen. Was hat es gegeben? – Natürlich föderal zu Recht den Aufschrei der Bundesländer, denn wenn man so einen Zentra­lismus hat, bei dem man in einem Elfenbeinturm im Ministerium am Reißbrett irgendet­was machen will, und dies ohne Kenntnis der wahren Struktur, dann hat es zu Recht einen entsprechenden Aufschrei unter den Bundesländern gegeben, dass man wahn­sinnig viele Schulen schließen müsste.

Dann lautet die Überschrift wieder: Ministerin Heinisch-Hosek rudert zurück. Meine Da­men und Herren, das, was Sie in Fragen der Föderalismusreform machen, ist nichts anderes als Stillstand, und wenn nicht, dann wird nur zurückgerudert, aber auch diese Sache ist nichts anderes als das, was die schwarz-rote oder rot-schwarze – man kann die Farben austauschen, wie man will – Koalition überall praktiziert. In jeder Reformbe­strebung herrscht Stillstand, und das haben sich die Österreicher, egal, ob zentral oder föderal, wirklich nicht verdient. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

9.41


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ross­mann. – Bitte.

 



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9.41.50

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Beispiel, das mein Vorredner zur Föderalismusdebatte zitiert hat, das Heinisch-Hosek jüngst gebracht hat, ist ein Bei­spiel, das ich inhaltlich nicht teile, aber es ist ein gutes Beispiel dafür, wie Föderalis­musdebatten in Österreich seit Jahrzehnten ablaufen.

Ein Minister, eine Ministerin macht einen Vorschlag, postwendend melden sich einige Landeshauptleute und sagen: Nein! (Abg. Wöginger: Logischerweise! – Ruf: Warum nicht?!) Es gilt aber auch das Umgekehrte: Kommt einmal ein Vorschlag von den Län­dern, dann wird er häufig vom Bund abgelehnt. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Eine konstruktive Debatte kommt jedenfalls nicht zustande, und das zeigt auch dieses Beispiel der Schulen. Was hat Landeshauptmann Platter gesagt? – Er hat gesagt: Das ist nicht ernst zu nehmen. (Abg. Wöginger: Eh nicht!) Die Wortwahl alleine zeigt und sagt schon alles. Platter hat gesagt: Na so nicht!, und hat einen Gegenvorschlag ge­bracht, von dem er genau gewusst hat, dass er für den Bund nicht akzeptierbar ist. Mit dieser Haltung und dieser Form der Debatte in Föderalismusfragen, die wir seit Jahr­zehnten erleben, werden wir in Österreich keinen Schritt weiterkommen. Und wir wis­sen ganz genau, dass es im Rahmen des Finanzausgleichs und des Föderalismus er­hebliche Systemmängel und finanzpolitische Schieflagen gibt – das ist ja nichts Neues.

Das beginnt bei der mangelnden Steuerhoheit von Ländern und Gemeinden, und ich bin nicht für einen, möchte ich auch einmal an dieser Stelle sagen, ruinösen Wettbe­werb, aber, Herr Kollege Matznetter, für einen dosierten Wettbewerb und für mehr Ver­antwortung in dieser Frage bin ich jedenfalls. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der NEOS.)

Es fehlt das Definieren von strategischen Zielen. Wir haben es mit einem Transfer­chaos zu tun. Es fehlt ein sparsamer Umgang mit Steuermitteln. Es fehlt ein aufgaben­orientierter Finanzausgleich und vieles mehr. Es wird in der Debatte schlicht und ein­fach ignoriert, dass Finanzausgleich und Föderalismus untrennbar miteinander ver­knüpft sind, und was wir in Österreich erleben, ist, dass allein in Finanzausgleichsde­batten das Ziel der Verteilung der Mittel dominiert, Stichwort: Die Knete muss stimmen.

Es dominieren Besitzstandsdenken, es dominieren überholte Denkmuster, es dominie­ren Machtspiele von Landesfürsten auf Basis überholter Föderalismusmodelle aus den 1920er-Jahren, die einfach nicht mehr in die heutige Zeit passen, und diese Machtspie­le werden auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger ausgetragen. (Beifall bei den Grünen.)

Die Folge ist, dass wir komplexe, ineffiziente, das heißt teure Strukturen haben, dass wir es mit einer Verschwendung öffentlicher Mittel in föderalen Fragen zu tun haben, und damit muss Schluss gemacht werden. Das heißt, wir brauchen ein Föderalismus­modell neu, und ich glaube längst nicht mehr an Totalreformen im Bundesstaat. Als ge­lernter Österreicher weiß ich – und habe das viele Jahre lang verfolgt –, dass das nicht funktionieren wird. Davon, glaube ich, müssen wir uns verabschieden. Aber was Zu­kunft hat und Zukunft haben muss, das sind flexible, differenzierte, partnerschaftliche Lösungen, bei denen es ein Miteinander geben muss, nicht ein Gegeneinander, wie wir es in den letzten Jahrzehnten erlebt haben.

Es müssen Einzelprojekte definiert werden, in verschiedensten Funktionsbereichen, im Schulbereich, im Bildungsbereich, im Bereich Gesundheit, im Bereich des öffentlichen Verkehrs, im Bereich der Kinderbetreuung und in vielen anderen Bereichen, und natür­lich müssen dabei bestimmte Strukturen und Grundprinzipien berücksichtigt werden. Natürlich brauchen wir ein einheitliches Haushaltsrecht, um endlich miteinander ver­gleichen zu können.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 28

Wir müssen sparsam mit öffentlichen Mitteln umgehen, das heißt, das Prinzip der Effi­zienz muss eines der zielführenden und tragenden Elemente sein. Es müssen strategi­sche Ziele definiert werden, und es müssen auch die Bürger an diesem Prozess stär­ker beteiligt werden. Die Kernfrage, die sich stellt, ist: Wie kommen wir von diesem teu­ren, verschwenderischen Föderalismus – ich nenne ihn Vollzugsföderalismus – zu einem neuen Reformprozess?

Eines der zentralen Elemente, und da gebe ich Ihnen, Herr Minister Schelling, recht, muss sein, dass wir zu einer verbesserten Gesprächsbasis in diesem Land kommen, dass wir gemeinsame strategische Ziele definieren, dass wir nicht mehr aus dem hoh­len Bauch heraus argumentieren, sondern auf Basis von Daten und Datengrundlagen, dass wir voneinander lernen, dass wir von den Besten lernen, dass wir Bürger stärker beteiligen und dass wir Partnerschaft leben. Auch die Gemeinden müssen als gleich­wertiger Partner im Finanzausgleichsprozess Berücksichtigung finden, das war bisher nicht der Fall, und am Beginn müssen Leitprojekte stehen und definiert werden, die spätestens 2017 beginnen sollten. Was nicht sein darf, ist, dass dieser Finanzausgleich von 2008 noch einmal verlängert wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Pock.)

9.47


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Nach­baur. – Bitte.

 


9.47.22

Abgeordnete Dr. Kathrin Nachbaur (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Hohes Haus! (Abg. Kickl: Sehr geehrte Steuerzahler!) Sehr ge­ehrte Steuerzahler! Wir haben von Herrn Finanzminister Schelling schon einiges Er­freuliche gehört, aber dennoch bleibt viel zu sagen.

Die „NZZ“ schreibt, der österreichische „Wohlfahrtsstaat frisst die Zukunft seiner Kin­der“. Wir wissen, wir haben diese weltrekordverdächtige Steuer- und Abgabenlast von über 45 Prozent. Die Schweiz hat im Übrigen eine Abgabenlast von 35 Prozent, und dort macht die Armut bekannterweise keine Schlagzeilen. In Deutschland gibt es eine Steuer- und Abgabenquote von 40 Prozent, und dort gibt es sogar einen milliarden­schweren Überschuss.

Gäbe es in Österreich dieselbe Steuer- und Abgabenlast wie in Deutschland, blieben jedem Österreicher jedes Jahr rund 1 700 € mehr im Geldbörsel, aber der Staat Ös­terreich müsste mit 23 Milliarden € weniger auskommen, und das tut weh, wenn der Staat einmal selbst sparen muss, bei sich und nicht bei den Bürgern. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der NEOS.)

Die Deutschen hatten außerdem letztes Jahr einen saftigen Reallohnzuwachs. Auch wenn Bundeskanzler Faymann immer wieder betont, er sei stolz darauf, dass wir Deutschland sehr nahestehen und in manchen Bereichen sogar besser seien als die Deutschen – davon kann man in Österreich nur träumen, denn in Österreich sinken die Reallöhne kontinuierlich seit sechs Jahren.

Schuld daran ist natürlich der gefräßige Staat, wie mein Kollege Vetter immer zu sagen pflegt, vertreten durch die Sozialdemokratie und die gemäßigte Sozialdemokratie, weil wir die höchste Inflationsrate im Euroraum haben, nämlich durch vom Staat gemachte hohe Kosten, hohe Gebühren, hohe Tarife und hohe Steuern, sodass die Leute oft gar nicht genug zum Leben haben.

Außerdem ist der gefräßige Staat auch schuld, weil er den Leuten durch die kalte Pro­gression fast 3 Milliarden € jährlich an Geld wegnimmt. Das ist eine nicht demokratisch legitimierte jährliche Steuererhöhung. Diese gehört selbstverständlich sofort abgeschafft. (Beifall beim Team Stronach.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 29

Der Staat bedient sich gnadenlos bei den Steuer zahlenden Bürgern, um seine Rolle als machtbewusster Umverteiler auszuüben, machtbewusst deshalb, weil Umverteilung Macht bedeutet. Er bedient sich am Geld der Bürger, um alle möglichen ineffizienten Staatsstrukturen finanzieren zu können. Dazu gehört insbesondere auch die österrei­chische Ausprägung des Föderalismus. Wir haben in unserem Land nämlich die aller­teuerste Form der Staatsstruktur: einen Einnahmenzentralismus im Wasserkopf Wien und einen Ausgabenföderalismus bei den Ländern.

Die Verantwortung für das Geldeinnehmen und -ausgeben gehört aber selbstverständ­lich zusammen, denn die Bürger brauchen einen unmittelbaren Bezug: Wofür wird ihr hart erarbeitetes Steuergeld ausgegeben? – Wenn es für etwas Sinnvolles ausgege­ben wird, dann steigt natürlich auch die Steuermoral. Sehr geehrter Herr Finanzminis­ter Schelling, Sie haben es schon angesprochen, die Schweiz ist ein gutes Vorbild, die Verwaltungskosten sind dort um ein Drittel niedriger als in Österreich. Aber Sie be­zweifeln, dass die Österreicher reif für mehr Eigenverantwortung sind, und da wider­spreche ich Ihnen. Trauen wir den Österreichern mehr zu! (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Hable.)

Wichtig ist auch das Thema Transparenz. Es gibt unzählige Landeshaftungen und aus­gelagerte Schulden, und ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Plan der Konsolidie­rung. Dass sich beispielsweise diverse Bundesländer mit Steuergeldern an Währungs­spekulationen mit dem Franken-Kredit beteiligen, ist ein Riesenskandal. Mit Steuergel­dern dürfen selbstverständlich keine riskanten Spekulationsgeschäfte betrieben wer­den! Stellen Sie sich vor, die Stadt Wien hat mit einem Schlag seit ein paar Tagen 300 Millionen € mehr an Schulden. Und dem hätten die Wiener sicher nicht zuge­stimmt, hätte man sie gefragt.

Das Gleiche gilt für das Hypo-Alpe-Adria-Desaster und die damit verbundenen horren­den Landeshaftungen, die es nicht nur in Kärnten durch diesen Vier-Parteien-Be­schluss, sondern auch in vielen anderen Bundesländern gibt. Da komme ich wiederum zur Stadt Wien: 2001 betrugen die Haftungen der Stadt Wien für die damalige Zen­tralsparkasse 122 Milliarden €. Und trotz des Verkaufs der Bank Austria an die HVB 2006 haftet die Stadt Wien heute noch mit rund 6 Milliarden €. Auch dem hätten die Wiener sicher nicht zugestimmt. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der NEOS.)

Was wir brauchen, ist ein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften und Transparenz für alle Haftungen und Schulden. Es geht nicht, dass Bereiche ausgelagert werden und dann aus den Büchern verschwinden. Wir brauchen natürlich Steuerhoheit für gewisse Einnahmen bei den Ländern, Steuerwettbewerb ist immer gut. Da gibt es einen klaren Gewinner, nämlich den Bürger.

Und letztlich: Trauen wir den Bürgern mehr zu! Diese würden sicher nicht so viel Geld für diverse Unsinnigkeiten ausgeben wie Politiker, die wiedergewählt werden wollen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der NEOS.)

9.52


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Strolz. – Bitte.

 


9.53.06

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Bürgerinnen und Bürger auf der Gale­rie, zu Hause und an den Bildschirmen! Die Aktuelle Stunde befasst sich mit dem The­ma „Vom Spendierföderalismus zum Verantwortungsföderalismus“. Ja, Herr Kollege Prinz, wir NEOS kommen nicht mit einem neuen Thema, aber wir werden immer wie­der mit diesem Thema kommen, wir werden eine neue Verantwortungskultur in diesem Land reklamieren. Und die wird es brauchen. (Beifall bei den NEOS.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 30

Österreich braucht eine Mentalitätsreform, sonst wird es das nicht spielen, dass wir den Wohlstand, den wir heute haben, an unsere Kinder weitergeben können. Wenn wir nicht zu mehr Verantwortung kommen, zu mehr Rechenschaftspflicht, Herr Prinz, dann wird der Wohlstand Schritt für Schritt abnehmen. Dahin sind wir schon unterwegs. Die heute unter 30-Jährigen verdienen im Vergleich bereits jetzt mehr als 10 Prozent we­niger als jene Anfang der nuller Jahre. Sie haben mehr als 10 Prozent weniger für ihr Leben zur Verfügung. Das äußert sich dann darin, dass zwei junge Menschen mitunter doppelt verdienen, sich aber nicht einmal ein Eigenheim leisten können. Das ist die Richtung, in die wir unterwegs sind, während die Herren Pröll und Häupl munter dahin­spekulieren.

Damit wechsle ich vom Herrn Prinzen zu einem König, nämlich zu Ihnen, Herr Matz­netter. Sie sind der König der Ignoranz. Ich habe es Ihnen schon mehrfach erklärt, wie das bei NEOS funktioniert. Sie meinen, wir haben kein Programm. Sie beleidigen Tau­sende von Menschen. Wir sind mit zwei Menschen gestartet. Innerhalb von drei Jahren sind wir auf über 13 000 Menschen angewachsen. Wir haben österreichweit aktuell 120 Themengruppen, die an Inhalten arbeiten. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Die SPÖ hat ihr Programm zuletzt 1998 präsentiert. Sie könnten  (Abg. Kickl: Der Ble­cha arbeitet eh!) – Blecha arbeitet am neuen Programm, wunderbar. Da wünsche ich Herrn Blecha und Herrn Cap alles Gute, in diesem Privatissimum zu zweit! Bei uns arbeiten aktuell wieder über tausend Menschen. (Beifall bei den NEOS.)

Wir haben allein vor dem Nationalratswahltag über 250 000 ehrenamtliche Stunden in­vestiert. (Abg. Matznetter: Da ist wenig herausgekommen!) – Herr Matznetter, ich ha­be Ihnen ein Starterkit, so eine Beginnertüte, von NEOS zusammengestellt, damit Sie das einmal studieren können, damit Sie hier draußen nicht immer dieselben Unwahr­heiten verbreiten müssen. Das übergebe ich Ihnen anschließend.

Vom Prinzen zum König zum Minister (Zwischenruf des Abg. Matznetter): Herr Minis­ter Schelling, haben Sie gemerkt, dass Sie mehr Applaus von den Grünen, von den NEOS und vom Team Stronach bekommen als von der eigenen Partei? (Abg. Ober­nosterer: Ja ha ha ha! – Allgemeine Heiterkeit.) – Von der eigenen Partei werden Sie offensichtlich ausgelacht, das ist besonders bitter. (Zwischenrufe der Abgeordneten Pod­gorschek und Obernosterer.)

Wissen Sie, mir taugt das, Ihre Ankündigungen sind sehr gut. Auch Ihre Analysen sind sehr gut. Sie haben nur die falschen Regierungsparteien hinter sich. Von der SPÖ gab es zu keiner Sekunde Applaus, und die ÖVP war noch nicht ganz bei der Sache, oder jedenfalls glaubt sie selbst nicht daran, was Sie hier vorhaben. (Beifall bei den NEOS.)

Das Problem ist, Sie haben mit diesen zwei Regierungsparteien zwei Klötze an Ihren Beinen, mit denen Sie nicht weiterkommen werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist das Problem. Unsere Unterstützung werden Sie für diese Pläne, die Sie auftischen, haben, denn natürlich, Herr Matznetter, Steuerwettbewerb ist etwas Gutes.

Nur, Sie haben recht. Sie wollen alles über einen Kamm scheren, Herr Matznetter, das haben wir schon einmal probiert. (Abg. Matznetter: Hans Peter Haselsteiner ! Das ist eine Millionärspartei!) Alle sind gleich, nur ein paar sind ein bisschen gleicher. Das haben wir tausendfach auf diesem Planeten probiert. Das nennt man Kommunismus, was Sie wollen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Das ist aber nicht Marktwirtschaft. Marktwirtschaft braucht klare Regeln, da bin ich bei Ihnen – klare Re­geln! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Und das haben Sie verabsäumt. Das haben die Konservativen und die Sozialdemokra­ten verabsäumt, die Europa regieren. Sie haben das verabsäumt. Sie haben diese Kri­se Europas hervorgerufen, nicht wir. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe der Abge­ordneten Matznetter und Weninger.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 31

Wissen Sie, hätten die Liberalen und die Demokraten die Mehrheit in Europa, dann hätten wir klare Spielregeln. Für Spekulation in dieser Form wäre kein Platz mehr. Ei­ner der größten Spekulanten in Österreich ist Michael Häupl. (Beifall bei den NEOS.) Er hat die Straßenbahngarnituren „vercheckt“, er hat sie privatisiert und wieder zurück­geleast. Herr Häupl hat derzeit einen Schuldenstand von 2 Milliarden € in Schweizer Franken.

Einer der größten Spekulanten in Österreich ist Herr Pröll. Er hat am 9. Oktober letzten Jahres noch einmal 300 Millionen € in Franken beliehen. Zu einem Zeitpunkt, da wir es Privaten in Österreich schon verboten haben, spekuliert Herr Pröll munter weiter, und auch Herr Häupl. (Abg. Neubauer: Das glaub’ ich nicht! – Abg. Stefan: Das gibt’s ja nicht!) Das muss man geißeln! Das muss man ankreiden!

Natürlich braucht ein Verantwortungsföderalismus auch bei Steuern eine Wettbewerbs­situation. Herr Minister Schelling, wir haben das auf den Tisch gelegt, zum ersten Mal ein durchgerechnetes Steuerreformkonzept. Sie können es nachlesen. Zum ersten Mal haben wir Steuerverantwortung für Bundesländer und Gemeinden in den Einkommen­steuertarif integriert. Wir können damit die Lohnsummenabgaben abschaffen, Kommu­nalsteuer nach Schweizer Vorbild. Es soll niemand sagen, das geht nicht, es geht über der Grenze. (Zwischenruf des Abg. Weninger.)

Ich weiß, dass Sie es schon Ihrem Sektionschef zum Nachrechnen gegeben haben, aber ich gebe Ihnen das noch einmal mit, die Kurzfassung für Sie ganz persönlich. Es ist möglich, wenn wir wollen. (Beifall bei den NEOS.)

9.58


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Feich­tinger. – Bitte.

 


9.58.44

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Angesichts der Ausführungen von Herrn Dr. Strolz möchte ich Folgendes meinen Ausführungen voranstellen: Im Vorfeld der jetzigen Thematik habe ich mir er­laubt, auf der Homepage der NEOS unter den Suchbegriffen „Föderalismus“, „Spen­dierföderalismus“, „Verantwortungsföderalismus“ zu recherchieren, was vonseiten der NEOS mit den Begrifflichkeiten eigentlich gemeint ist. Wissen Sie, was das Ergebnis ist? – Dreimal nichts gefunden. (Abg. Meinl-Reisinger: Vielleicht sollten Sie im PDF suchen, aber wir geben Ihnen gern digitale Nachhilfe!)

Eine APA-Recherche lässt einen ebenfalls etwas ratlos zurück, und die bisherigen Aus­führungen von Herrn Strolz und von Herrn Loacker sind ebenfalls nicht sonderlich erhellend (Abg. Strolz: Sie kriegen auch ein Starterkit! Sie haben es nicht verstan­den!), was die Thematik der Weiterentwicklung oder Umgestaltung des Föderalismus in Österreich betrifft, außer dass die sogenannten Landesfürsten und Ortskaiser pau­schal angegriffen und verurteilt werden. (Abg. Strolz:  sogar durchgerechnet!)

Also greifen wir jetzt auf das zurück, was seitens der NEOS in letzter Zeit veröffentlicht und propagiert wurde, nämlich ihr eigenes Steuerkonzept. (Abg. Strolz: Ja!) Das lässt einen in gewissen Bereichen schon fündig werden! (Abg. Strolz: Sie haben das nicht verstanden!)

Unter dem Titel „Faktor Arbeit entlasten“ findet sich neben der Abschaffung des Wohn­bauförderungsbeitrages mit einem Volumen 940 Millionen €, der in Zukunft, wenn es nach der NEOS geht, nicht mehr in Form einer Lohnsummenabgabe finanziert werden soll, sondern aus allgemeinen Steuermitteln, auch die Abschaffung der Kommunalsteu­er in Höhe von 2,7 Milliarden €. Die Kommunalsteuer entrichten ArbeitgeberInnen auf-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 32

grund der Bruttolohnsumme, wie Ihnen bekannt ist. Wenn es nach den NEOS geht, dann werden sich die Gemeinden nach dem Ausfall der Kommunalsteuer durch Zu­schläge auf die Einkommensteuer von den ArbeitnehmerInnen die entsprechenden Mit­tel holen. Also zahlen im Endeffekt die ArbeitnehmerInnen die Entlastung der Wirt­schaft! (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Daneben ist im Bereich der Einkommensteuer die Einführung eines Steuerwettbewer­bes zwischen Ländern und Gemeinden geplant. (Zwischenruf des Abg. Strolz.) Dies soll dadurch erfolgen, dass vom Bund ein Einkommensteuertarif festgelegt wird und sowohl die Länder als auch die Gemeinden Zuschläge erheben dürfen. – Korrigieren Sie mich, wenn ich Sie falsch zitiere! – Diese Zuschläge dürfen für Gemeinden maxi­mal 5 Prozent und für Länder maximal 6 Prozent betragen. (Abg. Strolz: Umgekehrt!) Das liegt also insgesamt maximal 11 Prozent über dem Bundestarif. Durch die Ge­meindezuschläge soll die Abschaffung der Kommunalsteuer kompensiert werden, und die Länderzuschläge sollen dazu dienen, den Ländern mehr Steuerautonomie zu ge­ben, damit man ihnen folglich weniger über den Finanzausgleich zukommen lassen muss. – So weit die steuerliche Sicht der NEOS auf das Thema Föderalismus.

Dabei stechen einem bei diesem Steuerkonzept schon mehrere Punkte unmittelbar ins Auge: Erstens kann man angesichts der Summe der vorgeschlagenen Maßnahmen nicht davon sprechen, dass der Faktor Arbeit nennenswert entlastet werden würde. (Abg. Strolz: Um 2,8 Milliarden! Es geht um 150 000 Arbeitsplätze!) Der Großteil davon, näm­lich die Kommunalsteuer, ist lediglich eine Umschichtung von den Arbeitgebern zu den Arbeitnehmern. Im Lichte der derzeit bereits bestehenden steuerlichen Belastung der ArbeitnehmerInnen in diesem Land und der dazu laufenden Diskussion ist das eine Position, die von uns sicherlich nicht geteilt wird! (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Zweitens ist Steuerwettbewerb bei direkten Steuern wie Einkommensteuer und Lohn­steuer nicht ganz unproblematisch. Wir haben heute schon vom ruinösen Wettlauf zwi­schen den Gebietskörperschaften gehört. Die Gefahr, dass es sich diesfalls reichere Gemeinden leisten können, niedrigere Steuern zu verlangen, womit sich die Unter­schiede zwischen den Gemeinden noch weiter vergrößern können, ist wohl in diesem Zusammenhang nicht ganz von der Hand zu weisen. Neben den unmittelbaren Folgen für das Gesamtsteueraufkommen der Kommunen wäre wohl ein gewisser Kannibali­sierungseffekt zwischen den Gemeinden mit weiteren negativen Auswirkungen auf die ohnehin strapazierten Finanzen der Kommunen nicht das vom Gesetzgeber zu wün­schende Ergebnis.

Daher abschließend aus der Sicht der Kommunen ein paar Anmerkungen zum Thema Föderalismus: Im Rahmen des neu zu verhandelnden Finanzausgleichs geht es nicht um die Spendierfreudigkeit des Bundes oder der Länder, sondern um gerechte Lasten­verteilung im Hinblick auf Aufgabenausstattung und Aufgabenerfüllung. Und im Hin­blick auf die ihnen anvertrauten Gelder – das hat Herr Mag. Loacker heute schon sozu­sagen sehr angespannt dargestellt – können Sie sicher sein, dass die Kommunen die zur Verfügung stehenden Mittel so unmittelbar wie sonst niemand im öffentlichen Be­reich dafür verwenden, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern das Lebens- und Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass Letztere sehr gerne Bewohner ihrer Heimatge­meinden bleiben und dort auch weiterhin wohnen möchten.

Das ist tagtäglich gelebte Verantwortung der MandatarInnen in den Gemeinden und damit eine Form von Verantwortungsföderalismus, wie wir ihn verstehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.03


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ham­mer. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 33

10.04.04

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Fi­nanzminister! Die heutige Aktuelle Stunde der NEOS zeigt wieder einmal – das hat auch mein Vorredner Nikolaus Prinz schon zum Ausdruck gebracht – den zentralisti­schen Grundkern und damit den bürgerferneren Zugang der NEOS, der sich in diesen Debatten stets manifestiert.

Das Thema an sich betreffend Staatsaufbau, Kompetenzverteilung zwischen den ein­zelnen Gebietskörperschaften und vor allem auch den Abbau von Bürokratie sowie Re­gulierung und Vereinfachung von Verfahren ist natürlich sehr wichtig. Gerade die ÖVP ist die Partei, die auf allen Ebenen von den Gemeinden über die Länder bis zum Bund stark verankert ist und in diesem Zusammenhang glaubwürdig arbeitet. Sie sind hinge­gen sehr stark im Bund verankert, in anderen Gremien scheitert es ein bisschen, was auch aktuelle Umfragewerte bei den Landtagswahlen zeigen!

Ich darf aber gleich vorweg sagen, dass natürlich ein gewisser Handlungsbedarf und ein permanenter Optimierungsbedarf bestehen und die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern immer wieder hinterfragt und auch abgeändert werden muss. Dies­falls sind aber auch entsprechende Initiativen und Umsetzungen geplant.

Es ist aber absolut nicht zulässig – das tun jedoch die NEOS, seit es sie gibt –, zu be­haupten, dass das bisherige System nur um seiner eigenen Daseinsberechtigung wil­len irgendwie gerechtfertigt ist, und es als total ineffizient und vor allem die Länder so­zusagen als Verschwender und Spendierer darzustellen, denn gerade die Arbeit der Landesregierungen der Länder wird von den Bürgerinnen und Bürgern sehr geschätzt. Solche Behauptungen sind daher absolut nicht zulässig. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Strolz.)

Für uns als ÖVP – das habe ich schon gesagt – sind permanente Verbesserungen und Optimierungen ein wichtiges Ziel, und es besteht auch mit den Ländern totale Überein­kunft, dass man an der Kompetenzverteilung und an der Deregulierung arbeiten wird. Der Herr Finanzminister ist ein glaubwürdiger Kämpfer dafür, dass diesbezüglich in den nächsten Monaten auch Initiativen gesetzt werden.

Ich darf aber doch mit der Behauptung aufräumen, dass die Länder gewisse Politikbe­reiche verantwortungslos betreiben und nur Geld hinausschmeißen, denn gerade die Länder haben ganz wichtige gesetzliche Pflichtausgaben zu bestreiten, ich denke jetzt zum Beispiel an den gesamten Krankenanstaltenbereich, an den Bereich Pflege und Be­treuung wie etwa Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigungen, die gesamte Kin­der- und Jugendhilfe, aber auch an die Bereiche Wohnbau sowie Natur- und Umwelt­schutz, vor allem aber auch an den wesentlichen Bereich der Bildung, diesfalls der Pflichtschulen. In all diesen Bereichen wird von den Ländern viel vollbracht, und ich glaube, dass die Länder in diesen Bereichen sehr verantwortungsvoll handeln. – Im Zusammenhang mit der Bildung ist natürlich der Vorschlag, Schulen im sekundären Bereich unter 300 Schülern zu schließen, absolut abzulehnen, denn dann gäbe es in Oberösterreich Bezirke, in denen es nur mehr eine Schule gäbe! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte jetzt noch zu einem Bereich kommen, den Sie auch immer wieder für poli­tische Diskussionen missbrauchen, nämlich zum Förderbereich: Sie tun oftmals so, als wären Förderungen von Grund auf etwas Schlechtes. Die Grundidee, dass mit Förde­rungen gewisse Anreize gegeben werden, damit die Menschen gewisse Aktivitäten setzen, ist jedoch grundsätzlich positiv. Sie ziehen für Ihre Argumentation allerdings ir­gendwelche Darstellungen des Rechnungshofs heran, der dem Grundfehler aufsitzt, alle Ausgaben, die nicht gesetzliche Pflichtausgaben, sondern Ermessensausgaben sind, als Förderungen zu titulieren. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit, weil nicht alle Er­messungsausgaben klassische Förderungen sind!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 34

Ich möchte das an einem Beispiel aus meinem eigenen Bereich, dem Sozialbereich des Landes Oberösterreich, dingfest machen: Dort gibt es Förderungen, so wie Sie sie bezeichnen. Damit wird aber zum Beispiel auch die Beitragsstützung von Pflegestun­den in der mobilen Betreuung gefördert, und es gibt eine Investitionsförderung für den Bau von Alten- und Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen. Außerdem werden Beschäftigungsprojekte gefördert, und es werden viele andere Maßnahmen in der so­zialen Rehabilitation gesetzt. – All das als „Förderungen“ abzutun, ist nicht richtig, denn es sind in Wirklichkeit wichtige Pflichtaufgaben, die mit diesen Ermessensausgaben ge­fördert werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist, wie gesagt, unverantwortlich, das als „Spendierföderalismus“ abzutun. Gerade in diesem Bereich wird sorgsam mit Steuergeldern umgegangen und werden gerade auch wichtige Initiativen gesetzt.

Zum Beispiel setzen wir auf die sogenannte Sunset-Klausel. Der Herr Minister hat das auch schon vorgestellt: Förderungen werden überprüft, ob sie wirklich noch notwendig sind, und dann lässt man sie eventuell auslaufen.

Weiters wird eine gesamtstaatliche Förderstrategie erarbeitet, und ich nenne in diesem Zusammenhang auch das Projekt der Transparenzdatenbank, das von der ÖVP initiiert wurde und sich ebenfalls in Umsetzung befindet. (Abg. Strolz: Das ist eine Totgeburt!) Dieses Projekt befindet sich in Umsetzung, das weiß ich, weil ich selbst auch an die­sem mitwirke.

Die ÖVP steht für einen modernen Föderalismus, der sich ständig weiterentwickelt und verbessert wird. Hier wird verantwortungsvoll gearbeitet und werden entsprechende Maßnahmen im Sinn von Kompetenzbereinigung, Verwaltungsvereinfachung und De­regulierung gesetzt. Diesen Weg sollte man weitergehen, und Ihre Hysterie und ge­nerelle Verurteilung des Systems sind nicht angebracht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.08


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fuchs. – Bitte.

 


10.08.45

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Sucht man nach einem roten Faden in den 599 Empfehlungen des Rechnungshofes zu einer Verwaltungsreform, so findet man immer wieder die Forderung nach einer Zusammen­führung der Aufgaben-, der Ausgaben- und der Finanzierungsverantwortung.

Zum einen könnte durch die Zusammenführung der Einnahmen-, der Ausgaben- und der Aufgabenverantwortung auf die Präferenzen der Bürger einer Gebietskörperschaft näher eingegangen werden, zum anderen könnten dadurch auch eine größere Verant­wortlichkeit der Politiker und ein effizienterer Einsatz der öffentlichen Finanzmittel er­reicht werden.

Aus allokativer Sicht spielt das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz eine zentrale Rolle für die Beantwortung der Frage nach dem geeigneten Ausmaß der Abgabenautono­mie. Nach diesem Grundsatz sollen hinsichtlich der Bereitstellung öffentlicher Leistun­gen der Kreis der Wähler, der Nutzer und auch der Kostenträger übereinstimmen. Lo­kale öffentliche Leistungen sind daher ausschließlich aus lokalen Einnahmen zu finan­zieren. So wird verhindert, dass Ausgaben – so wie derzeit – auf Kosten Dritter getätigt werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Bei einer höheren Abgabenautonomie der Länder beziehungsweise der Gemeinden müs­sen meines Erachtens insbesondere folgende Punkte sichergestellt sein:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 35

In einem Hochsteuerland wie Österreich darf es dadurch nicht zu einer Erhöhung der Abgabenquote kommen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Die höhere Abgabenautonomie darf weder beim Staat noch beim Unternehmer zu ei­nem höheren administrativen Aufwand führen. In diesem Sinne muss die Abgabenver­waltung im Zuständigkeitsbereich des Finanzministeriums bleiben beziehungsweise vom Ministerium übernommen werden.

Das Steuerrecht darf durch die höhere Abgabenautonomie nicht komplizierter werden. Daher sollen im Bereich des Ertragsteuerrechts ausschließlich gedeckelte Hebesätze zur Anwendung gelangen. Auch darf es nicht zu einer Zersplitterung des Steuerrechts kommen.

Leistungen der Regionen sind primär über Abgaben der Regionen zu finanzieren und nicht über eine Neuverschuldung der Regionen. Daher braucht es hier eine entspre­chende Verschuldungsbremse. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Fünfter Punkt: Sollte es aufgrund der höheren Abgabenautonomie zu Verteilungspro­blemen zwischen den Regionen kommen, so muss es hier einen solidarischen Aus­gleich zwischen den Regionen geben.

Letzter Punkt: Einführung eines modernen und einheitlichen Haushaltsrechts der Ge­bietskörperschaften mit einer verstärkten Ziel- und Wirkungsorientierung – Stichwort „ein­heitliches Rechnungswesen“.

Als flankierende Maßnahme zur höheren Abgabenautonomie sollte es auch ein ver­bindliches Mitbestimmungsrecht der Bürger geben. Überschreitet ein öffentliches In­vestitionsprojekt, wie zum Beispiel ein neues Krankenhaus, ein bestimmtes Kostenvo­lumen, so wird automatisch eine Volksabstimmung einberufen. Direkte Demokratie hält nämlich den Staat schlank, wie eine Schweizer Studie beweist. In dieser Studie wurde die Entwicklung der Staatsfinanzen aller 25 Schweizer Kantone in den vergangenen 110 Jahren untersucht, und dabei wurde festgestellt: Je mehr die Einwohner in einem Kanton selbst bei den Staatsausgaben mitreden können, desto besser ist es dort um die öffentlichen Finanzen bestellt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten von NEOS und Team Stronach.)

Die Studie zeigt, dass das direkte Mitspracherecht der Wähler die Verschwendungs­sucht der öffentlichen Hand erheblich bremst. Und noch etwas hat sich nach dieser Studie gezeigt: Je einfacher es ist, einen Volksentscheid herbeizuführen, zum Beispiel gegen ein besonders teures Projekt, umso langsamer wachsen die öffentlichen Ausga­ben. Ein besserer Weg zu solideren Staatsfinanzen besteht eben darin, den Bürgern selbst mehr Entscheidungsgewalt über die Staatsausgaben zu geben.

Diese Studie bestätigt die freiheitliche Forderung nach einer Ausweitung der direkten Demokratie. Eine Ausweitung der direkten Demokratie ist nicht nur aus demokratie­politischen Gründen zu begrüßen, sondern zeigt auch positive Auswirkungen auf den Staatshaushalt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten von NEOS und Team Stro­nach.)

10.13


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Daniela Musiol.

 


10.13.36

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Viele VorrednerInnen haben schon angesprochen, dass die Debatte rund um den Föderalismus natürlich zum einen eine Frage des Finanzaus­gleiches, aber zum anderen eine Frage der Kompetenzverteilung oder der Aufgaben­verteilung ist. Übersetzt heißt das: Wer ist wofür zuständig? – Es ist durchaus zulässig,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 36

zu fragen: Was macht Sinn, wenn es im Kleinen, sprich in der Kommune beziehungs­weise in der Gemeinde, geregelt wird, und was soll sinnvollerweise im Land, öster­reichweit oder europaweit geregelt werden?

Wenn man sich jetzt aber die Aufgabenverteilung in Österreich anschaut, dann ist das Prinzip, ob etwas Sinn macht, nicht der rote Faden, der sich durch die Aufgabenvertei­lung beziehungsweise Kompetenzverteilung zieht, sondern hier geht es hauptsächlich darum, Macht zu erhalten und bestimmte Dinge nicht aus der Hand zu geben, damit man sich auf der anderen Seite dann auch an den anderen abputzen und sagen kann: Ich würde das eh tun, aber die anderen wollen nicht!

Die spannende Frage dabei ist: Warum ist das so? – Man könnte natürlich sagen, dass das halt in der Natur des Menschen liegt. Ich behaupte: Nein! Es liegt nicht in der Natur des Menschen, sondern in der Natur unseres politischen Systems. Ein Grund dafür ist vor allem die Art und Weise, wie wir in Österreich zu unseren gesetzgebenden Körper­schaften kommen, wie zum Beispiel die Menschen hier ins Parlament einziehen kön­nen. Wir haben eine Bundesliste, auf der die Menschen erfasst sind, die kandidieren, wir haben aber auch Landeslisten, und diese Landeslisten werden in allen Parteien auf Landesebene erstellt, was dazu führt, dass im Nationalrat, aber dann auch in der Bun­desregierung Personen sitzen, die nicht über die Bundesliste in diese Körperschaft oder in die Regierung gekommen sind, sondern über ihre Landeslisten und somit auch über die Abhängigkeit von den sogenannten Landesfürsten. – Das spüren wir ganz stark bei jeder einzelnen Diskussion, wenn es um Kompetenzverteilung geht.

Lassen Sie mich ein paar Beispiele aus meinem Kernbereich, der Sozialpolitik – Ele­mentarpädagogik, Kindergartenwesen, Hortwesen – bringen. Ich habe schon mehrfach Anträge gestellt, um darauf hinzuweisen, dass es wichtig wäre, dass wir nicht neun verschiedene Landesgesetze haben, die dann auch noch in allen Gemeinden unter­schiedlich gehandhabt werden, sondern dass alle Kinder in Österreich das Recht ha­ben, die gleichen Bedingungen vorzufinden. – Die Kollegin von der SPÖ nickt. Mitglie­der der SPÖ, der ÖVP beziehungsweise aller Parteien nicken, wenn wir das im Aus­schuss besprechen. Aber dieser Antrag ist noch nie zur Abstimmung gekommen, weil wir dann genau an dieser Machtgrenze, die ich vorher beschrieben habe, stecken blei­ben. Dann traut sich kein einzelner Familienminister und keine einzelne Staatssekre­tärin, wie ich sie hier in meiner politischen Karriere erlebt habe, das wirklich bis zum Letzten mit ihren Bundesländern auszustreiten. Und dann kommen eben 15a‑Verein­barungen heraus, gemäß welchen bestimmte wichtige Teile wie zum Beispiel die Fi­nanzierung zwar geklärt sind, die Qualität aber nur eine Zielvorgabe und keine ver­pflichtende Vorgabe ist, weil sich halt gewisse Länder dagegen gestellt haben. Und das ist im Sinne der Kinder sicherlich nicht sinnvoll! (Beifall bei den Grünen.)

Das Gleiche gilt für den Jugendschutz: Welchen Sinn soll es machen, dass ein Ju­gendlicher, der beispielsweise an der Grenze Steiermark/Burgenland, also etwa in Fürs­tenfeld, lebt, in einem Lokal im Burgenland Alkohol bekommt, jedoch in einem Lokal in der Steiermark keinen Alkohol bekommt beziehungsweise, wenn er dort wohnt, so­undso lang ausgehen darf, wenn er aber nur 500 Meter weiter über der Grenze wohnt, eine andere Ausgehzeit hat? – Das ist doch für niemanden nachvollziehbar, das ist nicht erklärlich und macht keinen Sinn!

Das Gleiche betrifft die Kinder- und Jugendhilfe, also die Frage: Was tun wir mit Kin­dern, die nicht bei ihren Familien leben können, sondern die untergebracht sind? – In diesem Punkt kommen wir seit Jahren nicht zu qualitativen Gesetzen, weil sich die Länder querlegen. Sie tun das aber nicht nur aus bösem Willen, sondern dabei geht es einfach auch um die Frage: Hat man hier gemeinsame Ziele und entsprechende Kom­petenzen?


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Das heißt: Die Machtfrage ist in diesem Punkt entscheidend. Viele Vorredner und auch Sie, Herr Finanzminister, haben es schon angesprochen: Wichtig in diesem Zusam­menhang ist auch die Frage, welche Bewegung BürgerInnen hereinbringen könnten, wenn sie beteiligt sind, Stichwort direkte Demokratie.

Bei einer Analyse gebe ich Ihnen nicht recht, Herr Minister! Sie haben angesprochen, dass wir hier in Österreich eine andere Kultur brauchen, damit direkte Demokratie möglich ist. – Das mag sein! Aber die entscheidende Frage ist doch: Was muss es zu­erst geben? – Die Möglichkeit der direkten Demokratie, damit wir zu dieser Kultur kommen, oder die Kultur, damit wir dann die direkte Demokratie einführen können? – Ich behaupte einmal, dass Ersteres vonnöten ist: Wir brauchen entsprechende Rah­menbedingungen, damit wir alle gemeinsam, die Institutionen und die BürgerInnen, mit­einander üben können, gemeinsame Entscheidungen zu treffen.

Wenn Sie das Beispiel Schweiz bringen, dann sage ich: Man weiß, dass die Schwei­zerinnen und Schweizer in großem Maß im Sinne ihrer Haushalte abstimmen. Die ent­scheidende Frage dabei ist: Warum? – Ich behaupte – und das behaupten auch viele Studien –, weil sie es gewohnt sind, im Wege der direkten Demokratie Verantwortung zu übernehmen. Und das wünsche ich mir auch für die ÖsterreicherInnen! (Beifall bei den Grünen.)

10.19


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Robert Lugar.

 


10.19.26

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, wir sollten zum Kern des Problems zurückkehren. Es wurde heute schon viel darüber diskutiert, was besser gemacht werden soll, es wurde darüber diskutiert, wer welche Aufgaben wahrnehmen soll. Der Herr Finanzminister hat sogar gesagt: Wir müs­sen einmal schauen, wer überhaupt welche Aufgabe wahrnimmt, und dann schauen, ob das auch gut gemacht wird.

Herr Finanzminister! Wir wissen das seit Jahrzehnten, wer was macht, und wir wissen auch, dass es nicht funktioniert. Und wer sich die Rechnungshofberichte anschaut, der sieht, dass die drei wichtigsten Bereiche, nämlich Verwaltung, Gesundheit und Bildung, wo die Länder fest mitmischen, genau die Hauptprobleme in unserem Land darstellen. Wenn wir jetzt darüber sprechen wollen, was besser gemacht werden soll, dann braucht man gar nicht darüber zu reden, wer welche Aufgaben machen soll. Man muss einmal darüber reden – Frau Musiol hat es ja schon angerissen –, wer denn tatsächlich die Regierungsabgeordneten wählt.

Und da muss ich mich leider an die Fernsehzuschauer wenden und die Frage stellen: Glauben Sie allen Ernstes, dass Sie die Abgeordneten der Regierung gewählt haben? Wissen Sie, wer die Abgeordneten wählt? – Das sind die Landeshäuptlinge, denn die machen die Listen. Und Sie als Wähler entscheiden ja nicht darüber, wer auf diese Liste kommt, sondern Sie haben die Möglichkeit, die zu wählen, die auf dieser Liste stehen. Und genau das ist das Problem. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Wenn wir endlich eine Reform machen wollen, dann müssen wir die Länder beschnei­den. Und jetzt erklären Sie mir einmal, wie das funktionieren soll, wenn auf der einen Seite die Landeshäuptlinge alle Abgeordneten, bis auf zwei, drei, vier, fünf, je nach­dem, wie viele auf der Bundesliste gestanden sind, wählen und die Abgeordneten de­nen verpflichtet sind, die sie gewählt haben – nicht dem Bürger, sondern ihrem Lan­deshauptmann, ihrem Parteiobmann im Land! –, und diese Abgeordneten hier eine Re­form machen müssen, weil es notwendig ist! Der Rechnungshof sagt das ja, der Rechnungshof sagt, wir brauchen diese Reform. Wenn genau diese Abgeordneten, die


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von ihren Landeshäuptlingen gewählt wurden, hier eine Reform zustande bringen sollen, na, glauben Sie, dass das funktioniert, noch dazu, wenn diese Reform auf Kos­ten der Länder geht? Das sagt ja der Rechnungshof auch, na, selbstverständlich: Die Länder schmeißen ja das Geld mit vollen Händen raus! (Beifall beim Team Stronach. – Zwischenruf des Abg. Rädler.) Den Ländern ist es ja egal, wie es dem Bund geht. Die Länder halten sich den Bund. Unsere Bundesländer halten sich den Bund!

Das heißt, wir alle, wie wir hier sitzen, vor allem die von der Regierung, sind ja letztlich Hampelmänner der Landeshäuptlinge. (Abg. Rädler: Und Sie vom Frank Stronach!) Aber nicht nur die Abgeordneten der Regierung machen das, was ihre Landeshäuptlin­ge wollen, nein, auch die Minister machen das. Machen Sie einen Blick zurück in die Geschichte! Schauen Sie sich einen Herrn Pröll an! Schauen Sie sich einen Herrn Spindelegger an! Schauen Sie sich eine Maria Fekter an! – Alle abhängig in ihrem Res­sort!

Und jetzt haben wir – und da komme ich auch zu etwas Positivem – aus meiner Sicht eine einmalige Gelegenheit. Wir haben jetzt die Gelegenheit, etwas zu verändern. Wa­rum? – Nicht weil die Abgeordneten vom Bürger gewählt wurden. Nein, das haben wir gerade besprochen. Nein, weil wir einen Finanzminister haben, der nicht abhängig ist. Das gab es meines Wissens überhaupt noch nie in dieser Republik: ein Finanzminister, der nicht abhängig ist. (Abg. Rädler: So ein Blödsinn!) Das muss ein Unfall gewesen sein bei der ÖVP. Ich glaube sogar, dass es ein Unfall war. Der Herr Pröll war ja da­mals gerade im Ausland, als er da über den Tisch gezogen wurde. Er war auch nicht allzu zufrieden, kann ich mich erinnern, hat er doch gleich die Innenministerin Mikl-Leit­ner ausgeschickt, um den Finanzminister zu kritisieren. Sie hat gesagt, sie hätte sich einen Experten gewünscht. Als wäre der Finanzminister, den wir jetzt haben, kein Ex­perte. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rädler und Prinz.)

Aber wie dem auch sei. Wir haben jetzt eine einmalige Chance, nämlich mit einem Fi­nanzminister, der nicht abhängig ist von der ÖVP, endlich Druck auf die Länder auszu­üben. Und wie geht das, Herr Finanzminister? Sie wissen das ja auch. – Über das Geld! Über das Geld! Der einzige Weg. (Abg. Rädler: Hoffentlich schaut Stronach nicht zu, sonst geht es dir wie der Nachbaur!)

Sie brauchen nicht mit irgendwelchen Vorschlägen zu kommen, wie wir es besser ma­chen können. Das interessiert keinen Menschen, vor allem nicht die Landeshäuptlinge. Das Einzige, was die Landeshäuptlinge verstehen, ist, wenn man ihnen den Geldhahn zudreht, und zwar massiv! Und genau das geht. Das geht über den Finanzausgleich. Und wenn Sie jetzt diesen bis 2016 verlängern, hoffe ich, dass Sie das nur deshalb machen, weil Sie Energie sammeln wollen, eigene Courage aufbauen wollen, um dann 2016 den Ländern den Geldhahn zuzudrehen, und dass Sie über dieses Zudrehen endlich Reformen erzwingen. Erzwingen, um das geht es! (Beifall beim Team Stro­nach.)

Wir können nicht mit guten Vorschlägen zum Herrn Pröll gehen oder zum Herrn Häupl und wie sie alle heißen. Das ist eine Hydra! Da können Sie einen Kopf abschlagen, wächst der nächste nach! Das funktioniert nicht. Das heißt, Sie müssen mit Druck ar­beiten. Es geht nur mit Druck. Und ich wünsche Ihnen dabei alles Gute, ich wünsche Ihnen viel Glück – Sie sind die letzte Chance, die wir haben. – Vielen Dank. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Rädler: Nachbaur, Lugar, !)

10.24


Präsident Karlheinz Kopf: Nun ist Frau Abgeordnete Mag. Meinl-Reisinger am Wort. – Bitte.

 


10.24.49

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Vielen Dank für das Stichwort von der Frau Kollegin Musiol


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beziehungsweise vom Herrn Kollegen Lugar hinsichtlich der Listenerstellungen und wie die innerparteiliche Demokratie so ausgestaltet ist. Mich hat nur gewundert, dass aus­gerechnet dieser Hinweis vom Team Stronach gekommen ist. Das muss ich schon sa­gen. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.) Aber es gibt mir natürlich Gelegen­heit, dafür Werbung zu machen, dass bei uns in Wien jetzt bald, im Februar, die On­line-Vorwahlen starten. Wir sind die einzige Partei in ganz Österreich, bei der alle Wienerinnen und Wiener die Liste in Wien mitbestimmen können und österreichweit alle Österreicherinnen und Österreicher. So viel zur Abhängigkeit von Landesspre­chern bei uns. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Kollege Hammer! Wenn ein Abgeordneter rauskommt und die Rede beginnt mit: „Die NEOS haben heute wieder einmal gezeigt, dass sie !“, was auch immer, dann folgt meistens ein x-beliebiges Argument. Wenn Sie sagen, dass Sie für Zentralismus stehen, und das Ganze anlässlich einer Diskussion, wo wir eine Steuerhoheit, Steuer­autonomie für die Bundesländer wollen, dann ist das schon ein sehr gewagtes Argu­ment. Da würde ich Sie schon bitten, sich vorher mit dem Thema zu beschäftigen, be­vor Sie herauskommen und so einen Unfug verzapfen. (Beifall bei den NEOS.)

An den Herrn Kollegen Feichtinger von der SPÖ: Ich danke Ihnen sehr herzlich, dass Sie unser Steuermodell hier referiert haben. Eine bessere Werbeeinschaltung hätte ich mir ja gar nicht wünschen können. – Danke vielmals dafür! (Zwischenruf des Abg. Feichtinger.)

Auf einen wesentlichen Punkt möchte ich aber schon noch einmal hinweisen, weil das auch in der Diskussion war: Ein Volumen von 19 Milliarden € wird in Österreich an För­derungen ausgegeben. Das ist doppelt so viel, glaube ich, wie im EU-Durchschnitt. Das ist eine ungehörige Menge. (Abg. Rossmann: Schauen Sie einmal den neuen Förderbericht an!) Ich weiß, man kann jede einzelne Förderung immer argumentieren, und es gibt da sehr viel, was ganz wesentlich ist. Aber Sie wissen auch, dass ganz vie­le dieser Förderungen nur einem einzigen Zweck dienen, nämlich Wahlzuckerl zu ver­teilen, Klientelpolitik zu machen und letztlich das zu machen, was wir als strukturelle Kor­ruption bezeichnen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Es gibt gerade ein Interview mit dem Schauspieler Cornelius Obonya, der sagt: Man müsste die Wahlzuckerl zurückweisen. Man müsste auf die Straße gehen und sagen: Nein, danke! Wir wollen das nicht! Weil ihr nehmt uns mit euren aufgeblähten Bürokra­tieapparaten dauernd das Geld aus der Tasche, damit ihr es dann gnädigst an uns verteilt. Da müssten die Menschen auf die Straße gehen und sagen: Nein, das wollen wir nicht! Das wäre auch ein Weg in Richtung einer Verantwortungskultur.

Ich möchte jetzt zum Thema Steuerautonomie der Länder kommen. Es gab da ja ei­nige positive wie auch negative Rückmeldungen von Landeshauptleuten. Der Bürger­meister Häupl ist eher skeptisch. Er hat vorgeschlagen, die Vermögensteuer als bun­desweit eingehobene Ländersteuer einzuheben. Das ist vielleicht überlegenswert, aber nicht das, was wir uns unter Steuerautonomie der Länder vorstellen. Dabei, muss ich sagen, ist ja die Bundeshauptstadt sehr beispielhaft für diese Verantwortungslosigkeit, die wir anprangern. Das bezieht sich einerseits auf die Intransparenz. Die Franken­kredite – ich komme noch darauf zu sprechen; es ist auch schon angesprochen wor­den – sind ein sehr mahnendes Beispiel dafür, wie intransparent hier Wien agiert, weil es eben keine ordentliche Bilanz legt, weil das in der Kameralistik versteckt ist. Und der zweite Punkt ist die Entwicklung des Schuldenstands.

Wenn man sich anschaut, wie der offizielle Schuldenstand der Stadt Wien in den letz­ten Jahren gestiegen ist, so stellt man eine Steigerung in der Zeit der Finanzstadträtin Brauner um 300 Prozent fest. Wir sind bei einem offiziellen Schuldenstand von 5 Mil­liarden € angelangt. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit, denn Wien hat insge­samt 133 ausgegliederte Gesellschaften; davon sind übrigens laut den neuen Maas­tricht-Kriterien 39 gar keine echten Unternehmungen, da sie fast ausschließlich die


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Stadt als Auftragnehmer haben und ihre Kosten nicht einmal zur Hälfte aus Produk­tionserlösen decken. Wenn man dann die anderen ausgegliederten Unternehmungen wie Wiener Wohnen, Stadtwerke und so weiter hineinnimmt, dann kommen wir auf ei­nen Schuldenstand von über 10 Milliarden €. Dazu kommen dann auch noch die Haf­tungen, die Frau Klubobfrau Nachbaur bereits angesprochen hat.

Zu den Frankenkrediten: 2 Milliarden € ist mittlerweile das Volumen, das die Stadt Wien an Frankenkrediten hat. Das sind 40 Prozent der offiziellen Schulden! Heute ist dazu ein Kommentar im „Falter“ zu lesen. Was tun wir jetzt? Jetzt aussteigen? – Schwierig. Verstehe ich auch. Es ist allerdings auch sehr unwahrscheinlich, dass in Bälde der Franken wieder so abwertet, dass er in einem Verhältnis zu 1,5 steht, was ungefähr ei­nen Ausgleich dieser Verluste bedeuten würde.

Aber unsere große Kritik daran ist ja, dass man einfach in dem Casino geblieben ist nach 2007, nach 2008, zu einem Zeitpunkt, zu dem es Warnungen der Nationalbank gegeben hat, zu dem man Privaten gesagt hat: Keine Frankenkredite mehr aufneh­men! (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.) Aber nein, man ist in diesem Casi-
no geblieben! Das ist verantwortungslos, und das ist das, was wir geißeln. (Beifall des Abg. Stefan.)

Und ein letzter Appell, ich komme zum Schluss: Herr Finanzminister! Sie könnten die Doppik in allen Bundesländern umsetzen, indem Sie § 16 Finanzverfassungsgesetz im­plementieren, der die Berichtspflicht der Länder an den Bund regelt. Mein dringender Appell wäre, das zu machen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

10.30


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

10.30.24Aktuelle Europastunde

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen jetzt zur Aktuellen Europastunde mit dem Thema:

„TTIP-Verhandlungen: Doppelspiel der Bundesregierung beenden – Nationalratsbeschluss umsetzen“

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Ich mache da­rauf aufmerksam, die Redezeit darf 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Abge­ordneter.

 


10.30.50

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Aktuelle Europastunde – Anlässe hätte es mehrere gegeben. Gestern war ja, was grundsätzlich zu begrüßen ist, die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström hier in Österreich, mit mehreren Terminen, unter anderem hier im Parlament. Da haben wir uns ausgetauscht, das hat jetzt ohnehin schon eine gewisse Tradition, das ist in Ordnung, das wollen wir nicht wegleugnen. Ich sage nur, es ist gar nicht das der Anlass, obwohl es auch da einiges zum Nachdenken gibt, was die Frau Kommissarin gestern gesagt hat, dazu werden wir aber noch kom­men.

Wir haben das ja angekündigt und der Bevölkerung versprochen, bei nächster Gele­genheit, das ist jetzt, auf einen Umstand hinzuweisen, der sehr beachtenswert ist, und zwar nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für Sie hier, jeden Einzelnen, jede


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 41

Einzelne im Besonderen. Es ist nicht so lange her, dass wir im September einen Be­schluss des Nationalrats gefasst haben. Den können Sie ja selber nachlesen, den kön­nen Sie sich in Erinnerung rufen. Dieser beinhaltet eigentlich für die zugegeben schwie­rige diplomatische Angelegenheit – Österreich war immerhin bei den Mandatsgebern für diese TTIP-Verhandlungen dabei, seis drum –, wenn man das entkleidet, eine rela­tiv ablehnende Haltung insbesondere zu einzelnen Punkten dieser angestrebten und zu erwartenden TTIP-Regelung.

Es handelt sich hier um einen Entschließungsantrag, der zuvorderst keine zwingende Bindungswirkung hat, aber es ist auch nicht nichts. Und darauf werden wir jetzt ein­gehen, weil – warum ist das jetzt so aktuell? – knapp vor Weihnachten ein Disput in der Regierung ausgebrochen ist, jener Regierung, die wir hier in Wahrheit gebunden ha­ben – lesen Sie nach! –, ein Disput genau um diesen unseren Antrag hier, dem immer­hin drei Viertel zugestimmt haben, auf Initiative von ÖVP und SPÖ.

Wie ist dieser Disput in der SPÖ/ÖVP-Bundesregierung entstanden? – Der Herr Bun­deskanzler hat eigentlich etwas Selbstverständliches gemacht, man möchte fast sa­gen, eine Fleißaufgabe – und deshalb richten wir diese Aktuelle Europastunde auch an Sie –, nämlich zunächst einmal die Kooperation zu suchen, wenigstens in Österreich. Warum? – Damit wir in Brüssel endlich einmal einheitlich und klar auftreten, denn das ist ja bis heute zu vermissen. In Österreich hat man ja den Eindruck, dass sämtliche Landesregierungen, Landeshauptleute, sämtliche Bundesminister, bis auf den Herrn Mit­terlehner – das ist aber der, der in Brüssel verhandelt –, also quasi alle, die in diesem Land irgendwie regieren, gegen TTIP sind. (Abg. Rädler: Regieren Sie auch?) Ja, eh, aber wir sind ja auch wirklich dagegen. Und da werden wir jetzt schauen, was da mit der ÖVP los ist. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb sprechen wir ja hier darüber. Aber folgen Sie mir weiter! Das nur als Einleitung zur Aktualität. Darum müssen wir uns kümmern, das kann uns nicht wurscht sein, und das wird auch Konsequenzen haben, denn die Aufträge des Nationalrats müssen ge­rade in so wichtigen und zwingenden Fragen erfüllt werden. Wir können uns sonst das ganze Gerede von Transparenz, neuer Demokratie und was weiß ich alles ersparen. 20 Enqueten können wir abhalten, das macht aber alles keinen Sinn, wenn wir hier nicht korrekt – zumindest korrekt! – vorgehen, unabhängig davon, wer welcher Meinung ist.

Apropos Meinung – man muss es, bei 10 Minuten geht sich das aus, immer voraus­schicken, denn die Zwischenrufer bei der ÖVP haben sich schon wieder aufgewärmt –: Natürlich sind wir für Handel, das ist ja klar, in einer arbeitsteiligen Gesellschaft ist das ja Voraussetzung dafür, dass das, was gemeiniglich als Wohlstand bezeichnet wird, vermehrt wird. Aber die Frage ist, welcher Handel und unter welchen Bedingungen, zu wessen Vorteil und zu wessen Nachteil und für welche Güter.

Na selbstverständlich wäre es nützlich für Europa, speziell für Österreich, in Fragen der Zulassungsbestimmungen – da brauche ich nicht einmal ein Freihandelsabkommen, wie Sie das nennen – für Industriegüter, Anlagenbestandteile, Autobestandteile so et­was zu haben, selbstverständlich, denn es ist ja nicht einzusehen, dass wir für Karos­serie, Blinker und sonstige Autoteile mehrere Zulassungsverfahren haben. Das ist doch völlig logisch und richtig. Also her damit! Aber das hat doch nichts damit zu tun, dass wir eine Landwirtschaftspolitik fördern, die so ausschaut, dass wir Hunderte Tonnen Le­bensmittel am Tag, jetzt schon, über den Globus karren. Und das soll dann noch mehr werden, das ist ja das Ziel, das sagen ja alle, die Frau Kommissarin gestern auch, die im Übrigen eine einzige Enttäuschung war. (Beifall bei den Grünen.)

Was soll das Ziel sein? – Bei der Landwirtschaft sieht man das am besten: dass zu­sätzliche Hunderte Tonnen Lebensmittel und Futtermittel über den Globus gekarrt wer­den, und das nur deshalb, weil die Transportkosten überhaupt nicht stimmen. Wenn die


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stimmten, würde sich dieser Unfug ja aufhören. Aber noch viel schlimmer: Halb Süd­amerika wird auf diese Art und Weise ruiniert. Die Leute haben dort nichts zu essen oder zu wenig, weil wir hier zu viel fressen! Es ist doch so! Und das wird weiter beför­dert! (Beifall bei den Grünen.)

Es ist so, und das muss man auseinanderklauben. Das müssen Sie einmal einsehen! Deshalb ist es so wichtig und richtig, dass wir vernünftige Produktionsbestimmungen, vernünftige marktwirtschaftliche Regelungen, vernünftige Handelsbeziehungen haben – ich sage immer „vernünftig“, in unserer Diktion auch „fair“, natürlich, Sie hören es ja –, dass wir das befördern und nicht das, was sich da bei TTIP und im Übrigen auch bei CETA anschleicht. Da werden wir jetzt hinkommen.

Der Herr Bundeskanzler hat das aus unserer Sicht völlig richtig erkannt. Wir debat­tieren heute nicht darüber, dass Österreich bei den Mandatsgebern dabei war, nicht nur bei CETA, sondern auch bei TTIP, schlimmer noch: Österreich war bei jenen, wir haben die Protokolle ausgehoben, die ausdrücklich – und das ist jetzt der nächste Punkt, der Dreh- und Angelpunkt momentan in der globalen Debatte – die Investitions­schutzbestimmungen, ein völliger Euphemismus, besonders fördern. Österreich war ein Einpeitscherland, was diese Forderung betroffen hat, noch im Jahr 2013! Da haben Sie das irgendwie verschlafen, wollen wir es einmal so annehmen.

Jetzt argumentieren Sie aus unserer Sicht völlig zu Recht, dass das nicht notwendig und nicht sinnvoll ist, insbesondere zwischen entwickelten Wirtschaftsräumen, Nord­amerika und Europa, darum geht es ja. Und wenn dann immer der Hinweis kommt, gestern erst wieder – Mitterlehner, Malmström –, es gibt ja schon Tausende auf der Welt, auch in Europa, auch in Österreich: Ja, das hat doch immer den Zweck gehabt, dass man Investoren – ob das immer so gut ist, ist eine andere Frage, aus Gerechtig­keitsgründen – in weniger entwickelten Ländern schützt, damit die dort überhaupt in­vestieren, sozusagen zum beiderseitigen Vorteil. Das mag man ja noch einsehen. Aber doch nicht zwischen zwei entwickelten Wirtschaftsräumen! Und da erkläre ich jetzt dem Bundeskanzler überhaupt nichts Neues. Ich sage es nur noch einmal, weil die ÖVP da offensichtlich wieder vom Kurs abkommen will. (Beifall bei den Grünen.)

Sie argumentieren ja genauso, manchmal sogar noch schärfer, manchmal sogar noch präziser. Wir können es ja in der „Kronen Zeitung“ lesen. Gut so, gut so!

Jetzt steht aber folgendes Problem an: Der Herr Bundeskanzler geht in die Minister­ratssitzung im Dezember und sagt: Liebe Bundesregierungsmitglieder, eigentlich hat der Nationalrat etwas beschlossen, was unser Auftreten in Brüssel stärken sollte! Und ich habe auch Verständnis dafür, denn nachdem das 2013 schiefgegangen ist, haben wir uns das dauernd vorhalten lassen müssen. Da hat die Frau Kommissarin Malm­ström ja recht: Was regt ihr euch da so auf? 28 Mitgliedstaaten, alle sagen hopp auf, zuletzt wieder; ein kleiner Sidestep, Herr Bundeskanzler, da sind wir nicht zufrieden: Auch im Dezember wurde im Rat vorgegeben, 2015 die Verhandlungen zu beschleu­nigen. Sie werden sagen: Das hat ja nichts mit dem Inhalt zu tun! Sollen sie einmal ver­handeln, schauen wir, was herauskommt! – Nein, bei CETA haben wir gesehen, was herauskommt, und bei CETA haben wir auch gesehen, wo die Reise hingehen soll, nämlich in die falsche Richtung, was den Investitionsschutz betrifft. Ja, er ist wesentlich verbessert worden. Das können wir dort lesen. Er ist verbessert worden, aber es ist das völlig falsche Prinzip und immer noch schlecht: keine zweite Instanz, eher Willens­erklärungen. Nur die Transparenz ist verbessert worden. Trotzdem bleibt aber das Grund­prinzip falsch.

Herr Mitterlehner behauptet aber jetzt als Replik auf Sie, unser Nationalratsbeschluss sei überholt. Ich meine, das ist doch der Gipfel. Wir haben seit sechs Wochen die CETA-Verhandlungsergebnisse hier im Haus – lesen Sie es halt nach, oder sagen Sie es Ih­rem Herrn Vizekanzler und Bundesminister! Das ist doch die Wahrheit. Und da kann


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man nicht sagen, das ist überholt. Ich halte das wirklich für problematisch, und wir wer­den das in den entsprechenden Ausschüssen noch diskutieren müssen. Wir als grüne Fraktion, aber auch andere, lassen uns das mit Sicherheit nicht gefallen, dass nämlich der Nationalratsbeschluss von einem Bundesregierungsmitglied auch noch falsch ausge­legt wird. So weit kommt es noch! Nur weil er „Django“ heißt. Das geht sich nicht aus. (Beifall bei den Grünen.)

Und jetzt kommt das Schlimme am Schluss: CETA zeigt es. Frau Malmström hat ges­tern – hoch aktuell! – gesagt, das können Sie heute im „Standard“ nachlesen, bei CETA soll es eine vorläufige Anwendung geben. Zuerst hat man lange gesagt, wartet ab, was herauskommt, regt euch nicht auf, CETA ist viel harmloser als TTIP, das ist die Blau­pause.

Jetzt stellt sich heraus, das Ergebnis ist fertig. Die alte Kommission hat noch gesagt, stellt euch alle hinten an, das ist fertig verhandelt. Dann haben wir mit der neuen Kom­mission, mit Juncker und Malmström gerechnet. Die haben noch gesagt, na ja, das schauen wir uns an, vielleicht ändern wir etwas. Die gleiche Truppe fährt jetzt nach Ös­terreich und erklärt Ihnen, Herr Bundeskanzler, Sie müssen unsere Bevölkerung jetzt von TTIP, aber auch von CETA überzeugen, besonders davon, dass es eine soge­nannte vorläufige Anwendung gibt. (Abg. Pirklhuber: Unglaublich! Das ist ein Wahn­sinn!)

Obwohl es ein gemischtes Abkommen sein wird, soll der Nationalrat gar nicht zustim­men, obwohl wir hier Kompetenz haben. Es soll für zwei, drei Jahre in Kraft treten, und wenn wir es dann ablehnen, dann ist es halt ein Pech. (Präsident Kopf gibt das Glo­ckenzeichen.) Aber das schaue ich mir an, wo dann der Mut der ÖVP ist!

Das ist eine ganz perfide Taktik, deswegen haben wir das auch hier hereingebracht, und da müssen Sie auch dagegen auftreten. Das wird uns die nächsten Wochen und Monate beschäftigen. Diese vorläufige Anerkennung ist nämlich nur möglich, wenn die Mitgliedstaaten vorher zustimmen. Deshalb, Herr Bundeskanzler, wirken Sie auf den Herrn Wirtschaftsminister ein, damit er im Rat nicht zustimmt, dass das vorläufig an­erkannt wird! Sonst wird mehrfach das Parlament umgangen, und alle sind jahrelang angelogen worden. Das kann niemand brauchen, nicht einmal die Befürworter, die sich immer blöder benehmen! (Beifall bei Grünen und FPÖ sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

10.41


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer einleitenden Stellungnahme gelangt nun der Herr Bundeskanzler zu Wort. Herr Bundeskanzler, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht über­schreiten. – Bitte.

 


10.41.50

Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretä­rin! Sehr verehrte Mitglieder des Hohen Hauses! Meine Damen und Herren! Tatsäch­lich ist die Frage der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nicht nur innerhalb Europas, son­dern auch mit Kanada und mit den Vereinigten Staaten ein Thema, das man nicht vom Grundsatz her ablehnen kann, sondern im Gegenteil, eigentlich sind Handelsbeziehun­gen grundsätzlich zu fördern – die Zahl der Importe und Exporte ist ja derzeit schon groß – und in einigen Bereichen auch Normen miteinander abzustimmen. Das ist et­was völlig Richtiges, Normales und auch Anstrebenswertes. So sehe ich auch die Be­auftragung, sowohl mit Kanada als auch mit den Vereinigten Staaten ein Freihandels­abkommen zu machen, um die Zusammenarbeit in einer Welt zu stärken, in der Frei­handelsabkommen ja nichts Neues, aber etwas Notwendiges sind.

Nun stellt sich, wie immer im Leben, nicht nur die Frage, was außen draufsteht, son­dern auch was drinnen ist. Da kommen wir zu den Verhandlungen. Die Verhandlungen


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haben lange Zeit – und das hat ja die Kommission auch eingestanden – so stattge­funden, dass die Bevölkerung in Europa das Gefühl hatte, sie sind nicht transparent, sondern sie werden verdeckt geführt. Daher ist der erste und richtige Schluss, Ver­handlungen müssen so transparent sein, dass die Bevölkerung weiß, in welche Rich­tung und mit welcher Zielsetzung das Freihandelsabkommen abgeschlossen werden soll. (Abg. Moser: Das Kleingedruckte ...!)

Der zweite Punkt ist: Welche Rolle spielt Österreich während dieser Verhandlungen? Wir wollen ja nicht erreichen, dass wir die Missstände und sozialen und umweltpoliti­schen Probleme, die es in Europa in Bereichen der Spekulation und der Umwelt ohne­hin gibt – ich möchte nur die Stichworte Kernenergie und Schiefergas ansprechen –, auch noch verstärken, indem man Konzernrechte zulässt, die die Schutzbestimmungen Europas aushöhlen. Das ist eine ernste Angelegenheit.

Nicht ja oder nein zum Freihandel ist die Devise. Entscheidend ist, das Ergebnis von Verhandlungen so streng zu prüfen, dass es den sozialen und umweltpolitischen Stan­dards – ich denke an die Nahrungsmittelsicherheit – entsprechen muss. Kriterium ist, dass die Rechte und Gesetze, die wir in Europa haben, gestärkt hervorgehen und nicht geschwächt.

Nun sehen wir das in der Bundesregierung nicht in ganz gleicher Weise, aber auch in Parteien gibt es Diskussionen, warum nicht auch in einer Regierung mit zwei verschie­denen Parteien. Aber meine Meinung ist hier sehr eindeutig: Ich messe der Frage, ob es Sondergerichte gibt, die in der Lage sind, mit Schadenersatzklagen in Millionenhöhe soziale, Umweltrechte und andere Rechte auszuhebeln, große Bedeutung zu. Ich sehe es als eine Gefahr, die ein solches Abkommen mit sich bringt, dass sich Europa nicht sozialer und umweltfreundlicher und positiv für biologische Nahrungsmittel weiterentwi­ckelt, sondern dass die Konzernrechte auch noch gestärkt werden und Konzerne Re­gierungen, Behörden und öffentlich Verantwortlichen mit Klagen in der Höhe von Hun­derten Millionen drohen können.

Und welche Auswirkung hat das, wenn Großkonzerne gegen Kleine vorgehen? – Es hat etwa im Bereich der Nahrungsmittelsicherheit, aber auch in anderen Bereichen ei­ne Auswirkung, die völlig logisch ist: Es verschlechtert sich, es wird nicht biologischer, es wird nicht ökologischer und es wird nicht sozialer. (Abg. Pirklhuber: So ist es! Mas­siv! Es wird industrieller!) Nun kann man so wie vor der Wirtschaftskrise sagen: Na was ist denn schon passiert? – Man muss ja nicht darauf warten, dass das, was mit Vat­tenfall und in anderen Einzelbeispielen schon passiert ist, nämlich dass Konzerne ihr Recht wahrnehmen, um auf Gesetzgeber mit Schadenersatzklagen Druck auszuüben, da sie zu einem Zeitpunkt investiert hätten, zu dem sie eine andere gesetzliche Situa­tion vorgefunden haben, zur Regel wird. Man muss ja nicht darauf warten, dass man hier durch den Druck der Konzerne und deren Klagsmöglichkeiten nachgeben muss, sondern man kann sagen, dass man ein Freihandelsabkommen will, das sozial, um­weltfreundlich und fair ist, und dass wir ein Freihandelsabkommen nicht unterschrei­ben, das diesen Kriterien nicht genügt. Und da ist die Frage der Sondergerichte eine entscheidende. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Brosz: Das schau ich mir an!)

Nun hat das österreichische Parlament – wie ich meine, völlig zu Recht – einen Ent­schließungsantrag beschlossen, der an Deutlichkeit eigentlich nichts zu wünschen üb­rig lässt. Ich teile ihn zu hundert Prozent und habe auch öffentlich darum gebeten, dass sich auch alle Regierungsmitglieder daran halten. Er verneint keine Freihandelsabkom­men, er unterschätzt nicht die Bedeutung des Handels, er hat auch nichts dagegen, dass etwas mit Regelwerken abgeschlossen wird, sondern er sagt, diese Regelwerke sind danach zu beurteilen, was sie bewirken und wie sie ausgestaltet sind. Und daher kann ich das zu hundert Prozent so unterschreiben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 45

Es ist die Frage der sozialen und ökologischen Mindeststandards, die in Ihrem Antrag angesprochen werden, genauso deutlich formuliert wie die Transparenz der Verhand­lungen. Es ist genauso klar formuliert, dass dieses Freihandelsabkommen von den Parlamenten zu ratifizieren sein soll. Hier sind wir schon bei einem entscheidenden Punkt: Wird sich Österreich auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass sowohl bei CETA als auch bei TTIP die Entscheidung über dieses Abkommen als gemischtes Abkom­men in den nationalen Parlamenten zu treffen sein wird? Ich bin dieser Überzeu­gung, Sie haben das beschlossen, und ich sehe das persönlich auch als Auftrag und wünsche mir, dass alle, die Österreich vertreten, das auch als Auftrag sehen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und Team Stronach.)

Der Beschluss von vier Parteien sagt:

„Die Sinnhaftigkeit der Aufnahme von ISDS-Klauseln bei Abkommen mit Staaten mit entwickelten Rechtssystemen (z. B. USA und Kanada) ist aus heutiger Sicht nicht er­kennbar.“

Das gilt aus heutiger Sicht auch für mich, daran hat sich nichts geändert. Ich habe diesen Ihren Entschließungsantrag daher auch aus tiefer innerer Überzeugung – sonst hätte ich mich heute, was ja auch erlaubt wäre, der Diskussion hier gestellt (Abg. Schwentner: Nicht!), ich bin ja auch nicht immer mit den vier Parteien in allen Punkten einer Meinung – und aus Respekt vor diesem Beschluss unmittelbar danach an den damaligen und an den jetzigen Kommissionspräsidenten, an den damaligen und an den jetzigen Ratspräsidenten weitergeleitet, also an die politisch Verantwortlichen, na­türlich auch an den Präsidenten des Europäischen Parlaments.

Das ist mir deshalb wichtig, weil ich persönlich davon überzeugt bin. Das habe ich auch im letzten Europäischen Rat klargemacht. Die Protokolle sind vertraulich, aber ich verrate ja nicht, was die anderen gesagt haben. Eines Tages werden diese Protokolle trotzdem veröffentlicht, und da wird nachzulesen sein, dass ich mich klar gegen die ISDS-Klauseln in CETA und TTIP ausgesprochen habe, weil ich der Meinung bin, die Rechtssysteme in den Vereinigten Staaten und in der EU sind stark genug.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, warum ist diese Diskussion jetzt so wichtig? Sie ist jetzt so wichtig, weil jetzt die Weichen gestellt werden, nach welchen Standards diese Freihandelsabkommen – zuerst CETA und später TTIP – ins Finale geführt wer­den. Also was soll dann zur Beschlussfassung vorliegen? Jetzt wird entschieden, ob Wege gefunden werden, diese Entscheidung an den nationalen Parlamenten vorbei zu treffen – und einige suchen jetzt danach. Es findet auch jetzt die politische Diskussion darüber statt, ob die landwirtschaftlichen Produkte genauso wie die umweltpolitischen und sozialen Standards berücksichtigt werden, an denen uns zu Recht nicht nur gele­gen ist, sondern die wir auch zu verteidigen haben.

Kurz gefasst: Ob und in welcher Form es diese Klauseln und damit Sonderklagerechte gibt, entscheidet sich in der Debatte jetzt. Es entscheidet sich die Frage, ob die natio­nalen Parlamente das letzte Wort haben, und es entscheidet sich die Frage, um wel­che Standards es geht. Diese Fragen sind so wichtig, und deshalb appelliere ich an Sie, dass wir jetzt in der politischen Diskussion eine Rolle spielen und nicht erst zum Schluss, wenn dann der letzte Federstrich zu setzen ist oder wir uns gemeinsam über irgendeine Umgehung empören. Empören wir uns jetzt und sagen wir klar und deutlich, was wir wollen! Ich werde das tun. Wenn wir das gemeinsam tun, sind wir stärker. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und Team Stronach. Abg. Darabos: Kollege Pirklhuber, da ist aber ein Lob angebracht! Abg. Kogler de­monstrativ Beifall spendend : Wir haben eh!)

10.53


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gehen in die Debatte ein.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 46

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Ak­tuellen Europastunde laut § 74b Abs. 2 in Verbindung mit § 97a Abs. 6 der Geschäfts­ordnung 5 Minuten nicht überschreiten darf.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Cap zu Wort. – Bitte.

 


10.53.25

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir sind natürlich mit einer Vermischungsstrategie konfrontiert. Auf der einen Seite ist es berechtigt, Hemmnisse abzubauen, auf der anderen aber ist die Frage der Definition, was sonst noch Hemmnisse sind, eine verborgene. Gemeint sind aber in Wirklichkeit Dinge wie Klima, Umweltschutz, nachhaltige Energiewirtschaft, gesunde Ernährung, bäuerliche Landwirtschaft, soziale Dienstleistungen, öffentliches Beschaffungswesen oder die gro­ßen amerikanischen Medienkonzerne, denen die Kultur- und Filmförderung und der au­diovisuelle Bereich in Österreich und in Europa, speziell in Frankreich, ein besonderes Anliegen sind, um das alles aufzubrechen. Das heißt, die hohen Standards sind Han­delshemmnisse. Das müssten Sie einmal aussprechen.

Obama schätze ich ansonsten sehr. Er hat ja jetzt gerade eine sehr gute Rede ge­halten und zu Recht erkannt, man solle die Mittelschichten entlasten und die Super­reichen weltweit, vor allem in Amerika, belasten. Aber da kommt er plötzlich mit dem Argument, es geht um China, es geht um die ökonomische Vorherrschaft der USA, um China entgegenzuwirken.

Wir alle wollen den freien Handel, ja, selbstverständlich, aber doch nicht mit dieser Per­spektive und nicht, indem eine verdeckte Debatte geführt wird. Diese Vermischung gilt es auch wirklich zu verdeutlichen.

98 Prozent der österreichischen Unternehmer sind mittlere und kleinere Unternehmun­gen, das sind rund 370 000. Wenn man in dieser privaten Einrichtung so eine Klage einbringt, dann muss man mit an die 8 Millionen Dollar rechnen.

Es gibt eine ganze Klagsindustrie, Anwaltskanzleien, die sich dumm und dämlich ver­dienen, und Risikofonds, die das noch finanzieren und schauen, wo man da klagen und noch etwas herausholen kann. Damit werden Staaten unter Druck gesetzt. Austra­lien und Südafrika war das schon zu viel, die haben das schon aufgekündigt. Es gibt immer mehr Staaten, die sagen, sie wollen das gar nicht, sie wollen so eine private In­vestorenschutzklausel nicht. Falls jemand nicht weiß, was das ist, das ist ganz einfach: Es soll damit das Justizwesen durch private Einrichtungen umgangen werden. Da wer­den Leute ausgesucht, die dann dort sitzen, bezahlt werden und sagen, dieser und jener Staat muss jetzt Milliarden bezahlen. Damit werden die Staaten unter Druck ge­setzt. Sie sollen Standards beseitigen, weil die Investitionen dadurch gefährdet seien, dass die Standards so hoch seien und man nicht genug Gewinn machen könne. – Das ist der ganze Hintergrund dieser Auseinandersetzung!

Dazu muss ich ein interessantes Interview der Kommissarin Malmström im heutigen „Standard“ erwähnen, in dem sie ein bisschen beginnt, Spuren zu legen, etwa beim In­vestorenschutzabkommen, indem sie sagt, machen wir es eben transparenter, es gibt halt leider bei CETA kein Berufungsverfahren. – CETA sollten wir auch gleich nicht be­schließen, weil das nämlich in Wirklichkeit die Blaupause für TTIP ist. Also: Malmström sagt, es gibt kein Berufungsverfahren, und bei den Schiedsrichtern könne man sich ja auch etwas überlegen, etwa bei deren Auswahl, so nach dem Motto: vielleicht einmal welche mit einem netteren Gesicht oder welche, die nicht so denken, wie wir alle ver­muten, weil sie ja ökonomisch abhängig sind, wenn sie dort sitzen, und auch gewinn­orientiert agieren (Abg. Pirklhuber: Das ist richtig!), gegen die Interessen derjenigen, die hier in Europa leben und um diese Standards gekämpft haben, die wir heute hier haben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 47

Da legt Malmström einmal die eine Schiene, aber sie geht noch weiter. Die andere Schiene ist: Wenn es um die Frage des Konsumentenschutzes geht, sagt sie, nein, nein, da werden wir hart bleiben, aber zugleich meint sie, es gebe „sehr starke Konsu­mentenschutzorganisationen in Europa, besonders in Österreich“, es gebe „große Un­terstützung der wachsamen Konsumenten für Bioprodukte und Lebensmittel“. Was sagt sie damit? – Sie sagt: Wissts was, beschließen wir das, wie es ist, und die Kon­sumentenschützer werden sich schon zur Wehr setzen! Die sind ja stark genug! Wir haben volles Vertrauen, dass die sich auf die Hinterbeine stellen und einen Widerstand organisieren! Das sagt die Kommissarin und lächelt dazu. (Abg. Kickl: Was tun wir jetzt?) Die ist die charmante Variante ihres Vorgängers und sonst gar nichts. In Wirk­lichkeit ist sie auf derselben Linie geblieben.

Aber der Höhepunkt kommt dann bei der nächsten Frage, ich zitiere wieder aus dem „Standard“: „Muss TTIP in allen EU-Staaten ratifiziert werden?“ Was antwortet die Frau Kommissarin?  „Erst wenn es eine Vereinbarung gibt (...), werden unsere Rechts­experten sagen, ob es ein gemischtes Abkommen ist (...).“ – Auf gut Deutsch: Wissts was, lasst euch mit den Parlamenten alle runter, bei uns werden die Rechtsexperten entscheiden, ob es ein gemischtes Abkommen ist. Irgendwie liest man da schon zwi­schen den Zeilen heraus: Es ist natürlich kein gemischtes Abkommen, weil den Weg werden wir nicht einschlagen, dass man in den nationalen Parlamenten ... (Abg. Ber­lakovich: Lustig!) – Na Sie sollten dafür sein, dass es ins nationale Parlament kommt! Sie sitzen ja hier herinnen, eigentlich sollten Sie sagen, Sie wollen mitbestimmen. Da können Sie nicht dagegen sein. Da kann überhaupt niemand dagegen sein, dass wir das hier behandeln wollen. Das möchte ich schon einmal sagen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ, Grünen und Team Stronach.)

Das fällt unter Demokratie, würde ich sagen. Das fällt darunter, dass wir unsere Kultur, unsere Lebensstandards behalten! Generationen haben dafür gekämpft! Bevor Sie da gesessen sind, ist auf Ihrem Platz ein anderer gesessen, der dafür gekämpft hat, dass es diese Standards gibt – manchmal mit uns, manchmal ohne uns (Abg. Rädler: Sie können ja eh mitstimmen!), und vor allem manchmal ohne Sie, aber so war es! (Abg. Rädler: Sie stimmen ja eh mit!)

Ich finde, das gilt es zu verteidigen. Daher war dieser Entschließungsantrag völlig rich­tig, und er hat auch nach wie vor noch seine Richtigkeit und seine Bedeutung. Es gilt, von diesem Entschließungsantrag keinen Millimeter abzurücken. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ, Grünen und Team Stronach. Abg. Kickl: Das wird noch eine Hetz!)

10.59


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Auer zu Wort. – Bitte.

 


10.59.06

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staats­sekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst noch eine Bemerkung zum vorigen Tagesordnungspunkt. Ich weiß nicht, ob Sie Folgendes wahrgenommen ha­ben: Unter dem Titel „Verantwortungsföderalismus statt Spendierföderalismus“ hat Kol­legin Meinl-Reisinger wörtlich ausgeführt, mit den Förderungen werde in Österreich „struk­turelle Korruption“ betrieben.

Meine Damen und Herren, diese Behauptung weise ich auf das Entschiedenste zu­rück! Sie sollte sich schämen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da sollte man einmal im Förderungsbericht nachsehen, was unter Förderungen zu­sammengefasst wird: Klimaschutz, Sozialbereiche, Nationalfonds für Opfer des Natio­nalsozialismus, Sonderbehandlung des 13. und 14. Gehalts und so weiter. Das reicht mir, meine Damen und Herren! (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 48

Aber nun zum aktuellen Thema: Der Herr Bundeskanzler hat zu Recht ausgeführt, dass der Handel vom Grundsatz her richtig ist. Auf dem Land heißt es ganz einfach, dass der Handel dann ein Geschäft ist, wenn er für beide Seiten ein Geschäft ist. Wenn so gehandelt wird, ist das in Ordnung. Tatsache ist auch, dass die alte Kommis­sion diese Vorgangsweise nicht verstanden hat – weder transparent noch offensiv, noch informativ, man könnte das ganz einfach als Kommunikationsdefizit bezeichnen.

Herr Kollege Cap, es ist unbestritten, dass an dem Entschließungsantrag nicht zu rüt­teln ist, und es ist unbestritten, dass das Parlament einzubinden ist. Daran wird auch nicht gerüttelt, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber. – Abg. Wöginger – in Richtung des Abg. Pirklhuber –: Mit was hast du jetzt ein Problem?) Dass ein derartiges Schiedsgerichtsmodell das Schlechteste sei, wage ich jedoch in Anbetracht amerikanischer Justiz und Rechtsprechung auch etwas zu bezweifeln, denn direkt möchte ich mich diesem System auch nicht ausgeliefert sehen. (Abg. Pirkl­huber: Aber indirekt?!)

Meine Damen und Herren! Wie immer bei neuen Verhandlungen, bei Abschlüssen von derartigen Handelsabkommen ist Vorsicht geboten – keine Frage, selbstverständlich. Ich möchte wissen, was dahinter steht. Es ist interessant, wenn ich, wie vorgestern, im „Standard“ lese: „Schiedsgerichte stärken Europäer vor der US-Justiz“. Wenn ich heute in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ von erstmals sachlichen Diskussionen über TTIP lese, dann könnte man da viele Dinge herauslesen und interpretieren.

Gerade aus der Sicht der Landwirtschaft – und das wird man verstehen – sind wir in diesem Zusammenhang sehr vorsichtig. Gar keine Frage! (Zwischenruf des Abg. Stein­bichler.) Aber – und das sei auch hinzugefügt –, wie man weiß, Österreich generiert sechs von zehn Arbeitsplätzen aus dem Export. Sechs von zehn Beschäftigten sind in Österreich durch den Export abgesichert. Gerade in konjunkturell schwierigen Phasen sollten und müssen wir alles tun, damit Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Moser.) Und wenn es dort Chancen gibt, dann muss man diese auch wahrnehmen – unter Wahrung der österreichischen Inter­essen.

Ich war auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin und habe mir die Eröffnungs­ansprache des agrarischen Kommissars Phil Hogan angehört. Ich bin froh und dank­bar, weil er wörtlich ausgeführt hat, dass er nicht bereit ist, europäische Standards auf dem Welthandelsmarkt zu opfern. Das war eine klare Ansage vor Tausenden von Leu­ten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Pirklhuber und Steinbichler.)

Und wenn dieses Freihandelsabkommen zustande kommt – was aus der Sicht der Wirt­schaft legitimes Interesse ist, was unter Umständen auch aus der Sicht der Beschäf­tigung in Österreich legitimes Interesse ist –, dann wird man zu prüfen haben, unter welchen Bedingungen. Die Fakten müssen auf den Tisch, die positiven und die negati­ven, und wenn die positiven überwiegen, dann wird man zustimmen, wenn die negati­ven überwiegen, dann wird man sich das wohl gut überlegen müssen. Gar keine Fra­ge, meine Damen und Herren!

Tatsache ist aber auch, dass wir mit Amerika allein ein Freihandelsabkommen hätten, das sozusagen über 800 Millionen Menschen umfasst. Gerade die Dienstleistungen und Waren, die täglich mit Amerika ausgetauscht werden, machen täglich rund 2 Milliar­den € aus – in Europa insgesamt gesehen. (Abg. Moser: Und in Österreich?!) Aus ös­terreichischer Sicht ist es auch nicht gerade wenig.

Man muss also die Kritiker des Abkommens, die fürchten, die hohen Verbraucherschutz­standards könnten sozusagen durch die Öffnung gefährdet werden, ernst nehmen. (Abg. Pirklhuber: Natürlich! Ja!) Na selbstverständlich, die muss man ernst nehmen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 49

Da sind wir dabei, gar keine Frage. Aber dass auch in Österreich 85 000 Jobs vom Ex­port und von einer wirtschaftlichen Beziehung mit Amerika abhängen, das sollte man auch nicht vergessen. (Abg. Pirklhuber: Aber nicht in der Landwirtschaft!) Das ist ein entscheidender Punkt. (Abg. Strache: Und wie ist das mit Russland?!) – Ja, auch die Frage mit Russland, selbstverständlich. Und gerade weil wir mit Exporten nach Russ­land Schwierigkeiten haben, brauchen wir jede Exportmöglichkeit wie einen Bissen Brot. Ich plädiere auch dafür, dass man mit Russland vernünftig redet – gar keine Frage. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Dieses Mandat wurde erteilt. Der Herr Bundeskanzler hat zugestimmt. Das ist auch richtig so – ich nehme auch an, dass er selbstverständlich genau weiß, was er getan hat –, und man sollte dieses Mandat möglich machen. Wir sollten nicht von vornherein sagen, dass alles schlecht ist, aber wir sollten auch nicht von vornherein meinen, es sei das Beste, was es gibt. Das ist es nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rädler: Genau! – Abg. Schwentner: Das ist eine Nullaussage! – Präsi­dent Hofer gibt das Glockenzeichen.)

Gerade aus der Sicht der Landwirtschaft plädiere ich für eine entsprechende Her­kunftsbezeichnung, denn wir haben in Österreich (Präsident Hofer gibt neuerlich das Glockenzeichen – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Aus ist’s!) 14 regionale Herkunftsbe­zeichnungen – viele Länder Europas ungleich mehr –, und da haben wir noch dringen­den Handlungsbedarf (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Aus ist’s!), um diese nachvoll­ziehbare österreichische Produktion (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Aus ist’s!)  

11.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist leider abgelaufen.

(Beifall bei der ÖVP für den das Rednerpult verlassenden Abg. Auer.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.05.45

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuschauer! Liebe Kollegen! (Abg. Rädler: Ein Wort zu Russland!) – Ja, ja.

Kollege Auer, Sie haben uns gesagt, dass wir uns in Zukunft genau überlegen werden, ob wir dem zustimmen können, dass man alles prüfen werde, und, falls es für Öster­reich gut ist, werden wir zustimmen, und falls es nicht gut ist, werden wir nicht zu­stimmen. Haben Sie die Zitate – Kollege Cap hat sie heute dankenswerterweise am Podium vorgelesen –, die Aussagen der Frau Malmström gelesen? Haben Sie verfolgt, was die Europäische Kommission zu dieser Frage gesagt hat? – Es ist höchst fraglich, ob es überhaupt ein gemischtes Abkommen ist und ob es hier eine Kompetenz der ein­zelnen nationalen Parlamente zur Zustimmung gibt.

Wenn Sie das, was Sie sagen – dass wir hier prüfen und dann zustimmen, ob es gut oder schlecht ist –, ernst meinen, dann müssen Sie das Verhandlungsmandat, das wir leider ohne Wenn und Aber der Kommission gegeben haben, jetzt klarstellen und/oder einschränken. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.) Das heißt, dass Österreich jetzt vor die europäischen Instanzen treten und sagen muss, dass wir, wenn das kommt, was jetzt verhandelt ist und was wir aus dem CETA-Abkommen, das ja weitgehend be­kannt ist, herauslesen können, nicht zustimmen werden. Das heißt, wir erklären schon jetzt, dass unser Mandat für den Abschluss eines solchen Vertrages nicht besteht.

Als wir das Mandat erteilt haben, sind wir davon ausgegangen, dass völlig andere Din­ge herauskommen – oder was auch immer. Aber zu sagen, dass wir hier sitzen, zu­schauen, dann anschauen, was herauskommt, und dann erstaunt feststellen werden, dass es doch kein gemischtes Abkommen ist und man nichts machen kann, ist wohl unehrlich bis zum Gehtnichtmehr. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 50

Kollege Cap, dem ich in seinen Aussagen vollständig zustimmen muss, hat klargestellt, dass wir hier einen Beschluss gefasst haben, und wenn wir den ernst nehmen, dann müssen wir ihn in den zuständigen Gremien kommunizieren. Da reicht auch das nicht, was offenbar dankenswerterweise der Herr Bundeskanzler in den europäischen Institu­tionen schon getan hat, sondern da müssen wir klar sagen, unser Mandat erstreckt sich nicht auf ein solches Abkommen.

Lieber Kollege von der ÖVP! Was heißt denn Schutz der Arbeitsplätze? Was heißt 85 000, die vom amerikanischen Markt abhängig sind? Glauben Sie ehrlich, dass das Freihandelsabkommen für die österreichischen Exporteure ein Freibrief ist, nach Ame­rika zu liefern? – Da passiert gar nichts. Das ist eine Einbahn, zumindest nach dem, was Frau Malmström erzählt hat.

Frau Malmström hat ihre Erklärung damit eingeleitet, CETA und TTIP – wobei wir bei TTIP gar nicht wissen, was drinsteht – sind gut für Österreich und die Österreicher. Sie können sich erinnern? – Das war das Einleitungsstatement – ohne dass wir wissen, was drinsteht. Es wird jedenfalls gut sein für Österreich und die Österreicher. Das meint offenbar auch die ÖVP, weil sie sagt, dass man da ein bisschen mehr expor­tieren kann, wenn die nichttarifären Handelshemmnisse wegfallen und es mehr Arbeits­plätze gibt.

Schauen wir uns vergleichbare Abkommen an! Es gibt ja das NAFTA, das nordameri­kanische Freihandelsabkommen aus dem Jahre 1994 – 20 Jahre alt! – zwischen Kana­da, den USA und Mexiko. Damals hat es geheißen, dass Millionen Arbeitsplätze ge­schaffen werden – in Mexiko hat man es damit beworben –, dass die amerikanische Industrie nach Mexiko kommen und Mexiko wirtschaftlich sozusagen eine neue USA werden wird. 20 Jahre sind vergangen, und was ist passiert? – Hunderttausende Klein­bauern sind in Mexiko zugrunde gegangen, haben ihre Existenz aufgegeben, das Land verlassen und sind entweder über den Rio Bravo in die USA abgewandert oder sitzen in den Slums von Mexico City (Abg. Pirklhuber: Billiger Maisimport! Gentechnik-Mais!) – Kollege Pirklhuber weiß es –, weil die großen Konzerne durch Preise, für die in Mexiko nicht zu produzieren war, den Markt überschwemmt haben. Hunderttausende!

Arbeitsplätze sind in Mexiko überhaupt keine geschaffen worden. Es gibt nur sehr un­genaue Berechnungen, aber man geht davon aus, dass allein in Mexiko durch NAFTA eine halbe Million Arbeitsplätze vernichtet worden sind; übrigens in den USA auch.

Ein weiteres Beispiel – weil das Investitionsschutzabkommen ja so super ist –, das wir im Klub gerade vorhin besprochen haben: Die kanadische Provinz Quebec hat einen hochgiftigen Zusatzstoff im Benzin, nämlich MMT, verboten. Die Erzeugerin, eine US-amerikanische Firma, ist daraufhin vor das Schiedsgericht gezogen. Was ist herausge­kommen? – Aufgrund der Entscheidung des Schiedsgerichtes, die dann in einen Ver­gleich gemündet hat, musste der Staat Kanada das MMT-Verbot aufheben und der be­troffenen Firma eine Kompensationszahlung von 250 Millionen Dollar dafür zahlen, dass man eine Zeit lang daran gehindert war, in den Markt einzutreten. Das sind Fak­ten. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das sind nur einige Beispiele, ich könnte Ihnen eine ganze Liste von ähnlichen Vor­fällen geben. Das mit dem MMT ist besonders skurril und besonders hart, weil dieser Stoff krebsfördernd und gesundheitsschädlich ist. Das Schiedsgericht hat aber ge­meint, dass das wissenschaftlich nicht so ganz erwiesen sei, dass eindeutige, langfris­tige Statistiken noch fehlen und daher das Handelshemmnis nach gemeinsamen Ab­kommen und Standards nicht zulässig sei. Daher wurde der Staat verurteilt.

Wollen wir so etwas haben oder nicht? – Ich glaube, da muss es ein ganz klares Nein geben. Solche Abkommen brauchen wir nicht und wollen wir nicht. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.) Das hat mit Handel und Freihandel nichts zu tun. (Präsident Hofer


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 51

gibt das Glockenzeichen.) Den Handel mit den USA gibt es, aber es gibt nicht die Unterwerfung unter private Schiedsgerichte, daher – schon mein Schlusssatz – mein Ersuchen an beide Regierungsparteien, hier bitte etwas Rückgrat zu zeigen und das, was wir hier beraten und beschließen, auch international durchzusetzen. – Danke. (Bei­fall bei der FPÖ.)

11.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber gemeldet. – Bitte.

 


11.11.33

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Da­men und Herren auf der Galerie! Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eines, was Sie hier vom Rednerpult aus gesagt haben, Herr Bundeskanzler, möchte ich aufgreifen, nämlich dass es eigentlich darum ginge, ökologische und soziale Stan­dards zu stärken.

Ja, das ist auch die Erwartungshaltung der europäischen Bürgerinnen und Bürger, aber was ist denn in den letzten Jahren die Realität gewesen? Woran sind denn die großen internationalen WTO-Verhandlungen gescheitert? – Genau an diesem Punkt, bei dem es nämlich um die Qualität der Arbeitsplätze, um die Qualität der Umwelt, um die Qualität der Lebenszusammenhänge in unseren Staaten geht. An diesem Punkt ha­ben sich die Meinungen und die Interessenlagen gespalten. Das ist auch einer der Kern­punkte unserer Kritik an den derzeitigen Verhandlungen.

Ein Freihandelsabkommen ist kein Abkommen zur Erhöhung der Standards im Ökolo­giebereich, im Arbeitsrecht oder sonst wo. Ein Freihandelsabkommen dient zum Abbau von Zöllen oder auch von Hemmnissen, wie Kollege Kogler richtig gesagt hat. Wenn ein Autospiegel von einem Industriekonzern in Europa anders produziert werden muss als in den USA, das in der Sache aber nicht gerechtfertigt ist, dann macht das keinen Sinn. Das können wir auch verstehen und akzeptieren. Wenn aber Agrarkonzerne, ob das Monsanto, Cargill, ADM und alle anderen sind oder die größten Saatgutproduzen­ten wie DuPont, ein gemischter Chemiekonzern und Pharmakonzern, oder die Lebens­mittelindustrie der amerikanischen Staaten, nämlich Walmart, um ein Beispiel zu neh­men, oder die großen Suppenhersteller ihre Produkte in Europa auf den Markt bringen wollen, was müssten sie dafür tun?! – Sie müssen auf amerikanischer Seite, bei ihrer Regierung, lobbyieren, und sie sind auch im Beraterstab von Präsidenten Obama. In die­sem Beraterstab von knapp 600 ExpertInnen sind 80 Prozent Industrievertreterinnen und -vertreter, und die müssen lobbyieren, dass die Standards bei diesen Verhandlun­gen in Europa nach unten gehen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Das ist ihr Ziel, ihr politisch-strategisches Ziel. Das ist doch vollkommen klar! Das wissen die Menschen in Europa, und das wissen auch die Menschen in Österreich.

Die Zahlen sprechen für sich. Wie sieht denn die Handelsbilanz zwischen den USA und Europa derzeit aus? – Wir importieren jährlich Güter im Wert von 200 Milliarden € aus den USA, und im Wert von knapp 300 Milliarden € – vorwiegend Industriegüter – exportieren wir. Das heißt, es gibt derzeit für Europa eine positive Bilanz des Handels­austauschvolumens.

Jetzt kommen wir zu den europäischen Interessenvertretern. Natürlich, die europäi­sche Industrie, nämlich vor allem die Automobilindustrie, ist ganz vorne bei TTIP, die will das unbedingt. Da verstehe ich Kollegen Auer nicht. Wenn ich weiß, dass der Ag­rargüter-Austausch mit den USA gerade einmal 6,5 Prozent beträgt, dann verstehe ich nicht, dass der Raiffeisenverband in Österreich und die europäischen Bauernverbände plötzlich anfangen, sich für TTIP auszusprechen, dass der Bauernbund jetzt hinter dem Wirtschaftsbund nachhechelt und sagt, dass das Chancen sind und man da etwas er­reichen könnte, damit man auch Blauschimmelkäse in die USA exportieren könnte.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 52

Meine Damen und Herren, das ist hanebüchen und völlig unverständlich. Es ist un­glaubwürdig, Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP. Man kann sich bei solch einer Ver­handlung nicht die Rosinen aus dem Kuchen picken. Das wird nicht funktionieren, das wird nicht aufgehen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Steinbichler. – Zwischen­ruf des Abg. Rädler.)

Herr Bundeskanzler, der innereuropäische Handel ist das Zehnfache vom Austausch zwischen den USA und Europa, und ich meine, es wäre klug, eine europäische Ar­beitsmarktpolitik voranzustellen, die wirtschaftliche Integration in Europa voranzutrei­ben, vor allem zur Stärkung von Arbeitsplätzen. Wir haben die größte Krise am Ar­beitsmarkt in Europa nach 1945 – dafür brauchen wir Lösungen! Das ist die Aufgabe der Europäischen Kommission und nicht, sich von den Konzernen einspannen zu las­sen, um die Standards runterzufahren – auf Kosten unserer Landwirtschaft, auf Kosten unserer Konsumentinnen und Konsumenten. (Beifall bei Grünen, FPÖ und Team Stro­nach.)

Nennen wir einige Beispiele, damit wir Klartext reden!

Die amerikanische Fleischindustrie: Man hat die Förderbänder so beschleunigt, dass im amerikanischen Fleischbereich tatsächlich eine Vielzahl von Desinfektionsmitteln angewandt werden muss, damit dieses Verfahren überhaupt technisch möglich ist. Die ArbeitnehmerInnen werden krank dabei. Das sind Peroxysäuren, die hoch aggressiv sind und die Atemwege massiv angreifen.

Sie verwenden Leistungsförderer wie Ractopamin (Präsident Hofer gibt das Glocken­zeichen) – auch das nicht zugelassen.

Antibiotika, Klonfleisch, Gentechniklebensmittel ohne Kennzeichnung – das ist US-ame­rikanischer Markt, das wollen unsere KonsumentInnen nicht. Daher heißt es jetzt, TTIP stoppen, solange nicht klar ist, wohin der Weg geht, und für unsere Verbraucherinnen und Verbraucher einfach kämpfen! – Danke schön. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

11.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ertlschweiger. – Bitte.

 


11.16.57

Abgeordneter Rouven Ertlschweiger, MSc (STRONACH): Geschätzter Herr Präsi­dent! Werter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Fernsehzuschauer! Heute ist schon vieles gesagt worden, vieles davon ist auch richtig. Nur eines ist noch nicht erwähnt worden, nämlich was TTIP in Wirklichkeit ist.

TTIP ist doch nichts anderes als ein Sittenbild. Dieses Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika wird sicher als klas­sisches Beispiel dafür, wie man es nicht macht, Einzug in den Lehrplan jedes Publi­zistikstudiums halten. Es ist ein kommunikationstechnischer Super-GAU.

Die gesamte Debatte sollte doch auf volkswirtschaftlichen Daten basieren. In Wirklich­keit ist sie doch längst aus dem Ruder gelaufen, und dieser Schaden ist hausgemacht. Warum? – Monatelang wurde zuerst einmal der Brüsseler Mantel des Schweigens über diese ganzen Verhandlungen ausgebreitet. Jetzt, weil der Gegenwind rauer wird, weil sich die Gegner formieren, rückt man sukzessive mit Informationen heraus. (Abg. Räd­ler: Schöner Aufsatz!) Das ist meiner Meinung nach nicht gerade vertrauenserwe­ckend.

Warum rudert man jetzt zurück, meine sehr verehrten Damen und Herren? – Nur des­halb, weil der öffentliche Druck größer geworden ist, die Bürger auf die Barrikaden stei­gen und auch viele europäische Politiker endlich aus ihrem komatösen Zustand erwacht


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sind und sagen, dass es so nicht geht und man hier entgegensteuern muss. (Abg. Räd­ler: Netter Aufsatz!) Nur deshalb – Herr Kollege Rädler, bitte auch zuhören – befindet sich die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström auf Imagetour. Sie war gestern auch in Österreich; ich finde – wie Kollege Kogler schon gesagt hat –, das war gestern ein schwacher Auftritt von ihr.

Sie hat mit ihrem Amtsantritt – als sie das zwölf Seiten starke Verhandlungsmandat on­line gestellt hat – auch nicht retten können, was nicht mehr zu retten war. De facto wird hier hinter verschlossenen Türen gemauschelt, es wird nicht transparent agiert. Der mediale Schaden ist angerichtet. Dafür ist jetzt nicht in erster Linie Cecilia Malmström verantwortlich, aber dass sie in den Medien die Veröffentlichung dieser TTIP-Doku­mente – ich zitiere – als „einen beispiellosen Schritt“ bezeichnet oder sagt, dass es „bei keinen Verhandlungen je so viel Transparenz gegeben hat wie jetzt bei TTIP“, das ist ja ein Wahnsinn. Da muss sich jeder denken, was die da oben in Brüssel mauscheln, was sich diese Leute ausschnapsen.

Was heißt „beispiellos“? Was heißt „so viel Transparenz wie noch nie“? – Da muss man als mündiger Bürger ja geradezu hellhörig und stutzig werden. Irgendwie wird man in dieser gesamten TTIP-Debatte das Gefühl nicht los, dass es ein Paradebeispiel für die kollektive Entmündigung von Bürgern und Politikern ist, meine Damen und Herren! (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Eine Gruppe von Puppenspielern – nennen wir sie Eliten, Konzerne, Lobbyisten – lässt den Rest Europas – nennen wir ihn die Normalsterblichen und die von ihnen gewählten Volksvertreter; Kollege Rädler, damit sind Sie angesprochen – wie die Marionetten tan­zen. Tatsache ist doch, dass viele Menschen in Europa bis heute keinen blassen Schim­mer davon haben, was nach dem Abschluss dieses Abkommens wirklich rauskommt. Vom Chlorhuhn bis zu den Schiedsgerichten, bei denen Firmen die Staaten klagen können, wenn diese nachträglich Regeln und Gesetze, die die Investitionen gefährden, beschließen, ist alles dabei.

Was die Menschen jedoch spüren, ist – und das ist ein Faktum –, dass hohe Umwelt-, Sozial- und Lebensmittelstandards gefährdet sind und dass Partikularinteressen eben dieser Eliten, dieser Konzerne und dieser Lobbyisten mehr zählen als Transparenz und Aufklärung für den Rest. Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren. Das ist sehr gefährlich! (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Politik muss in erster Linie den Menschen dienen. Obwohl noch kein einziges Ka­pitel fertiggeschrieben ist – kein einziges Kapitel ist fertiggeschrieben! –, feilschen Ju­risten jetzt schon, ob es sich um ein reines oder ein gemischtes Abkommen handelt. Das ist ein gravierender Unterschied, denn wenn es ein reines Abkommen ist – es ist heute schon öfter kommuniziert worden –, dann reicht die Mehrheit der EU-Regierun­gen und die Zustimmung des Europaparlaments. Ist es jedoch ein gemischtes Abkom­men, meine Damen und Herren, dann sind alle Abgeordneten hier im österreichischen Parlament in der Pflicht, abzustimmen und Farbe zu bekennen, ohne zu tarnen und zu täuschen. Hier muss man sich hinstellen und den Menschen einmal erklären, warum man für dieses Abkommen stimmt oder warum man dagegen stimmt.

Eines hat die gesamte Debatte gezeigt: Die Bürger in Europa lassen sich sehr viel er­zählen, und sie glauben sehr viel, aber jeden Lavendel glauben sie auch nicht, denn wenn im Rahmen einer öffentlichen Konsultation zum Thema TTIP und Investorenschutz – das ist heute auch schon erwähnt worden – 97 Prozent von insgesamt 150 000 abge­gebenen Stellungnahmen negativ sind, dann zeigt mir das, dass es sehr wohl mündige Bürger gibt, die auf die Barrikaden steigen. Und was das für das Ansehen Brüssels be­deutet, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Das ist ein massiver Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust, woraus die Erkenntnis folgt, dass Politik nicht hinter verschlos­senen Türen stattzufinden hat, sondern ein offener Dialog sein muss – auch wenn das


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Konzerne, Eliten und Lobbyisten nicht gerne hören. Das ist ein Faktum! Das ist die Tat­sache! – Danke sehr. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. Abg. Strache: Das ist keine Verschwörungstheorie! – Abg. Rädler: Was sagt Magna Kanada?)

11.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hab­le. – Bitte.

 


11.22.10

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundes­kanzler! Geschätzte Bürger und Bürgerinnen! TTIP – das Freihandelsabkommen zwi­schen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten – steht wieder einmal auf der Tagesordnung. Es ist eine Diskussion, die unehrlich geführt wird. Es ist eine Dis­kussion, der Ehrlichkeit mangelt. Deswegen möchte ich versuchen, dieser Diskussion doch einen Schuss Ehrlichkeit einzuimpfen, und möchte schon auch mit der Kommu­nikation der Bundesregierung in dieser Sache beginnen.

Es war sehr erstaunlich, was Kollege Krainer – er ist jetzt im Moment nicht da – ges­tern in der Aussprache mit Kommissarin Malmström gesagt hat. (Abg. Pirklhuber: Al­lerdings!) Er hat nämlich gesagt, die SPÖ sei eigentlich gar nicht dabei gewesen, son­dern es sei nur der Wirtschaftsminister der ÖVP gewesen, der der Kommission das Mandat für die Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten gegeben hat. (Abg. Kickl – in Richtung Saalausgang –: Da hinten steht er eh!) Also, Herr Bundeskanzler, Sie wa­ren offensichtlich gar nicht involviert. Es war ein Alleingang der ÖVP, ein Alleingang des Wirtschaftsministers. – Diese Behauptung ist doch absurd! Sich dann in der Öffent­lichkeit hinzustellen und das auch noch der Kommissarin ins Gesicht zu sagen, ist nur noch peinlich. (Abg. Strache – in Richtung des Abg. Krainer –: Da ist er!)

Die Wahrheit ist nämlich eine andere. Die Europäische Kommission verhandelt dieses Abkommen nicht aus Jux und Tollerei. Die Europäische Kommission ist nicht von selbst darauf gekommen, dass jetzt ein Freihandelsabkommen mit den USA notwendig wäre, sondern die Kommission verhandelt im Auftrag von 28 Mitgliedstaaten, die ein­stimmig diesen Auftrag erteilt haben, inklusive Österreich, der Auftrag ist also auch von der österreichischen Bundesregierung erteilt. Aber was macht die österreichische Bun­desregierung? – Sie fährt nach Brüssel und sagt, Mandat erteilt pro TTIP, und dann kommt sie nach Österreich zurück und wettert gegen dasselbe Handelsabkommen, für das sie gerade das Verhandlungsmandat erteilt hat.

Genauso unehrlich ist die Diskussion, was die Investitionsschutzabkommen betrifft, denn es war gerade die österreichische Bundesregierung, die diese Investitionsschutz­klausel in Brüssel vehement hineinreklamiert hat. Dann fährt dieselbe Bundesregierung nach Österreich zurück und behauptet hier in der Öffentlichkeit und in allen Medien, dass da Schindluder betrieben werde. In Wirklichkeit ist das alles nur noch unehrlich und unredlich. (Abg. Hübner: Und was wollen die NEOS?)

Neben mehr Ehrlichkeit, die wir einfordern, ist natürlich Transparenz überhaupt eine notwendige Grundvoraussetzung. Transparenz ist in einer Demokratie notwendig, sie ist einer der Pfeiler einer Demokratie und natürlich auch bei den Verhandlungen über ein solches Handelsabkommen notwendig. Transparenz liegt natürlich nicht nur in der Verantwortung der Kommission, sondern auch in der Verantwortung der österreichi­schen Bundesregierung, denn es waren wiederum die 28 Mitgliedstaaten, inklusive der österreichischen Bundesregierung, die das Verhandlungsmandat geheim gehalten ha­ben. Es ist auch notwendig, das dazuzusagen. Also, es sind alle in der Verantwortung, hier mehr Transparenz zu zeigen. (Abg. Neubauer: Ja, aber ihr auch!)

Die Europäische Kommission hat sich diesbezüglich bewegt. Das ist positiv zu sehen. Es sind erstmals nicht nur Positionspapiere veröffentlicht worden, sondern auch Vor-


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schläge für den Verhandlungstext veröffentlicht worden. Das reicht noch nicht aus, aber es ist ein positiver Beginn. Ich habe die Kommissarin gestern noch ausdrücklich nach den weiteren Schritten gefragt. Sie hat gesagt, es wird alles Weitere in die Wege geleitet, es wird noch viel mehr veröffentlicht werden, außer den ganz sensiblen Sa­chen, die man vor Verhandlungen nicht in der Öffentlichkeit breittreten sollte, um seine Verhandlungsposition nicht zu gefährden.

Wir werden jedenfalls auch vonseiten der NEOS sehr genau darauf schauen, dass die notwendige Transparenz vorhanden ist. Wenn Sie uns nach unserer Position fragen, dann muss man auch ehrlich sagen, man kann jetzt nicht pro oder kontra TTIP sein, wenn das Endverhandlungsergebnis noch nicht auf dem Tisch liegt. (Abg. Schwent­ner: Nein, bitte!) Aber wir sagen ganz klar: Wir sind pro Freihandel. Warum? – Weil Freihandel Wohlstand geschaffen hat, gerade in Österreich, das als kleines Land vom Export und vom Freihandel lebt. Wir sind auf diese Freihandelsabkommen angewiesen.

Ich erwarte mir (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen) – Herr Präsident, damit kom­me ich zum Schluss – insgesamt mehr Ehrlichkeit in dieser Diskussion, weniger Panik­mache, mehr Orientierung an den Chancen, nicht nur den Fokus auf die Risiken und mehr Einsatz gerade von dieser Bundesregierung für Arbeitsplätze in diesem Land – das ist ganz dringend notwendig. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

11.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mut­tonen. – Bitte.

 


11.27.47

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Was heute eindeutig sichtbar und deutlich geworden ist: Das Parlament steht TTIP und insbesondere natürlich auch der Aufnahme von Sonder­klagerechten in das Freihandelsabkommen mit den USA sehr skeptisch gegenüber, was ja schon in unserem gemeinsamen Antrag sehr deutlich geworden ist. Zwischen zwei Gesellschaften mit gut funktionierenden Rechtssystemen wie der amerikanischen und der europäischen Gesellschaft verbessern Sonderklagerechte nicht den Rechts­standard, sondern sie verschlechtern ihn ganz sicherlich. Es ist und bleibt daher sinn­los, auch diese Sonderklagerechte, diese sogenannten ISDS-Klauseln, aufzunehmen. Im Klartext heißt das: Bleiben die Klauseln drinnen, stimmen wir TTIP auf keinen Fall zu. (Abg. Pirklhuber: Richtig!) An dieser Einstellung hat sich nichts geändert, weder beim Parlament noch in der Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeord­neten von FPÖ und Grünen.)

Unser Antrag behandelt aber auch unsere Sorge um die hohen Standards, die wir uns so mühsam erkämpft und erarbeitet haben, und zwar die Rechte der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Standards bei den Rechten der VerbraucherInnen, bei unseren Sozialsystemen und auch beim Umweltschutz. Und diese Sorgen, meine Damen und Herren, sind berechtigt.

Ein Beispiel: Letztes Jahr gab es eine Nachricht aus Chattanooga in Tennessee, die für österreichische, ja, für europäische Ohren ziemlich merkwürdig klingt. Dort haben republikanische Politiker, wie der Gouverneur von Tennessee, erheblichen Druck auf VW und deren Mitarbeiter gemacht. Ziel der Kampagne war es, zu verhindern, dass sich die ArbeitnehmerInnen gewerkschaftlich organisieren. Warum? – Die Südstaaten in den USA werben nämlich damit, gewerkschaftsfrei zu sein. (Abg. Pirklhuber: Das ist ja unglaublich!)

Ein weiteres Beispiel, das auch sehr zu denken gibt, ist die Tochtergesellschaft der Deut­schen Telekom T-Mobile USA. Diese versucht nämlich mit allen Mitteln zu verhindern, dass sich ihre Mitarbeiter gewerkschaftlich organisieren. Damit steht sie aber im Wider­spruch zur Firmenpolitik in Europa.


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Die sonderbare Wandlung dieser Deutschen Telekom von einem, wenn Sie wollen, Dr. Jekyll in Europa zu einem Mr. Hyde in den USA ist schon sehr eigenartig, kann aber auch bei anderen Unternehmen beobachtet werden. Möglich macht das allein der viel geringere Standard bei den ArbeitnehmerInnenrechten und bei den Gewerkschafts­rechten. Da kann Frau Kommissarin Malmström, wie sie das gestern hier im Parlament getan hat, noch so häufig erklären, bei TTIP würden keine Regeln verhandelt, die un­sere Standards senken. Das mag schon sein, aber eines ist auch klar, meine Damen und Herren: TTIP würde den internationalen Wettbewerb zwischen den amerikani­schen und europäischen Firmen so verschärfen, dass die österreichischen und die eu­ropäischen Firmen dann unter großen Druck geraten würden, denn wenn sich US-Un­ternehmen in diesem Wettbewerb durch Lohn-, Sozial- und Umweltdumping Vorteile verschaffen können, dann erhöht das doch automatisch den Druck auf uns, unsere Standards aufzuweichen.

Darum sind die anderen Punkte in unserem Antrag auch so wichtig. In ihnen fordern wir, dass unsere Freihandelspartner wenigstens soziale, arbeitsrechtliche und umwelt­politische Mindeststandards umsetzen müssen. Die USA haben das noch nicht ge­macht.

Intensivere Handelsbeziehungen mit den USA sind – das ist heute schon erwähnt wor­den – per se weder gut noch schlecht. Aber wir müssen aufpassen und darauf achtge­ben, wie sie gestaltet werden. Die Frage ist: Wessen Interessen spiegeln sie wider? Spiegeln sie nur die Wirtschafts- und Gewinninteressen von Firmen und Konzernen oder auch die Interessen von ArbeitnehmerInnen, von VerbraucherInnen und Interes­sen zum Schutz der Umwelt wider? Die Frage ist auch: Sind die Vorteile gerecht ver­teilt, oder geht es um Einzelinteressen zulasten von uns allen?

In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch noch – das ist mir besonders wich­tig – auf Kunst und Kultur hinweisen. Wir wollen keinen amerikanischen Mainstream. Daher müssen Film, audiovisuelle Medien und Kunst insgesamt von TTIP ausgenom­men werden, um die Vielfalt unserer Kultur in Europa zu erhalten. Ich glaube, auch Kunst darf dem Spiel ökonomischer Kräfte nicht ausgesetzt werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Das ist ja fast ein nationalistischer Ansatz! Na­tionalistische Töne! – Abg. Strache: Patriotische Töne!)

11.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Winzig. – Bitte.

 


11.32.57

Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Zukunftsforscher Matthias Horx schreibt in seinem Buch „Zukunft wagen“:

Ängste zu schüren ist zu einem Geschäftsmodell der Medien geworden, weil sie wis­sen, dass wir aufgrund der Evolution auf Angst kalibriert sind und unser Angstsystem sich in der letzten Zeit nicht gewandelt hat. (Abg. Rädler: Der Herr Pirklhuber, der hat immer Angst!)

Wir suchen uns jetzt imaginäre Feinde: Der Säbelzahntiger von heute ist unter ande­rem das Handelsabkommen TTIP.

Ja, unsere Bürgerinnen und Bürger sind verunsichert. Daher ist es umso wichtiger, ei­ne faktenbasierte, ernsthafte Diskussion zu führen (Abg. Schwentner: Ja, die hat es auch gegeben! Es gab auch einen Entschließungsantrag dazu!), denn immerhin ver­danken wir unsere Lebensqualität der 60-prozentigen Exportquote und immerhin sind die USA unsere drittwichtigste Exportdestination. Im Klartext: Wir sichern dadurch 85 000 Arbeitsplätze in Österreich. Auch gestern in der Akademie der Wissenschaften


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 57

hat Frau Dr. Exner-Wöhrer als Unternehmerin, als CEO, bestätigt, dass sie ihre For­schungs- und Entwicklungsabteilung in Salzburg nur durch ihre Standorte in den USA aufrechterhalten kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Da die europäischen Märkte schwächeln und Russland derzeit aufgrund von Völker­rechts- und Menschenrechtsverletzungen kein verlässlicher Partner ist, müssen wir uns auf Überseemärkte konzentrieren. Dies ist vor allem für Unternehmerinnen und Unter­nehmer durch ein qualitativ hochwertiges Handelsabkommen am einfachsten. (Abg. Pirkl­huber: Was sind da regionalpolitisch ...? Haben Sie sich das schon einmal überlegt, wo die Arbeitsplätze tatsächlich sind?) Wie sich Frau Kommissarin Malmström gestern sowohl in der Aussprache hier im Parlament als auch in der Akademie der Wissen­schaften präsentiert hat, kann man erkennen, dass jetzt auch die heiklen Themen an­gegangen werden.

Was das Thema Transparenz betrifft, so ist – Herr Hable hat es schon angeschnitten – jetzt auch die Hintergrundinformation online. Aber auch hinsichtlich dessen, was Herr Kogler so sehr kritisiert hat – er hat gesagt, dass es ja gar kein SME-Kapitel gibt; das hat er mir mit Zwischenrufen bei meiner letzten Rede mitgeteilt –, sei darauf hingewie­sen: Mittlerweile gibt es das schon länger, und es steht auch bereits online.

Die Standards wurden schon angesprochen, und zum Investitionsschutz ist Folgendes zu sagen: Die Verhandlungen zum Investitionsschutz wurden ausgesetzt, da dieser Konsultationsmechanismus 150 000 Reaktionen gebracht hat. Ich denke, es ist der Kommission eine Lehre – und die Kommissare sind ja keine Realitätsverweigerer –, dass es jetzt heißt, im Bereich Investitionsschutz zurück an den Start zu gehen. Wir ha­ben es auch gestern in der Akademie gehört: Es gibt gute Vorschläge, wie dieser In­vestitionsschutz lösbar ist, der ja auch im Verhandlungsmandat unserer 28 Regierungs­chefs enthalten war.

Herr Hable hat schon die eigenartige Kommunikation in den Parteien angesprochen. Ja, es war eine seltsame Frage des Kollegen Krainer, aber wenn in der Zeitung zu le­sen ist, dass die Kollegin Holzinger eine Tafel, auf der „STOPP TTIP“ steht, zeigt, kon­terkariert das auch das Verhandlungsmandat unseres Bundeskanzlers. Auch innerhalb der FPÖ herrscht keine Einigkeit, denn hier sind Sie dagegen, aber in Brüssel stimmt Vizepräsident Matthias Krenn, Bürgermeister der FPÖ, bei EUROCHAMBRES – ich bin neben ihm gesessen – für TTIP. (Abg. Strache: Was, der Krenn ist in Brüssel?! Der Krenn ist EU-Abgeordneter?!)

Wir brauchen uns vor amerikanischen Konzernen nicht mehr zu fürchten (Abg. Kickl: Doch!), denn Apple, Nike, Microsoft, Google und Co sind hier bereits bestens veran­kert, und auch unsere Großkonzerne wissen, wie man in den USA Geschäfte macht. Ich bin überzeugt davon, dass gerade dieses Handelsabkommen der mittelständischen Wirtschaft zugutekommen wird, denn da geht es um den Abbau von bürokratischen Hürden, von komplizierten Einfuhrbestimmungen und von Doppelgleisigkeiten bei Prü­fungen, was große Chancen bietet. (Zwischenrufe der Abgeordneten Pirklhuber und Steinbichler.) Herr Kollege Steinbichler, Sie vertrauen ja offensichtlich auch unserer Wirtschaftspolitik, denn Sie sind ja nach wie vor Mitglied des Wirtschaftsbundes. (Bei­fall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein qualitativ gut ausgehandeltes TTIP kann zu einer erfolgreichen Konjunkturbelebung führen, Wachstum und Beschäftigung steigern. (Abg. Schwentner: Ihre Wirtschafts­politik ist beängstigend!) Im Gegensatz zu Präsidenten Kaske traue ich unseren Unter­nehmerInnen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu – sie haben es in der Ver­gangenheit bewiesen –, erfolgreich im Export zu sein. Wir sind es unseren arbeitslosen Bürgerinnen und Bürgern in dieser Republik schuldig, diese Chance auch ernsthaft zu nutzen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Pock.)

11.37



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 58

Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter MMMag. Dr. Kassegger. – Bitte.

 


11.37.53

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Die österreichische Bevölkerung hat immer weniger Vertrauen in Sie. Die öster­reichische Bevölkerung hat immer weniger Vertrauen in die Prozesse, die da in Brüssel in der Europäischen Union vonstattengehen. Sie hat immer mehr das Gefühl, dass ganz wesentliche, ihr Leben betreffende Dinge von ein paar Dutzend Verhandlern, Leuten, die von niemandem gewählt worden sind, in irgendwelchen Hinterkämmerchen in Brüssel oder Frankfurt beraten und beschlossen werden. Und die Österreicher ha­ben auch Sorge – begründete Sorge, ich verstehe diese Sorge –, dass ihre Interessen, dass die Interessen Österreichs in diesem Turm zu Babel in Brüssel nicht wirklich gut vertreten werden.

Zu den betroffenen Themen zählen etwa Dinge, die sich ein paar Leute von der Eu­ropäischen Zentralbank ausdenken, dazu zählen Dinge, die sich ein paar Gouverneure im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus ausdenken, und dazu zählen eben auch ein paar Dinge, die sich ein paar Verhandler im Rahmen dieser TTIP-Ver­handlungen ausdenken. All das kostet unvorstellbar viel Geld – Milliarden! – und Tau­sende von Arbeitsplätzen.

Aber ich komme jetzt zu TTIP. Was ist dieses TTIP eigentlich? – Eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft – das sagt schon der Titel. Es ist ja immer wie­der so getan worden, als ob diese Investitionsschutzbestimmungen nur ein unbedeu­tender Nebenteil auf Seite 57 dieses Abkommens wären. Nein, es gibt zwei wesent­liche Komponenten: den Abbau von sogenannten Handelsbeschränkungen – wobei ich da durchaus bei Kollegen Cap bin: da muss man sehr kritisch beurteilen, inwieweit es nicht darum geht, Standards, die wir hier in Europa haben, abzubauen – und diese Investitionsschutzklauseln, uns zwar gleichberechtigt; sonst würde das Abkommen ja nicht TTIP heißen, sondern „TTP“ ohne „I“. „I“ steht ja für diese Investitionsschutzklau­seln.

Wir fordern von SPÖ und ÖVP endlich einmal klare Standpunkte, und zwar zu beiden Bereichen: zum einen zu den Handelsbeschränkungen und zum anderen auch zu den Investitionsschutzklauseln.

Es reicht uns nicht, wenn man unreflektierte Jubelmeldungen von sich gibt, dass wie­der soundso viele Tausende Arbeitsplätze geschaffen werden, das glaubt Ihnen sowie­so keiner mehr. (Beifall bei der FPÖ.) Kollege Hübner ist bereits auf NAFTA einge­gangen – genau das Gegenteil ist eingetreten. Da sind Hunderttausende Existenzen und Arbeitsplätze vernichtet worden.

Unsere freiheitlichen Standpunkte sind da ganz klar, was die Verhandlungen betrifft: Wir wollen keine Privatisierung des öffentlichen Beschaffungswesens, wir wollen keine Aushöhlung des Schutzes sozialer und ökologischer Aspekte bei der Auftragsvergabe, wir wollen das Bestbieterprinzip, wir wollen keinen Abbau von Arbeitnehmerrechten und Arbeitsstandards! Nur so nebenbei: Die Vereinigten Staaten haben die Standards der ILO, also die Standards der International Labour Organisation, nicht unterschrie­ben. Also was erwartet man sich von so einem Abkommen? Das wird doch wohl kaum zu einer Verbesserung dieser Standards beitragen.

Wir wollen keine Verschlechterung für bestehende und zukünftige Klima- und Umwelt­standards. Nur so nebenbei: Die Amerikaner haben das Kyoto-Protokoll nicht unter­schrieben. Also was erwartet man sich für eine Entwicklung? Wir wollen natürlich auch keine Aufweichung der Lebensmittelsicherheit, Stichwort gentechnisch veränderte Le-


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bensmittel und ebensolches Saatgut und Ähnliches; Hormonfleisch, Chlorhuhn – das ist ja alles bekannt.

Wir fordern die Vertreter der Bundesregierung auf, dies auch endlich einmal in aller Deutlichkeit in Brüssel zu deponieren! (Beifall bei der FPÖ.) Nichts davon ist bisher ge­schehen.

Was ist offiziell in Brüssel deponiert? – Offiziell deponiert ist ein unbeschränktes Man­dat ohne jede Einschränkungen, natürlich inklusive Investitionsschutzklauseln, das ist Fakt. Alles andere ist „Kronen Zeitung“-Marketing, geschätzter Herr Bundeskanzler. Die­ses Mandat wurde auch mehrfach bekräftigt, zuletzt vor Weihnachten.

Auch bezüglich des zweiten Hauptbereichs haben wir einen klaren Standpunkt: Wir for­dern ein sofortiges Aus für diese Investitionsschutzbestimmungen und Sonderklags­rechte der Konzerne sowie für die privaten Schiedsgerichte. Also kein Herumeiern wie jetzt. – Zurzeit ist das „frozen“, also es wird eingefroren, man wartet ab, bis sich die Aufregung legt, und bringt das dann wieder durch das Hintertürl. Wir fordern ein sofor­tiges Aus und ein diesbezügliches klares Nein unserer Bundesregierung in Brüssel! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte mit dem Interview der EU-Kommissarin Malmström, das heute im „Stan­dard“ erschienen ist, schließen. Der „Standard“ fragt:

„Der österreichische Kanzler Werner Faymann scheint sehr TTIP-kritisch zu sein. Ha­ben Sie Kontakte?“

Frau Malmström antwortet darauf: „Ich kann nur sagen, dass uns ein Mandat erteilt wurde, TTIP zu vereinbaren, auch von Österreich. Bei drei oder vier Gelegenheiten hat der Europäische Rat, also die Staats- und Regierungschefs, seine Unterstützung an uns einstimmig erneuert. Zuletzt hieß es in den Schlussfolgerungen des EU-Gipfels im Dezember 2014, dass die EU-Kommission TTIP schnellstmöglich fertigverhandeln soll.“

„Fühlen Sie sich von der Regierung in Wien noch unterstützt?“ (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen), lautet eine weitere Frage – letzter Satz, und es ist ein spannen­der Satz –, und die Antwort lautet:

Die österreichische Regierung stand hinter diesen Schlussfolgerungen. Zumindest in Brüssel.“ (Beifall bei der FPÖ.)

11.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Schwent­ner. – Bitte.

 


11.43.19

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Es wurden schon viele Bereiche angesprochen, die dieses TTIP-Abkommen in Zukunft betrifft. Ich möchte die­se noch einmal erwähnen und zusammenfassen und vor allem einen ganz konkreten, für mich wesentlichen Punkt noch anführen.

Es geht um Lebensmittelstandards. Wir alle kennen die Chlorhendln auf den Plakaten, die die „Kronen Zeitung“ auch plakatiert hat, und das ist relativ eingängig und ver­ständlich.

Wir kennen die Probleme aus der Landwirtschaft, die betroffen sein wird; das hat auch Kollege Pirklhuber sehr ausführlich erläutert. Es geht um Hormonfleisch und Genmais, das sind Dinge, die sehr anschaulich und schnell begreifbar sind.

Es geht aber auch um den Umweltschutz, es geht um den Verbraucherinnen- und Ver­braucherschutz, und es geht um Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte, die mir bislang und heute zu kurz gekommen sind.


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Und ein wesentlicher Punkt: Es geht um Demokratie! – Herr Kanzler, das und auch die Schiedsgerichte haben Sie angesprochen, und wenn Sie sich in Brüssel klar und deut­lich dagegen aussprechen und sich dafür einsetzen, dass es da zu Veränderungen kommt, dann freuen wir uns, dass Sie das so machen. Bitte beachten Sie dabei aber, dass eines Ihrer Regierungsmitglieder, nämlich der wesentliche und in allererster Linie verantwortliche Minister Mitterlehner, offensichtlich in eine andere Richtung galoppiert. Das zu verhindern wird wohl Ihre Aufgabe als Kanzler sein. (Beifall bei den Grünen so­wie des Abg. Steinbichler.)

Es kann nicht sein, dass Minister Mitterlehner jetzt hergeht und quasi diese vorläufige Anwendung akzeptiert. Darunter haben wir zu verstehen, dass es auf nationaler Ebe­ne, also direkt in Österreich, vorher beschlossen und umgesetzt wird, bevor es eine in­ternationale Einigung gibt. Das heißt, die nationalen Parlamente – so ist es gestern of­fensichtlich auch mit Kommissarin Malmström angedacht worden – sollen das also zu­erst umsetzen, und wenn Ihre ganze Kraft in diese Richtung geht, Herr Kanzler, gilt es, das zu verhindern und diese vorläufige Anwendung auch wirklich zu unterbinden. (Bei­fall bei den Grünen.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch das Demokratiepolitische auf nationaler Ebene ansprechen. Es ist jetzt knapp vier Monate her, dass wir hier im Parlament die­sen Entschließungsantrag gefasst haben, und ich möchte vor allem die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP daran erinnern, dass das auch auf ihre Initiative hin passiert ist. (Abg. Wöginger: Passt ja eh! Was haben Sie denn für ein Problem?) – Ja, passt ja eh, aber offensichtlich geht es jetzt in eine andere Richtung und passt offensichtlich nicht mehr. (Abg. Wöginger: Was haben Sie denn für ein Problem? – Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Erinnern Sie sich, was Sie initiiert haben, gemeinsam mit den KollegInnen aus der SPÖ, und was vom ganzen Parlament mitgetragen wurde, nämlich dass sich das Par­lament einsetzen möge für hohe Mindeststandards im Umweltbereich und im Arbeit­nehmerInnenbereich und diese auch schützen möge. (Abg. Wöginger: Passt ja eh!) Das Parlament solle sich einsetzen und von der Regierung fordern, dass es zu mehr Transparenz in den Verhandlungen kommt und dass wir bei Abkommen mit Staaten, in denen es entwickelte Rechtssysteme gibt, wie es auch im Antrag drinnen steht – wir verhandeln nämlich mit Kanada und den USA, und da würden wir davon ausgehen, dass es in diesen Staaten demokratische Rechtssysteme gibt –, keine internationalen Schiedsgerichte brauchen, da diese nämlich ganz weit abseits von demokratischen und transparenten Mechanismen verhandeln. (Beifall bei den Grünen.)

Dort wird verhandelt mit AnwältInnen, die stark sind, in die viel Geld von den Konzer­nen fließt, mit Interessen, die die Konzerne unterstützen. (Zwischenruf des Abg. Wö­ginger.) Erklären Sie uns, warum das im Zusammenhang mit Rechtssystemen wie jenen in Amerika und Kanada notwendig sein soll beziehungsweise warum, wenn das in unserem Antrag drinnen steht, Aufweichungen in eine ganz andere Richtung passie­ren.

Was das für ArbeitnehmerInnenrechte bedeutet, möchte ich auch noch einmal sagen. Wir haben sehr lange hier im Nationalrat diskutiert über Lohn- und Sozialdumping, Din­ge, die im ArbeitnehmerInnenschutz, aber auch im Lohnbereich durch Nachbarländer geschehen. Was da passiert, geht noch viel weiter darüber hinaus: Gerade Amerika hat viele der Normen, was die ILO-Abkommen anbelangt, nicht unterschrieben. Es geht dabei um ILO-ArbeitnehmerInnenrechte, nämlich Gründung von Gewerkschaften, Lohngerechtigkeitsmaßnahmen, Mindestlohnmaßnahmen (Zwischenruf des Abg. Prinz) – viele Dinge, die wir nicht unterwandert haben wollen. Wir wollen nicht, dass ArbeitnehmerInnenrechte nach unten nivelliert werden, sondern wir wollen, dass sie


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 61

auf einem Standard bleiben, der angemessen und adäquat ist beziehungsweise ange­hoben wird.

In diesem Sinne, werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP: Legen Sie sich fest! Besinnen Sie sich auf diesen Antrag und setzen Sie sich dafür ein, dass Ihr Minister nicht in jene Richtung geht (Zwischenruf des Abg. Wöginger), die wir hier im Natio­nalrat nicht beschlossen haben! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wöginger: ... nur Un­terstellungen! – Abg. Schwentner – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Keine einzige Unterstellung! – Abg. Wöginger: Da nennen sich die Grünen sachlich und objektiv! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

11.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Weigerstor­fer. – Bitte.

 


11.48.41

Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Hohes Haus! Wir haben in den vergangenen Minuten sehr viel über TTIP diskutiert und sehr, sehr viel gehört. Fakt ist, es geht um Spekulationen, um geleakte Verhand­lungsdokumente, um Täuschungen, um konträre Aussagen.

Die Frage ist: Was und vor allem wem kann man eigentlich betreffend TTIP überhaupt noch glauben? (Ruf bei der ÖVP: Frank!) Die EU und die USA beschuldigen sich ge­genseitig, gegen die Veröffentlichung von Verhandlungsinhalten zu sein. Jetzt hat man da ein bisschen gegengesteuert, immerhin sind schon 30 Dokumente veröffentlicht wor­den, aber das ist auch nur eine Pro-forma-Handlung. Von diesen 30 veröffentlichten Dokumenten sind de facto nur sechs tatsächliche Verhandlungsdokumente – auch hier an der Oberfläche eine Täuschung.

Kommen wir zur österreichischen Position zu TTIP. – Da gibt es auch einige konträre Aussagen. Zum einen sagt Faymann etwas anderes als Mitterlehner: Faymann braucht keine Investorenschutzklausel, Mitterlehner hingegen ist dafür, und auch bei den öster­reichischen Positionen zu GVO gibt es unterschiedliche Aussagen. Die Wirtschafts­kammer spricht sich – nämlich im Namen Österreichs – für GVO aus. Sie sehen also, hier sind doch einige Sachen sehr, sehr zwiespältig, und ich glaube, es ist Zeit, hier endlich ein bisschen Licht in das Ganze zu bringen. (Beifall beim Team Stronach.)

Natürlich stellt sich diesbezüglich die Frage, ob wir das überhaupt können, denn nach wie vor werden die Verhandlungen über die meisten Inhalte nicht transparent geführt. Selbst der Marketingausflug von EU-Kommissarin Malmström gestern ist ein weiterer Beitrag zur allgemeinen Verwirrung. Auch da werden wieder nur Spekulationen ge­schürt.

Fakt ist, wir bekommen damit ein Geschenk, ein Packerl, das aber die Mehrheit der Österreicher gar nicht will. Und das, was die Regierung macht, ist, dass sie ein biss­chen am Geschenkpapier, an den Mascherln herumverändert.

Kommen wir bitte zum Inhalt, und dieser Inhalt ist aus momentaner Sicht eigentlich sehr, sehr deprimierend und wirklich zu hinterfragen. Offiziell soll dieses TTIP sozusa­gen als „living agreement“ gestaltet werden. Das bedeutet nichts anderes, als dass ein ständiges Herumfeilen am Vertragstext auch nach der Ratifizierung möglich ist, also kleine Veränderungen können schleichend und permanent vollzogen werden.

Weiters befürwortet die EU-Kommission ein Fast-track-Verfahren. Wissen Sie eigent­lich, was dieses Fast-track-Verfahren ist? – Dadurch können nämlich permanent Ände­rungen am Vertragstext, wie zum Beispiel das Hinzufügen von Anhängen – und das Ganze noch dazu ohne Zustimmung von nationalen Parlamenten –, vollzogen werden. (Ruf bei der SPÖ: Nein!) Das heißt alles in allem: Wer unterzeichnet einen Vertrag


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(Zwischenruf des Abg. Krainer), dessen Inhalt wir zum einen nicht kennen, dessen Umfang ständig erweitert werden kann und wo bei dem Ganzen noch nicht einmal klar ist, ob wir überhaupt mitsprechen können?

Es ist toll, dass wir heute hier darüber reden, es ist ganz, ganz wichtig, dass wir infor­mieren, aber letztendlich ist die Frage, ob wir hier auch mitreden können. Es ist nach wie vor nicht klar, ob es sich dabei tatsächlich um ein gemischtes Abkommen handelt. Es gibt zwar immer wieder Aussagen in die Richtung, aber ich möchte hier einen O-Ton von Kommissar Oettinger als kleine Rute ins Fenster stellen. Er sagte vor gar nicht allzu langer Zeit, nämlich vor wenigen Monaten, Folgendes:

Wir wären ja blöd, wenn wir ein Abkommen, nämlich TTIP, machen würden, dem alle 28 Mitgliedstaaten der EU noch zustimmen müssten. – Also dieser O-Ton spricht sehr gegen ein gemischtes Abkommen.

Ebenfalls oft angesprochen wurde die Investorenschutzklausel: Ich meine, da können wir überhaupt nicht mehr darüber reden, ob wir diese jetzt wollen oder nicht. Sie alle wissen, diese Klausel ist in CETA enthalten, CETA ist in der Ratifizierungsphase, das heißt, dieser Zug ist abgefahren.

Zwei Anliegen habe ich noch. Das eine ist: Reden wir weiter darüber! Es wird gut sein, ich fürchte nur, wir werden hier nicht mehr sehr viel verändern können. Das, worum ich aber bitte, ist Folgendes: Im Vergleich zu den Standards, die wir hier in Österreich ha­ben – und hier auch ein kleiner Hinweis auf diese Entschließung des Nationalrates, die wir als Team Stronach damals nicht mitgetragen haben, weil sie einfach viel zu wenig weit geht (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen) –, sind diese Mindeststandards des Abkommens schon eine Absenkung.

TiSA wird derzeit nicht besprochen, das Abkommen geht in eine ähnliche Richtung wie CETA und TTIP. Ich bitte die Regierung, dort wenigstens nicht zu verschlafen (Präsi­dent Hofer gibt neuerlich das Glockenzeichen) – einen Satz noch, Herr Präsident – und da rechtzeitig aktiv zu werden.

Zusätzlich fordere ich eine persönliche Haftung der Politiker, die hier federführend für TTIP sind, sie sollen dann auch dafür haftbar gemacht werden. – Danke schön. (Beifall beim Team Stronach.)

11.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pock. – Bitte.

 


11.54.28

Abgeordneter Michael Pock (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Re­gierungsmitglieder! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Ich möchte anschließen an das, was mein Kollege Hable ge­sagt hat, nämlich betreffend die Transparenz, aber auch die Ehrlichkeit, mit der wir die­ses Thema im österreichischen Parlament behandeln.

Wenn man hier der Debatte zuhört, hört man sehr viel Anti-Amerikanismus heraus, man hört sehr viel Unehrlichkeit heraus. Und was sehr überraschend ist – es war ja an sich ein Thema, das die Opposition stark betrieben hat –: Die tatsächlich inhaltlich qua­litativsten Aussagen sind heute vonseiten der ÖVP, vom Kollegen Auer, wie auch vom Bundeskanzler gekommen und nicht von der Opposition. Das muss man schon ganz klar sagen. (Beifall des Abg. Scherak sowie bei der ÖVP.)

Hier wird tatsächlich mit der Unwahrheit Panik geschürt, zum Beispiel im Bereich der Konsumentenrechte, wo behauptet wird, dass plötzlich ganz andere Produkte da sein werden als bisher. Das wird nicht passieren! Im Freihandelsabkommen ist jetzt schon vereinbart – das ist einer der wenigen Pfeiler, der besteht –, dass die Konsumenten­rechtsstandards auf beiden Seiten des Atlantiks weiterhin eingehalten werden müssen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 63

(Abg. Pirklhuber: Indirekt! Indirekt! Preisdumping!) Die Produkte werden nicht schlech­ter. Die Sorge der Landwirtschaft muss natürlich trotzdem sehr ernst genommen wer­den.

Der zweite Punkt: Sie reden jetzt betreffend die Landwirtschaft über die Gentechnik und über den Anbau von gentechnisch modifizierten Pflanzen in Österreich – das klappt keinesfalls. (Abg. Pirklhuber: Wir werden schauen!) Wir haben heute später auf der Tagesordnung einen Beschluss des Europäischen Parlaments, dass die Nationalstaa­ten das Selbstbestimmungsrecht haben. Wir bauen in Österreich an, was wir wollen! (Abg. Pirklhuber: Das ist ein bisschen blauäugig!) Das kann uns auch ein Freihandels­abkommen in Zukunft nicht mehr verderben, das klappt nicht. (Beifall bei NEOS und ÖVP.) – Das ist genauso ein Thema, das nicht stimmt.

Stichwort Kultur: Wir haben Sorge, dass uns plötzlich Hollywood überrollt. Gott bewah­re! Irgendjemand hat vielleicht einmal „House of Cards“ gesehen und ist auf blöde Ideen gekommen. Tatsächlich ist es so, dass der Kulturbereich aus dem Freihandels­abkommen zur Gänze herausgenommen worden ist. Über diesen Bereich verhandeln wir gar nicht.

Das heißt, wir diskutieren, wir machen Panik bezüglich Chlorhühner, die niemals im­portiert werden dürfen, bezüglich Genmais, der nicht angebaut werden darf (Abg. Pirklhuber: 45 000 Tonnen Rinder!), betreffend den Kulturbereich, der ohnehin aus­genommen ist, und versuchen, darüber ein Freihandelsabkommen tatsächlich zu stür­zen. (Beifall bei den NEOS.)

Wir haben aber natürlich auch sehr konstruktive Vorschläge gemacht. Wir sind nicht der Meinung, dass es diese Investorenschutzklausel braucht, die bisher Standard war. Was wir als Lösung für verfahrene Situationen vorgeschlagen haben, ist die Errichtung eines Internationalen Handelsgerichtshofs nach bereits bestehendem Vorbild, bei dem unter anderem auch ein Experte aus dem Bereich Umwelt und ein Experte oder eine Expertin aus dem Bereich Arbeitsrecht Teil der Richterschaft sein müssen. Das wäre ein konkreter Vorschlag, den man dem Herrn Bundeskanzler auch in einem Verhand­lungsmandat nach Brüssel mitgeben kann.

Die Frage ist also: Warum Freihandel und welche Form von Freihandel? Wir NEOS ha­ben eine sehr klare Vision von dem Freihandelsabkommen, das jetzt nicht unbedingt die Form von TTIP haben muss, wie wir es heute diskutiert haben.

Wir sehen einen gemeinsamen Wirtschaftsraum mit Nordamerika, insbesondere mit den Vereinigten Staaten, in diesem Abkommen. Wir sehen einen gemeinsamen Wirt­schaftsraum von mehr als 800 Millionen Menschen, zwei Wirtschaftsräume, die beide zu den derzeit dominierenden in der Weltwirtschaft zählen und in einer Zusammen­arbeit, in einer Kooperation, über die Wirtschaftsdaten hinaus dominierend sein kön­nen, indem wir über die Schaffung von Wohlstand im klein- und mittelständischen Un­ternehmensbereich und die Schaffung von Wohlstand bei Arbeitnehmerinnen und -neh­mern international, in der Weltpolitik tatsächlich einen weit über den Wirtschaftsbereich hinausragenden Beitrag zu Demokratie und Transparenz leisten können. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

11.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

11.58.25Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsord­nung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 64

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 3475/J bis 3480/J

Zurückziehungen: 3451/J bis 3454/J sowie 3462/J

2. Anfragebeantwortungen: 2907/AB bis 2996/AB

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnis­se der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekom­beteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) und das Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilitätsge­setz-FinStaG) geändert werden (ÖBIB-Gesetz 2015) (458 d.B.)

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 2014 (Vorlage 51 BA)

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Finanzausschuss:

Protokoll zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik China über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitio­nen (455 d.B.)

Kulturausschuss:

Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (456 d.B.)

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Justizausschuss:

Bericht des Bundesministers für Justiz betreffend Jahresvorschau des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2015 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des italienischen, lettischen und luxem­burgischen Ratsvorsitzes (III-137 d.B.)

*****

11.58.36Ankündigung eines Dringlichen Antrages

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Klub NEOS hat gemäß § 74a Abs. 2 der Ge­schäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum glei­chen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 855/A(E) der Abgeordneten Schell­horn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offensivpaket „Unternehmerisches Öster­reich“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt wer­den.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 65

11.58.57Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2864/AB

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ebenso vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 2864/AB der Anfrage 3026/J der Abgeordneten Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherheitsoffensive für Österreich: Aufgriffe von unrechtmäßigen Zuwanderern“ durch die Frau Bundesministerin für Inneres abzuhal­ten.

Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrages verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 6 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 81, FPÖ 75, Grüne 63 sowie Team Stronach und NEOS je 33 Minuten.

Wir kommen sogleich zu Abstimmung über die soeben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbe­zügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

12.00.141. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (445 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Allgemeine bürger­liche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015) (450 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erste Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. Ich erteile es ihr.

 


12.00.36

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren hier im Haus und zu Hause an den Bildschirmen! Wir haben jetzt das neue Fortpflanzungsmedizinrechtsgesetz zu debattieren, und ich muss ehrlicherweise sagen, ich glaube, es ist ein sehr schwarzer Tag für diese Republik Österreich – ein schwarzer Tag für die Familien und die zukünftigen Kinder in dieser Republik Öster­reich! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Lassen Sie mich zunächst einmal auf Folgendes eingehen: Es gab ein Höchstgerichts­urteil, das festgestellt hat, dass es eine Ungleichbehandlung zwischen homosexuellen Menschen und heterosexuellen Menschen gibt. Es hat ein lesbisches Paar geklagt, und dann wurde das festgestellt. Als Reaktion darauf passiert nichts anderes, als dass


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 66

wir sofort wieder hinterherhoppeln und das Gesetz für homosexuelle Paare weiter auf­machen, nämlich in diesem Fall für lesbische Paare die künstliche Befruchtung be­schließen.

Es ist dies ein Spiel der Politik, das hier gerade getrieben wird: Wir öffnen die Gesetze, wir liberalisieren im Bereich des Adoptionsrechts und auch im Bereich der künstlichen Befruchtung die Gesetze immer weiter. Das heißt, dass es Alleinstehenden immer mehr möglich ist, bestimmte Dinge zu tun, nämlich: Es dürfen Alleinstehende Kinder adoptieren, und es dürfen sich Unverheiratete einer künstlichen Befruchtung unterzie­hen. Dazu werden die Gesetze aufgemacht – auch mit den Stimmen der ÖVP, die gleichzeitig draußen sagt: Wir wollten das ohnehin nicht, aber das Gericht hat leider festgestellt, dass es eine Ungleichbehandlung ist!

Diese Ungleichbehandlung ist von Ihnen bewusst gemacht worden, denn Sie wissen ganz genau, dass Ihre Wähler, wenn Sie es draußen verkünden würden, wenn Sie es fordern würden, damit nicht einverstanden wären. (Beifall bei der FPÖ.) Daher versu­chen Sie, die Verantwortung abzuschieben, die Verantwortung den Gerichten umzu­hängen, die letzten Endes auf Basis der von Ihnen beschlossenen Gesetze ihre Urteile machen. Darüber sollten Sie einmal nachdenken – und vor allem die Wähler! (Beifall bei der FPÖ und des Abg. Franz.)

Jetzt zu etwas, was wirklich ein Novum ist: Dieses Gesetz lässt in Österreich keinen kalt. Wir haben – und es gibt viele Gesetzesmaterien, die eine bestimmte Berufsgruppe betreffen, wo wir als Abgeordnete viele E-Mails bekommen – über 700 000 E-Mails be­kommen von Menschen aus Österreich, die sich gegen dieses Gesetz ausgesprochen haben, und das ist nicht der rechte Rand, das ist nicht der rechts-konservative Rand, sondern das sind Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die Angst haben vor diesem Gesetz, weil hier die Büchse der Pandora geöffnet wird, die wir dann überhaupt nicht mehr werden handeln können. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Ich möchte schon auch an das Gewissen jedes einzelnen Abgeordneten hier herinnen appellieren – wirklich an das Gewissen jedes einzelnen Abgeordneten! –, bei der Ab­stimmung nicht hinauszugehen und zu sagen: Na ja, ich war da eh nicht dabei!, son­dern dagegen zu stimmen, denn nur dann ist es eine Stimme, die wirklich dagegen ist. Hinausgehen ist ein feiger Akt! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.) Hinausgehen kann ich dann, wenn ich nicht genau weiß: Soll ich, soll ich nicht?

Jetzt zum Inhalt dessen, was wir hier kritisieren: Es wird mit diesem Gesetz ja nicht nur die künstliche Befruchtung für lesbische Paare erlaubt, da gibt es eben das entspre­chende Urteil, wo man im Übrigen auch anders hätte handeln können, sondern es wer­den da auch noch weitere Punkte beschlossen.

Punkt eins: Eizellenspende. – Die Eizellenspende soll jetzt erlaubt werden. Man tut da geradewegs so, als wäre das mit einer Samenzellenspende vergleichbar. Das ist es natürlich nicht. Denn: Frauen müssen sich da einem ordentlichen Prozedere unterwer­fen. So bekommen sie davor hohe Hormondosen. Das geht im Übrigen auch auf die Gesundheit der Frauen, und ich habe bereits im Gesundheitsausschuss angemerkt, was mich da massiv stört, und das stört mich vor allem in Bezug auf jene Frauen­rechtlerinnen, die immer sagen, sie setzen sich so für die Frauen ein. Und zwar: Es gibt da keine Obergrenze! Jede Frau zwischen 18 und 30 Jahren kann eine Eizelle spenden, und zwar so oft sie möchte, nämlich einmal im Jahr, wenn es möglich ist, so­gar zweimal im Jahr. Aber wir wissen alle – und wir haben es sogar vor einigen Jahren hier herinnen diskutiert –, dass die Hormonstimulierung eine massive Gesundheitsge­fährdung darstellt, und zwar vor allem für hormoninduzierte Tumorerkrankungen. So wird das Brustkrebsrisiko bei Frauen durch genau diese Stimulation massiv erhöht.


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Da hätte ich mir – Frau Bundesministerin, da bin ich jetzt bei Ihnen! – von Ihnen als Gesundheitsministerin erwartet, dass Sie, wenn Sie das alles schon zulassen, da zu­mindest eine Grenze einziehen, nämlich dass eine Frau maximal dreimal Eizellen spenden darf. Ich weiß schon, das wird nicht bezahlt, aber es gibt eine Aufwandsent­schädigung. Kolportiert wird die Summe von 1 500 €, so viel wird wahrscheinlich in et­wa bezahlt werden. Das ist natürlich für viele Frauen verlockend, vor allem für Frauen, die wenig Geld haben. (Ruf:  Aufwand!)

Es ist schön, wenn Sie sagen, das wird nicht so sein. Nur: Sie bekommen Geld, wenn sie Plasma spenden, sie bekommen Geld, wenn sie Samenspenden abgeben. Und na­türlich wird es auch für die Eizellenspende eine entsprechende Aufwandsentschädi­gung geben. Und natürlich ist das gerade für Frauen, die wenig Geld haben, eine in­teressante Einnahmequelle. Ich sage Ihnen ehrlich: Als ich studiert habe, hat es viele, viele Studenten gegeben – mich eingeschlossen –, die damals bei Medikamentenstu­dien mitgemacht haben, weil gesagt wurde, es sei ohnehin alles ungefährlich. Man hat damit relativ leicht Geld „verdient“ – unter Anführungszeichen!

Genauso wird das jetzt sein: Man wird den Frauen sagen, es sei eh alles sicher, denn unsere Ärzte arbeiten nach den höchsten medizinischen Standards. – Ja, tun sie, ich will das jetzt auch überhaupt nicht kritisieren oder gar behaupten, dass die Standards nicht eingehalten werden, die Frage ist nur die: Wie schaut es aus mit den Mittel- be­ziehungsweise Langzeitfolgen, die diese Frauen haben werden? – Dazu hätte ich mir schon etwas erwartet! (Beifall bei der FPÖ und des Abg. Franz.)

Bei der Eizellenspende ist ja noch ein zweiter Faktor ganz wesentlich, das ist nämlich die Überstimulierung. Das können Sie bei diesem Gesetz gar nicht ausschließen, Sie können überhaupt nicht sehen, wie weit Frauen stimuliert werden. Auch da hätte man eine Grenze einziehen können, indem man gesagt hätte: Pro Stimulierung dürfen einer Frau maximal fünf oder sechs Eizellen entnommen werden! Dann gibt es nämlich kei­nen Grund mehr, Frauen zu überstimulieren. All das ist unterblieben! Dazu hätte ich mir von Ihnen als Gesundheitsministerin schon etwas erwartet im Sinne der Frauen, die Eizellen spenden werden. Das muss ich Ihnen, Frau Bundesministerin, schon sa­gen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Beim Punkt Eizellenspende möchte ich auch noch an die Gesundheitssprecher der Grü­nen appellieren: Sie haben vorgestern in einem Pressedienst geschrieben, in Bezug auf Auswirkungen auf Identitätsentwicklung, Bindungsprobleme, Beziehungsabbrüche, Probleme in der Pubertät hätten Sie gerne eine psychologische Beratung, und die kos­tenlos.

Wenn Sie wissen, welche Folgen das alles hat, dann sollten Sie doch einmal überle­gen, ob es sinnvoll ist, ein solches Gesetz zu beschließen, wenn Sie jetzt schon sagen, diese Probleme werden auf uns zukommen! Also das ist doch bitte ein Widerspruch in sich! Ich kann doch nicht einem Gesetz die Zustimmung geben, wissend, dass es ei­nerseits keine psychologische Beratung diesbezüglich gibt und andererseits die Pro­bleme auf uns zukommen werden. Das ist meines Erachtens unverantwortlich, wenn Sie, Frau Kollegin Mückstein, sich dessen ohnehin bewusst sind. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Punkt zwei, der in diesem Gesetz jetzt mit beschlossen wird, ist die sogenannte Prä­implantationsdiagnostik. Da gibt es natürlich unterschiedliche Aspekte, und ich versu­che das jetzt ein bisschen aufzugliedern.

Frau Bundesminister, ich weiß, Sie werden sagen, Sie möchten keine Schwanger­schaft auf Probe. – Ja, das verstehe ich, da gebe ich Ihnen recht. Und: Ja, es gibt bei der Präimplantationsdiagnostik unterschiedliche Ansätze.

Es gibt Eltern, die genetisch vorbelastet sind, die haben vielleicht schon ein behinder­tes Kind oder haben in der Familie viele Behinderte, die möchten schon vorher Be-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 68

scheid wissen, denn sie möchten keine Schwangerschaft auf Probe, wo sie dann sa­gen: Okay, jetzt wissen wir, das Kind ist krank, wir treiben es ab! Da gebe ich Ihnen schon recht.

Aber: Auch da liegt es im Detail! Nämlich: Wir haben eine Präimplantationsdiagnostik, wo man teilweise nicht einmal weiß, wonach man sucht. Wenn es Punkte gibt, wo es heißt, dass man eventuell davon ausgeht, dass irgendwo ein genetischer Defekt ist, und es besser ist, dass die Frau nicht schwanger wird, so muss ich sagen: Das ist so schwammig geschrieben, dass man sagen kann, dass man eigentlich nicht weiß, wo­nach man sucht!

Also da, Frau Bundesminister, sage ich Ihnen ganz ehrlich: Da hätte ich mir schon eine Präzisierung gewünscht. Und die Frage wird auch sein: Wenn man eine Präimplanta­tionsdiagnostik macht, was wird man denn dann noch alles finden, wonach man ei­gentlich gar nicht sucht? Wie schaut es denn da mit der Auskunftspflicht des Arztes aus? Was passiert denn dann?

Wir haben ja im Ausschuss beim Experten-Hearing gehört, die befruchteten Eizellen, die nicht eingepflanzt werden, weil sie möglicherweise eine genetische Disposition auf­weisen oder auch weil sie zu viele sind, weil man sie nicht braucht, denn es soll ja der Transfer auf maximal zwei Embryonen beschränkt werden, werden nach fünf Jahren vernichtet.

Also ich muss Ihnen schon sagen, Frau Bundesminister: Das ist ein Umgang mit dem Leben, da wird einem schon ein bisschen schwummrig! Da gehen wir in eine Richtung, wo wir irgendwann das nicht mehr werden handeln können. Und wenn man nach Eng­land schaut, wo über eine Million Embryonen eingefroren liegen, die irgendwann ver­nichtet werden, muss man sich fragen: Wo endet denn das? Wollen wir das denn ei­gentlich wirklich? (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Einen Punkt, über den wir auch im Ausschuss eine Debatte ausgelöst haben, möchte ich noch kurz ansprechen. Wir hatten als Experten den Professor Hengstschläger im Ausschuss, der uns dort großartig erzählt hat, wie spitze das nicht jetzt alles sei, alles wäre super! Dieser Professor wurde ja auch durch die Medien gezerrt, und er betont überall, wie sicher diese Methode wäre und dass es das beste Gesetz überhaupt sei.

Sein Statement hat mich dennoch weiter in meiner Meinung bestärkt, dass dies genau der falsche Weg ist. Er hat nämlich einerseits vom Beginn einer Befruchtung, anderer­seits vom Ende einer Befruchtung gesprochen, und dazwischen können wir dann alles feststellen. Das sei völlig legal und werde in Österreich seit zehn Jahren gemacht. – Wenn das so ist, dann ist ja seit zehn Jahren etwas gemacht worden, wovon of­fensichtlich keiner etwas weiß! Es wurden hier genetische Dispositionen festgestellt und künstlich befruchtete Eizellen verworfen!

Unter anderem wurde auch ein erhöhtes Brustkrebsrisiko festgestellt! In diesem Zu­sammenhang sage ich schon: Seien wir froh, dass die Eltern der US-amerikanischen Schauspielerin Angelina Jolie sich nicht dieser PID unterzogen haben oder dieser Pol­körperdiagnostik, sonst gäbe es sie auf dieser Welt nicht! Eine genetische Disposition kann doch kein Grund sein, eine befruchtete, ansonsten gesunde lebensfähige Eizelle zu verwerfen! Eine Disposition heißt auch noch nicht, dass eine Krankheit ausbricht! (Abg. Musiol: unmöglich!)

Daher würde ich schon meinen, man muss hier auch ein bisschen vorsichtiger sein, was man hier wirklich zulässt, was man hier erlaubt und was ein Grund sein kann, dass möglicherweise keine Schwangerschaft zustande kommt oder dass eine Eizelle sozusagen als „krankhaft“ gilt.

Meiner Meinung nach ist dieses Gesetz insgesamt – so, wie es ist – in vielen, vielen Punkten sehr mangelhaft, wirklich mangelhaft! Ich vermisse auch den Aufschrei von


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Frauenrechtlerinnen, den vermisse ich wirklich! Denn dies geht in Richtung einer Aus­beutung von Frauen, vor allem von armen Frauen. In diesem Bereich hat es bis heute keine Nachschärfung gegeben, ich habe das auch bereits im Ausschuss moniert! Ich würde wirklich bitten, dass man sich das noch ernsthaft anschaut, sonst haben wir wahrscheinlich in einigen Jahren sehr, sehr viele Frauen, sehr viele Eizellenspende­rinnen, die an Tumorerkrankungen erkranken. Das kann ja wohl nicht im Sinne des Er­finders sein! Aber auch im Bereich der PID sollte man sich genau überlegen und genau kontrollieren, inwieweit hier dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet werden.

Noch etwas möchte ich sagen, und zwar in Ihre Richtung, Herr Justizminister Brand­stetter, und in Richtung der ÖVP: Jedes Gerichtsurteil eröffnet zwei Möglichkeiten. Wir können entweder alles öffnen – sowohl für Homosexuelle als auch alle anderen –, oder wir verschärfen die Gesetze für die Heterosexuellen. Ich sage das jetzt auch im Hin­blick auf das Urteil zum Adoptionsrecht, das vorige Woche ergangen ist: Auch da muss man nicht sofort das Adoptionsrecht für alle öffnen, man könnte es auch für verhei­ratete Paare verschärfen. Überlegen Sie sich das gut! (Beifall bei der FPÖ und bei Ab­geordneten des Teams Stronach.)

12.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Mag. Schieder. – Bitte.

 


12.12.47

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Zuschauer an den Fernsehgeräten und auf der Besuchergalerie! Ein herzliches Willkommen an die PensionistInnengruppe aus St. Pölten! Es freut mich aber auch, dass sehr viele Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Bereich der Homosexuellengleichstellung und Antidiskriminierung gekommen sind und heute dieser Debatte beiwohnen – vermutlich auch deshalb, weil sie sich über diesen Schritt freuen! (Abg. Kickl: Zu Hause sitzt die schweigende Mehrheit!)

Ganz besonders freut es mich auch, dass Dr. Helmut Graupner uns auf der Galerie zuhört: Er ist jener Rechtsanwalt, der es durch sein couragiertes Vorgehen vor den Höchstgerichten ermöglicht hat, dass wir jetzt ein höchstgerichtliches Urteil haben, wel­ches es möglich macht, dass wir dieses Gesetz so sanieren, wie wir das schon seit Langem wollen. Auch dafür herzlichen Dank an ihn auf der Besuchergalerie! (Beifall bei SPÖ und Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich bin eigentlich nicht Mitglied des Gesundheitsausschusses und auch nicht des Jus­tizausschusses. Dieses Gesetz stellt jedoch für mich als Klubobmann meiner Fraktion und für mich persönlich einen wichtigen Schritt dar. Ich habe mich daher gemeldet, um zu dokumentieren, dass uns diese Beseitigung von Diskriminierung, die es im Gesetz bisher gab, ein über die medizinischen und juristischen Fragen hinausgehendes gesell­schaftliches Anliegen ist.

Es hat lange gedauert. Wir haben den Verfassungsgerichtshof beziehungsweise den Europäischen Gerichtshof als Hilfe gebraucht. Aber auch wenn es lange gedauert hat, muss man betonen, dass es ein wichtiger Schritt ist. Es bringt eine Verbesserung für viele Betroffene, auch in medizinischer Hinsicht. Denn die Realität bei Frauen, die kei­nen Partner haben oder in gleichgeschlechtlichen lesbischen Beziehungen leben und trotzdem einen Kinderwunsch haben, hat bisher dazu geführt, dass sie am Rande der Legalität, in der Illegalität, versucht haben, dies selbst zuwege zu bringen. (Zwischen­ruf des Abg. Kickl.) Ich glaube daher, es ist sinnvoll, die Erfüllung dieses Kinderwun­sches in Zukunft unter legaler medizinischer Betreuung zu ermöglichen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die künstliche Befruchtung für lesbische Paare heute und hier möglich zu machen!


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In Bezug auf den zweiten Teil, die Präimplantationsdiagnostik, ist zu sagen, dass wir in Europa bisher ein Nachzügler waren. Es ist wichtig, diese Diagnostik – unter strengs­ten Kriterien und Auflagen! – auch zu ermöglichen. Damit erfüllen wir, so glaube ich, auch eine alte frauenpolitische Forderung. Es ist daher von großer Bedeutung, dass wir heute dieses Gesetz beschließen.

Der zweite Punkt, den ich ansprechen will, betrifft die Adoption durch homosexuelle Paare. Der Verfassungsgerichtshof hat mit den jüngsten Erkenntnissen der letzten Ta­ge, nämlich die Adoptionsmöglichkeit auch für homosexuelle Paare zu öffnen bezie­hungsweise das Adoptionsverbot aufzuheben, weitere Fragen in diesem Bereich auf­geworfen.

Einerseits wird es am Hohen Haus liegen, diese Fragen zu lösen. Doch andererseits sollten wir auch einmal darüber diskutieren, warum wir uns so schwertun. Warum brau­chen wir, obwohl viele der Parteien – und unsere, die SPÖ, schon seit Langem – dafür sind, diese Fragen gesetzlich zu regeln, immer wieder höchstgerichtliche Urteile, bis wir als Gesetzgeber in der Lage sind, solche Entscheidungen zu treffen? Mir ist es generell – egal, welche Frage es betrifft – lieber, der Gesetzgeber wird von sich aus aktiv, als dass er durch höchstgerichtliche Urteile dazu gezwungen oder vor vollendete Tatsachen gestellt wird.

Daher appelliere ich an die Abgeordneten, die sich hier schwertun, sich einen Ruck zu geben und diese gesellschaftliche Realität, die es bereits gibt, anzuerkennen und für viele Betroffene, die sich in vielen Fragen unseres Gesellschaftsrechtes diskriminiert füh­len und diskriminiert sind, Verbesserungen zu schaffen, ohne dass irgendein anderer in heterosexueller Partnerschaft Lebender davon negativ betroffen wäre. Das wäre mein Appell! Gleichzeitig freue ich mich aber über den heutigen Gesetzesbeschluss. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

12.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


12.17.04

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (STRONACH): Wertes Präsidium! Hohes Haus! Sehr geehrte Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und vor den Fern­sehschirmen! Wir sind ganz klar gegen dieses Gesetz, weil dieses Gesetz ethisch nicht akzeptabel ist und weil dieses Gesetz die Kinderrechte missachtet. Die Kinderrechte sind in der UNO-Kinderrechtskonvention und in unserer Verfassung festgeschrieben. Im Artikel 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern steht ganz klar: Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, muss das Kindeswohl die vorrangige Erwägung sein.

Im vorliegenden Gesetz werden die Kinder nicht einbezogen, es geht vorrangig um die Wünsche potenzieller Eltern. Weiters wird eine Kraut- und Rüben-Elternschaft propa­giert, genetische Eltern werden mit sozialen Eltern vermischt und so fort. Wir gehen hier in die Richtung einer Beliebigkeit, die sich liberal nennt, aber am Ende nur ein Chaos und enttäuschte Menschen hinterlässt. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Ich muss hier leider auch meine Enttäuschung gegenüber der ÖVP ausdrücken: Ihr wart immer eine Familienpartei, ihr seid es ab nun nicht mehr! (Zwischenruf der Abg. Musiol.)

Zum Punkt der Ethik und der ethischen Gründe, warum wir dieses Gesetz ablehnen, ist vor allem die PID, die Präimplantationsdiagnostik, zu erwähnen. Mit der PID wird die Eugenik noch mehr gesellschaftsfähig. Wir haben bereits die embryopathische Indika­tion zur Abtreibung: Wir dürfen Behinderte abtreiben, bis kurz vor der Geburt! Die PID ist eine Erweiterung und gleichzeitig eine Verharmlosung dieser eugenischen Maßnah­men, denn man tut so, als ob man mit der PID jetzt die furchtbaren Fetozide, die auf-


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grund von Behinderungen stattfinden, zurückdrängen könnte, weil man ja eh schon frü­her abtreibt.

Man muss aber wissen: Die PID ist, auch wenn sie eine medizinische Maßnahme ist, keine heilende Maßnahme, sondern eine Diagnostik, die zur Tötung, zur Vernichtung von menschlichem Leben führt! Das muss man wissen, wenn man hier abstimmt.

Das Hauptproblem der PID ist, neben dem bisher Genannten: Wir unterscheiden hier ganz klar zwischen wertem und unwertem Leben! Das unwerte Leben darf getötet werden, und, meine Damen und Herren, das ist die schwerste Diskriminierung, die es überhaupt auf dieser Welt gibt! Was ist das, bitte schön, für ein Signal für die Eltern von Behinderten, für die behinderten Menschen auf dieser Welt, wenn wir hergehen und sagen: Okay, das ist in Ordnung, macht alles, was behindert ist, weg!? – Das ist aus meiner Sicht verabscheuungswürdig. (Beifall beim Team Stronach und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Gerade die Sozialdemokratie ist immer so gegen Diskriminierung, da wird um jede ver­meintliche oder auch echte Diskriminierung ein Gschisti-Gschasti gemacht bis zum Gehtnichtmehr, da wird herumgetan. Das passt doch alles nicht zusammen: Auf der ei­nen Seite Übersensibilität, wenn es irgendwo nur einen leichten Trend zu einer Diskri­minierung, einer Vielleicht-Diskriminierung gibt, da regen wir uns auf, aber da, bei der PID: Das sind ja nur defekte Zellen – ab damit in den Kübel, wenn es nicht passt!

Das halte ich für eine Doppelmoral und eine Heuchelei – bei allem Respekt gegenüber der Sozialdemokratie. (Ruf bei der SPÖ: Doppelmoral ist es keine! ) Vielleicht ist das auch etwas, was in den Genen der Sozialdemokratie steckt. Wir alle kennen den Säu­lenheiligen Julius Tandler, ein großer Sozialdemokrat. Herr Julius Tandler war erklärter Eugeniker, und ich darf ihn zitieren:

„Das gesamte Bestreben der Eugenik kann nur auf zwei Momente hinauslaufen: die Gesunden () in der Fortpflanzung zu begünstigen, die Minderwertigen von ihr auszu­schließen.“ Die Ausrottung der Minderwertigen ist das Ziel. Julius Tandler, seines Zeichens Sozialdemokrat. (Abg. Kickl: O ja, nach dem sind immer noch Plätze be­nannt! Medaillen werden nach ihm benannt!) Und er hat sogar gesagt, er ist explizit für die Tötung von behinderten Neugeborenen. (Ruf bei der SPÖ: Vollkommen falsch, was Sie da daherreden!)

Wenn dieses Gedankengut in Ihnen noch lebt, vielleicht wissen Sie es gar nicht, viel­leicht ist es unbewusst, ich weiß es nicht, dann setzen Sie sich damit auseinander, schalten Sie es aus, und bewältigen Sie es! Die Vergangenheitsbewältigung ist ja eh ein Ziel von Ihnen. (Abg. Königsberger-Ludwig: Ein bisschen mäßigen im Ton, das wäre nicht schlecht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Für uns ist es ganz klar, die PID entspricht nicht der Ethik und nicht der Würde des Menschen. Es bleiben viele Fragen offen: Mit welchem Recht entscheiden wir über­haupt aufgrund genetischer Daten über Leben und Tod? Mit welchem Recht setzen wir fest, dass diese oder jene genetische Disposition, wie es von Kollegin Belakowitsch schon angesprochen wurde, ein Grund dafür ist, jemanden nicht leben zu lassen? Es gibt behandelbare genetische Defekte, wie zum Beispiel den erblichen Brustkrebs oder auch die Hämophilie. Diese Menschen können gut leben. Mit welchem Recht gehen wir her und vernichten sie bereits im Reagenzglas? (Abg. Musiol: Lesen Sie das Gesetz!)

Was tun wir mit den Embryonen? In England gibt es Millionen von Embryonen. Nie­mand weiß, was wir mit diesen Embryonen machen sollen. Sie werden dann verwor­fen, und das, bitte schön, sagt eh schon alles: Das ist verwerflich! Und so etwas wol­len wir jetzt in Österreich einführen. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Noch dazu gibt es in der wissenschaftlichen Literatur immer größere Zweifel darüber, ob die IVF langfristig überhaupt sinnvoll ist. Die Menschen, die mit IVF gezeugt worden


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sind, haben zu einem deutlich höheren Maß eine Neigung, Depressionen zu entwi­ckeln, Identifikationsprobleme et cetera. Dazu gibt es ausreichend Literatur, und mitt­lerweile hat sich der Erfinder der IVF und Nobelpreisträger in Teilen schon mehr oder weniger davon distanziert. Er hält seine eigene Erfindung und Entwicklung nicht mehr für unbedingt optimal, zumindest überdenkenswert. Diese völlig ungelösten Fragen neh­men wir jetzt mit hinein in dieses Gesetz.

Dann gibt es natürlich auch die medizinischen Gründe gegen das neue Gesetz. Die Eizellenspende ist kein harmloser Eingriff, die Hormonkur ist belastend. Es gibt sogar Todesfälle aufgrund des Hyperovulation-Syndroms. Davon steht kein Wort im Gesetz, es stehen keine Maßnahmen drinnen, wie man das verhindern will. Es steht nichts in diesem Gesetz.

Wir haben bei der Eizellenspende nicht einmal indische Verhältnisse. Die haben einen besseren Standard bei der Eizellenspende als wir. Die Dritte Welt ist uns hier voraus. Gratuliere zu diesem Gesetz!

Auch wenn es im Gesetz formal verboten ist, wer will die Kommerzialisierung und die Ausbeutung der Frau verhindern? Wer will den Tourismus verhindern, dass die Leute aus dem Ausland zu uns kommen, die Frauen hier die Eizellen spenden? Wer will denn das bitte kontrollieren? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wo liegen denn die Register auf? Und: Wer wird das immer so brav melden? Gerade die Frauenrechtlerinnen ha­ben hier kein Wort dazu gesagt. Das ist offenbar jedem wurscht, denn mein Bauch gehört mir. Bitte schön.

Ich wundere mich generell über das geringe Ausmaß dieser Debatte, die überhaupt keine wirkliche Qualität erreicht hat. Wir reden tage-, wochen-, monatelang, jahrelang über Frauenquoten, aber über so etwas, über die wirklich heiklen Grundfragen des Le­bens verlieren wir nicht einmal ein Wort. Da machen wir da und dort eine kleine Dis­kussion, Ende, ad acta  Gesetz wird durchgepeitscht. Das halte ich für höchst proble­matisch. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich sehe ein Grundproblem dieses Gesetzes auch in der Definition des Zeitpunkts, ab wann ein Mensch ein Mensch ist. Aus Sicht sehr vieler Bürger beginnt das Menschsein mit der Zeugung, also mit der Verschmelzung von Ei und Samen.

Ich möchte daher zum Schluss einen Antrag zur Definition des Menschen einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Definition des Em­bryo ab dem Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Gesundheit wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ei­nen Gesetzesentwurf vorzulegen, der vorsieht, dass die Eizelle bereits ab dem Zeit­punkt der Befruchtung ein Embryo ist und somit der Mensch bereits ab dem Zeitpunkt der Verschmelzung von Spermium und Eizelle auch als solcher definiert ist.“

*****

Danke. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

12.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Definition des Em­bryo ab dem Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle“

Eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (445 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsme­dizingesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015) (450 d.B.)

Der Europäische Gerichtshof hat definiert, was einen Embryo ausmacht. Als Embryo gilt alles, was ein Mensch werden kann. So lautet das Gutachten, das der Generalan­walt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Cruz Villalón, zur Definition des Embryo­nen-Begriffs (Rechtssache C-364/13) vorgelegt hat.

Seiner Einschätzung nach kann eine Eizelle, die ohne Befruchtung zur Weiterentwick­lung angeregt worden ist und nicht fähig ist, sich zu einem Menschen zu entwickeln, nicht als menschlicher Embryo angesehen werden. Eine Eizelle, die auf natürlichem Wege befruchtet oder von Forschern so genetisch verändert wurde, dass aus ihr ein Mensch heranwachsen könnte, sei hingegen als menschlicher Embryo anzusehen.

Bei dem Wort Embryo denken viele an ein Baby im Mutterleib, an Ultraschallbilder ei­nes schon gut erkennbaren, ungeborenen Menschen mit Händen, Füßen und einem deutlichen Gesicht. In diesem Zustand ist aus einer befruchteten Eizelle bereits ein Fö­tus geworden, seine inneren Organe sind ausgebildet. Ein Embryo – ein aus dem Alt­griechischen stammender Begriff, der ursprünglich einmal so viel wie keimen, sprossen oder hervorsprießen bedeutete – entsteht jedoch zu dem Zeitpunkt, wenn aus einer be­fruchteten Eizelle durch Zellteilung ein Organismus entsteht. Das geschieht bereits we­nige Minuten nach der Befruchtung.

Derzeit gilt eine befruchtete Eizelle erst ab ihrer Einnistung in den Uterus (Nidation) als Embryo. Der Zeitraum zwischen der Befruchtung und der Einnistung der Eizelle in die Gebärmutter ist demnach auch im Lichte des europäischen Gutachtens gesehen eine rechtliche Grauzone, die es zu beheben gilt.

Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass die Eizelle bereits ab dem Zeitpunkt der Befruchtung denselben Schutz erfährt wie der Embryo ab der Nidation. Um den Miss­brauch und den lapidaren Umgang in den Labors mit eingefrorenen, befruchteten Ei­zellen zu vermeiden, muss daher gesetzlich festgelegt werden, dass der Mensch be­reits ab der Verschmelzung von Spermium und Eizelle auch als solcher definiert ist.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Gesundheit wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ei­nen Gesetzesentwurf vorzulegen, der vorsieht, dass die Eizelle bereits ab dem Zeit­punkt der Befruchtung ein Embryo ist und somit der Mensch bereits ab dem Zeitpunkt der Verschmelzung von Spermien und Eizelle auch als solcher definiert ist.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Stein­acker. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 



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12.24.20

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Bürge­rinnen und Mitbürger! Ein Kind ist ein Geschenk, etwas Wunderbares. Wer an Wunder glaubt, der glaubt an Kinder. – Ich tue das. Ich habe das größte Glück in meinem Le­ben erfahren dürfen, indem ich selbst zwei gesunde Kinder bekommen durfte. Leider ist die Erfüllung dieses Wunsches nach Kindern vielen Menschen auch in Österreich verwehrt, Bürgern, für die wir Verantwortung tragen. Sie können Kinder nicht auf natür­lichem Wege bekommen. Wir haben heute die medizinische Möglichkeit, diesen Men­schen bei der Erfüllung ihres Wunsches nach eigenen Kindern zu helfen.

Die Fortpflanzungsmedizin ist eine eindrucksvolle Errungenschaft der Wissenschaft. Sie kann Leid lindern, sie kann Menschen zu glücklichen Eltern machen, aber sie bringt enorme gesellschaftliche Risken.

In diesem Spannungsfeld haben wir einen Vorschlag für eine Novelle zum Fortpflan­zungsmedizingesetz erarbeitet, und dieser neue Gesetzesvorschlag wird die Möglich­keit schaffen, vielen Menschen Hoffnung, aber vor allem auch Rechtssicherheit zu ge­ben. Wir setzen aber gleichzeitig mit diesem Gesetzesvorschlag sehr, sehr klare Gren­zen für die Vorgaben der Fortpflanzungsmedizin. Im Mittelpunkt stehen dabei immer die Rechte und die Würde des künftigen Menschen, der auf die Welt kommt. Denn neues menschliches Leben zu ermöglichen heißt, umfassende Verantwortung für den Schutz und die Würde des neuen Lebens zu übernehmen.

Im Gegensatz zu meinen Vorrednern nehme ich mir die Zeit, und ich erlaube mir, Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, umfassend durch wesentliche Punkte dieses Gesetzes zu führen.

Ausgangspunkte dafür waren, wie wir schon vernommen haben, die Entscheide von obersten Gerichten, des Verfassungsgerichtshofes, des Europäischen Menschenrechts­gerichtshofes zu den Themen künstliche Befruchtung, Präimplantationsdiagnostik und Ei­zellenspende.

Unser Gesetzesvorschlag ist wohlüberlegt, sorgsam abgewogen und folgt sehr klaren Prinzipien. Wir haben ein sehr strenges Subsidiaritätsprinzip. (Zwischenrufe der Abge­ordneten Zanger und Prinz.) Das bedeutet, dass von mehreren Möglichkeiten für Un­tersuchungen und Behandlungen zunächst immer nur die am wenigsten invasive und belastende angeordnet werden darf und die, die am wenigsten entwicklungsfähige Zel­len produziert. Medizinisch unterstützte Fortpflanzung soll weiterhin wie bisher nur bei der medizinischen Notwendigkeit oder der Gefahr der Übertragung einer schweren Krank­heit erlaubt sein.

In diesem Gesetzesvorschlag finden Sie nicht, dass diese künstliche Befruchtung zu einer Lifestyle-Methode werden darf. Leihmutterschaft und Social Egg Freezing bleiben weiterhin verboten. Alleinstehende sollen weiterhin keine künstliche Befruchtung durch­führen dürfen, denn Kinder haben nach unserer Meinung das Recht auf zwei Eltern. (Abg. Kickl: Zwei Eltern? Wieso denn? – Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.) Entspre­chend dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes soll die Samenspende auch für lesbische Paare ermöglicht werden.

Herr Dr. Franz, auch Sie haben das Gesetz genau gelesen, ich kenne Sie gut genug. Eizellenspenden werden grundsätzlich nach intensiver Beratung erlaubt, und nur mehr so viele Eizellen, wie sie in einem Zyklus einer Schwangerschaft notwendig sind, wer­den zur Befruchtung freigegeben, das heißt ein bis zwei. So wird neuerdings verhin­dert, dass befruchtete Eizellen, Ihre größte Sorge, einfach übrigbleiben.

Wir haben das Recht des Kindes auf Information über die genetische Elternschaft ge­regelt. Eine ausführliche ärztliche Beratung ist verpflichtend.


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Ich komme nun zum Thema der PID, einem Regelungsgegenstand, dessen wir uns an­genommen haben. Ein sensibles und sehr schwieriges Thema. Für mich als Katholikin, als Mutter ist das die schwierigste Thematik in diesem Gesetz. (Abg. Steinbichler: Die katholische Kirche !) Alle, die etwas anderes sagen, haben nicht genau gelesen: Die PID bleibt weiterhin verboten, sie wird aber im engsten Ausnahmebereich erlaubt. (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Das ist ein wesentlicher Unterschied, den wir hier festge­macht haben: nicht die Erlaubnis, sondern das Verbot. Ich darf Ihnen nunmehr die zwei Möglichkeiten sagen, wann und unter welchen Voraussetzungen die PID überhaupt zu­lässig ist: Das Erste ist, wenn eine Frau schon mehr als drei Versuche einer In-vitro-Fertilisation gehabt hat, die nicht gefruchtet haben und nicht funktioniert haben, oder wenn sie schon drei Fehl- oder Totgeburten im Vorfeld gehabt hat und dafür vermutlich eine genetische Disposition des Kindes die Ursache war.

Das Zweite: Wir haben festgelegt, dass in ganz engem Rahmen die PID durchgeführt werden darf, um zu vermeiden, dass nach der Geburt eine Erbkrankheit auftritt, die grundsätzlich nicht behandelbar und so schwerwiegend ist, dass das Kind nur unter dem ständigen Einsatz intensivmedizinischer Technik überhaupt am Leben erhalten wer­den könnte oder dauernd unter starken Schmerzen leidet.

Meine Damen und Herren, das steht im Gesetz, lesen Sie es nach! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Es gilt hier Leid in jeder Hinsicht zu vermeiden, für die Eltern und natürlich auch für das Kind, wenn so absehbar ist, dass dieses Kind diesem Leid unterläge.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bis zuletzt wurde mit größter Sorgfalt und im Bewusstsein der Verantwortung dieses Gesetz verhandelt. Gestern Mittag hatten wir unsere letzte Verhandlungsrunde. Wesentliche Abänderungen zur Regierungsvorlage ha­ben wir in einem Abänderungsantrag zusammengefasst, gemeinsam mit dem Regie­rungspartner und den Grünen.

Wir haben den Zweck, warum eine PID durchgeführt werden darf, den Zweck dieser Präimplantationsdiagnostik, in den Gesetzestext hineingeschrieben, vorne, nicht in den Erläuternden Bemerkungen oder sonst irgendwo, ins Gesetz, das ist ein wesentlicher Un­terschied.

Und wir haben – hier noch einmal den Kollegen Franz ansprechend – das Thema Ei­zellenspende diskutiert. Jedem, der im Ausschuss war und der sich ernsthaft damit be­schäftigt hat, ist bewusst, wie problematisch, auch in gesundheitlicher Hinsicht, für eine Frau eine Eizellenspende sein kann, und niemand wird sie leichtfertig vornehmen, so wie auch nicht andere Spenden, eine Nierenspende oder Ähnliches. Aber wir haben, meine Damen und Herren, etwas ganz Wesentliches erreicht: Wir haben Regelungen gegen Vermittlung und gegen Kommerzialisierung festgemacht, indem wir diese mit ho­hen Strafen bedroht haben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Ich möchte mich hier an dieser Stelle bei den Experten und Expertinnen des Ausschus­ses bedanken, sie haben uns auf wesentliche Dinge hingewiesen, nämlich auch auf den Punkt, dass natürlich auch die Eizellenspenderin einem großen psychologischen Druck unterliegt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.) Daher wird mit un­seren Anträgen nunmehr auch für diese Frauen eine psychologische Beratung sicher­gestellt.

Transparenz bei diesem gesamten Themenbereich, bei der In-vitro-Fertilisation und allen Themen, die wir heute diskutieren, ist keine Selbstverständlichkeit. Sie wissen, das berührt das Innerste eines Menschen, und nicht jeder will darüber, dass er nicht auf natürlichem Wege ein Kind bekommen kann, erzählen. Aber diese Statistiken werden


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jetzt verlangt, und diese Transparenz steht uns dann zur Verfügung, um zu evaluieren, wie gut unser Gesetz ist und wie sicher und souverän es diese Dinge unterstützt, die ich vorher genannt habe. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem sensiblen Thema der Fortpflanzungsme­dizin ist es uns wichtig, eine Einigung zu finden, die von einer breiten Mehrheit ge­tragen wird. Wir müssen hier ein Gesetz für alle Menschen in unserem Land schaffen, für die Erwachsenen, aber auch für die noch nicht Geborenen.

Der Gesetzesvorschlag wurde, ich sage das jetzt, zumindest aufseiten der ÖVP in ei­nem monatelangen Meinungsbildungsprozess erstellt. Ich habe sehr viele Mails und Briefe von engagierten Bürgerinnen und Bürgern bekommen. Zusätzlich haben wir zahl­reiche Expertinnen und Experten nicht nur im Gesundheitsausschuss, sondern auch im Rahmen unseres Klubs eingeladen: Mediziner, Theologen, Genetiker, Kinderärzte, Psy­chologen. Wir als ÖVP haben es uns bei diesem wichtigen Thema sicherlich nicht leicht gemacht.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich ganz besonders bei meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Klub bedanken. Wir haben nicht nur lange und harte Diskus­sionen herausfordernder Natur zu vielen Themen des FMed-Gesetzes gehabt. (Abg. Kickl: Umgefallen seid ihr, wie immer!) Wir sind auch im höchsten Ausmaß mit hohem Respekt voreinander miteinander umgegangen, und dafür sage ich euch ein herzliches Danke, wie auch für eure Beiträge. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich erlaube mir, am Schluss meiner Rede unseren Vizekanzler und Parteiobmann zu zitieren, der am Montag dieser Woche gesagt hat: Wenn man nicht gestaltet, wird man gestaltet. – Ich möchte nicht weiterhin bei dieser Thematik von Höchstgerichten gestal­tet werden, die uns die Marschroute zu diesen Themen vorgeben. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Gibt es ja nicht vor, ihr macht es auf!) Wir haben die Sache PID und Eizel­lenspende in die Hand genommen und verantwortungsvoll politisch gestaltet – zum Bes­ten für unsere Bürger.

Ich werde heute mit voller Überzeugung für diesen Gesetzesvorschlag stimmen (Abg. Kitzmüller: Traurig, traurig, traurig!) – als Frau, als Mutter und als Katholikin. (Abg. Zan­ger: Ab in den Beichtstuhl!) Ich bin davon überzeugt, dass wir hier einen guten Weg gehen.

Geschätzte Damen und Herren, ich ersuche Sie um Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

12.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kickl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


12.35.02

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen gleich für die freiheitliche Fraktion ankündigen, dass wir aus tiefster Überzeugung selbstverständlich gegen das vorliegende Gesetz stimmen wer­den (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Franz), denn wir denken, dass das so einfach nicht geht. So, wie Sie das hier versuchen, so funktioniert das nicht! (Abg. Lopatka: Das ist nichts Neues bei euch, ihr stimmts immer dagegen!)

Die Tatsache, dass Sie Ihren eigenen Werten und Ihren eigenen Ansprüchen, eine an­geblich wertkonservative und sich auf einem christlichen Fundament befindliche Partei zu sein, nicht gerecht werden und einmal mehr umgefallen sind wie Kegel, werden Sie hier heraußen nicht schönreden können. Sie sind die Umfaller vom Dienst, wenn es um Ihre eigenen Prinzipien geht! (Beifall bei der FPÖ.)


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Das ist doch genau der Punkt: Dort, wo es darauf ankommt, fallen Sie um, und dann tun Sie so, als würden Sie diese Werte hochhalten, indem Sie Ihrem Landwirtschafts­minister die Herz-Jesu-Rhetorik in den Mund legen. Das reicht nicht dafür aus! Hier und heute findet die Nagelprobe statt, und von Ihnen ist nichts anderes zu erwarten als der nächste Verrat – diesmal im Übrigen auch an den Rechten der Kinder. Das schrei­be ich Ihnen ins Stammbuch!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Fortpflanzungsmedizingesetz steht aus unserer, aus freiheitlicher Sicht in ganz klarem Widerspruch zu zwei ganz wesentlichen Dingen: Das eine ist die Würde des Kindes an sich. Da abstrahieren wir einmal von all den Beziehungen, in die ein solches Lebewesen in weiterer Folge eintritt. Das ist schon der erste Punkt, über den Sie mehr nachdenken sollten.

Das Zweite sind die Rechte, die sich aus dieser Würde dieses Kindes an sich ergeben. Das ist ein entscheidender Punkt, den man nicht in einer Diskussion über irgendwelche Mittel beiseitewischen kann, so wie es jetzt hier 10 Minuten lang versucht worden ist, sondern da reden wir über die Zwecke – und über die Zwecke wird in diesem Hohen Haus schon lange nicht mehr diskutiert. Sie befassen sich nur noch mit den Mitteln, sollten aber mehr Ihrer Aufmerksamkeit den Zwecken widmen. Genau darum geht es. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Das Gesetz, das Sie – eingehängt in die fort­schrittlichen Kräfte der Linken und der Oberliberalen; Sie sollten sich einmal überlegen, in welcher Gesellschaft Sie sich da bei der Beschlussfassung befinden – heute hier auf den Weg bringen, das birgt einen ganz, ganz fundamentalen Fehler in sich: Sie ordnen beides, die Würde eines Kindes und die Rechte dieses Kindes, die sich daraus erge­ben, einer ganz anderen Sache unter. (Abg. Lopatka: Das ist falsch!) Sie ordnen es ei­ner Art – ich setze das jetzt wirklich unter Anführungszeichen – „Recht auf Besitz an ei­nem Kind“ unter (Abg. Lopatka: Völlig falsch!), und Sie können dieses Recht nirgend­woher ableiten. Das wird Ihnen nicht gelingen, außer Sie machen es wie der Verfas­sungsgerichtshof und behandeln Ungleiches nicht ungleich, sondern behandeln Unglei­ches gleich. Das ist die einzige Krücke, mit der es Ihnen gelingt, diese Dinge auf den Weg zu bringen, anders schaffen Sie es nicht! (Abg. Lopatka: Aber den Wunsch nach einem Kind, den negieren Sie völlig!)

Meine Damen und Herren, was machen Sie denn da? – Selbst, wenn jemand aus ei­gener Freiheit einen Lebensentwurf wählt, der es von Natur aus, also prinzipiell aus­schließt, dass daraus jemals ein eigenes Kind entspringen kann, wie das halt bei gleich­geschlechtlichen Paaren der Fall ist – ob Ihnen das in Ihrer Aufgeklärtheit passt oder nicht, es ist nun einmal so –, selbst dann bekommt er jetzt von Ihnen das Recht auf ein Kind zugesprochen. (Abg. Lopatka: Das ist ja völlig falsch!) Das ist ein an den Haaren herbeigezogenes Recht und kein tatsächliches, und Sie versteigen sich hier ungeheu­erlich! (Beifall bei der FPÖ.)

Sehen Sie nicht, dass Sie damit die Natur komplett verdrehen?! Sehen Sie das nicht?! Wenn Sie mit dem Wort „Natur“ wenig Freude haben, dann sage ich gerade in Rich­tung der ÖVP: Sehen Sie nicht, dass Sie hier versuchen, die Schöpfung, die Ihnen doch angeblich etwas wert ist, auf den Kopf zu stellen? Sehen Sie das nicht, oder ist das ein Vokabel, für das Sie sich in der Zwischenzeit schon schämen? (Abg. Lopatka: Sie sind ein großer Heuchler!) Manchmal habe ich den Verdacht, dass es sich in der ÖVP so verhält. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lopatka: Sie sind ein großer Heuchler!) Das sage ich Ihnen: Das ist ein Eingriff in die Schöpfung!

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Einen Augenblick, bitte.


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Herr Klubobmann Lopatka, für den Zwischenruf „Sie sind ein großer Heuchler!“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall bei der FPÖ.)

*****

 


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Sehen Sie nicht, dass Sie für dieses an­gebliche Recht, das Sie irgendwoher konstruieren im Sinne einer Ausschaltung jeder Form von möglicher Diskriminierung, die tatsächlichen Rechte des Kindes mit Füßen treten? – Das ist doch der Punkt: Artikel 24 der Charta der Grundrechte der EU.

Sie sind vor wenigen Tagen hier herinnen gestanden und haben die Taferln mit der Auf­schrift „Je suis Charlie“ hochgehalten in Ihrem angeblichen Kampf um die Werte dieses Europa. Sie haben sich zu diesen Werten bekannt, die unter anderem da drinnen fest­geschrieben sind, und unter anderem geht es, weil Werte nichts Abstraktes sind, um die Werte der Kinder. Da steht drin, dass es ein Recht der Kinder auf beide Eltern gibt.

Jetzt gibt es, Herr Lopatka, einen feinen Unterschied zwischen dem Wort „beide“ und dem Wort „zwei“. Sie sollten das wissen! Das Wort „beide“ intendiert die Vollständigkeit in der Zwei; das Wort „zwei“ ist nur eine numerische Aufzählung. Ich verstehe in der Zwischenzeit schon gar nicht mehr, warum Sie an diesem „zwei“ überhaupt festhalten und nicht „drei“, „vier“, „fünf“, „sechs“ oder „sieben“ im Sinne einer allgemeinen Belie­bigkeit einsetzen. Das wäre durchaus konsequent, wenn Sie es so weit treiben. Aber wenn wir von „beide“ reden, dann reden wir von zweien im Sinne einer Vollständigkeit! Und diese Vollständigkeit ergibt sich aus einer Mutter, die biologisch gesehen eine Frau ist, und aus einem Vater, das ist biologisch gesehen ein Mann; daraus kommt dann ein Kind oder kommen Kinder hervor. Ob Ihnen das passt oder nicht: So will es die Natur, so will es die Schöpfung! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann mich nur wundern über diese Volkspartei – zum Thema Heuchelei. Diesen Satz würde ich von Ihnen gern einmal hören, Herr Lopatka, zum Beispiel bei Ihrer Klubklausur: „Zu einer Familie gehört eine weibliche Mutter, ein männlicher Vater und ein Kind oder Kinder!“ Das hören wir von Ihnen schon lange nicht mehr. Von Ihnen hö­ren wir: „Der Islam gehört zu Europa.“ Das ist das, was man aus Ihrer Klubklausur hört. Dann hört man noch dazu: „Es gibt keinen Wettbewerb der Neigungen.“ Manchmal habe ich den Eindruck, Sie sind mit den Linken in diesem Land und mit den besonders Fortschrittlichen in einen Wettbewerb darum eingetreten: Wer kann noch mehr Blödhei­ten unter dem Namen „Fortschritt“ verzapfen? – Und Sie sind da ganz vorne mit dabei, das darf ich Ihnen sagen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kommen Sie mir nicht mit Studien daher! Kommen Sie mir nicht mit Studien daher, es gibt für alles eine Studie! Sie werden das Kindeswohl mit Sicherheit auch so begrün­den können, das ist nicht die Frage. Ich glaube – in Richtung der Grünen –, auch der Herr Cohn-Bendit kann sich auf Studien berufen, dass sein Umgang mit frühkindlicher Sexualität wahrscheinlich eine unglaubliche Befreiung für seine Opfer gewesen ist.

Reden Sie nicht von geänderten Zeiten, denn geänderte Zeiten können sich nur da­durch unterscheiden, dass die Inhalte sich unterscheiden! Die Zeiten sind es nicht, die die Inhalte ändern. Das sind solche Leute wie Sie, die glauben, beim Fortschritt mit da­bei sein zu müssen, sich bei den Linken geistig einklinken und sich dann noch hierher­stellen und sagen: „Ich bin eine gute Katholikin.“ Ich weiß nicht, ob das der Kardinal gutheißt, den wir manchmal vermissen, wenn es um die Deutlichkeit seiner Worte geht. (Abg. Schmuckenschlager: Das haben Sie nicht zu bewerten!) Das interessiert mich, wie Sie das dann sehen.

Sie machen einen großen Fehler: Sie verwechseln Freiheit mit Willkür. Freiheit, meine Damen und Herren von der ÖVP, das ist Selbstbestimmung! Etwas weniger schick for­muliert, ist es Selbstbegrenzung – da werden Sie wahrscheinlich gleich wieder aufjau-


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len –, und diese Selbstbegrenzung steht immer in einer moralischen Verantwortung beim Handeln. Da kommen Sie nicht aus! Was Sie dafür halten, ist Willkür: Jeder macht, was er will, und sucht dann fadenscheinig irgendwelche Gründe, um es schönreden zu können. (Abg. Lopatka: Völlig falsch!)

Gehen Sie doch nicht den Linken auf den Leim! Und nehmen Sie sich die Worte des Kardinals zu Herzen: Entscheidend im Umgang mit der Freiheit ist (Abg. Lopatka: Sie auch!), dass wir nicht alles von dem, was wir tun können, auch tun. (Abg. Lopatka: ... neh­men Sie den Kardinal ernst!) – Das ist der entscheidende Punkt. Schreiben Sie sich das in Ihr christliches Stammbuch! (Beifall bei der FPÖ.)

12.43

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Kickl, für den Vorwurf „Blödheiten“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

*****

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Wöginger: Wäre vielleicht nicht schlecht, wenn du auch bei der Diskussion dabei ge­wesen wärst ...!)

 


12.43.25

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte jetzt von der unge­fragten Beratung des Abgeordneten Kickl für die ÖVP wieder zur Sache kommen. Kol­legin Abgeordnete Steinacker hat bewiesen, dass man zu diesem Thema, das durch­aus niemanden kalt lässt – da gebe ich Ihnen recht, aber das ist auch das Einzige, wo ich Ihnen in dieser Frage recht gebe –, auch sachlich sprechen kann, auch wenn man hier durchaus einige Fragen für sich selber beantworten muss.

„Niemanden kalt lässt“ stimmt, aber „niemanden kalt lässt“ bedeutet nicht zwingend nur, dass man ein Problem damit hat. Ich persönlich, wir Grüne freuen uns heute sehr! Ich nehme einmal an, viele hier im Saal freuen sich heute auch, und viele außerhalb dieses Saals freuen sich. Warum freuen wir uns? – Weil heute wieder ein nächster Schritt getan ist, Lebensrealitäten von Familien, Lebensrealitäten von Personen auch gesetz­lich zu verankern!

Es ist nun einmal eine Tatsache, dass Ihr Bild von Familie, Ehe und Kindern ein ver­altetes ist und den Lebensrealitäten vieler, vieler ÖsterreicherInnen nicht mehr ent­spricht. (Abg. Kickl: Woher haben Sie denn das?) Wenn Sie mich fragen, woher ich es habe (Beifall bei Grünen und SPÖ): Ich brauche nur auf die Straße zu gehen und mich umzuschauen. Dort gibt es eben Paare, die nicht verheiratet sind und Kinder haben. Dort gibt es alleinstehende Frauen oder Männer, die Kinder großziehen. (Abg. Kickl: Da gibt es auch andere Dinge, die Sie noch nicht erfasst haben! Die gibt es auch!) Dort gibt es lesbische Paare, dort gibt es homosexuelle Paare, die Kinder aus Vorbeziehun­gen haben oder eben Pflegekinder haben.

Genau diese Situation gibt es, und es kann doch nicht sein, dass österreichische Ge­setze gegen diese Situation agieren! Vor diesem Hintergrund war es ganz klar (Abg. Kickl: Kniefall vor der Empirie!), dass der Verfassungsgerichtshof und auch der Euro­päische Gerichtshof einen Riegel vorschieben. Auch ich möchte noch einmal gratulie­ren, und zwar Herr Dr. Graupner, und auch allen, die sich hier jahrelang eingesetzt ha-


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ben. Aber traurig ist es schon, dass Sie und viele andere Energie und Geld investieren müssen, damit hier gesellschaftliche Realitäten vollzogen werden!

Das nächste Thema ist die Adoption. Auch hier haben wir wieder den Verfassungs­gerichtshof gebraucht, damit er klar sagt, was rechtens ist (Abg. Kickl: Das ist ja nur noch eine Arbeitsteilung!), und damit es danach erst (Abg. Kickl: Dasselbe Programm, nur arbeitsteilig gemacht!) durch die Parlamente und durch die Politik vollzogen wird. Ich wünsche mir hier etwas anderes. Das hat auch Klubobmann Schieder angespro­chen.

Ich sehe auch einen Wermutstropfen, den möchte ich nicht verheimlichen. Ich hätte mir gewünscht – und habe das auch im Ausschuss beantragt –, dass nicht nur Paare, son­dern auch Alleinstehende die Möglichkeit haben sollen, Fortpflanzungsmedizin in An­spruch zu nehmen, weil auch das, wie schon gesagt, den Lebensrealitäten entspricht. Klubobmann Schieder war vorhin ein bisschen missverständlich, weil er so getan hat, als hätten wir das eingeführt. Nein, das haben wir leider nicht, und es ist eigentlich nicht einzusehen, warum nicht. Aber auch da werden wir unter Umständen gerichtliche Urteile brauchen, um hier nachzuziehen. Ich weiß, dass die SPÖ durchaus aufgeschlos­sen war; es gab keinen Konsens, keine Mehrheit. Dann müssen wir eben weiter dafür kämpfen. Aber es ist für mich trotzdem ein guter Tag. (Beifall bei den Grünen.)

Glauben Sie mir, wir haben es uns auch nicht leicht gemacht. Sie wissen, wir haben im Ausschuss viele Anträge eingebracht. Wir haben gestern verhandelt, und die Regie­rungsparteien haben schon zwischen dem Ausschuss und unseren Verhandlungen ei­niges von dem, was wir vorgeschlagen haben, was die ExpertInnen vorgetragen ha­ben, was die Diskussion im Ausschuss gebracht hat, in den vorgelegten Abänderungs­antrag und Entschließungsantrag eingearbeitet. Wir sind gestern noch ein Stück wei­tergekommen und haben noch mehr erreicht.

Was war das konkret? – Konkret ging es um die Frage, welche Rechte das Kind hat, also die Frage: Wie kann das Kind, das – auf welchem Weg auch immer – erzeugt wur­de, ob durch Eizellenspende, durch Samenspende, durch beides, auch Auskunft darü­ber erhalten, wer die leiblichen Eltern sind, wer die Spender sind? Und: Wie kommt es zu dieser Auskunft? Muss es da alle Institute abklappern, oder gehen wir den Weg, dass wir schauen, dass wir diese Informationen zentral bündeln? Damit man – so wie das auch adoptierte Kinder machen können, so wie das auch in der Pflege der Fall ist – sich an eine Behörde wendet und sagt: Ich wüsste eigentlich gern, wer meine El­tern sind. Dieses zentrale Register bringen wir mit einem Entschließungsantrag auf den Weg. Das wird von den Ministerien geprüft, und ich bin guter Dinge, dass es kommen wird.

Es stellt sich auch die Frage: Ist 14 wirklich die Grenze, wo Kinder sich mit ihrer Identi­tät beschäftigen? – Es gibt auch Kinder, die das vorher schon wissen wollen. Idealer­weise wachsen Kinder mit dem Wissen auf, wie sie erzeugt wurden. Das ist sozusagen die gängige, herrschende Lehre, der entwicklungspsychologische Standard. Die Frage war also: Kann man nicht auch schon vor das 14. Lebensjahr gehen? – Auch hier wird im Rahmen eines Entschließungsantrags auf den Weg gebracht, dass man prüft, unter welchen Voraussetzungen man gewährleisten kann, dass Kinder zu einem Zeitpunkt, wo sie dies wünschen, Auskünfte über ihre Herkunft, über ihre leiblichen Eltern, über die SpenderInnen erhalten.

Der zweite Teil, der heute auch schon erwähnt wurde, ist die Frage der Beratung. Es gibt jetzt schon eine psychologische Beratung, diese wird sozusagen bei den IVF-fi­nanzierten Eingriffen mit erledigt. Aber uns war wichtig, dass hier auch ganz klar die Frage ist, was denn da beraten werden soll. Hier geht es vor allem darum, dass Eltern oder potenzielle Eltern einerseits darüber aufgeklärt werden, was für die Entwicklung,


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für die Identitätsentwicklung, für die Bindungsentwicklung ihrer Kinder wichtig ist, sprich aufgeklärt werden, dass es für die Kinder wichtig ist, dass sie von Beginn an wissen, wie sie entstanden sind, und dass das auch kein Tabu sein muss.

Wir haben es auch gestern in den Verhandlungen diskutiert: Es ist nach wie vor ein Ta­bu. Es gibt in Ihrer Umgebung viel mehr Menschen, als Sie glauben, die über IVF Kin­der bekommen haben. Sie sagen es nur nicht, weil es immer noch den Stempel des Un­natürlichen trägt, der das unmöglich macht. Da sorgen Sie dafür, dass es diesen Stem­pel hat!

Es ist Normalität draußen, es ist Normalität bei vielen Eltern, die einen unerfüllten Kin­derwunsch haben. Vor diesem Hintergrund müssen wir Politikerinnen und Politiker auch dafür sorgen, dass es hier enttabuisiert wird. Wichtig ist aber auch die Information für die SpenderInnen, vor allem für die Eizellspenderinnen – das ist von Kollegin Stein­acker auch schon erwähnt worden –, um eben genau über diese medizinischen Folgen aufgeklärt zu werden.

Da muss ich schon eines sagen, Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein: Sie führen hier zu einer Verunsicherung, indem Sie Unwahrheiten verbreiten! Oder auch Kollege Franz. Sie polemisieren, Sie behaupten hier Dinge, die so überhaupt nicht stimmen, bezogen auf die Eizellspende. (Abg. Kickl: ... wahrscheinlich beide mehr medizinischen Back­ground als Sie!) Sie wissen ganz genau, dass es im Gesetz eine klare Regelung gibt, dass nur drei Kinder aus der Eizelle oder aus dem Samen eines Spenders erzeugt wer­den dürfen. Das erledigt somit automatisch eine Begrenzung. – Das ist der eine Teil.

Der andere Teil ist aber, dass wir hier sehr wohl auch für Selbstverantwortung eintreten und sagen: Menschen sollen über die Folgen aufgeklärt werden (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein), aber es liegt dann trotzdem im privaten, persönlichen Ent­scheidungsbereich, ob man diese Folgen eingeht oder nicht. So wie bei den Medikamen­tenstudien, an denen Sie sich als Studentin beteiligt haben. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.)

Das ist genau das Problem. Wir haben auch in unserem Klub sehr intensiv diskutiert: Auch bei uns war vieles diskussionswürdig, ist vieles hinterfragt worden, vor allem auch die Präimplantationsdiagnostik. Aber da hat Kollegin Steinacker sozusagen alles gesagt, was zu sagen ist: Es ist weiter verboten und nur unter sehr engen Grenzen möglich. Sie wissen das ganz genau. Indem Sie hier Unwahrheiten verbreiten und in­dem Sie hier Bilder zeichnen, die sozusagen mit dem vorliegenden Gesetz nichts zu tun haben, führen Sie nur zu einer Verunsicherung und nicht dazu, dass eine differen­zierte Diskussion stattfinden kann. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

Wir haben lange diskutiert und haben uns dazu entschlossen, zuzustimmen. Bei uns gibt es ja keinen Klubzwang, also alle Kolleginnen und Kollegen haben das für sich ent­schieden (Abg. Kickl: Umso bedauerlicher!), so wie das hoffentlich in allen anderen Fraktionen auch der Fall ist. Eine Kollegin, die heute sprechen wollte, aber wegen Er­krankung leider nicht sprechen kann, hat sich dazu entschieden, nicht zuzustimmen. Das ist Kollegin Jarmer, die hier in ihrer Rede ganz klar auch ihre Perspektive einbrin­gen wollte.

Ich kann nur so viel dazu sagen: Sie sagt, die Präimplantationsdiagnostik ist in dem Rahmen möglich, ist aber für die Behindertenvereine natürlich ein Thema, das emotio­nalisiert. Das wäre auch der Grund gewesen, warum sie nicht zugestimmt hätte. Aber worauf sie in ihrer Rede hinweisen wollte, war, dass es neben dieser Diskussion umso wichtiger ist, sich die Situation von Eltern mit behinderten Kindern noch einmal anzu­schauen und hier die entsprechenden Unterstützungen zu gewährleisten. Das wird auch durchaus notwendig sein, ungeachtet dieser Diskussion.

Ich darf jetzt noch folgenden gemeinsamen Antrag einbringen:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Spindelberger, Schittenhelm, Dr. Mückstein, Königsberger-Ludwig, Dipl.-Ing. Strasser, Mag. Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend vereinfachte Aus­kunftsmöglichkeiten der Kinder

„Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Gesundheit und der Bundesminister für Justiz werden er­sucht, im Hinblick auf eine vereinfachte Auskunftsmöglichkeit der Kinder über ihre ge­netischen Eltern und zur Sicherung der Einhaltung der Regelungen des § 14 FMedG die Möglichkeiten der Schaffung eines Registers über Samen- oder Eizellspenden zu prüfen. Gleichzeitig soll geprüft werden, ob und unter welchen Umständen Auskünfte über die genetischen Eltern bereits vor dem 14. Lebensjahr des Kindes auch außer­halb medizinisch begründeter Ausnahmefälle erforderlich und angezeigt sein können. Bei der Auskunftserteilung soll im Sinne des Kindeswohles darauf Bedacht genommen werden, dass den Auskunftsberechtigten Beratung und Hilfestellungen angeboten wer­den.

Es soll darüber hinaus geprüft werden, ob und welche über § 21 Abs. 2 FMedG hi­nausgehende Daten zur Gewährleistung der Qualitätssicherung der medizinisch unter­stützten Fortpflanzung erhoben werden sollen.

Die Prüfergebnisse sollen möglichst innerhalb von zwei Jahren vorliegen.“

*****

Wenn ich mit einem Wunsch schließen darf, dann ist es der Wunsch an die Regie­rungsparteien, an die Regierung, dass wir für die weiteren familienpolitischen und ge­sellschaftspolitischen Fragestellungen nicht die Höchstgerichte, nicht engagierte An­wältinnen und Anwälte brauchen, um wirklich den Lebensrealitäten entsprechende Ge­setze zu schaffen, sondern dass wir hier als Gesetzgeber unsere Verantwortung wahr­nehmen und das, auch ohne dass wir vom Verfassungsgerichtshof eine drüberbekom­men, bewerkstelligen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dorothea Schittenhelm, Dr. Eva Mückstein, Ul­rike Königsberger-Ludwig, DI Georg Strasser, Mag. Daniela Musiol und Kolleginnen und Kollegen betreffend vereinfachte Auskunftsmöglichkeiten der Kinder,

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gesundheitsausschusses 450 der Beilagen über die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Fortpflan­zungsmedizingesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungs­gesetz 2015) (445 der Beilagen).


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Dem mit dem Samen oder den Eizellen einer dritten Person gezeugten Kind ist auf dessen Verlangen nach Vollendung des 14. Lebensjahres Einsicht in die Aufzeich­nungen der Krankenanstalt über die Person des Samenspenders bzw. der Eizellspen­derin, zu gewähren bzw. Auskunft zu erteilen. Zum Wohl des Kindes kommt in medizi­nisch begründbaren Ausnahmefällen auch der Person, die mit der gesetzlichen Vertre­tung für die Pflege und Erziehung betraut ist, ein Auskunfts- und Einsichtsrecht zu.

Prüfenswert erscheint, ob ein zentral geführtes Register diese Auskunfts- und Ein­sichtsrechte vereinfacht, beziehungsweise unter welchen Umständen außerhalb der bereits bestehenden Ausnahmen eine Auskunft über die genetischen Eltern vor dem 14. Lebensjahr des Kindes ermöglicht werden kann.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Gesundheit und der Bundesminister für Justiz werden er­sucht, im Hinblick auf eine vereinfachte Auskunftsmöglichkeit der Kinder über ihre ge­netischen Eltern und zur Sicherung der Einhaltung der Regelungen des § 14 FMedG die Möglichkeiten der Schaffung eines Registers über Samen- oder Eizellspenden zu prüfen. Gleichzeitig soll geprüft werden, ob und unter welchen Umständen Auskünfte über die genetischen Eltern bereits vor dem 14. Lebensjahr des Kindes auch außer­halb medizinisch begründeter Ausnahmefälle erforderlich und angezeigt sein können. Bei der Auskunftserteilung soll im Sinne des Kindeswohles darauf Bedacht genommen werden, dass den Auskunftsberechtigten Beratung und Hilfestellungen angeboten wer­den.

Es soll darüber hinaus geprüft werden, ob und welche über § 21 Abs. 2 FMedG hi­nausgehende Daten zur Gewährleistung der Qualitätssicherung der medizinisch unter­stützten Fortpflanzung erhoben werden sollen.

Die Prüfergebnisse sollen möglichst innerhalb von zwei Jahren vorliegen.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


12.55.04

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Frau Ab­geordnete Musiol hat hier gesagt, ich hätte die Unwahrheit gesagt, auch in Bezug auf die Eizellspende. Das ist unrichtig.

Frau Abgeordnete Musiol! Ich habe gesagt: Es gibt keine Beschränkungen in dem Ge­setz, jede Frau kann tatsächlich zwischen dem 18. und 30. Lebensjahr so oft sie möch­te Eizellen spenden. Das entspricht den Tatsachen. (Abg. Musiol: Drei Kinder!) Die Tatsache, ob drei Kinder daraus gemacht werden oder nicht, die ist irgendwann – theo­retisch können überhaupt keine Kinder aus den Eizellspenden entstehen, denn es braucht ja 30 bis 50 Spender-Eizellen, um überhaupt zu einer Schwangerschaft zu kom­men. (Beifall bei der FPÖ.)

12.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Kitzmül­ler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 84

12.56.00

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­ter! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Mit der heutigen Re­gierungsvorlage zeigen die Verantwortlichen, was ihnen in dieser Gesellschaft wichtig ist: nicht die Familie, nicht das Wohl des Kindes, nicht die Grundwerte und die Be­wahrung der Identität!

Keiner stellt sich hier nämlich die Frage, welche Folgen das für das betroffene Kind in weiterer Folge hat. Wollen Sie, dass es später einmal heißt, sie waren ja zehn Jahre eingefroren, bis sie ein Mensch geworden sind, ein lebender Mensch? (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) – Meine Damen und Herren, das ist ja eine Katastrophe! Nein, ent­scheidend ist es hier, dem allgemeinen Mainstream zu folgen, den Egoismus an erste Stelle zu stellen und persönliche Wünsche an erste und einzige Stelle zu stellen. Wichtig ist hier die Political Correctness, die bewahrt werden soll, aber sonst schon gar nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir uns die UN-Kinderrechte anschauen, so heißt es darin: Das Kind hat ein Recht auf Vater und Mutter. – Wo bleiben denn da der Vater und die Mutter? Wenn wir uns neue Formulare anschauen, die Hebammen auszufüllen haben, so steht da: das Geschlecht der Mutter, das Geschlecht des Vaters. Was soll denn das sein? Gibt es eine männliche Mutter? – Na, das möchte ich sehen!

Sie verwechseln hier die Lebensrealität, dass es sehr wohl Paare gibt, die gleichge­schlechtlich sind und zusammenleben können, die zusammenleben sollen und auch zusammen glücklich werden sollen, und die biologische Realität, dass zwei Männer oder zwei Frauen miteinander eben biologisch keine Kinder bekommen können. Das werden Sie auch durch dieses Gesetz nicht verändern können, da Sie die Biologie per Gesetz nicht ändern können. (Zwischenruf des Abg. Strolz.) – Das ist einmal schon das eine.

Schauen Sie sich jetzt einmal den Gesetzestext näher an! Mit dem, was hier steht, wird das prinzipielle Recht des Kindes auf Vater und Mutter, wie eben schon gesagt, ver­achtet. Biologische Eltern sind in diesem Zusammenhang nichts mehr wert, sie sind beliebig austauschbar und beliebig irgendwie zu definieren oder auch nicht. (Zwischen­ruf der Abg. Königsberger-Ludwig.) Im Gegenteil, es wird nach diesem Gesetz in die­ser Sache möglich sein, alles zu kaufen. Sie können sich das richtige Kind kaufen, die richtigen Eigenschaften, das richtige Geschlecht und all diese Sachen. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.) Hier soll planbar werden, was nicht planbar ist!

Wer kontrolliert, was mit den Eizellen tatsächlich passiert, ob Missbrauch getrieben wird oder nicht? Wo steht denn geschrieben, dass das überprüfbar ist? – Wir haben vor Jah­ren auch schon gehört, es wird sicherlich nicht die Tür dafür geöffnet, dass gleichge­schlechtliche Paare adoptieren dürfen. Was haben wir denn jetzt? – 2009 haben wir davor gewarnt. Die ÖVP-Ministerin, damals Beatrix Karl, hat gesagt: Nein, nie im Le­ben wird es so werden! – Und wo sind wir jetzt? Genau dort, wovor wir damals gewarnt haben (Abg. Wöginger: Das war der Verfassungsgerichtshof!): Frauen kommen völlig un­ter die Räder und können hier ausgebeutet werden! Davon hört man von Grün und Rot aber auch wiederum nichts, wenn es um die Rechte der Frauen geht. (Beifall bei der FPÖ.)

Gesundheitsschäden und gesundheitsschädliche Nebenwirkungen bei Frauen, sage ich jetzt einmal, bei Spenderfrauen, bei Empfängern und bei Kindern – auch davon wird nicht geredet. Man nimmt dem Menschen die Identität und die Wurzeln. Diese Mischkulanz von Samenspenden, Eizellenspenden, tatsächlichen Eltern, gleichgeschlechtlichen Eltern oder nicht gleichgeschlechtlichen Eltern – all das wird nicht berücksichtigt, und man denkt nicht darüber nach.


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Auch die PID, diese Präimplantationsdiagnostik, ist ein Instrument der Selektion und Dis­kriminierung. Das werden mir hier doch einige zugestehen, dass das in diesem Fall so sein wird. Es wird diskriminiert, denn es ist angeblich auch eine Zugangsbeschränkung der Zulassung durch den Staat, die praktisch undurchführbar wird.

Und dieser Abänderungsantrag, dieser Placebo-Abänderungsantrag der Regierungs­parteien, meine Damen und Herren, der ändert auch nichts daran. Wer entscheidet denn, welche Eizelle lebenswert ist und welche nicht? Wem muten Sie diese Ent­scheidung zu? Und wer entscheidet, welche befruchtete Eizelle entsorgt, wirklich ent­sorgt wird und welche nicht?

Kinder werden ein Produkt der Fortpflanzungsindustrie. Mit diesem Gesetz gehen wir eindeutig zu weit. Und wie schon eine besorgte Bürgerin in einer Zuschrift gemeint hat: Wehret den Anfängen! Mit diesem Gesetz wird ein Kind zur Ware. Es wird nicht mehr als das angenommen, was es ist, als ein Geschenk und ein Wunder der Natur. Sie, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, wollen hier Gott spielen und ent­scheiden, wer lebenswert ist und wer nicht. Und dafür bekommen Sie sicherlich nie im Leben unsere Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

13.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


13.00.55

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Mi­nister! Sehr geehrter Herr Minister! Ich finde positiv, dass es einige schaffen, dies sach­lich zu diskutieren. Ich finde, Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein hat ihre Sorgen im Wesentlichen sehr sachlich vorgetragen. Wieso Herr Kollege Kickl sich an der ÖVP so abarbeitet, das ist sein Problem, das sei ihm unbenommen. Wen ich nicht verstehe, und da bin ich persönlich auch enttäuscht, ist Kollege Franz. Der Sozialdemokratie den Vorwurf zu machen, und jetzt brauche ich die Sozialdemokratie grundsätzlich nicht zu verteidigen, aber das war so unter der Gürtellinie, dass das wirklich nicht nachvollzieh­bar ist. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Wesentlich ist, dass wir hier noch einmal die Geschichte Revue passieren lassen soll­ten. Wir haben uns wieder einmal von Höchstgerichten Entscheidungen kommen las­sen, weil engagierte Leute, und auch ich freue mich, dass Herr Dr. Graupner das so weit durchgefochten hat, bis zu den Höchstgerichten gegangen sind. Die Höchstgerichte, in diesem Fall explizit der Verfassungsgerichtshof, aber auch der Europäische Gerichts­hof für Menschenrechte, haben in vielen Bereichen klar Dinge entschieden, weil wir als Gesetzgeber ganz offensichtlich Gesetze beschlossen haben, immer wieder Gesetze beschließen, die Ungleichbehandlung zur Folge haben, unsachliche Ungleichbehand­lung. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Jetzt geht es in diesem Fall auch um Gesetze, die schon sehr, sehr alt sind, betreffend die wir vielleicht einfach schon längst hätten tätig werden müssen. Wenn Herr Klub­obmann Schieder sagt, dass er es auch schade findet, dass das immer die Höchstge­richte veranlassen und man das vielleicht ändern sollte, dann ist das vollkommen rich­tig. Ich kann Ihnen dazu auch die Handlungsanleitung geben: das freie Mandat stärker in den Vordergrund stellen, vielleicht koalitionsfreie Räume schaffen, denn mir ist schon klar, das funktioniert nicht, weil sich in diesem Bereich die Koalitionspartner schlicht­weg nicht einig werden. (Demonstrativer Beifall des Abg. El Habbassi.)

Fakt ist, dass als Erster der Verfassungsgerichtshof festgestellt hat, dass das Verbot für die Samenspende bei lesbischen Paaren nicht in Ordnung ist und aufgehoben wer­den muss. Das Zweite ist, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in ei­nem Entscheid gegen Österreich festgestellt, dass das Verbot der Eizellspende und das Verbot der Samenspende bei der IVF zwar noch im Ermessensspielraum des Ge-


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setzgebers liegen, dass sich hier aber natürlich auch Neuerungen ergeben und man ohne Weiteres auch darüber nachdenken sollte, ob diese Entwicklungen nicht vielleicht ein Verbot nicht mehr als sinnvoll erscheinen lassen. Der wesentliche Punkt: Wir haben einmal die Samenspende bei der IVF. Das werden wir jetzt ändern. Die Samenspende von Dritten wird jetzt erlaubt sein. Ich persönlich habe bis jetzt schon nie nachvollzie­hen können, wieso man grundsätzlich eine Samenspende erlaubt, nur bei einer In-vi­tro-Fertilisation nicht. Das ist einmal der erste Punkt.

Die zweite Sache ist die Eizellspende. – Ja, Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein, da gibt es Gefahren, da muss man vorsichtig sein. Deswegen haben wir auch festgelegt, dass eine entsprechende Beratung und Aufklärung erfolgen müssen. Ein wesentlicher Aspekt ist aber auch das, was nicht nachvollziehbar ist. Es war bis jetzt so, dass, wenn ein Paar keine Kinder bekommen konnte, weil der Mann nicht zeugungsfähig war, es die Möglichkeit hatte, einen Dritten zu Hilfe zu nehmen. Wenn der Grund, weshalb der Kinderwunsch nicht realisiert werden konnte, war, dass die Eizelle der Frau nicht funk­tionstüchtig war, durfte jedoch kein Dritter, in dem Fall keine Dritte, zu Hilfe genommen werden. Das ist etwas, das nicht nachvollziehbar ist, etwas, was meiner Meinung nach eine unsachliche Differenzierung ist.

Der nächste Punkt, den wir hier heute beschließen, ist die Präimplantationsdiagnostik. Auch das ist sehr spannend, weil wir in Österreich die Pränataldiagnostik ja schon lange erlaubt haben und es so ist, dass der Schwangerschaftsabbruch bei schweren Erkrankungen aufgrund der embryopathischen Indikation straffrei ist. Das betrifft sehr oft Frauen, die schwanger sind, bei denen man draufkommt, dass die Kinder eine schwere Erkrankung haben und möglicherweise nicht lebensfähig sind. Die haben dann unter Umständen eine Totgeburt. Umgekehrt erlaubt man genau diesen Frauen, die aufgrund dieser schweren Erberkrankungen im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation eine Untersuchung auf diese schweren Erberkrankungen haben wollen, genau das nicht. Das ist meiner Meinung nach ein massiver Wertungswiderspruch, weil man da­durch quasi – wir haben es ja schon gehört – eine Schwangerschaft auf Probe erzwingt.

Ein weiterer Faktor ist, dass das in anderen europäischen Ländern ja erlaubt ist. Man muss sich nur überlegen, wie das in Österreich vor sich geht. Der Arzt sagt also im Wesentlichen: Na gut, machen wir eine Schwangerschaft auf Probe oder, die andere Möglichkeit – und das sagen ja Ärztinnen und Ärzte auch schon –, fahren Sie halt ins europäische Ausland. Diesen Medizintourismus wünsche ich mir nicht, insbesondere auch deswegen nicht, weil das natürlich die begünstigt, die die entsprechenden finan­ziellen Mittel dazu haben. Das führt zu einer Zweiklassenmedizin, und die ist absolut nicht gerechtfertigt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Präimplantationsdiagnostik – Kollegin Steinacker hat das auch sehr klar und sach­lich ausgeführt – bleibt weiterhin verboten. Sie ist allerdings unter ganz strenger Regu­lierung erlaubt. Das ist ganz streng geregelt, und es ist sinnvoll, dass sie in diesem Zu­sammenhang erlaubt ist.

Und zusätzlich ist es ja auch noch so, dass der Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte in einem Verfahren gegen Italien festgestellt hat, dass in diesem Zusammen­hang die Aufrechterhaltung eines generellen Verbots der Präimplantationsdiagnostik nicht möglich ist. Da wir in Österreich eine ähnliche Rechtslage haben, hätten wir da nur warten müssen, bis es wieder einen engagierten Anwalt gibt, der dagegen vorgeht.

Vielleicht noch ein letzter Aspekt der Sache: Ja, wir haben eine sehr kurze Begutach­tungsfrist gehabt. Ich finde das sehr schade. Es gibt andere europäische Länder, die das besser geschafft haben. Insbesondere Deutschland hat über fast zwei Jahre lang diskutiert, weil es ja doch ein sehr schwieriges Thema ist. Und die Begutachtungsfrist ist bei uns natürlich auch deswegen so rasch abgelaufen, weil der Gesetzgeber nicht rechtzeitig tätig geworden ist. – Herr Klubobmann Schieder ist jetzt wieder anwesend. –


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Wir müssen eben schneller tätig werden, denn dann passieren uns auch solche Dinge nicht mehr, dass wir so schnell zu einem Abschluss kommen müssen. Wir hätten einen umfassenderen parlamentarischen Diskurs haben müssen. Der gesellschaftliche Dis­kurs läuft schon seit Jahren, keine Frage. Wenn wir jedoch sehen, wie die Deutschen es geschafft haben, über lange Zeit hinweg mit Expertinnen und Experten zu diskutie­ren, dann sollten wir uns das zum Vorbild nehmen.

Und zum Schluss noch: Der Herr Justizminister hat im Ausschuss gesagt, dass es für ein generelles Verbot schon sehr, sehr starke Argumente braucht. Ich habe Ihnen das im Ausschuss schon gesagt, ich kann Ihnen da nur zustimmen. Ich halte das auch für eine sehr richtige Wortwahl in dem Zusammenhang, und deswegen bin ich sehr froh, dass wir das heute so beschließen werden. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

13.07


Präsident Karlheinz Kopf: Nunmehr hat sich Herr Bundesminister Dr. Wolfgang Brand­stetter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


13.07.11

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Besucher aus Nie­derösterreich! Wie schon erwähnt wurde, und insofern kann ich mich auch relativ kurz fassen, ist Anlass für diese notwendige Reform ein Erkenntnis des Verfassungsge­richtshofs vom Dezember 2013 gewesen. In diesem Verfassungsgerichtshoferkenntnis wurde ausgesprochen, dass auch lesbischen Paaren die Möglichkeit der Inanspruch­nahme der medizinisch unterstützten Fortpflanzung eröffnet werden muss. Um diese zu erreichen, hob der Verfassungsgerichtshof wesentliche Teile des Fortpflanzungsme­dizingesetzes mit Wirkung ab 1. Jänner 2015 auf. Das ist umzusetzen.

Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein! Sie haben in diesem Zusammenhang davon ge­sprochen, dass man die Verantwortung den Gerichten umhängen würde, soferne ich es richtig mitgeschrieben habe. Darum kann es jedoch nicht gehen. Bei einem richtigen Verständnis des Rechtsstaats sind höchstgerichtliche Entscheidungen umzusetzen oh­ne Wenn und Aber; da kann es gar keine Debatte darüber geben. – Ja, es ist so. Es ist auch schon erwähnt worden, dass sich Kollege Graupner kürzlich auch in einer ande­ren, einer adoptionsrechtlichen Frage beim Höchstgericht durchgesetzt hat. Er hat recht bekommen. Auch das ist einfach umzusetzen. Um das in diesem Fall zu erreichen, hob der Verfassungsgerichtshof wesentliche Teile des Gesetzes auf, und dadurch wurden natürlich letztlich Regelungslücken in Kauf genommen. Und diese Regelungslücken – die haben wir ja jetzt gerade – führen dazu, dass ganz entscheidende Begrenzungen dieses Gesetzes aufgehoben wurden, nämlich nicht zuletzt der zentrale einschränken­de Grundsatz der Subsidiarität der medizinisch assistierten Fortpflanzung.

Daher war es wichtig und auch mir wichtig, diese jetzt bereits seit 1. Jänner bestehen­de Regelungslücke zu schließen und die damit verbundene Rechtsunsicherheit zu be­seitigen, und zwar möglichst rasch, damit wir diesen unbefriedigenden Zustand auch nur möglichst kurz haben. Das ist einfach notwendig und sinnvoll, und das, meine Damen und Herren Abgeordnete, war und ist der einzige Grund für den Zeitdruck, der hier oft kritisiert worden ist.

Bei allem Verständnis für Kritik am raschen Tempo möchte ich jedoch schon darauf hinweisen, dass die wesentlichen Grundfragen der Fortpflanzungsmedizin bereits seit Jahren intensiv diskutiert werden und die möglichen Antworten schon seit Langem auf dem Tisch liegen. Auch haben wir ja bis zuletzt Änderungen in unserem Entwurf gerne aufgegriffen, und meines Wissens wurde ja bis gestern auch auf parlamentarischer Ebene an diesen Entwürfen gearbeitet und vieles, was an Kritik und Anregung gekom-


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men ist, geprüft, nachgeschärft und auch umgesetzt. Für mich ist das ein sehr schönes Beispiel für konstruktiven Parlamentarismus. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Insbesondere Frau Kollegin Steinacker hat die wesentlichen inhaltlichen Dinge bereits so dargestellt, dass man dem nichts hinzufügen muss. Ich möchte nur noch einmal da­rauf hinweisen: Diese Reform ist in wesentlichen Punkten der Umsetzung grundrechtli­cher, verfassungsrechtlicher Vorgaben geschuldet, wobei für mich als Justizminister nicht nur diese höchstgerichtliche Judikatur entscheidend ist, sondern auch die ansonsten be­stehende Rechtslage, die ich natürlich zu respektieren und zu berücksichtigen habe, ins­besondere auch die bezüglich des Schwangerschaftsabbruchs.

Nicht nur die Öffnung der medizinisch unterstützten Fortpflanzung für lesbische Paare erfolgt nun aufgrund einer Entscheidung eines Höchstgerichtes. Auch die Zulassung der In-vitro-Fertilisation mit Samenspende und die Öffnung der Eizellenspende erfolgen im Hinblick auf die logischen Konsequenzen eines Urteils des Europäischen Gerichts­hofs für Menschenrechte. Das ist bei richtigem Verständnis dieser höchstgerichtlichen Judikatur einfach so, und das kann man nicht bestreiten.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll den aktuellen Entwicklungen, aber auch den berechtigten Schutzinteressen der Beteiligten Rechnung getragen werden. Wir haben in unserem Entwurf die Zulassung der In-vitro-Fertilisation mit Samenspende und Ei­zellenspende zum Schutz der Frauen an strenge Rahmenbedingungen geknüpft. So darf immer nur jene Methode vom Arzt gewählt werden, die mit den geringsten gesund­heitlichen Folgen für die beteiligten Personen verbunden ist. Der Arzt ist zu einer um­fassenden Beratung verpflichtet. Und mir war es auch ein besonderes Anliegen, die Zahl der sogenannten überzähligen Embryonen auf das unbedingt nötige Ausmaß zu beschränken. In diesem Punkt findet sich in diesem Entwurf tatsächlich auch ein Fort­schritt gegenüber der bisherigen Rechtslage.

Und was jetzt die Präimplantationsdiagnostik in Österreich betrifft, so ist festzuhalten, dass sie grundsätzlich weiterhin verboten bleibt. Eine Zulassung unter bestimmten, ganz strengen Voraussetzungen war aber ebenfalls aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte notwendig. In diesem Erkenntnis, in dieser Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte konkret Ita­lien wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verurteilt. Kritisiert wurde – und das ist schon beachtlich – der sach­lich nicht gerechtfertigte Wertungswiderspruch des Verbots der Präimplantationsdiagnos­tik zur ohnehin erlaubten Pränatal-Diagnostik. Und dieses Ungleichgewicht zwischen dem Schutz des Embryos in vitro und in vivo muss ausgeglichen werden, um in Zu­kunft Frauen und Paaren mit Kindeswunsch die Belastung einer Schwangerschaft auf Probe zu ersparen. In einer Gesamtbetrachtung überwiegen die Vorteile dieser einge­schränkten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik unter strengen Voraussetzungen eindeutig gegenüber den mit solchen Untersuchungen zweifellos auch verbundenen Pro­blemen.

Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass diese Zugangsbeschränkun­gen zur Inanspruchnahme der bestehenden Möglichkeiten medizinisch assistierter Fort­pflanzung natürlich auch Eingriffe in die Grundrechtssphäre der Betroffenen, der Paare mit Kinderwunsch darstellen. Damit derartige Verbote nicht dem liberalen Prinzip unse­rer Verfassung widersprechen, bedarf es eben schon auch einer spezifischen Rechtfer­tigung. In dem Zusammenhang erlauben Sie mir noch einige ganz wenige grundsätzli­che Bemerkungen, die ich hier schon auch unter Berücksichtigung dessen, was hier be­reits gesagt wurde, am Ende nicht unerwähnt lassen will.

Schauen Sie, wie ich gesagt habe, aus meiner Sicht, aus Sicht des Justizressorts gibt es zwei Parameter, zwei Vorgaben: die höchstgerichtliche Judikatur auf der einen Seite und die bestehende Rechtslage insbesondere in Bezug auf den Schwangerschaftsab-


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bruch auf der anderen Seite. Ich verstehe natürlich, dass es, wenn man die Regelung nicht so treffen würde, wie wir sie hier vorgeschlagen haben, zu Verwerfungen und Wer­tungswidersprüchen kommen würde. Man kann doch nicht das, was im Rahmen der pränatalen Diagnostik an der Schwangeren jetzt schon nach geltender Rechtslage zu­lässig ist, im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik, im Reagenzglas verbieten wol­len. Das wäre ein unerträglicher Wertungswiderspruch.

Natürlich verstehe ich aber auch, dass in der Diskussion, die ich mit allen Beteiligten wirklich intensiv geführt habe, schon immer wieder, insbesondere bei der Katholischen Kirche verständlicherweise die Wunden aus der Abtreibungsdiskussion vor 40 Jahren aufbrechen. Das ändert jedoch nichts an dem hier zu regelnden konkreten Problem.

Und was die Eizellenspende betrifft, die wir letztlich auch in Konsequenz der höchstge­richtlichen Judikatur zulassen, da teile ich die Bedenken, die hier geäußert wurden über­haupt nicht. Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein hat, glaube ich, einen Punkt überse­hen, obwohl ich den im Gesundheitsausschuss ja erwähnt habe. Man darf nicht ver­gessen – und da haben Sie ja recht –, dass die Eizellenspende seitens der Spenderin keine Heilbehandlung ist. Das ist ein fremdnütziger Eingriff, daher braucht es dafür ei­ne Rechtfertigung. Der Arzt braucht eine Rechtfertigung dafür, und die kann er nur be­kommen, etwa so wie auch bei einer Nierenspende unter Lebenden, durch eine spe­zielle Regelung im Strafgesetzbuch, und das ist die Einwilligung des Verletzten. Und die ist nach der strengen Judikatur nur dann zulässig, wenn es keinerlei kommerzielle Interessen gibt. So gesehen dienen die Einschränkungen, die wir machen, auch einer entsprechenden Klarstellung. Die wesentliche Einschränkung ist jedoch diese Rege­lung im Strafgesetzbuch, und die gilt ja auch weiterhin, sodass ich die vorgebrachten Bedenken wirklich nicht teilen kann. Es wird keine kommerzialisierte Eizellenspende ge­ben können.

Und wenn oft gesagt wird: Ja, wir haben die Befürchtung, dass es dazu kommen wird!, so kann ich dazu nur eines sagen: Es gab auch immer wieder die Argumente, dass es irgendwo auf der Welt einen schwunghaften Handel mit Organen gibt. Mag sein, ja, aber deshalb die Organspende in Österreich einschränken zu wollen, obwohl wir das ganz gezielt und bewusst mit unseren rechtlichen Regelungen verhindern konnten, das wäre der falsche Weg, muss ich sagen. Und wir werden es auch hier schaffen, jede reine Kommerzialisierung absolut zu vermeiden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Und auch was die Eizellenspende betrifft, die eine Eizellenspende bleiben wird nach diesem Entwurf und nach unserer Rechtsordnung und den bestehenden Regelungen, die wir schon haben, muss ich schon kurz eingehen auf eine Bemerkung, die Herr Ab­geordneter Dr. Marcus Franz gemacht hat, die mich geschmerzt hat; ich muss es so sagen. Im Zusammenhang damit von einer – so haben Sie es formuliert, Herr Abgeord­neter – Kraut- und Rüben-Elternschaft zu sprechen, das tut einem weh. Wenn man nämlich wirklich weiß, was Betroffene tatsächlich für Probleme, Sorgen und Wünsche haben, und vor allem, wenn man Erfahrung hat so wie ich mit familienrechtlichen Pro­blemen, mit vielen, vielen Fällen, mit denen ich auch wirklich konfrontiert war, wenn man also all das aus der Praxis kennt, wenn man das versteht, dann kann man nur ei­nes sagen, und das sage ich Ihnen Herr Abgeordneter Dr. Franz: Im Zweifel ist es im Interesse des Kindeswohls auf jeden Fall wichtiger, dass es eine stabile, soziale Eltern­schaft gibt. Die soziale Elternschaft ist für das Kindeswohl wichtiger als die biologische. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Letztlich bleibt natürlich zu konzedieren – und das gestehe ich auch zu –, dass das ein Thema ist, von dem schon gesagt worden ist, das es niemanden kalt lässt. Das ist auch gut so. Es ist eine schwierige, auch ethisch schwierige Frage, was man im Rahmen der medizinischen Möglichkeiten ganz allgemein kann, darf und soll. Von meiner Warte aus betrachtet ist ganz klar, dass ich naturgemäß schon ganz besondere Gründe, wie


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schon erwähnt wurde, eine ganz besondere Sozialschädlichkeit eines Verhaltens er­kennen muss, um konkret etwas zu verbieten. Das sehe ich in diesem Zusammenhang nicht, und wir haben das lange und intensiv diskutiert, in einer sehr hochklassigen Dis­kussion; das muss ich wirklich sagen, und dafür bin ich auch dankbar. Ich habe auch mit Vertretern der Katholischen Kirche intensiv diskutiert, auch als Katholik, auch mit höchsten katholischen Würdenträgern. Und weil er schon vom Herrn Abgeordneten Kickl genannt wurde unser Kardinal, ich habe auch mit ihm ein sehr ausführliches Ge­spräch geführt. Ja, das war von beiden Seiten vom Verständnis des jeweils maßgebli­chen Standpunkts getragen. Um auf ein sehr schönes Wort von Erich Fried zurückzu­greifen: Unsere Ansichten sind als Freunde auseinander gegangen.

Ja, das ist so, aber ich möchte hier eines klar festhalten: Justizpolitik kann nur in einer konsensorientierten Sachpolitik bestehen. Die hat in Österreich und speziell auch im Jus­tizausschuss Tradition. Der fühle ich mich verpflichtet. Meine Aufgabe ist es, für Rechts­sicherheit zu sorgen. Meine Aufgabe ist es, Gesetze auf Basis eines größtmöglichen gesellschaftlichen Konsenses vorzuschlagen. Und das ist hier gemeinsam mit der Kol­legin Oberhauser in äußerst konstruktiver Weise gelungen. Dafür bin ich ihr auch dank­bar. (Abg. Pilz: Das war ein Jandl-Zitat!) – War es ein Jandl-Zitat? Entschuldigung! Aber das Zitat ist jedenfalls schön und passt zum Thema. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich glaube, das ist das erste Mal, dass der Herr Abgeordnete Pilz hier jemanden wirk­lich korrigieren kann. Es sei ihm vergönnt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Aber Sie sehen, lieber Kollege Pilz – es wird Ihnen gefallen –, ich lese beide, daher kann ich sie auch verwechseln. (Abg. Pilz: Sie bekommen noch ein drittes Buch von mir!) – Gut.

Noch zum Thema medizinisch-assistierte Fortpflanzung ganz allgemein: Wissen Sie, ich verstehe ein Argument nicht, das bei einigen Rednern herausgekommen ist. Ich verstehe nicht, dass man mögliche, äußerst übertrieben dargestellte Probleme, die sich bei der medizinisch-assistierten Fortpflanzung ergeben könnten, als Argument dafür verwenden will, um das Problem am besten dadurch zu lösen, dass man das Kind gar nicht erst entstehen lassen soll. Das soll im Interesse des Kindes liegen?! Das ver­stehe ich beim besten Willen nicht.

Familie ist dort, wo Kinder sind. Dieses Gesetz dient der medizinisch-assistierten Fort­pflanzung. Es dient der Erfüllung des Kinderwunsches, wenn er existiert. Das ist etwas Positives. Das darf man nicht aus den Augen verlieren. Das geht hier ein bisschen ver­loren in der Diskussion, und deshalb möchte ich es zurückholen. Der Grundgedanke dieses Gesetzes ist, denjenigen, die einen Kinderwunsch haben und bei denen das oh­ne medizinische Unterstützung nicht geht, zu helfen, damit es Kinder gibt. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Dass es Kinder gibt, das, bitte schön, dient dem Kindeswohl. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.22


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Spindel­berger. – Bitte.

 


13.22.58

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Herr Bundesminister, danke für diese of­fenen Worte! Sie haben aufgezeigt, dass es gelungen ist, einen Entwurf vorzulegen, der einerseits ethisch hochstehend ist, andererseits aber auch den mehr als berech­tigten Wünschen kinderloser Familien und Paare Rechnung trägt, aber auch gleichge­schlechtlichen Paaren eine medizinisch-unterstützte Fortpflanzung ermöglicht.


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Wenn dann von einigen RednerInnen angesprochen wird, dass wir die Realität nicht erkannt haben, dann sage ich: Genau das Gegenteil ist der Fall, denn dieser Gesetz­entwurf spiegelt die gesellschaftspolitische Realität wieder. Tun wir doch nicht so! Gau­keln wir den Menschen doch nicht vor, dass nur heterosexuelle, vielleicht auch noch verheiratete Paare bessere Eltern wären!

Um einige Punkte des vorliegenden Gesetzes nochmals zu verdeutlichen, möchte ich einen Abänderungsantrag einbringen, den ich kurz in seinen Grundzügen darstelle und aus dem klar hervorgeht, dass die Präimplantationsdiagnostik grundsätzlich nach wie vor verboten bleibt. Diese darf nur dann erfolgen, wenn zum Beispiel der Kinderwunsch trotz mindestens dreier Fehl- oder Totgeburten versagt bleibt. Im Rahmen dieser Prä­implantationsdiagnostik dürfen ohnehin nur jene Untersuchungen durchgeführt werden, die unbedingt notwendig sind, um diese Fehl- oder Totgeburten künftig zu vermeiden. Gerade deshalb, Herr Kollege Franz, ist es für mich nichts Verwerfliches, wenn in so einem Fall künftig nur genetisch gesunde Embryonen eingesetzt werden, weil im Vor­feld die Labortests ergeben haben, dass mit schweren Erbkrankheiten zu rechnen ist.

Um noch eines klarzustellen: Im Sinne des vorliegenden Entwurfs ist unter Erbkrank­heit zu verstehen, dass ein Überleben nur durch Einsatz modernster Medizintechnik gewährleistet wäre, weil das Kind zum Beispiel schwerste Hirnschädigungen aufweisen oder an nicht wirksam behandelbaren Schmerzen leiden würde. Daher halte ich die in diesem Zusammenhang oftmals gemachten – und ich behaupte das bewusst so – blödsinnigen Äußerungen, dass künftig nur mehr Designer-Babys produziert werden, al­lein schon wegen des Umstandes, dass Leihmutterschaft weiterhin verboten bleibt, für entbehrlich.

Darüber hinaus – das geht auch aus dem eingebrachten Abänderungsantrag hervor – ist jedwede Werbung für die Überlassung oder Vermittlung von Samen, Eizellen oder entwicklungsfähigen Zellen verboten.

Für mich persönlich verwunderlich ist jedenfalls auch der Umstand, dass sich in diese Diskussion sehr viele Vertreter aus dem klerikalen Bereich eingebracht haben. Die können, zumindest offiziell, sicher keine persönlichen Erfahrungen mit der Familienpoli­tik mit einbringen. Die können auch nicht erahnen, was es bedeutet, behinderte Kinder zu gebären und aufziehen zu müssen. Ich denke deshalb, dass diese ohnehin nicht leichte Entscheidung wohl den Eltern vorbehalten bleiben soll.

Wir reduzieren mit dieser sehr, sehr eingeschränkten Anwendungsmöglichkeit der Prä­implantationsdiagnostik unnötiges Leid einer abermaligen Fehl- und Totgeburt. Wir ver­hindern – ganz im Gegenteil, Kollege Franz – diesen Tourismus ins Ausland, weil wir es ermöglichen, dass die Behandlungen nun auch im Inland durchgeführt werden. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)

13.26


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Spindelberger in seinen Grund­zügen erläuterte Abänderungsantrag wurde in der Zwischenzeit im Saal verteilt. Er ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Dr. Eva Mückstein, Ulrike Königsberger-Ludwig, Mag. Michaela Steinacker, Mag. Daniela Musiol und Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Gesundheitsausschusses 450 der Beilagen über die Regierungsvorla­ge 445 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizin-


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gesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015):

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Artikel I (Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes) wird wie folgt geändert:

a) In Z 3 lautet § 2a Abs. 1 Z 1 wie folgt:

„1. nach drei oder mehr Übertragungen entwicklungsfähiger Zellen keine Schwanger­schaft herbeigeführt werden konnte und Grund zur Annahme besteht, dass dies auf die genetische Disposition der entwicklungsfähigen Zellen und nicht auf andere Ursachen zurückzuführen ist, oder“

b) In Z 3 lautet § 2a Abs. 4 erster Satz:

„Im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik dürfen nur die nach dem Stand der medi­zinischen Wissenschaft und Erfahrung im Sinn des Abs. 1 Z 1 zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, im Sinn des Abs. 1 Z 2 zur Vermeidung einer Fehl- oder Totgeburt oder im Sinn des Abs. 1 Z 3 zur Vermeidung einer Fehl- oder Totgeburt oder einer Erb­krankheit unabdingbar erforderlichen Untersuchungen durchgeführt werden.“

c) In Z 6 erhält der bisherige § 7 Abs. 3 die Bezeichnung „(4)“, § 7 Abs. 2 und 3 lautet:

„(2) Der Arzt hat den Ehegatten, eingetragenen Partnern oder Lebensgefährten oder dritten Personen, deren Samen oder Eizellen verwendet werden, eine psychologische Beratung oder eine psychotherapeutische Betreuung vorzuschlagen und sie auf die Möglichkeit hinzuweisen, andere unabhängige Beratungseinrichtungen zu konsultieren.

(3) Die Beratung oder Betreuung der Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebens­gefährten soll sich insbesondere auf die für die Eltern und das Kind mit der Verwen­dung von Samen oder Eizellen dritter Personen verbundenen Herausforderungen be­ziehen.“

d) In Z 6 wird in § 10 nach dem Wort „Zyklus“ die Wortfolge „der behandelten Frau“ eingefügt.

e) In Z 6 wird in § 16 Abs. 1 folgender Satz angefügt:

„Die Vereinbarung oder die Annahme einer Aufwandsentschädigung gilt als entgeltli­ches Rechtsgeschäft, wenn und soweit die Aufwandsentschädigung über die nachge­wiesenen Barauslagen, die im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung bei der Überlassung von Samen oder Eizellen getätigt wurden, hinausgeht.“

f) In Z 6 lautet § 16 Abs. 2 Z 3:

„3. von Personen, die bereit sind, Samen, Eizellen oder entwicklungsfähige Zellen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung zu überlassen oder in sich einbringen zu lassen,“

g) In Z 6 wird in § 16 Abs. 2 folgender Satz angefügt:

„Ebenso ist jede Werbung für die Überlassung oder Vermittlung von Samen, Eizellen oder entwicklungsfähigen Zellen unzulässig.“

h) In Z 9 lautet § 21 Abs. 2 Z 1:

„1. Anzahl der Paare, die eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung in Anspruch ge­nommen haben sowie Anzahl der Anwendungen, gegliedert nach den in § 1 Abs. 2 angeführten Methoden (einschließlich Überlassung von Samen und Eizellen) und nach Alter, Anzahl der aufbewahrten Samenspenden, Eizellen und entwicklungsfähigen Zel­len,“


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i) In Z 9 lautet § 21 Abs. 3:

„(3) Die Gesundheit Österreich GmbH hat die Auswertung gemäß Abs. 1 und die im Genanalyseregister gemäß § 79 Abs. 1 Z 1 GTG verzeichneten Einrichtungen, welche PID durchführen samt den in § 79 Abs. 2 GTG genannten Angaben und Untersu­chungen sowie alle im Gentechnikbuch enthaltenen spezifische Informationen zur PID im Rahmen eines Berichts dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundes­ministerium für Justiz zur Verfügung zu stellen und auf der Homepage der Gesundheit Österreich GmbH zu veröffentlichen.“

Artikel II (Änderung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs) wird wie folgt ge­ändert:

a) In Z 1 lautet die Überschrift wie folgt:

„Abstammung vom Vater und vom anderen Elternteil“

Artikel III (Änderung des Gentechnikgesetzes) wird wie folgt geändert:

a) Z 2 lautet:

„2. § 97 wird wie folgt geändert:

„§ 97. Die Bundesministerin für Gesundheit hat eine Geschäftsordnung für die Kom­mission und ihre wissenschaftlichen Ausschüsse zu erlassen, die die Erfüllung der ihr aufgetragenen Aufgaben sicherstellt. Die Geschäftsordnung hat nähere Bestimmungen insbesondere über die Einberufung, den Ablauf, die Anwesenheit, die Vertretung und die Beschlussfassung sowie Regeln über die Unvereinbarkeit zu enthalten und bedarf für ihre Wirksamkeit der Genehmigung durch die Bundesministerin für Gesundheit. Das gilt auch für jede Änderung der Geschäftsordnung.““

b) Z 3 lautet:

„3. Dem § 113 wird folgender § 113a angefügt:

„§ 113a. § 88 Abs. 2 Z 2 lit. a und § 97 GTG in der Fassung des Fortpflanzungsmedi­zinrechts-Änderungsgesetzes, BGBl. I. Nr. xxx/2015, treten mit dem auf die Kundma­chung folgenden Tag in Kraft.“

Begründung

In § 2a Abs. 1 Z 1 wird eine Klarstellung zur Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnos­tik insofern getroffen, als die Präimplantationsdiagnostik nun bei rezidivierend fehlge­schlagener medizinisch assistierter Reproduktion zulässt. Bei zumindest drei geschei­terten Versuchen einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung soll die Präimplanta­tionsdiagnostik zur „Verbesserung“ des Erfolgs von künstlichen Befruchtungen zuge­lassen werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass das Scheitern des Transfers von Embryonen darauf zurückzuführen ist, dass die Embryonen wegen ihrer geneti­schen Disposition nicht überlebensfähig waren.

Die Änderung in § 2a Abs. 4 dienen der Klarstellung, dass genetisches Screening un­zulässig ist.

Der in § 7 Abs. 2 angeführte Personenkreis soll um Personen, deren Samen oder Ei­zellen verwendet werden, erweitert werden. Ein Schwerpunkt der Beratung oder Be­treuung gemäß § 7 Abs. 3 soll insbesondere auch die Frage des Zeitpunkts und die Art der Aufklärung des Kindes über die genetische Elternschaft durch die Eltern sein.

In § 10 wird klargestellt, dass es sich um den Zyklus der behandelten Frau handelt.


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Die Änderung des § 16 Abs. 1 dient der Klarstellung zur Aufwandsentschädigung, bei­spielsweise wäre ein Verdienstentgang nicht erfasst. Unter Barauslagen sind hier etwa auch die Reise- und Übernachtungskosten sowie allfällige Medikamentenkosten zu ver­stehen. Diese Ausgaben müssen notwendiger Weise mit der Überlassung des Samens bzw. der Eizellen verbunden sein und belegt werden.

In § 16 Abs. 2 Z 3 erfolgt eine Klarstellung, dass auch die Vermittlung von Personen, die bereit sind, Samen, Eizellen oder entwicklungsfähige Zellen für eine medizinisch un­terstützte Fortpflanzung zu überlassen, vom Vermittlungsverbot umfasst sind. Ein ent­sprechendes Werbeverbot wird eingeführt.

In § 21 Z 1 erfolgt eine Klarstellung hinsichtlich der Samen- und Eizellspenden. Die zu erhebenden Daten werden um die aufbewahrten Samenspenden, Eizellen und ent­wicklungsfähigen Zellen erweitert. Weiters soll der Bericht der Gesundheit Österreich GmbH um die relevanten im Genanalyseregister und Gentechnikbuch enthaltenen Da­ten erweitert werden. Aus Publizitätsgründen soll der Bericht auch veröffentlicht wer­den.

In Artikel II Z 1 wird in der Überschrift vor § 144 ABGB klargestellt, dass es um die Abstammung des Vaters und des anderen Elternteils geht.

In Artikel III Z 2 (§ 97 GTG) werden die näheren Bestimmungen einer neu zu fas­senden Geschäftsordnung für die Gentechnikkommission und ihre Ausschüsse festge­legt. Kernpunkt dabei sind Unvereinbarkeitsregeln. Diese müssen so gestaltet sein, dass Antragsteller in ihren eigenen Zulassungsverfahren weder an der Beratung teil­nehmen, noch Berichterstatter sein, noch an der Abstimmung teilnehmen können.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

 


13.26.47

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerin und Minister! Hohes Haus! Leider fehlt der Abgeordnete Kickl. Ich bin jetzt extra zu meinem Auto gerannt und habe aus der Notfallapotheke ein Valium geholt. Er hat sich nämlich derartig aufgeregt, dass ich mich als Arzt gefordert fühlte. Aber er hat mir gezeigt, dass dieses Herumschreien, das mich als Arzt in Alarmbereitschaft ver­setzt, für ihn eigentlich nur eine Show war. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Sehr wit­zig! Er hat den Gesetzesarzt gefordert!), denn er ist nicht mehr da. – Soweit zu seiner Ernsthaftigkeit bei diesem Thema. Aber ich bin gerne bereit, ihm das Valium zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte dieses Thema aus zwei Sichtweisen beleuchten. Erstens als Abgeordneter: Unser Parteiobmann Mitterlehner hat schon gefragt, ob es wirklich notwendig ist, dass wir immer höchstgerichtlichen Entscheidungen nachlaufen. Wir wollen gestalten, nicht gestaltet werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wird mit Sicherheit demnächst, wenn das geklagt wird, ein Urteil, das positiv zur PID steht, erlassen. Der Verfassungsgerichtshof hat uns schon eine Frist vorgegeben, und die Bioethikkommis­sion beschäftigt sich seit zehn Jahren intensiv damit. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Warum das Parlament nicht? An welcher Partei ist das gescheitert?) Es ist interessant, ich war bei einem Hearing, aber dort waren viele nicht, die heute sehr lautstark auftre­ten – auch Sie nicht! –, und dort wurde klar festgehalten, dass sich sogar die Kirchen nicht darüber einig sind, wann Leben beginnt. Die katholische Kirche sagt, wenn Ei und Samenzelle verschmelzen, dann ist es Leben. Andere sagen, es sind 72 Tage.


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Meine zweite Bemerkung möchte ich als Arzt machen. Wir reden hier nicht von fertigen Kindern. Wir reden von einem frühen Embryonalstadium, vom Achtzellstadium. Das ist drei Tage nach Verbindung von Ei und Samenzelle. Wir reden davon, dass wir eine die­ser acht Zellen untersuchen dürfen. Zu welchem Zweck? – Um eine Fehl- oder Totge­burt zu verhindern, um eine schwere Erbkrankheit zu verhindern, die entweder zu star­ken Schmerzen führt oder nicht kausal behandelbar ist oder dazu führt, dass das Kind nur medizinisch-technisch am Leben erhalten werden kann. Also es geht nicht um das Geschlecht oder die Farbe der Haare und so weiter.

Wie viele Menschen, wie viele Fälle würde das in Österreich betreffen? – Nach deut­schen Erfahrungen wären es 20 bis maximal 25. Es ist schon eine Abwägungsfrage, ob ich einer Familie, die aufgrund einer genetischen Erkrankung schon ein schwerstbe­hindertes Kind hat, zunächst sage: Du darfst nichts untersuchen im Achtzellstadium!, also am dritten Tag. Aber später sage ich: Du darfst dich einer gefährlichen Untersu­chung in der sechsten bis achten Woche unterziehen!, nämlich der Fruchtwasser­punktion, oder: Du darfst dann sogar abtreiben! Also ich glaube, das ist schon ein Wer­tungsunterschied.

Es ist schon ein Zynismus, wie ich meine, wenn mir Menschen schreiben, die vor der Diamantenen Hochzeit stehen und eigentlich gar nicht betroffen sind. Das muss man schon ganz klar sehen. Unser Gesetz ist strenger, wesentlich strenger als das deut­sche Gesetz. Dort wurde es als Sternstunde des Parlamentarismus bezeichnet.

Ich komme zum Schluss: Als Arzt fühle ich mich schon sehr stark dem Wert des Le­bens verpflichtet. Ich kann sagen: Mit diesem Gesetz wird dem Beginn eines Lebens sehr wohl Rechnung getragen, weil wir etwas Schlimmeres verhindern wollen. Wir wer­den auch bald über das Ende des Lebens in diesem Haus diskutieren. Ich wünsche mir auch eine derart intensive Debatte, wenn es um Tötung auf Verlangen geht. (Beifall bei der ÖVP.)

13.30


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Mück­stein. – Bitte.

 


13.30.56

Abgeordnete Dr. Eva Mückstein (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Herr Minister! Werte KollegInnen! Werte ZuschauerInnen! Die Änderung des Fort­pflanzungsmedizingesetzes ist eine Errungenschaft für die Gleichstellung gleichge­schlechtlicher Paare und spiegelt aus unserer Sicht sehr erfreulich wider, dass die Ge­sellschaft nun bereit ist, sich für neue und vielfältige Formen von Partnerschaften und Familienkonstellationen zu öffnen. Das ist eine Lebensrealität.

Ich freue mich auch, dass Herr Minister Brandstetter angesprochen hat, dass es um die soziale Elternschaft geht. Was heißt das? – Es ist wesentlich wichtiger, ob eine Be­zugsperson in der Lage ist, eine gute Beziehungsqualität anzubieten und ein gutes Be­ziehungsangebot zu machen, als das Geschlecht der Bezugsperson. Darauf reagieren Kinder. Wenn ein gutes Beziehungsangebot vorhanden ist, entwickeln sich Kinder auch gut. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Wurm.)

Dennoch werde ich mich vielleicht ein bisschen weniger euphorisch zum Fortpflan­zungsmedizingesetz äußern als meine Kollegin Daniela Musiol. Ich hatte auch Proble­me damit, dem Gesetz zuzustimmen, weil mir anfänglich wesentliche Kindeswohlas­pekte zu kurz gekommen sind. Deshalb bin ich auch sehr froh, dass es uns nun im Verlauf der Verhandlungen doch gelungen ist, die Kindeswohlaspekte, die mir sehr wichtig sind, in das Gesetz hinein zu verhandeln, beziehungsweise, dass es zumindest gelungen ist, einige wesentlichen Aspekte als Absichtserklärung im gemeinsamen Ent­schließungsantrag zu verankern.


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Klar ist: Der Kindeswunsch ist ein persönlich-individuelles wie auch gesellschaftspoli­tisch-soziales Thema. Die Erfüllung des Kinderwunsches ist eine existenzielle Frage. Ich habe viele Paare beraten, die extrem unter unerfülltem Kinderwunsch litten, und die Reproduktionsmedizin ist in der Lage, dieses Leid zu mildern. Aber die Reproduk­tionsmedizin darf als Motiv meines Erachtens nicht nur bloß die Erfüllung dieses Kinderwunsches im Blickpunkt haben, und – ich möchte auch noch einen Aspekt an­führen, der bis jetzt noch nicht besprochen wurde – auch die damit verbundene Ge­schäftserfüllung darf nicht im Zentrum des Geschehens stehen beziehungsweise muss durch bestimmte Maßnahmen in Schranken gehalten werden. Es muss auch die Le­bensqualität der so gezeugten Kinder und ihrer Familien beachtet werden. In einer ethisch verantwortungsvollen Auseinandersetzung mit den Zielsetzungen der Repro­duktionsmedizin müssen beide Aspekte in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander gebracht werden.

Neben der Erfüllung des Kinderwunsches ist es das Recht des Kindes auf bestmögli­che Gesundheit und das Recht des Kindes auf Wissen um seine Identität, das wir hier unbedingt beachten müssen.

Warum müssen wir auch an die Kinder der Reproduktionsmedizin denken? – Die mo­derne Fortpflanzungsmedizin hat nicht nur die Kinderwunscherfüllung gebracht, sie hat auch hohe Risiken mit sich gebracht, die sehr unzureichend dokumentiert und erforscht sind. Unbestritten ist jedenfalls, dass die Medizintechnik in diesem Bereich gehäuft zu Mehrlingsschwangerschaften, zu Frühgeburten und Fehlbildungen bei Kindern führt. Man geht davon aus, dass nicht weniger als 20 Prozent der Kinder, die mit Hilfe der Reproduktionsmedizin gezeugt wurden, an Entwicklungsbeeinträchtigungen und Be­hinderungen leiden, weil es während der Schwangerschaft oder der Geburt zu Auffäl­ligkeiten gekommen ist. Das ist, denke ich, doch ein Grund, unabhängige Forschung vo­ranzutreiben.

Kinder haben ein Recht auf Wissen um ihre Identität. Aus der Bindungs- und Adop­tionsforschung ist bekannt, dass das Wissen um die eigene Herkunft und die Ausein­andersetzung damit einen starken Einfluss auf die Bindung, Bindungsentwicklung, Identitätsentwicklung und auf das Selbstwertgefühl haben. Seit vielen Jahren gilt es deshalb im Bereich der Jugendwohlfahrt, also dort, wo Pflegekinder und Adoptivkinder betreut werden, als Standard, dass Kinder über ihre biologischen Eltern Bescheid wis­sen und, soweit es möglich ist, auch Kontakt mit ihnen haben sollen.

Die Kinder mit fremden genetischen Eltern haben künftig nun ein Auskunftsrecht ab dem 14. Lebensjahr. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft entsteht aus entwicklungspsychologischer Sicht aber schon viel früher, und dem sollte dann auch nachgekommen werden. Wir haben uns daher dafür eingesetzt, dass Kinder auch schon früher diese Information erhalten können. Sie sollen wissen können, woher sie stammen. Der gemeinsame Entschließungsantrag sieht daher die Prüfung vor, ob und wie Kinder durch ein zentrales Register über Eizellen- und Samenspenden vereinfacht zu Information über ihre genetischen Eltern kommen können.

Die Kinderwunscheltern müssen von ihren ÄrztInnen auch über alle diese Aspekte in­formiert werden. Wir hätten uns gewünscht, dass die psychologische und psychothera­peutische Beratung ein Rechtsanspruch für Eltern wird und dass sie vor allem auch ausreichend finanziell abgesichert ist, damit es da keine Unsicherheiten gibt und Eltern vielleicht aus finanziellen Gründen diese Beratung nicht in Anspruch nehmen können.

Eine verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Fortpflan­zungsmedizin, aber auch mit den Grenzen und den Geschäftsinteressen der Repro­duktionsmedizin erfordert meines Erachtens eine Evaluierung von außen. Der Kinder­wunsch ist auch zur lukrativen Ware geworden, und deshalb darf man die ethische


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Auseinandersetzung mit diesen Risiken nicht aus der Reproduktionsmedizin selbst heraus erwarten. Die Fortpflanzungsmedizin muss sich von außen Fragen stellen las­sen, und sie muss sich fragen, ob ihre Mittel immer probat sind und ob sie verantwor­tungsvoll angewendet werden.

Die Fortpflanzungsmedizin muss sich auf eine Evaluierung einlassen, die nicht nur die Schwangerschaftsraten erfasst, sondern auch die Schwangerschafts- und Geburtsverläu­fe, also die qualitative Baby-Take-Home-Rate, und die zeigt, wie es den Kindern und den Eltern nach fortpflanzungsmedizinischen Interventionen geht. Unser Entschließungsan­trag sieht deshalb vor, dass innerhalb von zwei Jahren ein Prüfergebnis vorliegen soll, wie dieser ethische Anspruch im Interesse der Kinder erfüllt werden kann. Das Gesetz ist aus meiner Sicht bezogen auf das Interesse der Kinder nur ein erster Schritt, aber ein erster, guter Schritt. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Königsberger-Ludwig.)

13.38


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Meinl-Reisinger. – Bitte.

 


13.38.44

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kickl ist jetzt nicht da. Ich möchte einmal das Wort für die ÖVP ergreifen. Ich muss sagen, sich hier herzustellen und zu sagen, Sie haben es sich leicht gemacht, also das finde ich geradezu unanständig. Ich glaube, bei kaum einer Materie hat es so viele interne Diskussionen – das konnte man auch me­dial nachvollziehen – gegeben, nicht nur in der ÖVP, sondern in allen Fraktionen. Dann hier zu sagen, man macht es sich leicht, das finde ich schon sehr, sehr billig. (Beifall bei NEOS und ÖVP. – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Die ÖVP hat es sich aber schon leicht gemacht!)

In weiten Teilen wird mit diesem Gesetzentwurf eine menschenrechtskonforme Rechts­systematik wiederhergestellt. Das klingt jetzt sehr technisch, es gibt auch einen weni­ger technischen Aspekt dabei, und der betrifft die Präimplantationsdiagnostik. Diese – das ist meine Überzeugung und auch eine Erfahrung, die ich in meinem unmittelbaren Bekanntenkreis gemacht habe – ist tatsächlich in der Lage, großes Leid zu verhindern.

Die Entwicklungen im medizinischen beziehungsweise im medizinisch-technischen Be­reich sind höchst dynamisch, und ich halte es für ganz wesentlich, dass wir hier als Ge­setzgeber dieser Dynamik, diesen Entwicklungen nicht beobachtend zuschauen, son­dern, gerade wenn es so eine hohe Dynamik gibt, Regelungen machen, die klarstellen, wo wir etwas aus guten Gründen – weil es ausgewogen ist, weil es gut durchdacht ist – erlauben und wo wir klare Grenzen setzen. Ich glaube, dass dieser Gesetzentwurf in einem sehr sensiblen Bereich eine gute Balance herstellt.

Was ich sehr gut finde an dem Entschließungsantrag und den Änderungsanträgen, die heute gebracht wurden und die wir auch selbstverständlich mittragen, ist, dass dieser ganze Bereich vor Kommerzialisierung geschützt wird. Das ist ein wesentliches Anlie­gen, und ich glaube und bin überzeugt davon, dass das dadurch auch gelingt.

Der maßvolle Umgang mit diesem hochsensiblen Thema ist uns NEOS sehr wichtig. Ich möchte auch sagen, dass wir tiefen Respekt vor den verschiedenen Anschauungen dazu haben, die auch weltanschaulich basieren. Es griffe einfach zu kurz, andere Mei­nungen dazu aus weltanschaulichen Gründen abzutun.

Ich glaube aber auch, dass wir mit Recht sagen können: Es gibt dazu viele Erfahrun­gen aus dem europäischen Ausland. Es ist ganz wesentlich, auf sie zuzugreifen. Was mir bis dato in der Debatte ein bisschen gefehlt hat, ist, dass dieser Bereich nicht nur


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aus weltanschaulichen Gründen sensibel ist – wobei ich davor Respekt habe –, son­dern gerade in Österreich ist diese Debatte aus historischen Gründen eine sehr sen­sible. Das möchte ich nur erwähnen.

Die Diskussionszeit war sicherlich zu kurz. Das hätte ich mir anders gewünscht. Es gibt viele Aspekte, die nicht berücksichtigt werden konnten, über die ich mir eine vertiefte Diskussion gewünscht hätte. Ich glaube aber auch, dass es eine gute Lösung ist.

Ein Aspekt hat uns noch gefehlt, und das ist – weil wir denken, dass es Interpretations­spielraum geben wird – die explizite Verankerung des Kindeswohls. Deshalb möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Beate Meinl-Reisinger, Gerald Loacker, Nikolaus Scherak

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der der Regierungsvorlage (445 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedi­zingesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015) (450 d.B.), angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

In Z 3 lautet § 2 Abs. 3 wie folgt:

„Wenn nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung mehrere aus­sichtsreiche und zumutbare Methoden zur Auswahl stehen, darf zunächst nur diejenige angewendet werden, die mit geringeren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Ge­fahren für die beteiligten Personen verbunden ist und bei der weniger entwicklungsfä­hige Zellen entstehen. Das Kindeswohl ist dabei zu berücksichtigen.“

*****

Und noch ein ganz letzter Aspekt in diesem Zusammenhang, zu dem Antrag des Teams Stronach: Wann das Leben beginnt, ist auch Gegenstand einer wissenschaftli­chen und weltanschaulichen Debatte. Ich habe schon gesagt, dass wir tiefen Respekt vor den verschiedenen Standpunkten haben, aber das jetzt in ein Gesetz zu gießen, gesetzlich zu verordnen, geht meiner Meinung nach völlig fehl. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Glawischnig-Piesczek.)

13.43


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Frau Abgeordneter Mag. Meinl-Reisinger einge­brachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Beate Meinl-Reisinger, Gerald Loacker, Nikolaus Scherak und Kolle­gen

zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (445 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Allgemeine bürgerliche Ge­setzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fort­pflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015) (450 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:


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Der der Regierungsvorlage (445 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedi­zingesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015) (450 d.B.), angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

In Z 3 lautet § 2 Abs 3 wie folgt:

„Wenn nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung mehrere aus­sichtsreiche und zumutbare Methoden zur Auswahl stehen, darf zunächst nur diejenige angewendet werden, die mit geringeren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Ge­fahren für die beteiligten Personen verbunden ist und bei der weniger entwicklungsfä­hige Zellen entstehen. Das Kindeswohl ist dabei zu berücksichtigen."

Begründung

Die Berücksichtigung des Kindeswohls ab in Anspruchnahme einer fortpflanzungs-me­dizinischen Maßnahme soll als besonderes Erfordernis gesetzlich festgeschrieben wer­den.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Königsberger-Lud­wig zu Wort. – Bitte.

 


13.43.50

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher! Ich denke, bei diesem Gesetzesbeschluss, den wir schon sehr lange diskutiert haben, hat es sich niemand von uns hier im Parlament einfach ge­macht.

Ich habe das auch in der Debatte im Ausschuss mitverfolgen können und ich habe vor allem auch bei der Debatte im Ausschuss, beim Hearing gesehen, dass es nicht die eine richtige Meinung zu diesem Thema gibt, weil da eben viele Sichtweisen herein­spielen, auch religiöse, ethische Sichtweisen.

Deswegen finde ich, dass manche Redebeiträge des heutigen Vormittags tatsächlich entbehrlich gewesen wäre. Aus meiner Sicht, geschätzte Damen und Herren, ist dieser Beschluss ein wichtiger Beschluss, der die gesellschaftlichen Entwicklungen und vor allem auch den medizinischen Fortschritt, der heute angesprochen worden ist, wider­spiegelt. Vor allem ist es ein Beschluss, der dazu führen wird, dass in Österreich ein modernes Fortpflanzungsgesetz Wirklichkeit wird.

Wir seitens der SPÖ begrüßen dieses Gesetz. Wir freuen uns sehr, dass es damit mög­lich sein wird, dass auch gleichgeschlechtliche Paare durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung ihren Kinderwunsch erfüllen können. Es ist aus Sicht der SPÖ ein gutes Gesetz, das wir heute beschließen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir stehen auch dazu, dass die Möglichkeit der Eizellenspende nunmehr eine Un­gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen aufhebt, nämlich in Bezug auf die Sa­menzellen- und die Eizellenspende.

Ich bin auch überzeugt davon, geschätzte Damen und Herren, dass es auch deshalb ein wichtiger Beschluss ist, weil es nicht in unserer Kompetenz liegt, wenn ich das so sa­gen darf, Menschen vorzuschreiben, wie sie Familie zu leben haben. Jede/jeder darf Familie leben, so wie sie und er es möchte. Wir Politikerinnen und Politiker können le-


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diglich den Rahmen dazu schaffen. Da wird heute, denke ich, ein guter Beschluss ge­fasst.

Außerdem ist es für mich deswegen ein wichtiger Beschluss, weil dadurch Paaren, die sich ihren Wunsch nach einem Kind bisher nicht erfüllen konnten, dies nun möglich wird.

Ich denke, keiner von uns, der selber Kinder hat, wenn er denn welche möchte, kann nachvollziehen, wie schwierig diese Belastung für eine Beziehung ist, egal, ob hetero­sexuell oder homosexuell, wenn man keine Kinder haben kann. Mit dem heutigen Ge­setz können wir diesem Kinderwunsch nachkommen. Daher ist es, finde ich, ein aus­gezeichnetes Gesetz.

Ich habe aber, geschätzte Damen und Herren, natürlich auch die Sorgen der Bürgerin­nen und Bürger ernst genommen. Ich habe natürlich viele E-Mails gelesen, und als Be­hindertensprecherin der SPÖ habe ich mich mit der Präimplantationsdiagnostik speziell auseinandergesetzt. Es ist heute schon angesprochen worden, dass die Präimplanta­tionsdiagnostik in Österreich auch in Zukunft verboten sein wird und nur in Ausnahme­fällen angewendet werden darf.

Ich denke, damit kann man vielleicht den Organisationen von behinderten Menschen, behinderten Menschen selber oder Eltern von behinderten Menschen die Sorge neh­men, dass hier ausselektiert wird. Es wird ganz genau darauf geachtet, wo die PID an­gewendet werden darf. Deswegen ist es für mich nicht so, dass Designerbabys ent­stehen können oder dass man unwertes und wertes Leben aussortieren möchte. Für mich ist es tatsächlich nicht so und ich hoffe, dass im Zuge der Diskussion behinderten Menschen ein wenig diese Angst genommen werden konnte.

Ich möchte mich der Kollegin Jarmer anschließen, auch wenn sie heute nicht selber spricht: Auch ich bin der Meinung, dass wir mit aller Kraft daran arbeiten müssen, dass Eltern, die Kinder mit Behinderungen bekommen und sie großziehen, erziehen, einfach alle Unterstützung bekommen, die sie brauchen; denn ich weiß aus vielen Gesprächen mit Eltern von behinderten Kindern, dass sie es ganz besonders schwer haben.

Ich möchte das noch um einen Aspekt erweitern: Ich weiß auch, dass viele Mütter, viele Frauen irgendwann alleine mit dem behinderten Kind bleiben, weil Männer oft die­se Strapazen – seien Sie mir jetzt nicht böse, aber es ist wirklich so – nicht mittragen kön­nen. Deswegen denke ich, ist es wichtig, dass wir alles daran setzen, Kinder mit Behin­derungen und Eltern mit Behinderungen bestmöglich zu unterstützen.

Ich bin überzeugt davon, dass das ein Gesetz mit Augenmaß ist, ein Gesetz, das dem medizinischen Fortschritt entspricht, den gesellschaftspolitischen Veränderungen Rech­nung trägt und vor allem mit großer Verantwortung umgesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek und Strolz.)

13.48


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Schittenhelm zu Wort. – Bitte.

 


13.48.22

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Hohes Haus! Es ist richtig, wir haben es uns in der ÖVP-Fraktion nicht leicht ge­macht. Ich bin unserem Klubobmann Reinhold Lopatka sehr, sehr dankbar, dass wir breiteste Diskussionsrunden hatten, dass wir über viele Wenn und Aber stundenlang diskutiert haben und mit jedem Diskussionsbeitrag ein Mehr an Wissen erreichen konn­ten.


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Das war wichtig, denn es ist dies natürlich ein äußerst heikler Themenbereich, der sen­sibel zu behandeln ist, ein Themenbereich, der gerade für uns als Volkspartei, eine christlich-soziale Partei, in ethischer und gesellschaftspolitischer Hinsicht ein sehr schwie­riger ist.

Für mich persönlich ist die Novelle des Fortpflanzungsmedizingesetzes, welches wir heu-
te beschließen, mit einem großen Schwerpunkt versehen, nämlich Frauenleid zu mil­dern und den Schutz der Frauen, die in dieser Situation sind, zu verstärken. Das Ge­setz ist im Sinne jener Frauen, die auf natürliche Weise keine Kinder bekommen kön­nen und schon drei oder mehr fehlgeschlagene In-vitro-Fertilisationen hinter sich ha­ben, oder auch drei Fehlgeburten oder Totgeburten, oder ganz einfach aufgrund von nicht behandelbaren Erbkrankheiten keine Kinder haben können.

Ich meine, dass gerade – ich nehme den einen Bereich heraus – mit der PID, der Prä­implantationsdiagnostik, die Möglichkeit geschaffen wird, und zwar unter strengsten Auf­lagen, den Embryo zu untersuchen, bevor er eingepflanzt wird, bevor eine Schwanger­schaft besteht, sodass die Frauen nicht Gefahr laufen, eine weitere Fehlgeburt hinzu­nehmen.

Was haben denn wir zurzeit? Welche Realität gibt es denn? – Wir haben zurzeit die Abtreibungsmöglichkeit bis zum dritten Lebensmonat. Ich habe hier noch keinen Auf­schrei gehört. Wir haben die Möglichkeit der Abtreibung bis kurz vor der Geburt des Kindes, wenn dieses behindert ist, also eine Schwangerschaft auf Probe.

Ich meine, dass wir den Frauen gerade mit diesem Gesetz Unterstützung geben kön­nen, ihnen die Chance geben, vielleicht doch ein Kind zu bekommen. Die PID könnte diese Familien von solchen zerstörerischen Genen befreien, das muss man ganz offen sagen, damit auch ihre Kinder gesund durchs Leben gehen können.

Ich möchte noch etwas erwähnen, und das wurde auch schon vom Kollegen Scherak angesprochen. Was haben wir zurzeit? – Zurzeit fahren die Frauen, die Paare ins Aus­land und lassen genau diese Methode durchführen, und zwar um sehr viel Geld, das die gewöhnliche Österreicherin, die sich auch Kind wünscht, nicht hat.

Wir wissen aber nicht, ob dabei im Ausland auch jene vorbereitenden Maßnahmen und auch die Nachbehandlungen durchgeführt werden, die die diese Frauen brauchen. Ich weiß nur aus einem konkreten Fall, dass es keine Vorbereitung gegeben hat, weder medizinisch noch juristisch und auch keine anschließende psychologische Betreuung der Frau danach. Daher halte ich dieses Fortpflanzungsmedizingesetz und speziell die PID für einen wichtigen Schritt für die Frauen und für die Familien.

Es ist ja nicht so, dass das erst gestern passiert ist. Die Bioethikkommission hat sich ja schon seit einigen Jahren damit beschäftigt und man konnte darauf aufbauen. Ich bin unserem Herrn Bundesminister Brandstetter sehr dankbar dafür, dass er mit viel Fein­gefühl, mit scharfen und hohen Grenzen diese PID umschließt, um Missbrauch in die­sem Bereich zu verhindern.

Mir war sehr wichtig, dass die vorgesehene psychologische Beratung für die Eizellen­spenderin jetzt mit dabei ist. Dafür bin ich, wenn ich an die Nachverhandlungen denke, auch den Grünen sehr dankbar. Es ist sehr wichtig, dass eine Verschärfung des Kom­merzialisierungsverbotes stattfinden wird und vor allem, dass es eine Transparenz durch jährlich veröffentlichte Berichte zu diesem Thema geben wird. Diese Berichte sind notwendig, damit wir wissen, wo wir ansetzen müssen und wie sich dieser so heik­le Themenbereich in der Gesellschaft entwickelt.

Eines möchte ich auch noch sagen. Es wurde heute schon vieles gesagt, aber das noch nicht. Was bleibt denn in Österreich verboten, das in anderen Ländern längst gang und gäbe ist? – In-vitro-Fertilisationen ohne medizinische Indikation wird es nicht geben. Keine fortpflanzungsmedizinische Maßnahmen für Alleinstehende; kein Social


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Egg Freezing, also kein Entnehmen der Eizellen, Einfrieren und Wieder-Herausneh­men, wenn man sie einige Jahre später braucht. Das wird es nicht geben. Keine Leih­mutterschaft. Das wäre Ausbeutung der Frauen, ganz klar. Kein Klonen, keine Eingriffe in die Keimbahnen und natürlich keine Designerbabys – all das muss man auch dazu­sagen. Dieses Gesetz bringt eine Verbesserung für Frauen, für die Familien.

Ich hoffe sehr, dass wir uns hier in der Folge noch weiter damit beschäftigen werden, denn wir stehen am Anfang einer völlig neuen Gesellschaftsordnung, und die wird auch hier im Hohen Haus zu diskutieren sein.

Ich bedanke mich bei der Frau Bundesministerin, beim Herrn Bundesminister, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen, die in den Ausschüssen teilweise über ihren Schatten springen mussten. Ganz großartig, weil hier natürlich auch sehr viel persönli­che Betroffenheit dabei ist.

Vor allem möchte ich mich aber bei den Bürgerinnen und Bürgern bedanken, die uns, wie schon gesagt wurde, angerufen haben, Mails geschickt haben und auch ihre Be­denken geäußert haben. Wir haben versucht, das nicht nur ernst zu nehmen, sondern auch in den Entschließungsantrag und den Änderungsantrag miteinzubringen. Dafür danke ich allen Bürgerinnen und Bürgern ganz, ganz herzlich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Abg. Glawischnig-Piesczek.)

13.53


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ehmann zu Wort. – Bitte.

 


13.53.59

Abgeordneter Michael Ehmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Herr Bundesminister! Werte KollegInnen! Hohes Haus! Mit der heutigen Ge­setzesvorlage wird aus unserer Sicht die Diskriminierung von Frauen, aber vor allem auch von gleichgeschlechtlichen Paaren beseitigt. Mit dem Gesetz wird nämlich sicher­gestellt, dass nicht nur die Samenspende, sondern auch die Eizellenspende möglich wird.

Ich möchte nochmals verstärkt darauf hinweisen, dass es dabei uns und keinem hier um Geschäftemacherei geht, sondern um die berechtigte Erfüllung des Kinderwun­sches auch von gleichgeschlechtlichen Paaren. Durch das Vermittlungs- und Kommer­zialisierungsverbot verhindert man weiterhin die Leihmutterschaft, die selbstverständ­lich verboten bleibt, denn die Eizellen einer dritten Frau dürfen nur verwendet werden, wenn die Empfängerin nicht fortpflanzungsfähig ist.

Die Leihmutterschaft bleibt also verboten. Damit wird auch verhindert, dass Agenturen wie beispielsweise in den USA oder auch im verbilligten Indien die Leihmutterschaft gar zu einem Wirtschaftszweig auf dem Rücken der Betroffenen machen.

Es geht aber auch darum, den potenziellen Kinderwunsch für Betroffene eben zu er­möglichen beziehungsweise die bisher bestehende Diskriminierung zu beseitigen. Ich denke, das wird mit dieser Gesetzesvorlage erreicht.

Oftmals wurde heute schon das Kindeswohl angesprochen. Paaren, die sich zur Ver­antwortung, lebenslang ein Kind zu begleiten, entschieden haben, wird das Kindeswohl wohl nicht wirklich egal sein – da sind wir uns, glaube ich, einig.

Zu den populistischen Argumenten, die da teilweise von Oppositionsparteien kommen, vor allem von der FPÖ, vom Herrn Kickl, dem die Debatte so wichtig ist, dass er sie fast zur Gänze versäumt, möchte ich nur zwei Sachen sagen: Entweder ist es ihm da­rum gegangen, rein konservative Kräfte zu provozieren, oder er hat die Trennung von Staat und Religion noch nicht ganz verstanden. Hier im Parlament, am Rednerpult der-


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artig die Schöpfung zu strapazieren, das musste wohl nicht sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Walter Rosenkranz: Schade, dass der Herr Jarolim nicht da ist! Er hätte seine Bemerkung gemacht: Schwa­che Rede! Der Herr Jarolim fehlt mir bei so was!)

13.56


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Huainigg zu Wort. – Bitte.

 


13.56.20

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte zu Beginn nur eine kleine Frage stellen: Wer von Ihnen allen ist perfekt? Sind Sie perfekt, Herr Klubobmann Schieder, oder Sie, Herr Klubobmann Strolz, oder Sie, Frau Ministerin Oberhauser? Vielleicht machen wir kurz eine Probe aufs Exempel. Wer perfekt ist, möge bitte die Hand heben. (Niemand hebt die Hand. – Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.) – Sie la­chen. Wenn man behindert ist, kann man in seiner Unperfektheit perfekt sein.

Im Zusammenhang mit der Präimplantationsdiagnostik, dem Selektionsverfahren zwi­schen wertem und nicht wertem Leben stellt sich die Frage: Welches Baby ist perfekt? Ich habe viele behinderte Freunde, die, wenn es das Verfahren schon früher gegeben hätte, nicht auf der Welt wären, da sie in den Augen der Ärzte nicht als perfekt gegol­ten hätten. Auch in Zukunft, wenn das Selektionsverfahren weitergeht, stellt sich die Frage, ob nicht auch das Risiko im Zusammenhang mit Krebs, Brustkrebs oder ande­ren Krankheiten zu einem Selektionsverfahren führt.

Frau Ministerin! In der „Presse“ haben Sie eine Aussage gemacht, die mich sehr zum Nachdenken veranlasst hat. Sie haben gesagt: „Aber ein perfektes Baby abzutreiben ist verboten. Das ist ein Verbrechen.“ – Natürlich gebe ich Ihnen recht, ein Kind nach dem anderen abzutreiben, bis das perfekte Kind auf die Welt kommt, ist ein Verbre­chen. Aber wer sagt, dass die Kinder vorher nicht auch schon perfekt waren? Ist nicht auch ein behindertes Kind ein perfektes Kind? – Für mich: Ja.

Wie die Befürworter sagen, ist die Präimplantationsdiagnostik besser als eine späte Se­lektion durch Spätabtreibungen. Und was bei den Spätabtreibungen geschieht, ist wirk­lich unerträglich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.) Es wird schon bei Verdacht auf eine schwere Behinderung bis zur Geburt abgetrie­ben – das betrifft nicht die Fristenregelung, das geht über sie hinaus. Ab der 22. Le­benswoche ist ein Baby außerhalb des Mutterleibes überlebensfähig. Und was wird gemacht? Die Ärzte töten das Kind im Mutterleib durch einen Herzstich, durch eine Ka­liumchlorid-Spritze. Das ist in Österreich legitimiert und das ist auch ein Verbrechen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Hofer und Vavrik. – Ruf bei den Grünen: Das ist kein Verbrechen!)

Frau Ministerin Oberhauser, ich appelliere an Sie, dass wir in den nächsten Monaten darüber diskutieren, wie man dieses Unrecht beseitigen kann. In Deutschland wurde die PID eingeführt und die eugenische Indikation gestrichen. Es gibt eine Bedenkzeit zwischen Diagnose und Abtreibung.

Das Fortpflanzungsmedizingesetz wirft wichtige gesellschaftspolitische Fragestellun­gen auf, weswegen ich dankbar bin, dass wir diese im Klub ordentlich und ausreichend – teilweise heftig – diskutiert haben. Danke dafür an Herrn Klubobmann Lopatka. Das sind Fragen, die die Sichtweisen des Lebens und wichtige gesellschaftspolitische Fra­gestellungen berühren, wie die Verantwortung gegenüber der nächsten Generation. Wir dürfen bei diesen Fragestellungen nicht nur die Selbstverwirklichung von Erwach­senen im Auge haben, sondern vor allem das Wohl des Kindes. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)


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Meine Damen und Herren, für mich ist die Menschenwürde – die unantastbar ist – der Gradmesser der Politik und aus meiner Sicht gilt sie auch für Menschen, die scheinbar nicht perfekt sind. Diesen fühle ich mich verpflichtet, weswegen ich diesem Gesetz per­sönlich nicht zustimmen kann. Aber streichen wir die eugenische Indikation und schrei­ben wir die Menschenwürde in die Verfassung! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ so­wie bei Abgeordneten von NEOS und Team Stronach.)

14.04


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Bundesministerin Dr. Oberhauser zu Wort. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


14.05.00

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe BesucherInnen und Zu­hörerInnen auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Lassen Sie mich vorweg sa­gen, dass ich tiefen Respekt vor den Ansichten, die Abgeordneter Huainigg als Vertre­ter der Behinderten und als Behinderter selbst hier in seiner Rede geäußert hat, habe. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, NEOS und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Allerdings ist die Frage nicht, ob perfekt oder nicht perfekt, sondern ob schwerwiegend behindert, lebensbedrohlich krank, nicht gesund und gesund beziehungsweise etwas dazwischen. Diese Frage haben wir uns bei der Zulassung der Präimplantationsdiagnos­tik zu stellen.

Es geht auch nicht um die Frage, was jede Schwangere, die auf natürliche Weise schwanger geworden ist, heute schon machen kann, nämlich sich im Rahmen einer Fruchtwasseruntersuchung darüber zu informieren, ob ihr Kind gesund oder nicht gesund ist beziehungsweise ob ihr Kind gesund oder nicht gesund geboren wird, und sich dann zu entscheiden: Schaffe ich das? Schafft das meine Familie? Möchte ich das? Es geht auch nicht darum, dass man ein Kind in vitro zeugt, das heißt im Re­agenzglas eine Eizelle und eine Samenzelle vereinigt, und dann fragt: Möchte ich die­ses Kind? Schaffe ich das? Kann ich das? Und ist dieses Kind schwerwiegend krank?

Bei einem Schwangerschaftsabbruch kann ich mich – was ich für gut halte – jederzeit als Frau entscheiden, ob ich die Schwangerschaft möchte oder nicht.

Bei einer Präimplantationsdiagnostik – wir rechnen mit zirka 30 Fällen im Jahr – kön­nen wir mittels der schwerwiegenden Einschränkungen, die im Gesetz stehen und die von vielen erläutert wurden, entscheiden: Macht man eine Präimplantationsdiagnostik? Lässt man diese überhaupt zu? – Es stimmt deshalb nicht, dass das, was wir hier schaffen, zu einer Unterscheidung zwischen wertem und unwertem Leben, wie einige gesagt haben, oder zwischen perfekt und nicht perfekt führt. Wir gestatten in sehr ein­geschränkten Fällen Frauen, keine Schwangerschaft auf Probe einzugehen.

Ein betroffener Vater hat das bei einer Fernsehdiskussion mir gegenüber geäußert, weswegen ich ein Beispiel bringen möchte, was das überhaupt heißt: Es geht um ein Elternpaar; der Vater weiß, dass er Träger einer Erberkrankung ist. Er weiß das, weil sein erstes Kind mit einer schwerwiegenden, dauerhaften und für das Kind sehr schmerz­haften Erkrankung zur Welt gekommen ist. Dieser Vater hatte in Österreich nicht die Möglichkeit zu sagen, ja, ich möchte ein zweites Kind. Bekommt meine Frau es auf na­türlichem Weg, muss ich damit rechnen, dass ich meine Krankheit weitergebe und wie­der wirklich schweres Leid verursache.

Dieses Paar war gezwungen, ins Ausland zu gehen und dort eine künstliche Befruch­tung mit einer Präimplantationsdiagnostik zu machen. Er ist jetzt Vater eines zweiten, gesunden Kindes. Was ist daran verwerflich, diesem Vater die Möglichkeit zu geben, zu sagen, ich möchte ein zweites Kind, ich möchte ihm Leid und Qual ersparen und ich kann das hier in Österreich unter sehr, sehr strengen Regeln machen?


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Deswegen freue ich mich – ich glaube, die Abgeordnete Musiol war die Erste, die ge­sagt hat, sie freue sich sehr –, dass wir dieses Gesetz heute hier verabschieden. Ich freue mich sehr, weil wir dann nicht mehr sagen: nicht bei uns in Österreich, geht wo­anders hin; sondern dass wir das in Österreich unter sehr, sehr strengen Kriterien bei weiterhin verbotener Präimplantationsdiagnostik zulassen, also nur in einigen sehr schwer­wiegenden Fällen mit einem strengen Reglement.

Der zweite Grund, warum ich mich sehr freue, ist, dass Frauen in gleichgeschlechtli­chen Partnerschaften, wie dasjenige Pärchen, das dieses Gesetz zu Fall gebracht hat – das ich aus einer Fernsehdiskussion kenne und auch oben auf der Galerie se­he –, hier in Österreich ganz legal eine Samenspende empfangen können. Und zu den vielen, die vom Kindeswohl reden: Bitte, was, wenn ich ein Kind mittels einer Samen­spende bekommen möchte, kann es Besseres geben, als dass eindeutig registriert ist, von wem das Kind stammt, und dass dieses Kind später einmal das Anrecht hat zu er­fahren, wer sein Vater ist?!

Was war bis jetzt? – Verantwortungsvolle Paare, die sich eine Samenspende entweder im Ausland oder bei Freunden besorgt haben, haben natürlich ihre Kinder darüber auf­geklärt, wer ihr Vater ist und wie sie zustande gekommen sind. Wenn das aber nicht so wäre, dann hätte dieses Kind nicht einmal die Chance, jemals – über ein Register oder irgendetwas – zu erfahren, wer sein Vater ist und woher es kommt. In Österreich wird das auf eine sehr, sehr gute Art und Weise geregelt. (Beifall bei SPÖ und Grünen so­wie des Abg. Pock.)

Die ZuseherInnen an den Bildschirmen waren bei der Diskussion, die im Gesundheits­ausschluss geführt wurde, ja nicht dabei. Das war eine fast fünf Stunden andauernde Diskussion, die auf einem sehr, sehr guten, sehr kontroversen Niveau geführt wurde. Einerseits wurde sehr lange im Gesundheitsausschuss darüber diskutiert, andererseits wurde – bereits vor meiner politischen Tätigkeit in diesem Haus – seit 2004 in der Bio­ethikommission immer wieder die Frage gestellt: Wie, bitte, passt man das Fortpflan­zungsmedizingesetz in Österreich den internationalen Standards an? – Es ist uns jetzt gelungen.

Ich bedanke mich bei allen Fraktionen sehr herzlich für die sehr klare Diskussion – auch für jene im Gesundheitsausschuss. Ich bedanke mich beim Koalitionspartner. Es ist mir bewusst, dass dieses Thema nicht einfach zu diskutieren war, dass viele Ge­spräche geführt wurden und dass die Diskussion sehr kontroversiell gelaufen ist. Ich bedanke mich bei den Grünen und ich bedanke mich bei den NEOS für den wirklich sehr konstruktiven Dialog und auch für die Fragen: Wie kann man dieses Gesetz noch verbessern, wie kann man noch weitermachen?

Dies ist wahrscheinlich nicht das Ende, sondern ein Prozess, der uns wohl für die nächs­ten Jahre, Jahrzehnte begleiten wird. Ich hoffe, dass dieser Prozess weiterhin in so gu­ter gemeinsamer Art und Weise verläuft, zum Wohle der in Österreich lebenden Men­schen und der hoffentlich gesunden Kinder oder nicht perfekten Kinder oder perfekten Kinder – denn für Eltern sind Kinder immer perfekt –, die auf diese Welt kommen wer­den. Ich hoffe, dass dieses Gesetz ordentlich genützt wird. Danke schön. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.11


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Abgeordnete Durchschlag zu Wort. – Bitte.

 


14.12.01

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin Oberhau­ser! Herr Minister Brandstetter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Wie bereits von Frau Ministerin Oberhauser angesprochen, haben wir alle uns die Entscheidung nicht leichtgemacht. Es war ein langes Ringen zwi-


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schen den ethischen Wertvorstellungen jedes Einzelnen, zwischen den vorhandenen berechtigten Wünschen und natürlich den auf der anderen Seite auch berechtigten Ängsten.

Schlussendlich ist es aber ein Gesetz geworden, dem zumindest ich persönlich aus verschiedensten Gründen und mit gutem Gewissen zustimmen kann. Es waren drei Themenbereiche, die in den hunderten Mails, die wir bekommen haben, immer wieder zur Sprache gekommen sind.

Zum ersten Themenbereich: Im Rahmen der PID war dies auf der einen Seite die Ge­fahr der Selektion und auf der anderen Seite – und das ist heute auch schon ange­sprochen worden – die befürchtete Gefahr des Designerbabys.

Durch die sehr starke Einschränkung der PID und durch das durchgängige Prinzip der Subsidiarität kann man, glaube ich, das Designerbaby – also: ich wünsche mir ein sportliches Kind, brünett und grünäugig – auf jeden Fall ausschließen. Was die Selek­tion betrifft, ist diese natürlich nicht wünschenswert, und es gibt ganz, ganz wenige Fäl­le, in denen sie hingenommen wird.

Ich habe 25 Jahre als Bobath-Therapeutin mit zum Teil schwerstbehinderten Kindern ge­arbeitet. Ich hatte auch eine Familie mit zwei schwerstbehinderten Kindern in Betreu­ung – genetisch schwer behinderten Kindern –, und beide Kinder sind vor dem 18. Le­bensjahr gestorben. Ich möchte denjenigen unter Ihnen sehen, der so einer Familie dann sagt: Es gibt zwar die Möglichkeit, in einem Achtzellstadium festzustellen, ob bei einer zweiten Schwangerschaft dieses zweite Kind auch diese schwere Behinderung be­kommen würde, aber es tut mir herzlich leid, das habe ich nicht verantworten können, das geht bei uns leider nicht, fahren Sie ins Ausland.

Also wer von Ihnen könnte das!? – Ich könnte es guten Gewissens nicht tun. Ich fände das zynisch. Daher finde ich die Art und Weise, wie wir die PID regeln, sehr, sehr gut. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Zum zweiten Themenbereich: Das war die Eizellenspende. Auch in der ÖVP hatten wir immer ein Problem damit, wenn es um die Frage geht: Beutet man den Körper der Frau aus? – Ich glaube, dass dies durch dieses ganz, ganz starke Kommerzialisie­rungs- und Werbeverbot sehr gut verhindert wird. Frau Kollegin Schittenhelm hat da­rauf hingewiesen, dass es schon sehr viele Frauen gibt, die das in Anspruch nehmen, die das beispielsweise in Tschechien in Anspruch nehmen, dort allerdings dann mit ano­nymen Eizellenspenden.

Auch wenn im Ausschuss das Argument gebracht worden ist, dass es eine Untersu­chung gibt, wonach viele Frauen oder Eltern es ihren Kindern nicht sagen, woher sie kommen: Wenn ich eine anonyme Eizellenspende empfangen hätte und dem Kind dann sagen muss, ja, es tut mir leid, ich weiß nicht, ob deine Mutter eine Hochschul­professorin ist oder vielleicht auch eine Kleinkriminelle, ich kann es dir nicht sagen, dann würde ich es, ehrlich gesagt, meinem Kind auch nicht sagen

Zum dritten Themenbereich: Das ist die künstliche Befruchtung. Diese ist zum Teil vom VfGH vorgegeben. Es wird dabei immer das Argument des Anschlags auf die klassi­sche Familie vorgebracht. Das sehe ich nicht so.

Für mich ist das schlicht und einfach eine Erweiterung der Familie. In keinem Gesetz steht, dass ich als heterosexuelle Frau und Mutter von zwei Kindern meine Geschlecht­lichkeit ändern müsste oder dass das nur den homosexuellen Paaren zur Verfügung steht. Ich sehe das als Erweiterung und daher kann ich – auch gestützt auf sehr viele Diskussionen, die ich mit den ÖVP-Frauen in Oberösterreich geführt habe – sagen: Ich kann diesem Gesetz aus gutem Grunde und mit gutem Gewissen zustimmen. Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.15



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 107

Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Strasser zu Wort.  Bitte.

 


14.15.48

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Kolle­ginnen und Kollegen! Die Naturwissenschaften und ihre Anwendungen sind in ständi­ger Weiterentwicklung. Die Technik und die Medizin geben uns immer wieder neue Werkzeuge in die Hand, die man zum Wohle der Menschen nutzen oder die man auch bewusst ganz einfach ablehnen kann.

Die Fortpflanzungsmedizin ist in diesem Zusammenhang ein ganz besonders sensibler Bereich, weil hier Schicksale von Menschen, Schicksale von Familien mit großen ethi­schen Fragestellungen zusammentreffen. Ich bin froh über die intensive Diskussion der letzten Wochen, denn dadurch ist es uns gelungen, viele Aspekte noch genau zu be­trachten und in den Gesetzestext einzuarbeiten.

Die Kommerzialisierung und der Missbrauch werden unter Strafe gestellt. Die PID ist grundsätzlich verboten und nur unter strengen Rahmenbedingungen möglich. In die­sem Gesetz steht der Mensch im Mittelpunkt, ein Umstand, der bei der Fristenre­gelung und bei der eugenischen Indikation, bei den Spätabtreibungen – so wie es Kol­lege Huainigg angeführt hat – nicht gegeben ist.

Darum fordere ich, dass man auch diese Diskussionen weiterführt, wenn es um psy­chologische Betreuung und Beratung und Kinderrechte geht, wenn es um eine Be­denkzeit zwischen Beratung und Eingriff bei der Fristenregelung geht, wenn es um sta­tistisches Material geht, das der Ursachenforschung dient und wenn begleitende Maß­nahmen notwendig sind – genauso wie es im neuen Fortpflanzungsmedizingesetz der Fall ist, damit man zu praxistauglichen Lösungen kommt.

Zum Schluss – weil Herr Kollege Kickl wieder da ist und sich heute sehr kirchennah gegeben hat – ein kurzes Zitat aus dem „Standard“ vom 22. Mai 2009, womit er Kardi­nal Schönborn als Reaktion auf dessen Predigt im Stephansdom etwas ausrichtet (Abg. Kickl: Ja glauben Sie, der hat immer recht?!): Bewusste Vernaderungskampag­ne gegen die FPÖ von Verdrehern und Unterstellern, die keine ehrliche Debatte über die Frage einer Leitkultur und die Zukunft Europas wollen. – Zitatende.

Herr Kollege Kickl, ich verstehe den Zwischenruf unseres Klubobmannes Lopatka. Neh­men Sie sich das zu Herzen! – Danke schön und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP.)

14.18


Präsident Karlheinz Kopf: Die vorläufig letzte Wortmeldung zu diesem Tagesordnungs­punkt kommt von Frau Abgeordneter Rosenkranz. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwi­schen ÖVP und FPÖ. – Abg. Kickl: Aber der hat ja nicht immer unrecht!)

 


14.18.26

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! (Abg. Kickl: Der hat ja nicht immer recht, der Kardinal!) Es ist in den Zwischenrufen oder in der Diskussion der Abgeordneten schon herausgekommen, nicht jeder Kardinal hat immer recht, wenn Sie sich also darum kümmern ... (Abg. Wöginger: Da schau her! – Abg. Lopatka: Ja, ja!) – Wenn Sie sich darum kümmern, was die vatikanische Linie in diesen Fragen ist, dann ist es eine ganz andere Linie, und da sind Sie jetzt sicher nicht im Recht, aber Ihnen ist das ja schon mehrmals egal gewesen, wie man im Weiteren sagen kann. (Abg. Strache: Jeder ist fehlbar! – Abg. Lopatka: Sie haben auch den Vatikan schon entdeckt?!)

An dieser Debatte scheiden sich die Geister, und sie scheiden sich zu Recht, denn es ist eine bedeutende Frage. Es gibt hier einen Teil, und dieser wird, dank der ÖVP –


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 108

und das muss man ganz, ganz deutlich hervorheben –, leider die Mehrheit sein, der das Recht auf ein Kind in den Mittelpunkt stellt, und es gibt die FPÖ, die sagt, dass das Recht auf ein Kind vernünftigerweise nicht begründet werden kann. Im Gegenteil: Die FPÖ ist der Ansicht, dass dieses Recht auf ein Kind auch in Widerspruch zum Recht des Kindes geraten kann. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

Sie, die Sie dieses Recht auf ein Kind so fokussiert haben, meinen damit das Recht ei­nes Individuums, einer Person, die sich diesen Kinderwunsch unbedingt erfüllen will. Herr Minister Brandstetter! Sie haben so begütigend darüber gesprochen, dass es da­rum geht, einen Kinderwunsch zu ermöglichen und Familie zu erleichtern. – Das ist ja überhaupt nicht der Punkt.

Es geht um etwas anderes, und die Abgeordneten aus Ihrer Fraktion und auch von den Grünen haben Sie ja deutlich Lügen gestraft, wenn ich das so sagen darf, indem sie gesagt haben, dieses Gesetz sei ein großer Fortschritt auf dem Weg zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. – Darum geht es, nicht um das Recht, Kinder zu haben, oder darum, die Familie zu stärken. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir ande­ren sehen den Menschen nicht nur als Individuum, sondern wir sehen den Menschen auch in einem größeren Zusammenhang.

Das, Herr Lopatka, kann man als Christ natürlich machen, indem man sich als Teil der Schöpfung sieht; das kann man aber auch naturwissenschaftlich begründen, wenn Sie mir das gestatten. Der Mensch steht nicht der Natur gegenüber, sondern er ist ein Teil von ihr. Und Lebensrealitäten beziehungsweise Realitäten zu erkennen, Frau Abgeord­nete Musiol, heißt wohl vor allem, zu erkennen, unter welchen Bedingungen wir alle le­ben, als Teil der Natur, und aus diesen Bedingungen – sagen wir Naturgesetze dazu – die Regeln für das soziale Zusammenleben und für unsere Gesetzeswerke abzuleiten. (Abg. Musiol: Ihr Naturgesetz ist anscheinend ein anderes !) Das ist aber nicht un­bedingt Ihr Motto.

Ich sage nur eines: Realitäten suchen und erkennen wir; Sie leben in Utopien. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.) Vor Kurzem bin ich wieder auf ein Zitat gestoßen, aus einer Zeit, als die Linke noch jung war und frei von der Le­ber weg gesprochen hat – vor Kurzem ist es wieder im Spiegel aufgetaucht –, und da habe ich mir gedacht: So hybrid, so überheblich muss man sein.

„Feministinnen“ – diese sind jetzt durch die Lobby der Gleichgeschlechtlichen natürlich sehr gestärkt worden – „müssen nicht nur die gesamte westliche Kultur in Frage stel­len, sondern die Kultur selbst, mehr noch: sogar die Natur“, so Shulamith Firestone in ihrem Werk „Frauenbefreiung und sexuelle Revolution“.

Auf diesem Weg, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem von der ÖVP – hören Sie zu! –, kommen sie ganz gut voran, aber er ist nicht zwangsläufig. Manche von Ihnen werden heute die „Presse“ gelesen haben. Da wird ein Beispiel aus der Slo­wakei gebracht – schade, dass die bürgerliche Vernunft an unseren Grenzen irgendwie versickern muss, das ist sehr eigenartig –, in dem gezeigt wird, dass dieser Weg nicht zwangsläufig ist.

Mit der ausdrücklichen Nennung des warnenden Beispiels Österreich hat sich in der Slo­wakei eine Initiative zum Schutz der Familie gegründet – Sie haben es gelesen, ich se­he es Ihnen an, ich sehe es an Ihrer Miene, aber Sie sollten es sich noch einmal an­hören –, die von der Bischofskonferenz unterstützt wird, die präventiv tätig ist, damit das, was in Österreich jetzt passiert ist, dort nicht passieren kann, die Familie nicht durch Gerichtshöfe gezwungen werden kann, sich in eine Richtung zu entwickeln, die die kon­servativen Slowaken und auch die Kirche in der Slowakei nicht wollen.

Und jetzt sagen Sie mir nicht, Sie haben das nicht verstanden und nicht kapiert, denn ich war 2002 das erste Mal in diesem Hohen Haus, und damals haben wir das schon besprochen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 109

Partnerschaften eingemahnt haben, gab es in Straßburg bereits das Urteil, das ganz klar und zwangsläufig – in diesem Fall schon – dazu führen musste: wenn Gleichstel­lung, dann völlige Gleichstellung.

Heucheln Sie nicht! Sie müssen es gewusst haben, wir haben es hier diskutiert. Und ich meine, Sie haben es ja auch gewusst, aber es ist eine Taktik, eine Taktik, die man immer wieder beobachtet. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Was haben Sie gegen Gleich­stellung?) – Gleichstellung von Gleichen, und nicht Gleichstellung von Ungleichen, das ist ja wohl klar! (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten des Teams Stronach sowie des Abg. Vavrik.)

Es ist eine Taktik. Bei Angelegenheiten, von denen Sie glauben (Zwischenruf des Abg. Schieder), dass Sie der Wählerschaft etwas nicht wirklich zumuten können, wo Sie nicht genau wissen, ob alle Ihre Abgeordneten mitmachen – darüber muss man sich wahrscheinlich weniger Sorgen machen –, wo es für Ihre Abgeordneten jedenfalls schwierig ist, das daheim im Wahlkreis, in einer konservativen Landgemeinde, in einer Bauernfamilie zu vertreten, da machen Sie es sich ganz einfach. Da bestellen Sie es sich quasi beim Gerichtshof, haben aber vorher schon durch die Legalisierung der Part­nerschaften die Weichen in diese Richtung gestellt (Abg. Lopatka:  gar nichts beim Gerichtshof! – Abg. Strache:  Weichen gestellt!); dann kommt das Urteil, und dann machen Sie das. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten des Teams Stronach sowie des Abg. Vavrik.)

Das hat für Sie natürlich Vorteile, aber, Herr Klubobmann, es ist extrem unehrlich (Zwi­schenruf des Abg. Lopatka) und es ist auch nicht demokratisch, denn diese Vermi­schung der legislativen Kompetenzen und ihre Übertragung auf Gerichtshöfe erschüt­tert natürlich auch den Rechtsstaat mit dem Grundprinzip der Gewaltentrennung aufs Äußerste. Das ist Ihnen alles egal, wenn Sie Ihre Ziele durchsetzen können. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) – Das ist nur wahr, das ist jetzt nur wahr. Sie haben die Wei­chen gestellt, dass der Erste, der klagt, recht bekommen muss.

Dass Sie heute hier stehen und dieses Gesetz, das Sie hier im Parlament nicht ehrlich abstimmen wollten, so durch die Hintertür durchbringen wollen, das ist ganz genau die Wahrheit. (Zwischenruf des Abg. Lopatka.) Ich hebe das noch einmal hervor, gut, dass Sie mir das Stichwort gegeben haben.

An diesem Gesetz scheiden sich die Geister, denn es ist ein Gesetz, das darüber Aus­kunft gibt, wie man zum Leben überhaupt steht, was man über seine Machbarkeit, sei­ne Manipulierbarkeit und seine Verfügbarkeit denkt. Und Sie, meine sehr verehrten Da­men und Herren von der ÖVP, werden diesem Gesetz hier zu einer Mehrheit verhelfen. Sie sind es, und Sie sitzen da mit Sicherheit im falschen Boot. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten des Teams Stronach sowie des Abg. Vavrik.)

14.25


Präsident Karlheinz Kopf: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich erkenne keinen Wunsch des Berichterstatters auf ein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 445 der Beilagen.

Hiezu liegen ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger, Kollegin­nen und Kollegen sowie ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abge­ordneten Spindelberger, Dr. Rasinger, Dr. Mückstein, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes ab­stimmen lassen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 110

Die Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­derungsantrag betreffend Art. 1 Z 3 § 2 eingebracht.

Wer hiefür ist, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Spindelberger, Dr. Rasinger, Dr. Mückstein, Kolleginnen und Kolle­gen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 3 § 2a, Art. 1 Z 6 und Z 9 sowie Art. 2 und 3 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist wiederum mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen nun zur dritten Lesung.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Da dieses Verlangen von 20 Abge­ordneten gestellt wurde, ist eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordneten­pulte und tragen den Namen der Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel –, beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen. Ich ersuche jene Abgeordneten, die dem vorliegenden Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dem nicht ihre Zustimmung erteilen wollen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, dass Sie bitte darauf achten, nur einen Stimmzettel einzuwerfen; diese kleben manchmal aneinander.

Ich bitte nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Musiol, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Herr Abgeordneter Gahr wird sie später dabei ablösen.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Musiol beziehungsweise den Schriftfüh­rer Gahr werfen die Abgeordneten ihren Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Die Stimmabgabe ist beendet. Die damit beauftragten Be­diensteten des Hauses werden nun unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzäh­lung vornehmen.

Ich unterbreche zu diesem Zweck die Sitzung für einige Minuten.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 14.32 Uhr unterbrochen und um 14.37 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 



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Präsident Karlheinz Kopf: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und ge­be das Abstimmungsergebnis bekannt.

Abgegebene Stimmen: 161; davon „Ja“-Stimmen: 113, „Nein“-Stimmen: 48.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe Ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenom­men.

14.38.00

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Alm, Amon, Antoni, Aslan, Aubauer, Auer;

Bacher Walter, Bayr, Becher Ruth, Berlakovich, Brosz, Brunner, Buchmayr;

Cap;

Darabos, Diesner-Wais, Durchschlag;

Ecker, Ehmann, Eßl;

Feichtinger Klaus Uwe, Fekter, Fichtinger Angela;

Gahr, Gessl-Ranftl, Glawischnig-Piesczek, Greiner Karin, Grillitsch, Groiß, Grossmann, Gusenbauer-Jäger;

Hable, Hakel Elisabeth, Hammer Michael, Hanger Andreas, Haubner, Hechtl, Heinzl, Hell, Himmelbauer, Hofinger Manfred, Holzinger;

Jank, Jarolim;

Karl, Katzian, Knes, Köchl, Kogler, Königsberger-Ludwig, Kopf, Krainer Kai Jan, Krist, Kucharowits, Kuntzl, Kuzdas;

Lettenbichler, Lichtenecker, Loacker, Lopatka, Lueger Angela;

Matznetter, Maurer, Mayer, Meinl-Reisinger, Muchitsch, Mückstein, Musiol, Muttonen;

Obernosterer, Ofenauer, Ottenschläger;

Pendl, Plessl, Pock, Preiner, Prinz;

Rädler, Rasinger, Rauch Johannes, Rossmann;

Schellhorn, Scherak, Schieder, Schittenhelm, Schmid Julian, Schmuckenschlager, Schönegger, Schopf, Schultes, Schwentner, Sieber Norbert, Singer Johann, Spindel­berger, Steinacker, Steinhauser, Strasser, Strolz;

Tamandl, Töchterle, Troch;

Unterrainer;

Vogl;

Walser, Weninger, Willi, Wimmer, Winzig, Wittmann, Wöginger, Wurm Gisela;

Yilmaz;

Zinggl.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Angerer;

Belakowitsch-Jenewein;

Darmann, Deimek, Dietrich;


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 112

El Habbassi, Ertlschweiger;

Franz, Fuchs;

Gerstl;

Hackl Heinz-Peter, Hafenecker, Haider, Hofer, Huainigg, Hübner;

Jannach;

Kassegger, Kickl, Kitzmüller, Kunasek;

Lausch, Lintl, Lugar Robert;

Mölzer, Mühlberghuber;

Nachbaur Kathrin, Neubauer Werner;

Podgorschek;

Rauch Walter, Riemer, Rosenkranz Barbara, Rosenkranz Walter;

Schellenbacher, Schenk, Schimanek, Schmid Gerhard, Schrangl, Stefan, Steger, Stein­bichler, Strache;

Vavrik;

Weigerstorfer, Winter, Wurm Peter;

Zakostelsky, Zanger.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschlie­ßungsantrag der Abgeordneten Dr. Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Defi­nition des Embryo ab dem Zeitpunkt der Befruchtung der Eizelle“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Spindelberger, Schit­tenhelm, Dr. Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend vereinfachte Auskunfts­möglichkeiten der Kinder.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehr­heit angenommen. (E 62.)

14.38.472. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (444 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden (451 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


14.39.20

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen zum Gesetz betreffend die Heilmasseure beziehungsweise die medizinischen Masseure. Es ist dies eine Bundes­gesetzesmaterie, in der es darum geht, dass die Ausbildung verkürzt wird und die Tä-


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tigkeiten und Kompetenzen der Masseure im System ausgeweitet werden. Wir stehen dem sehr kritisch gegenüber und werden das auch ablehnen. Ich werde versuchen, Ih­nen das zu erklären.

Wir befinden uns in einer Zeit, in der wir einen massiven Ärztemangel haben. Wir be­finden uns auch an einer Schnittstelle, bei der es auf der einen Seite darum geht, die ärztliche Versorgung aufrechtzuerhalten, und auf der anderen Seite darum, die Experi­mente von Versorgungszentren zu haben. Ich habe das schon mehrmals erwähnt: Viele Überlegungen resultieren aus der Situation, in der wir uns befinden, dass die Auf­wertung von Pflegepersonal kommen soll, die Aufwertung auch im Fall der Masseure, und ich glaube, dass es der falsche Weg ist, einem Ärztemangel zu begegnen, indem man andere Gesundheitsberufe immer mehr aufwertet, ihnen immer mehr Aufgaben überträgt. Ich hege wirklich die massive Befürchtung, dass damit die Gesundheitsver­sorgung schlechter wird, und das ist der Hauptgrund, warum wir gegen dieses Gesetz stimmen werden.

Wir wollen den Hausarzt, bei dem uns seit Jahren versprochen wird, dass er auf­gewertet wird, auch wirklich als den aufgewerteten Hausarzt sehen. Wir möchten ihn nicht ins Eck drängen und ihm immer mehr Kompetenzen entziehen, und diese Be­fürchtung habe ich auch wieder bei diesem Gesetz sehr stark. Das ist der Grund, wa­rum wir diesem Gesetz nicht unsere Zustimmung geben werden. (Beifall bei der FPÖ.)

14.41


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hechtl. – Bitte.

 


14.41.05

Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätz-
te Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich verstehe nicht, Frau Kollegin Belako­witsch-Jenewein, was dieses Heilmasseurgesetz mit dem Ärztemangel zu tun hat, aber mit diesen Änderungen im Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, mit dem Gesetz des medizinisch-technischen Dienstes, mit dem Medizinischen Assistenzberu­fe-Gesetz werden meiner Meinung nach wesentliche Verbesserungen in der Ausbil­dung herbeigeführt – noch mehr Praxisorientierung, noch mehr Qualität in der Ausbil­dung und vor allem ein erweiterter Zugang bei der Berufsausübung.

Durch die Einführung der Spezialqualifikation „Basismobilisation“ im Medizinischer Mas­seur- und Heilmasseurgesetz wird dem Ausbildungsinhalt Mobilität und Umgang mit Gehhilfen, gerade bei älteren Personen, wenn sie die Massage genießen, ein wichtiger Stellenwert eingeräumt.

Durch die Verkürzung der Ausbildung, die sich aber nur auf den praktischen Teil be­zieht, wird meines Erachtens die Durchlässigkeit der zwei Berufe zueinander klar zum Ausdruck gebracht. Mit den Anrechnungen beziehungsweise der Gleichhaltung der be­reits abgelegten Berufsqualifikationen und der Nachweiserbringung – wie zum Beispiel eine absolvierte Ausbildung oder ein erbrachter Qualifikationsnachweis, eine Berechti­gung zur Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes oder ein gleichwertiger Nach­weis über eine medizinisch-technische Ausbildung – wird für die bestehenden Berufs­tätigkeiten sichergestellt, dass diese weiter auch in diesem Bereich und in der Basis­mobilisation ausgeübt werden können.

Mit der Möglichkeit des Einsatzes der Ordinationsassistentinnen und Ordinationsassis­tenten in nicht bettenführenden Stationen oder Organisationseinheiten in den Kranken­anstalten, sprich Ambulanzen, wird für die einzelnen Abteilungen sichergestellt, dass für die betreffenden Personen die Berufsmöglichkeiten erweitert werden können.

Geschätzte Damen und Herren! Mit diesen Gesetzesänderungen wird bei der Ausbil­dung und Ausübung in den betroffenen Gesundheitsberufen die Praxisnähe gestärkt,


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für beste Berufsausbildung und Qualität gesorgt, der Einsatzbereich erweitert und auch gewerberechtliche Maßnahmen oder Bestimmungen aktualisiert. Für mich, geschätzte Damen und Herren, ist dieses Gesetz ein qualitativ hochwertiges Gesetz, ein praxis- und zukunftsorientiertes Gesetz, und ich darf Ihnen, Frau Bundesministerin Oberhau­ser, recht herzlich gratulieren. (Beifall bei der SPÖ.)

14.44


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.

 


14.44.24

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Mi­nister! Werte Damen und Herren! Liebe Kollegin! Ich sehe bei diesem Gesetz auch keine Schmälerung der Aufgaben der Ärzte, denn diese Regierungsvorlage wurde er­arbeitet, da die derzeit geltenden Anforderungen nicht mehr der Zeit entsprechen und daher neue Ausbildungssysteme erarbeitet worden sind. Die Praxis hat uns eben ge­zeigt, dass die Ausbildung vom gewerblichen Masseur zum medizinischen Masseur sehr umfangreich ist, eine lange Dauer hat und berufsbegleitend kaum zu bewältigen ist. Daher sind die Praxisstunden jetzt von 875 auf 580 herabgesetzt worden, und das zeigt uns, dass bereits erlernte Techniken mit dem Fokus auf kranke Menschen vertieft werden.

Wir werden immer älter, das heißt aber nicht, dass wir länger gesund sind. Deshalb ist die Remobilisation ein wichtiger Faktor und auch wichtig für die Menschen, damit sie relativ lange ein eigenständiges Leben führen können. So gibt es auch die Spezialaus­bildung „Basismobilisation“, bei der eine 80-stündige Zusatzausbildung dazukommt. Mit­hilfe dieser Basismobilisation werden die Leute in der Mobilität verbessert unterstützt, ihnen werden der Umgang mit Gehhilfen und andere Kenntnisse ihrer Bewegungsab­läufe gelehrt. Diese Zusatzqualifikation soll jetzt eben den Heilmasseuren, aber auch den medizinischen Masseuren in einem Dienstverhältnis und auch in freiberuflicher Aus­bildung möglich sein. Das ist eine wichtige Anforderung, die wir für die Zukunft haben, denn die Menschen werden immer älter und brauchen in der Mobilisation Unterstüt­zung.

Wie schon angesprochen, wird auch das MTD-Gesetz entrümpelt und vereinfacht. Es ist dann auch möglich, dass der erlernte Beruf in den sieben Sparten in einem Arbeits­verhältnis, aber auch im freiberuflichen Bereich ausgeübt werden kann. Dieses Gesetz ist eine gute Möglichkeit, um die Betroffenen schneller genesen zu lassen und der de­mografischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Daher ist es ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.47


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Mück­stein. – Bitte.

 


14.47.08

Abgeordnete Dr. Eva Mückstein (Grüne): Auch wir werden diesem Gesetzespaket zu­stimmen. Ich kann dieser Kritik ebenfalls nicht folgen. Besonders positiv finde ich die Vereinfachung der Berufsausübungsregelungen im MTD-Gesetz. Wir brauchen eine Vor­bereitung für die Primärversorgungszentren, und es ist dann wichtig, dass es keine Einschränkungen bezüglich des Arbeitgebers beziehungsweise des Beschäftigungs­verhältnisses gibt, sonst wären diese neuen Konstellationen gar nicht möglich. Auch die Verkürzung der Aufschulung der gewerblichen Masseure zum Heilmasseur finde ich gut, zeitgemäß und notwendig.

Wir haben zwei Anregungen beziehungsweise Veränderungswünsche, nämlich in Be­zug auf die Zusatzqualifikation „Basismobilisation“, und denken, dass es sich dabei um


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eine Tätigkeit handelt, die sehr klar zur Physiotherapie hin abgegrenzt werden und grundsätzlich auch eher im intramuralen und nicht im freiberuflichen Bereich zur Anwen­dung kommen sollte.

Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mückstein, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Gesundheits­ausschusses über die Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem das Medizi­nischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische As­sistenzberufe-Gesetz geändert werden soll

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Mas­seur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberu­fe-Gesetz geändert werden in der Fassung des Berichtes des Gesundheitsausschus­ses wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 Z.6 werden in § 60 Abs. 4 folgende Sätze angefügt:

‚Die Durchführung der Basismobilisation ist auf den intramuralen Bereich beschränkt und erfolgt unter Aufsicht und in Abstimmung mit Angehörigen des physiotherapeuti­schen Dienstes. Ausgeschlossen ist die Durchführung der Basismobilisation im Rah­men einer freiberuflichen Berufsausübung durch Heilmasseure sowie grundsätzlich im Zusammenhang mit der Betreuung von Patienten mit Beeinträchtigungen der Bewe­gungskontrolle und -steuerung.‘

In Artikel 1 Z.13 wird in § 70a Abs.4 die Wortfolge ‚der Lehr- und Fachkräfte‘ durch die Wortfolge ‚eines Angehörigen des physiotherapeutischen Dienstes‘ ersetzt.“

*****

Weiters bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Lichtenecker, Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Har­monisierung der Masseurberufe

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit sowie der Bun­desminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft werden aufgefordert, dem Na­tionalrat eine Novelle des Medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetzes (MMHmG) sowie eine Novelle der Gewerbeordnung vorzulegen, welche eine Zusammenführung der bestehenden drei Masseurberufe beinhalten.“

*****

Ich begründe das noch kurz: Seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Beru­fe der medizinischen Masseure und Heilmasseure wird zwischen dem Heilmasseur be­ziehungsweise dem medizinischen Masseur sowie dem gewerblichen Masseur unter­schieden. Die Vielzahl an unterschiedlichen Tätigkeits- und Kompetenzprofilen, die auf Basis dieses Gesetzes und der Gewerbeordnung geschaffen worden sind, haben gro­ße Unsicherheit unter den MasseurInnen hervorgerufen und sind zum Teil auch exis­tenzbedrohend.


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Dringend notwendig wäre es, das Berufsbild des gewerblichen Masseurs – und das ist eigentlich das wichtigste Argument – an das des medizinischen Masseurs und des Heilmasseurs heranzuführen. Derzeit ist es zum Beispiel nicht möglich, dass gewerbli­che Masseure in Deutschland arbeiten können. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.51


Präsident Karlheinz Kopf: Sowohl der von Frau Abgeordneter Mückstein eingebrach­te Abänderungsantrag als auch der Entschließungsantrag sind ausreichend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Eva Mückstein, Freundinnen und Freunde zum Bericht des Ge­sundheitsausschusses über die Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizi­nische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Mas­seur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberu­fe-Gesetz geändert werden in der Fassung des Berichtes des Gesundheitsausschus­ses (451 d.B.) wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 Z.6 werden in § 60 Abs. 4 folgende Sätze angefügt:

„Die Durchführung der Basismobilisation ist auf den intramuralen Bereich beschränkt und erfolgt unter Aufsicht und in Abstimmung mit Angehörigen des physiotherapeuti­schen Dienstes. Ausgeschlossen ist die Durchführung der Basismobilisation im Rah­men einer freiberuflichen Berufsausübung durch Heilmasseure sowie grundsätzlich im Zusammenhang mit der Betreuung von Patienten mit Beeinträchtigungen der Bewe­gungskontrolle und -steuerung.“

In Artikel 1 Z.13 wird in § 70a Abs.4 die Wortfolge „der Lehr- und Fachkräfte“ durch die Wortfolge „eines Angehörigen des physiotherapeutischen Dienstes“ ersetzt.

Begründung

Alle im MAB-Gesetz geregelten Tätigkeiten und Berufe dürfen ausschließlich im Rah­men eines Anstellungsverhältnisses ausgeübt werden und bedürfen zusätzlich einer fachlichen Aufsicht. Dies ist auch bei der Anwendung der Basismobilisation vorzuse­hen und im Gesetz zu verankern.

Basismobilisation im Zusammenhang mit der Betreuung von PatientInnen mit Beein­trächtigungen der Bewegungskontrolle und -steuerung (z.B. nach Schlaganfällen) muss im Sinne der PatientInnensicherheit und des Berufsschutzes unmissverständlich der Be­rufsgruppe der PhysiotherapeutInnen vorbehalten bleiben.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ruperta Lichtenecker, Eva Mückstein, Freundinnen und Freund


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 117

e

betreffend Harmonisierung der Masseurberufe

eingebracht im Zuge der Debatte über ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinische Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenz­berufe-Gesetz geändert werden

Begründung

Sie Inkrafttreten des „Bundesgesetzes über die Berufe und die Ausbildungen zum Me­dizinischen Masseur und zum Heilmasseur (MMHmG) am 1. April 2003 muss zwischen dem Heilmasseur bzw. dem Medizinischen Masseur sowie dem gewerblichen Masseur unterschieden werden.

Die Vielzahl an unterschiedlichen Tätigkeits- und Kompetenzprofile, die auf Basis des MMHmG und der Gewerbeordnung geschaffen worden sind, haben große Unsicherheit unter den MasseurInnen hervorgerufen und bedrohen den existenzsichernden Berech­tigungsumfang des gesamten Berufsstandes.

Dringend notwendig wäre es, das Berufsbild des gewerblichen Masseurs an das des Medizinischen und des Heilmasseurs heranzuführen. Derzeit ist es z.B. nicht möglich, dass gewerbliche Masseure in Deutschland arbeiten können.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit sowie der Bun­desminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft werden aufgefordert, dem Na­tionalrat eine Novelle des Medizinischen Masseur- und Heilmasseurgesetzes (MMHmG) sowie eine Novelle der Gewerbeordnung vorzulegen, welche eine Zusammenführung der bestehenden drei Masseurberufe beinhalten.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


14.51.59

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Die Interessenvertretungen aus dem Bereich der Masseure und Heilmasseure haben sich zu Wort gemeldet, weil sie qualitative Verschlechterun­gen befürchten, und dafür kann natürlich niemand sein und ist auch niemand. Des­wegen wird es darum gehen, darauf zu achten, dass die Qualität der Leistungserbrin­gung gesichert bleibt, wenn wir mehreren Berufsgruppen die Basismobilisation zugäng­lich machen, und gleichzeitig auch sicherzustellen, dass eine Leistung flächendeckend erbracht werden kann und genug Personen zur Verfügung stehen, die das auch tun können.

Der Qualitätsfrage können wir aber nicht beikommen, indem wir eine Berufsgruppe ge­gen eine andere ausspielen. Deswegen ist es im Sinne aller, wenn wir auf den Wis­senstransfer zwischen den Gesundheitsberufen achten, etwa indem die Physiothera­peuten, deren Tätigkeitsbereich weit über das hinausgeht, was wir heute behandeln kön­nen, am Praxispart der Basismobilisationsausbildung mitwirken.

Daher bringen wir folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 118

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Loacker, Kollegin und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

„In Artikel I Z 13 wird dem § 70a Abs. 4 folgender Satz angefügt:

‚Dabei ist jedenfalls auch Supervision durch einen Physiotherapeuten sicherzustellen.‘“

*****

In angemessener Zeit wäre eine Evaluierung dieser Regelungen notwendig. Frau Bun­desministerin Oberhauser, ich bitte Sie, ein Auge darauf zu haben. – Danke schön. (Bei­fall bei den NEOS.)

14.53


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Loacker soeben eingebrach­te Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kollegin und Kollegen

zu TOP 2: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (444 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinischer Masseur- und Heilmasseur­gesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert wer­den (451 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der der Regierungsvorlage (444 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Me­dizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden (451 d.B.), angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

In Artikel I Z 13 wird dem § 70a Abs. 4 folgender Satz angefügt:

„Dabei ist jedenfalls auch Supervision durch einen Physiotherapeuten sicherzustellen.“

Begründung

Im Sinne der Patient_innensicherheit und der Gewährleistung eines hohen qualitativen Standards der neuen Spezialqualifikationsausbildung Basismobilisation muss eine ent­sprechende fachliche Supervision im Rahmen des Praxisteils vorgesehen werden. Ei­ne solche Supervision soll durch einen Physiotherapeuten/eine Physiotherapeutin er­folgen, um einen Wissenstransfer durch die Berufsgruppe, deren fachlicher Fokus auf Entwicklung und Funktionsweisen des Bewegungssystems liegt, zu gewährleisten, so­dass die Intention, die steigende Nachfrage nach dieser Dienstleistung im Gesund­heitssystem zu befriedigen, auf hohem qualitativen Niveau erfüllt werden kann.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Oberhauser. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 119

14.53.46

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Herr Präsident! Wer-
te Kolleginnen und Kollegen! Die Berufsrechte in Österreich unterliegen einem stän­digen Wandel und einer ständigen Innovation. Wir arbeiten derzeit an der Frage der Gesundheits- und Krankenpflege, das Ärztegesetz war dabei. Jetzt haben wir uns wie­der mehreren Berufsgruppen in diesem Gesetz gewidmet. Es sind 110 000 Menschen in Österreich, die in den Gesundheitsberufen tätig sind. Ich finde, sie verdienen klare, gute Berufsbilder. Ich glaube, mit diesem Gesetz sind wir wieder einen Schritt weiter­gekommen, und ich danke Ihnen für die Diskussion. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

14.54


Präsident Karlheinz Kopf: Danke, Frau Bundesministerin.

Meine Damen und Herren! Darf ich darauf aufmerksam machen, dass sich, so wie es ausschaut, die Abstimmung vor dem Dringlichen Antrag noch ausgehen wird. Darf ich die Ordner und Klubobleute bitten, ihre Abgeordneten hereinzubitten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Vogl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.54.40

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerin! Ho­hes Haus! Diese vorliegenden Gesetzentwürfe spiegeln zwei Punkte wider. Auf der ei­nen Seite wollen wir versuchen, mit diesen Gesetzentwürfen den Menschen, die in die­sem Bereich tätig sind, dort, wo es sinnvoll ist, neue Berufsmöglichkeiten zu geben – sei es, indem wir ihr Berufsspektrum erweitern, dort, wo es um die Ordinationsassisten­tInnen geht, oder dort, wo es möglich ist, durch Schulungen zusätzliche Tätigkeiten aus­zuüben. Für die Betroffenen und Beschäftigten in diesem Bereich ist es sehr wichtig, ihre Einsatzmöglichkeiten zu erweitern.

Auf der anderen Seite – und darauf hat Frau Belakowitsch-Jenewein hingewiesen – ha­ben wir natürlich das Problem, dass wir durch die älter werdende Gesellschaft auch vor Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Auf der einen Seite sind ältere Men­schen heute gesünder und agiler, als wir es uns früher vorstellen konnten. Auf der an­deren Seite sind heute Versorgungssituationen notwendig, die wir früher nicht kannten. Da die richtige Versorgung anbieten zu können ist die Herausforderung.

In diesen neuen Berufsgruppen versuchen wir, ein Stück weit auf diese Herausforde­rung einzugehen. Wir wissen jedoch, dass es ein sehr schwieriger und schmaler Grat ist, die richtige Versorgung für die betroffenen Menschen zu finden.

Eines möchte ich uns allen gemeinsam auch mitgeben: Mehr Zeit für Administration kann nicht das Ziel im Gesundheitsbereich sein, und daher auch unser Wunsch: mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten – und nicht für die Administration. Das ist auch et­was, was wir erreichen wollen. Es gibt in der Technik einen Spruch, der heißt: Qualität produziert man, Qualität prüft man nicht herbei. In diesem Sinne würde ich mir auch im Gesundheitssystem wünschen, dass wir uns wieder mehr auf den Patienten konzen­trieren und weniger darauf, die Dinge, die wir an den Patienten tun, zu dokumentieren, damit – wenn etwas schiefgelaufen ist – nachgewiesen werden kann, dass sozusagen eh alles richtig gemacht worden ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

14.56


Präsident Karlheinz Kopf: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Schlusswort seitens des Berichterstatters wird keines gewünscht.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 444 der Beilagen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 120

Hiezu liegen ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Mückstein, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Abänderungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restli­chen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Mückstein, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Art. 1 Z 6 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abge­lehnt.

Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Wer dafür ist, gebe bitte ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Art. 1 Z 13 eingebracht.

Wer dafür ist, gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Mückstein, Kolleginnen und Kollegen haben ebenfalls einen Ab­änderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. 1 Z 13 bezieht.

Wer dafür ist, gebe bitte ein Zeichen. – Das ist ebenfalls die Minderheit und somit ab­gelehnt.

Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Wer dafür ist, gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetz­entwurf zustimmen wollen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Lichtenecker, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Harmonisierung der Masseurberufe.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minder­heit und somit abgelehnt.

*****

Wir würden jetzt zum 3. Punkt der Tagesordnung gelangen. Da für 15 Uhr die Behand­lung eines Dringlichen Antrages vorgesehen ist, erspare ich mir jetzt die Unterbre­chung der Sitzung. Ich unterbreche nur die Debatte, denn es ist gleich 15 Uhr. Wir kön­nen daher mit der Behandlung des Dringlichen Antrages fortfahren, zumindest, wenn ich noch ein paar Sekunden weiterspreche.

Die Verhandlungen über die Tagesordnung sind somit unterbrochen, damit die verlang­te Behandlung eines Dringlichen Antrages gemäß der Geschäftsordnung stattfinden kann.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 121

15.00.14Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offen­sivpaket „Unternehmerisches Österreich“ (855/A)(E)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Es ist inzwischen 15 Uhr. Wir gelangen somit zur dringli­chen Behandlung des Selbständigen Antrages 855/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Für 2014 hat uns die Bundesregierung eine Rekordarbeitslosigkeit von 10,2% nach na­tionaler Berechnung beschert. Zu Jahresbeginn waren damit über 455.000 Menschen ohne Arbeit. Die allgemeine Weltwirtschaftslage ist daran nicht schuld, das zeigt der Vergleich zu Deutschland und der Schweiz. Beide Nachbarländer ziehen Österreich der­zeit bei fast allen Standortfaktoren davon. Im Standortranking des World Economic Fo­rum, dem Global Competitiveness Report, wurde Österreich dieses Jahr bis auf Platz 21 durchgereicht (die Schweiz steht auf dem ersten und Deutschland auf dem fünften Platz). Im Monitoring Report der WKÖ ist Österreich im Jahr 2014 aus dem ersten Drit­tel gefallen. Die Krise des österreichischen Arbeitsmarktes ist also hausgemacht und statistisch belegbar. Unübersehbar ist Österreich für innovative Unternehmen, die an­spruchsvolle Jobs schaffen, nicht mehr erste Wahl. Ein Wirtschaftsstandort, der nicht mehr im globalen Spitzenfeld mitspielt, kann in absehbarer Zeit für seine Bevölkerung auch nur noch durchschnittlichen Wohlstand sichern. Da Österreich derzeit noch eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der EU hat, droht ein tiefer Fall. Unseren derzeiti­gen Lebensstandard können wir uns bereits jetzt nur mehr schuldenfinanziert erhalten und das, trotz Steuern und Abgaben auf einem historischem "Rekordniveau".

Von 1974 bis 2014 verzeichnete die Schuldenquote einen Anstieg von 16,1 % auf 81%; die Abgabenquote kletterte von 35% auf 45,2% und die Arbeitslosenrate ist von 1,2% auf 7,6% angestiegen. Wir verbrennen den Wohlstand vergangener Jahre in rasender Geschwindigkeit.

Die Arbeitnehmer_innen und Unternehmer_innen sind nicht der Grund für die Krise des Standortes. Schließlich haben sie über Jahrzehnte hinweg ihre Leistungsfähigkeit be­wiesen. Nach wie vor beherbergt Österreich Technologie- und Weltmarktführer in zahl­reichen Branchen. Leider wird es für diese Unternehmen und ihre Mitarbeiter_innen im­mer schwieriger von Österreich aus im internationalen Wettbewerb zu bestehen.

Wirtschaftspolitik muss den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen.

Nicht der Staat schafft Wohlstand, sondern Unternehmen schaffen Wohlstand und Jobs. Florierende Unternehmen und gut bezahlte Angestellte spülen mehr Mittel für Bildung, Pensionen und Infrastruktur in die Staatskasse. Wenn Unternehmen und Arbeitneh­mer_innen zum Stopfen der Löcher in der Staatskasse immer stärker herangezogen werden, befinden wir uns in einer Abwärtsspirale. Erfolgreiche Wirtschaftspolitik dage­gen ermöglicht Gründungen und schafft rechtlich und finanziell zeitgemäße Rahmen­bedingungen, die den Wirtschaftsstandort attraktiver machen. Staatliche und staatsna­he Konzerne, intransparente Subventionen und parteipolitische Interventionen in den Unternehmen mögen im vergangenen Jahrhundert ein gangbarer Weg gewesen sein, eine nationale Ökonomie zu lenken. In der beschleunigten globalisierten Welt und in ei­nem verschärften Wettbewerb sind die Rezepte des 20. Jahrhunderts viel zu unflexibel. Unsere Wirtschaft muss im internationalen Wettbewerb bestehen. Erfolg lässt sich nicht mehr staatlich steuern. Der Staat kann den Erfolg von Unternehmer_innen nur noch wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher machen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 122

In Österreich ist unternehmerischer Erfolg derzeit allerdings sehr unwahrscheinlich. Überholte Kammerzwänge und Gewerbeordnungen mögen die Qualität der Produktion im Vielvölkerstaat der Monarchie gesichert haben, heute verhindern sie jedoch Innova­tion und Fortschritt. Unternehmensformen wie die GmbH oder die AG waren sinnvolle und richtige Modelle für das Wirtschaftssystem des 20. Jahrhunderts, junge Start-Ups brauchen aber flexiblere Unternehmensformen. Auf den rasanten Wandel der Arbeits­welt hat die Bundesregierung bislang ebenfalls kaum reagiert. Karrieren verlaufen heu­te einerseits oft nicht mehr linear, andererseits ist die strikte Trennung zwischen selbst­ständigen und angestellten Erwerbsformen realitätsfremd. In der modernen Dienstleis­tungsgesellschaft wechseln immer mehr Menschen in die Selbstständigkeit (zum Bei­spiel als EPU). Sie werden im Vergleich zu Angestellten fast durchgehend höher belas­tet und schlechter gestellt. EPUs werden in Österreich mit bürokratischen Auflagen be­lastet, wie in anderen Ländern Konzerne. Während die Finanzierung von Unternehmen am Finanzmarkt immer schwieriger wird, schafft die Regierung keine Verbesserung und keine Rechtssicherheit für alternative Finanzierungsmöglichkeiten.

Mentalitätsreform für ein unternehmerisches Österreich.

All diese Maßnahmen kosten unmittelbar kaum Geld. Die Republik hat keinerlei finan­ziellen Spielraum mehr und klassische Konjunkturpakete und schuldenfinanzierte In­vestitionen in das Wirtschaftswachstum haben Österreich in die aktuelle verheerende Lage gebracht. Ein schwächelnder Wirtschaftsstandort lässt sich nicht plötzlich gesund spritzen sondern benötigt Reformen. Vor der österreichischen Wirtschaftspolitik liegen Jahre der Anpassung und Konsolidierung. Dafür braucht es als ersten Schritt einen Pa­radigmenwechsel und einen Mentalitätswandel. In der Industrialisierung mussten die Arbeitnehmer_innen vielleicht noch vor den Arbeitsbedingungen in den Konzernen ge­schützt werden. Im 21. Jahrhundert werden neue Jobs aber nicht mehr durch das längste Fließband, sondern durch Innovation in Technologien und Dienstleistungen ge­schaffen. Kapital ist heute ebenso flüchtig, wie es die zunehmend fehlenden hochquali­fizierten Arbeitskräfte sind. Die Zeiten des quasi "automatischen" Wachstums sind vor­bei. In einer Zeit, in der die Arbeitnehmer_innen unternehmerischer Denken und Han­deln denn je, müssen wir in Österreich eine Wirtschaftspolitik überwinden, welche die Bevölkerung vor Unternehmertum schützen will. Im Gegenteil: Wir brauchen ein unter­nehmerisches Österreich und ein unternehmerisches Österreich braucht ein Ende über­bordender Regulierungen und Vorschriften, sondern rechtliche und finanzielle Rahmen­bedingungen, um in Österreich wieder wettbewerbsfähig und erfolgreich sein zu kön­nen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Herr Bundeskanzler werden aufgefordert dem Nationalrat bis 01.05.2015 ein "Offensivpaket für ein unternehmerisches Öster­reich" vorzulegen, das folgende Schwerpunkte umfasst:

1. Mentalitätsreform: Unternehmertum ermöglichen, statt es zu regulieren.

a. Wir fordern die "One-in-One-out-Regel" für die nationale Gesetzgebung - für jede neue Regelung muss in Zukunft eine veraltete abgeschafft werden.

b. Weg vom Paradigma der staats- und parteinahen Nationalökonomie. Förderungen und Subventionen zugunsten niedrigerer Abgaben zurück fahren.

c. Abgabenlast und Sozialleistungen von Selbstständigen und Arbeitnehmer_innen müs­sen angeglichen werden. Selbstständigkeit muss entbürokratisiert werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 123

2. Bildung: Bildung als der maßgeblichen Zukunftsfaktor Österreichs etablieren.

a. Schulautonomie umsetzen.

b. Unternehmertum an die Schulen bringen, z.B. durch Gründerwerkstätten und Un­terricht in den Grundlagen der Unternehmensführung.

c. Bildungsdefizite müssen an den Schulen beseitigt werden, statt in den Arbeitsmarkt und ins AMS ausgelagert zu werden.

3. Bürokratie: Bürokratie hemmt unternehmerische Tätigkeit. Ideen können nicht ein­fach verwirklicht werden. Dafür sorgen ein starres Gewerberecht und andere Standes­rechte, die einschränken und verhindern, statt unternehmerische Tätigkeit und Kreati­vität zu fördern. Österreich muss den Verwaltungsaufwand wesentlich reduzieren:

a. Schaffung einer modernen Gewerbeordnung, die den Ansprüchen des 21. Jahrhun­derts entspricht.

b. One-Stop-Shop-Konzept für alle Themen „rund ums Gewerbe“ (Genehmigungen, Gewerbeberechtigungen, Förderungen, Steuernummer und Firmenbucheintragung, etc.).

c. Verschlankung und Harmonisierung aller damit in Zusammenhang stehenden Ge­setze.

d. Maßgebliche Reduktion der Verwaltungstätigkeit auf Seiten der Unternehmer_innen (Beauftragte, statistische Anforderungen, etc.).

4. Budget: Generationengerechtigkeit endlich mitdenken und Schuldenbremse in den Verfassungsrang heben.

a. Um Generationengerechtigkeit zu gewährleisten und eine ausufernde Staatsver­schuldung zu vermeiden, muss eine verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse etabliert werden.

b. Durch eine Umsetzung des NEOS Steuerkonzepts schaffen wir einen Spielraum für eine jährliche Schuldentilgung in Höhe von 3,3 Milliarden Euro, um die Zinslast abzu­tragen.

c. Der Spielraum für die Steuerreform wird gegenfinanziert durch ausgabenseitige Maß­nahmen und Reformen wie im NEOS Steuerkonzept veranschlagt.

5. Steuerreform: Steuergesetzgebung, die dem Titel „weniger, einfacher, generationen­gerecht“ entspricht.

Weniger:

a. Senkung der Lohnsummenabgaben.

b. Senkung der Einkommensteuer sowie Steuerhoheit für Bundesländer und Gemein­den.

c. Abschaffung der kalten Progression.

Einfacher:

a. Streichung von Bagatellsteuern.

b. Streichung von Rechtsgeschäftsgebühren.

c. Streichung fragwürdiger Sondersteuern.

Generationengerecht:

a. Streichung ineffektiver Umweltsteuern.

b. Stufenweise Etablierung einer aufkommensneutralen CO2-Steuer.

c. Konsequente Umsetzung der Pensionsreform.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 124

6. Start-Ups: Flexible Unternehmensformen mit Investitionsanreizen schaffen:

a. Neue Unternehmensformen für Start-Ups schaffen (z.B. "Start-Up", "Klein AG", "GmbH Zero").

b. Invesitionsanreize durch Steuererleichterungen für Investitionen in Unternehmen, oder alternative Finanzierungsmodelle (z.B. Crowd-Funding) schaffen.

c. Abgabenlast und Sozialleistungen für Selbstständige in EPUs und KMUs an jene von Angestellten angleichen, durch Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger zu je einem Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungsträger.

d. EPU-Zwangsanstellungen durch Gebietskrankenkassen beenden.

7. Innovation ermöglichen und nicht durch Gewerbeordnung und Kurzsichtigkeit ver­hindern.

Durch eine Unterfinanzierung des Wissenschafts- und Forschungssektors verspielen wir unsere Zukunft! Es müssen notwendige Rahmenbedingungen geschaffen und die Finanzierung gewährleistet werden, damit der Forschungsstandort Österreich Luft zum Atmen bekommt. Schluss mit zu strengen Regulatorien und sinnlosen Förderungen nach dem Gießkannenprinzip!

a. Forschungsförderungsagenturen und Forschungseinrichtungen erhalten mehrjährige Budgetzusagen.

b. Es wird eine transparente für alle einsehbare Übersicht über alle Forschungsför­derungsmaßnahmen in Österreich geschaffen.

c. Die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden für die Forschung – insbesondere auch bei gemeinnützigen Stiftungen – wird ausgebaut.

8. Forschung und Entwicklung: Ein interministerieller FTI-Steuerungsrat (Kanzler, Vize­kanzler, die Bundesminster_innen für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Finanzen, Gesundheit, Verkehr, Innovation und Technologie sowie Land-und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) legt mehrjährige strategische und budgetäre Re­gierungsziele im Bereich Wissenschaft und Forschung fest. Nur durch eine langfristige Strategie kann eine Entwicklung hin zu einer Wissensgesellschaft, basierend auf Wis­senschaft und Forschung, vorangetrieben werden.

a. Die Agenden für Wissenschaft, Forschung und Hochschulen werden in einem eige­nen Ministerium zusammengeführt.

b. Die für 2020 festgelegten Zielindikatoren in Bezug auf das BIP sind auf jahresweise Teilziele herunter zu brechen, um laufend deren Erreichung kontrollieren zu können:

i. F&E-Quote: 3,76%

ii. Quote für tertiäre Bildung: 2%

iii. Quote für Grundlagenforschung: 0,8%

9. Finanzierung: Unternehmen, von EPUs über Start Ups und KMUs bis hin zur Indus­trie, suchen nach alternativen Finanzierungsformen.

a. Rechtlichen Rahmen für Crowd Funding und Crowd Investement schaffen.

b. Lockerung der Bestimmungen der FMA und Erhöhung der Prospektpflichtschwelle auf 1 Mio Euro.

c. Rücknahme des Gold Platings bei der AIFM Richtlinie.

10. Arbeitsmarkt: Flexibilisierung von Beschäftigung und Fachkräfteoffensive:

a. Arbeitszeitflexibilisierung:

i. flexiblere Tageshöchstarbeitszeit bei gleichbleibender Wochenhöchstarbeitszeit.

ii. Schaffung von Jahresarbeitszeitmodellen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 125

b. Schaffung eines freiwilligen Teilzeitkrankenstandes im Sinne der Arbeitnehmer_in­nen zur Vermeidung von Dequalifizierung und Forcierung einer arbeitsplatznahen Re­habilitation.

c. Reform der Rot-Weiß-Rot Karte:

i. Entbürokratisierung der Antragstellung.

ii. Anerkennung von Bachelor-Abschlüssen.

iii. Reduktion der Einkommensgrenzen für Studienabsolvent_innen auf das Durch­schnittsniveau von Studienabsolvent_innen österreichischer Universitäten.

iv. Längere Möglichkeiten zur Jobsuche für Studienabsolvent_innen österreichischer Uni­versitäten aus Drittstaaten.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs.1 iVm § 93 Abs.2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantrag­steller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich erteile sogleich Herrn Abgeordnetem Schellhorn als Ers­tem das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


15.00.31

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretär! Liebe Abgeordneten! Wir legen heute der Bundesregierung einen Dringlichen Antrag vor und richten uns dabei besonders an de­ren Chef, Bundeskanzler Faymann, weil wir glauben, dass diese Führungslosigkeit, die­se Entscheidungslosigkeit und diese Lustlosigkeit der Bundesregierung in der Stand­ort-, Wirtschafts- und Unternehmenspolitik derzeit einen kritischen Punkt überschritten haben, mittlerweile Kollateralschäden anrichten, die am Ende dieser Legislaturperiode kaum noch zu reparieren sein werden. Wir glauben, dass für die Unternehmen derzeit ein feindseliges Umfeld herrscht und dass weit mehr als die derzeitigen 407 000 Arbeitslo­sen betroffen sein werden, wenn Ihre Politik des Unterlassens nicht beendet wird. (Prä­sident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Heute ist zufälligerweise auch die aktuelle Studie von Ernst & Young, der Mittelstands­barometer, herausgekommen: Nur 15 Prozent der österreichischen Unternehmen be­werten diese Wirtschafts- und Standortpolitik als positiv. Das ist der zweitschlechteste Wert nach Griechenland.

Kleine und mittlere Betriebe, die KMUs, sind die wahren Helden dieser Wirtschaft. Die­ser Meinung sind wir, und ich vermute, Sie würden das auch unterschreiben. Die KMUs stellen immerhin 68 Prozent der Arbeitsplätze. Selbständige, EPUs, Start-Ups, KMUs, wie immer man sie auch kategorisieren mag, nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand und gehen persönliche Risiken ein, um Arbeitsplätze zu schaffen. Das sind Menschen, die sich entschieden haben, keine Unterlasser zu sein, sondern Unternehmer zu wer­den. Unterlasser sind in unseren Augen Sie, liebe Bundesregierung. Das sind Sie: Sie sind keine Unternehmer, Sie sind Unterlasser! (Beifall bei den NEOS.)

407 000 Menschen sind ohne Arbeit ins neue Jahr gerutscht. 407 000 Arbeitslose! Dafür sind nicht die Unternehmer verantwortlich, dafür verantwortlich sind eine Abga­benquote, die 45,2 Prozent erreicht hat und mittlerweile schon höher ist als in Schwe­den, eine Schuldenquote, die von 1974 bis jetzt von 16 auf 81 Prozent gestiegen ist. Für 407 000 Arbeitslose sind nicht die Unternehmer verantwortlich, dafür sind Sie ver­antwortlich, und das müssen Sie sich an Ihre Brust heften.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 126

Wenn Unternehmer scheitern, dann versuchen sie, es beim nächsten Mal besser zu machen. Unternehmer machen nicht einfach ein schlechtes Produkt teurer und zwin­gen die Kunden, es trotzdem zu kaufen. Die Unternehmer nehmen auch nicht 40 Jahre lang Schulden auf, um ihren defizitären Betrieb über die Runden zu bringen. Das ist aber leider das, was Sie, liebe Bundesregierung, Sie als Unterlasser tun: Sie erhöhen die Schulden und Abgaben auf Kosten der nächsten Generation und hoffen, in Pension zu sein, bevor dieses Kartenhaus zusammenbricht.

Wirklich gute Unternehmer können auch mit wirklich schlechten Rahmenbedingungen wie jenen, die Sie schaffen, bestehen, und wir haben zum Glück wirklich viele wirklich gute Unternehmer in Österreich. Aber was tun wir, wenn wir irgendwann keine Unter­nehmer mehr haben, weil die neue Generation keine Lust mehr darauf hat, ständig im­mer höhere Abgaben zu leisten und ständig gegen strengere Restriktionen ankämpfen zu müssen.

Ich kann Ihnen aus meiner Perspektive als Unternehmer, aber auch als Vater einiges mitgeben: Meine beiden Söhne sind 22 und 24 Jahre alt. Sie sind Gott sei Dank in ei­nem Land aufgewachsen, in dem die Menschen im Wohlstand leben, ohne Kriege, oh­ne Hunger, ohne Not, in einer freien Gesellschaft. Sie sind aber auch aufgewachsen in einem unternehmerischen Haus und haben bald gemerkt, dass man im Leben mehr erreichen kann als einen Job von Montag bis Freitag, dass sich Leistung auch lohnen muss, dass es sich lohnen muss, etwas zu arbeiten, und dass es sich auch bezahlt macht, wenn man Risiken eingeht.

Und wissen Sie, was meine zwei Söhne machen? – Sie wollen weg. Sie wollen raus aus diesem Land. Sie denken, dass sie in einem anderen Land mehr Chancen haben. In anderen Ländern dieser Erde gibt es natürlich viel mehr Chancen, mehr Chancen auf eine gehaltvolle Bildung, eine Bildung, die den Anforderungen des 21. Jahrhun­derts entspricht, mehr Chancen auf Unternehmerfreundlichkeit, mehr Chancen auf Ge­nerationengerechtigkeit.

Wir alle wissen, es geht vielen jungen Menschen so, weil wir ihnen keine Perspektiven geben. Ich möchte hier eine Lanze brechen für all die jungen Menschen, für all die Un­ternehmer und für all die Arbeitnehmer. Sie, liebe Bundesregierung, wissen und ich weiß, dass diese Menschen unzufrieden sind, dass sie Angst um ihre Zukunft haben, dass sie immer weniger Chancen sehen. Der Unterschied zwischen mir und Ihnen, lie­be Bundesregierung, ist, dass Sie sich nicht erklären können, warum das so ist. Las­sen Sie mich das kurz erklären: 407 000 Menschen ohne Arbeit, das bedeutet, mit ih­ren Angehörigen sind es rund eine Million Betroffene in Österreich, das ist jeder Achte.

Was tun Sie dagegen, Sie, die Unterlasser? Was können Sie mit Ihrer Unterlasserpoli­tik dem entgegensetzen? – Nichts! Sie lassen sich über die Medien gegenseitig aus­richten, was denn nun das richtige Konzept sei, die Konjunktur zu beleben, Arbeits­plätze zu schaffen. Sie führen Scheingefechte um mutlose Minimalversionen einer Steuerreform und wissen genau, dass keines Ihrer beiden Konzepte irgendein Problem löst.

Das Einzige, was Sie sich mit Ihrer medialen Hin- und Her-Taktik erkaufen, ist Zeit, Zeit für diese Regierung. Dafür sind Sie beide, SPÖ und ÖVP gemeinsam, verantwortlich. Diese Verantwortung kann Ihnen niemand nehmen. Und wie in einem Unternehmen ganz besonders verantwortlich ist deren Chef, und das ist immerhin Bundeskanzler Faymann.

Sie werden mir hier sicherlich widersprechen, Sie kommen ja gleich nach mir dran, aber das, was ich Ihnen im Sinne der Jugendlichen, der Unternehmer und der Arbeiter und Angestellten für Ihre Rede als Fragen mitgeben möchte, ist Folgendes: Haben Sie Antworten auf die drei dringendsten Fragen: auf die steigende Arbeitslosigkeit, darauf,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 127

dass den Bürgern immer weniger im Börsel bleibt, auf die Frage, warum Ihr Bürokra­tiewahnsinn ständig größer wird? – Fehlanzeige. Nein, Sie haben keine Antworten! Bis­her haben wir noch nie Antworten von Ihnen bekommen. Aber ich bin gespannt, viel­leicht ist Ihnen ja etwas über die Weihnachtsfeiertage eingefallen.

Das Problem ist, Sie, geschätzter Herr Bundeskanzler – der Herr Vizekanzler ist leider nicht hier –, wissen, was zu tun wäre, Sie tun es aber nicht! Und das ist das Unver­zeihliche: Sie tun nicht, was zu tun wäre! Und das ist das, was den Menschen die Zu­versicht raubt: Sie unterlassen, anstatt zu unternehmen.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die SPÖ immerhin von 1976 bis 2014 an 13 von 15 Bundesregierungen beteiligt war, die ÖVP immerhin an 10 von 15, sie trägt seit 10 150 Tagen Regierungsverantwortung mit. Dass Sie diese Verantwortung nicht um den Schlaf bringt, das wissen wir. Sie bringt aber uns um den Schlaf, uns Un­ternehmer, die wir darum bangen müssen, unsere Angestellten weiter beschäftigen zu können, wenn plötzlich die nächste Phantasie-Sektsteuer – seit gestern wissen wir ja, was die eingebracht hat – um die Ecke biegt oder die Lohnkosten noch weiter steigen.

Natürlich, Sie werden uns heute wieder erklären, die Ausgangslage ist fatal. Die Re­zession wird in Österreich manifest. Wir haben nicht ein Problem, wir haben viele Pro­bleme. – All diese Probleme sind hausgemacht! Und schieben Sie bitte nicht wieder Ih­re Probleme auf die Hypo, das ist nämlich schön langsam peinlich.

Die Konjunktur soll vielleicht schuld sein. Aber ich frage Sie: Wann gibt es bessere Mo­mente als jetzt, die Konjunktur wieder anzuheizen, wieder zu beleben, bei diesen nied­rigen Ölpreisen, bei dem starken Franken, bei diesem schwachen Euro?! Das wäre für unser Exportgeschäft wahnsinnig wichtig. Ein besseres Zeitfenster als jetzt wird es viel­leicht für Jahrzehnte nicht geben, um strukturell die Wirtschaft anzukurbeln, strukturell Arbeitsplätze zu schaffen.

So kann man bei Ihrer Arbeit wohl kaum von einer Wirtschaftsreformpolitik sprechen. Wieder Fehlanzeige. Wir können wieder nur die Antwort geben: Nein, das ist keine Wirtschaftsreformpolitik, was Sie machen! Es ist eine Klientelpolitik, und Sie schielen mit Ihrem kaputten Auge auch noch auf die kommenden Wahlen, anstatt Mut und Ehr­lichkeit zu beweisen. Tatkraft und Entscheidungswille sind gefragt, nicht Wahlkalkül!

Seit Jahrzehnten versprechen uns SPÖ und ÖVP sinkende Abgaben und Steuern, eine geringe Staatsverschuldung und sinkende Arbeitslosenzahlen. Sie versprechen uns das Blaue vom Himmel und blühende Landschaften. Und was ist passiert? – Nichts! Das ist diese Nullnummer, von der Kattinger in der „NZZ“ spricht, diese Nullnummer, die diese Bundesregierung abgibt, auch Zeugnis für Ihr Unterlassen und dafür, nichts zu unter­nehmen.

Das, was die Unternehmer fordern, das kann ich Ihnen nach 50 Unternehmensbesu­chen mit Sicherheit sagen, sind folgende Punkte:

Erstens: Wir brauchen dringend eine Mentalitätsreform, die ihren Namen verdient. Un­ternehmer wollen keine Bittsteller sein.

Zweitens: Wir brauchen ein freies Unternehmertum mit Flexibilisierung und Deregulie­rung.

Und drittens: Arbeit muss sich wieder lohnen.

Gegen diese Herausforderungen erinnert Ihre Wirtschaftspolitik die Unternehmer höchs­tens an einen Zuckerlladen. Sie verteilen Zuckerl, und allesamt sind es giftige Zuckerl; giftige Zuckerl, was die Pensionen und die Generationengerechtigkeit betrifft, giftige Zuckerl, was die Besteuerung des Faktors Arbeit betrifft, sprich: kalte Progression, gif­tige Zuckerl, was die Wirtschaftspolitik in Sachen Deregulierung und „weniger Staat, mehr Privat“ betrifft.


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Jüngstes Beispiel: ÖIAG-Reform. Sie feiern da gerade ein duftendes Lüfterl als ganz großen Erfolg. Wenn Sie glauben, dass die Reform der ÖIAG, also jetzt die ÖBIB, ein Erfolg war, dann kann das in Ihren Augen nur sein, dass Sie die Repolitisierung wieder geschafft haben. Diese Repolitisierung feiert hier das größte Comeback seit Hermann Maier. Die ÖBIB ist auch kein Zeugnis für ein unternehmerisches Österreich. Die einzi­gen Unternehmen, die sich freuen können, sind die Agenturen und Schildermacher.

Das, was Sie bei der ÖIAG zustande gebracht haben, lässt für Ihre Steuerreform Schlim­mes vermuten. Eine wirkliche Steuerreform, die diesen Namen verdient, erwarten sich die Österreicher. Eine neuerliche Nullnummer vertragen die Bürger nicht, vertragen die Unternehmer nicht.

Ich sage es noch einmal: Was all die Menschen brauchen, ist eine Mentalitätsreform. Eine Mentalitätsreform, die nur von uns allen getragen werden kann! Dafür müssen wir Zuversicht und Bilder projizieren. Was sind Ihre Bilder des Optimismus, Ihre Bilder da­von, wo Österreich 2030 stehen soll? Und mit Bildern meine ich nicht Ihre persönlichen Sehnsüchte und Phantasien, sondern eine Vision für unser Land.

Für Ihre Bilder und Visionen für unser Land kann ich Ihnen einige Beispiele von meinen Unternehmensbesuchen erzählen. Ein Unternehmer zum Beispiel in Wien ... (Zwi­schenruf des Abg. Schieder.) – Ja, wir zeichnen. Ich bin auch ein großer Maler, das kann schon sein, aber ich kann auch erzählen, zum Beispiel, dass es in Wien einen Unternehmer gibt, der ein Lokal groß eröffnet hat und am nächsten Tag gleich wieder zusperren musste, weil sich die Behörde nicht einig war, ob eine Stufe oder eine Stiege in seinen Gastraum führt.

Ich kann Ihnen von einem Unternehmer in Kärnten erzählen, der eine Produktionshalle für Solarpanele gebaut hat. Dazu braucht es natürlich Parkplätze für seine Mitarbeiter. Um die Genehmigung dafür zu erhalten, hat ihm die Behörde Bäume zur Beschattung vorgeschrieben. Diese Bäume hatten aber keinen Durchmesser von zehn Zentimetern. Deshalb hat er eine Strafe bekommen! – Ist das freies Unternehmertum? Wollen Sie das haben? (Abg. Schieder: Sind Sie gegen Bäume?)

Oder: Ein Unternehmer in Obertauern darf zwar ein Taxi betreiben, dies aber nicht in seinem zweiten Betrieb in Salzburg.

Dafür sind nicht wir verantwortlich, dafür ist die Regierung verantwortlich und dafür sind auch die Kammern verantwortlich. Nein, Sie sind es, die ein freies Unternehmertum be­hindern, weil Sie als Regierung in der Geiselhaft der Kammern sind. Wirtschaftskam­merfunktionäre sind meines Erachtens Parasiten in Form der Vertretung.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Schellhorn, für den Ausdruck „Pa­rasiten“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

*****

 


Abgeordneter Josef Schellhorn (fortsetzend): Die Kammer zur gewerblichen Verhin­derung schaut zu, wie beide Regierungsparteien – den Antrag habe ich noch im Kopf, er war von Herrn Matznetter und Herrn Haubner – einen Antrag zum Bürokratieabbau und zur Gewerbeordnungsreform einbringen. Das hätten Sie tun können, dazu brau­chen Sie gar keinen Antrag zu machen! Der Antrag heißt: „Bürokratie-Abbau jetzt“. Er hat die Nummer 666/A(E), Herr Matznetter, ich habe die Zahl noch im Kopf.

Soll ich dabei lachen oder weinen, wenn Leitl vom Abbau dieses Bürokratiemonsters spricht?


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Wie schaut es aus mit Ihren Ideen samt Umsetzungsmöglichkeiten zur Bildung, zur Standortentwicklung und zur Forschung? – Schon klar, für derartige Visionen braucht es natürlich auch eine entsprechende Bildung. Daher wollen wir die Bildung reformie­ren, aber scheitern kläglich.

Jüngstes Beispiel: Zwei SPÖ-Bürgermeister rittern im niederösterreichischen Wahl­kampf darum, welcher Ort ein Gymnasium für 10- bis 14-Jährige bauen darf – ein Gymnasium! Ich dachte, Ministerin Schmied hat in der vorigen Regierung die Neue Mit­telschule propagiert, aber es scheint wieder der Ausdruck des Scheiterns zu sein, des Scheiterns der Mittelschule, des Scheiterns dieser Regierung. Und das ist wieder die größte Nullnummer, die wir gesehen haben.

Das unternehmerische Österreich fühlt sich in der Tat von der Bundesregierung im Stich gelassen, es ist so. Politikverdrossenheit, das ist meines Erachtens keine Geißel Gottes, das ist ein Ergebnis Ihrer politischen Arbeit. Sie wissen es, aber Sie betreiben weiter Unterlassung und unternehmen nichts. Während Sie die Sozialpartner schon vor den Kollektivvertragsverhandlungen zur Gulaschkanone einladen, während sich die So­zialpartner an der Gulaschkanone wärmen, haben Sie nicht einmal das Ohr an den Un­ternehmen. Außer Sie haben wieder einen groß angesagten Wirtschaftsgipfel, zu dem die Industriekapitäne zum Ballhausplatz pilgern, während andere, die KMUs, in die Wied­ner Hauptstraße robben müssen. Das kann schon sein! Dem vergessenen Rückgrat, den KMUs und EPUs, lassen Sie hingegen via Medien ausrichten, welche neuen Schi­kanen Sie in die Wege geleitet haben, welche Auflagen Sie wieder in die Pipeline ge­schickt haben. Wenn dann Lohnerhöhungen rauskommen, dann freut sich auch ein Zwangsvertreter, die Kammer, weil die Kammerumlage 2 natürlich erhöht wird.

Sie haben keinen Tau, was die Menschen in diesem Land aufregt. Fahren Sie hinaus zu den Menschen und hören Sie sich das an! Dann wird Ihnen kalt, und ich weiß, das ist Ihnen unangenehm. Da ist es natürlich viel kälter als hier herinnen, das wissen wir auch, aber im Leben, in der Realität schaut es nun einmal etwas anders aus. Daher: Raus aus dieser Komfortzone! Und ich glaube, das hätten sich auch die Unternehmer verdient. (Beifall bei den NEOS.)

Wir brauchen eine dynamische Gestaltung. Auch hier wieder Fehlanzeige! Wir brau­chen eine dynamische Gestaltung! Sie sind Verwalter Ihres Systems und nicht Gestal­ter eines modernen unternehmerischen Österreich. Wir brauchen die Schaffung von neuen Arbeitswelten im Hinblick auf Produktionsspitzen und Eingliederung von älteren Mitarbeitern. Unternehmen Sie endlich etwas und unterlassen Sie nichts!

Viele sehen sich gezwungen, Arbeitsplätze abzubauen, weil es eine Verstarrung der Ar­beitszeiten und Arbeitswelten gibt. All jene, die Spitzen in der Produktion haben, zum Beispiel im Herbst bei den Winterschuhen, können diese Spitzen nicht mehr abdecken, fahren ihren Betrieb zurück und stellen weniger Mitarbeiter ein. – Ist das das, was Sie wollen? Das betrifft all jene, die keine unternehmerischen Freiheiten besitzen.

Daher geht es darum, unternehmerische Freiheiten zu schaffen und dieses Bürokratie­monster abzubauen, von dem selbst Leitl von der Kammer der gewerblichen Verhinde­rung spricht. Wir wollen hier auch nicht vergessen, er hat dieses Monster mit gefüttert, und es ist so groß und stark geworden mit seiner Zustimmung. Das ist die Realität. Oh­ne unternehmerische Freiheiten steuern wir auf eine Arbeitslosenzahl von 450 000 zu, das wissen Sie, das ist Ihnen bekannt. Es muss in einer nationalen Kraftanstrengung gelingen, hier gegenzusteuern, und dabei wollen wir Ihnen auch helfen, weil Sie in Ih­rer Starrheit gefangen sind, in der Starrheit der Sozialpartnerschaft und der Zwangsmit­gliedschaft, die das voraussetzt.

Wir werden daher heute einen Vorschlag für eine „nationale Wachstumsoffensive“ ein­bringen. Beziehen Sie bei dieser Offensive auch die Oppositionsparteien mit ein und be-


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weisen Sie, dass Ihnen diese 450 000 Arbeitslosen zu Weihnachten 2015 nicht egal sind! Andernfalls ist Ihnen wirklich der Vorwurf zu machen, dass Ihnen dieses Land um Ihrer selbst willen egal ist, wie es meinen Kindern mittlerweile egal geworden ist und diese die Flucht aus diesem Land ergreifen.

Wir leisten den Offenbarungseid und legen unsere Vorschläge, die sich selbst finanzie­ren, auf den Tisch:

1. Mentalitätsreform: Unternehmertum ermöglichen, statt es zu regulieren.

2. Bildung: Bildung als einen maßgeblichen Zukunftsfaktor Österreichs zu etablieren.

3. Bürokratie-Abbau jetzt: Dieses Thema auch ernst nehmen und nicht nur Anträge ein­bringen!

4. Budget generationengerecht gestalten.

5. Steuerreform: eine Steuergesetzgebung, die dem Titel „weniger, einfacher und ge­nerationengerecht“ entspricht.

6. Innovation durch alternative Finanzierungsmöglichkeiten ermöglichen und nicht durch Gewerbeordnung und Kurzsichtigkeit verhindern.

7. Arbeitsmarkt: Diesen können Sie nur wiederbeleben mit einer Flexibilisierung von Beschäftigung und einer Fachkräfteoffensive.

Liebe Bundesregierung! Lieber Herr Bundeskanzler! Hören Sie bitte auf zu unterlassen und unternehmen Sie endlich etwas im Sinne dieser jungen Unternehmer, der jungen Menschen und dieser Masse von Arbeitslosen! – Ich danke vielmals. (Beifall bei den NEOS.)

15.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundeskanzler Faymann gemeldet. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


15.20.01

Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Sehr verehrte Abgeordnete! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zwar auf einige Punkte eingehen, die Sie in Ihrer Rede als kons­truktive Punkte formuliert haben, zuerst aber etwas zur erwarteten Gegenüberstellung sagen.

Sie kommen als Abgeordneter einer Oppositionspartei ans Rednerpult – es hätte dafür auch nicht extra der NEOS bedurft –, um uns etwas vorzurechnen und Österreich so darzustellen, als wäre alles, was die Regierung macht, falsch und alles, was Sie an Überschriften mitgebracht haben, richtig. Jetzt komme ich als österreichischer Bundes­kanzler und sage, die Regierung arbeitet großartig in folgenden Punkten. – Für diese Art der Auseinandersetzung hätte es keiner neuen Partei bedurft. Das ist nämlich nicht neu, sondern ein Stil, der in diesem Haus ohnehin viel zu oft gepflegt wird. Ich werde mich bemühen, gemäß meiner Rolle darüber aufzuklären, was alles in unserem Land positiv ist, und dann auch auf einige Punkte eingehen, bei denen Sie meiner Meinung nach richtige Ansätze haben und die wir gemeinsam weiterentwickeln sollten.

Zuerst dazu, wie schrecklich alles gemäß Ihrer Auflistung ist und dazu, dass man in Österreich ja kaum mehr Unternehmer werden möchte. Kurz nur zu den Zahlen und Fakten, auch zur Frage der Beschäftigung:

Mit knapp 3,5 Millionen unselbständig Beschäftigen sind in Österreich so viele Men­schen in Arbeit wie nie zuvor. Wir haben zusammen mit Deutschland die niedrigste Arbeitslosigkeit und die zweitniedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Uni­on. Österreich ist eines von sechs Ländern in der EU, in denen die Armutsgefährdung


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seit 2008 gesunken ist. In Österreich sind die privaten Investitionen seit Beginn der Krise stabil geblieben. In der großen Mehrheit der europäischen Länder sind sie gesun­ken. Auf diese Entwicklung reagiert die EU nun mit dem 300-Milliarden-€-Paket und vielen anderen Maßnahmen, auf die die Europäische Union noch nicht ausreichend vor­bereitet ist, über die aber heftig diskutiert wird. Auf diese Maßnahmen komme ich noch zu sprechen.

Die Forschungsquote in Österreich ist trotz Krise von 2,6 im Jahr 2008 auf 2,8 Prozent im Jahr 2013 gestiegen. Ich werde dann auch zu einigen Initiativen, die Sie in Über­schriften angesprochen haben, Stellung nehmen.

Nun zu Ihrem Dringlichen Antrag im Zusammenhang mit Ihren Ausführungen. Sie füh­ren an, was in Deutschland besser ist. Jawohl, in Deutschland gibt es eine Reihe von Punkten, die auch in der Gegenüberstellung zeigen, dass Deutschland nicht nur die stärkste Wirtschaftsnation der Europäischen Union und eine der stärksten Wirtschafts­nationen der Welt ist, sondern auch bei einigen Faktoren durchaus im Vergleich eine Rolle spielt und teilweise auch besser ist.

Ich nenne Ihnen aber auch einige Punkte, in denen Österreich deutlich voranliegt (Abg. Podgorschek: Ja, Anzahl der Parteien!): In acht von zwölf Monaten hatte Österreich eine geringere Arbeitslosigkeit als Deutschland. Das finden Sie vielleicht witzig, weil Ihnen die Arbeitslosigkeit egal ist, Hauptsache Oppositionsgeschrei. Anteil der Niedrig­lohnempfänger unter 10 € brutto – das ist Ihnen egal, Herr Abgeordneter von der FPÖ, aber uns nicht –: Österreich – 15 Prozent, Deutschland – 22,2 Prozent. Anteil unfreiwil­liger Teilzeit: Österreich  11,7 Prozent, Deutschland  16 Prozent. Anteil Langzeitar­beitsloser: Österreich – 24,8 Prozent, Deutschland  45,2 Prozent. Als letzter Ver­gleich – BIP pro Kopf 2013 –: Österreich – 34 200 €, Deutschland – 32 800 €.

Nun zu Ihrer Auflistung, wie das Ranking im Standortvergleich aussieht. Eine durchaus ernstzunehmende Frage, aber man muss sich bemühen, etwas mehr in die Tiefe zu gehen und nicht nur mit Überschriften zu agieren. Ich werde versuchen, das an drei Beispielen zu zeigen.

Sie haben in Ihrem Dringlichen Antrag das Standortranking des World Economic Fo­rum, den Global Competitiveness Report herangezogen, wo wir auf Platz 21 liegen und, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, von Platz 16 auf Platz 21 abgefallen sind. Ich habe mir diesen Bericht sehr genau angesehen und möchte drei Punkte erwähnen, um zu zeigen, dass man in ein und demselben Bericht einerseits durchaus berechtigte Kri­tik und Anregungen finden kann, aber andererseits auch Bereiche, hinsichtlich derer man bewusst sagen soll, das sehen wir anders.

Zuerst einmal: Als Basis dieses Reports wurden 71 Wirtschaftstreibende befragt. Ich sa­ge zu diesem Sample nur: Es handelt sich um eine Befragung von Managern oder Un­ternehmern und, wie „profil“ richtig berichtet hat, es geht um 71 Personen. Diese 71 Per­sonen haben hinsichtlich verschiedener Faktoren ihre Meinung zum Ausdruck ge­bracht. 21 Prozent sind der Meinung, wir haben eine zu hohe Steuerlast. Sie wissen, dass wir bei der Steuerreform, gerade, wenn es um das Verhältnis von Besteuerung Arbeit und Besteuerung Vermögen, um die Entlastung der Arbeit und um mehr Netto vom Brutto geht, eine sehr intensive Diskussion führen. Also 21 Prozent sprechen et­was an, was für uns zu den zentralen Aufgaben der nächsten Wochen gehört.

18 Prozent – wobei man immer mitbedenken muss, dass das Sample aus 71 Leuten besteht – sprechen von einem restriktiven Arbeitsrecht. (Zwischenruf des Abg. Katzian.) Sie kennen die Diskussion über den Arbeitnehmerschutz in Österreich sehr genau und auch die Frage, wie sich dieser auf festem Boden entwickelt, um Menschen auch in der Arbeitswelt zu schützen. Unter geänderten Bedingungen erfordert das manches Mal Weiterentwicklungen. Das ist etwas, was man als Wirtschaftstreibender durchaus an-


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führen kann, was aber doch in der österreichischen Diskussion, in der sozialpartner­schaftlichen Diskussion eine Frage des Interessenausgleiches ist, weshalb man nicht so eindeutig sagen kann: Bitte, wenn der Arbeitnehmerschutz diesen Wirtschaftstrei­benden zu restriktiv ist, dann streichen wir ihn und, falls diese 71 Menschen noch ein­mal gefragt werden, dann sind wir beim nächsten Report aufgestiegen.

Also zeigt sich, dass man in die Tiefe gehen muss, wenn man es ernst meint. Wenn man nur irgendwie ein bisschen vorkommen will, kann man das machen, auch ober­flächlich. Wenn man es jedoch ernst meint, müsste man sich die Mühe machen, in die Tiefe zu gehen.

Ich sage Ihnen noch etwas aus demselben Bericht: Wir sind auf Platz 142 von 144 Plät­zen bei der Frage der Flexibilität der Lohnfestsetzung – also für die, die es ohnehin wis­sen, leicht zusammenzufassen: weil wir Kollektivverträge haben und eine Sozialpart­nerschaft, die über die Kollektivverträge wie kaum ein anderes Land ganz breite Felder der Arbeitswelt abdeckt. Das ist schlecht für uns, wir sind, obwohl wir in dem Ranking insgesamt dann doch auf Platz 21 sind, bei dieser Frage eben nur auf Platz 142, weil wir Kollektivverträge haben. Sehen Sie, ich bin stolz darauf, dass Österreich Kollektiv­verträge hat, die für so viele Menschen einen Schutz bieten. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun kommen wir zur Frage der Finanzierung – ebenfalls ein Punkt, der in diesem er­wähnten Report, aber auch in anderen Berichten und Befragungen eine Rolle spielt. In einem Bericht, den die Europäische Zentralbank im November 2014 herausgebracht hat, geht es um die Frage, wie denn der Zugang der kleineren und mittleren Unterneh­men zu Krediten ist. In Österreich geben 8 Prozent der KMUs an, Probleme beim Zu­gang zu Krediten zu haben. Damit haben wir mit Belgien  den niedrigsten Wert in der Eurozone! Trotzdem will ich die 8 Prozent nicht unterschätzen und meine, dass sich jede Arbeitsplatzinitiative nicht nur mit möglichen Investitionen beschäftigen muss, sondern auch damit, wie Österreich Finanzierungsformen schaffen kann – im öffentli­chen, im öffentlich-privaten Bereich –, sodass diese 8 Prozent noch weniger werden. Ich möchte diese 8 Prozent keineswegs unterschätzen, aber der durchschnittliche Wert in der Eurozone liegt bei 15 Prozent, und größere Länder – auch Nachbarn – liegen bei weit über 20 Prozent. Also ist der Bericht der Europäischen Zentralbank bei der Frage des Zugangs von kleineren und mittleren Unternehmen ein Beispiel dafür, dass wir deut­lich besser als andere liegen und noch besser werden können.

Der Bericht der Nationalbank zur wirtschaftlichen Lage sagt auch, dass die Wachs­tumsrate der Kredite an Unternehmen in Österreich mit rund 1 Prozent im August 2014 – und ich möchte mehr Wachstum als 1 Prozent – deutlich über jener des Euroraums liegt, denn diese beträgt minus 2,2 Prozent.

Wenn man also ein bisschen in die Tiefe geht, zeigt sich: Man kann wie so oft im Le­ben alles, was an Äußerungen getätigt wird, in negativ, neutral und positiv einteilen. Dann kommt man hier ans Rednerpult, nimmt alles Negative, übertreibt es maßlos, spitzt es auf ein paar flotte Überschriften zu, geht wieder auf seinen Platz zurück und hat das Gefühl, einen Beitrag geleistet zu haben. Ich bin der Meinung, ein Beitrag einer Partei, die sich gerade in der Frage des Wirtschaftsstandorts so exponiert, wie Sie das tun, und die das auch ihren Wählerinnen und Wählern gegenüber immer so vorbringt, verdient es doch, intensiver diskutiert zu werden, zum Beispiel dahin gehend, wo Vor­schläge des Rechnungshofes realisiert werden können.

Frau Kollegin Moser hat das letzte Mal gefragt, was eigentlich aus den Regierungs-Rechnungshof-Terminen geworden ist, wo Minister und Mitglieder des Rechnungsho­fes alle Berichte gemeinsam durchgehen, um die Frage zu klären, was davon als Maß­nahmen für effizientere Verwaltung umgesetzt werden kann. Wir haben noch zwei Runden vor uns und wollen danach einen Bericht legen, weil ich das sehr ernst nehme, vor allem in einer Zeit, in der wir ein geringeres Wirtschaftswachstum zur Verfügung ha-


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ben als die Generationen, die politisch insbesondere seit den siebziger Jahren tätig wa­ren.

Ich rechne auch nicht damit, dass es so einfach sein wird, das Wirtschaftswachstum auf europäischer Ebene wieder kurzfristig auf 5, 6 oder 7 Prozent hinaufzubringen – weder mit flotten Sprüchen, noch – auch das ist nicht so einfach – mit inhaltlichen Pro­grammen, weil der Zusammenhalt und die Ordnung in der Europäischen Union, ge­meinsam Instrumente einzusetzen, die die Forschung, die Bildung, das Wachstum vo­rantreiben, gar nicht vorhanden ist, weil der Bau dieser Instrumente in der Eurozone erst entwickelt werden muss, weil wir jetzt – und da stimme ich mit Ihnen überein – ge­nau in diesem Moment Politik machen, in dem sowohl die Instrumente auf europäi­scher Ebene gestärkt werden müssen, als auch Effizienzverbesserungen, Entbürokrati­sierung und auch Maßnahmen zum Thema Föderalismus jetzt zur Stunde aktiv ange­gangen werden müssen und weil wir darüber hinaus die Stärken unseres Landes zu beachten haben.

Die Stärken unseres Landes sind auch folgende: Wenn ich Manager oder Unternehmer über Österreich frage, solche, die im Ausland gearbeitet haben, oder jene, die ich im Zuge meiner Auslandsaufenthalte besuche, dann schwärmen die von Österreich, weil das Sozialsystem, das Gesundheitssystem, das Bildungssystem und die Art, wie Men­schen miteinander umgehen – man kann es Stabilität, man kann es sozialer Friede nen­nen –, etwas ist, das Österreich besonders lebenswert macht.

Arbeiten Sie doch mit uns daran, unsere Stärken weiter zu stärken und bei unseren Schwächen etwas zu verbessern! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Klubobmann Dr. Strolz. – Bitte.

 


15.32.39

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Bürgerinnen und Bürger an den Bildschirmen und auf der Besuchergalerie! Es steht jetzt ein Dringlicher Antrag der NEOS zum Thema Wirtschaftsstandort zur De­batte. Danke, Herr Bundeskanzler, dass Sie uns zur vertiefenden Auseinandersetzung einladen, denn diese wollen wir in der Tat führen. Ich glaube, wir haben immer wieder, zuletzt letzte Woche mit unserem Steuerreformkonzept, bewiesen, dass wir die Ausein­andersetzung in der Tiefe führen. Ich darf Ihnen anschließend das erste durchgerech­nete Steuerreformkonzept einer österreichischen Parlamentspartei mitgeben. Wir ha­ben es mit externen Expertinnen und Experten durchgerechnet und haben auch eine umfassende Entlastung des Faktors Arbeit mit integriert. – Darauf komme ich noch zu sprechen. (Abg. Lichtenecker: Wir haben das seit ...!)

Ich möchte aber davor – Sie haben zu Recht Europa angeführt – unsere Herausforde­rung in den internationalen Kontext stellen, auch in den europäischen. Natürlich kann man jedes Ranking sezieren. Sie weisen mit Recht auf die bedenklich kleine – was die Fallzahl betrifft – Umfrage des World Economic Forum hin. Ich möchte mich aber nicht an einer einzigen Umfrage aufhängen. Die Problematik ist, Herr Bundeskanzler, dass Österreich bei allen Indikatoren in die falsche Richtung zeigt. Das ist das Bedenkliche. Österreich hat eine absolute Rekordarbeitslosigkeit. Eine Arbeitslosigkeit mit einer Zahl von Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmern von 456 000 mit Ende Dezember. Das hat es in den letzten zwei Generationen in dieser Form nicht gegeben. Eines ist auch klar: Wir werden wahrscheinlich auf die 456 000 im heurigen Jahr noch weitere fast 50 000 drauflegen, so wie es ausschaut. Das heißt, es wird 2015 eine halbe Million Menschen arbeitslos unter dem Weihnachtsbaum sitzen, mit Angehörigen sind weit


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über eine Million Menschen betroffen. Zwei Generationen lang war dieses Phänomen in dieser grassierenden, galoppierenden Entwicklung nicht bekannt.

Zweitens: Wir stürzen in sämtlichen Innovationsrankings ab. Da können Sie verschie­dene Studien zitieren und vielleicht auch manche hinterfragen, aber das Bild ist einheit­lich. Wir stürzen in sämtlichen Standardvergleichen ab, nicht nur im World Economic Fo­rum. Gerade heute hat auch Ernst & Young eine Befragung von europaweit 6 000 Un­ternehmerinnen und Unternehmern, 250 davon in Österreich, präsentiert. Da kann man auch sagen: Das sind mir nicht genug, aber das Bild, das hier gezeichnet wird, bestä­tigt das, was wir aus anderen Umfragen wissen: Österreich hat einen hohen Pessimis­mus, der österreichische Mittelstand ist der pessimistischste unter 21 Ländern – nach den Griechen. Also die Griechen sind noch hinter uns, aber die werden wir uns nicht als Vorbild nehmen, hoffe ich.

In Bildungsvergleichen verfestigen wir uns seit Jahren im schlechten Mittelfeld. In Uni­versitätsvergleichen sind wir nicht einmal schlechtes Mittelfeld. Das heißt: Wir sind nur führend bei der Arbeitslosigkeit und bei der Staatsverschuldung, wo wir massiv und schnell nach oben klettern; sie hat sich in den letzten zehn Jahren nominell verdoppelt. Und wir verschlechtern uns auch an allen anderen Ecken, die wir bräuchten, um das Ding zu drehen. Deswegen, glaube ich, hat das schon große Dringlichkeit.

Einerseits müssen Sie gegensteuern, und ich erwarte mir von der österreichischen Bun­desregierung, vom Bundeskanzler, vom Vizekanzler, von ÖVP, von SPÖ, dass sie auf europäischer Ebene aktiver werden. Es sind die Konservativen und es sind die Sozial­demokraten, die uns mit in diese Krise geführt haben. Und es sind die Konservativen und die Sozialdemokraten, die uns offensichtlich nicht aus dieser Krise herausführen können.

Amerika war genauso in dieser Krise. Wir sind demnächst im achten Jahr der Krise. Die USA haben den Weg aus der Krise gefunden, Europa hat ihn nicht gefunden. Die Konservativen und die Sozialdemokraten haben diesen Weg nicht gefunden. Was gilt es zu tun, Herr Bundeskanzler? Und dafür sollten Sie kämpfen: Wir sollten entschlos­sen den gemeinsamen Markt in Europa innerhalb der EU vollenden. Der gemeinsame Markt ist nicht komplett. Zum Beispiel der Energiemarkt ist nicht komplett. Er ist do­miniert von chauvinistischen, protektionistischen Akteuren. Zahlen tun das natürlich die Kunden, die Konsumenten und Konsumentinnen, mit überhöhten Energiepreisen, aber natürlich auch und gerade die Unternehmen.

Wir haben es nicht geschafft, einen digitalen Markt aufzubauen. Wenn ich heute mit einem Handy über die Grenze fahre, dann fällt mir immer noch das Internet aus. Das ist absurd im Jahr 2015! Wenn Sie in den USA über Bundesstaatsgrenzen fahren, pas­siert Ihnen das natürlich nicht.

Wir haben es damit auch nicht geschafft, diese gesamte IKT – Informations- und Kom­munikations-Technologie – als Wachstumsbranche zu befeuern, wie es die USA ge­schafft haben, mit ganz vielen Start-ups, die da unterwegs sind. Wir schaffen das nicht! Wir haben es nicht geschafft, auch in Österreich nicht, zum Beispiel die Leistungen unserer Universitäten in Start-ups zu übersetzen. Rund um jede technische Universität in Österreich – wir haben jedenfalls eine in Wien, in Graz und in Innsbruck – sollten doch viele Unternehmen entstehen! Das geschieht aber nicht!

Sie haben es als SPÖ und ÖVP, als Sozialdemokraten und Konservative auch zuge­lassen, dass es heute so ist, dass der Mittelstand von 100 € Gewinn 53,75 € für Kör­perschaftsteuer und Kapitalertragsteuer zahlt, während IKEA, Amazon und Starbucks null Euro zahlen! Sie würgen den Mittelstand ab! Dafür müssen Sie natürlich Lösungen finden, und dafür müssen Sie eintreten – zuerst auf europäischer Ebene und dann auf weltweiter Ebene. So killen wir unser europäisches Sozialmodell und Lebensmodell und


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auch den Mittelstand in Österreich. Und dafür haben wir auch Lösungen präsentiert. (Beifall bei den NEOS.)

Abschließend zur Steuerreform: Wir haben – ich darf es Ihnen dann übergeben – ein Konzept vorliegen, in dem wir auf der Ausgabenseite Vorschläge im Umfang von 19 Mil­liarden € machen. Wir liegen bei den Ausgaben 22 Milliarden € über Deutschland. Wir liegen über 50 Milliarden € über der Schweiz. Ja, die haben das Pensionssystem, das Sozialsystem anders organisiert. Wenn man das herausrechnet, liegen wir bei den Ausgaben 25 Milliarden € über der Schweiz. Wir haben Vorschläge im Umfang von 19 Milliarden €, damit lägen wir immer noch über Deutschland und der Schweiz. Wir schlagen eine Entlastung des Faktors Arbeit vor, wir nehmen die Lohnsummenabga­ben hinunter. Wir haben auch bei der Einkommensteuer eine Entlastung von über 4 Mil­liarden € drinnen. Wir haben die Steuerverantwortung für die Bundesländer drinnen. Das führt zu mehr Rechenschaftspflicht, zu mehr Verantwortungskultur, zu mehr Ac­countability, würde der Engländer sagen. Das braucht es dringend in Österreich: Men­talitätsreform, wie Sepp Schellhorn es genannt hat.

Ich lade Sie ein, sich diese Vorschläge anzuschauen. Sie sind durchgerechnet, die Vor­schläge auf der Ausgabenseite sind vom Rechnungshof, vom IHS und vom WIFO. Das ganze Konzept ist durchgerechnet von Economica, und ich glaube, das ist tatsächlich ein Beitrag zu einer tiefgehenden Auseinandersetzung und hoffentlich zu einer raschen Erneuerung. Österreich braucht Erneuerung. Und, Herr Bundeskanzler, dafür braucht es eine neue Partei! (Beifall bei den NEOS. Abg. Strolz überreicht Bundeskanzler Faymann ein Exemplar des erwähnten Konzepts.  Abg. Krainer: Das ist kein Institut, das ist eine Propagandaabteilung! Eine Propagandaabteilung der IV! Die habt ihr als Referenz? Abg. Strolz das Rednerpult verlassend : Das ist eine Verunglimpfung der IV! Nur weil die Sozialpartner ...! Weitere Zwischenrufe. Abg. Krainer: Das kannst du ja nicht „Institut“ nennen! Abg. Strolz: Was soll das sonst sein?!)

15.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist nun Herr Abgeordneter Dr. Matznetter ge­meldet. – Bitte.

 


15.40.18

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren vor den Bildschirmen! Wir debattieren heute schon zum zweiten Mal auf Verlangen der NEOS. Ich habe ihnen in der Früh noch vorgehalten, dass ihre Programmatik ein bisschen dünn ist. Kollege Strolz hat mir dann alles gegeben, es ist ein fingerdickes Konvolut. (Abg. Strolz: Das ist nicht alles!) – Ja, Sie müssen nicht ner­vös werden. Es ist ja kein Problem, ich bin froh darüber, was die NEOS tun, und ich möchte die positiven Dinge hervorheben.

Ein Teil davon war eine Zeitschrift, die sich „MUT“ nennt. (Der Redner hält ein Exem­plar in die Höhe.) Im Impressum steht als Blattlinie – korrekt nach § 25 Mediengesetz ausgewiesen –, dass es eine Information über die parlamentarische Arbeit des NEOS-Parlamentsklubs ist. Korrekt angegeben. Auch korrekt übertitelt, es heißt da nämlich zur Wirtschaftspolitik: „HEISSE LUFT“. Ich halte das für einen ehrlichen Ansatz, Herr Kollege Strolz!

Da ist so viel heiße Luft drinnen, dass man sich wirklich fragt, wann tun Sie das ernst­haft. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Jetzt will ich nicht ungerecht sein, es gibt korrekte Beiträge, Frau Kollegin (anhaltende Rufe und Ge­genrufe zwischen der Abg. Meinl-Reisinger und Abgeordneten der SPÖ), es ist nicht so dick, ich konnte es mir in der kurzen Zeit durchlesen. Es gibt Pläne darin für ein neu-
es Österreich. Nein, es geht nicht um Neonbeleuchtung, obwohl es oben ja mit NEOS überschrieben ist, es sind korrekte Aussagen drin. (Zwischenrufe des Abg. Strolz.)


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Herr Klubobmann! Auf Seite 30 – ganz korrekt! – steht fett gedruckt die Darstellung, was Österreich ist, und das ist viel ehrlicher als das, was Sie hier in die Anträge hinein­schreiben. Da steht:

„Österreich ist ein attraktiver Wirtschaftsstandort, der sich durch eine sinkende Abga­benquote und klare Rahmenbedingungen auszeichnet,“

(die Abgeordneten Meinl-Reisinger und Strolz: Das ist die Vision!) – das kommt gleich, der Herr Bundeskanzler hat es Ihnen eh schon vorgelesen –

„auf die sich die Steuerzahler verlassen können. Die Menschen haben mehr Geld zur Verfügung, weil sie weniger Steuern zahlen müssen.“

(Abg. Vavrik: Das steht unter dem Kapitel Vision! – Weitere Zwischenrufe bei den NEOS.) – Sie haben kein Problem? – Lassen Sie Ihre Medikamentenfreigabe und Vi­sionen links liegen, Herr Kollege, Sie haben genau das!

Während wir 2001 noch über 45 Prozent Steuer- und Abgabenquote hatten, sind wir jetzt noch bei 43,5, sinkend auf 43,18. (Zwischenruf des Abg. Strolz.) Das heißt, wir haben eine sinkende Quote. Ob der Standort funktioniert oder nicht – und da brauchen Sie nicht mit IV-Zahlen und Studien mit 71 oder 250 zu kommen –, zeigt, dass wir uns bei der Arbeitslosenrate unter 28 EU-Staaten mit nur einem Land um den ersten Platz duellieren, nämlich mit der Bundesrepublik Deutschland. Das zeigt, dass die Rahmen­bedingungen in diesem Land unter den besten sind, die wir auf diesem Kontinent ha­ben. In dem Fall und in dieser Form – wurscht, ob Vision draufsteht oder nicht – stimmt Ihr Text. Die Vision ist nämlich bereits Wirklichkeit, weil hier eine sehr sachliche und anständige Politik gemacht wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Da braucht es keine – in Ihren patzigen Worten – pralle Mischung. Das müssen Sie im Theater machen, Herr Strolz, hier geht es um ernsthafte Dinge. (Zwischenruf des Abg. Strolz.)

Ja, wir arbeiten an dieser Reform, wir arbeiten an einem Bürokratieabbau und wir bemü­hen uns um sinnvolle Rahmenbedingungen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Strolz.)

Jetzt komme ich gleich zu dem, was Sie machen wollen. Wenn man nämlich weiter­liest, muss man sagen, der erste Punkt in dem Bereich ist, dass Sie die Gewerbe­ordnung wegräumen wollen – am liebsten gar keine Zulassungskriterien mehr. (Abg. Meinl-Reisinger: Nein, das steht nicht drin!) – Nein? Welche denn? Für die Waffen­händler noch und für die Pharmaindustrie. (Abg. Strolz: Wo Leib und Leben bedroht ist!) Nur wo Leib und Leben bedroht ist? (Abg. Strolz: Ja!)

Reden wir doch gleich über die Qualität der anderen! Reden Sie doch einmal mit Men­schen, die in England leben, wo es nicht um Zulassungsprobleme geht, wenn die einen Installateur brauchen! – Seit die Polen weg sind, gibt es nämlich gar keinen mehr. Sie finden nicht einmal mehr einen, der ihre Wasserleitung einbauen kann, sie finden gar keinen mehr.

Der Grund für die Qualität dessen, was wir in diesem Land erreicht haben – auch in Deutschland –, ist ein hoch qualitatives System mit einer dualen Ausbildung, wodurch unsere Leute die bestausgebildeten sind. Es wird sie aber niemand mehr etwas lehren, wenn der Herr Strolz kommt und sagt, dass es eh jeder machen kann. In diesem Sinne werden wir den verantwortungsvollen Weg fortschreiten. Wo es geht, werden wir Er­leichterungen und Liberalisierungen machen, und wo wir es zum Erhalt der guten Qua­lität brauchen, werden wir weiterhin das gute österreichische Modell weiterführen. Und das heißt: Bildung, Ausbildung mit Qualität, und dann kann man in einem Beruf ar­beiten. Diese Reihenfolge würde ich weder von den NEOS noch von jemandem ande­ren stören lassen, sie ist ein Garant für die Qualität unserer Betriebe.

Unsere Wirtschaftsbetriebe sind wirklich gut, Herr Strolz, wir brauchen diese Dinge doch nicht! Ernst & Young sagt selbst, dass das nicht mit der Wirklichkeit im Einklang


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steht, der Pessimismus unbegründet ist und die Befragten, auch wenn es nur 250 sind, für den eigenen Betrieb optimistischer sind. Was heißt denn das? Des Kaufmanns ers­te Kunst ist das Jammern? Das können sie vielleicht auch sehr gut, die österreichi­schen Kaufleute, aber sie sind besser, als Sie sie darstellen, und besser als ihr Ruf.

Diese gute Politik in der Krise – immer höhere Wachstumsraten, immer niedrigere Ar­beitslosigkeit –, diesen Kurs gehen wir weiter, denn das Gegenteil wäre eine höhere Arbeitslosigkeit und schlechter zu sein als der europäische Durchschnitt. Da ist mir Bundeskanzler Faymann lieber, mehr Wachstum als die anderen und weniger Arbeits­losigkeit – egal, ob lila oder nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte.

 


15.45.54

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Frau Minister! Frau Staatssekretär! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich denke, wir müssen diese Diskussion auch auf eine andere Ebene führen, nämlich auf die Ebene, dass wir in ganz Europa eine wirtschaftliche He­rausforderung haben, die wir eigentlich in den letzten dreißig Jahren noch nie hatten.

Schauen wir uns die Situation an: Wir haben seit mehr als einem Jahrzehnt das erste Mal wieder mitten in Europa eine kriegerische Auseinandersetzung. Wir haben eine Wirt­schaftskrise, die schon länger als zwei Jahre dauert – nämlich ins achte Jahr geht –, und wir haben eigentlich in ganz Europa herausfordernde Aufgaben. Ich war gestern bei einem größeren Wirtschaftstreffen von Unternehmern in München. Wenn man sich das anschaut, ist zu sagen, dort ist die Stimmung in der Hinsicht natürlich auch nicht so, dass jetzt alle euphorisch von der großen Aufbruchsstimmung reden, sondern sie sa­gen, dass man diese Probleme, die es jetzt gibt, gemeinsam meistern muss.

Herr Kollege Schellhorn, ich komme auch aus einer Unternehmerfamilie. Ich habe von meinem Vater gelernt, dass man nicht jammern und nicht immer alles schlechtmachen, sondern schauen soll, dass man das Problem genau definiert und es dann löst. Ich glaube, es sind gemeinsame Vorschläge dabei. Das eine oder andere ist wahrschein­lich auch – wenn man Ihre Vergangenheit anschaut – aus Papieren vom Wirtschafts­bund, der Ihnen ja nicht ganz fremd ist, übernommen worden. Also werden wir wahr­scheinlich das eine oder andere gemeinsam zur Lösung beitragen können und sicher auch beitragen.

Es ist ein sehr bemühtes Papier. Es besteht aus sehr vielen Überschriften, das hat der Herr Bundeskanzler schon gesagt, aber Überschriften allein genügen eben nicht. Es braucht auch Verhandlungen im Detail, und wir, die das für die Wirtschaft erfolgreich umsetzen, wissen, wie lang so etwas dauert. Es geht nicht von heute auf morgen und ist nicht mit einem Antrag getan, sondern man braucht Partner, man braucht gemein­same Ziele und man muss dann auch die entsprechenden Verhandlungen führen.

Eines möchte ich Ihnen schon sagen, Herr Schellhorn: Wirtschaftskammerfunktionäre sind Persönlichkeiten, Unternehmerpersönlichkeiten, die sich für ihre Unternehmerkol­legen einsetzen und die gemeinsam mit den Partnern auf der anderen Seite schauen, dass sie Rahmenbedingungen für die Unternehmer und für die Mitarbeiter schaffen, die zum Wohle des Standortes, zum Wohle der Unternehmer und auch zum Wohle des Miteinanders mit den Arbeitnehmern sind. Dafür möchte ich mich bei den Funktionären der Wirtschaftskammer auch ganz, ganz herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie schon immer alle Maßnahmen kritisieren, sollten Sie vielleicht auch den rich­tigen Vergleich anwenden. Wenn Sie über die ÖBIB sagen, dass das das größte Come-


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back seit jenem von Hermann Maier wird, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass das Comeback von Hermann Maier äußerst erfolgreich war. (Allgemeine Heiterkeit.) Meiner Ansicht nach sind wir mit der ÖBIB sicher auf einem guten Weg und können das eine oder andere auch entsprechend für den Standort umsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Gegensatz zu Ihnen, die Sie jetzt das erste Mal bei Unternehmen waren – das habe ich Ihren Worten entnommen –, sind wir ja schon seit Jahren dauernd bei den Unter­nehmen und wissen, wo der Schuh drückt. Momentan ist eben die Bürokratie eine der großen Herausforderungen, und deshalb haben wir auch Initiativen ergriffen. Der Wirt­schaftsminister und Vizekanzler hat eine Plattform eingerichtet, an die sich die Unter­nehmer wenden und ihre Probleme mit der Bürokratie nennen können. Wir haben dann versucht, den ersten Teil abzuarbeiten. Auch wenn Sie die Initiative des Kollegen Matz­netter und von mir als lächerlich darstellen – ich glaube, Sie haben diesem Antrag da­mals auch zugestimmt –, könnten wir in der Hinsicht – sage ich jetzt einmal – schon das eine oder andere gemeinsam schaffen.

Wenn man sich diese Erfolgsgeschichte des österreichischen Standorts anschaut, sieht man, dass wir das dritte Jahr hintereinander eine Exportsteigerung haben, dass wir wieder Exporteuropameister sind und dass wir das den Unternehmern zu verdanken haben – den Unternehmern, die 6 von 10 € im Ausland verdienen, davon 5 in Europa. Deshalb, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass wir positiv an die Sachen herangehen und die Rahmenbedingungen, die zu Problemen führen, nachschärfen.

Deshalb zu den Punkten, die wir schon erledigt haben: Wir haben die Zahl der Be­auftragten reduziert. Wir haben die Arbeitszeitaufzeichnungen erleichtert. Wir haben die Unternehmer von den Meldeschwellen für die Statistiken befreit. Wir versuchen also, Punkt für Punkt abzuarbeiten. Deshalb denke ich, dass wir die anderen Punkte, die noch zu machen sind, gemeinsam auf die Agenda setzen sollten. Und da finden sich sicher gemeinsame Punkte. „One in, one out“ ist sicherlich auch ein wesentlicher Punkt in unserer Forderungstabelle. Oder: Beratung statt Strafe, ganz wichtig. Es geht nicht darum, dass wir die Unternehmer dauernd bestrafen, sondern dass man erkennt, wo die Rahmen zu eng sind und man Toleranz walten lassen kann, da kann man beraten und weiterhelfen.

Zur Steuerreform – das ist ganz wichtig – sage ich nur einen Satz: Hier setzen wir lieber auf Schelling als auf Schellhorn. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter MMMag. Dr. Kassegger. – Bitte.

 


15.51.26

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Wir haben jetzt vom Herrn Bundeskanzler gehört, es sei alles in Ordnung, alles tadel­los, wir seien bei bestimmten ausgewählten Kennzahlen viel besser als andere, und deshalb bestehe kein Grund zur Sorge. Das ist nicht weiter verwunderlich. Verwun­derlich wäre, würde er jetzt nicht seine Arbeit loben und sozusagen die Welt schönre­den, sondern das Gegenteil davon sagen. Aber das ist das, was wir schon seit Mona­ten und Jahren hören.

Sie können jetzt natürlich wahllos Kennzahlen herausnehmen und immer welche fin­den, die uns im Vergleich mit einem anderen Land besser abschneiden lassen, aber Faktum ist, dass der Trend in Österreich bei fast allen relevanten Parametern sinkend oder fallend ist, und zwar seit Jahren, ganz besonders stark seit dem Jahr 2007. Das ist nicht weiter verwunderlich, da zu diesem Zeitpunkt, 2006/2007, die Regierung von


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ÖVP und SPÖ gebildet wurde, also eine Regierung des Stillstandes. (Zwischenrufe des Abg. Matznetter.)

Ich versuche, jetzt ein bisschen strukturiert darzulegen, welche grundsätzlichen Sün­den oder Kardinalfehler diese Regierung in diesen letzten Jahren gemacht hat oder zu welchen Zuständen sie geführt hat.

Kardinalfehler Nummer 1, Sünde Nummer 1 – je nach Geschmack –: Wir leiden an einem falsch verstandenen, ineffizienten Föderalismus, der wahnsinnige Doppelgleisig­keiten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Förderungen produziert. Wenn wir uns mit anderen Ländern – mit der Schweiz oder Bayern – vergleichen, dann sieht man, dass es dort ganz offensichtlich funktioniert. Diese Länder kommen mit wesentlich we­niger Geld bei selbem Output aus.

Wir haben heute Vormittag von Kollegen Matznetter gehört, dass wir darüber nachden­ken sollten – wir sind gerne bereit, uns dazu mit Ihnen zusammenzusetzen –, ob nicht die eine oder andere Verwaltungsebene – wir haben mittlerweile fünf – vielleicht zu viel ist. Wir haben einen Kammernstaat, seit 2007 eine in Verfassungsrang einbetonierte Sozialpartnerschaft mit bekannten Privilegien. Wir haben natürlich keine Neigung der von den Privilegien Profitierenden, von ihren Privilegien auch nur ein Jota abzuwei­chen. Das ist klar. Und solange diese von den Privilegien Profitierenden mehr als 51 Pro­zent in diesem Nationalrat stellen, wird sich allen Beteuerungen zum Trotz daran nichts ändern. Das ist Faktum.

Wir haben zweitens einen Bürokratiewahnsinn. Das ist schon mehrmals angesprochen und auch blumig mit vielen Beispielen ausgeführt worden. Es ist schon ein bisschen eigenartig, dass sich hier ausgerechnet Dr. Leitl als Präsident der Wirtschaftskammer zum Kämpfer gegen den Bürokratiewahnsinn aufspielt. Da frage ich mich, wer denn die letzten Jahrzehnte an der Macht war und jede Gelegenheit gehabt hätte, Rahmenbe­dingungen zu schaffen, die eben nicht dem Bürokratiewahnsinn entsprechen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dritte Kardinalsünde: Wir haben ein leistungsfeindliches Steuersystem. Es ist relativ egal, ob man 1 100 € brutto, 1 200, 1 800 oder 2 200 € – da ist ungefähr der Break-even-Point – verdient. Über die entsprechenden Förderungen, Subventionen wird das dann wieder so umverteilt, dass unter dem Strich letztlich dasselbe für eine Familie mit zwei Kindern herauskommt.

Wir haben – Kardinalfehler Nummer 4 –, und das ist Faktum, eine global nicht wettbe­werbsfähige Kostenstruktur für die Industrie und die kleinen und mittelständischen Un­ternehmer. Das wissen Sie. Insbesondere der Faktor Arbeit fällt mit den enormen Lohn­nebenkosten einfach zu hoch aus. Auch bei den Energiekosten könnten wir diskutie­ren. Im internationalen Vergleich sind wir auch da in vielen Bereichen zu hoch. Daraus resultiert eine – ob das jetzt 43 oder 45 Prozent sind – viel zu hohe Abgabenquote im Vergleich zu Deutschland mit 40 Prozent. Allein die Differenz aus dieser Abgabenquote beträgt 15 Milliarden € jährlich. Wir fragen uns, wo diese 15 Milliarden € verdampfen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Kardinalfehler Nummer 5: Wir haben eine Zuwanderung ins Sozialsystem, die auch Mil­liarden kostet. Wir geben einfach falsche Anreize. Gleichzeitig haben wir Arbeitslosen­zahlen, die explodieren. Gleichzeitig öffnen wir den Arbeitsmarkt für EU-Länder, mögli­cherweise auch für Nicht-EU-Länder. Wir schicken hier, das muss man bitte schön auch einmal sagen dürfen, falsche Signale aus, insbesondere an diejenigen, die zu uns kommen, von denen wir wissen, dass nur 10 Prozent tatsächlich verfolgt werden und die Asyltatbestände erfüllen, aber die übrigen 90 Prozent eben aus wirtschaftlichen Grün­den zu uns kommen. Denen mache ich keinen Vorwurf. Ich mache denjenigen den Vorwurf, die die Rahmenbedingungen schaffen, die die Signale setzen und sagen, dass sie zu uns kommen sollen, weil bei uns Milch und Honig fließen, die sie dann in Lager


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stecken und die dann nicht wissen, was man mit ihnen tun soll. Da muss man einmal sine ira et studio nachdenken, ob es nicht intelligentere Möglichkeiten gäbe. (Beifall bei der FPÖ.)

Kardinalfehler Nummer 6: Wir haben in den letzten Jahren eine enorme Staatsver­schuldung aufgebaut. Ich habe mir das herausgesucht beziehungsweise steht es auch im Antrag: 1974 waren es 16 Prozent des BIP, mittlerweile sind es über 80 Prozent, 280 Milliarden €. Wir zahlen rund 8 Milliarden € allein an Zinsen. Das heißt, wir haben uns zulasten der kommenden Generationen verschuldet.

Wir haben, Kardinalfehler Nummer 7, im Bereich der Bankenverstaatlichungen – das wird in den entsprechenden Ausschüssen noch aufzuklären sein, aber ich stelle jetzt einmal die Hypothese auf – alles andere als ein glückliches Händchen bewiesen. Das kostet uns auch Milliarden. Wie viel genau, wird noch festzustellen sein.

Kardinalfehler Nummer 8: Wir lügen uns beim Pensionssystem ständig an. Das Pen­sionssystem in dieser Form funktioniert nach dem Umlageverfahren – das wissen wir –, das heißt, die im Erwerbsleben Stehenden finanzieren die Pensionen der sich in Pen­sion Befindenden. Man darf also nicht immer so tun, als ob die sich in Pension Befin­denden vom System her angespart hätten und dann aus diesen Ersparnissen einen Anspruch auf ihre Pension hätten. Das ist das Umlageverfahren. Und man muss so ehrlich sein und sagen, dass wir momentan bei den ASVG-Pensionen 10 Milliarden und bei den Beamtenpensionen noch einmal 8 Milliarden dazuzahlen. Das sind jedes Jahr 18 Milliarden € – also Hypo im Maximalausmaß. Wenn man sich die demographischen Entwicklungen anschaut, dann sieht man, dass sich das Problem nicht verringern, sondern massiv verschärfen wird. Sich hier herzustellen und zu sagen, dass die Pen­sionen gesichert sind, ist ein bisschen wenig und ein bisschen dünn.

Kardinalfehler Nummer 9: der ganze Bereich EU, Euro, EZB, ESM, was da im Stabili­tätsmechanismus zur Stützung wovon auch immer – von Euro-Krisenländern et cete­ra – an Milliarden verschwindet. Wir haben da schon völlig die Relation verloren. Nur zur Erinnerung: Allein für den ESM haben wir bereits über 2 Milliarden überwiesen und für 19 Milliarden unterschrieben. Also da muten die Zahlen, die jetzt im Rahmen der großartig angekündigten Steuerreform ventiliert werden, geradezu wie Peanuts an. Da wird in Millionenkategorien gerechnet, und gleichzeitig unterschreiben wir für 19 Milliar­den € mit einem Federstrich und ohne mit der Wimper zu zucken. Wir Freiheitliche ha­ben damals selbstverständlich dagegen gestimmt. (Beifall bei der FPÖ.)

Kardinalfehler Nummer 10 betrifft unsere Diamanten, die Zukunft: die Bildung. Wir stür­zen in allen Bildungsrankings ab, in den PISA-Studien, in den Uni-Rankings – die F&E-Quoten sind eine Katastrophe –, in den Innovationsrankings et cetera. Wir sollten da wirklich einmal einiges angehen: eine Reform der Schulverwaltung, die Themen Schul­autonomie – das ist durchaus auch ein Thema, das die Zustimmung der Freiheitlichen bekommen kann –, das ganze Thema Entpolitisierung der Schulen, das ganze Thema Kompetenzen der Lehrer, Lehrer-/Pädagogenausbildung et cetera, die Output-Orientie­rung im Schulsystem. Eine Output-Orientierung ist nichts Böses und gehört hier noch viel stärker in den Mittelpunkt gestellt. Das ist im momentanen Zustand einfach nicht möglich, weil hier die Pfründe entsprechend aufgeteilt sind.

Elfte Kardinalsünde: TTIP, CETA werden sich zu einer Kardinalsünde entwickeln, ins­besondere für den Mittelstand. Ich stelle hier die Hypothese auf – wir werden in ein paar Jahren sehen, ob ich recht habe –: insbesondere für den Mittelstand, aber auch für die traditionell kleinstrukturierte Landwirtschaft in Österreich. Falls das kommt, wer­den diese Gruppen noch harten Zeiten 

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, ich möchte Sie erinnern: Sie woll­ten noch einen Antrag einbringen. Sie haben nur mehr wenig Redezeit. (Abg. Lichten­ecker: Das ist unzulässige Beihilfe! – Heiterkeit bei Abgeordneten von Grünen und FPÖ.)

 



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Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (fortsetzend): Dann spare ich mir den zwölften Punkt. Dieser würde die Russlandsanktionen betreffen. Aber das kann man zu einem anderen Zeitpunkt auch einmal zur Sprache bringen, welche Auswirkungen das wirklich auf die Wirtschaft hat. Ich kann ja nicht nur einfach sagen: Wir machen Sank­tionen. Es gibt ja schon die neuesten Zahlen – die sind katastrophal – darüber, was die­se Sanktionen an Einbußen gerade für die österreichische Exportwirtschaft, die vorhin so sehr gelobt worden ist, bringen.

Wir bringen 

16.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, es tut mir leid, das geht sich leider nicht mehr aus, denn nach 10 Minuten ist die Redezeit bei dieser Debatte leider zu Ende. Man kann nicht länger reden. Aber es gibt sicher einen weiteren Redner, der be­reit ist, diese Aufgabe zu übernehmen.

(Beifall bei der FPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Kassegger. – Abg. Matz­netter:  scheitert an einer einfachen Aufgabe! – Abg. Wöginger: Die Kardinalsünden waren zu lang! – Abg. Matznetter: Besser wäre eine Kardinalschnitte gewesen! – Abg. Wöginger: Ja! Da hätten wir wenigstens was davon!)

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


16.01.48

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Frau Ministerin! Werte Damen und Herren! Ja, Herr Bundeskanzler, Sie haben schon recht, Österreich ist ein guter Standort mit vielen engagierten Unternehmen, talentierten und fleißigen MitarbeiterInnen. Nichtsdestotrotz ist es ein Faktum, dass wir immer mehr an Boden verlieren. Und ein Kardinalproblem ist eine Mischung aus Stillstand, Blockadehaltung und – was besonders gefährlich ist – Selbstzufriedenheit. Die Selbstzufriedenheit dieser Bundesregierung, das ist ja vermut­lich auch der Grund dafür, dass uns heute die Frau Ministerin für Inneres bei der Wirt­schaftsstandortdebatte beehrt. (Abg. Rädler: Was war das?)

Lassen Sie mich aus den Themen, die Sie, Herr Bundeskanzler, heute angesprochen haben, um zu belegen, dass Österreich ja gar nicht so schlecht dasteht, ein paar Punk­te herausgreifen. Sie haben gesagt, die Arbeitslosenrate ist in Österreich relativ niedrig im Vergleich zum europäischen Schnitt. Sie haben schon recht. Und Sie haben auch recht damit, dass die Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zum europäischen Schnitt re­lativ niedrig ist. Nichtsdestotrotz kann und darf man es nicht relativieren, dass 55 000 jun-
ge Menschen in diesem Land ohne Arbeit sind. Das ist ein Riesenthema! Die jungen Menschen brauchen ihre Chancen! Und ein wesentlicher Grundstein, bei dem diese Regierung seit Jahren, seit Jahrzehnten versagt, ist die Bildungspolitik – die Bildungs­politik, an der Sie gescheitert sind. Das ist eines der Themen, die als Erstes angegan­gen werden müssen.

Sie haben die Forschungsquote sowie deren Anstieg angesprochen. Stimmt, aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie seit Jahren stagniert, nämlich bei etwa 2,8 Prozent. Und vor allem: Was war denn das Ziel? – Ich darf Sie erinnern: Im Re­gierungsprogramm steht eine Forschungsquote von 3,76 Prozent als Ziel. Die Bundes­regierung hat 2011 eine Forschungsstrategie beschlossen, deren Inhalt auch das ist. Nur, wir sind weit davon entfernt, das tatsächlich zu erreichen, und auch das ist ein Scheitern.

Herr Bundeskanzler, Sie haben ausgeführt, dass die Kreditvergabe durchaus passabel ist, und haben die Probleme ein Stück geringer geredet, als sie tatsächlich sind. Herr Bundeskanzler, gehen Sie hinaus in die Unternehmen! Reden Sie mit diesen! Die ha­ben dieses Problem. Die Ein-Personen-Unternehmungen, die Klein- und mittelständi-


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schen Unternehmungen, genau die, die wir als Stütze in den Regionen brauchen, ha­ben das Problem. Und wenn Sie es nicht in den persönlichen Gesprächen mit den Un­ternehmern erfahren, dann können Sie das auch im Mittelstandsbericht 2014 der Bun­desregierung nachlesen, beispielsweise: Der für 2014 prognostizierte Durchschnitt an Neukreditvergaben in Österreich ist der niedrigste seit 2009. – Allein das ist schon ein Symbol. Genauso wie die verschiedenen Gebühren, Sicherheitserfordernisse und Zins­sätze für die Unternehmungen gestiegen sind, genauso stark ist es auch ein Problem. Und auch da ist diese Bundesregierung gescheitert.

Seit Jahren diskutieren wir ein Modell, damit sich auch Bürgerinnen und Bürger bei Un­ternehmungen beteiligen können – in einer Form, dass es einfach kostengünstig und rechtssicher für alle Beteiligten ist. Was ist bislang passiert? – Ein Miniwurf, und seither ist nichts weitergegangen. Es gab die Ankündigung, dass es im Juni etwas geben wird. Es gab die Ankündigung, dass es im Dezember etwas geben wird. Wir sind jetzt ge­landet, und eines muss ich schon ganz klar sagen: Da von einem Oppositionsgeschrei zu reden, Herr Bundeskanzler, das geht gar nicht! Die Opposition ist hier, um entspre­chend auf Dinge aufmerksam zu machen, um Vorschläge zu machen und dazu einzu­laden, dass man endlich wieder einen progressiven Schritt weiter geht, vorwärts geht in den wichtigen Fragen, in denen Handlungsbedarf besteht. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn es darum geht, den Wirtschaftsstandort zu stärken, dann geht es auch darum, die Unternehmen zu unterstützen, nämlich all jene Unternehmen, die verantwortungs­voll wirtschaften, die faire Arbeitsplätze schaffen und dabei noch ressourcenschonend arbeiten. Genau darum geht es, und dazu braucht es auch ein Umdenken, dazu braucht es Reformen, dazu braucht es Rahmenbedingungen.

Eine der Rahmenbedingungen ist, dass massiv in die Zukunft, in Infrastruktur investiert werden muss. Das sind nicht nur Bildung und Forschung, sondern das sind beispiels­weise auch die Breitbandnetze. Auch das ist verschleppt worden. Dabei ist genau das besonders wichtig für die ländlichen Regionen – für die ländlichen Regionen und die IKT-Wirtschaft.

Selbstverständlich ist es auch wichtig, in die Bereiche Umwelt und Klimaschutz zu in­vestieren. Da sind wir weit hinten, aber wir wissen genau, dass wir Unternehmungen haben, die da hoch kompetent sind.

Und wenn es um Rahmenbedingungen für die Unternehmungen geht, na selbstverständ­lich geht es dann auch darum, für die Ein-Personen-Unternehmungen entsprechend gute Rahmenbedingungen zu schaffen, zum Beispiel bei der Sozialversicherung.

Herr Bundeskanzler, es geht nicht an, dass die Unternehmungen allein im Jahr 2013, wie eine aktuelle Anfragebeantwortung zeigt, 36,4 Millionen € an Verzugszinsen für die Sozialversicherungsanstalt bezahlen, bei einem Zinssatz von über 8 Prozent. Das geht nicht an! Die Unternehmungen brauchen dieses Geld selbst, um zu investieren! Und was steht im Regierungsprogramm? – Im Regierungsprogramm steht drinnen: Sen­kung der Verzugszinsen in der Sozialversicherung. Was ist geschehen? – Gar nichts. Auch da besteht also massiver Handlungsbedarf. Und es geht darum, jetzt zu handeln und nicht zuzuwarten, denn die Zeit läuft uns davon. Wir brauchen diese Rahmenbe­dingungen! Wir brauchen sie, um Arbeitsplätze zu schaffen, um Gesellschaft zu ge­stalten und auch die Zukunft zu sichern.

Und die Zukunft sichert man nur dadurch, dass man auch mutig voranschreitet. Jetzt haben wir nämlich das Problem, dass man letztendlich die Vergangenheit bewirtschaf­tet, den Stillstand verwaltet und auf die Zukunft vergisst. Wir werden dafür sorgen, dass wir auf die Zukunft achten, die Zukunft nicht vergessen und in jedem Fall hier proaktiv handeln und die entsprechenden Schritte setzen. (Beifall bei den Grünen.)

16.09



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Klubobfrau Dr. Nachbaur. Ich habe 10 Minuten Redezeit eingestellt, das ist auch die höchstzulässige Redezeit für ei­nen Debattenbeitrag zu einem Dringlichen Antrag. – Bitte, Frau Klubobfrau.

 


16.09.37

Abgeordnete Dr. Kathrin Nachbaur (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen im Hohen Haus! Und sehr geehrte Steuerzahler! Wir wissen, dass wir seit der Regierung unter Bundeskanzler Fay­mann, seit dem Jahr 2008 in allen Rankings abfallen. Interessant ist vor allem Folgen­des: Die SPÖ zeigt immer gerne auf das Schüssel-Kabinett. Da gab es tatsächlich ei­nige erstaunliche Charaktere, die kann jeder bewerten, wie er gerne möchte, aber ei­nes ist auch klar: Die heutige Regierung lebt noch immer von der Reform und Wirt­schaftspolitik von damals, genauso wie die Regierung von Frau Kanzlerin Merkel im­mer noch von der Politik Schröders lebt, wie man im renommierten „Handelsblatt“ ger­ne nachlesen kann.

Vernünftige Wirtschaftspolitik kann also theoretisch von jeder Partei gemacht werden, wenn sie nur ihren Hausverstand einsetzt und auch bereit ist, eine gewisse Courage an den Tag zu legen und den Sparstift möglicherweise bei der eigenen Klientel anzuset­zen. Aber diese Regierung hat in erster Linie ihren eigenen Machterhalt und ihre eige­ne Klientelpolitik im Auge, und insbesondere für die SPÖ heißt das: mehr Umvertei­lung. Wir haben aber die Grenzen der Umverteilung in unserem Land bereits über­schritten. (Beifall beim Team Stronach.)

Die OECD sagt, nirgendwo auf der Welt wird so stark umverteilt wie in Österreich. Es gibt hier nur 1,9 Millionen Netto-Steuerzahler, dafür gibt es 3,6 Millionen Netto-Steuer­empfänger. Dennoch wird hier der Klassenkampf ausgerufen. Aber der Klassenkampf führt nicht zu mehr Wohlstand, sondern nur zu mehr Neid. Das, was wir brauchen, ist vielmehr die Freiheit, Wohlstand schaffen zu können, und zwar nicht nur die oberen Zehntausend, sondern die breite Masse der österreichischen Bevölkerung. (Beifall beim Team Stronach.)

Der Staat nimmt den Menschen aber leider fast alles weg. Es ist hierzulande schier un­möglich geworden, sich durch fleißiges Arbeiten einen kleinen Wohlstand aufzubauen und sich damit aus der Abhängigkeit dieses staatlichen Systems mit den Zuwendungen zu befreien. In Österreich ist es viel leichter geworden, Leistung einzufordern als Leis­tung zu erbringen. (Beifall beim Team Stronach.)

Deshalb brauchen wir mehr Leistungsgerechtigkeit, nicht nur Verteilungsgerechtigkeit. Arbeiten muss sich wieder lohnen! Die Regierung muss einsehen, dass sie einmal bei sich und dem dicken Staat sparen muss und nicht immer bei den Menschen, die dann mit almosenartigen Sozialleistungen versorgt werden. Dafür ist die Stadt Wien das al­lerbeste Beispiel.

Die Stadt Wien ist mit 220 000 Gemeindewohnungen der größte Immobilienbesitzer Österreichs und hält damit eine halbe Million Menschen in Abhängigkeit. (Abg. Ross­mann: Besser als in Abhängigkeit der Immobilienhaie!) – und in kostspieliger Abhän­gigkeit noch dazu, denn nirgends ist das Wohnen so teuer wie in Wien. Man zockt die Mieter ab und verhindert das Schaffen von Eigentum. (Beifall beim Team Stronach.) Ei­gentum wird hierzulande bestraft, es grüßt schon die höhere Grundsteuer.

Für diesen aufgeblasenen Staatsapparat ist einfach nie genug Geld da, und um an mehr Geld heranzukommen, spielt insbesondere die SPÖ immer am Neidklavier: Die Reichen müssen zahlen!

Aber schauen wir uns einmal die Statistik an: Die obersten 10 Prozent zahlen fast 52 Pro­zent aller Lohn- und Einkommensteuerleistungen. Also die Reichen zahlen ja! Und nicht


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zu vergessen: Die sogenannten Reichen schultern in der Regel ein großes unterneh­merisches Risiko und schaffen Arbeitsplätze, und zwar Arbeitsplätze, die Steuergeld brin­gen. Wenn der Staat etwas macht, dann kostet das Steuergeld.

Daher einmal ein Danke an jeden, der einen privaten Arbeitsplatz schafft, und an die fleißigen Mitarbeiter dieser Unternehmer. Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

In Zeiten der Rekordarbeitslosigkeit ist es das Allerletzte, was wir brauchen, dass wir die Steuerkühe zu Tode melken und aus dem Land jagen. Hier bietet übrigens Frank­reich ein eindrucksvolles Negativ-Beispiel. Ökonomen haben ausgerechnet, dass dort die mittlerweile zu Recht wieder abgeschaffte Reichensteuer nur 420 Millionen € ins Bud­get gespült hat, während es gleichzeitig einen geschätzten Geldabfluss von 75 Milliar­den € gab. Das muss man sich einmal vorstellen: Einnahmen von 420 Millionen – dafür haut das Kapital ab: minus 75 Milliarden! Die Reichen wandern ab! Hohe Schulden, wenig Wachstum und ein riesiger Staatsschuldenberg in Frankreich sind die Folge. Frankreich hat mehr Schulden bei der EZB als Griechenland.

In Österreich ist es medial irgendwie untergegangen, dass das alles wieder abge­schafft wurde. Vielleicht wollte man dieser Hollande-Pleite nicht zu viel Platz einräu­men. Aber die Reichensteuer war jedenfalls eine bürokratische und sehr, sehr teure Schnapsidee. Ich hoffe, der eine oder andere Politiker bei uns lernt davon etwas. (Bei­fall der Abg. Dietrich.)

Ich finde auch die Rechenmodelle aus Richtung Gewerkschaft und der Arbeiterkammer höchst unseriös und unfair, denn staatliche Pensionsanwartschaften werden in ihren Modellen gar nicht mit eingerechnet. Wenn sich ein Selbständiger also im Laufe von Jahrzehnten 1 Million € anspart, um Geld für seinen Ruhestand zu haben, dann soll ihn die Reichensteuer-Keule voll treffen, während ein Staatsbediensteter oder Gewerk­schaftsfunktionär seine Pensionsmillion oder -millionen in monatliche Teilbeträge auf­geteilt ausbezahlt bekommen soll, wo selbstverständlich keine Reichensteuer anfällt. Das ist wirklich hochgradig unfair. (Beifall beim Team Stronach.)

Und was die Erbschaftssteuer anlangt: Wenn man das Betriebsvermögen ausnimmt, was man ja tun muss, um den Wirtschaftsstandort nicht endgültig zu begraben, dann kostet deren Einhebung deutlich mehr, als sie bringt – außer, dass sie vielleicht den ei­nen oder anderen Neidkomplex befriedigt.

Soziale Gerechtigkeit ist leider ein ideologischer Kampfbegriff geworden, um Wahlen zu gewinnen. Das ist ein Rechenmodell – ganz einfach: Zwei Millionen zahlen für vier Millionen, also setzen Sie auf die vier Millionen. Es wird nach Ihren Vorstellungen so lange umverteilt, bis nichts mehr vorhanden ist, das man verteilen könnte. (Beifall beim Team Stronach.)

Anstatt den Klassenkampf zu schüren, brauchen wir aber Lösungen. Die Steuern für Unternehmer, die in Österreich investieren und hier Arbeitsplätze schaffen, müssen deut­lich gesenkt werden. Wir brauchen viel mehr Investoren und Unternehmer in Öster­reich, gerade in Zeiten der Rekordarbeitslosigkeit. Die 1,9 Millionen Netto-Steuerzahler können ja nicht dauerhaft alle erhalten, und bei der Gewerkschaft kann auch nicht je­der angestellt sein.

Wir haben von EcoAustria ein gutes Modell durchrechnen lassen, und zwar: Man sen­ke die am meisten wachstumshemmenden Steuern, die Lohn- und Einkommensteuer sowie die Unternehmenssteuer, fünf Jahre lang in Dreiprozentschritten – das sind 15 Mil­liarden bis 2019. Fast zur Hälfte finanziert sich diese Steuersenkung selbst durch er­höhte Investitionen, durch gesteigerten Konsum und durch viele neu geschaffene Ar­beitsplätze – laut Dr. Schuh von EcoAustria bis zu 130 000 Arbeitsplätze. Der Rest ist durch längst überfällige Verwaltungs- und Systemreformen auch zu holen.


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Und das Allerwichtigste dabei: Wir sagen, die Mitarbeiter sollen am Gewinn, den zu er­wirtschaften sie mithelfen, beteiligt sein. (Beifall beim Team Stronach.)

Aber das wollen ja die Kollegen von der Gewerkschaft nicht, denn das würde zu stark an ihrer Daseinsberechtigung rütteln, die früher selbstverständlich schon gegeben war.

Was den Wirtschaftsstandort Österreich anlangt, so ist natürlich auch relevant, was sich auf europäischer Ebene abspielt. Die Entscheidung der EZB, Staatsanleihen ma­roder Länder aufzukaufen, wird schwere Auswirkungen auf unser Land haben. Entge­gen allen Versprechungen werden die österreichischen Steuerzahler haften für griechi­sche, spanische, italienische und französische Schulden, und der Nationalrat hat nicht einmal mehr ein Wörtchen mitzureden.

Ich würde mir wünschen, dass Herr Nowotny den Chef der Deutschen Bundesbank Weidmann in seinem Protest klar unterstützt, anstatt diplomatisch zu schweigen. Die EU darf keine Transfer-Union werden – da können wir hier für den Wirtschaftsstandort tun, was wir wollen, es wird nichts nützen.

Noch etwas auf europäischer Ebene: Ich schlage vor, Basel III temporär auszusetzen, denn dieses bürokratische 5 000-Seiten-Konglomerat an Regulierungen ist ein KMU-Killer. Die Realwirtschaft muss an Kredite herankommen können, und wir brauchen auch einen funktionierenden Eigenkapitalmarkt in Österreich. Wir haben brachliegen­des Geld auf dem Sparbuch, das ständig an Kaufkraft verliert, und das sollte man be­günstigen, wenn es in nicht börsennotierte heimische Unternehmen fließt. Vor allem un­sere Jungunternehmer brauchen dringend Kapital.

Noch ein Schlusswort an die Vertreter der linken Reichshälfte: Lassen Sie bitte Ihre Finger vom hart erarbeiteten Geld der österreichischen Bürger (Beifall beim Team Stro­nach sowie bei Abgeordneten der ÖVP) und schauen Sie lieber, dass Sie endlich den dicken Staat auf Diät setzen, auch wenn es Ihre Wählerklientel womöglich nicht gou­tiert!

Und mein Schlusssatz: Bitte denken Sie nicht an sich und die nächste Wahl, sondern an Ihre Kinder und alle unsere Kinder, die auch noch hier leben wollen, möglichst in ei­nem wirtschaftlich florierenden Land, das Eigentum respektiert, nicht in Schulden un­tergeht und vor allem auch ein gutes Sozialsystem hat für jene Leute, die es wirklich brauchen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach. – Ruf bei der ÖVP: Gute Passa­gen! – Abg. Jarolim: Wie der Kollege Amon aufgeblüht ist!)

16.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Alm. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.20.21

Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Frau Staatssekretärin! Herr Bundeskanzler, ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie Leibniz oder Voltaire zitieren wollten, als Sie von der besten aller Welten bei un­seren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gesprochen haben. Der eine hat das et­was ernster gemeint als der andere, da war es als Satire gemeint.

Und wie es so ist in der besten aller Welten im Sinne von Voltaire, so hat es wahr­scheinlich auch Josef Schellhorn gemeint. Er hat sich nicht nur die guten Sachen an­gesehen, für die die Unternehmer ja höchst eigenverantwortlich geradestehen und an denen sie arbeiten, damit das Land funktioniert, sondern er hat sich natürlich auch die Sachen angesehen, die in unserem Land, in Österreich in der Wirtschaftspolitik nicht so gut funktionieren.

Beschäftigung ist teuer, aber sicher nicht, weil die Löhne in Österreich exorbitant hoch wären, sondern die lohnabhängigen Abgaben und Steuern sind es. Viele Unternehmen


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können es sich einfach nicht mehr leisten, die Menschen anzustellen, die sie gerne an­stellen würden, und auch das trägt dazu bei, dass die Arbeitslosenzahlen zumindest nicht geringer werden. Die Lösung ist jetzt natürlich nicht, die Löhne – die Nettolöhne – zu kürzen, das erledigt die kalte Progression ganz von selbst. Das Problem sind die Abgaben, und die Abgabenquote ist mit rund 45 Prozent auf Rekordniveau in Öster­reich.

Wir werden bald eine halbe Million Arbeitslose haben. Und, Herr Bundeskanzler, wenn Sie uns erklären, dass wir jetzt in absoluten Zahlen die höchste Zahl an Beschäftigten haben, dann muss ich vielleicht einen kleinen Verweis auf die Prozentrechnung ma­chen. Wir hatten nämlich auch einen Bevölkerungszuwachs von zirka einer Million Men­schen in den letzten 30 Jahren, und Sie müssen natürlich da die prozentuellen Werte heranziehen.

Der Staat kann es sich aber nicht leisten, mit den erwähnten Abgaben Arbeitsplätze zu kaufen. In Österreich gibt es eine staatliche Förderlandschaft, die gut ausgebaut ist. Kollege Hammer wird jetzt wahrscheinlich zu Recht einwenden, dass nicht alles, was als Förderung bezeichnet wird, auch eine ist – das ist richtig, diesen Punkt muss man ihm natürlich zugestehen –, trotzdem haben wir im europäischen Vergleich eine sehr, sehr hohe Förderquote, und da gibt es natürlich Einsparungspotenzial.

Es nützt auch nichts, diese Förderungen auszuschütten, wenn bei jedem Mitarbeiter, für den diese Förderung aufgewendet wird, die Hälfte an Steuern und Abgaben sofort wieder zurückfließt. Wenn also die Republik mit der rechten Hand meine Taschen leert, dann nützt es nicht viel, wenn sie mir mit der linken Hand wieder Almosen zusteckt, und das auch noch selektiv.

Im internationalen Wettbewerb verlieren wir tatsächlich an Boden, dieser Befund ist von mehreren Rednern der Opposition gekommen. Natürlich – (der Redner blickt auf den leeren Platz des Bundeskanzlers) wo ist er denn hin? – kann man jetzt selektiv ein Ranking herausnehmen und das beispielhaft nehmen, ich glaube, das war in unserem Fall der Global Competitiveness (Ruf bei der ÖVP: Report!) Index oder der World Com­petitiveness Index – nein, der Global Competitiveness Index war es –, es gibt aber na­türlich viele andere Indizes, wie auch schon Matthias Strolz und Ruperta Lichtenecker richtigerweise gesagt haben und Herr Kassegger richtigerweise eingewendet hat.

Wir haben einen Global Innovation Index – da sind wir von Platz 15 auf Platz 23 ge­fallen. World Competitiveness Index: von 11 auf 23; Global Competitiveness Index: von 16 auf 21 – überall rutscht Österreich ab. Interessant ist auch ein Abrutschen im Cor­ruption Perceptions Index, das heißt auch, dass die Korruption in der Wahrnehmung zugenommen hat. (Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Alle diese Indizes zusammen werden natürlich schon ein realistisches Bild der Lage in Österreich zeichnen. Das (der Redner legt einen Ausdruck auf den Platz des Bundes­kanzlers) möchte ich dem Herrn Bundeskanzler in Abwesenheit mitgeben. (Zwischen­bemerkung von Staatssekretärin Steßl.) Er hat sicher auch noch viele andere Studien, die das von seiner Seite ergänzen.

Was können wir also tun, um die Wettbewerbsfähigkeit in Österreich zu erhalten? – Wir können eigentlich nur auf eine Sache setzen, und das ist Innovation. Wir sind ein Hoch­lohnland, wir können es uns nicht leisten, auf Innovation zu verzichten. Globalisierung, Digitalisierung verkürzen diese Innovationszyklen. Der Druck steigt.

Viele denken bei Innovation nur an Forschung. Das ist richtig, das ist aber nur die hal­be Miete. Innovation darf keine Forschung für die Schublade sein, Innovation muss sich auf dem Markt behaupten. Der Markt ist in diesem Fall der wirklich einzige Grad­messer. Marktreife muss schnell erreicht werden, dann erzeugt Innovation auch Ar­beitsplätze.


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Diese Innovation entsteht immer seltener in Konzernen, sondern sehr oft in sogenann­ten Start-ups. Es lohnt sich also, darüber nachzudenken, wie Österreich und insbeson­dere Wien zu einem Knotenpunkt für solche Start-ups, für junge Unternehmen, werden kann.

Was kann also getan werden? – Der wichtigste Punkt ist sicher die Finanzierung, das ist der größte Hebel. Junge Unternehmen brauchen Geld, Start-ups brauchen Geld, um Produkte und Dienstleistungen schnell marktreif zu machen. Organisches Wachstum dauert zu lange, ist in den meisten Fällen gar nicht möglich. Von den Banken gibt es keine Kredite mehr, es braucht also privates Wagniskapital von Investoren, die bereit sind, dieses unternehmerische Risiko auf sich zu nehmen. Das kann verteilt sein auf Kleininvestoren – dann sprechen wir von Crowd-Investment –, das können Einzelinves­toren sein – sogenannte Business Angels, die in einer frühen Phase in diese Unterneh­men einsteigen –, aber das können natürlich auch Fondslösungen sein. Es braucht je­denfalls einen modernen Markt für Risikokapital, und der Rechtsrahmen ist einfach nicht auf der Höhe der Zeit.

Wir warten seit über einem Jahr auf den Abschluss der Vorlage für ein Crowdfunding-Gesetz. Es wird, glaube ich, daran gearbeitet. Ich habe schon einen Entwurf zugespielt bekommen.

Wir wollen an zweiter Stelle echte Anreize für private Investoren, für privates Wagnis­kapital. Wir haben heute einen Antrag betreffend einen Realwirtschaft-Investitionsfrei­betrag eingebracht, das heißt, dass Investitionen bis zu 100 000 € steuerlich abzugs­fähig beziehungsweise begünstigt sein sollen. Das wäre eine spürbare Erleichterung, das würde jungen Unternehmen und Start-ups in Österreich wirklich einen Schub ge­ben. Noch besser wäre natürlich eine wirkliche Steuergutschrift, so wie sie im UK, im Vereinigten Königreich, existiert mit dem Seed Enterprise Investment Scheme. Davon sind wir aber noch ein Stück weit weg.

Natürlich braucht es auch weitere Reparaturen – Reparaturen im Alternativen Invest­mentfonds Manager-Gesetz, ein Gesetz, das in Österreich viel zu restriktiv ausgelegt wurde.

Wir wollen, dass Österreich eine Trendumkehr in den Innovationsrankings schafft. Das ist ein messbares Ziel, an dem wir arbeiten können. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Nachbaur.)

16.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Gross­mann. – Bitte.

 


16.27.07

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekre­tärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem sich mein Vorredner hier so in Indizes und Kennzahlen verstrickt hat, möchte ich eine kurze Replik an Frau Klubob­frau Nachbaur anbringen.

Liebe Frau Kollegin! Unter Schwarz-Blau hatten wir in Zeiten der Hochkonjunktur die vergleichsweise höchste Arbeitslosigkeit und befanden uns im EU-Ranking gerade ein­mal im unteren Mittelfeld. Jetzt, in Zeiten der internationalen Wirtschaftskrise, unter Bundeskanzler Werner Faymann, haben wir die vergleichsweise niedrigste Arbeitslo­sigkeit im EU-Schnitt und vor allem was die Jugendarbeitslosigkeit betrifft. (Zwischen­ruf der Abg. Nachbaur. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Da möchte ich aber meiner Kollegin Ruperta Lichtenecker recht geben, wenn sie meint, dass jeder und jede einzelne Arbeitslose eine beziehungsweise einer zu viel ist. – Das


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ist selbstverständlich ein Handlungsauftrag für uns alle (Zwischenruf des Abg. Haider), aber genau der Vergleich mit vergangenen Regierungen macht uns sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Zukunft eines Landes wird in den Klas­senzimmern geschrieben beziehungsweise in allen Bildungseinrichtungen, denn Bil­dung beginnt ja im Idealfall nicht erst mit der Schule und hört auch nicht mit der Schule auf (Zwischenruf des Abg. Rädler), im Sinne eines lebenslangen, lebensbegleitenden Lernens. Bildung ist der Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haider) und – das kann man in Zeiten wie diesen nicht oft genug betonen – ist auch der Schlüssel zu gesellschaftlichem und sozialem Frieden.

Bildung sorgt dafür, dass alle Menschen an den Chancen des Lebens teilhaben kön­nen und ihren Eignungen und Neigungen entsprechend gefördert werden, damit sie sich bestmöglich in die Gesellschaft einbringen können – unabhängig vom Wohnort und Geldbörsl der Eltern. Also das hätten, bitte, die Antragsteller/Antragstellerinnen voran­stellen sollen, wenn sie ihr Anliegen selbst ernst nehmen und hier nicht nur heiße Luft produzieren wollen.

Wir können es uns nicht leisten, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf irgend­eine Begabung zu verzichten. Wir brauchen alle, ob technische, sprachliche, hand­werkliche, künstlerische Begabung oder sonstige Begabungen oder Schlüsselqualifika­tionen. All das brauchen wir, damit sich die Menschen bestmöglich im Arbeitsleben, in der Familie und in der Gesellschaft einbringen und sich zurechtfinden können.

In Ihrem Entschließungsantrag haben Sie zwar die Bildung als Stichwort erwähnt, aber dann ziemlich verkürzt und auf einige – ich würde einmal sagen – No-na-Detailaspekte reduziert, die teilweise ohnehin schon gelebte Realität sind, wie etwa die Forderung, Unternehmen in die Schule zu bringen.

Ich kann Ihnen ein persönliches Beispiel erzählen: Mein mittlerweile 27-jähriger Sohn hat schon als HAK-Schüler über ein Schulprojekt ein Unternehmen gegründet. (Zwi­schenruf der Abg. Kitzmüller.) Auch mein jüngerer Sohn ist als HTL-Schüler beteiligt an Schulpartnerschaften mit Unternehmen. Also bitte schön, das ist wirklich nichts Neu­es! (Abg. Strolz: In den berufsbildenden Schulen ist das oft!) Das sind öffentliche Schulen und diese stehen stellvertretend für viele, viele Schulen in ganz Österreich, die Hervorragendes leisten.

Die Frau Kollegin Königsberger-Ludwig und ich hatten jetzt gerade mehrere BAKIP-Klassen aus Amstetten zu Gast, und deren SchülerInnen haben uns sorgenvoll mitge­teilt, dass es sie unglaublich stört, dass das Bildungssystem in Österreich so maßlos schlechtgeredet wird. (Abg. Kitzmüller: Und wer ist Bildungsministerin?) Das wird den Leistungen, die tagtäglich in den Schulen von allen Schulpartnerinnen und Schulpart­nern erbracht werden, keineswegs gerecht! (Beifall bei der SPÖ.)

Das schadet dem Einzelnen und das schadet auch dem Wirtschaftsstandort Öster­reich, denn was soll sich ein Investor denken, der Arbeitskräfte sucht, wenn die eigene Politik das System so schlechtredet?! – auch wenn es da und dort auf jeden Fall Re­formbedarf gibt. (Abg. Zanger: Das ist ja eure Politik!)

Folgendes haben wir jetzt gemeinsam in den Niederlanden wieder erleben können – die Bildungssprecherinnen und -sprecher der Fraktionen waren dabei –: Da hat man sich überrascht gezeigt, dass man die Kinder bei uns im Alter von zehn Jahren schon auseinanderdividiert. Diese frühe Segregation ist ein großes Problem, ist eine Schwach­stelle in unserem Bildungssystem, und sobald der Koalitionspartner bereit ist, werden wir das auch zügig ändern. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Da ist wirklich anzusetzen, denn da verlieren wir Begabungen, da verlieren wir Talente, die wir aber eigentlich in unserem Bildungssystem bestmöglich fördern müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Zanger.)


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Verschließen wir also nicht die Augen vor dem Positiven, aber gehen wir auch die Pro­blemfelder beherzt an! – In diesem Sinne: Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

16.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Schul­tes. – Bitte. (Abg. Rädler – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Schultes –:Hermann, sag es ihnen! Kleinschulen schließen?!)

 


16.32.36

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren im Hohen Haus! Wir diskutieren heute auf Wunsch von Herrn Schellhorn das Thema Wirtschaft: Das ist aber nicht wirklich interessant für ihn, denn er ist gar nicht mehr da. Er ist gekommen, hat, wie man es als Unternehmer eigentlich nicht tut, „ordentlich Gas gegeben“, alle beschimpft, Funktionäre als Para­siten bezeichnet, und jetzt, wo die Diskussion auf ein vernünftiges und ruhiges Niveau kommt, ist er verschwunden. (Abg. Rädler: NEOS Wirtschaftsfreunde!)

Sagt ihm einen schönen Gruß! Ich bin auch ein Kammerfunktionär: Wenn er will, kann er sich bei mir entschuldigen, wenn nicht, kann er sich beim Herrn Matznetter entschul­digen, dem Vizepräsidenten der Wirtschaftskammer, und im Übrigen finde ich so ein Benehmen bei uns im Haus wirklich nicht angemessen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Rädler: Genau!)

Wir verdanken bei uns in Österreich der Sozialpartnerschaft sehr viel. Aktuelle Studien zeigen, dass das Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren zu einem Anteil von durchaus 0,56 Prozent dem geschuldet wurde, dass in Österreich Konflikte so geregelt wurden, dass das gemeinsame Wohl im Vordergrund steht und nicht die Profilierung einzelner politischer Exponenten.

Das hat uns geholfen, das hat über die Jahre hinweg gezeigt, dass es der richtige Weg ist, und das verdanken wir Menschen, die sich als Funktionäre zur Verfügung stellen. Das sind Menschen, die in ihrem Leben etwas leisten, etwas herzeigen, sich einer Wahl stellen und dann die Aufgabe auf sich nehmen, das Institut dieser sozialpartner­schaftlichen Einrichtung – in diesem Fall die Wirtschaftskammer, bei uns die Land­wirtschaftskammer – ordentlich zu führen. Diese Menschen sorgen dafür, dass die Mit­glieder, die Kunden, also bei uns die Kammerzugehörigen, das bekommen, was sie wirk­lich brauchen, und bei uns wissen sie, dass sie das kriegen.

Die Mitarbeiter unserer Institute und unserer Häuser leisten Gewaltiges, und es ist in­teressant, dass das Papier, das Herr Schellhorn präsentiert hat, ein Papier ist, das ich in wesentlichen Teilen auch schon aus anderen Sozialpartnergesprächen kenne. Gut – abschreiben kann er ja, also wird es nicht ganz so schlecht gewesen sein.

Meine Damen und Herren, es geht um Wirtschaftsstimmung und Wirtschaftsgesinnung, und dazu gehört sicher auch, dass wir einander gegenseitig den Erfolg gönnen. Ich kann mich nicht auf der einen Seite beklagen, dass es kein Wirtschaftswachstum gibt, und auf der anderen Seite antreten und sagen: Da hat einer Geld verdient, das muss ich ihm jetzt wegnehmen! (Abg. Fekter: Richtig!) Es wird höchste Zeit, dass wir res­pektieren, dass persönlicher wirtschaftlicher Erfolg ein Ziel sein kann, und wer erfolg­reich ist, der soll sich darüber auch freuen dürfen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rädler: Wirtschaftspartei!)

Ich weiß, dass die Kollegen aus dem ganzen Haus daran glauben, dass wir nur mit Leistung weiterkommen werden – ich kann Ihnen sagen, bei uns in der Landwirtschaft ist das ein Thema. Wir haben in den letzten Jahren einiges hergezeigt und auch poli­tisch einiges geleistet. Wir haben die Gemeinsame Agrarpolitik umgesetzt, die jetzt im-


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plementiert ist, und unser Minister hat vor Weihnachten als einer der ersten drei, die das europaweit überhaupt geschafft haben, ein sehr umfangreiches Programm zur länd­lichen Entwicklung vorgelegt.

Ich bin ihm persönlich sehr, sehr dankbar, denn er und seine Mitarbeiter haben da et­was Gewaltiges geleistet – eine Leistung, die auch anerkannt werden sollte, denn das ist jetzt die Basis für unsere Umsetzung in der Landwirtschaft, und davon profitieren wieder sehr viele Wirtschaftsbetriebe und Menschen an ihren Arbeitsplätzen. (Abg. Steinbichler: ..., dann frage ich dich heute noch etwas!) Alleine die Molkereigenossen­schaften haben im letzten Jahr 125 Millionen € investiert, um unsere Qualitätsprodukte auch in Zukunft auf dem europäischen Markt präsentieren zu können.

Unsere Bauern werden im laufenden Jahr über 600 Millionen € investieren, denn wir Bauern investieren dann, wenn wir glauben, dass es richtig ist, und nicht dann, wenn uns irgendwer sagt: Lass es bleiben!, oder: Probier es! oder: Tu es nicht! – Wir wissen selber, was wir tun. Wir planen ordentlich, und wir haben dafür die Hilfe der Landwirt­schaftskammer.

Deswegen ist sehr wichtig und richtig, dass wir das wertschätzen, was da draußen ge­leistet wird. Daher: Danke an alle, die sich in einer schwierigen Zeit etwas trauen! Dan­ke an alle, die investieren! Danke an alle, die in diesem Land darauf schauen, dass es gut weitergeht, weil sie sich etwas gönnen wollen und etwas erwirtschaften wollen! Deswegen wünsche ich allen alles Gute und richte ein Danke an den Herrn Bundes­kanzler dafür, dass er die Effizienz in der Verwaltung deutlich erhöhen will.

Ich bin auch in der Aufgabenderegulierungskommission dabei gewesen, und ich weiß, dass wir da wichtige Dinge zu erledigen haben, auf die die Unternehmer, die Bauern, die Selbstständigen, aber auch alle anderen warten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haider. – Bitte.

 


16.37.39

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Ho­hes Haus! Nach diesem Ausflug in den Landwirtschaftskammerwahlkampf durch den Präsidenten der Landwirtschaftskammer Ing. Schultes mit ganz offen zur Schau ge­stellter Kammerfunktionärspräpotenz (Abg. Lopatka: Na geh! Ein bisschen aufpassen! Das ist schon eine Beleidigung!), inklusive Entschuldigungsaufforderung an Abgeord­nete, freue ich mich fast, dass der Kollege Kassegger vorhin keine Zeit mehr gehabt hat, diesen Entschließungsantrag einzubringen.

Deswegen bringe ich jetzt den Entschließungsantrag des Abgeordneten Dr. Kassegger ein.

Entschließungsantrag

des Abgeordneten MMMag. Dr. Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Dringlichkeit der Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften in den Wirtschafts­kammern

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der die Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften zu den Fachgruppen be­ziehungsweise Fachverbänden der Wirtschaftskammern sichergestellt wird.

*****


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man die Worte „Wirtschaftspolitik“, „Ös­terreich“ und „Kritik“ googelt, dann kommt bei den Treffern relativ weit oben ein Artikel im „WirtschaftsBlatt“ mit dem Titel: „In Österreich gibt es keine Wirtschaftspolitik“.

Dem kann man, wenn man sich das ein bisschen genauer anschaut, durchaus etwas abgewinnen, nicht nur wegen des mit 400 Millionen € verschwindend geringen Budgets des Wirtschaftsministeriums, nein, man braucht sich nur anzuschauen: Womit beschäf­tigt sich denn der Herr Wirtschaftsminister? Er hat offensichtlich derzeit nichts anderes zu tun, als sich von einer profilierungssüchtigen Neo-Gesundheitsministerin eine völlig unnötige Rauchverbotsdebatte aufzwingen und aufdrängen zu lassen. Diese hat die Debatte völlig unnötigerweise vom Zaun gebrochen, und dieses Rauchverbot führt nur dazu, dass – genauso wie in Irland, Großbritannien und Deutschland – 20 bis 30 Pro­zent der Gaststätten, Pubs und Beisln schließen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist das Ergebnis der Aktivitäten des Herrn Wirtschaftsministers, aber das allein reicht ja noch nicht. Es wird den Wirten auch noch ein Bürokratiemonster namens Al­lergeninformationsverordnung aufs Auge gedrückt, zusätzlich zu den Belastungen der letzten Jahre. Ich erinnere etwa an die verschärften Anmeldevorschriften, die dazu füh­ren, dass nicht einmal mehr die pensionierte Oma dem Wirt schnell eine Stunde aus­helfen dürfte, wenn ein Bus mit Gästen im Gastgarten auftaucht. Nein, dann steht man gleich mit einem Fuß im Kriminal.

Oder: Ich erinnere an die Barbewegungsverordnung, an die Streichung der Energie­kostenrückvergütung, an die unsägliche Flugticketabgabe, die wirklich nur negative Aus­wirkungen auf den Tourismus hat, oder auf die völlig unnötige Auflösungsabgabe, die sogenannte Arbeitsamtsmanipulationsgebühr, oder daran, dass noch immer Trinkgel­der – das muss man sich einmal vorstellen! –, auch wenn sie nicht einmal ausbezahlt werden, also auch fiktive Trinkgelder, der Sozialversicherungspflicht in diesem Land unterzogen werden. Und, und, und. Belastungen noch und nöcher!

Es ist in diesem Land noch immer nicht möglich, die Abschreibedauer auf die tatsäch­liche Nutzungsdauer zu reduzieren. Der Hotelier, der eine Sauna einbaut, muss diese Abschreibedauer auf mindestens 15 Jahre hin auslegen, und wenn er einen unguten Finanzbeamten hat, der sagt, dass das Teil des Gebäudes ist, dann muss er sie sogar auf 35 Jahre ausdehnen. Da wünsche ich dem Herrn Wirtschaftsminister, dass er, wenn er bei der ÖVP-Klausur in einem Hotel ist, in einer 15 oder 35 Jahre alten Sauna sitzen muss. Spätestens alle 8 Jahre wird eine Sauna ausgetauscht, und dementspre­chend gehört auch die Abschreibedauer angepasst. – Das alles sind Sachen, die den Wirtschaftsminister nicht interessieren, das macht er nicht!

Schauen wir uns an, was der Herr Finanzminister macht! – Dem ist in den letzten Mo­naten auch nichts Gescheites eingefallen, außer dass er zum Beispiel die Tourismus­branche erschreckt hat mit geäußerten Überlegungen zu einer Mehrwertsteuererhö­hung – völlig kontraproduktiv und dem Wirtschaftsstandort Österreich zuwiderlaufend!

Da passt auch die Einführung der Schaumweinsteuer ganz gut ins Bild, die nicht nur nichts bringt, sondern auch noch mehr kostet, als sie bringt – also auch nur wieder Be­lastungen für die Weinbauern und für die Sekthersteller.

Auf der anderen Seite tritt diese unsägliche Bundesregierung auch noch den Russ­landsanktionen bei, die nicht nur den Handel in der Wiener Innenstadt, sondern auch den Tourismus ganz schwer schädigen und schwerste Einnahmenausfälle verursachen.

Kurz zusammengefasst: Bei höchster Abgabenquote – Rekordabgabenquote von 45 Pro­zent, hat Kollege Alm vorhin gesagt – steht diese Regierung für nichts anderes als für Reallohnverlust, Enteignung der Sparer, kalte Progression und die höchste Abgaben­quote aller Zeiten, gepaart auch noch mit dem höchsten Schuldenberg aller Zeiten und


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mit einem Arbeitslosenheer von 500 000 Menschen. Na da gratuliere ich herzlich zu die­sem Ergebnis! (Beifall bei der FPÖ.)

16.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der eingebrachte Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten MMMag. Dr. Kassegger und weiterer Abgeordneter betreffend die Dringlichkeit der Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften in den Wirtschafts­kammern

eingebracht in der 59. Nationalratssitzung im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kollegin und Kollegen betreffend Offensivpaket „Un­ternehmerisches Österreich“ am 21. Jänner 2015

Mehr als 90.600 Wirtschaftskammermitglieder gehören zumindest zwei Fachgruppen an. Mit der Zugehörigkeit zu drei Fachgruppen werden immerhin noch über 24.000 Un­ternehmer belastet.

Dies steigert sich bis zu einer „Rekordfachgruppenzugehörigkeit“ von 26 Fachgruppen!

Dieser die Unternehmen massiv belastende Umstand führt dazu, dass selbstverständ­lich für jede Fachgruppenmitgliedschaft die entsprechende Grundumlage gemäß § 123 Wirtschaftskammergesetz zu entrichten ist.

Seit Jahren wird angekündigt, dass sich die Zahl der Mehrfachmitgliedschaften redu­zieren werde.

Bei Analyse der Zahlen aus der jeweiligen Mitgliederstatistik der WKO lässt sich jedoch feststellen, dass sich die Zahlen in den letzten Jahren nur minimal geändert haben, und weiterhin eine sehr große Anzahl von Wirtschaftskammermitgliedern durch die „er­zwungenen“ Mehrfachmitgliedschaften massiv belastet werden.

So überstieg die Zahl der Fachgruppenmitglieder die Zahl der Kammermitglieder im Jahr 2010 um 32 %. Im Jahr 2012 lag diese Zahl immer noch bei 30,04 %.

Die unterfertigten Abgeordneten sprechen sich ganz generell für eine Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft zur Wirtschaftskammer aus und fordern daher in einem ersten Schritt die umgehende Beseitigung der nicht akzeptablen Mehrfach-Zwangsmitglied­schaften zu den Fachgruppen.

Nicht zuletzt im Interesse einer dringend erforderlichen Entlastung der heimischen Un­ternehmer stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzulei­ten, mit der die Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften zu den Fachgruppen bzw. Fachverbänden der Wirtschaftskammern sichergestellt wird.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Köchl. – Bitte.

 



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16.42.50

Abgeordneter Matthias Köchl (Grüne): Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte ZuseherInnen auf der Tribüne und vor den Fernsehapparaten! Kollege Roman Haider von der FPÖ hat es auf den Punkt gebracht. Die FPÖ-Position ist sozusagen auf Goo­gle „Wirtschaftspolitik Österreich – Kritik“. – Das ist Ihre Position! Das ist in meinen Au­gen ein bisschen mager. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Wir haben heute schon relativ viele Schlagworte gehört: zum Beispiel Wachstumsof­fensive. Das würde wahrscheinlich auch herauskommen, wenn ich ein Wirtschaftskon­zept mit Google erstellen müsste. Oder: Flexibilisierung. Das würde wahrscheinlich auch herauskommen, wenn ich nur Google damit befasse. Also: Wir sollten wegkommen von dieser Politik der Schlagworte! (Abg. Neubauer: Dann kommen Sie endlich weg davon!)

Nächstes Beispiel: Flexibilisierung der Arbeitszeit. – Was wollen Sie eigentlich? Wollen Sie mehr als 24 Stunden am Tag arbeiten, wie das in China und in Bangladesch beina­he schon der Zustand ist?

Wir Grünen haben den Ansatz, dass sich soziale Sicherheit nicht nur über Unterneh­mertum definiert, sondern auch über die Angestelltenverhältnisse. Solide Angestellten­verhältnisse sind uns ebenso wichtig wie Selbständigkeit und Unternehmertum. Das möchte ich vorausschickend angemerkt haben. Wir sind uns aber einig darüber, dass wir in Österreich ein Grundproblem haben, und zwar: Wenn einer oder eine mit einer Idee kommt, wenn einer oder eine eine Kerze anzündet, dann kommt es viel zu oft zu der Situation, dass es fünf Menschen oder zehn Menschen gibt, die diese eine Kerze ausblasen wollen. Da haben wir definitiv ein Problem.

Ich möchte, da die NEOS das heute aufs Tapet gebracht haben, ein bisschen die Un­terschiede zwischen Grünen und NEOS herausarbeiten. Die NEOS kommen immer mit dem Ansatz „weniger Staat!“. Die Grünen würden da eher sagen: Der Staat ist wichtig, aber eben an der richtigen Stelle! Der Ruf nach weniger Staat per se findet nicht meine Zustimmung, denn das, was dabei herauskommt, sieht man in den Vereinigten Staaten von Amerika. Es klingt im ersten Moment sehr attraktiv, zu sagen, man senkt die Steu­ern  (Zwischenruf des Abg. Strolz.) Ja eh, man kann die Steuern senken, aber zum Schluss ist dann kein Geld mehr da, um die Straßenlöcher zu flicken.

Das Modell, das Sie hier vorstellen, würde heißen, wir senken die Steuern und würden dann von Haus zu Haus gehen und die Menschen fragen: Gebt Ihr vielleicht jeder 1 000 Dollar dazu, damit wir auch die Straßenlaternen erneuern können? – Das wäre ungefähr Ihr Modell! (Abg. Strolz: In der Schweiz gibt es auch Schulen!)

Kollege Strolz, die Schweiz ist in meinen Augen nicht das beste Beispiel, denn in der Schweiz kommt es vor – und ich habe mich längere Zeit mit einer Schweizer Unterneh­merin unterhalten –, dass in der Gemeinde Volksabstimmungen stattfinden, wo es um die Frage geht: Sind wir bereit, die Steuern zu erhöhen, damit ein Kinderspielplatz ge­baut wird, oder nicht?, und meistens überstimmen dann die Rentner und Rentnerin­nen – es ist halt leider so – die Jugend, und es kommt zu keinem Kinderspielplatz. (Abg. Strolz: Und bei uns ist das nicht so? – Das ist absurd!) Das ist schon ein De­mokratieverständnis, mit dem ich mich sehr schwer tue und das von meiner Definition her auch nicht unter Solidarität fällt.

Wenn man die Positionen der verschiedenen Parteien, was Wirtschaftspolitik betrifft, ein bisschen zusammenfassen möchte, dann kommt man zum folgenden Ergebnis:

Bei der SPÖ gibt es nach meinem Eindruck die Grundhaltung: Verboten ist alles, was nicht ausdrücklich erlaubt ist! Bei der FPÖ hat man den Eindruck, ihre Grundhaltung zur Wirtschaftspolitik ist geprägt von dem Satz: Fremdes wollen wir nicht!, wobei Frem­des für sie natürlich auch alles ist, was sie nicht versteht. (Ironische Heiterkeit bei der


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FPÖ.) Von ÖVP-Seite kommt bei der Wirtschaftspolitik die Grundhaltung: Freiheit für Freunde und Freundinnen und Barrieren für andere! (Abg. Lopatka: Na geh!) Was der Herr Grasser als ÖVP-Finanzminister weitergebracht hat, können Sie ja noch immer tagtäglich in der Zeitung lesen. Und das Team Stronach hat die Grundhaltung: Wer das Gold hat, macht die Regel! Diese Meinung können wir Grüne auch nicht teilen. (Abg. Lopatka: Herr Kollege, der Fasching kommt erst, oder?!)

Wenn Sie hier die Forderung erheben: Weniger Gesetze! – ja. Allerdings verlangt die Forderung „weniger Gesetze!“ auch deutlich mehr Gehirneinsatz. Es gibt da schöne Beispiele, wo man mit einem Gesetz sehr viel bewegt hat, etwa in Deutschland mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Da könnten wir in Österreich 100 Gesetze erfun­den haben und 100 Einzelförderungen gewährt haben, das würde nicht so viel bringen. Ein durchdachtes Erneuerbare-Energien-Gesetz hat in Deutschland Innovationen und auch Investitionen ausgelöst.

Es gibt aber auch Beispiele, wo ich meine, da könnten wir auch etwas von den Ver­einigten Staaten von Amerika lernen: Das ist die Startup-Kultur. Da ist es leichter mög­lich, zu sagen: Ich habe eine Idee und bekomme einmal ein Startkapital, um diese mei­ne Idee umzusetzen! Das ist in Österreich noch nicht so weit verbreitet. In Österreich hat man da noch ein wenig eine Retro-Haltung. Ich möchte Ihnen das anhand eines Beispiels versinnbildlichen.

Und zwar: Wenn sich 10 Leute zusammentun und sagen, sie haben eine Idee, sie ge­ben 10 Anteilsscheine aus, jeder hält 10 Prozent an einer Idee, dann haben sie eigent­lich einen Anteilsschein an einer Idee, und wenn diese Idee groß wird, wenn diese Idee erfolgreich wird, dann kann man etwas verdienen, aber wenn die Idee nicht groß wird, dann hat keiner etwas davon.

Ich habe jetzt eigentlich gerade die Aktiengesellschaft erfunden (Zwischenruf des Abg. Neubauer), ohne das am Anfang Aktiengesellschaft zu nennen, und ich rede noch gar nicht von Börsennotierung, davon rede ich jetzt noch gar nicht, und ich rede jetzt auch noch nicht vom Profit. In Österreich gibt es fast einen Abwehrreflex, wenn ich mit dem Wort „Aktiengesellschaft“ komme, weil ich per se mit Aktiengesellschaft noch nicht Bör­sennotierung und noch nicht Betrug verbinde.

Nächstes Thema: Crowdfunding. – Bei Crowdfunding geht es darum, dass die Pro­spektpflicht erleichtert wird, also man ohne teure Prospekte leichter zu Kapital kommt. Die Grünen haben da 3 Millionen als Grenze vorgeschlagen, also dass diese Summe angehoben wird, die NEOS nur eine Million. Wir sind uns aber einig, wenn es darum geht, Erleichterungen bei der Rot-Weiß-Rot-Card zu finden, wenn es darum geht, Men­schen den roten Teppich auszurollen, um Arbeitsplätze auch in Teamarbeit zu schaf­fen. Es gibt da derzeit leider Probleme. Zum Beispiel: Wenn der Programmierer aus In­dien nicht die Rot-Weiß-Rot-Card bekommt, weil er die Kriterien nicht erfüllt, dann kann das ganze Team nicht arbeiten.

Wir haben derzeit auch einige Probleme im Steuerrecht; das wird Bruno Rossmann noch im Detail ausführen. Aus unserer Sicht haben wir in der Komplexität ein Steuer­recht für Fabrikanten, das viel zu aufwendig ist. Wir haben dazu den Vorschlag ge­macht, einen integrierten Tarif zu schaffen, Sozialversicherungsbeiträge mit der Ein­kommensteuer zusammenzufassen, jedenfalls das Ganze durchschaubar zu machen.

Wir haben im Vorfeld der Wirtschaftskammerwahlen immer wieder wichtige Vorschläge gemacht, wie etwa, eine Lohnnebenkostensenkung zu machen. 308 Millionen € über die Kammerumlage II ist definitiv zu viel. Wie gesagt, da gibt es Ansätze.

Ich möchte aber auch auf ganz konkrete Problemlagen, weil ich mich tagtäglich mit Ein-Personen-Unternehmern unterhalte, eingehen. Da gibt es einige kleine Baustellen (sich zur Regierungsbank umdrehend). Der Herr Kanzler ist leider nicht da, eigentlich


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ist die ganze Regierungsbank ein schwarzes Loch, aber das kann ich jetzt auch nicht ändern.

Ein Beispiel: Wenn Sie neuer Selbständiger ohne Gewerbeschein sind und wenn Sie die Versicherungsgrenze überschreiten und das nicht bis 31. Dezember melden, dann bekommen Sie von der SVA 9,3 Prozent Strafzuschlag. Das betrifft nicht die Kleinstun­ternehmerinnen und Kleinstunternehmer, sondern nur die neuen Selbständigen ohne Gewerbeschein. Das würde in der derzeitige Lage heißen, ein neuer Selbständiger, der mit ein paar hundert Euro unter seiner Versicherungsgrenze liegt, müsste in Österreich am 31. Dezember mit einem Papier vor dem Faxgerät warten und schauen, ob noch ein Kontoeingang hereinkommt, damit er, wenn dem so ist, das dann vor „Dinner for One“, genau noch vor Silvester faxt, denn sonst bekommt er einen Strafzuschlag. Ich finde, das ist komplett realitätsfremd.

Wir haben die Mindestbeitragsgrundlage für Selbständige immer wieder angesprochen: Sie gehört definitiv gesenkt. Es kann nicht sein, dass man 200 € monatlich zahlt, auch wenn man fast keine Umsätze macht.

Wir haben das Krankengeld immer wieder thematisiert, das ist uns wichtig. Derzeit wird es Selbständigen erst ab dem 43. Tag ausbezahlt und ist mit 28 € bemessen. Es gibt das Krankengeld ab dem 43. Tag. Da man, wenn man krank ist, weiterhin die Beiträge an die gewerbliche Sozialversicherung zahlen muss, kann es passieren, dass Sie 36 € täglich Krankenversicherung und Pensionsversicherung abliefern müssen und 28 € be­kommen. Das Krankengeld kann also in der derzeit aktuellen gesetzlichen Lage einen Verlust von 8 € täglich bedeuten, und es wird erst ab dem 43. Tag ausbezahlt.

Weiters sprechen wir die Gewerbeordnung an. Da habe ich immer wieder viele Bei­spiele gebracht, wo Reformen nötig wären. Dazu zählt nicht nur die Gärtnerin, die noch einen weiteren Gewerbeschein für Friedhofsgärtnerei braucht, um die Blumen gießen zu dürfen. Es gibt jede Menge anderer Absurditäten. Wir haben für den Trafikanten/die Trafikantinnen nachgeschaut: Nur 30 Prozent halten einen Gewerbeschein, 70 Prozent der Trafiken brauchen mehrere. Wir machen hierzu den Vorschlag, dass man die Grund­umlage nur einmal kassiert und den Beitrag mit 100 € deckelt. Das ist eine wichtige und legitime Forderung im Vorfeld der Wirtschaftskammerwahlen, die auch von der Grünen Wirtschaft laufend thematisiert wird. Und wir haben Themen, wie die GmbH light, die nach wie vor nicht endgültig geklärt sind.

Wir haben also etliche Baustellen, wo es nötig wäre, im Sinne des Unternehmer- und Unternehmerinnentums hier in Österreich, wie wir heute gehört haben, Reformen zu setzen, und ich möchte Sie bitten, diese Reformen rasch durchzuführen, weil uns sonst einige Menschen laut schreiend davonrennen werden. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen.)

16.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lintl. – Bitte.

 


16.52.00

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Standortpolitik in Österreich ist kaum mehr als eine Politik des Stillstands. Gesetze und Rechtsnormen in allen Ge­bietskörperschaften werden von Politik, Beamten, Kammer- sowie Gewerkschaftsfunktio­nären ausgehandelt und nicht von Wirtschaftsexperten. Wir brauchen wettbewerbsfähi­ge und zukunftsweisende gesetzliche Rahmenbedingungen für die Unternehmungen in Österreich und für ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Wir brauchen eine Verringerung der Belastung durch Bürokratie. (Beifall beim Team Stronach.) Gerade auch für die vielen Klein- und Mittelbetriebe, für die Ein-Personen-Unternehmen ist das wichtig. Deren Start in der freien Wirtschaft wird zwar allgemein


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gewünscht und auch mit diversen Miniförderungen erleichtert, doch spätestens nach ein paar Jahren kommt das dicke Ende für die neue Selbständigkeit, nämlich dann, wenn personell überdimensionierte Sozialversicherungsträger und der Fiskus fällige Zah­lungen einfordern und wenn mehr Zeit für bürokratische Auflagen als für unternehmeri­sche Tätigkeit und innovative Ideen verlorengeht.

Der Wirtschaftsstandort Österreich kann für Investitionen privater Kapitalgeber viel at­traktiver gestaltet werden. Dafür braucht es eine für die Industrie, aber auch für die angewandte Forschung förderliche innovative Standort- und Technologiepolitik, zum Beispiel durch Förderung von Clusterbildungen für Produzenten, Zulieferer und For­schungseinrichtungen, hier entsteht eine Wertschöpfungskette durch gemeinsame güns­tige Standortfaktoren, durch den Ausbau der Breitbandtechnologie oder durch leichte­res Herankommen an Kredite.

Insbesondere Forschung und Technologie zu fördern ist angesagt, aber nicht durch in­effiziente Förderpolitik mittels Gießkanne, sondern ganz gezielt.

Es müssen die Verwaltung reduziert, die Gesetze vereinfacht und die hohe Steuerbe­lastung gesenkt werden. (Beifall beim Team Stronach.)

Gerade die negativen Beispiele der Euro-Krisenländer zeigen, wie wichtig ein schlan­ker Staat und eine gute allgemeine Standortpolitik für das Wachstum sind.

Dringender Handlungsbedarf, meine Damen und Herren, besteht übrigens ganz aktuell auch aufgrund der dramatischen Folgen der Währungskreditsituation mit dem Schwei­zer Franken. Rund 6 000 der insgesamt 150 000 österreichischen Haushalte sind noch heuer durch die Auswirkungen der Frankenaufwertung betroffen. Im Schnitt werden sie für ihren Frankenkredit 33 000 € mehr bezahlen müssen. Hier wäre eine einmalige Un­terstützung des Finanzministers in Form von Steuervorteilen für Betroffene, die ihren Frankenkredit in einen Eurokredit konvertieren, gefragt. (Beifall beim Team Stronach.)

Auch die Banken, die ihre Kunden meist nicht rechtzeitig ausreichend über das Risiko eines Auslandswährungskredites informiert haben, müssten unbedingt mithelfen. (Abg. Schmuckenschlager: Wissen Sie, welche Größenordnung das ist?!) Die meisten ver­zweifelten Kreditnehmer können diese Mehrbelastung kaum stemmen. Ihnen wäre durch so einen Schritt geholfen, und der Wirtschaft würden dadurch mögliche Konsum­ausgaben zugute kommen.

Aber zurück zum Wirtschaftsstandort. Ich appelliere dringend an Sie, Frau Staatsse­kretärin Steßl, und an die gesamte Bundesregierung: Machen Sie endlich Schluss mit dieser Politik der Erschwernisse für Unternehmer und Investoren und optimieren Sie die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Österreich! – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

16.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Hable. – Bitte.

 


16.56.09

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Staatsse­kretärin! Geschätzte Bürger und Bürgerinnen auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Der Wirtschaftsstandort Österreich ist Gegenstand dieser Debatte, ist Gegenstand un­seres Dringlichen Antrages. Wir wollen aber nicht nur Kritik üben, notwendige und ge­rechtfertigte Kritik an der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung, sondern wir wollen auch in NEOS-Tradition konstruktiv Lösungsvorschläge anbieten.

Ein zentraler Pfeiler unserer Lösungsvorschläge ist das NEOS-Steuerreformkonzept. Und einer Steuerreform muss man sich auch wieder mit einer großen Portion Ehrlich­keit nähern. Warum? – Weil in der bisherigen Diskussion diese Ehrlichkeit sehr oft ge-


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fehlt hat. Alle Vorschläge, die ich insbesondere auch von der Bundesregierung bisher gehört habe, haben offen gelassen, wie man denn die angestrebte Entlastung finan­zieren will. In Wahrheit gibt es nur drei Möglichkeiten der Finanzierung: entweder ers­tens durch eine Entlastung über höhere Schulden, zweitens durch eine Entlastung über eine Steuererhöhung nach dem Prinzip: linke Tasche, rechte Tasche, oder durch die dritte und einzig ehrliche Variante aus unserer Sicht: Strukturreformen auf der Ausga­benseite.

Wir haben hier – und das ist der erste Schritt unseres Steuerreformkonzeptes – eben nicht bei den Steuern begonnen, sondern bei den Strukturreformen. Wir haben Vor­schläge von Experten und Expertinnen gesammelt: vom Rechnungshof, von WIFO, IHS und anderen, die uns sagen, wo viel Geld im österreichischen System versickert und wo wir mit einem geringeren Einsatz von Steuergeld dieselben öffentlichen Dienst­leistungen erzielen können. Und da kommt eine beachtliche Zahl zusammen: 19 Milliar­den €! 19 Milliarden € können laut diesen Vorschlägen eingespart werden, ohne dass die öffentlichen Dienstleistungen in irgendeiner Weise verlieren würden.

Diese Ehrlichkeit braucht man in der Diskussion – eine Ehrlichkeit, die mir auch im Re­debeitrag des Kollegen Matznetter abgegangen ist. Er ist jetzt gerade nicht hier, aber Sie können es ihm gerne ausrichten. Er hat hier wieder behauptet, die Abgabenlast würde sinken. Das kann man natürlich immer behaupten, nur die Menschen im Land werden das nicht glauben, denn alle Bürger spüren, dass die Lohnsteuereinnahmen auf Rekordniveau sind, alle Unternehmen spüren, dass kein Geld für Investitionen und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze da ist. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Das ist eine unehrliche Diskussion! Die Wahrheit ist eine andere. Die Wahrheit ist: Ös­terreich ist ein Hochsteuerland! Wir eilen von Steuerrekord zu Steuerrekord. Und daher lautet der erste große Ansatz unseres Reformkonzeptes: Weniger!

Wir müssen entlasten. Wir müssen die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen entlasten. Wir wollen die Einkommensteuer um rund 4 Milliarden € senken. Wir wollen dies mit ei­ner Steuerhoheit für Länder und Gemeinden verbinden. Und das ist eben nicht, wie Kollege Köchl – der jetzt leider auch nicht hier ist – gesagt hat, das Flicken von Stra­ßenlöchern, sondern hier geht es ganz konkret um Verantwortung.

Unsere Zahlen sagen nämlich auch, dass der österreichische Staat 11 Milliarden € mehr für Verwaltung ausgibt als die Schweiz. 11 Milliarden € mehr, und das jedes Jahr! – Nein, hier geht es nicht um das Flicken von Löchern des Straßenbelages, hier geht es um enorm viel Geld, das in ineffizienten Strukturen versickert.

Wir wollen die Lohnsummenabgaben senken, auch um rund 4 Milliarden €, um die Ar­beit zu entlasten, um den Druck von den Nettolöhnen wegzunehmen und um auch Spiel­raum für Unternehmen zu schaffen, Spielraum für weitere Arbeitsplätze.

Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass das Steuersystem einfacher wird. Wir ha­ben vorgeschlagen, eine Serie von Steuerarten von Bagatellsteuern bis zur Rechts­geschäftsgebühr anzugehen, wir würden damit jede dritte Steuerart in Österreich ab­schaffen.

Insgesamt ergibt das eine Entlastung von 8,5 Milliarden €, und dann bleibt sogar noch etwas übrig. Es bleiben 6 Milliarden übrig, um unser Defizit abzudecken. Es hat bisher auch noch niemand erklärt, wie wir das eigentlich machen wollen. Es bleiben 3 Mil­liarden € übrig, um mit dem Schuldenabbau zu beginnen – ein erster, notwendiger und ehrlicher Schritt –, und es bleiben dann sogar noch 3,5 Milliarden € übrig, Spielraum, den wir geschaffen haben für Investitionen in die Zukunft. Das ist insgesamt ein muti­ges Konzept – das sagen nicht wir, das sagt Fritz Schneider, der bekannteste öster­reichische Ökonom im deutschsprachigen Raum –, und diesen Mut fordern wir auch von der Bundesregierung ein.


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Es reicht nicht, dass wir uns an Griechenland und anderen Krisenländern orientieren, wir müssen uns an den Besten orientieren. Nur so werden wir unseren Wirtschafts­standort erhalten, nur so werden wir den Wohlstand und die Arbeitsplätze in diesem Land erhalten. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

17.01


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.02.08

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Schellhorn von den NEOS – ich glaube, er ist jetzt nicht im Saal, doch, er ist hier –, Sie haben uns die Situation Ihrer beiden Söhne geschildert, beide Unternehmerkinder, Mitte und Ende zwan­zig, die am Wirtschaftsstandort Österreich keine Zukunft für sich sehen.

Ich muss schon sagen, dass ich es schäbig finde, wenn der österreichische Wirtschafts­standort Ihrerseits ständig schlechtgeredet wird. Das ist er schlicht und einfach nicht!

Ich möchte Ihnen das an meinem Beispiel erklären. Ich bin auch ein Unternehmerkind, habe vor zwei Jahren den Betrieb meiner Eltern gemeinsam mit meinem Bruder über­nommen. Wir wirtschaften gerne in Österreich und sehen für uns mit guten Ideen auch viele, viele Chancen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Selten ist etwas so entlarvend wie die heutige Dringliche Anfrage von den NEOS. Las­sen Sie mich daraus zitieren:

„In der Industrialisierung mussten die Arbeitnehmer_innen vielleicht“ – ich zitiere: „viel­leicht“ – „noch vor den Arbeitsbedingungen in den Konzernen geschützt werden. Im 21. Jahrhundert werden neue Jobs aber nicht mehr durch das längste Fließband, son­dern durch Innovation in Technologien und Dienstleistungen geschaffen.“

Ist das (die Rednerin zeigt eine Tafel, auf der Näherinnen in einer Fabrik abgebildet sind, und stellt diese anschließend auf das Rednerpult) die Welt, von der Sie spre­chen? Ist das das Bild, von dem Sie sprechen? (Abg. Hable: Das ist die Realität!) – Das ist wahr! Ihr Wirtschaftsliberalismus! Das ist Ihr Wirtschaftsliberalismus, bitte schön. (Abg. Strolz: Ja, das ist die Jacke, die Sie anhaben!)

Wir alle leben in der gleichen Welt, Herr Strolz! Das Bild soll Ihren Horizont erweitern. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Also nochmals: Im 21. Jahrhundert werden neue Jobs nicht mehr durch das längste Fließband bestimmt. – Guten Morgen, NEOS, träumen Sie weiter!

Schauen Sie sich das an (die Rednerin zeigt auf die Tafel), oder lassen Sie es mich nochmals mit Ihren Worten sagen: Kapital ist heute so flüchtig, wie es die zunehmend fehlenden hochqualifizierten Arbeitskräfte sind.

Millionen von Menschen flüchten vor dem Kapitalismus, das ist die Realität, und Sie wollen den Arbeitsschutz aushebeln. Prägen Sie sich dieses Bild genau ein! (Die Red­nerin zeigt neuerlich auf die Tafel.) Das ist die Welt, die Sie und Ihre NEOS erschaffen möchten.

Dabei, Herr Schellhorn, holt Sie heute ein wie mein Vorredner, Peter Haubner von der ÖVP, schon angemerkt hat , dass Sie selbst in der Hoteliervereinigung politisch jah­relang aktiv waren – das möchte ich jetzt ansprechen – und dort die Interessen der Mit­glieder vertreten haben. Ich verstehe schon, dass man sich als Mitglied einer neuen Partei etablieren möchte. Fakt ist aber, dass die NEOS heute alt aussehen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Nach Wasserprivatisierung und der Forderung nach einem 12-Arbeitsstunden-Tag pre­schen Sie heute vor und wollen die Arbeitnehmerregelungen aushebeln. Sie nennen das Flexibilität. Solche Vorhaben unterstützen wir Sozialdemokraten nicht.

Ich träume von einem Land, in dem das Einkommen gerecht verteilt ist, in dem Armut effektiv bekämpft wird, nicht von Großkapitalismus.

Die Kluft zwischen Arm und Reich darf nicht mehr größer werden. Der Faktor Arbeit muss entlastet werden. Das, was Sie vorhaben, ist die Förderung weniger und das Aus­nutzen vieler.

Lesen Sie einmal den aktuellen Sozialbericht: 47 Prozent der Unselbständigen arbeiten schon jetzt in atypischen Beschäftigungsformen. (Abg. Strolz: Sie haben das Jahrhun­dert verwechselt, das ist Klassenkampf!) Willkommen im 21. Jahrhundert!

Überhaupt haben Sie, Herr Schellhorn, ja jahrelang, wie gesagt, in der Hoteliervereini­gung mitgewirkt und Ihre Mitglieder vertreten. Da müssen Sie doch ganz genau wissen, wie wichtig Interessenvertretungen sind, wie wichtig sie gerade im Bereich von EPUs und KMUs sind.

Die Eisdiele ums Eck kann sich keine eigene Rechtsanwaltskanzlei leisten. Ihre Forde­rungen wären also eine klare Schlechterstellung für EPUs und KMUs gegenüber den Großbetrieben.

Als Unternehmerin sage ich ganz klar, dass Ihre Konzepte an der Realität vorbeispa­zieren.

Als Demokratin sage ich Ihnen auch, dass ich einem Freihandelsabkommen nicht zu­stimmen werde, das die sozialen Standards und die Lebensmittelstandards unter­schreitet.

Die Sozialdemokratie wurde in Österreich auch genau deshalb gegründet, weil Victor Adler damals in den Ziegelwerken gesehen hat, was die Nichteinhaltung von sozialen Standards bedeutet: erbärmliches soziales Elend.

Als Sozialdemokratin muss ich Ihnen die Realität vor Augen halten. (Die Rednerin zeigt auf die Tafel.) – Nichts, aber rein gar nichts ist an den NEOS mittlerweile noch liberal.

Dann fordern Sie eine „One-in-One-out-Regel“ für die Gesetzgebung. Wie darf ich mir das vorstellen? Wenn wir im Parlament ein Gesetz für Behinderte machen, muss ich dann warten, bis ein Gesetz der Straßenverkehrsordnung herausgenommen wird? – Das ist nicht durchdacht, unausgewogen und undurchschaubar!

Wahr ist zum Beispiel, dass Österreichs Wirtschaft einer Normenflut gegenübersteht. Für kleine und mittlere Betriebe ist es ganz, ganz schwierig, mit dieser Flut an Normen zu wirtschaften.

Allein im Jahr 2014 beispielsweise wurden 1 519 neue Normen erlassen und 1 257 zu­rückgezogen, das bedeutet einen Normierungsaufwand von 2 776 Normen. Das ist ein­fach viel zu viel! Wer soll sich da noch auskennen? Das haben wir erkannt, das steht auch im Regierungsprogramm, und damit wollen wir die Wirtschaft entlasten. Hier fehlt es an Transparenz. Großbetriebe geben Normen vor, und diese müssen dann notge­drungen von den kleineren Betrieben übernommen werden.

Die Kosten für die öffentliche Hand bezüglich der vielen, vielen Normen sind gerade im Bausektor enorm. Aber diese Themen sprechen Sie nicht an.

Die Probleme der Wirtschaft erkennen Sie nicht. Liebe NEOS, wenn Sie sich schon einbringen wollen, dann bitte richtig. Ich möchte, dass Sie sich dieses Bild hier (die Rednerin zeigt die Tafel) genau einprägen, denn das ist das Gesicht des NEOS-Kapi­talismus. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strolz: Für meine Gesundheit ist das nicht gut!)

17.08



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 160

Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wö­ginger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.08.30

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte auf drei Bereiche einge­hen, die Kollege Schellhorn angesprochen hat und die es meiner Meinung nach wert sind, dass man darüber diskutiert. Ich möchte vielleicht einige Ergänzungen vorneh­men.

Sie haben den Bundeskanzler zu drei Bereichen befragt: Was wird gegen die hohe Ar­beitslosigkeit getan? Was sind die Vorhaben, damit den Menschen mehr Geld ver­bleibt, mehr Netto vom Brutto? Was wird im Hinblick auf Entbürokratisierung getan?

Ich möchte zur Frage der Arbeitslosigkeit einige Anmerkungen machen, weil ich es als notwendig erachte, dass man der Bevölkerung mitteilt, dass die Regierung an dieser Problematik arbeitet. Das ist eine Herausforderung in unserem Land, ja in ganz Euro­pa: Wir haben eine Anstieg bei Arbeitslosigkeit, aber auch bei Beschäftigung.

Ich möchte das auch für die Republik Österreich festhalten. Wir haben fast 3,5 Mil­lionen unselbständig Erwerbstätige auch zu diesem Zeitpunkt –, so viele wie nie zu­vor. Wir haben aber leider auch eine steigende Arbeitslosigkeit.

Im Vorjahr waren es rund 20 000 Personen mehr, die in die Beschäftigung eingetreten sind, und um rund 30 000 Personen mehr sind arbeitslos geworden. Meine Damen und Herren! Den Menschen, die derzeit auf Jobsuche sind, gilt natürlich unsere Aufmerk­samkeit, das ist keine Frage. Und diese Bundesregierung tut auch etwas gegen die Ar­beitslosigkeit. Ich möchte auf den Ministerratsvortrag verweisen, der jeden Monat durch den Ministerrat geht, der abrufbar ist und wo klar und deutlich die Zahlen enthal­ten sind.

Ich möchte festhalten: Wir sind mit Deutschland auf dem Stockerlplatz, nämlich auf dem ersten Platz. Wir haben über das Jahr gerechnet in etwa die gleiche Arbeitslosig­keit und wir haben die zweitniedrigste Jugendarbeitslosigkeit.

Wichtig ist jedoch, und das gehört auch einmal gesagt: Wir haben 20 000 Arbeitslo-
se, die langzeitarbeitslos sind, von insgesamt 400 000 Arbeitslosen. 900 000 Menschen durchwandern pro Jahr das AMS, um auch diese Institution einmal positiv zu erwäh­nen. Es gibt immer Verbesserungsbedarf, aber 900 000 Menschen durchwandern das AMS, und 583 000 Personen konnten voriges Jahr durch das AMS wieder eine Be­schäftigung aufnehmen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.) – Das muss man hier auch einmal anerkennend zum Ausdruck bringen.

Eine Gruppe, die es besonders schwer hat, auf dem Arbeitsmarkt wieder unterzukom­men, sind ältere Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die über 50 Jah­re alt sind. Wir alle kennen sie aus unseren Sprechtagen. Wir haben hier eine Einglie­derungsbeihilfe und eine Kombilohnbeihilfe geschaffen. 14 400 Menschen wurden vo­riges Jahr mit einer Eingliederungsbeihilfe wieder in den Arbeitsmarkt integriert und 5 580 haben eine Kombilohnbeihilfe erhalten.

Meine Damen und Herren! Wir erkennen die Problematik und tun etwas dagegen. Die Zahlen beweisen auch, dass die Bundesregierung und auch wir im Parlament die rich­tigen Maßnahmen setzen.

Ältere in Beschäftigung halten, das wollen wir gemeinsam erreichen. Das geht nicht mit Bevormundung und Bestrafung, das geht nur durch gemeinsames Vorgehen mit den Unternehmungen und mit der Arbeitnehmerschaft, meine Damen und Herren. Das kann man nur gemeinsam lösen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wir von der Volkspartei werden zwischen ÖAAB und Wirtschaftsbund entsprechende Maßnahmen entwickeln, die wir Ihnen auch vorstellen werden, weil wir der Meinung sind, dass man das nur gemeinsam lösen kann, aber nicht mit Bestrafen und Bevor­munden.

Meine Damen und Herren! Es ist erwähnt worden, dass die Daten in Deutschland bes­ser wären als in Österreich. Ja, das stimmt zum Teil, es gibt auch eine Begründung dafür: Deutschland ist demographisch gesehen älter als Österreich. Dort wird derzeit um Zuzug geworben. In Deutschland gehen mehr Menschen in Pension als in den Ar­beitsmarkt eintreten. Diese Situation hat Österreich noch nicht.

Ich möchte als Mandatar, der in einer Grenzregion lebt, nämlich im Innviertel, im Bezirk Schärding, auch eine Zahl bringen. Mein Vater war selbst Grenzgänger. Wir sind der­zeit in der Situation, dass 100 000 Deutsche in Österreich arbeiten und 50 000 Öster­reicher in Deutschland. Die Situation war noch vor wenigen Jahren völlig umgekehrt. Das sollte man auch dazusagen, wenn wir von Zuzug auf unseren Arbeitsmarkt spre­chen, meine Damen und Herren!

Der zweite Aspekt sind die Steuerreform und das Ziel, dass den Menschen mehr Geld im Börserl bleibt. Ja, das unterstützen wir, meine Damen und Herren! Mehr Netto vom Brutto! Die Abgabenquote ist zu hoch. Deshalb muss ein Hauptaugenmerk auf die Ent­lastung im Lohn- und Einkommensteuerbereich, auf die Entlastung insbesondere auch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Familien mit Kindern gelegt werden, meine Damen und Herren. Das ist uns von der Volkspartei ein ganz großes Anliegen. Wir haben da eine Ungleichbehandlung im Steuersystem zwischen Familien mit Kin­dern und Familien ohne Kinder. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

Meine Damen und Herren! Wir haben ein Modell ausgearbeitet, die Mitarbeitererfolgs­beteiligung. Das wäre ein Modell, das sofort umgesetzt werden könnte, bei dem von 1 000 € – wenn ein Unternehmer bereit ist, das an seine Mitarbeiter auszuschütten  mit einer Endbesteuerung von 25 Prozent 750 € übrig bleiben sollten. Das könnte man relativ schnell machen. Aus meiner Sicht ist da auch die Gegenfinanzierung keine Fra­ge, weil das den Konsum ankurbeln würde. Und das sollten wir mit einer Steuerreform auch bezwecken.

Der letzte Punkt ist eine aktive Standortpolitik. Wir brauchen uns nichts vorzumachen, es geht darum, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Wir müssen da attrak­tiver werden, was die Rahmenbedingungen anlangt. Und nur die Unternehmer können aufgrund attraktiver Rahmenbedingungen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. (Abg. Lich­tenecker: Ja, das stimmt! Tun!)

Entbürokratisierung, mit diesem Thema möchte ich schließen, weil es angesprochen worden ist. Zum einen haben wir hier in diesem Haus schon diesbezügliche Be­schlüsse gefasst. Wir haben Beauftragte gestrichen, wir haben Arbeitszeitaufzeichnun­gen vereinfacht. Und wir haben hier auch, weil das Bestbieterprinzip angesprochen worden ist, eine große Veranstaltung zu dieser Thematik durchgeführt, wir wollen weg vom Billigstbieter- hin zum Bestbieterprinzip gehen.

Abbau von Bürokratie und Vereinfachung müssen auch Bestandteile dieser Steuerre­form sein. Ich darf abschließend ein Beispiel aus Oberösterreich bringen. Landeshaupt­mann Pühringer hat die Bevölkerung aufgerufen, mitzuteilen, was ihr persönlich im Verwaltungsgeschehen sozusagen widerfahren ist. 18 000 Rückmeldungen sind dem Land Oberösterreich zugesendet worden, die jetzt auf- und abgearbeitet werden, mög­liche Vereinfachungen werden zur Umsetzung gelangen.

Die Verwaltung muss vereinfacht werden. Vorschriften, Gesetze, Verordnungen müs­sen wir reduzieren. Es liegt nicht an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentli­chen Dienst, sondern an einer gewissen Regelungswut, die wir in den letzten Jahren


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hier aufgebaut haben, wir in Österreich, auch in den Ländern, und vor allem auch in der Europäischen Union. (Abg. Kitzmüller: Wer dominiert denn die Länder?)

Und der letzte Satz, meine Damen und Herren: Wir müssen ausgabenseitig sparen. Wir müssen ausgabenseitig sparen, um die notwendige Steuerentlastung finanzieren zu können. Das muss das Credo bei der Diskussion sein, wenn es um die Steuer­entlastung der Bürgerinnen und Bürger geht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

17.15


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter An­gerer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.15.43

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Bevor wir zur Negativbilanz der Wirt­schaftspolitik der Regierungsparteien kommen, muss ich zu Herrn Köchl von den Grü­nen etwas sagen, was die Wirtschaftspolitik vor allem in Kärnten betrifft: Das Einzige, das Sie, seit Sie in der Regierung sitzen, zustande gebracht haben, ist die Verhinde­rung eines 60-Millionen-Investitionsprojekts am Mölltaler Gletscher und der dilettanti­sche Umgang mit einem Wirtschaftsskandal im Görtschitztal, wo die negativen wirt­schaftlichen Auswirkungen für eine ganze Region noch nicht absehbar sind. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lichtenecker: So ein Unsinn!)

Jetzt zur Wirtschaftspolitik unserer Bundesregierung. Nimmt man die „Neue Zürcher Zeitung“ vom 1. Jänner zur Hand, liest man darin: „Zangengriff von Parteien und Kam­mern lähmt Österreich“. Und: „Österreich lebt seit Jahren auf Kosten der Subs­tanz.“ – Das muss man leider so auch feststellen. Und leider haben die Österreicherin­nen und Österreicher auch dieses Gefühl und dieses Empfinden.

Leider ist die rot-schwarze Koalition immer wieder gefangen in ihren Sozialpartnersys­temen, mit der Landwirtschaftskammer und der Wirtschaftskammer bei der ÖVP und auf der anderen Seite mit der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft. Daher muss man davon ausgehen, dass sich leider keine Reformen umsetzen lassen.

Seit 2007, und das ist ein Faktum, auch wenn der Herr Bundeskanzler anderes betont und immer wieder anderes zitiert, gehen die Zahlen im internationalen Vergleich, was die Wirtschaft betrifft, nach unten. Wir verlieren im Vergleich mit der EU. Obwohl in der EU Wachstum ist, ist in Österreich Sinkflug. Das Einzige, was in Österreich steigt, sind die Arbeitslosigkeit und die Inflation, und die Konjunktur geht zurück.

Dass es uns heute in Österreich noch so gut geht, ist keine Errungenschaft der Par­teien und der Regierung, sondern der fleißigen Menschen in diesem Land, natürlich auch der Unternehmer und der Exportwirtschaft. Wir haben heute 150 Unternehmen, die Weltmarktführer sind, die halten dieses Land noch aufrecht, und die fleißigen Un­ternehmer und KMUs. Die sind es. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist zu befürchten, dass auch das noch durch diese Politik geschwächt und kaputt gemacht wird. Die Wirtschaft sagt: Wir brauchen Arbeitskräfte! Doch leider macht jeder gut Ausgebildete einen Bogen um Österreich, und die schlecht Ausgebildeten, die Un­gelernten, die landen bei uns im Sozialsystem. Das ist die Migrationspolitik.

Und sehen wir uns die Hochschulpolitik an: Wir haben zwar sehr viele Menschen aus dem Ausland, die bei uns in Österreich studieren, aber nur 17 Prozent davon bleiben auch hier. Das heißt, wir verlieren da gut ausgebildete Menschen. Der Braindrain aus Österreich setzt sich fort.

Die Forschungsquote, die vom Herrn Bundeskanzler heute angesprochen wurde, liegt derzeit bei 2,8 Prozent, und – das zeigen unsere Wünsche, die in den Papieren ste­hen – sie soll im Jahr 2020 bei 3,76 Prozent sein. Dieser Wert liegt wohl in weiter Ferne.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 163

Kleine und mittlere Unternehmer – das hört man, wenn man hinausgeht und mit ihnen redet – stöhnen unter der Verwaltung, unter den Auflagen, die sie zu erfüllen haben, unter dem Verwaltungsaufwand, unter den steuerlichen Belastungen, unter den Aufla­gen, die ihre Arbeitnehmer haben. Zum Beispiel stellt die Kennzeichnungsverordnung, die schon erwähnt worden ist, nicht nur eine massive Beeinträchtigung der Gastwirte, sondern auch des Lebensmittelbereiches dar. So muss ein Lebensmittelunternehmer heute neue Waagen ankaufen, weil auf der Waage angezeigt werden muss, was in diesem Produkt, das der Käufer erwirbt, enthalten ist. Einen kleinen Spar-Markt bei uns im Ort kostet die erforderliche Investition 20 000 €, nur damit er diese Verordnung erfüllen kann. Das sind Auflagen, die wir den Unternehmern und damit der Wirtschaft auferlegen, und damit schwächen wir sie.

Wenn man heute Herrn Loacker von den NEOS gehört hat, dann muss ich sagen: Das hat mir als Kommunalpolitiker natürlich auch wehgetan. Da würde ich allen raten, viel­leicht auch einmal in die Kommunalpolitik zu gehen – man steigt ja in der Wirtschaft auch nicht gleich als Generaldirektor ein –, bevor man hier in den Nationalrat herein­geht und dann über Föderalismus und Finanzen redet.

Es ist immer noch so – ich habe es schon mehrfach erwähnt –, dass die Gemeinden in diesem Land mit den Finanzen auskommen und Bund und Länder Schulden machen. Man sollte dort sparen, wo man Schulden macht – das wird der Unternehmer auch tun –, bevor man bei denen spart, die mit den Finanzen sowieso auskommen. Dann den Feuerwehren und den Freiwilligen in unserem Land die Ausrüstung zu verweigern, das ist, finde ich, einfach der falsche Weg. Das tut man nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Abschluss noch: Wenn man heute den Herrn Finanzminister gehört hat, dann hof­fe ich, dass er in der Lage ist, das umzusetzen, was er heute über das Föderalismus­system und sein Steuerreformpaket gesagt hat. Er hat nur, wie heute auch jemand richtig erwähnt hat, einen Klotz am Bein, und das sind die beiden Regierungspartei­en. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.20


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Rossmann. – Bitte.

 


17.21.02

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Herr Präsident! Herr Kanzler! Hohes Haus! Ich möchte mich doch ein wenig mit dem Steuerreformkonzept der NEOS aus­einandersetzen. Herr Schellhorn hat ja gesagt, es sei Bestandteil einer nationalen Wachs­tumsoffensive. Eine Wachstumsoffensive muss prinzipiell wohl auf der europäischen Ebene erfolgen, wenn sie was sein soll, und zum Zweiten muss sie natürlich auch nach­haltig sein. – Das ist aber nur eine Randbemerkung.

Nun zum Steuerkonzept der NEOS selbst. Die Zuschreibungen lauten: weniger, einfa­cher, generationengerecht. Mit all diesen drei Zuschreibungen möchte ich mich jetzt kurz auseinandersetzen.

Weniger: weniger Steuern. Ja, Sie haben vor, Steuern zu senken, das ist richtig. Ich kann mich jetzt aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht mit allen Steuersenkungen, die Sie in Ihrem Konzept drin haben, befassen. Aber einen Punkt möchte ich doch herausgreifen, das ist die Entlastung der Lohn- und Einkommensteuer.

Die Entlastung der Lohn- und Einkommensteuer sieht vor, dass die niedrigen Einkom­men jedenfalls mit null entlastet werden – das entnehme ich Ihren Folien. Das heißt also, dass die niedrigen Einkommen in diesem Land, nämlich jene Einkommen, die kei­ne Lohn- und Einkommensteuer zahlen, auch nicht entlastet werden. Das sind immer­hin 2,5 Millionen Menschen in diesem Land. (Abg. Strolz: Es heißt ja Steuerreform ...!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 164

Es sind 2,5 Millionen Menschen in diesem Land, vorwiegend Frauen, Teilzeitbeschäf­tigte mit niedrigem Einkommen, die Sie nicht entlasten wollen! Und je höher das Ein­kommen ist, desto stärker wird die Entlastung. Das erinnert mich in Wirklichkeit an die Steuerreformkonzepte der ÖVP und auch der SPÖ: Die Entlastung ist in der unteren Hälfte immer deutlich niedriger als in der oberen Hälfte. (Abg. Darabos: Mit der SPÖ ...!)

Jetzt fragen wir uns noch: Wie schaut dann das Finanzierungskonzept aus? – Ich grei­fe nur ... (Abg. Strolz: Wenn keine Steuer gezahlt wird ...!) Jetzt hören Sie mir einmal zu, Herr Kollege Strolz! – Ich greife das Finanzierungskonzept zunächst nur zum Teil heraus. 19,1 Milliarden an Ausgabenkürzungen sind da drin. Was die Relevanz für die Selbstfinanzierung durch die Menschen anlangt, möchte ich doch eines hervorheben: Die geplanten Kürzungen bei den Pensionen liegen in der Größenordnung von 6,8 Mil­liarden €; die Tarifentlastung bei der Lohn- und Einkommensteuer macht ungefähr 4 Mil­liarden aus.

Darüber hinaus haben Sie in Ihrem Konzept Einsparungen im Gesundheitsbereich von 4,5 Milliarden € vorgesehen. Da geht Herr Hable her und sagt: Es kommt zu keinen Kürzungen von Dienstleistungen. Na, wie wollen Sie denn das machen? Wie wollen Sie im Gesundheitsbereich 4,5 Milliarden € einsparen, ohne dass es dort zu Kürzungen kommt? (Beifall bei den Grünen.) Wie wollen Sie im Pensionsbereich 6,8 Milliarden € einsparen, ohne dass es zu Kürzungen im Pensionsbereich kommt?

Ihr Konzept ist nämlich ein Konzept, das nicht ehrlich ist. Ihr Konzept ist ein Konzept, bei dem sich die Menschen, die entlastet werden, die Steuern durch Kürzungen bei den Pensionen auf der einen Seite, aber auch durch Kürzungen bei den Gesundheits­leistungen wieder selber zahlen!

Sie müssen mir einmal erklären, Herr Kollege Hable und Herr Kollege Strolz, warum nur ein Konzept ehrlich sein soll, das auf der Ausgabenseite ansetzt. Sie nennen das Ausgabenstruktur. (Zwischenruf des Abg. Hable.) Erklären Sie mir einmal, warum eine Steuerstrukturreform unehrlich ist, eine Steuerstrukturreform, die vorsieht, dass man dort ansetzt, wo die Belastung am höchsten ist, nämlich bei den Arbeits- und Erwerbs­einkommen, die gleichzeitig aber auch dort ansetzt, wo die Belastung am niedrigsten ist, nämlich bei den 10 Prozent der Reichsten und Vermögendsten in unserem Lande. Was soll denn daran unehrlich sein, wenn die Vermögenden im Lande einen Beitrag zur Entlastung der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen leisten? (Beifall bei Grünen und SPÖ.) – Das müssen Sie mir, das müssen Sie den Menschen, unseren Zuseherin­nen und Zusehern zu Hause wirklich einmal erklären!

Ihr Steuersystem soll aber auch einfacher werden. Sorry, ich kann nicht erkennen, wo das Steuersystem in Wirklichkeit einfacher wird. Es hat als Bestandteil – ich greife nur ein Beispiel heraus – mehr Steuerautonomie für Länder und Gemeinden drinnen, Zu­schläge zur Lohn- und Einkommensteuer.

Jetzt überlegen wir uns aber einmal, was da einfacher wird. Da gibt es die Arbeitneh­merveranlagung in der Lohnsteuer. Wenn einmal die Mittel verteilt sind, dann müssen nach erfolgten Arbeitnehmerveranlagungen in einem Zug die ganzen Finanzausgleichs­ströme neu aufgerollt werden. Damit ist ein enormer administrativer Aufwand verbun­den. (Abg. Strolz: Es gibt ja mittlerweile Computer!) Haben Sie sich das überlegt?

Haben Sie Herrn Kollegen Friedrich Schneider gefragt, ob darin der Mut besteht, von dem Herr Kollege Hable gesprochen hat? – Herr Schneider ist übrigens nicht der be­kannteste Ökonom im deutschsprachigen Sprachraum, sondern das ist mit Sicherheit (Abg. Fekter: Das ist Herr Rossmann! – Heiterkeit bei der ÖVP) – nein, nein, Frau Fi­nanzministerin außer Dienst, so verwegen bin ich nicht – Herr Hans-Werner Sinn. Er ist nicht meiner, er ist einer von der neoliberalen Sorte, aber er ist mit Sicherheit der be­kannteste deutschsprachige Ökonom.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 165

Von Einfachheit kann also nicht die Rede sein. Wo ist denn Ihr Mut geblieben, den Sie im „Sommergespräch“ noch angedeutet haben, als Sie von einem integrierten Tarif ge­redet haben, von der Zusammenführung, der Vereinheitlichung der Bemessungsgrund­lagen in der Lohnsteuer auf der einen Seite und bei den Sozialversicherungsbeiträgen auf der anderen Seite? – Davon ist nichts mehr zu erkennen.

Die dritte Zuschreibung zu Ihrer Steuerreform lautet: generationengerecht. „Genera­tionengerechtigkeit“ verbinde ich aber nicht mit einer Kürzung im Pensionsbereich. Das hat auch mit der Steuerseite wenig zu tun, das hat etwas mit der Ausgabenseite zu tun. Wenn ich mich daher frage, was „generationengerecht“ heißt, so muss ich mir wohl die Frage nach der ökologischen Nachhaltigkeit stellen. Ja, darin erkenne ich ein Genera­tionenelement.

Was ist denn Ihr ökologisches Steuerkonzept? – Ihr ökologisches Steuerkonzept schaut so aus, dass Sie im ökologischen Bereich drei Abgaben streichen wollen, nämlich die NoVA, die Flugabgabe und die Kfz-Steuer. Im Gegenzug wollen Sie eine CO2-Steuer einführen, aufkommensneutral. Wo da sozusagen die Ineffizienz und die Ineffektivität bei den drei Steuern, die Sie streichen wollen, liegt (Zwischenruf des Abg. Strolz), das müssen Sie mir auch einmal erklären, Herr Kollege! (Beifall bei den Grünen.)

In einer CO2-Steuer kann ich einen Sinn erkennen. Aber warum, bitte, aufkommens­neutral? (Abg. Strolz: Weil wir nicht belasten wollen!) Das kann ich, ehrlich gesagt, nicht ganz nachvollziehen.

Wenn Sie, Herr Kollege Strolz, auch gesagt haben, Sie sind die erste Parlamentspar­tei, die ein durchgerechnetes Steuermodell vorgelegt hat, so halte ich dem entgegen: Wir sind die einzige Partei, die ein seriös durchgerechnetes Steuermodell vorgelegt hat. (Abg. Strolz: Vom Herrn Rossmann durchgerechnet?) Nein, vom Herrn Professor Willi Altzinger von der Wirtschaftsuniversität und seinen Forschungsassistenten. Siehe da: durchgerechnet! (Abg. Strolz: Gratuliere dazu!)

Unser Konzept ist eines, das in der Tat auch verteilungspolitisch gerecht ist, weil die untersten 90 Prozent entlastet werden und die 10 Prozent Reichsten zahlen. Es ist auch aus der frauenpolitischen Perspektive etwas drinnen, nämlich die Tatsache, dass die untersten Einkommen entlastet werden, und da finden sich nun einmal die meisten Frauen. Es ist auch konjunkturgerecht, weil nur Konjunktureffekte von einer Steuersen­kung ausgehen, wenn die niedrigen und unteren Einkommen und die in der Mitte ent­lastet werden, aber nicht, wenn die oberen entlastet werden, weil jeder Steuereuro, der dort hinfließt, konjunkturpolitisch verfehlt ist. (Beifall bei den Grünen.)

Von einer ökosozialen Steuerreform – das möchte ich noch einmal anfügen – kann in Ihrem Konzept nicht die Rede sein. Daher kann ich nicht erkennen, dass es ein Kon­zept ist, das entlastet, das einfacher ist und das generationengerecht ist. Da müssen Sie an Ihrem Steuerkonzept noch sehr kräftig feilen! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grü­nen.)

17.29


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stein­bichler. – Bitte. (Abg. Hörl – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Stein­bichler –: Was hast denn heute mit?)

 


17.30.02

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Sehr geehrter Herr Bundeskanz­ler! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher auf der Tribüne und zu Hause nach getaner Arbeit an den Fernsehgeräten! Ich finde es eigentlich gut, dass heute diese Dringliche Anfrage zum unternehmeri­schen Österreich diskutiert wird. Die Debattenbeiträge haben gezeigt – jetzt der letzte,


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wo wir uns darüber unterhalten, welche Studien und welche Konzepte seriös sind, wel­che nachhaltig sind –, wie wichtig es ist, dass man hier eine grundlegende Diskussion führt.

Wie wir wissen, ist die Entwicklung tatsächlich eine schwierige, nicht nur in Österreich, sondern auch international, und natürlich können wir uns nicht abschotten. Allerdings darf ich einleitend doch kurz einige Grundsätze aus dem Nationalratswahlkampf von unserem Gründer Frank Stronach wiederholen, der klipp und klar gesagt hat: Wir brauchen eine Verwaltungsreform, wir müssen das Geld von der Bürokratie zur Wirt­schaft, zu den Familien, zu den Kleinunternehmen bringen. Wir müssen die heimische Wirtschaft stützen. Wir müssen jene Banken und Konzerne, die ins Ausland flüchten, besteuern und jene, die regional investieren, fördern, weil letztlich hier dann auch die Wirtschaftskraft entsteht, die Familien und die Arbeitnehmer Geld zum Investieren ha­ben und die Wirtschaft prosperiert.

Wenn der Opposition von den Regierungsparteien Polemik vorgeworfen wurde, muss ich sagen: Natürlich wird man manche Vorschläge als Polemik abtun. Aber umgekehrt ist es so, und ich bin sehr dankbar, dass der Herr Bundeskanzler bei dieser wichtigen Diskussion persönlich anwesend ist.

Ein kurzer Querschnitt: Hier in diesem Haus hat uns Landwirtschaftsminister Rupp­rechter erklärt, er wird sich gegen TTIP stellen und die österreichischen Standards ver­teidigen; auch in einem „Kronen Zeitung“-Beitrag mit Ökonomierat Tobias Moretti. Aber jetzt auf der Grünen Woche – Herr Präsident Schultes, du wirst es auch vernommen haben – auf einmal die Kehrtwendung: TTIP hat auch positive Seiten!

Er wird die österreichischen Spezialitäten vor TTIP schützen. Das ist, glaube ich, das ganz Wesentliche, dass wir jetzt darüber reden: Welche Spezialitäten will der Herr Minister für Österreich schützen? – Ich glaube, das ist das Wesentliche. (Der Redner hält in der Folge mehrere Nahrungsmittelpackungen, die er in einem Warenkorb ans Rednerpult mitgebracht hat, in die Höhe.)

Wenn er als Patriot den Tiroler Speck angesprochen hat, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dann möchte ich wissen, was hier aus Österreich ist. Sind es die dänischen Schweine? Sind es die polnischen Schweine, die lebend nach Österreich gekarrt und hier geschlachtet werden und den AT-Stempel bekommen?

Ist es eventuell diese Fischspezialität? – Feinstes und Pikantes für Genießer, natürlich aus Österreich. Ich möchte wissen, in welchem Meer die gefischt werden: im Atter­meer, im Mondmeer oder im Traunmeer?

Ist es Kürbiskernöl? – Hier haben wir ein Beispiel, wie es sein sollte: das steirische. Wir wissen aber, wie viele Substitute es gibt, die aus Nachpressung kommen oder aus im­portierten chinesischen Kernen gepresst werden.

Ist es etwa dieses traumhafte Honigglas, der Blütenhonig mit Blütenwiese? – Herrlich, aber es ist Honig aus internationalen „Landen“.

Oder, jetzt der Höhepunkt, ist es vielleicht diese Sprühsahne? – Sie wird von einer ös­terreichischen bäuerlichen Genossenschaft aus Belgien importiert, die den Bauern er­klärt: Es ist wichtig, dass wir nach China exportieren können, damit wir den Markt räu­men können.

Hier ist uns, glaube ich, der Herr Minister – Herr Kanzler, ich bitte hier auch Sie um Un­terstützung – eine Antwort schuldig. Haben wir in letzter Zeit wirklich zu viel, ich sage einmal, Etikettenschwindel in diese Lebensmittel- und Ernährungspolitik hineingebracht? (Beifall beim Team Stronach.)

Das Wichtigste, das Grundlegende nach der Geburt – wir haben es heute diskutiert – ist eine gesunde Ernährung. Von der Ernährung her, die für den Körper das Wichtigste


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ist, glaube ich, sollten wir wirklich unsere Spezialitäten sehen, für die wir auch bekannt sind. Wenn Minister Rupprechter in Berlin von „The Taste of Austria“ gesprochen hat, dann wollen wir unseren heimischen Konsumenten, aber auch unseren geschätzten Ge­schäftspartnern im Ausland wirklich auch den „Taste of Austria“ anbieten. Aber das muss fair sein, und da darf es nicht zu einer wunderbaren Vermehrung kommen. (Bei­fall beim Team Stronach.)

Deshalb würden wir ergänzend festhalten, weil es um den Wirtschaftsstandort Öster­reich geht, weil hier 150 000 kleine Bauernhöfe geschlossen wurden – Frau Kollegin Winzig ist leider nicht hier –: Jawohl, ich bekenne mich zur österreichischen Wirtschaft, weil viele kleine EPUs und KMUs im der Landwirtschaft nachgelagerten Bereich ge­schlossen wurden, weil da viele regionale Arbeitsplätze verloren gegangen sind, weil damit der ländliche Raum ausgedünnt wird, weil in der Folge wahnsinnige Kilometer­strecken vom und zum Arbeitsplatz zurückzulegen sind, weil dadurch Umweltbelastung entsteht, weil damit Klimabelastung und somit Gesundheitsbelastung entstehen und Ar­beitsplätze verloren gehen.

Aufgrund des Gütersiegel-Wirrwarrs auf dem Lebensmittelmarkt – wir haben das schon öfters besprochen –, damit endlich Klarheit auf dem Markt herrscht, darf ich wiederum folgenden Entschließungsantrag der Abgeordneten Steinbichler, Kolleginnen und Kol­legen zum Qualitätsgütesiegel-Gesetz einbringen:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

‚Die Bundesregierung wird aufgefordert, zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Ös­terreich dem Nationalrat unverzüglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der geeignet ist, die Einführung eines rechtlich verbindlichen, einheitlichen Qualitätsgütesiegels für al­le in Österreich angebotenen Lebensmittel zu ermöglichen.‘“

*****

Wir bitten um Unterstützung im Sinne unserer Volkswirtschaft, im Sinne einer regiona­len, prosperierenden Wirtschaft und keiner spekulativen, damit solche Bilder (der Red­ner hält die entsprechende Abbildung in die Höhe): „Geschlossen wegen US-Konkur­renz“, wie es bei uns ein regionaler Landwirtschaftsartikelhändler auf der Internetseite stehen hat, nicht die Zukunft sind. – Danke und bitte um Unterstützung. (Beifall beim Team Stronach.)

17.36


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Steinbichler soeben einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Qualitätsgütesie­gel-Gesetz“,

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag der Abgeordneten Schellhorn und Kollegen „Offensivpaket unternehmerisches Österreich“ in der 59. Sitzung des Na­tionalrates vom 21.1.2015.

Seit Jahren wird die Realisierung und rechtliche Verbindlichkeit eines einheitlichen Gü­tesiegels für die Lebensmittelkennzeichnung in Österreich diskutiert. In Österreich sind Produktion und Handel von Nahrungsmittel durch eine Vielzahl von Vermerken, Auf­drucken, Gütesiegel, Biosiegel und anderer rechtlich nicht einheitlich geregelter Kenn-


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zeichnungen geprägt. Die Konsumenten sehen sich einer Kennzeichnungsinflation aus­geliefert, die statt Anleitung zum sicheren Einkauf von Lebensmittel Verwirrung und Unsicherheit stiftet. Verarbeiter und Endverbraucher können nicht 100%ig sicher ge­hen, woher die von ihnen bezogenen Lebensmittel tatsächlich stammen, wie und wo sie verarbeitet wurden und unter welchen Bedingungen die Aufzucht bzw. der Anbau erfolgt ist. Die in Österreich kursierenden Kennzeichnungen sind untereinander nicht vergleichbar und haben damit für die Konsumenten keine Aussagekraft über tatsächli­che Qualität und fairen Preis der angebotenen Produkte.

So sind neben dem AMA-Gütesiegel über 100 weitere „Gütezeichen“ und Eigenmarken in Verkehr, die das AMA-Gütesiegel zu einem unverbindlichen Scheinsiegel degradie­ren. Aus Konsumentensicht ermöglicht aber auch das AMA-Gütesiegel keinen echten Qualitätsvergleich, da nur der geringere Teil der in Österreich angebotenen Lebensmit­tel den AMA-Richtlinien folgt.

Dessen ist sich auch der Landwirtschaftsminister bewusst:

„In Österreich gibt es derzeit im Bereich der Lebensmittelkennzeichnung nur das AMA‑Gütesiegel und das AMA – Biozeichen sowie in diesem Bereich auch die Zeichen BOS, SUS und OVUM, welche rechtlich relevant sind. Alle anderen Auslobungen auf Lebensmitteln sind reine Wort-Bildmarken, die keine rechtlich verbindliche Güteaussa­ge treffen. Es gibt kein Instrument, mit dem die AMA die Verwendung von anderen Wort-Bildmarken unterbinden könnte. Die Auslobung unwahrer Angaben ist allenfalls nach patentrechtlichen oder strafrechtlichen Vorschriften zu beurteilen.“ 1)

Darüber hinaus kann die derzeitige Handhabung des AMA-Gütesiegels ebenso keine Sicherheit für die 100%ige österreichische Herkunft des damit versehenen Lebensmit­tels garantieren. Eine einheitliche, verbindliche Kennzeichnung für alle in Österreich an­gebotenen Lebensmittel muss daher endlich umgesetzt werden. Laut Grünem Bericht ist die Zahl der am AMA-Gütesiegel teilnehmenden Betriebe rückläufig. Nahmen 2011 noch 48.599 Betriebe die AMA-Richtlinien an, so ging 2013 die Anzahl der teilnehmen­den Betriebe um 2.299 auf 46.300 Betriebe zurück. 2) Mit der Erfassung von AMA-Gü­tesiegel-Betrieben kommt es in der Regel zu Mehrfacherfassung, was bedeutet, dass die absolute Zahl der teilnehmenden Betriebe tatsächlich niedriger ausfällt. Insgesamt gab es 2010 in Österreich laut Statistik Austria 173.317 Land- und Forstwirtschaftliche Betriebe, gemessen an dieser Zahl liegt der Anteil der am AMA-Gütesiegel teilnehmen­den Betriebe dann gerade einmal bei 28%.

In der Vergangenheit hat es bereits mehrere Anläufe gegeben, um die Bundesregie­rung zu einer einheitlichen, rechtlich verbindlichen Kennzeichnung von Lebensmittel zu bewegen. So gab es im November 2009 einen Fünfparteienantrag für eine Reform der Gütezeichenverordnung. Damals forderten die Abgeordneten aller im Parlament vertre­tenen Parteien die Umsetzung der im Regierungsprogramm von 2010 zwischen SPÖ und ÖVP vereinbarten Reform der Gütezeichenverordnung. Im derzeit aktuellen Regie­rungsprogramm steht im Kapitel Gesundheit, dass „die Umsetzung einer klaren Her­kunftskennzeichnung der Produkte und Rohstoffe auf EU-Ebene KonsumentInnen ver­lässliche und gesicherte Informationen sowie Schutz vor Täuschung bieten“ 3) soll.

Von einer echten Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel kann trotz aller Bemühun­gen und Anläufen leider noch immer nicht die Rede sein. Im Gegenteil, die geheim gehaltenen Verhandlungen um TTIP & Co lassen Schlimmstes für Konsumenten und heimische Lebensmittelproduzenten erwarten. Globalisierung und Industrialisierung der Lebensmittelproduktion führen zu einer für die Konsumenten nicht mehr nachzuvollzie­henden „Reisetätigkeit“ von Lebensmittel. Denn Lebensmittel haben zu einem großen Teil bereits mehrere tausend Kilometer hinter sich, bevor sie in den österreichischen Supermärkten zum Verkauf angeboten werden. Bei Obst und Gemüse ist noch leicht erkennbar, dass etwa Bananen aus Kolumbien, Weintrauben aus der Türkei, Ananas


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aus Costa Rica, Clementinen aus Spanien, Kiwis aus Neuseeland, Mangos aus Brasi­lien oder Papayas aus Thailand mehr von der Welt gesehen haben als diejenigen, die sie kaufen und verzehren. Bei Fleischprodukten wird es schon schwieriger, denn die wenigsten Konsumenten wissen, dass Lamm aus Neuseeland, Rindfleisch aus Brasilien und Argentinien, Shrimps und Geflügel aus China oder Fisch (Pangasius) aus dem Mekong-Delta nach tausenden Reisekilometern u.a. als Gefrierware in Österreichs Supermärkten landen. Selbst die Fertigbackmischungen für die vorgebliche Frischware aus dem Supermarktaufbackofen beinhalten zum größten Teil Rohstoffe, die nicht aus Österreich stammen.

Und auch bei so Alltäglichem wie Kartoffel gibt es negative Beispiele. Im Frühjahr bot eine renommierte österreichische Supermarktkette heurige Kartoffel aus Ägypten an, obwohl zu diesem Zeitpunkt mit der Sorte „Eferdinger Landl“ ausreichend inländische Kartoffel höchster Qualität vorhanden waren. Solche Vorgehensweisen führen dazu, dass heimische Ware nicht konkurrenzfähig angeboten werden kann und vernichtet wird. Ausländische Ware ist trotz tausender, klimaschädigender Transportkilometer und fehlender Umweltstandards sowie fragwürdiger Produktionsweisen (Kinderarbeit etc.) in Österreich billiger zu haben, als die heimische Qualitätsproduktion vor Ort. Den österreichischen Konsumenten wird dabei tunlichst verheimlicht, wieviel Klimaschädi­gung und soziales Leid mit dem Angebot solcher Produkte verursacht wird. Solche Bei­spiele ließen sich für alle Bereiche der Lebensmittelproduktion fortsetzen.

Wir brauchen daher eine rechtlich verbindliche Regelung, die garantiert, dass auf allen angebotenen Lebensmitteln wo Österreich drauf steht, auch Österreich drinnen ist. Es muss Schluss sein mit Produkten, die sich als „österreichisch“ ausgeben dürfen, ob­wohl lediglich die Schlachtung bzw. die Verpackung in Österreich erfolgt. Österreich braucht ein transparentes Qualitätsgütesiegel-Gesetz für alle in Österreich angebote­nen Lebensmittel, das Herkunft, Erzeugungsart, Verarbeitung, Transport und Lagerung ausweist, um den Konsumenten den fairen Vergleich von Qualität und Preis zu ermög­lichen. Nur so kann den österreichischen Konsumenten Lebensmittelwahrheit garan­tiert werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Ös­terreich dem Nationalrat unverzüglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der geeignet ist, die Einführung eines rechtlich verbindlichen, einheitlichen Qualitätsgütesiegels für al­le in Österreich angebotenen Lebensmittel zu ermöglichen.“

1) 108/AB XXV. GP (Steinbichler an Berlakovich, BA durch Rupprechter)

2) Grüner Bericht 2014 (Tabellenteil)

3) Arbeitsprogramm der Österreichischen Bundesregierung 2013-2018 S.59

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


17.37.16

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Jetzt habe ich geglaubt, der Leo lässt mir die Jause da. Aber dem ist nicht so.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Zuerst replizierend auf die Kollegin Ecker, die gemeint hat, es ist unfassbar, dass man bei NEOS fordert,


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für jedes neue Gesetz muss ein anderes wegfallen, darf ich Sie einladen, im Regie­rungsprogramm nachzulesen. Auf Seite 17 gibt es das „One in, one out“-Prinzip der Bundesregierung, nämlich dass für jedes neue Gesetz ein altes wegfallen soll. – Ha, haben Sie einen Schmarren im Regierungsprogramm, Frau Ecker! (Beifall bei den NEOS.)

Zum Dozenten Rossmann: Ja, Kollege Rossmann, Sie haben recht, wir finanzieren die Entlastung mit Kürzungen auf der Ausgabenseite, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Republik – das hat auch der Finanzminister gesagt – ein Ausgabenpro­blem und kein Einnahmenproblem hat. Wenn Sie den Menschen etwas zukommen las­sen wollen, dann müssen Sie den Staat ausgabenseitig zurechtstutzen. Die Vorschlä­ge, die wir eingearbeitet haben, kommen ja nicht von uns. Die haben nicht wir auf un­serem Mist wachsen lassen, sondern (Abg. Katzian: Die Experten ...!) das sind alles Expertenvorschläge, genau, unter anderem auch vom Rechnungshof. Da sind Dinge eingearbeitet, die die Entlastung der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen finanzieren sollen.

Wenn Sie sagen, in den Vorschlägen der NEOS werden die kleinen Einkommen nicht steuerlich entlastet, dann verrate ich Ihnen ein Geheimnis: Wenn jemand 0 € Steuer zahlt, dann kann ich von diesen 0 € nicht mehr heruntergehen. Im Vorschlag der Grü­nen – „Konzept“ nenne ich das, was Sie zu den Steuern vorgeschlagen haben, nicht –, im Vorschlag der Grünen ist auch nur vorgesehen, dass Sie die Sozialversicherungs­beiträge bei den kleinen Einkommen einschleifen lassen. Das schaue ich mir dann an, wie Sie das machen, wo Sie da die Krankenversicherungsbeiträge, die Pensionsbeiträ­ge herunterradieren bei den kleinen Einkommen.

Was wir haben – und da unterscheidet sich der Steuervorschlag von NEOS ganz deut­lich von dem von ÖVP und SPÖ –, ist: Bei uns sind eben nicht die großen Einkommen die, die am meisten entlastet werden, sondern die mittleren; und die Entlastungskurve schleift langsam ein, sodass die großen auch entlastet werden, aber eben nicht mehr so stark.

Wenn Sie auf die Gegenfinanzierung hinweisen, dann muss ich Ihnen auch sagen, ich frage mich, mit welcher Vermögensbesteuerung Sie irgendetwas sinnvoll gegenfinan­zieren wollen. Zum Beispiel in Deutschland spielt die Erbschaftssteuer 4 Milliarden € herein; wenn Sie das mit dem Faktor 10 auf Österreich reduzieren, heißt das 400 Mil­lionen, und damit erreichen Sie gar nichts. (Zwischenruf des Abg. Katzian.) Gar nichts!

Dann wird auch immer argumentiert, insbesondere von dieser Seite (in Richtung SPÖ): Österreich hat zu niedrige Vermögensteuern. Ja, das rührt daher, dass die Grund­steuer in Österreich besonders niedrig ist. Und jetzt können sich speziell die Abgeord­neten aus Wien fragen, warum die Grundsteuer niedrig ist. Und auf der anderen Seite können sich die Abgeordneten des Bauernbundes fragen, warum in Österreich die Grundsteuer so niedrig ist.

Jetzt komme ich zu den Pensionen, weil ja die „böse NEOS-Bagage“ – zu den eigenen darf man schon „Bagage“ sagen, Herr Präsident –, die „böse NEOS-Bagage“ die Pen­sionen kürzen will. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Das machen Sie bitte mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus.

 


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (fortsetzend): Ja, man muss im Pensionsbereich etwas tun, denn wenn wir den Zahlen der Bundesregierung Glauben schenken dürfen, dann haben wir zum Ende dieser Legislaturperiode die Tatsache, dass 28 Prozent der Ausgaben der Republik in Pensionen fließen. Und da ist es sehr wohl eine Frage von Generationengerechtigkeit, wenn wir darauf hinarbeiten wollen, dass in 20 und in 30 Jah­ren auch noch genug Geld da ist, dass wir in die Zukunft investieren können – in Bil­dung, in Forschung und in die Zukunft gerichtete Ausgaben.


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Da nützt es nichts, wenn wir, so wie der Herr Bundesminister Hundstorfer, es schön­reden und sagen, ja, das Pensionsalter ist gestiegen, und uns da nur auf einen statis­tischen Trick verlassen, weil wir die Invaliditätspensionen herausgerechnet haben. Wenn Sie nämlich das Pensionsantrittsalter konkret anschauen, dann werden Sie sehen, dass es bei den reinen Alterspensionen sogar um 1,2 Monate gesunken ist.

Der Herr Bundeskanzler hat dann noch gesagt: Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. – Da möchte ich auch noch ein paar Dinge anfügen. Wir haben auf dem Arbeitsmarkt wenig Flexibilität, was die Arbeitszeit anlangt. Wir haben auf dem Arbeitsmarkt wenig Flexibi­lität, was Gesundheit und Krankheit anlangt. In Österreich sind Sie entweder gesund oder Sie sind krank, und dazwischen gibt es nichts. Das geht an den Lebensrealitäten vorbei. Wir haben heute immer mehr Menschen, die aufgrund von psychischen Belas­tungen ausfallen, längerfristig ausfallen. Und Sie können solchen Menschen nicht zu­muten, wenn sie sich wieder fit fühlen, gleich zu 100 Prozent an ihren Arbeitsplatz zu­rückzukehren, sondern denen tut es auch psychisch gut, wenn sie teilweise zurückkeh­ren, ein paar Stunden pro Tag.

Das nennen wir Teilarbeitsfähigkeit. Da sind wir im Moment in Österreich noch sehr unflexibel. Da kann man noch viel machen im Sinne der Menschen, im Sinne der Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben.

Wenn wir weiterschauen, wie flexibel wir sind, dann möchte ich mich zum x-ten Mal auf die Rot-Weiß-Rot-Karte berufen, bei der wir viel zu hohe Hürden für die qualifizierten Menschen haben, die wir hereinholen, bei der wir so hohe Hürden haben, dass die Men­schen, die bei uns in Österreich sind, hier studiert haben, einen Bachelor-Abschluss gemacht haben, nicht bleiben können, weil ein Bachelor-Abschluss nicht genügt, weil die Einkommensgrenzen so hoch sind, dass sie nicht einmal ein österreichischer Durch­schnittsabsolvent der Uni Wien erreicht, womit wir eben diesen qualifizierten Kräften aus den Drittstaaten Prügel zwischen die Beine werfen.

Wenn Sie als Betrieb im Ausland eine Schlüsselkraft finden und Sie holen die Person nach Österreich, dann kann sie hier nicht einmal eine Eigentumswohnung kaufen, weil ihr die Grunderwerbsgenehmigung versagt wird. In Deutschland kann sie das, in Schwe­den kann sie das ebenfalls tun. Wäre ich eine qualifizierte Kraft aus einem Drittstaat, so würde ich überall hingehen, aber sicher nicht nach Österreich, wo ich nicht willkom­men bin. Da können Sie sich einmal etwas überlegen, wie Sie Flexibilität auf dem Ar­beitsmarkt schaffen. (Beifall bei den NEOS.)

17.43


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kat­zian. – Bitte.

 


17.43.27

Abgeordneter Wolfgang Katzian (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war jetzt ein gutes Beispiel meines Vorredners dafür, was dabei herauskommt, wenn man alle möglichen Themen in relativ kurzer Zeit anreißt und mit Worthülsen agiert.

Herr Kollege Loacker, Sie haben gesagt: Bei den Pensionen, da muss man was tun. – Ja, dann sagen Sie doch konkret, was Sie vorhaben zu tun! Denn Fakt ist, das fakti­sche Pensionsantrittsalter muss steigen. Dazu haben wir uns bekannt. Das ist das, was vereinbart ist. Da sind wir noch nicht durch, aber wir sind auf einem guten Weg.

Wenn Sie etwas anderes wollen, als dass das faktische Pensionsantrittsalter steigt, dann sagen Sie, was Sie wollen! Wollen Sie, dass das gesetzliche Pensionsantrittsalter steigt? Dann sagen Sie es! Sie sagen nur: Es muss etwas geschehen. Aber Sie sagen nicht, was geschehen soll.


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Ich sage Ihnen eines: Sie können hundertmal mit irgendwelchen Zahlen herumtun, wenn jetzt die geburtenstarken Jahrgänge in Pension gehen, also mehr Leute in Pen­sion gehen, es eine älter werdende Gesellschaft gibt und wir uns zur Finanzierung der Pensionen bekennen, dann ist klar, dass das auch mehr kosten wird. Außer Sie sagen: Das wollen wir nicht haben, die Leute sollen nicht mehr diese Pensionen bekommen. Dann sagen Sie aber auch, was Ihr Vorschlag ist! Mit uns geht das jedenfalls nicht rein, was Sie da versuchen zu suggerieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Über den Teilkrankenstand haben wir auch schon einmal diskutiert. Bitte, nicht böse sein, aber entweder bin ich gesund oder krank! Zeigen Sie mir einen Arzt, der das macht! Wir haben ja ein paar da, vielleicht kann mir das jemand erklären, ob es einen Arzt gibt, der dann aufschreibt: Der Patient ist von 10 bis 14 Uhr gesund, und die rest­liche Zeit ist er krank. (Zwischenruf der Abg. Moser.) Das ist ein Kasperltheater! Wenn es um  (Zwischenruf des Abg. Strolz.– Wart ein bissel! Wenn es um Wiedereinglie­derung nach langen Krankenständen geht, dann können Sie mit uns über alles disku­tieren, aber über diese Form von Teilkrankenständen ganz sicher nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Schatz. – Abg. Strolz: Das haben Ihre Leute gefordert!)

Herr Strolz! Ich komme eh schon zu Ihnen. Ich weiß, Sie haben Sehnsucht, ich komme schon zu Ihnen. Sie haben gesagt: Es sind Konservative und Sozialdemokraten, die uns in die Krise geführt haben. Na, das glaubt Ihnen in Wirklichkeit niemand, denn was uns in die Krise geführt hat, das sind genau die gescheiterten neoliberalen Modelle, die Sie uns mit dem Antrag und mit anderen Dingen reindrücken wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erinnere Sie: Lehman, Bankenkrise, in weiterer Folge Wirtschaftskrise, Staatsschul­denkrise. Ihre neoliberalen Konzepte sind kläglich gescheitert! (Abg. Strolz: Schi­cken Sie die Banken endlich in Konkurs!) Kläglich gescheitert! Und die Leute haben das ausbaden müssen. Bankenrettung haben wir gemeinsam beschlossen. Kurzarbeit haben wir gemeinsam beschlossen. Diese Konzepte sind gescheitert. Sie brauchen nicht daherzukommen und uns zu erklären  (Abg. Strolz: Sie regieren! In ganz Euro­pa regieren Sie!)

Weil das gescheitert ist, machen wir jetzt dasselbe noch einmal?! Da haben wir dem Dreck eine Watschen gegeben. Nicht bös sein, das wird nicht funktionieren, ganz si­cher nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Sichtweise zu den Sozialpartnern, wie Sie das einschätzen, bleibt Ihnen unbenom­men. Die Kollegen in der Wirtschaftskammer können sich selber verteidigen. Aber Herr Schellhorn, die Art und Weise, wie Sie da losgezogen sind, was Ihnen auch einen Ordnungsruf eingebracht hat, ist in Wirklichkeit ein Witz, dieses Hauses nicht würdig. Das haben sich die Menschen, die in den Interessenvertretungen arbeiten, nicht ver­dient. Wir machen alle bestmöglich unseren Job, getrieben davon, dass wir für die Leu­te, die wir vertreten, etwas Gutes tun. Wir haben es alle miteinander nicht nötig, dass wir uns von Ihnen da wie Rotzbuben herstellen lassen. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sie sprechen vom freien Unternehmertum und sind schon wieder unterwegs mit dem kleinen Schauferl, um allen Leuten Sand in die Augen zu streuen. Und ich habe mir gedacht: Was meint er denn jetzt mit dem freien Unternehmertum? Was ist denn jetzt unfrei, oder wer ist unfrei? – Dann kam dankenswerterweise die Erhellung, denn Sie haben sofort die zwei wichtigen Wörter genannt: Flexibilisierung und Deregulierung. Ich frage mich jetzt: Was meinen Sie denn konkret mit Flexibilisierung?

Wenn Sie zum Beispiel die Arbeitszeit meinen, sage ich Ihnen: In allen Kollektivver­trägen gibt es mehr als eine Möglichkeit und Modelle, flexibel zu arbeiten. Und wir sind laufend dabei, bei den Kollektivvertragsverhandlungen die Flexibilisierungsmöglichkei­ten auszuweiten. Wenn Sie der Meinung sind, Überstunden sollen nicht mehr bezahlt


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werden, dann müssen Sie es auch konkret sagen. Wenn Sie das meinen, ich weiß es ja nicht, aber dann werden wir uns auch damit auseinandersetzen.

Sie reden von Deregulierung. In Wirklichkeit geht es Ihnen nur um eines: Sie wollen das Marktrisiko und das Unternehmerrisiko auf jene übertragen, die es sich nicht leis­ten können, nämlich auf die Arbeitnehmer. Wir brauchen in einer entwickelten Wirt­schaft ganz klare Spielregeln, an die sich alle halten müssen und an die sich die Un­ternehmer halten müssen. Und wenn Ihnen das hundertmal nicht passt, deswegen, auch deswegen ist Österreich ein liebenswertes, sozial abgefedertes Land, wo eben nicht die einen bestimmen und die anderen hüpfen müssen, sondern wo es diesen Ausgleich gibt. Und wir werden dafür kämpfen, dass es diesen Ausgleich auch in Zu­kunft gibt! (Beifall bei der SPÖ.)

17.48


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Fek­ter. – Bitte.

 


17.49.02

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretä­rin! Hohes Haus! Es ist sicher kein Zufall, dass wir die Wirtschaftskammer-Vorwahl vor uns haben und von den NEOS ein Antrag kommt, der uns erlaubt, eine Wirtschafts­debatte zu führen.

Ich sage einmal ein Dankeschön, denn ich begrüße, dass wir die Wirtschaft, die Stand­ortfragen im Hohen Haus breit debattieren. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Strolz.)

Sie haben in dem Antrag Analysen angestellt, die weitestgehend richtige Fakten be­schreiben. Erstens: Wohlstand wird durch Arbeit geschaffen. Und Arbeit schaffen die Unternehmer, nicht die Politik, sondern die Unternehmer, und mit ihren Arbeitnehmern schaffen sie auch den Wohlstand in diesem Land. Das ist richtig.

Es ist auch richtig, dass wir in der Standortfrage in der jüngeren Vergangenheit doch schmerzhafte Rankingverluste zur Kenntnis nehmen mussten.

Das heißt, ich teile Ihre Auffassung, dass wir uns weiter anstrengen müssen, insbeson­dere beim Bürokratieabbau, bei der Abgabenlast, bei der Flexibilisierung, bei der Inno­vation, Forschung, Bildung; das alles haben Sie in Stichworten richtig erkannt. (Beifall des Abg. Strolz.)

Aber Ihre Vorschläge sind Überschriften, die sich gut anhören, großteils habt ihr beim Wirtschaftsbund abgeschrieben, gar keine Frage. Aber Ihre Analyse ist falsch, dass diesbezüglich nichts geschehen wäre. Ganz im Gegenteil: Wir haben uns kontinuierlich bemüht, bei der Lohnnebenkostensenkung etwas weiterzubringen, bei den Sozialleis­tungen für die Unternehmer etwas weiterzubringen. Wir haben den Bürokratieabbau bei den Beauftragten in Angriff genommen, die Arbeitszeitaufzeichnungen. Und die Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern war ein großes Anliegen von mir, aber da wart ihr halt noch nicht im Parlament. (Abg. Strolz: Jetzt sind wir da!)

Es ist gescheitert an der Opposition und nicht an der Regierung, denn die Regierungs­fraktion hat die Schuldenbremse zumindest einfachgesetzlich verankert, das heißt, so gescheit waren wir schon längst. Dazu hätten wir euch nicht gebraucht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strolz: Beim zweiten Anlauf sind wir da!)

Nicht verhehlen möchte ich, dass diese Überschriftenliste, die sich wie eine Wünsch-dir-was-Propaganda darstellt, in der Umsetzung entweder erhebliche budgetäre Kos­ten bedeutet – die habt ihr nicht aufgelistet, Milliarden habe ich da drinnen gefunden! – oder eben unterschiedlichste, widersprüchlichste Interessen berührt, die man ein­fach nicht zusammenbringt.


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Da hat Kollege Katzian schon recht, die Sozialpartner kümmern sich um diese unter­schiedlichen Interessen und finden einen Ausgleich. Und wenn ihr gegen die Sozial­partnerschaft seid oder eine Schwächung der Sozialpartnerschaft anstrebt (Abg. Strolz: Erneuerung!), dann muss ich ganz ehrlich sagen: Nicht mit uns! (Beifall bei ÖVP und SPÖ). Denn der Ausgleich und der Konsens hier in diesem Land sichern sozialen Frie­den, verursachen keine Streiks und bedeuten vor allem auch Rechtssicherheit für die Wirtschaft. Und das ist allemal mehr wert als gewisse neoliberale Ideen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.53


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


17.53.06

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (STRONACH): Wertes Präsidium! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Frau Minister! Frau Staatssekretär! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Danke einmal für das neuerliche Anreißen des Themas Wirtschaft. Ich finde das gut, das kann man immer wieder bringen, es ist ja ein Dauerthema. Was mir heute ein bisschen in eurem Programm oder überhaupt in der Debatte gefehlt hat, wo es nur ge­streift wurde, das war das Thema Gesundheit, das Gesundheitssystem. Sie werden nämlich keine funktionierende Wirtschaft finden, wo nicht das Gesundheitssystem ge­scheit und gut funktioniert.

Wir wissen, wir haben in Österreich zirka 400 000 Arbeitnehmer im Gesundheitssys­tem, das ist eine ganze Menge. Mit denen kann man viel anfangen, aber die sind zum Großteil sehr frustriert. Wir kennen die gerade ablaufende Ärzteproblematik, die Flucht der Ärzte ins Ausland, die Gehaltsschemadebatte et cetera. Das alles ist Wirtschaft.

Dazu vermisse ich in Ihrem Programm die Vorschläge: Was machen wir denn mit un­serem Gesundheitssystem? Jetzt kann man sagen, das ist ein extra Thema, aber das ist ganz eng verzahnt mit der Wirtschaft, denn die Beiträge, die Steuern et cetera, das alles kommt ja aus der Wirtschaft, das eine geht nicht ohne das andere, es geht um viele Milliarden Euro.

Der Punkt ist der, dass man nicht einfach hergehen und sagen kann: Ich spare hier einmal ein. Wir haben ein Negativbeispiel aus Europa aus den letzten Jahren, das nennt sich Griechenland. Griechenland bekam im Jahr 2011 von der Troika eine ganz strenge Vorgabe, die mussten das Gesundheitsbudget auf 6 Prozent reduzieren. Das ist ganz schön, wenn man weiß, was die vorher verbraucht haben, nämlich deutlich über 10 Prozent. Jetzt haben die versucht, einfach mit dem Rasenmäher über das Ge­sundheitssystem drüberzufahren und einzusparen. Das sind Stimmen und Vorschläge, die bei uns auch immer wieder laut werden: Wir müssen da einsparen, da ist so viel Speck drinnen, da gehört so viel weg, et cetera.

Das kann man so nicht machen. Das hat nämlich dazu geführt, dass die Wirtschaft in Griechenland nachweislich noch mehr gelitten hat. Es gibt eine große englische Studie aus dem Jahr 2013 dazu, dass die Krankenstände dramatisch angestiegen sind, dass die medizinischen Standards massiv gesunken sind und dass es Griechenland gesund­heitlich und wirtschaftlich noch schlechter gegangen ist.

Das heißt also umgekehrt, ein gutes Gesundheitssystem ist der Schlüssel zu einem guten Wirtschaftssystem. (Beifall der Abg. Nachbaur.)

Das heißt, wir müssen da ansetzen und uns ganz genau überlegen: Was machen wir mit unserem maroden Gesundheitssystem, wo die Oberfläche noch gut bei den Patien­ten ankommt, aber innen drin es ganz morsch und ganz kaputt ist? Das Symptom da­für sind die flüchtenden Ärzte. Wir haben allein in Deutschland schon 3 000 österrei­chische Kollegen, die zum Großteil nicht mehr zurückkommen werden.


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Was kann man machen? – Wir haben es beide, beide Fraktionen, immer wieder ange­schnitten und vorgeschlagen: die Zusammenlegung der Kassen. Das ist einer dieser Vorschläge. (Zwischenruf der Abg. Fekter.) Und ein weiterer Vorschlag ist, mehr Frei­heit für die freien Berufe zu schaffen. (Beifall der Abg. Nachbaur.) Das geht, das klingt a priori unsinnig und nach Planwirtschaft, das geht aber, wenn man eine gescheite zen­trale – und ich betone: zentrale, nicht zentralistische – Planung zustande bringt.

Es gibt sehr gescheite Leute in der Gesundheitsökonomie, in den Kammern, unter den Ärzten, unter den Pflegern, überall gibt es Leute, die sich mit Gesundheitspolitik be­schäftigen, nur werden sie leider nicht gehört. Denn genau diese Kammern und In­teressenlobbys und die föderalistischen Einheiten blockieren sich dann wieder gegen­seitig, und fachfremde Personen haben dann in der Gesundheitsreform das Sagen. Das halte ich für ein Grundproblem des österreichischen Gesundheitsdesasters.

Ein wesentlicher Punkt wäre zum Beispiel auch, die 122 öffentlichen Krankenhäuser in Österreich zusammenzulegen in die Trägerschaft des Bundes. Wo, bitte, liegt die Schwie­rigkeit, diese Krankenhäuser, die jetzt entweder den Ländern gehören oder einer Ge­meinde oder einem Bezirk oder eh schon zum Teil dem Bund, zu vereinheitlichen und zusammenzulegen und aus diesen 122 stationären Betrieben endlich eine gut funktio­nierende Maschinerie zu machen im Sinne des Patienten? Da habe ich dann Kosten­transparenz, ich weiß, welches Personal ich wo brauche, ich kann leichter einen Perso­nalaustausch vonstatten gehen lassen, et cetera. Ich habe sehr viele Vorteile.

Nächster Schritt: Niederlassungsfreiheit, Kassenverträge, weg von dem restriktiven Sys­tem, das wir haben. Das alles würde uns sehr viel Geld bringen, würde dem Einzelnen Freiheit bringen und würde in Summe der Wirtschaft helfen, weil es die Gesundheit der Menschen stärken würde. (Beifall bei Team Stronach und NEOS.)

Ein Wort noch zu den Sanktionen, die uns alle plagen, nämlich den Sanktionen gegen Russland. Ich bin sehr viel in der Privatmedizin unterwegs, da wird jetzt der eine oder andere sagen: Ja, da verdient er, und da geht er belegen ins Privatspital. Was ich dort sehe, ist ein Ausbleiben der russischen Patienten, die sehr zahlungskräftige Patienten sind, die Österreich, speziell Wien, sehr viel Geld gebracht haben. Die sind weg. Die goldenen Meilen in Wien – und da geht es nicht um ein Luxusproblem von ein paar Ju­welieren oder einem eleganten Fetzengeschäft, sondern da geht es um die Ange­stellten dort – werden in absehbarer Zeit schließen und Leute kündigen müssen, frei­setzen, wie es so schön euphemistisch heißt.

Das heißt, wir tun mit den Sanktionen, die wir da angerichtet haben, nicht nur den Russen etwas Schlechtes, sondern sehr wohl auch den österreichischen Betrieben. Und ich betone noch einmal, da geht es nicht um Luxusprobleme oder um Luxusbetrie­be, sondern da geht es ganz klar um die Angestellten, um einen Schaden für die ös­terreichische Wirtschaft. – Danke schön. (Beifall beim Team Stronach.)

17.58


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 855/A(E) der Abgeord­neten Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offensivpaket „Unternehmeri­sches Österreich“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kassegger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend die Dringlichkeit der Abschaffung der Mehrfach-Pflicht­mitgliedschaften in den Wirtschaftskammern.


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Wer hiefür ist, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abge­lehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Steinbichler, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Qualitätsgütesiegel-Gesetz“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit, auch dieser Antrag ist abgelehnt.

17.59.17Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 2864/AB

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfrage­beantwortung der Bundesministerin für Inneres mit der Ordnungszahl 2864/AB. Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung ei­ne Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesre­gierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen ebenfalls nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche Frau Abgeordnete Dietrich als Antragstellerin des Verlangens, die Debatte zu eröffnen. Nochmals zur Erinnerung: Die Redezeit beträgt maximal 10 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Abgeordnete.

 


18.00.13

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir haben ganz be­wusst diese Anfrage betreffend illegale Einwanderer in Österreich gewählt, weil wir der Meinung sind, dass das ein Problem ist, das die Menschen bewegt, und ein Problem, das von Tag zu Tag größer wird. Wir haben viele Menschen in Österreich – über 25 000 wurden im vergangenen Jahr aufgegriffen –, von denen man nicht weiß, wovon sie le­ben, wovon sie sich ernähren, wie sie ihren Lebensunterhalt finanzieren und welche Perspektiven und Visionen sie haben. Wenn ich mit meinem Kollegen Rouven Ertl­schweiger aus dem Burgenland rede, dann höre ich, dass es dort ständig mehr Ein­brüche gibt, dass die Menschen in Angst und Furcht leben.

Kollegin Schwentner, Sie schütteln den Kopf. Ich sage Ihnen, ich lebe jetzt 30 Jahre in Kobenz, das ist in der Steiermark, in einer dörflichen Region. Seit zwei, drei Jahren gibt es da Einbrüche direkt in der Nachbarschaft. Das hat es früher nicht gegeben. Bei ei­nem Reifenhändler, wenige hundert Meter entfernt, ist viermal hintereinander eingebro­chen worden. Das können wir nicht wegdiskutieren! Wir haben immer mehr Kriminalität in diesem Lande. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Wenn man sich die Vergleichszahlen anschaut, dann sieht man, dass diese Anfrage­beantwortung eine sehr, sehr deutliche Sprache spricht. 2010 hat man 16 727 Men­schen festgenommen, die illegal im Land waren, und 2014 um 152 Prozent mehr, ob­wohl bisher nur die ersten zehn Monate ausgewertet wurden.

Frau Minister! Wir haben Sie gefragt, ob Sie daran denken, mehr Personal einzustel­len. Sehen Sie nicht die Notwendigkeit, dass da etwas geschehen muss? Da kommt eine schlichte Antwort: Nein. – Das ist nicht unser Weg! Wir glauben, bei der Polizei dürfen wir nicht sparen. Da geht es um die Sicherheit der Bürger. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Wir haben noch ein Problem, nämlich dass viele dieser illegalen Einwanderer eine sehr dubiose Vergangenheit haben. Wir wissen aus Berichten, dass ungefähr 3 000 Men­schen aus Europa in den heiligen Krieg gezogen sind. Dort haben sie gefoltert, ge­mordet, vergewaltigt, und ein Teil davon kommt wieder zurück nach Österreich. Selbst der US-Geheimdienst hat Europa gewarnt. Er hat gesagt, ihr müsst aufpassen, da kommen Leute zurück, die Kriegserfahrung haben. Ihr müsst schauen, dass euer Sys­tem sicherer wird. Was hat die österreichische Bundesregierung gemacht? – Den Kopf in den Sand gesteckt, das Problem weggedrängt und bei der Polizei gespart und das Bundesheer totgespart. (Beifall beim Team Stronach.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Das ist ein verantwortungsloser Weg, und da gehört auf jeden Fall eine Kurskorrektur vorgenommen. Wir wissen, dass die EU-Au­ßengrenzen löchrig sind, und wir wissen, dass es dank Schengen ein Leichtes ist, wenn sich ein Bürger einmal in Italien befindet, nach Österreich zu kommen oder nach Deutschland weiterzureisen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Wir wollten von der Frau Minister auch wissen, wie viele Einwanderer in Begleitung von Schleppern ertappt wurden, gefasst wurden. Auch dazu eine Zahl, die uns alle schrecken kann: Waren es 2010 noch relativ wenig, waren es 2014 bereits um 177 Prozent mehr, nämlich 1 464. Immer mehr Menschen nehmen sich Schlepper in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Sie geben viel Geld aus, werden von diesen Schleppern unter Versprechung falscher Tatsachen ausgenutzt und landen dann, sofern sie überhaupt das Glück haben, gesund und am Leben in Eu­ropa anzukommen, hier mit völlig falschen Vorstellungen im Kopf.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, dass wir akuten Handlungsbedarf haben. Wir haben auf der einen Seite immer mehr illegale Einwanderer, auf der ande­ren Seite sagt uns die Anfragebeantwortung, dass immer weniger Personen bei Grenz­kontrollen geschnappt werden, dass immer weniger Personen auf Flughäfen geschnappt werden. Was bedeutet denn das? – Das heißt, dass wir immer weniger Personal ha­ben, immer weniger Leute bei der Polizei, die für die Sicherheit der Menschen arbeiten, denn würde tatsächlich genügend Personal vorhanden sein, dann würde sich die stei­gende Zahl illegaler Einwanderer auch in der Anzahl der gefassten Personen an Grenz­übergängen und auf Flughäfen widerspiegeln. (Beifall beim Team Stronach.)

Ich möchte eines außer Streit stellen: Selbstverständlich sind wir der Meinung, dass Flüchtlingen geholfen werden muss, und selbstverständlich haben wir Österreicher die humanitäre Pflicht, das zu tun. Darüber wollen wir nicht diskutieren. Es ist aber traurig, dass aus einer UNO-Studie, nämlich einer Studie aus dem Büro für Drogenkriminalität, hervorgeht, dass viele afrikanische Migranten sehr wohl die bewusste Entscheidung treffen, nach Österreich zu gehen. Sie haben eine gute Schulbildung, sie besitzen Ver­mögen, haben Immobilien und sind in der Lage, bis zu 9 000 € für einen Schlepper zu bezahlen. Es heißt, es gibt sogar Dorfgemeinschaften, die einen Fonds bilden, und aus diesem Fonds werden dann Leute finanziert, die nach Europa ziehen, und wenn sie in Europa sind, dann schauen sie, dass sie wieder Leute aus der Familie nachholen kön­nen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, hier haben wir Handlungsbedarf. Wir müssen hier wirklich genau schauen und unterscheiden zwischen Flüchtlingen, die humanitäre Hilfe brauchen – und die bekommen unsere Unterstützung –, und all jenen, die wirklich nur aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa kommen wollen, weil sie glauben, dass hier Milch und Honig fließen. Die müssen wir ganz strikt und korrekt wieder in das Heimatland zurückliefern. (Beifall beim Team Stronach.)

Insgesamt stimmt uns nachdenklich, dass wir eines blutigen Massakers von Paris be­durften, um munter zu werden, nämlich einmal die Gefahr zu erkennen, zu sehen, wel-


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che politische Entwicklung, welches Gefahrenpotenzial in Europa, aber auch bei uns hier in Österreich besteht. Wir haben plötzlich Terrorwarnungen, etwas, was wir zum Glück überhaupt nicht gekannt haben. Leute haben Angst. Großmütter sagen zu ihren En­kelkindern: Geh nicht zum Westbahnhof, denn wer weiß, was dort sein könnte! Es herr­schen riesige Angst und Furcht in der Bevölkerung.

Geschätzte Frau Minister! Hier trägt die Regierung wirklich Verantwortung. Sie müssen den Menschen Sicherheit geben. Sie müssen entsprechende Maßnahmen setzen. Sie müssen schauen, dass wir genügend Personal bei der Polizei haben. Sie müssen aber auch dafür Sorge tragen, Sie und Ihr Kollege in der Regierung, dass das Bundesheer nicht kaputtgespart wird. Nur wenn Österreich wirklich Fachkräfte in diesem Bereich hat, wenn wir kriminelle Elemente wieder zurückliefern, dann  (Ruf bei der SPÖ: Das ist die Landesverteidigung!)  Ich weiß, Herr Kollege! Deswegen habe ich ja gesagt: „und Ihr Kollege in der Regierung“. Das ist mir schon bewusst. – Nur wenn wir genü­gend Ressourcen haben und nicht dort sparen, wo es direkt die Sicherheit der Men­schen betrifft, gehen wir Österreicher in eine sichere Zukunft. In diesem Sinne: Glück auf! (Beifall beim Team Stronach.)

18.09


Präsident Karlheinz Kopf: Nunmehr hat sich Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


18.09.15

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich darf ein Danke sagen, dass wir heute im Rahmen dieser Parlamentssitzung diese Anfragebeantwortung besprechen können, und darf auf das eine oder andere, das Frau Abgeordnete Dietrich angespro­chen hat, eingehen.

Frau Abgeordnete! Zu Ihrer Einleitung, dass Sie sich fürchten, sage ich Ihnen: Ich kann Ihnen diese Furcht nehmen. Ich kann Ihnen diese Furcht nehmen deswegen, weil die ersten Daten der Kriminalstatistik aus dem Jahr 2014 zeigen, dass die Kriminalität im Jahr 2014 generell gesunken ist. Wir werden in einiger Zeit, sobald alle Daten ausge­wertet sind, die gesamte Kriminalstatistik wie immer veröffentlichen.

Wenn Sie den Verlauf der Kriminalitätsstatistik beziehungsweise der Delikte in den letz­ten zehn Jahren ansehen, dann werden Sie ganz klar erkennen, dass wir vor zehn Jahren noch in etwa 640 000 Delikte zu verzeichnen gehabt haben, während wir im letzten Jahr 540 000 Delikte zu verzeichnen hatten, das heißt mehr als 100 000 Delikte weniger trotz neuer Kriminalitätsformen wie Cyberkriminalität oder Handydiebstahl. Ich habe das in diesem Haus schon öfters betont. In diesem Zusammenhang auch ein ganz großes und herzliches Danke unserer Exekutive, unseren Polizistinnen und Poli­zisten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Pendl und Plessl.)

Sie haben auch angesprochen, was uns alle sehr betroffen gemacht hat, nämlich die Anschläge in Paris, die Vorfälle in Belgien und in Deutschland. Ja, das macht betroffen. Und ja, nicht nur in diesen Staaten, sondern auch bei uns herrscht erhöhte Alarmbe­reitschaft. Selbstverständlich sind wir uns seit Langem der Bedrohungen, die von den Terroristen ausgehen, bewusst. Ich denke an unsere Terrorgesetzgebung, denke an die Novellen der verschiedenen Gesetze im Dezember hier in diesem Haus, wo wir lange Diskussionen hatten und an den verschiedenen Schrauben gedreht haben, um Verschärfungen vorzunehmen. Ich denke aber vor allem auch an die Reaktionsge­schwindigkeit der gesamten Bundesregierung, wofür ich hier ein Danke sage dem Bun­deskanzler, dem Vizekanzler, dem Verteidigungsminister, ja allen Regierungskollegin­nen und -kollegen für dieses klare Bekenntnis, ein Maßnahmenpaket für die Sicher-


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heitsoffensive in Österreich einzuleiten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Kuzdas und Plessl.)

Mittlerweile folgen viele andere EU-Mitgliedstaaten unserer Initiative, wie heute eben Frankreich, wo auch ein ähnliches Gesamtpaket geschnürt worden ist. Das heißt, mir ist wichtig, dass wir die Sorgen und die Ängste, vor allem die erhöhte Terrorgefahr ernst nehmen, dass wir vor allem aber auch keine Panik verbreiten. Ich ersuche auch Sie, sorgsam zu sein, aber keine Panik zu verbreiten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP so­wie der Abgeordneten Kuzdas und Pendl.)

18.12


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Plessl. – Bitte.

 


18.12.57

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Innen­ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kollegen! Wir haben heute eine Kurzdebatte mit dem Thema „Sicherheitsoffensive für Österreich: Aufgriffe von unrecht­mäßigen Zuwanderern“. Ich möchte grundsätzlich einige Anmerkungen hiezu anbringen.

Zum Ersten werden in dieser Anfrage immer wieder Zuwanderung und Asyl in einem Satz vermischt. Wir müssen das klar trennen. Auf der einen Seite haben wir die Zu­wanderung. Die ist auch mit den Sozialpartnern klar geregelt durch die Rot-Weiß-Rot-Karte. Da gibt es also eine Vorgangsweise, die auch gesetzmäßig abgesichert ist.

Der zweite Bereich ist der Asylbereich, die Genfer Flüchtlingskonvention, in dem wir Menschen, die Hilfe benötigen, Unterstützung benötigen, in diesen Notsituationen auch entsprechend unterstützen.

Ein weiterer Punkt, weswegen immer wieder eine Verschlechterung der Sicherheit für die Bevölkerung behauptet wird, ist die Anführung einer Schließung von Polizeiinspek­tionen. Ich möchte betonen, dass wir gerade jetzt keine Schließung, sondern eine Zu­sammenlegung haben, eine Zusammenlegung von Polizeiinspektionen, bei der das Personal in kompletter Zahl verfügbar bleibt. Es stimmt, es gibt Leute auch im Team Stronach – so wie beispielsweise Herr Hagen, der leider jetzt nicht da ist, aber auch Herr Lugar, die bei FPÖ, BZÖ waren und beim Team Stronach sind, die sich für die Schließungen von Polizeiinspektionen ausgesprochen haben. Das stimmt. Damals wur­de das so gemacht, dass eine Reduzierung der Polizistinnen und Polizisten durchge­führt worden ist. Das heißt, in diesem Zeitraum 2000 bis 2006 sind 3 000 Polizistinnen und Polizisten wegrationalisiert worden. Das gehört gesagt, denn das ist der Unter­schied zwischen einer Schließung und einer Zusammenlegung.

Ein dritter Punkt, über den immer wieder eine Diskussion entsteht, ist die unrechtmä­ßige Zuwanderung. Ab wann ist man unrechtmäßig zugewandert? Es gibt rechtsstaat­liche Vorschriften, nach denen abgeklärt wird, ab wann jemand unrechtmäßig hier ist. Es muss also erst einmal rechtsstaatlich abgeklärt werden, ob jemand in Österreich verbleiben kann. Wenn das Verfahren abgeschlossen und eine Zurückbringung not­wendig ist, dann sind aber auch hiefür einige Voraussetzungen unbedingt notwendig, damit man diese Zurückbringung durchführen kann. Zunächst einmal ist die Feststel­lung der Identität der Person notwendig. Dann gibt es die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr, die auch in großer Zahl ergriffen wird. Auch bei einer Zurückbringung und Außer-Landes-Bringung ist notwendig, dass ein Vertrag vorhanden ist, ein Vertrag zwi­schen der Republik Österreich und dem jeweiligen Staat oder auch der Europäischen Union. Nur mit diesem Vertrag als Grundlage kann ja auch eine Übernahmeerklärung erfolgen. Erst wenn alle diese Punkte erfüllt sind, kann eine Person auch außer Landes gebracht werden.

Wir brauchen nicht weniger EU, sondern wir brauchen mehr EU. Und es stimmt, es ist unzumutbar, dass einige wenige Staaten in der Europäischen Union fast 90 Prozent


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der gesamten Asylverfahren durchführen. Gerade in dem Bereich hat die Innenminis­terin auch Akzente gesetzt, damit man da weitere Aufteilungen vornimmt.

Nächster Punkt. Sie haben auch von der Außer-Landes-Bringung von Personen ge­sprochen. Es gibt gerade eine aktuelle Anfrage, die von der Innenministerin beantwor­tet worden ist – am 19. Jänner ist die Antwort gekommen –, zur Entwicklung der in­ternationalen Rückführungsabkommen. Das möchte ich auch erwähnen, weil es sehr wichtig ist, dass auf europäischer Ebene sehr viele Rücknahmeabkommen geschlos­sen worden sind, mit Armenien, Aserbaidschan, der Türkei, Kap Verde und so weiter. Gerade Österreich ist ein Vorzeigeland, was Rückkehrgremien von Mitgliedstaaten be­trifft, in die wir inkludiert, wie etwa von Frontex. Es gibt genug Beispiele, wo wir Vorbild sind und wo wir gemeinsam mit europäischen Staaten eine Rückführung durchführen.

Zum Schluss noch eine Anmerkung zur Verbesserung der Polizei. Wir haben es 2008 geschafft, 1 000 Planposten mehr für die Polizei zu bekommen, 2013 noch einmal. Ich gratuliere der Bundesregierung zum Sicherheitspaket, das sie 2015 auf den Weg ge­bracht hat. Es ist sehr wichtig, mit diesem Sicherheitspaket der internationalen Bedro­hung entgegenzuwirken. Wir haben 100 neue Planposten zur Cyberkriminalität und so weiter, Schutzausrüstung und technische Ausrüstung, was sehr wichtig ist.

Zum Schluss, was in diesem Zusammenhang auch noch wichtig ist: Wir müssen die Grenzen beziehungsweise die Grenzgebiete ausreichend mit Personal ausrüsten, was wir auch vorgesehen haben. Ich ersuche daher auch, dass man den Unterstand von 17 in meinem Bezirk Gänserndorf, wozu ich auch eine Anfragebeantwortung bekommen habe, auffüllt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.18


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Amon zu Wort. – Bitte.

 


18.18.27

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir besprechen heute eine Anfrage des Kollegen Hagen mit der Zahl 3026. Ich weiß nicht, aus welchen Gründen, aber Kollege Hagen ist heute nicht da. Das ist in Ordnung. Es ist aber auch die Begründerin dieser Anfragebesprechung jetzt nicht im Saal. Ehrlich gesagt, ich meine, ich habe ja jedes Verständnis, es ist ein wichtiges Thema, aber irgendwie schaut mir das jetzt ein bisschen wie Beschäftigungstherapie aus – nicht bös sein! Es sollten diejenigen, die die Besprechung wollen, wenigstens im Saal anwesend sein, während wir die Anfragebeantwortung besprechen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Pendl: So schaut’s aus!)

Zur Sache selbst: Ich hätte es ihr ja gern selbst gesagt, weil ich Kollegin Dietrich an sich sehr schätze, aber sie hat schon ein paar Dinge gesagt, wo ich ihr doch deutlich widersprechen möchte (Abg. Pendl: Die einfach nicht stimmen!), die, wie mein Kollege Pendl ganz richtig zwischenruft, einfach nicht stimmen. Wenn sie etwa behauptet, dass wir die fürchterlichen Anschläge und Terrorakte von Paris gebraucht hätten, um munter zu werden, dann muss ich sie schon fragen, ob ihr da in den letzten Jahren vielleicht einiges entgangen ist.

Wir hatten bereits im Jahr 2008 – und natürlich auch davor, aber ich fange jetzt einmal im Jahr 2008 an – im Zuge der Fußball-Europameisterschaft eine ganz konkrete isla­mistische Bedrohung. Es waren nicht zuletzt unser Verfassungsschutz, unsere Polizei­behörden, die da nicht nur rechtzeitig agiert haben, sondern die spätestens seit da­mals – in Wirklichkeit natürlich schon davor, denn sonst wäre es auch nicht möglich, im Jahr 2008 etwas zu vereiteln – entsprechend agiert haben. Wir haben also Paris nicht gebraucht. Wenn ich in die nähere Vergangenheit zurückgehe, dann frage ich: Wer hat


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denn bitte – und zwar ganz klar vor den Vorfällen in Paris – zugegriffen auf islamisti­sche Zellen hier bei uns im Land? – Na, unsere Behörden waren es, diese Bundesmi­nisterin hat den Auftrag gegeben. Wir haben Paris nicht gebraucht, um munter zu wer­den, so tragisch Paris auch ist, meine Damen und Herren.

Die Frau Kollegin Dietrich beklagt förmlich, dass die Schlepper nicht über die Flughä­fen hereinkommen. Ja, vielleicht setzen Sie sich einmal mit Schleppern in Verbindung, teilen ihnen mit, dass es netter wäre, wenn sie über die Flughäfen und über die regulä­ren Grenzen kämen, dann würden wir uns natürlich auch ein bisschen leichter tun in der Bekämpfung. Ich möchte Ihnen schon sagen, dass hier eine Fülle von Maßnah­men gesetzt werden, um dem entgegenzutreten, aber die Schlepperei hat eben auch ihre Phasen. Wir haben im Moment einfach viele Krisenherde. Wenn Sie mehr Krisen­herde auf der Welt haben, was wir derzeit haben, ganz gleich, ob Sie nach Afrika schauen, in den Irak oder nach Libyen oder nach Syrien, dann führt das natürlich auch zu einem generellen Anstieg von Flüchtlingsströmen. Dennoch muss ich Sie darauf hinweisen, dass wir im Jahr 2014 um etwa 10 000 Asylanten und entsprechende An­träge weniger gehabt haben als etwa im Jahr 2002. Wir sind also bei Weitem noch nicht dort angelangt, wo unsere Spitzen schon lagen, und dabei rede ich noch gar nicht von der Mitte der neunziger Jahre, wo wir wegen des Jugoslawienkriegs natürlich ein Vielfaches davon hatten. Das muss man bitte schon alles in Betracht ziehen.

Ich möchte noch auf die Maßnahmen verweisen, die die Frau Bundesministerin mit ih­ren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Innenministerium setzt, um eben dieser Pro­blematik Herr zu werden und gegen sie anzukämpfen. Es werden Dokumentenberater eingesetzt, nicht nur auf den Flughäfen, sondern auch im gesamten konsularischen Be­reich, in Griechenland, in Abu Dhabi, in Bangkok, in Neu-Delhi, in Amman, in Moskau. Überall hat das Innenministerium Personal, das sich damit beschäftigt, die SOKO Süd, die SOKO Nord, trilaterale Streifen gemeinsam mit Italien und Deutschland. Wir reden von der Aufstockung des Ermittlungsbereichs gegen Schlepperei im Bundeskriminal­amt, stärkerer internationaler Vernetzung, Frontex et cetera.

Es gibt eine Fülle von Maßnahmen, denn diese Schlepper gehen natürlich auch unter­schiedlichste Wege und haben unterschiedlichste Motive. Dass es eine schwierige Auf­gabe ist, mit dem Asylproblem umzugehen, ist ja nicht zu bezweifeln. Ich glaube aber, dass gerade die Maßnahme, die die Frau Bundesministerin gesetzt hat, nämlich die Länder aufzufordern, in kleineren Einheiten in die Gemeinden zu gehen, gut ist. Da ha­ben wir sehr tolle Bürgermeister. (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.) – Schluss­satz, Herr Präsident: Wir haben sehr tolle Bürgermeister, die wissen, wie man mit der Situation gut und verantwortungsvoll umgeht. Das Thema ist nicht dazu geeignet, ein bisschen politisches Kleingeld zu wechseln. (Beifall bei der ÖVP.)

18.24


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.24.09

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Bit­te, seien Sie nicht so kleinlich, weil vielleicht der Kollege Hagen gerade im Gemeinde­ratswahlkampf in Vorarlberg im Einsatz ist! Es haben ja immerhin noch vier andere Mitglieder des Teams Stronach hier unterschrieben. Ich kann zwar die EKGs da unten nicht entziffern, aber vielleicht ist da auch die Frau Kollegin Dietrich dabei gewesen. Je­denfalls sind es vier Kollegen des Teams Stronach, also man kann das durchaus erör­tern. Das ist eine nicht unwichtige Frage.

Kollege Amon! Zum Schluss haben Sie jetzt gesagt, ja, es gibt so viele Bürgermeister. Interessant wäre, wie viele Bürgermeister es sind, die das machen. Das werden wir


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zumindest in Niederösterreich erst nach dem 25. Jänner erfahren. (Abg. Rädler: Ihr habt ja keinen!) So weit schon wieder zum politischen Kleingeld. Sie trauen sich ja nicht einmal in die Wechselstube hineinzugehen vor dem 25. Jänner, damit man sieht, wie dann tatsächlich die Asylwerber aufs ganze Land verteilt werden.

Überhaupt, diese Debatte, Frau Ministerin – Gott sei Dank ist es eine Kurzdebatte, denn als Innenministerin haben Sie ja momentan wirklich sehr viel zu tun. Ich denke da be­sonders an die nächste Woche. Da haben Sie die Besucher des Akademikerballs ent­sprechend zu schützen (Abg. Rädler: Sagt ihn ab!), indem Sie diesen gewaltbereiten Mob, der sich da schon wieder androht, entsprechend in die Schranken weisen. Dass wieder Gewaltbereite kommen, das ist ja klar. Es ist nur interessant, dass hier eine andere Strategie gewählt wird als zur Bekämpfung des Terrors allgemein. Also da wird mit Deeskalation, Helm ab, Gesicht zeigen und so weiter gearbeitet, aber wenn es um den Terror geht, da gibt es dann gepanzerte Fahrzeuge und Hubschrauber. Man wird sehen, welches Konzept letztlich den Erfolg bringt.

Wir glauben eher, dass diese Kundgebungen, die als friedlich bezeichnet werden, in Wirklichkeit nur als Tarnmantel für Gewaltbereite dienen. Die sollen dann auch entspre­chend anders beurteilt werden. Aber, Frau Bundesminister, wir sind sehr froh darüber, dass Sie einen erfolgreichen Schutz dieser Ballveranstaltung sicherstellen wollen. Ich hoffe, dass es kein Misserfolg wird, und zwar nicht nur für die Ballbesucher, sondern auch für die unzähligen Wiener Unternehmer zum Beispiel, die um ihre Geschäftspor­tale oder Sonstiges fürchten müssen.

Aber was hat jetzt diese Anfrage mit Asyl, Migration oder geschlossenen Polizeiinspek­tionen zu tun? – Gar nichts. In Wirklichkeit sind hier ganz nackte Zahlen aufgezeichnet worden, an denen man sieht, dass es in Österreich Menschen gibt, die sich rechtswid­rig aufhalten, die nach einem Asylverfahren, nach einem rechtsstaatlich abgeschlos­senen Verfahren, wie der Kollege Plessl gesagt hat, noch immer hier sind, dass es eben Zuwanderer gibt, die sich einfach nicht an unsere gesetzlichen Regelungen, wie Rot-Weiß-Rot-Card oder sonst etwas, halten.

Wenn ich mir das anschaue, sehe ich, dass es jedes Jahr seit 2010 – da waren es 16 000 Personen – immer mehr werden. 2014 hat man bis Oktober 25 500 gezählt. Davor, 2013, waren es 27 000 Menschen, die aufgegriffen wurden. Jedes Jahr wird ei­gentlich eine gesamte Klein- bis Mittelstadt an Illegalen in Österreich aufgegriffen. Das sind die nackten Zahlen. Da sieht man sogar, dass einige bei Grenzkontrollen – 2014 sind es bis zum Oktober 387 gewesen – gefasst wurden. 1 464 Aufgegriffene waren in Begleitung von Schleppern. Jetzt weiß ich nicht, ob die 387 bei denen miteingerechnet worden sind, die bei den Schleppern dabei waren. Es ist ja oft so, dass beim Grenz­übertritt auch Schlepper dabei sein können. Also inwieweit diese Zahlen jetzt miteinan­der korrespondieren, weiß ich nicht.

Aber da gibt es noch eine andere Frage, von der ich geglaubt habe, dass sie vielleicht Sinn und Zweck der Anfragebesprechung ist, wo man sagt, da passt etwas nicht, nämlich die Frage 7. In Frage 7 wollten die Anfragesteller wissen: „Wie viele Personen sind schätzungsweise derzeit unrechtmäßig in Österreich aufhältig?“

Und darauf bekommt man die Antwort: „Meinungen und Einschätzungen sind nicht Ge­genstand des parlamentarischen Interpellationsrechtes.“

Frau Bundesminister! (Bundesministerin Mikl-Leitner: Die Dunkelziffer kennt keiner!) – Aber es wird nicht einmal erwähnt, dass es Dunkelziffern gibt! Und, Frau Bundesminis­ter, ich höre von Ihnen beziehungsweise von den Experten Ihres Ressorts, es gibt Einschätzungen über die Terrorbedrohung, über Alarmstufen und Objekte, es gibt dau­ernd Einschätzungen. Wie muss ich mir das jetzt vorstellen, wenn ich als Parlamen­tarier hier im Rahmen der gesetzlichen Kontrolle von Ihnen wissen möchte, wie die


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Einschätzungen hier oder dort sind, dass ich dann als Antwort erhalte, dass das nur Schätzungen sind, die mich als Abgeordneten nichts angehen – aber bei jeder Presse­konferenz oder ähnlichen Anlässen gibt man munter irgendwelche Einschätzungen von sich!? (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesminister! Das könnte man unter Umständen schon ein bisschen anders formulieren. Man könnte Dunkelziffern nennen, denn die Experten des Hauses müssen doch etwas wissen, wenn gesagt wird: Wir schätzen, dass die Dunkelziffer höher ist, und die wird aufgrund internationaler Erfahrung und, und, und dann ungefähr so und so hoch sein. Da wird es doch im Ressort fundierte Einschätzungen geben, auch wenn die nicht auf Punkt und Beistrich so wie die anderen Dinge stimmen.

Eines zum Abschluss: Frau Bundesminister! Sie haben diese Gelegenheit genutzt, auch das Sicherheitspaket vorzustellen. Aus freiheitlicher Sicht: Wir werden in dieser Debat­te etwas sicher nicht tun. Wir werden sicher nicht zustimmen, dass Agenden des aus­gehungerten Bundesheeres in irgendeiner Form auf die Polizei in Österreich überge­hen. Wir haben hier zwei Sicherheitskörper, die ganz klar verfassungsmäßig getrennt werden müssen. (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.) Jede Verwaschung und je­de Verwässerung in diesem Fall lehnen wir ab. (Beifall bei der FPÖ.)

18.29


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


18.29.33

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was die Kollegin Diet­rich hier gemacht hat, ist uns eigentlich aus vielen, vielen anderen Debatten sehr be­kannt, nicht nur vom Team Stronach, es zeichnet sich dort nur immer mehr ab. Das ist uns auch bekannt von der FPÖ, das ist uns bekannt gewesen vom BZÖ, und jetzt spielt das Team Stronach das gleiche Spiel.

Ich habe mir die Anfrage sehr aufmerksam durchgelesen und auch die Antwort. „Inter­essant“ – unter Anführungszeichen – ist die Begründung der Anfrage, denn sie beginnt mit Schutzsuchenden, mit Asylwerbern und Asylwerberinnen. Die werden dann im nächs­ten Atemzug mit irregulärer Zuwanderung gleichgesetzt. Dann geht es gleich zu Krimi­nalität über. Und dann werden auch noch die Schließungen von Polizeiinspektionen hi­neingerührt.

So kann man eine seriöse Debatte nicht führen. Ich nehme aber auch an, mit dieser Anfrage und auch mit der Anfragebesprechung ist gar nicht daran gedacht worden, ei­ne seriöse Debatte zu führen, weder über Asyl noch über Zuwanderung, noch über Kri­minalität, noch über Polizeiinspektionsschließungen. Es geht darum, alles in einen Topf zu schmeißen, kräftig umzurühren und dann alles miteinander gleichzusetzen.

Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Es gibt nicht nur physische Gewalt. Es gibt auch eine Gewalt der Sprache, zum Beispiel wenn man Menschen, konkret Schutzsu­chende oder Menschen mit anderer Staatsbürgerschaft, die nicht Schutzsuchende sind, ständig, regelmäßig und absichtlich und immer wieder mit Gewalt in Verbindung bringt, dann auch noch die Schließung von Polizeiinspektionen hineinrührt. Da stellt man sich zuerst scheinheilig hin und sagt, natürlich muss man Menschen Schutz angedeihen lassen, die Schutz brauchen, natürlich sind wir dafür (Abg. Neubauer: Aber doch nicht den Wirtschaftsflüchtlingen!), aber dann geht es gleich wieder zu den Polizeiinspek­tionsschließungen, zur Kriminalität und so weiter und so fort. (Beifall bei den Grünen.)

Wie hat es Herr Petzner, der langjähriger Wahlkampfleiter der FPÖ war, der Gesin­nungsgemeinschaft, der auch Sie einige Jahre angehört haben, geschätzte Frau Kolle­gin Dietrich, formuliert? – Er hat wortwörtlich gesagt, und zwar ist das ein Zitat aus ei-


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nem Magazin vom Dezember 2014, aus einem Interview, das er gegeben hat: Im Wahl­kampf ist mir „jedes Mittel recht“ gewesen, „auch Hetze gegen Randgruppen und Min­derheiten“. – Zitatende. Und diese Gesinnung ist nicht nur in einer Partei, sondern of­fensichtlich jetzt in mehreren Parteien verankert, die im Parlament vertreten sind.

Ein letzter Gedanke und eine letzte Information, weil Sie in diese Anfrage und auch in die Anfragebesprechung das Thema Asyl- und Schutzsuchende hineingerührt haben: Im Jahr 1956 hat es im Rahmen der Ungarnkrise 180 000 Flüchtlinge gegeben, die Ös­terreich aufgenommen hat. 1986 bei der Krise in der damaligen Tschechoslowakei wa­ren es 162 000 Menschen. (Abg. Amon: 68!) Anfang der neunziger Jahre hat unser Land 90 000 bosnische Kriegsflüchtlinge aufgenommen. Und jetzt raten Sie einmal, wie viele Menschen letztes Jahr in Österreich um Asyl angesucht haben! – Bis Ende November waren es rund 23 000 Menschen. (Abg. Amon: Wie viele Bosnier, wie viele Tschechen und Ungarn waren es?) Man könnte natürlich auch sagen, lernen Sie bitte Geschichte. Ich hätte eine dringendere Bitte: Hören Sie bitte mit der Hetze auf! – Dan­ke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

18.33


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


18.33.33

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Amon, ich möchte eingangs nur feststellen, dass euer Sektor auch nicht gerade gut besetzt ist, wenn man sich das anschaut. (Abg. Rädler: Die Debatte ist aber wegen euch erst notwendig!) Die Kollegin Dietrich war gerade vorhin in der Sitzung des Immunitätsausschusses. Diesen Immuni­tätsausschuss haben die Regierungsparteien extra vorverlegt, damit er dann nicht ir­gendwann nach der Sitzung um Mitternacht oder zu später Stunde stattfindet. – So viel dazu. Das sollten die Damen und Herren vor den Fernsehschirmen auch wissen. (Bei­fall beim Team Stronach.)

Nun zur gegenständlichen Anfragebeantwortung: Die Frau Ministerin hat auf die Fra­gen 4 und 5 geantwortet, dass es da keine entsprechende Statistik gibt, dass keine entsprechenden Statistiken im Ministerium geführt werden. Sehr verehrte Frau Minis­terin, das finde ich schon verwunderlich, und das ist auch nicht gerade zu rechtfertigen, vor allem, wenn man sich vor Augen führt, dass Sie das mit einem zu hohen Verwal­tungsaufwand und finanziellen Aufwand begründen. Wenn man sich vor Augen führt, dass sich kürzlich – vor einer Woche, glaube ich, war es – Ihr Klubobmann Lopatka die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung vorstellen konnte, dann finde ich das umso bedenklicher. Die Vorratsdatenspeicherung öffnet dem Datenmissbrauch Tür und Tor, meine sehr geehrten Damen und Herren. Sie ist nicht umsonst vom Verfas­sungsgerichtshof als verfassungswidrig gekippt worden. (Beifall beim Team Stronach.)

Ein Detail am Rande, das auch nicht uninteressant ist: Diese Vorratsdatenspeicherung hat uns 8 Millionen € gekostet. Dieses Geld hätten wir wesentlich besser einsetzen kön­nen.

Sicherheit und das Sicherheitsbedürfnis der Österreicherinnen und Österreicher stehen ja bei der Frau Ministerin auf der Prioritätenliste ganz oben, wie sie immer sagt. Aber haben Sie sich einmal damit auseinandergesetzt, welches Sicherheitsgefühl, welches Sicherheitsbedürfnis die Österreicherinnen und Österreicher haben? – Gut, wenn Sie mir nicht zuhören, dann können Sie wahrscheinlich auch nicht antworten. (Beifall beim Team Stronach.)

Ich bringe Ihnen hier zur Kenntnis, dass wir eine Studie beim Humaninstitut in Auftrag gegeben haben, eine Studie, die das Thema Sicherheit beleuchtet. Diese Studie ist auf


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unserer Homepage abrufbar. Und aus dieser Studie geht hervor – vielleicht interessiert Sie das, sehr geehrte Frau Ministerin –, dass das Sicherheitsbedürfnis von 67 Prozent der Befragten in Österreich durch die Politik nicht befriedigt wird. 67 Prozent der Be­fragten, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Zahlen sollten Sie sich anhö­ren! (Abg. Amon: Wie groß war das Sample?) – 800, es ist eine repräsentative Um­frage, sehr geehrter Herr Kollege von der ÖVP. Auf die Frage, was die Ursachen für ein vermehrtes Sicherheitsbedürfnis sind, gaben 90 Prozent der Befragten, man höre und staune, die Schließung der Polizeiinspektionen an. 93 Prozent gaben die erhöhte Kriminalität an. Die Kriminalität geht nicht zurück. Es werden wesentlich weniger Anzei­gen gemacht, weil die Leute resignieren und weil auch die Polizeiinspektionen zuhauf geschlossen worden sind.

Nun möchte ich noch das Sicherheitspaket ansprechen. Es wurde von einigen Vorred­nern schon erwähnt. 260 Millionen € bis 290 Millionen € sollen da zur Verfügung ge­stellt werden. Jetzt frage ich Sie aber: Wäre es in diesem Zusammenhang nicht bes­ser, mehr Vertrauen in die Exekutivbeamten zu setzen, nämlich wenn es darum geht, dass sie ihre Waffe auch außer Dienst tragen können? Wir wissen, dass es für Exeku­tivbeamte heute so gut wie unmöglich ist, einen Waffenpass zu bekommen, damit sie die Waffe mit sich führen können. Jetzt frage ich mich: Sind die Polizisten, die Exe­kutivbeamten nicht verlässlich genug? Warum können sie, wenn sie im Dienst die Waf­fe tragen, diese nicht auch außerhalb des Dienstes tragen? Warum ist das nicht mög­lich? Ein Ansatz wäre hier, dass Polizisten „nur“ – unter Anführungszeichen – mit dem Dienstausweis auch die Berechtigung haben, die Waffe außer Dienst zu tragen. (Beifall beim Team Stronach.)

Ein weiterer Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist, dass Ihnen anscheinend die Polizisten nicht wirklich alle gleich viel wert sind oder, genauer gesagt, der Schutz dieser Polizisten nicht gleich viel wert ist. Warum haben Sie nicht bei diesem hohen Budget dafür gesorgt, dass für alle 25 000 Polizistinnen und Polizisten Schutzwesten angeschafft werden? – Ich meine die ballistischen Unterziehschutzwesten, die Schutz­westen leicht, eine kostet 700 €. Wenn man da vielleicht dann aufgrund der großen Zahl einen Rabatt herausschlagen könnte, wären es um die 12 bis 13 Millionen Euro. Das müsste drinnen sein, weil der Schutz der Polizistinnen und Polizisten gegeben sein muss, und zwar für alle gleich. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim Team Stro­nach.)

18.38


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Frau Bundesministerin Mikl-Leitner noch ein­mal zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


18.38.55

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Nur kurz zu den Ausfüh­rungen der Frau Abgeordneten, die hier Kritik betreffend die Beantwortung der Fra­gen 4 und 5 geübt hat, wo es um die Frage ging, wie viele Aufgriffe es bei routinemä­ßigen Polizeikontrollen oder durch andere Behörden gab.

Ich glaube, ganz entscheidend ist, zu wie vielen Aufgriffen es überhaupt gekommen ist, egal, welche Behörde es letztendlich war. Das hätte sonst einen massiven administra­tiven Aufwand bedeutet, hätte alle Polizeiinspektionen von ganz Österreich beschäftigt. Ich sage Ihnen, hier ist es viel, viel wichtiger, dass die Außendienstpräsenz gewährleis­tet ist, um Sicherheit zu garantieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein letzter Satz noch: Die Zahlen, wie viele Aufgriffe es gab, finden Sie ganz konkret in der Anfragebeantwortung. Das heißt, wir sind unserer Verantwortung, Ihre Fragen zu beantworten, nachgekommen. Und das war uns auch wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

18.39



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 186

Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Scherak zu Wort. – Bitte.

 


18.40.09

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Sie haben es uns jetzt schon gesagt, ich wollte genau das Gleiche sagen: Die Zahlen stehen explizit drinnen, den Unterschied zwischen den unterschiedlichen Auf­griffen verstehe ich nicht. Ich war auch grundsätzlich der Meinung, dass eine Anfrage­besprechung dazu dient, etwas nachzufragen, das in der Anfrage nicht beantwortet ist. Auch die Frage im Zusammenhang mit der Aufstockung bei der Schlepperkriminalität ist klar beantwortet. Die Frau Ministerin hat gesagt: Nein. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.) Das kann man politisch mögen oder nicht, aber es ist klar beantwortet.

Ich habe auch versucht, sowohl durch das Lesen der Anfragebeantwortung als auch aus den Redebeiträgen herauszufinden, was der Hintergrund dieser Diskussion ist, aber es ist mir noch immer nicht ganz klar. Bei der Kollegin Schenk ist es anders. Da ist es mir mittlerweile klar geworden: Es geht um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.

Kollegin Korun hat schon angesprochen, was an den Ausführungen von Frau Kollegin Dietrich irritierend war: Sie hat mit der Kriminalität beim Reifenhändler bei ihr in der Nä­he begonnen; dann waren wir zwischenzeitig bei einem afrikanischen Dorf, das Geld zusammenlegt, um jemanden nach Österreich oder nach Europa zu schicken; am Schluss waren wir bei den Terror-Attentaten in Paris. Das ist ein bisschen viel für eine kurze Debatte. Ich habe den Zusammenhang nicht ganz verstanden. Deswegen ist es so schwierig, darauf zu replizieren. (Abg. Walter Rosenkranz: Das ist ein liberaler An­satz, argumentativ!) – Dass man von einem ins Nächste kommt, oder wie? – Es ist eben vieles dabei, was mit der Anfragebeantwortung nicht sonderlich viel zu tun hat. Ich verstehe es nicht, ganz ehrlich.

Wenn wir uns ernsthaft darüber Gedanken machen wollen, wieso so viele Menschen il­legal in Österreich sind – und Sie haben in vielen Bereichen recht, die Zahlen sind ja da –, dann müssen wir uns überlegen, wie wir das lösen können. Sie haben auch recht, es ist bis zu einem gewissen Grad verwunderlich, dass gerade bei uns in Öster­reich, einem Land, das keine EU-Außengrenze hat, sehr viele Asylwerber, die mit Schlep­pern hierhergekommen sind, da sind. Alles gar keine Frage.

Wenn von einem überbordenden Polizeiaufgebot und einem Angriff auf die Schlepper­kriminalität die Rede ist, so weiß ich nicht, wie viel man fordern kann, um das in den Griff zu bekommen. Ich glaube, die Lösung ist eine europäische. Wir müssen auf euro­päischer Ebene schauen, dass wir Asylwerber nach Quoten verteilen. Dann haben wir auch nicht das Problem an den EU-Außengrenzen, dass dort ganz viele Asylwerber sind, die unter unwürdigen Bedingungen wohnen müssen und dann nachvollziehbarer­weise nach Österreich kommen. Das ist für mich ganz nachvollziehbar.

Im Großen und Ganzen kann ich also die ganze Debatte nicht nachvollziehen. Ich habe auch nicht verstanden, worauf sie hinaus sollte. Insofern werde ich es auch dabei belas­sen. Mir leuchtet es nicht ein, und ich habe auch die Lösungsvorschläge nicht wirklich verstanden. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Korun.)

18.42


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

18.43.063. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 805/A(E) der Abgeordneten Angela Lueger, Angela Fichtinger, Kolleginnen und Kollegen be-


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treffend „verbesserte Kommunikation zu lebensmittel- und verbrauchsgüterbe­dingten Risiken“ (388 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte der regu­lären Tagesordnung wieder auf und eröffne die Debatte zum 3. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner ist Herr Abgeordneter Wurm zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.43.51

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Zuseher im Haus und zu Hause! Wir debattieren heute einen Entschließungsantrag, der von Rot und Schwarz im letzten Ausschuss für Konsumentenschutz behandelt wurde, nämlich mit dem treffenden Titel „verbesserte Kommunikation zu lebensmittel- und verbrauchs­güterbedingten Risiken“. Sie schreiben in der Begründung:

„In den Medien kommt es in regelmäßigen Abständen zu Berichten über Risiken im All­tag, insbesondere im Zusammenhang mit Lebensmitteln () wie Quecksilber im Fisch, Pestizide im Wasser oder auch giftige Chemikalien in Spielzeug ().“ – Wir halten die­sen Antrag für einen Feigenblatt-Antrag, und ich glaube, es geht Ihnen hier mehr ums Verdecken als ums Aufdecken.

Im Entschließungsantrag schreiben Sie weiter: „die Information insbesondere von Kindern und Jugendlichen hinsichtlich industriell produzierter Lebensmittel zu verbessern ().“ – Was wollen die Konsumenten in Österreich? – Sie wollen nicht eine bessere Kommuni­kation, sondern gesunde, sichere Lebensmittel aus der Region!

Werfen wir einen Blick zurück. Vor knapp einem Jahr wurde hier die Lebensmittelinfor­mationsverordnung diskutiert und dann auch von Rot, Schwarz und Grün dementspre­chend beschlossen; und alles, was wir Freiheitliche damals an Dingen, die mit diesem Gesetz kommen würden, prophezeit haben, ist auch eingetroffen. Mittlerweile über­wacht Brüssel unsere Kochtöpfe und Speisekarten.

Wenn Sie Vertreter aus Gastronomie, Hotellerie und dem Lebensmittelhandel fragen, was diese Lebensmittelinformationsverordnung beziehungsweise Allergenverordnung aus­gelöst hat, dann kann man sich nur noch an den Kopf greifen: Ein Bürokratiemonster ohne Ende, Sie wissen es. Auch bei den Wirtschaftskammerwahlen werden Sie Ihr blau­es Wunder erleben (Heiterkeit der Abg. Winzig), denn das, was da an Zeitaufwand und an Kosten für die Unternehmer angefallen ist, geht auf keine Kuhhaut!

Was ist die Folge davon?, muss man sich im Bereich des Konsumentenschutzes fra­gen. Wo liegt hier die Verbesserung und wohin geht diese Reise? Die Reise geht ge­nau dorthin, dass die lokalen Anbieter, die traditionelle österreichische Gastronomie un­ter die Räder kommen, während die Systemgastronomie à la McDonalds natürlich pro­fitiert und lacht und auch Industrielandwirtschaft und internationale Lebensmittelkonzer­ne lachen.

Was geschieht aktuell in der Gastronomie? – Das Angebot an Speisen wird einfach re­duziert, weil der Aufwand, die Allergene festzuhalten, für die meisten Gastronomen nicht mehr handelbar ist.

Auch das Angebot an Mittagsmenüs wird reduziert. Es geht alles in Richtung Standard. Die ganze Kreativität, die eigentlich eine Stärke Österreichs in der Gastronomie und Ho­tellerie war, geht zugrunde. Und Sie haben das verschuldet!

Ich gebe Ihnen ein kleines Beispiel dazu: Biolandwirt Annahof, Direktvermarkter in Nie­derösterreich, leidet sehr massiv unter diesem neuen Gesetz. Ich gebe Ihnen kurz wie­der, was mit der Landwirt am Telefon erzählt hat, ich kann ihn auch gerne nennen. Er


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hält diese Verordnung für weit überzogen und sagt: Dass Kuhmilch ein Allergen ist, sollte klar sein. Ich habe nun drei Ordner mehr im Büro stehen. Ich als kleiner Anbieter habe verhältnismäßig viel mehr Aufwand mit der Geschichte als große Anbieter. – Die Regionalität leidet, und er persönlich hat Angst davor, aufs Glatteis geführt zu werden.

Das sagt ein Biobetrieb. Und es ist doppelt schlimm, weil die Grünen, die immer für al­les Biologische kämpfen, in diesem Fall die Bio-Landwirtschaft und die Bio-Produzen­ten eigentlich im Regen stehen lassen.

Noch ein Thema, ganz kurz. Die Frau Ministerin hat mir zwar gesagt, das wird nicht kom­men, aber es ist bewiesen: Auch die gesunde Jause in den Kindergärten und Schulen! Wir haben es heute in der Zeitung gelesen. (Der Redner hält eine Ausgabe der Zeitung „Heute“ mit der Überschrift „Allergie-Ausweis für gesunde Jause in der Schule“ in die Hö­he.)

Sie haben damals zu mir gesagt, nein, wir malen den Teufel an die Wand, das wird nicht passieren. Natürlich ist es passiert! Für die gesunde Jause, die die Eltern bisher zum Wohle der Kinder in den Kindergärten und Schulen organisiert haben, muss jetzt genau der gleiche bürokratische Aufwand betrieben werden. Die Eltern werden sich davor hüten. Und was wird geschehen? – Unsere Kinder werden in Kindergärten und Schulen Industrienahrung bekommen, ganz klar.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung und Abänderung der bürokratischen Lebensmittelinformationsverordnung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die österreichische Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Gesund­heit und der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumenten, werden aufgefor­dert, bis zum 30. 06. 2015 eine Evaluierungsstudie auszuarbeiten, die die Auswirkun­gen der Lebensmittelinformationsverordnung auf die Gastronomie, die regionalen Nah­versorger und die Lebensmittelproduzenten dokumentiert. Insbesondere soll diese Eva­luierungsstudie die Auswirkungen im Hinblick auf den Wettbewerb gegenüber der in­ternationalen Lebensmittelindustrie darstellen. Auf Grundlage dieser Evaluierungsstu­die soll eine entsprechende Adaptierung der Lebensmittelinformationsverordnung da­hingehend erfolgen, dass die qualitativ hochwertige Gastronomie und ihre regionalen Zu­lieferer gegenüber der Systemgastronomie nicht benachteiligt werden.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.49


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Peter Wurm soeben einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

§ 55 GOG

der Abgeordneten Wurm, Mag. Haider und weiterer Abgeordneter betreffend Evaluie­rung und Abänderung der bürokratischen Lebensmittelinformationsverordnung


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eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 3) Bericht des Ausschusses für Konsumen­tenschutz über den Antrag 805/A(E) der Abgeordneten Angela Lueger, Angela Fichtin­ger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verbesserte Kommunikation zu lebensmittel- und verbrauchsgüterbedingten Risiken“ (388 d.B.)

Die Informationspflicht über die 14 Hauptallergene laut EU-Informationsverordnung ist seit 13. 12. 2014 anzuwenden. Es regelt die Informationspflicht bzw. Kennzeichnung von Lebensmitteln und „losen Waren“ über Zutaten, die Allergien oder Lebensmittelun­verträglichkeiten hervorrufen können. Darunter fallen auch Gerichte, die in Gastge­werbebetrieben und Hotelrestaurants serviert werden.

Laut „Leitlinie für die Personalschulung über die Allergeninformation im Sinne der Aller­geninformationsverordnung“ muss während der Öffnungszeiten auf Anfragen der Kun­din/des Kunden bzw. Gastes jederzeit die Allergeninformation in mündlicher Form aus­gegeben werden können, sofern keine schriftliche Kennzeichnung gegeben ist.

Jene Personen, die für die Behandlung der Anfragen von Kundinnen/Kunden bzw. Gäs­ten zur Allergeninformation bestimmt wurden, sind schulungspflichtig.

Die Lebensmittelunternehmerin/der Lebensmittelunternehmer oder eine von ihr/ihm be­auftragte Person hat jene Person zu bestimmen, die Anfragen im Sinne der Allergen­information behandelt. Gegebenenfalls können auch mehrere Personen bestimmt wer­den.

In diesem Zusammenhang muss verhindert werden, dass durch eine bürokratische Kontrolle der EU-Vorgaben die traditionelle österreichische Gastronomie massiv ge­fährdet wird und die heimischen Nahversorger und Lebensmittelproduzenten gegen­über der internationalen Lebensmittelindustrie und der Systemgastronomie fundamen­tale Wettbewerbsnachteile erleiden.

Gleichzeitig muss auch verhindert werden, dass sogenannte „Zertifizierungsagenturen“ und neue Kontrollinstanzen auch in diesem Bereich einen totalen Überwachungsstaat etablieren, der sogar den Kochtopf und die Speisekarte unserer heimischen Gastrono­mie völlig überwacht.

Werden die Vorgaben aus Brüssel wieder schonungslos umgesetzt und kontrolliert, dann wird es zu einem weiteren Wirtshausterben kommen und die traditionelle öster­reichische Wirtshauskultur wird zum Verschwinden gebracht. Damit verliert aber auch der Tourismusstandort Österreich sein Alleinstellungsmerkmal.

In diesem Zusammenhang ist es daher wichtig, dass per 30. 06. 2015 evaluiert wird, wie sich diese Lebensmittelinformationspflicht auf die auf die Gastronomie, die regio­nale Nahversorger und Lebensmittelproduzenten wettbewerbsmäßig ausgewirkt hat.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die österreichische Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Gesund­heit und der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumenten, werden aufgefor­dert, bis zum 30. 06. 2015 eine Evaluierungsstudie auszuarbeiten, die die Auswirkun­gen der Lebensmittelinformationsverordnung auf die Gastronomie, die regionalen Nah­versorger und die Lebensmittelproduzenten dokumentiert. Insbesondere soll diese Evaluierungsstudie die Auswirkungen im Hinblick auf den Wettbewerb gegenüber der internationalen Lebensmittelindustrie darstellen. Auf Grundlage dieser Evaluierungsstu­die soll eine entsprechende Adaptierung der Lebensmittelinformationsverordnung da-


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hingehend erfolgen, dass die qualitativ hochwertige Gastronomie und ihre regionalen Zulieferer gegenüber der Systemgastronomie nicht benachteiligt werden.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Lueger zu Wort. – Bitte.

 


18.49.48

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegin­nen und Kollegen des Hohen Hauses! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Wurm, Was man gegen eine verbesserte Kommunikation haben kann, verstehe ich nicht. Wir sind uns wohl einig darüber, dass heute zwei Drittel der Lebensmittel indus­triell gefertigt werden. Und das führt zu Problemen, zum Beispiel dazu, dass Kinder gar nicht mehr wissen, wie ein Apfel schmeckt. (Abg. Peter Wurm: Diese Entwicklung ha­ben Sie gefördert!) Und jetzt haben wir vor, vermehrt Informationen auch in diese Rich­tung zu verbreiten. Daher unser Antrag.

Ich stimme Ihnen nicht zu, wenn Sie sagen, alle Kundinnen und Kunden wollen gesun­de Lebensmittel aus der Region. Nein, das unterstreiche ich so leider nicht. Sehr viele Kundinnen und Kunden müssen sich nun mal nach ihrem Geldbörsl richten und kön­nen sich die hochwertige Qualität aus der Region nicht leisten, sondern müssen eben zum Teil auf industrielle Lebensmittel zurückgreifen. Warum man da nicht eine verbes­serte Information geben soll, verstehe ich nicht.

Wir kennen die Schlagzeilen, die es oft in den Medien gibt, bei denen uns das Blut in den Adern gefriert: Fische mit Quecksilber komplett verseucht; das Plastik, das die Kin­der verwenden, ist extrem gesundheitsschädlich. Da haben wir mehrere Probleme. Ei­nerseits zeigen Konsumentenschützer auf, andererseits warnen Umweltschützer vor Ge­fahren, drittens relativieren dann Experten, welche dann im Nachsatz oder vielleicht in einer Fußnote hineinschreiben: Wenn Sie 20 Kilo von diesem Fisch essen, dann be­steht die Gefahr, dass Sie einer Quecksilbervergiftung erliegen. Also wenn man das nicht zu relativieren versucht, dann verstehe ich die Welt nicht mehr.

Dass die Verbraucherinnen und Verbraucher besorgt sind, weil es so eine mediale Be­richterstattung gibt, obwohl die Produkte, die bei uns auf dem Markt sind, sehr wohl strengen Regeln unterliegen, ist etwas, woran man arbeiten muss.

Warum soll man nicht auch bei Kindern ansetzen? Wir Menschen meiner Generation haben als Kinder unseren Eltern beigebracht, dass man Altöl nicht in den Ausguss schüt­tet, sondern es sammelt und damit zur Altölsammelstelle geht. Ich halte es für einen guten Ansatz, dass man auch in diesem Fall bei den Kindern beginnt. (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.)

Die zweite Problematik, die wir haben, ist, dass die Risikowahrnehmung bei den Kon­sumenten und die Top 5 der Risiken laut den Experten absolut verschiedene Dinge sind. Ziel muss es sein, einerseits Information, Transparenz und das Vertrauen der Bevölke­rung zu steigern, andererseits aber auch das Risikobewusstsein der Menschen zu schär­fen.

Daher bin ich froh und der Frau Bundesministerin sehr dankbar dafür, dass sie mit ih­rem Ressort in dieser Richtung sehr aktiv ist und schon jetzt im Internet, mit Neuen Medien, mit dem Schülerlabor, mit AGES, mit der Akademie, mit Themenbereichen des AGES-Journals, auf die meine Kollegin noch eingehen wird, Hilfestellung leistet, damit wir da in die richtige Richtung kommen.

Ich bin überzeugt, dass es eine wichtig ist, Kinder und Jugendliche wieder zu gesun­dem Essen zurückzuführen. Aber Gesundheit hängt nicht nur von der Qualität der Le-


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bensmittel ab, die angeboten werden, sondern es tragen auch sämtliche Lebensver­hältnisse dazu bei. Da sollte man zusätzlich informieren, und das ist die Intention unse­res Antrages. Daher ersuche Sie, diesen auch zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ so­wie der Abg. Aubauer.)

18.53


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Fichtinger zu Wort. – Bitte.

 


18.54.03

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolle­ginnen und Kollegen! Hohes Haus! Der Entschließungsantrag 805/A(E) beschäftigt sich mit der verbesserten Kommunikation zu lebensmittel- und verbrauchsgüterbedingten Risiken. Was heißt das?

Der Verbraucherschutz ist eng mit den gesundheitspolitischen Aspekten verbunden. Viele Konsumentinnen und Konsumenten sind durch die mediale Berichterstattung ver­unsichert. So ist beispielsweise der Nutzen vieler Produkte, sei es zur Steigerung der Lebensqualität oder der Lebenserwartung, nicht mehr im Bewusstsein des Menschen verankert.

In diesen von den Medien verbreiteten Bedrohungsszenarien, die die Kollegin gerade erwähnt hat, ist oft die Rede von genetisch veränderten Organismen, von Radioaktivi­tät und Pestiziden. Diese Wahrnehmung von Gefahren durch Wissenschaftler ist eine völlig andere als die durch die Bevölkerung.

Unser Ziel muss es sein, die Bevölkerung zu informieren und die Kommunikation mit den Kindern, mit den Jugendlichen zu verbessern. (Abg. Peter Wurm: Und die Nah­rungsmittel anzubieten! Das muss das Ziel sein!)

Es ist natürlich ein Stück Arbeit. Ich glaube, die moderne Kommunikation wird uns da sicherlich zu Hilfe kommen. Ich glaube, gerade die Aufklärung von Kindern und Ju­gendlichen gibt uns die Möglichkeit, Krankheiten, die durch schlechte und falsche Er­nährung verursacht werden, vorzubeugen.

Meiner Meinung nach kommt natürlich den Eltern hier eine vorbildhafte und grundle­gende Funktion zu. Wird im Elternhaus der Umgang mit gesunden und natürlichen Le­bensmitteln vorgelebt, dann werden auch die Kinder später zu diesen Lebensmitteln greifen, die sie kennengelernt haben, von denen sie wissen, dass sie gesund sind und ihnen gut tun.

Ich weiß selbst als Bürgermeisterin: Natürlich gibt es aufgrund der Allergenverordnung einiges zu klären, aber trotzdem ist es ein wichtiger Faktor, dass es die gesunde Jause gibt. (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.) Die Kinder lernen mit den Produkten umzu­gehen. Sie wissen, was gesund ist und was ihnen gut tut.

Ich habe selber ein Projekt in meiner Gemeinde. Im Lebensmittelgeschäft gibt es Pro­dukte aus der Gemeinde, die durch ein besonderes Logo als Produkte aus der eigenen Region gekennzeichnet sind. Es ist wichtig, den Menschen die Wertschätzung gegen­über Regionalem wieder zu vermitteln.

Ich weiß, dass das nicht jeder kann. Ich erlebe das selber. Unsere Kurgäste sind glück­lich, dass es so etwas gibt. Ich weiß, dass das nicht für alle geht, aber trotzdem, es ist auch eine Bewusstseinsbildung.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass durch die Kennzeichnung mit dem AMA-Gütesiegel sichergestellt ist, dass Österreich drin ist, wo Österreich draufsteht. (Abg. Steinbichler: Das kann man in der Volksschule vorle­sen! – Heiterkeit beim Team Stronach.) Es ist trotzdem so. Ich glaube, dass man sich da auf jeden Fall darauf verlassen kann. (Beifall bei der ÖVP.)


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Im Ausschuss wurde auch über die vegane Ernährung gesprochen und auf diese Fra­ge eingegangen. Zu den Bedenken möchte ich noch kurz ein paar Gedanken kom­mentieren. Bei veganer, vegetarischer und nicht-vegetarischer Ernährung ist es natür­lich genauso notwendig, über die Qualität der Produkte aufzuklären. Ich habe erlebt, dass sich Menschen, die sich vegetarisch, vegan oder eben ganz normal ernähren, mehr damit auseinandersetzen, von wo das Produkt kommt, damit, ob es bio ist und aus der Region kommt.

Trotzdem gebe ich dem Kollegen Pirklhuber recht. (Abg. Pirklhuber: Bin da!) Sie ha­ben in der letzten Ausschusssitzung eingebracht, dass es sehr wichtig ist, auch in die­sem Bereich die Menschen, die Konsumenten zu informieren. Aber ich glaube, nicht nur in diesem Bereich, sondern es ist notwendig, die Menschen/die Konsumenten im­mer wieder gut zu informieren. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.58


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt der bereits angesprochene Abgeordnete Pirkl­huber zu Wort. – Bitte.

 


18.58.32

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Frau Mi­nisterin! Werte Kollegin! Ihre Schlussworte kann ich voll unterstützen. Information ist ganz wichtig für die Konsumentinnen und Konsumenten, und zwar auf allen Ebenen. Wir werden daher diesem Entschließungsantrag selbstverständlich zustimmen.

Wir werden aber auch dem Antrag des Kollegen Wurm zustimmen, denn ich finde es durchaus sinnvoll, die nicht ganz unheikle Allergenverordnung zu evaluieren und zu schauen, wie sie umgesetzt wird. – Dies vorneweg. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

Die Kollegin Lueger und auch andere haben darauf hingewiesen, dass die Risikobe­wertung sehr unterschiedlich zu sehen ist. Frau Bundesministerin, das ist durch die Medienberichterstattung ein bisschen angestoßen worden. Allerdings, meine Damen und Herren, gibt es sehr unterschiedliche Bewertungselemente von Risiko, nämlich auch die Frage der gesellschaftlichen Auswirkungen.

Auch das sind Dinge, die die Konsumentinnen und Konsumenten betreffen. Das ist der Grund, warum wir es als problematisch sehen, wenn Pestizide in die Umwelt kommen: weil das das Wasser kontaminiert, weil wir nicht wissen, was damit tatsächlich in der Natur passiert und welche negativen Auswirkungen das auf den gesamten Erdball hat.

Wir können heute DDT in der Antarktis nachweisen. Das kann uns nicht gleichgültig sein, auch wenn wir oft noch nicht wissen, welche tatsächlichen Risiken im einzelnen Fall für den einzelnen Bürger, die einzelne Bürgerin damit verbunden sind. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Selbstverständlich ist es aber auch richtig, dass Fehlernährung ein ganz wesentliches Element ist oder dass eben Allergene oder pathogene Keime ein Problem sind – ein individuelles Problem, das dann der Bürger/die Bürgerin sofort sehr rasch merkt. Keine Frage, das wollen wir nicht! Beides sollte man hier sehen. Das ist die Frage gesamt­hafter gesellschaftlicher Auswirkungen, aber auch individueller. Das ist uns von den Grü­nen wichtig.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, Frau Bundesministerin, dass neuere Forschungen wirklich interessante, sehr interessante Ergebnisse gebracht haben, was die Wirkung von bestimmten Inhaltsstoffen von Lebensmitteln, von soge­nannten sekundären Pflanzeninhaltsstoffen auf die Gehirnentwicklung angeht. Also die Hirnforschung sagt neuerdings, dass Fehlernährung, zu viel Zucker und sehr fettreiche Ernährung, einerseits auch Depressionen verstärkt und andererseits die Neubildung von Neuronen im Gehirn behindert, während umgekehrt Antioxidantien, Omega 3-Fett-


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säuren, Flavonoide und Kurkumin – nachgewiesenermaßen inzwischen; das besagen Stu­dien aus den letzten vier bis fünf Jahren – die Neubildung von Neuronen erhöhen und gleichzeitig die Lernfähigkeit und die Gedächtnisfunktion verbessern. Also Ernährung hat sogar eine direkte Auswirkung auf unser Gehirn. Das ist neuerdings nachgewiesen.

Da erwähne ich auch Bio-Lebensmittel. Es gibt internationale Studien, Metastudien; die Studie der Universität Newcastle etwa hat auch ein Ergebnis dahin gehend gebracht, was Bio-Lebensmittel enthalten, nämlich deutlich mehr dieser sekundären Pflanzenin­haltsstoffe. Also da gibt es vielleicht auch Zusammenhänge, die man in dieser Form der Kommunikation auch unter die Bürgerinnen und Bürger bringen sollte.

Weiters möchte ich noch erwähnen, dass ein neues Gesetz in Vorbereitung ist, das EU-Qualitätsregelungs- und Durchführungsgesetz, in dem es auch um regionale Her­kunft gehen soll. Dieses wird hier erst in den nächsten Wochen oder Monaten diskutiert werden. Aber dieses Gesetz sollte nicht dazu führen, dass wir mehr Bürokratie haben, sondern dazu, dass wir es effizient und gut gestalten. Da würde ich Sie ersuchen, Frau Bundesministerin, darauf ein besonderes Augenmerk zu legen.

Abschließend, meine Damen und Herren: Es wäre wirklich an der Zeit, ein Qualitätsgü­tesiegel-Gesetz für Österreich zu beschließen. Das ist ein Gebot der Stunde. Ich kann es nur immer wieder wiederholen: Das ist einfach richtig und notwendig. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Schellhorn und Steinbichler.)

19.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Ing. Dietrich. – Bitte.

 


19.02.47

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dem Kon­sumentenschutz kommt eine immer größere Bedeutung zu. In einer globalen Welt hat der Konsument keine Chance mehr, alleine aufgrund der Verpackung zu erkennen, was in einem Produkt enthalten ist, welche Folgen es für ihn hat, wenn er das Produkt konsumiert oder wenn er Verbrauchsgüter verwendet.

Wer die Verpackungen anschaut, der sieht unendlich viele E-Nummern. Ich glaube, nie­mand hier in diesem Haus macht sich die Mühe und schaut nach, was sich hinter die­sen E-Nummern versteckt. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass es eine unabhängige Prüfstelle oder eine Kontrollstelle gibt, die die Qualität permanent kontrolliert und dem Konsumenten dadurch Sicherheit gibt. (Beifall beim Team Stronach.)

Die Gefahrenpotenziale haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert; das ist ein dy­namischer Prozess. Stoffe, die einst als unbedenklich angesehen wurden, sind es nun nicht mehr. Ich erinnere auch an DDT, ich weiß, über 20 Jahre lang wurden Unmengen davon für die verschiedensten Zwecke verwendet. Das hat plötzlich bei näherer Be­trachtung ein riesiges Gefahrenpotenzial dargestellt. Wir haben vor einigen Jahren noch Plastik als unbedenklich eingeschätzt, wir wissen heute, dass die Weichmacher darin nicht unbedenklich sind, was unsere Gesundheit betrifft. Wer den HCB-Skandal in Kärn­ten mitverfolgt, weiß, wie drastisch so ein Umweltskandal für die ganze Region sein kann (Abg. Rädler: Ein grüner Umweltskandal! – Ruf: Blödsinn!), wie viele Existenzen, wie viele Bauern, wie viele Produzenten da dranhängen. Da gibt es eine hervorragen­de Molkerei, die in ihrer Existenz bedroht ist. Also das sind riesige Skandale. Ich bin froh und dankbar, dass da genau untersucht wird, dass genau hingeschaut wird, denn das Wohl des Konsumenten steht an oberster Stelle. (Beifall beim Team Stronach.)

Die Weltgesundheitsorganisation, die sich ja auch sehr intensiv damit befasst, hat nun ein neues Gefahrenpotenzial entdeckt, nämlich endokrine Disruptoren, das sind hor­monähnliche Stoffe. Das ist die globale Bedrohung seit dem Jahr 2012. Wir sehen aus


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Statistiken, dass die Spermaqualität von Männern abnimmt, dass die Mädchen immer früher in die Pubertät kommen. Wir wissen, dass die Häufigkeit verschiedener Krebs­arten zunimmt. Erst nach langem Hinterfragen und nach langen Untersuchungen kommt man drauf, was denn die Ursachen für diese Entwicklungen sind.

Meine geschätzten Damen und Herren! Bei Tierversuchen geht es leicht, da kann man leicht Dinge nachweisen. Da wissen wir heute, dass von diesen hormonähnlichen Stof­fen Verhaltensänderungen, Unfruchtbarkeit, bestimmte Krebsarten und so weiter aus­gehen. Bei Menschen ist das natürlich schwieriger nachzuweisen. Deswegen brauchen wir in diesem Bereich Vorsicht, Kontrolle und auf jeden Fall eine breite Information der Konsumenten, denn – und das, glaube ich, ist das Gefährliche daran – diese Stoffe sind in unseren alltäglichen Gebrauchsgütern. Sie sind im Lippenstift, sie sind im Haar­shampoo, sie sind in den Cremes, sie sind in den Produkten, die wir täglich verwen­den. Eine Studie besagt, dass jedes dritte Produkt eine hormonähnliche Substanz be­inhaltet, jedes fünfte Produkt sogar zwei hormonähnliche Substanzen. Ich glaube, da brauchen wir Aufklärung. Wir müssen offensiv nach vorne gehen – zum Schutze unse­rer Konsumenten! (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Pirklhuber.)

19.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Holzinger. – Bitte.

 


19.07.10

Abgeordnete Daniela Holzinger, BA (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr ge­ehrte BesucherInnen auf der Galerie, soweit Sie noch anwesend sind! Geschätzte Bür­gerinnen und Bürger, die via Fernsehen und Internet dabei sind! Sehr geehrte Kol­legInnen! In Zeiten eines globalen Marktes wachsen die Ängste der KonsumentInnen immer mehr, nicht mehr nachvollziehen zu können, was eigentlich in den Produkten, die sie täglich zu sich nehmen, drinnen ist. Nach der Frage, woher das Produkt über­haupt kommt, ist die Frage, was drinnen ist, die zweitwichtigste.

Viele versuchen, sich zu informieren. Was sie auf die Schnelle durch die Medien er­fahren, sind oft Informationen über Stoffe wie Pestizide im Wasser, Chemikalien im Spielzeug, Chemikalien im Plastik; das sind die ersten Punkte, auf die man stößt. Das führt zu dem Problem, dass die Risikowahrnehmung der VerbraucherInnen von dem abweicht, was die ExpertInnen sagen, was für den Konsumenten, für die Konsumentin wirklich gefährlich ist.

Wenn wir an Gefahren aus dem Alltag, insbesondere was die Lebensmittelsicherheit, was die Ernährung betrifft, denken, dann haben wir alle sofort Schlagworte wie Zu­satzstoffe in Lebensmitteln, Hormone, Rückstände von Arzneien vor Augen, aber tat­sächlich sehen die Experten fünf wichtigere Bereiche als extrem und gefährlich für die Gesundheit an: Das ist die Fehlernährung, wie Kollege Pirklhuber schon gesagt hat. Es sind auf der einen Seite zu viel Zucker und auf der anderen Seite zu wenige pflanzliche Inhaltsstoffe. Es sind aber auch krankmachende Mikroorganismen. Das sind Schim­melpilzgifte und Allergene, von toxischen Elementen gar nicht zu reden. Deshalb ist Aufklärung in diesen Bereichen von zentraler Bedeutung – nicht um Angstmache her­vorzurufen, sondern um aufzuklären und in diesem Staat Bürger zu haben, die sich aus­kennen, die wissen, was gesund für sie ist.

Wir wollen nicht – das ist an die FPÖ gerichtet –, dass der Staat jemanden irgendwie bevormundet. Wir wollen nicht, dass der Staat sagt, welche Produkte man noch essen darf und welche nicht. (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.) Wir wollen, dass der Staat aufklärt und Bildungsarbeit betreibt, um Bürger zu haben, die für sich selbst entschei­den können, was gut für sie ist oder nicht.

Das gehen jetzt das Bundesministerium für Gesundheit und auch die AGES an, die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, dass sie eben Bildungsarbeit betrei-


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ben und aufklären, um Jugendliche jetzt so weit zu informieren, dass sie dann als Er­wachsene einmal wissen, was gut für sie ist und was sie zum Beispiel an ihre Kinder weitergeben können.

Deshalb bitte ich um Unterstützung des vorliegenden Entschließungsantrages im Sinne der VerbraucherInnen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Pirkl­huber und Steinbichler.)

19.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Aubauer zu Wort. – Bitte.

 


19.09.38

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desminister! Kolleginnen und Kollegen! Jeder von uns ist ja auch Konsument, hat tag­täglich eigene Erfahrungen, steht vor dem Regal, kann die kleine Schrift auf den Pa­ckungen nicht lesen, kann die Inhalte nicht vergleichen. Man hat aber auf der anderen Seite Meldungen aus dem Radio von Umweltschützern im Ohr, welche Schadstoffe wo drinnen sind; letzten Endes kommen dann auch wieder Beschwichtigungen von Fach­leuten – es ist ja schon angesprochen worden –, die sagen, es sei alles nicht so schlimm.

Das heißt: Ja, wir brauchen eine bessere Risikokommunikation! Das Dilemma ist Fol­gendes: Einerseits gibt es viel zu viel Information, andererseits gibt es aber oft nicht die entscheidende Information, und man sieht durch diesen ganzen Info-Wald gar nicht durch. Was heißt das? Brauchen wir noch mehr kleine Beschriftungen? – Eher nicht. Die Info muss verständlich sein, etwa eine Positivkennzeichnung: Wo österreichische Qualität draufsteht, muss auch österreichische Qualität drinnen sein. Darauf wollen wir uns verlassen können! (Beifall bei ÖVP und Team Stronach.)

Wir verlangen in dem heutigen Antrag, dass gesellschaftliche Trends – und das ist mir ganz besonders wichtig –, wie eine älter werdende Gesellschaft, und der Wandel der Altersstruktur in der künftigen Konsumentenpolitik stärker berücksichtigt werden müs­sen. Genau zu diesen Fragen einer älter werdenden Konsumentengesellschaft hält der Seniorenbund nächste Woche im ÖVP-Klub mit Experten eine Fachtagung ab. Da gehen wir Fragen nach wie: Was wollen ältere Konsumenten? Welche Bedeutung kön­nen ältere Konsumenten für den Aufschwung der Wirtschaft haben? Und, interessant: Welche neuen Konsumstile prägen die Älteren in Österreich?

Ganz klar ist: Wenn wir länger leben, dann heißt das auch, wir konsumieren länger, wir brauchen auch mehr Information. Das ist ein Auftrag für uns im Parlament: Ältere Kon­sumenten sind in der künftigen Politik stärker zu berücksichtigen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Gisela Wurm.)

19.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 


19.12.02

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuse­her auf der Galerie und ganz besonders an den Fernsehgeräten! Ich bin ehrlich über­wältigt von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern, weil es endlich in die richtige Rich­tung, zumindest von den Aussagen her, geht. Ich bin überzeugt davon, bei so viel Zu­stimmung müssen Taten folgen.

Ich habe mir natürlich erlaubt, wieder einen kleinen Ausflug in die Lebensmittel- und Er­nährungswelt zu machen, und möchte mich von ganz weit weg nach Österreich vorar-


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beiten. (Der Redner hält ein Glas mit Maiskölbchen in die Höhe.) Es ist keine Neuig­keit, solche Maiskölbchen, die wir täglich oder wöchentlich zu Hause auf dem Jausen­tisch stehen haben, kommen natürlich frisch geerntet aus China. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Das ist einmal ein kleiner Einwand betreffend Regionalität.

Ich bedanke mich beim VKI, beim Verein für Konsumenteninformation, der sich mit dem frischen Fischspieß beschäftigt hat, frisch serviert in österreichischen Geschäften. (Der Redner hält eine Packung Fischfilet in die Höhe.) Man sieht schon an der Farbe, der Fisch dürfte nicht ganz so frisch sein. Wenn man das Kleingedruckte liest, dann wird es spannend. Da steht zu lesen: Tiefgekühlt im Ursprungsland, aufgetaut in Österreich. – Leute, das hat doch bitte mit Fairness nichts zu tun! (Beifall beim Team Stronach. – Zwischenruf des Abg. Heinzl.)

Das ist doch eine Peinlichkeit gegenüber unseren Konsumenten. Wir können sie doch nicht mit der Lupe einkaufen schicken, dass sie wirklich schauen, wo das Lebensmittel, soweit man es als solches bezeichnen kann, herkommt. Da im Ausschuss über Queck­silber in Fischen gesprochen wurde: Wer weiß, in welcher Brühe, in welcher Antibioti­ka-Brühe, im Mekong-Delta das Pangasiusfilet geschwommen ist, der weiß, dass man dazu nicht mehr „Lebensmittel“ sagen sollte.

Das sind die wesentlichen Punkte: Was heute wirklich mit den Lebensmitteln zusam­men konsumiert wird, das geht bis zu den Pestiziden im Wasser, aber wir dürfen auch Obst und Gemüse nicht ausnehmen. Natürlich ist alles regional und kommt von ausge­wählten Lieferanten! Das hören wir ja täglich im Radio und im Fernsehen. Dann kommt die Mango aus Peru, hundertprozentig Bio-Qualität; dann kommen die frischen ägypti­schen Erdäpfel, die Heurigen aus Ägypten haben keinen Transportweg hinter sich. Ist ja alles traumhaft!

Ich möchte es ein bisschen herunterbrechen, weil jetzt bereits von der gesunden Schul­jause gesprochen wurde. (Der Redner stellt eine große Tafel vor sich auf das Red­nerpult, auf der auf der einen Seite eine Wurstsemmel mit Gurkerl abgebildet ist und auf der anderen Seite Lebensmittelinhaltsstoffe aufgelistet sind.) Gott sei Dank gibt es noch Kinder, Schulkinder, die manches Mal statt dem Müsliriegel ganz aus der Nähe aus der Industriefabrik eine Wurstsemmel mithaben. Und dank der viel kritisierten Aller­gen-Richtlinie für Wirte – eine Wirtin in Oberösterreich hat es ganz intelligent gemacht, sie hat eine Tafel hinausgehängt: „Essen auf eigene Gefahr“; das kann sich ein Super­markt nicht leisten – müssen wir heute 21 Zeilen Beschreibung bei einer Wurstsemmel über die Gefahr der Allergene haben. Jeder wird sagen  (Bundesministerin Ober­hauser: Das sind Lebensmittelkennzeichnungen! Das hat mit Allergenen nichts zu tun!) – Das ist ganz aktuell, Frau Minister, aus dem heutigen Supermarkt, frisch vom Supermarkt. (Bundesministerin Oberhauser: aus dem heutigen Facebook, aber es ist eine alte !)

Jetzt darf ich noch sagen – und das ist das Tragische –, jeder würde sagen: Um Gottes willen, eine Wurstsemmel, die schädliche Semmel, die schädliche Wurst, gefährlich, But­ter ist auch noch drinnen! (Ruf bei der SPÖ: Ein Gurkerl!) – Oder ein Gurkerl. Danke. – Jetzt kommt es! Dann wird es tragisch, dann lesen Sie die kleine Aufschrift mit den Al­lergenkennzeichnungen. Und dann wissen wir auf einmal, dass da Regenwald drinnen ist (Abg. Rädler: Na geh!), nämlich nicht nur in Form von künstlichen Streichfetten, sondern in Form von Palmfett. Wir genießen Regenwald in unseren Lebensmitteln – nicht nur in den Waschmitteln, in der Kosmetik, in den Lebensmittelsubstituten bis hin zu den Blockheizwerken. Wir vernichten mit unserer Lebensweise täglich Regenwald. (Abg. Rädler: Wo kommt das her?)

Aber dann geht es weiter: Über 20 chemische Zusätze sind drinnen, von Emulgatoren über Speisefettsäuren, Ascorbinsäure, Natriumnitrit bis hin zu Gewürzextrakten, also chemischen Ersatzgewürzen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rädler.) – Herr Kolle-


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ge, hör bitte zu! Das ist ganz wichtig auch für dich in deiner Region. Du bist ja Bürger­meister. – Da sind Antioxidationsmittel drinnen, Stabilisatoren E 450, E 451, E 452, Ge­schmacksverstärker, Natriumglutamat und selbstverständlich jede Menge Konservie­rungsstoffe.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich bei allen, bei der Kollegin Au­bauer, die sich heute so klar dazu geäußert hat, bei der Kollegin Fichtinger, bei der Kollegin Holzinger. Frau Kollegin Fichtinger, wenn man immer nur darauf verweist, dass es für einen mündigen Konsumenten ohnehin das AMA-Gütesiegel gibt, dann muss ich sagen, das ist so ein Minibruchteil vom aktuellen Ernährungsanteil. Reden wir lieber nicht über die Unmengen an Leberkäse, Fleischkäse, Verarbeitungsprodukten, wo al­les hineingemanscht wird, aber zum Schluss ist ein rot-weiß-rotes Wappen drauf. (Abg. Pirklhuber: So ist es!) Das geht doch nicht! Wir müssen vom Gesamten reden. (Beifall beim Team Stronach sowie der Abgeordneten Pirklhuber und Schellhorn.)

Wo kommt die Unmenge an Edelteilen her? – Gehen Sie einmal mit einer Festgemein­schaft in ein Gasthaus, feiern Sie! Da wollen von 40 Gästen 30 Schweinsfilet essen. Wo sind denn die Schweine, die das Schweinsfilet liefern? – Natürlich wird importiert. Darüber müssen wir reden. Wir müssen das gesamt betrachten. Immer wieder wird von der Gesamtsicht geredet. Wir seien zu engstirnig, heißt es, man müsse die Ge­samtsicht sehen. Gerade bei den Lebensmitteln ist es höchst notwendig, sich vor Au­gen zu halten, aus der angesprochenen Sichtweise vom Kollegen Pirklhuber, dass das Konsumverhalten auch größte Folgen auf die Entwicklung unserer Kinder und Kindes­kinder hat.

Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg. Wir werden diesen Gesetzesantrag natür­lich unterstützen und bestmöglich weiterentwickeln.

Frau Minister! Ich bitte auch um die Umsetzung des schon lange ausständigen Quali­tätsgütesiegel-Gesetzes. Ich glaube, das wäre eine großartige Ehre für Sie als Minis­terin, wenn wir das in dieser Legislaturperiode umsetzen könnten. – Danke sehr. (Bei­fall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Heinzl – auf die noch am Rednerpult stehende Tafel weisend –: Kollege, vergiss die Wurstsemmel nicht!)

19.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Antoni zu Wort. – Bitte. (Abg. Steinbichler spricht, an der Regierungsbank stehend, mit Bundesministerin Ober­hauser.) – Einen Moment, bitte! Ich bitte darum, die Gespräche zwischen Regierungs­mitgliedern und Mandataren bei der Rede eines Kollegen einzustellen. (Abg. Stein­bichler entfernt die Tafel vom Rednerpult.)

 


19.18.31

Abgeordneter Konrad Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern wurden, mitunter auch sehr plakativ, schon viele Beispiele zum aktuellen Thema gebracht. Ich möchte daher insbesondere nochmals auf die Wichtigkeit einer verbesserten Risikokom­munikation hinweisen.

Geschätzte Damen und Herren! Wie wir alle wissen, berichten unsere Medien in re­gelmäßigen Abständen immer wieder über mögliche Risiken im Zusammenhang mit Le­bensmitteln und Gebrauchsgegenständen. Das führt mitunter auch zu Verunsicherung, obwohl – und das möchte ich schon sagen – unsere Produkte in Österreich von sehr hoher Qualität und Sicherheit zeugen. Das führt aber auch dazu, dass die Einschät­zung der Risiken in der Öffentlichkeit mit der tatsächlichen Gefährdung oft nicht über­einstimmt. Es heißt aber auch, dass die Risiken von den ExpertInnen und von den Kon­sumentInnen teilweise unterschiedlich beurteilt werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 198

Ich denke auch, dass neue Technologien und rasche Entwicklungen im Lebensmittel­sektor weitere Faktoren für zunehmende Verunsicherung sind, und gerade diese ra­schen Veränderungen im Bereich der Entwicklung lassen möglicherweise auch viel zu wenig Raum für die Kommunikation. Daher ist es für uns so wichtig, dass in Zukunft eine konsumentenfreundliche Kommunikationspolitik gefördert wird. Dementsprechend wird im gegenständlichen Entschließungsantrag unsere Frau Gesundheitsministerin er­sucht, Aufklärungsarbeit bezüglich der unterschiedlichen Risikowahrnehmung von Ex­pertinnen und Experten und Konsumentinnen und Konsumenten zu leisten.

Ich denke, gerade bei diesem Thema gewinnt die Risikokommunikation immer mehr an Bedeutung. Ihr Ziel für die Zukunft muss es sein, durch Information, vor allem durch Transparenz das Vertrauen der Bevölkerung zu stärken und das Risikobewusstsein zu fördern. Ich denke, eine wesentliche Aufgabe dabei ist es auch, bei wirklichen Risiken zu sensibilisieren und bei vermeintlichen Risiken mitzuhelfen, Ängste abzubauen und den Konsumentinnen und Konsumenten zielgruppenspezifisch qualitätsgesicherte In­formation anzubieten.

Wir werden den Antrag selbstverständlich unterstützen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Prinz.)

19.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt als nächste Rednerin Frau Abgeord­nete Diesner-Wais. – Bitte.

 


19.21.32

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­ter! Meine Damen und Herren! Uns Waldviertlern sind die Qualität und die Sicherheit der Lebensmittel wichtig – es spricht nun schon die dritte Waldviertlerin. Tagtäglich sind wir aber – so hört und liest man in den Medien – von Skandalen rund um die Kon­sumgüter bedroht, egal, ob Kinderspielzeug, Kosmetika oder Lebensmittel. Der Konsu­ment steht oft wirklich hilflos da, weil er die Befürchtung hat, dass das, was draufsteht, nicht unbedingt drinnen ist. Da gibt es viele synthetische Zusatzstoffe, bei denen er sich nicht auskennt.

Ich als Waldviertler Bäuerin kann Ihnen nur sagen, dass wir in der Landwirtschaft be­müht sind und größte Anstrengungen unternehmen, den Qualitätsansprüchen der Kon­sumenten Rechnung zu tragen. Man merkt auch, dass immer mehr Leute direkt vom Bauern kaufen, denn sie wissen, damit unterstützen sie den Bauern und sichern Ar­beitsplätze in der Region. Sie wissen, wie die Produkte erzeugt werden, und die Trans­portwege sind kurz. Regionale Produkte sind also für viele Menschen sehr wertvoll und wichtig.

Es ist natürlich auch wichtig, dass das AMA-Qualitätszeichen, das Herkunftszeichen weiter bekannt gemacht wird, denn es ist ein Garant dafür, und dass bei den verarbei­teten Produkten eine genaue Herkunftsbezeichnung erfolgt.

Mir liegt noch besonders am Herzen, dass bereits die Kinder bestens informiert wer­den. Da gibt es ein ganz tolles Projekt, „Schule am Bauernhof“, bei dem die Kinder wirklich auf den Hof geführt werden, bei dem ihnen gezeigt wird, wie ein Produkt er­zeugt wird, wie ein Produkt schmeckt. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir gerade bei den Kindern bereits für Aufklärung sorgen können, damit sie in der Zukunft zu reifen Konsumenten werden. (Beifall bei der ÖVP.)

19.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht Herr Berichterstatter Rädler ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 199

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 388 der Beilagen ange­schlossene Entschließung betreffend „verbesserte Kommunikation zu lebensmittel- und verbrauchsgüterbedingten Risiken“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (E 63.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung und Abänderung der bü­rokratischen Lebensmittelinformationsverordnung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

19.24.264. Punkt

Bericht des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 10972/14 – Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Ände­rung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von genetisch veränderten Organismen (GVO) auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen (32809/EU XXV.GP) (443 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Berlakovich. – Bitte.

 


19.25.14

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Österreich ist frei von Gentechnik im Anbau. Österreich will auch frei von Gentech­nik im Anbau in der Landwirtschaft bleiben. Diesbezüglich besteht breiter Konsens in unserem Land. Die Konsumentinnen und Konsumenten wollen die Gentechnik nicht in Lebensmitteln und in der Landwirtschaft haben, und auch die Bauern selbst wollen die Gentechnik nicht anwenden. Es ist aber so, dass in der Europäischen Union gentech­nisch veränderte Sorten – Maissorten und andere – zugelassen sind, sogenannte GMO oder GVO, gentechnisch veränderte Organismen.

Österreich hat diese Sorten mit einem nationalen Anbauverbot belegt – so weit, so gut –, das heißt, diese Sorten dürfen bei uns nicht angebaut werden. Das war bisher aber immer ein rechtlicher Graubereich und hat die Europäische Kommission gestört. Die Europäische Kommission hat immer wieder Anträge gestellt, diese nationalen An­bauverbote zu kippen.

So war es im Frühjahr 2009, als ich wenige Monate Umweltminister war: Die Europäi­sche Kommission hat damals zum vierten Mal den Antrag gestellt, die nationalen GVO-Anbauverbote Österreichs zu kippen. Damals ist es uns mit einem Kraftakt gelungen, diese Anbauverbote zu verteidigen – man braucht dafür eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten, und etliche haben gesagt, es solle Gentechnik geben. Es ist gelungen, das zu verteidigen, aber ich habe mir damals gedacht: Es kann doch nicht sein, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union sozusagen bis zu einem gewissen Grad ge­nötigt wird, Gentechnik einzusetzen, obwohl er Gentechnik nicht will.

Daraufhin haben wir das Recht auf Selbstbestimmung in der Frage der Gentechnik for­muliert. Jeder Mitgliedstaat sollte das Recht bekommen, selbst zu bestimmen, was auf


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seinen Feldern, Äckern und Wiesen geschieht – und wir lehnen die Gentechnik eben ab. Wir haben das damals formuliert. Der Titel unseres Antrages lautete: „Genetically Modified Organisms – A Way Forward“. (Der Redner zeigt ein Schriftstück.) Das heißt, es ist ein Schritt nach vorne, kein Rückschritt, wenn wir sagen, wir wollen die Gentech­nik nicht einsetzen. Österreich hat die Initiative damals eingebracht, wir wurden von den Niederlanden unterstützt, insbesondere aber auch von elf anderen Staaten, osteu­ropäischen Staaten, unter anderem Ungarn, Slowenien, Polen, Bulgarien.

Der große Durchbruch ist uns gelungen, als wenige Monate später Kommissionsprä­sident Barroso dieses Selbstbestimmungsrecht betreffend GVO in sein Programm für die Europäische Kommission übernommen und gesagt hat: Ja, es soll einem Mit­gliedsland die Möglichkeit gegeben werden, das einzuhalten.

Unter dänischer Ratspräsidentschaft hat es einen Kompromissvorschlag gegeben, der am Widerstand der großen Länder – Deutschland, Frankreich, Spanien, United King­dom – gescheitert ist. Die Unterstützung eines dieser großen Staaten wäre notwendig gewesen, dann hätte man das durchbringen können.

Andrä Rupprechter ist es in der Zwischenzeit gelungen, England auf die Seite zu zie­hen, somit hat es im Ministerrat eine Mehrheit gegeben, und letztendlich wurde das ge­meinsam mit dem Europäischen Parlament beschlossen. Elli Köstinger hat sich da von österreichischer Seite sehr eingesetzt. (Beifall bei der ÖVP.)

Was steht jetzt auf der Liste? – Es gibt ein zweistufiges Verfahren, die Möglichkeit ei­nes Opt-out. Das heißt, wenn eine GVO-Sorte zugelassen ist, kann ein Mitgliedstaat sagen, dass er rausoptiert, und das neben den normalen Risikobewertungen, die vor­gesehen sind, neben Gesundheits- und Umweltaspekten auch mit Aspekten einer tra­ditionellen Landwirtschaft, sozioökonomischen Aspekten und so weiter begründen. Das heißt, das ist ein guter Kompromiss, der auch Rücksicht darauf nimmt, dass man Sor­ten, die bereits zugelassen sind, auf seinem Hoheitsgebiet verbieten kann.

Nun zum Ergebnis: Es wird eine Richtlinie der Europäischen Union geben, wir müssen nationale Ausführungsgesetze beschließen, um das abzusichern. Da unterstützen uns die Bundesländer.

Abschließend möchte ich sagen, dass die Gentechnikfreiheit Chancen bietet. Wir wol­len das nicht nur aus umweltpolitischen Gründen nicht, die Gentechnikfreiheit bietet auch wirtschaftliche Chancen. Es gibt in Österreich Saatgutfirmen, die auch deswegen Saatgut ins Ausland exportieren, weil es in Österreich keine Gentechnik gibt. Es gibt das Projekt Donau Soja, weil wir gentechnisch veränderte Sojaimporte aus Amerika er­setzen und in Europa eine Sojaproduktion hochziehen wollen. Und wir wollen in den Lebensmitteln eben keine Gentechnik haben und sind da in Partnerschaft mit den ös­terreichischen Konsumentinnen und Konsumenten.

Daher ist das ein wichtiger Schritt – a way forward – für Österreich, um unsere Land­wirtschaft auch bäuerlich abzusichern. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Pirklhuber.)

19.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

 


19.29.54

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen natürlich ausdrücklich die neue Richtlinie zu gene­tisch veränderten Lebensmitteln. Wir haben in Österreich eine eindeutige Position da­zu, es gibt einen sehr breiten, eindeutigen Konsens – von den KonsumentInnen über die LandwirtInnen bis hin zur Politik –: Wir wollen keinen Genmais, wir wollen keine Gen-


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kartoffel und wir wollen auch kein anderes genverändertes Obst oder Gemüse; da sind wir uns alle einig.

Mit dieser neuen Regel haben wir nun endlich eine klare rechtliche Grundlage, um die­sen Willen auch sicher umsetzen zu können. Die Sicherheit hat bisher gefehlt. Sie alle können sich noch an den Streit um den Genmais 1507 erinnern, daran, wie schwierig es war, ihn von unseren Äckern fernzuhalten. Es gab immer die Auseinandersetzung mit der Kommission, die den Genmais zulassen wollte, die Befürchtung, eine Mehrheit der europäischen Staaten könnte für die Zulassung stimmen, und wir mussten immer hoffen, dass es ausreichend gleichgesinnte Staaten für eine Blockade gibt.

Diese Unsicherheit ist mit dieser neuen Richtlinie vorbei. Mit der sogenannten Aus­stiegsklausel können wir in Österreich künftig allein entscheiden, ob bei uns genverän­derte Pflanzen angebaut werden sollen oder nicht; aber nicht nur das: Die neue Richt­linie schreibt außerdem vor, dass alle Staaten, die genveränderte Lebensmittel anbau­en, in Zukunft an ihren Grenzen sogenannte Pufferzonen einrichten müssen. Damit hat unsere gentechnikfreie Landwirtschaft endlich mehr Schutz und einen sicheren europa­rechtlichen Rahmen erhalten. Ich möchte mich an dieser Stelle sowohl bei der Re­gierung als auch bei unseren EU-Abgeordneten, die sich sehr für diese Reform einge­setzt haben, bedanken.

Natürlich hätten wir uns ein noch besseres Ergebnis vorstellen können. Für Österreich wäre ein europaweites Verbot des Anbaus genveränderter Lebensmittel die beste Lö­sung gewesen, dafür haben wir uns ja in Brüssel auch starkgemacht. Ein Gesamtver­bot ist in der EU aber leider nicht mehrheitsfähig. (Abg. Pirklhuber: Noch nicht!) Wie es auch in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Atomfrage, der Fall ist, so gibt es leider auch da eine Reihe von Staaten, die unsere Vorbehalte nicht teilen. Das müssen wir jetzt einmal akzeptieren, aber wir werden weiterkämpfen. Wir haben das erreicht, was im Augenblick möglich war, und ich glaube, damit können wir auch sehr zufrieden sein.

Ob auf österreichischen Äckern genmanipulierte Pflanzen angebaut werden oder nicht, das hängt in Zukunft ganz allein von uns ab, und das ist gut so, denn wir wollen das nicht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Pirklhuber.)

19.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schrangl. – Bitte.

 


19.33.09

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren im Hohen Haus und zu Hause vor den Bildschirmen! Es ist ja schön, dass uns die Europäische Union wieder einmal etwas von unserer Souveränität zurückgibt und dass wir selbst bestimmen dürfen.

Ich denke, es ist österreichischer Konsens, dass wir keine gentechnisch veränderten Le­bensmittel, kein gentechnisch verändertes Saatgut, allgemein keine gentechnisch ver­änderten Organismen wollen. Auch der Großteil der Bevölkerung lehnt dies ab. Und jetzt gehen wir einmal davon aus, dass Österreich diese Möglichkeit beim Schopf packt und den Anbau verbieten wird – da hake ich ein.

Dieses Verbot muss derart ausgestaltet sein, dass nicht nachher ein amerikanischer Großkonzern daherkommen und behaupten kann, er sei aufgrund dieses Anbauverbo­tes in Österreich geschädigt, und dann vielleicht von der Republik Schadenersatz ein­klagen möchte – am besten vielleicht noch vor einem privaten Schiedsgericht à la TTIP, denn wir wissen ja beziehungsweise niemand in der Öffentlichkeit weiß eigentlich, was von diesen privaten Schiedsgerichten im Rahmen von TTIP noch alles umfasst sein


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 202

könnte. (Abg. Pirklhuber – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Da gibt’s schon eine Studie dazu!) – Ja, eben, da gibt es schon eine Studie; Sie werden das dann sagen, sehr gut!

Wir müssen bei diesem Gesetz daher ganz genau prüfen, dass es uns nicht so ausge­legt werden kann, damit es dann nachher nicht zu einem Haftungsfall für die Republik kommt.

Im Zusammenhang mit TTIP habe ich schon einmal gesagt, dass wir unsere guten österreichischen Lebensmittelstandards nicht durch andere Verpflichtungen aufwei­chen, sondern sie in die Welt hinaustragen sollten. Daher sollte, wie meine Vorrednerin schon gesagt hat, unser aller Ziel sein – und ich glaube, es ist auch unser aller Ziel –, dass der Anbau von GVO nicht nur in Österreich, sondern in der gesamten Europäi­schen Union verboten wird.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein generelles GVO-Anbauverbot in der Europäischen Union

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich auf euro­päischer Ebene klar für ein generelles Anbauverbot von genetisch veränderten Orga­nismen (GVO) in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union einzusetzen.“

*****

Ich hoffe auf Ihre Unterstützung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schrangl, Dr. Belakowitsch-Jenewein und weiterer Abgeord­neter

betreffend ein generelles GVO-Anbauverbot in der Europäischen Union

eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Ständigen Unterausschusses in An­gelegenheiten der Europäischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäi­schen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 10972/14 - Standpunkt des Rates in ers­ter Lesung im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von genetisch veränderten Organismen (GVO) auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen (32809/EU XXV.GP) (443 d.B.), TOP 4, in der 59. Sitzung des Nationalrates in der XXV.GP am 21.1.2015

Am 13.1.2015 wurde die o.g. Vorlage im Europäischen Parlament beschlossen. Es mag diese zwar auf den ersten Blick eine Verbesserung darstellen, da diese Richtlinie nun den Mitgliedsstaaten das Recht einräumt, - im Sinne einer Renationalisierung von Kom-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 203

petenzen bzw. Entscheidungsprozessen - den Anbau von genetisch veränderten Orga­nismen (GVO) zu untersagen.

Dennoch gilt es festzuhalten, dass abermals die Sorge besteht, dass es zu Schaden­ersatzklagen von Konzernen gegen jene Mitgliedsstaaten, die sich für Anbauverbote ent­scheiden, kommen wird.

Die österreichische Bundesregierung muss damit jetzt ihre Verantwortung zum Schutz und der Sicherung der Interessen der österreichischen Bevölkerung auf europäischer Ebene wahrnehmen, indem sie sich klar für generelles Anbauverbot von genetisch ver­änderten Organismen (GVO) in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union aus­spricht und alle notwendigen Maßnahmen hierzu setzt.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich auf euro­päischer Ebene klar für ein generelles Anbauverbot von genetisch veränderten Orga­nismen (GVO) in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union einzusetzen.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber. – Bitte.

 


19.35.56

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Werte Kolleginnen und Kol­legen! Frau Bundesministerin! Das ist an sich ein Tagesordnungspunkt, bei dem wir Kon­sens haben, es gibt nur Pro-Rednerinnen und ‑Redner, und es ist wirklich ein Tag, eine Gelegenheit, freudvoll Politik zu machen, auch wenn Ergebnisse oft lange auf sich war­ten lassen. Max Weber hat gesagt, Politik sei das Bohren dicker Bretter, und in diesem Fall trifft das zu. Es ist vor allem ein erfolgreiches Bohren von harten, dicken Brettern, und es ist ein riesiger politischer Erfolg für die österreichische Bevölkerung.

Das ist eigentlich das Besondere, denn – erinnern wir uns! – 1997 haben 1,2 Millionen Ös­terreicherinnen und Österreicher beim Volksbegehren gegen die Gentechnik klar ge­sagt, wir wollen drei Dinge nicht: Wir wollen ein Verbot der Herstellung und des Ver­kaufs von gentechnisch behandelten Lebensmitteln in Österreich, wir wollen keine Frei­setzung von GVO und wir wollen keine Patente auf Leben beziehungsweise Lebewesen!

Ein großer Teil dessen wurde in den letzten Monaten sozusagen rechtskonform auf eu­ropäischer Ebene abgesichert. Das war ein langer Weg. Ich möchte kurz einige Statio­nen erwähnen: 1998 verhinderte eine Bürgerinitiative einen Freisetzungsversuch von Gen­technikmais im Burgenland; Pioneer war das damals.

2001 – erinnern wir uns! – hatte Pioneer kontaminiertes Saatgut in Verkehr gebracht. In Oberösterreich wurden 6 000 Hektar gentechnisch verseuchter Acker umgepflügt; Kol­lege Auer erinnert sich noch. Das war ein Schock für die Bäuerinnen und Bauern, da­mals gab es Entschädigungen dafür. Und was war das Ergebnis dieses Skandals? – Wir haben die Nulltoleranz bei Saatgut in Österreich eingeführt – ein großer Meilenstein für die gentechnikfreie Saatguterzeugung in Österreich, auch für Europa. (Abg. Auer: Ober­österreich Vorreiter!) – Oberösterreich war Vorreiter, völlig richtig, Kollege Auer!

2003 ist es den Grünen gelungen, in die oberösterreichische Landesregierung einzu­ziehen, und genau in diesem Jahr, im November 2003, hat Oberösterreich federfüh-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 204

rend mit zehn anderen Regionen das Bündnis der gentechnikfreien Regionen  (Abg. Auer:  vergisst Landesrat Stockinger! – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Stockinger !) – Ja, danke, das ist richtig. Kollege Stockinger und Landesrat Anschober, die beiden ha­ben in ihrem jeweiligen Bereich sehr erfolgreich gekämpft. Warum? – Weil sie von Be­ginn an mit den Umweltorganisationen zusammengearbeitet haben, das ist auch ein gu­tes Erfolgskonzept von damals.

Wie viele Regionen sind heute in dem Bündnis? – 62 Regionen! Bayern, das sich lan­ge dagegen gewehrt hat, ist als eine der letzten Regionen in das Bündnis eingetreten. Wir sehen also, wir können gemeinsam etwas bewegen.

Zu den Ausführungen des ehemaligen Ministers Berlakovich möchte ich noch eines sa­gen: Er hat das Selbstbestimmungsrecht angesprochen. – Ja, das ist richtig. Wer hat das eigentlich initiiert? Ich möchte daran erinnern, dass die Ersten, die das gefordert haben, die Grünen waren, und zwar die österreichischen Grünen. Wir haben damals, 2006, die Konferenz über die Koexistenz in Wien genutzt und eine europaweite De­monstration mit NGOs, mit vielen Bäuerinnen und Bauern, mit Umweltorganisationen quer durch Europa organisiert. Bei dieser Konferenz wurde die Wiener Erklärung für ein gentechnikfreies Europa erarbeitet und Kommissarin Fischer Boel übergeben. – Das war 2006.

Am 4. Juli 2008 haben wir hier im Parlament den ersten gemeinsamen Fünf-Parteien-Antrag für das Selbstbestimmungsrecht der gentechnikfreien Regionen beschlossen. (Zwi­schenruf des Abg. Auer.) Es freut mich natürlich, Kollege Berlakovich, dass du als Mi­nister – du bist ja dann im Dezember Landwirtschaftsminister geworden – diesen Be­schluss des Nationalrates auf die europäische Ebene weitergetragen hast.

Wir hatten dann eine lange Phase, in der es so ausgesehen hat, als ob das ein Tro­janisches Pferd würde, als ob mit diesem Selbstbestimmungsrecht die Konzerne über­bordende Rechte bekämen. Da gab es viele Verhandlungen, viele Diskussionen und, Gott sei Dank, Verbesserungsvorschläge, sodass jetzt die Rechtsverordnung der Euro­päischen Union positiv begutachtet und vom Parlament und vom Rat beschlossen und auch von uns positiv gesehen wurde.

Was bleibt zu tun, werte Kolleginnen und Kollegen? Was sind die Zukunftsprojekte? – Erstens muss das Zulassungsverfahren grundsätzlich reformiert werden. Das hat EU-Kommissionspräsident Juncker auch versprochen.

Zweitens muss die gentechnikfreie Fütterung massiv ausgebaut werden. Kollege Berla­kovich hat das gentechnikfreie Sojaprojekt im Donauraum angesprochen. Dieses braucht die volle Unterstützung in den nächsten Jahren, aber das gilt nicht nur für Soja, son­dern auch für andere Eiweißfuttermittel.

Drittens muss ganz Europa gentechnikfrei im Anbau werden. Dafür haben wir auch noch einiges zu tun, lassen Sie uns also nach vorne blicken. Insofern möchte ich nur erwähnen: Der Antrag, den die FPÖ eingebracht hat, ist an sich redundant. Wir haben das im EU-Unterausschuss auch schon beschlossen. Aber selbstverständlich werden wir, wenn der Antrag hier im Plenum eingebracht wird, auch die Zustimmung geben. Selbstverständlich sollte ganz Europa gentechnikfrei werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ertlschweiger zu Wort. – Bitte.

 


19.41.28

Abgeordneter Rouven Ertlschweiger, MSc (STRONACH): Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Fernsehzuschauer! Kollege


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 205

Pirklhuber von den Grünen hat sehr viel Richtiges gesagt, das man nur unterstreichen kann. Meine Meinung ist, dass für die Politik prinzipiell der Grundsatz gelten muss, dass man Rahmenbedingungen in erster Linie so gestaltet, dass die Biolandwirtschaft weiterentwickelt und nicht behindert wird. Ich habe mich sehr gefreut, dass im EU-Unterausschuss ein breiter Konsens über Gentechnikfreiheit herrscht. Das ist wichtig und entspricht auch der Vorstellung der Österreicherinnen und Österreicher.

Dass die EU-Mitgliedstaaten und Regionen den Anbau gentechnisch veränderter Pflan­zen aus Umweltgründen nun verbieten können, ist ganz sicher ein Meilenstein auf dem Weg in eine gentechnikfreie Zukunft Europas, denn mit dieser Richtlinie wird sicherge­stellt – und wir haben es heute schon des Öfteren gehört –, dass auf unseren heimi­schen Ackerflächen auch künftig keine gentechnisch veränderten Organismen ange­baut werden dürfen. Das ist ein erster Schritt dahin, Europa generell gentechnikfrei zu machen.

Erst vor Kurzem, vor zwei Tagen, glaube ich, hat sich der ungarische Landwirtschafts­minister wieder dezidiert artikuliert und gesagt: Ich würde mir wünschen, ganz Europa gentechnikfrei zu machen. So eine klare Aussage würde ich mir auch von unserem Ressortverantwortlichen Andrä Rupprechter wünschen. Ich habe es bis dato leider noch nicht gehört. So ein klares Bekenntnis würde ich mir wünschen. (Beifall der Abge­ordneten Pirklhuber und Schenk.)

Dieses Ziel eines gentechnikfreien Europas ist natürlich noch ein fernes. Wenn wir das wirklich realisieren wollen, dann müssen wir auch seitens der Politik Anreize und An­reizsysteme für eine Ökologisierung schaffen. Ein Signal und ein deutliches Zeichen an alle Landwirte wäre es, würde man etwa die Beschaffung für Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser auf Bioprodukte umstellen. Das wäre ein deutliches Zeichen und si­cher auch ein Anreiz.

Ganz entscheidend für uns Konsumenten ist, dass es klare und strenge Regelungen bei der Kennzeichnung geben muss. Auch das haben wir heute schon des Öfteren ge­hört, sowohl in puncto Produktionsstandards als auch in puncto Herkunft. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wo in Österreich Bio draufsteht, muss auch Bio drin sein, und zwar in allen Facetten. Der Konsument muss ganz eindeutig unterscheiden und unkompliziert entscheiden können, welches Produkt er kauft, welches Produkt er sei­ner Familie auf dem Tisch vorsetzt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die ökologische Landwirtschaft ein klar kommu­niziertes Leitbild sein sollte. Ich meine damit, dass die österreichische Landwirtschaft, mittelfristig gesehen, noch viel stärker ökologisiert gehört und mit stärkeren Anreizsys­temen ausgestattet werden muss, denn es ist eine Tatsache, dass sich die ökologische Landwirtschaft am besten mit einem kleinstrukturierten, alpenländischen und auf Tou­rismus ausgerichteten Land verträgt – mit Österreich. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, wir müssen nur handeln. (Zwischenruf des Abg. Weninger.)

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Ökologische Landwirtschaft ist gut für die Menschen. Sie ist gut für die Umwelt. Die ökologische Landwirtschaft ist gut für das Klima und auch für die Biodiversität und viele andere Dinge. Und was aus marktwirtschaftlicher Sicht natürlich auch sehr interessant ist: Sie bietet extrem große Marktchancen im Ex­port. Aber die Voraussetzung ist, wie immer in der Wirtschaft: Man muss innovativ sein. Man muss innovativ sein und darf die Vorreiterrolle nicht verlieren. Dann wird man auch, international gesehen, konkurrenzfähig bleiben.

Lassen Sie mich auch noch ein paar Worte zu den gentechnisch modifizierten Organis­men sagen. Da gibt es meiner Meinung nach keinen Kompromiss. Da darf es keinen Kompromiss geben, genauso wie bei der Atomkraft. Da muss man sagen: Ja oder Nein.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 206

Was GMO betrifft: Kollege Berlakovich hat heute gesagt, GMO ist und bleibt eine Ri­sikotechnologie im Bereich der Lebensmittelerzeugung. Das muss uns allen bewusst sein. Die zentrale Frage, die wir uns stellen müssen, darf nicht lauten: Wie kann man den Ertrag einer Kulturpflanze unter bestimmten Bedingungen steigern? Wie kann man ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel auf eine Kulturpflanze aufbringen? Die zentrale Frage, die wir uns als Konsumenten stellen müssen, muss lauten: Wie können wir ge­sunde und sichere Lebensmittel produzieren bei einem gleichzeitigen Höchstmaß an Nachhaltigkeit und Resilienz?

Ich sage Ihnen eines, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch als Vater von zwei Kindern: Das sind wir unseren Kindern und künftigen Generationen schuldig und nichts anderes. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

19.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Pock. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.46.19

Abgeordneter Michael Pock (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte zuerst auf den ursprünglichen Punkt in der Tagesordnung eingehen, den wir auch als NEOS natürlich unterstützen. Wir haben noch nicht so lange Zeit gehabt wie die Grünen, für die Selbstbestimmung der Nationalstaaten zu kämpfen, hätten sie aber natürlich von Anfang an genauso unterstützt.

Dazu möchte ich aber auch auf den Antrag der Freiheitlichen eingehen, der meiner Mei­nung nach genau im Widerspruch zum heutigen Tagesordnungspunkt steht. Wenn wir in Österreich uns dafür einsetzen, dass wir über unseren Nationalstaat selbst bestim­men können, dann müssen wir dieses Recht auch allen anderen Nationalstaaten in der Europäischen Union zugestehen. Deswegen können wir nicht für ein Verbot auf euro­päischer Ebene eintreten oder dieses unterstützen.

Im gleichen Atemzug möchte ich bei diesem Thema aber etwas weiter gehen. Wir sa­gen, Österreich ist gentechnikfrei im Anbau. Wir haben ein Thema, wofür wir meiner Mei­nung nach derzeit in der Politik noch keine Lösung haben, nämlich was die verarbei­teten Produkte betrifft. Diesbezüglich könnte die Kennzeichnung deutlich klarer sein. Wenn internationale Inhaltsstoffe nach Österreich importiert werden, ist für den Konsu­menten, die Konsumentin heute noch nicht klar, ob die Gesamtmasse des Produkts gen­technikfrei ist.

Wesentlicher ist allerdings tatsächlich die Fleischproduktion. Wir können derzeit weder als Land Österreich noch als Europäische Union die Fleischproduktion tatsächlich gen­technikfrei gestalten. Das liegt daran, dass wir – das hat Kollege Kogler am Vormittag gesagt – zu viel Fleisch essen. Wir sollten – und das ist durchaus ein Thema, das die österreichische Landwirtschaft betreiben, aber mit dem man auch in der Europäischen Union voranschreiten kann – weitere Anbaugebiete, die noch in Südosteuropa und Ost­europa verfügbar sind, gewinnen. Die Fläche in Summe  (Zwischenruf des Abg. Auer.) – Da wirft natürlich Herr Kollege Auer ein, das wird sich in Summe nicht ausgehen. Man muss wissen, dass wir an Fläche in etwa das Vierfache dessen bräuchten, was wir in­nerhalb Europas haben.

Positiv hervorkehren muss man, dass wir derzeit Einzelprojekte haben, die das Ge­samtproblem nicht lösen, wie Donau Soja, das derzeit testweise angebaut wird. Dieses Projekt unterstützen wir.

Abschließend möchte ich sagen, dass wir uns kein Verbot des Verbots wegen wün­schen. Es gibt derzeit ein Projekt im Parlament namens Foresight, bei dem es um die


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Technikfolgen-Abschätzung geht. Das heißt, immer wenn wir ein Verbot diskutieren, sei es Gentechnik, sei es Atomenergie oder auch Fracking, wo wir natürlich die Mei­nung des Parlaments unterstützen, wünschen wir uns als Parlamentsfraktion, dass wir eine eigene Stelle im Parlament haben, die uns klar Auskunft über Folgekosten geben kann, und dass wir auch jährlich ein Reporting im Nationalrat haben, inwiefern sich die­se Technologien verändert haben, damit wir dies erneut diskutieren können. – Danke und einen schönen Abend. (Beifall bei den NEOS.)

19.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesminister Dr. Oberhauser zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesminister.

 


19.49.29

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Herr Präsident! Wer-
te Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Es ist ein schöner Be­richt, der zur Kenntnis genommen wird, an dem faktisch jeder in diesem Haus in ir­gendeiner Art und Weise entweder beteiligt war, gerne beteiligt gewesen wäre, wie es gerade der letzte Redner von den NEOS gesagt hat, oder tatsächlich, und das muss man ganz klar sagen, wie Minister Berlakovich und Minister Stöger – diese beiden waren zu diesem Zeitpunkt im Amt –, dies in Brüssel mehr oder weniger zum Laufen gebracht haben.

Aber wir machen das ja nicht aus unserem eigenen Gutdünken heraus, sondern wie der Abgeordnete Pirklhuber schon gesagt hat, haben sich 1997 1 225 790 Österrei­cherinnen und Österreicher ganz klar dafür entschieden, dass sie keine Gentechnik in Österreich wollen. Ich glaube, dass wir der Meinung dieser Menschen, ganz egal, wie alt sie ist – und ich glaube, die Anzahl der Gegner hätte sich wahrscheinlich in den Jahren seither, weil wir ja wissen, wie die Folgen von Gentechnik oft sind, sogar noch vergrößert –, natürlich Rechnung tragen müssen.

Es stimmt, man kann – so wie Kollege Pock gesagt hat –, wenn wir selbst die Souve­ränität haben wollen und sagen, wir wollen entscheiden, ob wir Gentechnik anbauen oder nicht, dann natürlich anderen das nicht anschaffen. Wenn man allerdings gelernt hat, wie Lobbying in Brüssel funktioniert, dann weiß man, dass es ganz schnell gehen kann, dass einen andere Lobbys aus Brüssel überholen, wenn man nicht versucht, auch die anderen von seiner Meinung und von dem, wovon man selbst glaubt, dass es richtig ist, zu überzeugen. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Pirklhuber.)

Deswegen, glaube ich, ist es ein guter Antrag, der von der FPÖ gekommen ist, dass wir darüber nachdenken sollen, ob wir uns in Brüssel nicht stärker einsetzen sollen. Mein Wort haben Sie zumindest, dass wir, wenn wir in Brüssel über diese Frage reden, natürlich mit aufs Tapet bringen werden, dass ich mir als Gesundheitsministerin wün­schen würde, dass ganz Europa, ja die ganze Welt gentechnikfrei ist, weil ich auch der Meinung bin, dass wir es unseren Kindern schulden, dass sie gesunde Lebensmittel ha­ben, regionale Lebensmittel haben, und wir Gentechnikfreiheit in ganz Europa haben soll­ten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS.)

19.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.

 


19.51.41

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Da­men und Herren! Dieses Thema Gentechnik wird weltweit eigentlich sehr kontroversiell diskutiert. In Amerika und in Kanada wissen wir, dass das offensiv angegangen und die Gentechnik forciert wird. In Deutschland haben sich die Argumente schon wieder ge­wendet und ist diese Offensive längst gedämpft. In Österreich haben wir eine klare Po-


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sition, wir sagen, es geht auch ohne Gentechnik. Darum begrüßen wir diesen Be­schluss, der im Europäischen Parlament gefasst worden ist, wo das Selbstbestim­mungsrecht der Mitgliedstaaten entsprechend festgelegt wird.

Am 14. Juli 2010 legte die Europäische Kommission dem Rat einen Vorschlag zur Än­derung der Freisetzungsrichtlinie vor, und ausschlaggebend für diesen Kommissions­vorschlag war die Initiative Österreichs und der Niederlande im Jahr 2009 im Umwelt­ministerrat. Und ich darf mich bei Niki Berlakovich, der seinerzeit Minister war, recht herzlich bedanken, dass er das initiiert hat. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Oberhauser.) – Im Umweltministerrat war Niki Berlakovich vertreten. (Bundesministe­rin Oberhauser: Ja, ja, !)

Es folgten dann Diskussionen, es folgte eine Ablehnung und es folgte letztendlich am 13. Jänner 2015 der Kompromiss, der Beschluss im Europäischen Parlament, den wir heute auch diskutieren. Und mit diesen neuen Regeln können die EU-Staaten künftig eine Reihe von Gründen anführen, um das Anbauverbot von Gentechnik-Pflanzen durch­zusetzen. Bisher gab es lediglich Regelungen in den einzelnen Bundesländern mit so­genannten Gentechnik-Vorsorgegesetzen, das erste ist in Salzburg am 1. August 2004 in Kraft getreten.

Die Konsumenten, meine geschätzten Damen und Herren, wollen keine Gentechnik und die Konsumenten können sich auf uns verlassen. Die Bäuerinnen und Bauern brauchen keine Gentechnik, sie wollen keine aufgezwungene Abhängigkeit von Saatgut-Konzer­nen, und die Bäuerinnen und Bauern können sich auf uns verlassen. Wenn ich hier als Bauernbund-Abgeordneter spreche, sage ich, dass es gut ist, dass wir Abgeordnete nicht nur feste Wurzeln in der Bevölkerung haben, sondern dass wir auch weit verzweigt sind bis hin ins EU-Parlament. Und Elli Köstinger war wesentlich beteiligt am Zustandekom­men dieses Beschlusses. (Zwischenrufe der Abgeordneten Pirklhuber und Auer.)

In jedem Fall müssen die Länder auch sicherstellen, dass andere Erzeugnisse nicht verunreinigt werden und Kontaminierungen nicht über die Landesgrenzen hinwegge­hen. Meine Zielsetzung geht noch weiter hinaus, es müssen aus meiner Sicht noch wei­tere Schritte folgen: Kennzeichnung von GVO-haltigen Lebensmitteln, besonders auch im Zusammenhang mit TTIP, um den Konsumenten die Möglichkeit zu bieten, klar zwi­schen nicht gentechnikfreien und gentechnikfreien Produkten zu unterscheiden.

Wir, die Bäuerinnen und Bauern in Österreich, erzeugen beste Lebensmittel hoher Qua­lität, und im Fokus unserer Agrarpolitik stehen die bäuerlichen Familienbetriebe, und die werden durch diese Anpassung entsprechend gestärkt. (Beifall bei der ÖVP, bei Abge­ordneten der SPÖ sowie des Abg. Pirklhuber.)

19.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Ehmann. – Bitte.

 


19.55.17

Abgeordneter Michael Ehmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Bei diesem Tagesordnungs­punkt geht es ja im Wesentlichen um die Selbstbestimmung der Mitgliedstaaten der Eu­ropäischen Union betreffend Ja oder Nein zum Anbau gentechnisch veränderter Orga­nismen, sprich Pflanzen.

Schon in der letzten Gesetzgebungsperiode gab es zu diesem Thema einen Entschlie­ßungsantrag in diesem Haus von fünf Parteien, und Österreich soll natürlich auch in Zukunft gentechnikfrei bleiben. Österreich war auch innerhalb der Union Mitinitiator der Vorlage zur Änderung dieser Richtlinie, wie wir schon hörten, eine akkordierte gesamt­österreichische Position ist somit gegeben. Einfach erklärt: Durch das Einfügen zweier


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neuer Artikel in die bestehende Richtlinie soll es eben das Opt-out von GVO-Anbau im staatlichen Hoheitsgebiet geben. Somit besteht die Möglichkeit, Teile oder überhaupt das gesamte Staatsgebiet vom geografischen Geltungsbereich der Zulassung des An­baues auszunehmen.

Dies soll über zwei Phasen funktionieren. Die erste Phase beinhaltet, dass man an Brüssel beziehungsweise an die Europäische Union den Wunsch übermittelt, auszu­optieren. In der Phase zwei wäre dann vorgesehen, wenn eine Firma kein Veto einlegt, dass der betroffene Mitgliedstaat innerhalb von 30 Tagen eine Begründung nachrei­chen müsste, was vorher nicht notwendig ist. Das heißt nichts anderes als: Bisher hätte man nach EU-Recht überall gentechnisch veränderte Organismen, also Pflanzen anbauen können; wir haben uns eben in Österreich für Gentechnikfreiheit entschieden, und durch das Opt-out haben wir auch die Möglichkeit, auszusteigen.

Zusätzlich, wie schon angesprochen wurde, sollen Länder, die gentechnisch veränder­te Pflanzen anbauen, deren Übergreifen auf angrenzende Staatsgebiete verhindern. Am 3. Dezember des Vorjahres wurde diesbezüglich auch auf Ebene der Europäischen Union im Wege einer Verhandlung eine Einigung getroffen. Der erzielte Kompromiss betreffend die Haltung zum Thema Gentechnik ist für Österreich natürlich sehr begrü­ßenswert, denn wir haben jahrelang dafür gekämpft. Die Vision allerdings wird es schon bleiben, ein gentechnikfreies Europa zu erreichen, wie Kollege Pirklhuber und Kollege Ertlschweiger das schon in ihren Reden angesprochen haben.

Mein Dank geht natürlich an die Hauptinitiatoren wie den damals zuständigen Bundes­minister Stöger und die jetzige Bundesministerin Sabine Oberhauser, aber auch an den Bundesminister außer Dienst Berlakovich sowie Bundesminister Rupprechter.

Da ich mich seitens des SPÖ-Klubs vor allem mit dem Thema Lebensmittelsicherheit auseinandersetzen darf, wünsche ich mir auch weiterhin eine gentechnikfreie Zukunft in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

19.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Stras­ser. – Bitte.

 


19.58.09

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In aller Kürze: Für mich ist dieser Beschluss des Europäischen Parlaments in erster Linie ein Zeichen, dass sich ein kleines Land wie Österreich auch in der Europäischen Union, im interna­tionalen Kontext sehr gut durchsetzen kann, im Sinne unserer Konsumentinnen und Konsumenten, im Sinne unserer Bäuerinnen und Bauern. Es ist ein Erfolg für Öster­reich, aber es ist auch ein Erfolg für die Europäische Union.

Herr Pirklhuber, ich würde gerne in Ihrer Zeitreihe zwei Jahre zurückgehen (Abg. Pirkl­huber:  1995?), ins Jahr 1995, und ich kann mich noch sehr genau erinnern, dass die Grünen durchaus eine interessante Kampagne gegen die Europäische Union, gegen den Beitritt von Österreich zur Europäischen Union gefahren sind, und mittlerweile ... (Abg. Pirklhuber:  zum Schutz der Landwirtschaft damals!)

Herr Pirklhuber, lassen Sie mich bitte ausreden! Mittlerweile sind Sie, Herr Pirklhuber, beziehungsweise die grüne Partei durchaus glühende Europäer. (Abg. Brosz: Wie hat denn die Kampagne geheißen?) Ein bisschen erinnert mich diese damalige Argumen­tation an die heutigen TTIP-Verhandlungen. Ich würde mir dort einfach auch mehr Sach­lichkeit wünschen, damit es Ihnen nicht wieder so ergeht, dass Sie zuerst gegen etwas sind und dann wieder quasi glühende Verfechter werden. (Abg. Brosz: Wie heißt denn die Kampagne?)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 210

Herr Pirklhuber, ich halte Sie für einen glühenden Weltbürger, und so gesehen wün­sche ich mir von Ihnen einfach mehr Sachlichkeit in der Diskussion rund um TTIP.

Und zu den Ausführungen von Herrn Schrangl ganz kurz ein Gedanke: Es ist ein Un­terschied zwischen Rechtsstandards und der Diskussion über den Investitionsschutz. Ich ersuche Sie, schauen Sie sich die Themen ein bisschen genauer an! Das würde der Sachlichkeit in diesem Haus sehr, sehr guttun. – Danke schön und alles Gute! (Bei­fall bei der ÖVP.)

20.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

 


20.00.33

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Ja, der nun auf EU-Ratsebene gefundene Kom­promiss ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung und ein Erfolg Österreichs. Be­vor Sie sich da zu sehr in Zwiegespräche vertiefen, sollten wir uns gemeinsam hier freuen können, weil es wirklich ein gemeinsamer Erfolg Österreichs ist. Wenn österrei­chische Vertreterinnen und Vertreter in den verschiedensten Gremien, ob Rat, ob Par­lament, aber auch COSAC, ParlamentarierInnen-Treffen und so weiter, sich irgendwo, unabhängig von der Parteizugehörigkeit, einig waren, dann waren es zwei Themen, die im Vordergrund gestanden sind: Das sind die Ablehnung der Atomkraft und die Ab­lehnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln.

Ich habe das einige Male miterlebt. Da waren wir oft fast ein bisschen belächelte Exo­ten und Exotinnen im internationalen Kontext. Das hat sich dann geändert mit Fukushi­ma, ein sehr trauriger Anlass. Und gerade bei der Gentechnik konnten unsere Vertre­terinnen und Vertreter im Rat – da ist es ja immer besonders schwierig; im Parlament geht es ja leichter – rechtzeitig Überzeugungsarbeit leisten.

Das Quasi-Selbstbestimmungsrecht ist sicherlich begrüßenswert, aber noch nicht ge­nug. Das sage ich auch in aller Deutlichkeit. Wir können zwar zufrieden sein, sollten aber nicht zu sehr in Selbstzufriedenheit schwelgen. Es gibt noch einiges zu tun, vor allem wenn es um die europaweite Produktkennzeichnung geht, damit sich die Konsu­mentinnen und Konsumenten wirklich orientieren können, was sie kaufen. Da freue ich mich auch über die hoffnungsverheißenden Signale aus der ÖVP. Es geht also um wirklich klare, deutliche Produktkennzeichnungen anstatt nur irgendwelcher verschlüs­selter Zeichen und Ziffern, die mit freiem Auge kaum erkennbar sind, damit der Konsu­ment, die Konsumentin auch wirklich gentechnikfreie Produkte erkennen kann – nicht nur bei Rohprodukten, sondern vor allem auch bei verarbeiteten Produkten. Da haben wir Kennzeichnungslücken, die wir gemeinsam schließen sollten.

Das würde auch einen Wettbewerbsvorteil für österreichische landwirtschaftliche Pro­dukte bedeuten, denn ich bin mir sicher, die europäischen Konsumentinnen und Kon­sumenten insgesamt bevorzugen gentechnikfreie Produkte, wenn man sie eben auch entsprechend offeriert. Hier ist Österreich sicherlich ein Vorreiterland.

Ich freue mich über diesen gemeinsamen Konsens, und es ist ein wirklich hoffnungs­verheißendes Zeichen, dass es sich auszahlt, gemeinsam für die Interessen Öster­reichs und vor allem für die Interessen des Konsumentinnen- und Konsumentenschut­zes und des Umweltschutzes einzutreten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

20.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 211

Wünscht der Herr Berichterstatter Ehmann ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union, seinen Bericht 443 der Beilagen zur Kennt­nis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein generelles GVO-An­bauverbot in der Europäischen Union.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

20.04.305. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 444/A(E) der Abge­ordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Abschaffung des Binnen-I (392 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zanger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.04.53

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Binnen-I verfolgt uns ja schon eine lange Zeit, nicht nur im letzten Jahr, wo die Diskussion wieder losgebrochen ist, sondern es war ja schon seit seiner Einführung umstritten. Im Vorjahr ist es dann wieder einmal zu einer doch etwas intensiveren Diskussion darüber gekommen, weil das Österreichische Nor­mungsinstitut im März des Vorjahres einen Entwurf für die Richtlinien zur Textgestal­tung präsentiert hat. Und dieser Entwurf hat vorgesehen, das Binnen-I nicht mehr zu verwenden, da dieses durch keine Rechtschreibregelung gerechtfertigt ist. Also eine sehr eindeutige Stellungnahme des Normungsinstitutes, die natürlich eine entsprechend heftige politische Debatte in der folgenden Zeit entfacht hat.

Aber es hat nicht nur festgestellt, dass das Binnen-I rechtschreibwidrig ist, sondern auch Schreibweisen wie das hochgestellte „in“ bei Dr.in oder das hochgestellte „a“ bei Mag.a, weil es sich hier eben um Abkürzungen handelt und damit eigentlich das Ende eines Wor­tes definiert wird.

Also ein Entwurf mit Hausverstand, der wirklich für jeden Bürger, der seinen Hausver­stand einsetzt – und ich glaube, da gibt es oft draußen viel mehr als da herinnen –, ab­solut nachvollziehbar war.

Mitte des Jahres ist dann auch ein offener Brief in der „Kronen Zeitung“, glaube ich, veröffentlicht worden, der mit einer Unmenge von Unterschriften unterzeichnet war, al­lesamt Sprachkritiker, die diesen logischen Entwurf eigentlich noch untermauert haben und die festgehalten haben, dass diese von oben her verordnete getrenntgeschlecht­liche Formulierung, die eben dieses Binnen-I auslöst, unsere gewachsene deutsche Sprachkultur oder Sprachstruktur nachhaltig zerstören würde. Auch in diesem Brief wurde die Abschaffung des Binnen-I neben einigen anderen Maßnahmen gefordert.

Wenn man sich auf der Straße mit den Bürgern unterhält oder im Verwandten-, Be­kannten-, Freundeskreis darüber spricht, so ist die Ablehnung dieses sprachlichen Un-


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getüms enorm und liegt gefühlt bei deutlich über 90 Prozent. Und was da vor allem noch dazukommt, ist jenes: Der Grund, warum es zu diesem Binnen-I gekommen ist, ist ja ideologisch geprägt, es soll uns quasi vermitteln, dass dadurch das Rollenbild der Frau beziehungsweise auch die Wahrnehmung der Frauen wesentlich mehr in den Mittelpunkt gerückt wird. Damit kann aber keiner von den Bürgern etwas anfangen, weil die Reaktionen, die ich wahrnehmen konnte, waren jene, dass sich eben eine Frau nicht über eine Schreibweise definiert, sondern über ganz andere Umstände und dass so ein Großbuchstabe mitten in einem Wort, der sozusagen eine Verhunzung der Spra­che darstellt, nicht unbedingt frauenwürdig ist und eher das Gegenteil bewirkt. (Beifall bei der FPÖ.)

Besonders wenn man mit Eltern von Schülern spricht, wird thematisiert, wie es heute in den Schulbüchern ausschaut. Und ich möchte da jetzt ein Beispiel bringen, das Sie viel­leicht kennen, aber es ist egal, es soll verbildlichen, was ich meine. In einem Volks­schulbuch ist als Arbeitsauftrag Folgendes zu lesen:

Eine/r ist Zuhörer/in, der/die andere ist Vorleser/in. Eine/r liest den Abschnitt vor, der/die Zuhörer/in fasst das Gehörte zusammen. Der/die Vorleser/in muss angeben, ob die Zu­sammenfassung richtig war. (Abg. Walter Rosenkranz: Der arme Stenographische Dienst! Da bricht man sich ja die Finger!) – Ja, Sie (zum Stenographen) können das dann von mir abschreiben, Sie müssen das nicht mitschreiben. (Heiterkeit.)

Wenn man sich dann vergegenwärtigt, dass man in unseren Breiten immer wieder von sinnerfassendem Lesen hört und spricht und so einen Text einem Volksschüler vorlegt, der daraufhin eine Aufgabe zu bewältigen hat, na ja, dann würde ich einmal sagen: Es soll jeder selber einmal an sich ausprobieren, ob er weiß, wenn er das hört, was ge­meint ist. Ich glaube, die wenigsten werden da mithalten können.

Also ich hätte jetzt ganz gerne von jenen, die unseren Antrag ablehnen, Argumente da­für, was dies mit leichter Lesbarkeit und Verständlichkeit zu tun hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Man muss sich auch vergegenwärtigen, dass wir in unseren Schulen nicht mehr nur rein deutschsprachige Kinder haben, sondern sehr viele mit Migrationshintergrund und nichtdeutscher Muttersprache, die diese unsere Sprache quasi als Fremdsprache ler­nen. Natürlich ein hehres Ziel, ist die deutsche Sprache ohnehin schon schwer genug im internationalen Vergleich zu erlernen, und da machen es solche Konstrukte nicht unbedingt leichter. Ich glaube, wir sollten da einmal Vernunft walten lassen und solche Dinge zumindest in Schulbüchern oder dort, wo es wirklich zu mangelndem Verständ­nis führt, weglassen.

Ich will jetzt angesichts der knappen Redezeit gar nicht mehr darauf eingehen, welche Ungerechtigkeiten dieses Binnen-I hervorruft. Ich denke nur an die höheren Bildungs­einrichtungen, wo man eben schlechter bewertet wird, wenn man in seiner Arbeit nicht gendert, et cetera.

Uns geht es jetzt einmal darum, Texte in der Verwaltung und in den Gesetzen, die un­lesbar geworden sind, oder eben in den Schulbüchern von diesen Ungetümen zu be­freien. Ich kann es nur so sagen, es tut mir leid, es soll jetzt keine Minderstellung von Ihnen, den Frauen sein, die Frauen sollen sich da bitte nicht angegriffen fühlen, aber da geht es wirklich um etwas, was mit Hausverstand zu betrachten ist. Ich befürchte, Sie werden es ablehnen, wir wissen es ohnehin. Aber versuchen wir doch vielleicht einmal zu einer Diskussion zu kommen, wo man das mit Hausverstand betrachtet, und schauen wir, dass wir im Sinne unserer wunderschönen deutschen Sprache solche un­lesbaren Texte für die Bürger wieder verständlich machen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.11

*****

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 213

Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich gebe bekannt: Herr Abgeordneter Pock hat das Ver­langen auf Durchführung einer ersten Lesung über den Antrag 842/A der Abgeordne­ten Pock, Kolleginnen und Kollegen, Tagesordnungspunkt 11, zurückgezogen.

Daher entfällt bei diesem Tagesordnungspunkt die Debatte, und ich werde die Zuwei­sung dieses Antrags an den Fachausschuss vornehmen.

*****

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag.a Grossmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


20.12.20

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Danke, sehr geehrter Herr Präsi­dent, auch für die geschlechtergerechte Sprache! Sie schaffen es, „Magistra zu sa­gen. Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe KollegInnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleich voranstellen möchte ich die Feststellung, dass es ja keine gesetzliche Verpflichtung zur Verwendung des Binnen-I gibt, und daher geht auch ein Gesetz zur Abschaffung des Binnen-I völlig ins Leere. Außerdem gibt es verschiedene Möglichkei­ten, eine geschlechtergerechte Sprache zum Ausdruck zu bringen.

Insgesamt möchte ich sagen, dass eine geschlechtergerechte Sprache zwar nur ein kleiner Aspekt einer geschlechtergerechten Gesellschaft ist, aber ein nicht zu vernach­lässigender. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gerechte Aufteilung von familiären Pflich­ten, Gewaltprävention, gerechte Vertretung von Frauen in Politik, Wirtschaft und Ge­sellschaft und vieles mehr beschäftigen uns vorrangig und sind auch weit größere He­rausforderungen und Anliegen, aber eine geschlechtergerechte Sprache sollte dabei eine Selbstverständlichkeit sein, über die man gar nicht lange erst diskutieren und de­battieren muss. Interessanterweise, das stelle ich immer wieder fest, wollen ausge­rechnet jene besonders ausgiebig darüber debattieren, die auch sonst die Rechte von Frauen bei jeder Gelegenheit torpedieren, um dann jenen, die sich konsequent für die Rechte von Frauen einsetzen, vorzuwerfen, dass sie keine anderen Sorgen hätten. Das erlebt man immer wieder, nicht nur innerhalb dieses Hauses, auch außerhalb in den verschiedensten Kreisen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sprache schafft Bewusstsein, und das muss schon möglichst früh erlernt werden, am besten in der Schule, damit sich dann später niemand mehr darauf ausreden kann, dass er oder sie nach der Schule nichts mehr dazugelernt hat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


20.14.47

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Binnen-I beschäftigt uns wieder einmal. Ich bin der Meinung, dass das Binnen-I und die Verwendung des Binnen-I keiner Frau in Österreich mehr bringt (Beifall bei Team Stronach und FPÖ), weder mehr Lohn noch mehr Anerkennung, noch mehr Gleichstellung. Ganz im Gegenteil, es führt dazu, dass Damen und Herren, Burschen und Mädchen bestraft werden, wenn sie in ihren Ar­beiten das Binnen-I nicht verwenden.

Die Vorrednerin hat soeben ausgeführt, dass es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Die FPÖ fordert auch nicht explizit ein Gesetz, sondern will Bewegung in diese De­batte bringen. Und es geht auch nicht nur um den Antrag der FPÖ, sondern es geht um die 800 Personen, wo unter anderen auch Verfassungsexperte Heinz Mayer dabei war,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 214

die ein Schreiben an Sie, Frau Ministerin, und an Ihren Kollegen Mitterlehner gerichtet haben, in dem sie wieder die Rückkehr zur sprachlichen Normalität fordern. Dieser For­derung, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann ich mich vollinhaltlich anschlie­ßen. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich möchte aber zur vorhin erwähnten Schlechterstellung kommen, nämlich wenn der Rektor einer Wiener Fachhochschule sagt, dass schlechter benotet wird, wenn das Bin­nen-I vergessen oder nicht verwendet wird. Hier geht es nicht um die inhaltliche Aus­richtung, sondern hier geht es lediglich darum, ob das Binnen-I verwendet wird oder nicht. Und hier hätte ich auch gerne von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Her­ren, von den BefürworterInnen eine adäquate Auskunft, was sie denn zu dieser eviden­ten Schlechterstellung sagen.

Es geht hier nicht nur um uns oder um die FPÖ, wie ich schon erwähnt habe, ich darf Ihnen auch in Erinnerung rufen, dass letzte Woche, am 12. Jänner, der Bundesvor­stand der Elternvereine an den mittleren und höheren Schulen eine Pressekonferenz abgehalten hat. Ja, und siehe da: Was wird da gefordert? In dieser Pressekonferenz wurde unter anderem auch untermauert, „das Gendern führe dagegen zu zunehmen­der Unleserlichkeit der Texte“.

Und wenn man sich hier vor Augen führt, dass jeder vierte Jugendliche nicht sinner­fassend lesen kann und das Binnen-I zu einer weiteren Verschlechterung der Lesequa­lität führt, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist hier ein großer Aufklä­rungsbedarf vorhanden. Und da würde ich Sie bitten, dass Sie hier herauskommen und uns das erklären. Und nicht nur uns, denn Sie müssen ja nicht uns überzeugen, son­dern Sie müssen die Wählerinnen und Wähler draußen überzeugen, von denen Sie ja wieder gewählt werden wollen. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

20.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Durchschlag. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


20.17.39

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätz-
te Kolleginnen und Kollegen! Vorausschickend möchte ich sagen, ich finde es fast ein bisschen befremdlich, wenn wir in Zeiten, in denen es um Deregulierung geht, wo wir uns überlegen, welche Gesetze wir brauchen, darüber nachdenken, ob wir nicht ein Ge­setz brauchen, das das Binnen-I verbietet, aber seis drum. (Demonstrativer Beifall der Abg. Schwentner sowie Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein Satz im Vorschlag des Normungsinstitutes ist mir besonders aufgefallen, der heißt: „Die Sprache dient der klaglosen Verständigung“ – d’accord – „und nicht der Durchset­zung zweifelhafter politischer Ziele.“ Das finde ich deshalb besonders spannend, weil man daraus folgern kann, dass die Gleichstellung von Frauen auch mit sprachlichen Mitteln vorantreiben und unterstützen zu wollen ein zweifelhaftes politisches Ziel ist. Wenn das die Meinung der Dame aus dem Normungsinstitut ist, ist das schon be­fremdlich, aber wenn das auch Menschen unterstützen, die in einer gesetzgebenden Körperschaft sitzen, dann halte ich das doch für ziemlich spannend.

Ich bin bei allen, die sagen, Geschriebenes muss lesbar sein, und das gilt selbstver­ständlich im Besonderen für ein Lesebuch der Volksschule. Ich finde das Beispiel, das Sie gebracht haben, Herr Kollege Zanger, auch nicht gut, ich finde das furchtbar. Aber darauf kann die Frau Ministerin sicher Einfluss nehmen, weil Kinder natürlich lesen ler­nen müssen. MaturantInnen beispielsweise können aber damit ganz sicher umgehen.

Ein anderer Satz in diesem Bericht war, dass das Binnen-I noch niemandem zu einem Job verholfen hat. Da könnte man jetzt flapsig sagen, das Binnen-I hat wahrscheinlich


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 215

noch niemandem einen Job angeboten. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Fakt ist, es gibt ein paar Dinge zum Thema Gleichstellung, die durchaus noch verbes­sert werden sollten. Ein Gesetz zu erlassen, mit dem das Binnen-I verboten wird, das halte ich für ziemlich überzogen. Und wenn man es schon einheitlich regelt, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann bitte nicht mehr in der auch vorgeschlagenen 500 Jahre alten Fassung: Wir nehmen wieder die männliche Form, und die Frauen sind mitgemeint. Drehen wir es um: Nehmen wir die weibliche Form, und meinen wir die Männer mit, denn in der weiblichen Form ist die männliche bereits beinhaltet! – Danke. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

20.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


20.20.02

Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Wenn jemand „Herr Professorin“ sagt, klingt das seltsam. Aber wenn jemand „Frau Professor“ sagt, dann klingt das für die meisten normal, weil wir in einer männlichen Benennungswelt aufgewachsen sind.

Oder ein anderes Beispiel: „Der Student“ bedeutet nichts anderes als der Mann, der stu­diert. (Abg. Zanger: Aber!) Da kann ein Mann davon ausgehen, dass er automatisch mitgemeint ist, dass er bei dieser maskulinen Form natürlich immer noch mitgemeint ist. (Abg. Hübner: ... jemand, der studiert!) Frauen müssen sich überlegen: Bin ich jetzt da mitgemeint oder nicht?

Die männliche Berufsbezeichnung wird im Gehirn und auch in der Wahrnehmung pri­mär auch als Mann verstanden. Aus diesem Grund können Frauen bei der männlichen Bezeichnung auch nicht mitgemeint sein. Frauen mitzumeinen ist eine subtile Diskrimi­nierung. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und NEOS.)

Bei der gendergerechten Sprache geht es primär um die Sichtbarkeit der Frauen. Es geht um eine gesellschaftliche Wahrnehmung. Sprache beeinflusst die Gleichberechti­gung der Geschlechter. Sprache beeinflusst unser Denken. Wenn Frauen nicht explizit genannt werden, werden sie auch nicht mitgedacht. Es gibt auch keinen vernünftigen Grund, hier wenig flexibel zu sein. Manche nennen beide Geschlechter, es gibt Bin­destrichvarianten und jene Variante mit dem großen I. Welche Form für die Zukunft praktikabel ist, wird sich mit der Zeit dann herauskristallisieren.

Wenn ihr trotz dieser Erkenntnisse Versuche einer geschlechtergerechten Sprache ins Lächerliche zieht oder aggressiv dagegen Stimmung macht, dann braucht ihr euch nicht zu wundern, wenn euch vorgeworfen wird, dass euch Gleichberechtigung einfach wurscht ist.

Wenn Herr Kollege Zanger sich schwertut mit der Lesbarkeit von Texten, dann kann ich ihm gerne ein Bilderbuch kaufen. Vielleicht kann er diese Genderform dann irgendwie finden. (Ruf bei der FPÖ: Geh, bitte! Abg. Schimanek: ...! Wie soll denn das ein Sechsjähriger verstehen!?)

Es ist wirklich schade, schade um meine Redezeit und schade um meine Arbeitszeit. Ihr habt letztes Jahr nichts anderes gemacht, als euch mit der Bundeshymne und mit der geschlechtergerechten Sprache zu befassen. (Abg. Kickl: Na, wir ned! Ruf bei der FPÖ: Die Heinisch-Hosek!) Genau die FPÖ hat sich immer wieder aufgeregt und hat gesagt, wir haben viel wichtigere Probleme als die Bundeshymne oder als die gender­gerechte Sprache. Und was macht ihr? – Ihr bringt das immer wieder selber aufs Ta­pet! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 216

Also bitte, mit derartigen Anträgen lenkt ihr nur die mediale Aufmerksamkeit von den wesentlichen Problemen ab. Wir haben in Österreich eine Frauenarmut. Wir haben in Österreich eine massive Lohnschere zwischen Männern und Frauen. (Abg. Kickl: Wir haben das gemacht? Ihr!) Wir haben in Österreich eine frauenfeindliche Arbeitswelt. Alleinerziehende Frauen sind immer noch benachteiligt, und wir lesen tagtäglich in den Zeitungen, dass Frauen geschlagen, misshandelt und auch getötet werden. (Abg. Rie­mer: Auch Männer werden geschlagen!) Und wir haben in Österreich eine FPÖ, die immer noch einen Antrag dazu einbringt, ob jetzt die Töchter in der Bundeshymne drin­nen stehen sollten oder nicht. (Abg. Kickl: Das ist der nächste Tagesordnungspunkt!)

In der tansanischen Bundeshymne kommen nicht nur Männer vor, sondern auch Frau­en und Kinder. Diese Bundeshymne ... (Ruf bei der FPÖ: Nächster Tagesordnungs­punkt!) – Wissen Sie überhaupt, wo Tansania liegt? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Die­se Bundeshymne ist 1897 geschrieben worden, und nach 118 Jahren bringt in Öster­reich die FPÖ einen Antrag ein, dass die Töchter in der Bundeshymne nicht vorkom­men sollten. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Also bitte, verschwendet eure Arbeitszeit für etwas anderes! – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. Abg. Kickl: Lassen Sie doch das Volk entscheiden!)

20.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


20.23.47

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ausführungen der Kollegin Durchschlag haben mich dazu veranlasst, mich noch einmal zu Wort zu melden, denn ich möchte Ihnen und auch den Zuseherinnen und Zusehern nicht vorenthalten, dass in der Stadt Wels die ÖVP gemeinsam mit der FPÖ im Gemeinderat einen Antrag beschlossen hat, der das Binnen-I aus dem dienstlichen Sprachgebrauch verbannen soll. (Beifall bei Team Stro­nach und FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Vielleicht können sich die Zuseherinnen und Zuseher heute auch ein Bild davon ma­chen, dass die ÖVP Wasser predigt und Wein trinkt. – Danke. (Beifall bei Team Stro­nach und FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

20.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Pock. – Bitte.

 


20.24.40

Abgeordneter Michael Pock (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuse­her! Wie vermutlich weithin bekannt ist, haben wir NEOS von Anfang an das Binnen-I auch in unserem Parteiprogramm verwendet. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Wir unterstützen diese Maßnahme aus verschiedensten Gründen, und wir wissen, dass das auch innerhalb von NEOS zu Beginn eine intensive Diskussion war.

Warum war uns das Binnen-I im Programm so wichtig? Wir sprechen von mehr als der Hälfte der Bevölkerung – den Frauen. Wir sprechen davon, dass es wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, dass die Nutzung von weiblichen und männlichen Formen in der deut­schen Sprache auch tatsächlich zu unterschiedlichen Bildern führt. Ich wünsche mir für all jene Töchter, die derzeit in unserem Bildungssystem sind (Abg. Kickl: Schaffts einfach die Grammatik ab!), dass sich durch eine neutrale, durch eine weibliche und männliche oder möglicherweise auch abwechselnde Formulierung tatsächlich auch spä­ter Arbeitsrealitäten und gesellschaftliche Realitäten verändern.

Aber ganz wichtig, zu den freiheitlichen Anträgen, die wir heute diskutieren: Diese sind, ganz im Ernst, Arbeitsverweigerung. Diese Anträge verhindern, dass das Parlament ver-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 217

nünftig arbeiten kann. (Beifall bei NEOS, SPÖ und ÖVP. Abg. Schimanek: Wie bit­te?! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Der Gleichbehandlungsausschuss hat tatsächlich Wichtigeres zu tun, als alle paar Mo­nate den gleichen Unsinn zu behandeln. Es gibt – und das wissen wir – zwischen uns und der Sozialdemokratie und den Grünen auch in der Gleichbehandlung, vor allem wenn es um die Arbeitswelt geht, wenn es um die Wirtschaft geht, sehr unterschiedli­che Ideen, wie wir Frauen gleicher berechtigen und behandeln können. Aber die inhalt­liche Debatte wäre die Aufgabe des Ausschusses.

Lassen Sie uns darüber diskutieren, welche Modelle dazu führen, dass Männer derzeit, wenn sie in Pension gehen, 1 300 € pro Monat bekommen und Frauen 820 €! (Abg. Schimanek: Das ist ein Skandal!) Lassen Sie uns das diskutieren! Das wird das Bin­nen-I, wenn Sie es abschaffen, nicht verhindern! (Abg. Kitzmüller: Wer war denn die ganze Zeit in der Regierung?)

Unserer Meinung nach bedarf es natürlich, das hat Herr Kollege Loacker mehr als ein­mal gesagt, einer rascheren Anpassung des Frauenpensionsantrittsalters. Aber es gibt auch viele andere Gründe, die wir diskutieren könnten. Wir könnten darüber diskutie­ren, warum viel mehr Frauen als Männer in Teilzeit sind, und zwar über Dekaden. Wir können darüber diskutieren, warum Frauen Berufe und Branchen wählen, in denen die Einkommen im Durchschnitt deutlich geringer sind als in jenen Berufen, in denen vor­wiegend Männer arbeiten. (Abg. Kickl: Aber wir müssen leider über das diskutieren, was Tagesordnung ist! Das ist so in einer Demokratie! Das kann sich nicht jeder aus­suchen!)

Wir können über vieles diskutieren, aber Ungleichbehandlung beginnt in der Sprache. Im Ausschuss haben wir jedoch Wichtigeres zu diskutieren als permanent das FPÖ-Gelaber. – Danke. (Beifall bei NEOS und SPÖ. Abg. Kickl: Das FPÖ-Was? Gelaber? Herr Präsident: „Gelaber“!)

20.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Kucharowits. – Bitte.

 


20.27.36

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsidentin! (Abg. Walter Rosenkranz: Ah, wissen wir was nicht?) Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte KollegInnen! Liebe ZuseherInnen! Ich möchte zu den Ausführungen meines Vorredners, des Kollegen Pock, gleich einmal vorausschicken: Mit uns, nämlich mit der SPÖ, gibt es definitiv keine raschere Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters! Das wollte ich hier einfach noch einmal verstärkt zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eigentlich finde ich es wirklich unglaublich, dass man im Jahr 2015 überhaupt noch da­rüber redet, die weibliche Sprache, ah, die weibliche Form in der deutschen Sprache nicht zu verwenden. (Abg. Kickl: Da ist jetzt was gerutscht!) Seien wir ehrlich: Die Forderung nach der Abschaffung des Binnen-I, das gesetzlich gar nicht geregelt ist, ist eigentlich nur ein Vorwand. Es geht Ihnen, nämlich den KollegInnen der FPÖ, ganz einfach um back to the conservative roots, Frauen in der Sprache einfach nicht sichtbar zu machen, Frauen nicht gleichberechtigt zu sehen. Darum geht es. (Abg. Kitzmüller: So ein Unsinn! Unfassbarer Unsinn!)

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, für mich als 31-jährige Frau ist es eigentlich unglaublich, diesen Backlash zu erleben, den wir heute hier erlebt haben: Stichwort Fortpflanzungs­medizingesetz, Stichwort Binnen-I, Stichwort Hymne. – Unglaublich, was da alles pas­siert, ehrlich! (Abg. Kitzmüller: Bei wem lassen Sie träumen? Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 218

Liebe KollegInnen von der FPÖ, unser Ziel muss es einfach sein, Frauen zu stärken und Frauen wirklich alles zu ermöglichen, um auch gleichberechtigt und gleichgestellt leben zu können. (Abg. Walter Rosenkranz: War das „KollegInnen“ jetzt mit Binnen-I oder ohne? Wen hat sie angesprochen? Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und das er­kenne ich bei Ihnen ganz definitiv nicht. (Abg. Walter Rosenkranz: Wen sprechen Sie an? Sprechen Sie mit kleinem i oder mit großem I? Wen haben Sie jetzt angespro­chen?)

Werte KollegInnen, wir wollen nicht mitgemeint sein. Herr Kollege Rosenkranz, darum geht es! Sie wollen mit „KollegInnen“ nicht mitgemeint sein, aber wir Frauen sollen uns mitgemeint fühlen, wenn die männliche Form diskutiert wird?! – Auf keinen Fall! (Wei­tere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Egal, wie oft Sie weiterhin protestieren und auch da­gegenreden, das perlt bei uns ganz einfach ab. Wir werden immer laut für Frauen sein. Wir werden immer laut für die weibliche Form in der Sprache sein. Und wir werden einfach nicht müde, das garantieren wir Ihnen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ so­wie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS. Abg. Walter Rosenkranz: Wen haben Sie jetzt angesprochen?)

20.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Asdin El Hab­bassi. – Bitte.

 


20.29.45

Abgeordneter Asdin El Habbassi, BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Wenn man die­ser Debatte aufmerksam folgt, dann kann man nur leise nachfühlen, welche Krämpfe die Bürgerinnen und Bürger haben, die das alles mitverfolgen haben müssen, wenn sie mitbekommen, mit welchen Themen wir uns hier im Hohen Haus beschäftigen und wie viel Zeit wir investieren, um darüber zu diskutieren. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Vielleicht ganz kurz ein Zitat aus dem Antrag, nämlich aus einem Interview mit der Vor­sitzenden des Österreichischen Normungsinstituts, das möchte ich schon auch gewür­digt haben. Sie sagt:

„Gleichbehandlung ist ein Ziel, das auf der Ebene des Faktischen vorangetrieben wer­den muss. Welcher Frau hat das Binnen-I zu einem besseren Job oder zu mehr Be­zahlung verholfen?“ – Das ist ein Zitat aus dem Antrag, und zwar ein Zitat der Vorsit­zenden des Österreichischen Normungsinstitutes zu dieser Thematik. Das möchte ich vorweg einmal nur so gebracht haben.

Ich teile die Einschätzung, dass es nicht sinnvoll ist, irgendwelche gesetzlichen Be­stimmungen für die Verwendung des Binnen-I zu haben. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir es schaffen, die Einkommensschere zu schließen, dass wir es schaffen, an­dere Benachteiligungen von Frauen in dieser Gesellschaft zu vermindern (Abg. Kitz­müller: Genau!), und möchte schon anmerken, dass man nicht ein Gesetz zur Ab­schaffung einer gesetzlichen Bestimmung, die es gar nicht gibt, verabschieden kann. Es gibt nämlich keine gesetzliche Bestimmung zur Verwendung des Binnen-I. Und da­her ist dieser Vorwurf von Frau Aslan schon berechtigt.

Ich habe mir den Spaß gemacht, einmal nur kurz überschlagsmäßig durchzurechnen: Wir sind ungefähr 200 arbeitende Menschen hier im Raum. Die Debatte ist für 30 Minu­ten angesetzt. Wenn man das hochrechnet, dann sind das 100 Stunden schwer be­zahlte Arbeit, für die die Bürgerinnen und Bürger vor den Fernsehschirmen aufkom­men. Die bezahlen mit ihrem Steuergeld dafür, dass wir hier über das Binnen-I debat­tieren, anstatt uns zu überlegen, wie wir tatsächlich etwas für die Frauen in diesem Land verbessern können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der NEOS. Zwi­schenruf der Abg. Kucharowits.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 219

In diesem Sinne möchte ich mein Statement beenden und bitte Sie einfach darum, dass wir uns um die notwendigen Dinge kümmern und dass wir es hoffentlich in Zeiten wie diesen als Standard betrachten, dass man Männer und Frauen gleich behandelt und auch in unserer Sprache entsprechende Formen verwendet. (Abg. Kucharowits: Das ist ein bisschen eine peinliche Rede für einen jungen Mann!)

20.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Knes. – Bitte.

 


20.32.12

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Ministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich komme mit diesem Antrag ein­fach nicht klar. Je mehr ich überlege, desto widriger wird es mir, darüber nachzuden­ken. (Abg. Schimanek: Dann lassen Sie es! Ruf bei der FPÖ: Geh heim! Abg. Kitz­müller: Lassen Sie es!) Ich habe es auch schon im Ausschuss erwähnt und sage es hier noch einmal: Die FPÖ verwendet diesen Antrag ausschließlich aus populistischen Gründen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich das ganz kurz mit einer Geschichte skizzieren, die vielleicht auch für die Öffentlichkeit interessant sein könnte:

Papa Schlumpf weiß nicht weiter, holt seinen Rat der Schlümpfe zusammen und sagt: Liebe Schlümpfe, wie schaffen wir es, dass wir morgen irgendwie in den Medien er­scheinen können? (Abg. Strache: Ein Verschwörungstheoretiker!) Dann steht der kleins­te Schlumpf in der vierten Reihe auf und sagt: Ich hätte eine Idee: Wir stellen einen Antrag, das Binnen-I in Österreich gesetzlich abzuschaffen! (Abg. Kitzmüller: Dann hat der 10. Schlumpf in der 15. Reihe von der SPÖ gesagt, ...!) – Gesagt, getan. Einen Tag später ist alles erledigt. Es steht auch in der Zeitung: „Hymne und Binnen-I: FPÖ lässt Parlament über Frauenthemen abstimmen.“ (Abg. Strache: Und wer stimmt wie­der dagegen? Abg. Walter Rosenkranz: Pressefreiheit!) – Das ist einmal dieser Akt.

So, dann kommt der Papa Schlumpf und sagt: Lieber kleiner Schlumpf, du hast deine Arbeit erledigt, bitte geh in dein Lager zurück, geh Holz holen für das Lagerfeuer, sonst werden wir in dieser Nacht frieren. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, das ist ein rein populistischer Antrag der FPÖ. Ich wie­derhole: Was für ein Gesetz sollen wir, bitte, abschaffen, wenn es dazu nicht einmal ein Gesetz gibt?! (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Herr Abgeordneter Zanger hat zwar die Hausaufgaben des Papa Schlumpf erfüllt, aber nicht darüber nachgedacht, worum es in diesem Gesetz geht, das es nämlich gar nicht gibt, und stellt frohlockend hier einen Antrag, ein Gesetz abzuschaffen, das überhaupt nicht in der Verfassung niedergeschrieben ist. (Rufe bei der FPÖ: Lesen! Sie haben es nicht verstanden! Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!)

Geschätzte Damen und Herren, viele Vorrednerinnen und Vorredner haben dasselbe gesagt: Wir sollen uns über die Genderpolitik unterhalten und die Frauenangelegenhei­ten in Zukunft sehr ernst nehmen. Wir haben noch genug Aufgaben zu lösen, auch was die Gleichbehandlung in den Betrieben betrifft (Abg. Walter Rosenkranz: Die Frau Ab­linger hat auch viel dazu zu sagen!) oder die Gewalt an Frauen und in den Familien, anstatt uns hier im Hohen Haus über das Binnen-I zu unterhalten. (Abg. Strache: Das sagen Sie einmal den 40 000 Leuten im Fußballstadion!)

Eines sei euch ins Stammbuch geschrieben, liebe FPÖ: Die WählerInnen werden es euch in Zukunft sicher nicht danken! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.34



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 220

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.

 


20.34.40

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (FPÖ): Ach, Herr Abgeordneter Knes! Vieles von dem, was Sie sagen, ist völlig falsch. Aber zuerst einmal: Wir sind nicht aus Populismus gegen das Binnen-I, sondern es geht uns wirklich auf die Nerven, und diese Ablehnung teilen wir auch mit einem guten Teil der Bevölkerung. (Lebhafter Beifall bei der FPÖ.)

Es ist damit auch den Frauenrechten nicht wirklich gedient, ganz im Gegenteil: Wenn wir die Dinge so machen, provozieren wir natürlich schon auch die Gefahr eines Back­lash, was Frauenrechte betrifft. Aber abgesehen davon, lassen Sie mich in aller Kürze drei Gründe nennen.

Sie, Herr Abgeordneter, haben jetzt als männlicher Feminist Ihren Kolleginnen keinen guten Dienst erwiesen, und ich sage Ihnen: Obwohl er nicht einmal gegendert ist, Herr Abgeordneter – wie wäre es erst dann, wenn er gegendert wäre! –, haben Sie den Text nicht verstanden. Natürlich hat die FPÖ nicht beantragt, dass das Binnen-I verboten wird, obwohl es ja gar kein Gesetz gibt. (Abg. Knes hält den genannten Antrag der FPÖ in die Höhe. Abg. Schimanek: Sinnerfassend lesen!) Können Sie sinnerfassend lesen? Wie wird denn das erst sein, wenn das auch noch gegendert ist?, sage ich noch einmal! (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen Sie doch, was da steht: „Die Bundesregierung und insbesondere die Bundes­ministerin für Bildung und Frauen werden aufgefordert, entsprechende Schritte zu set­zen (...), die auf die Abschaffung des sogenannten Binnen-I im Verwaltungsbereich des Bundes abzielen, sowie dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu übermitteln, die die Streichung sämtlicher Binnen-I aus allen Bundesgesetzen und Bundesverfassungs­gesetzen gewährleistet.“

Niemand verbietet jemandem das Binnen-I (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach), sondern wir wollen, dass die Verwaltungspraxis und die Gesetz­gebung wieder zu einer vernünftigen Schreibweise zurückkehren.

Noch einmal zur Lesbarkeit: Ist Ihnen übrigens aufgefallen – aber ich schimpfe immer nur Sie von der SPÖ, ich muss auch zu den Kolleginnen von der ÖVP hinüberreden –, dass in der Werbung nicht gegendert wird? Warum? – Dort will man klare Botschaften senden, die den Menschen erreichen – den Mann oder die Frau –, weil es um Geld geht, und da wird natürlich nicht gegendert. Können wir, bitte, dieselbe Regel, dass wir das, was wir sagen und schreiben, auch wirklich vermitteln wollen, auch für unsere Schul­bücher festhalten?! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Und übrigens, Frau Abgeordnete Aslan: Ihre Parteiobfrau sagt im Interview mit der „Pres­se“ auf die Frage, ob sie eigentlich am Binnen-I hänge, sie verwende lieber beide For­men oder umschreibe sie. Das ist zum Beispiel eine ganz vernünftige Sache.

Das Thema Lesbarkeit und Verständlichkeit habe ich jetzt also abgehandelt.

Zweites Thema: Natürlich schafft Sprache Bewusstsein, das ist klar. Allerdings kann man sie nicht beliebig verändern. Wenn sie umformt, was bereits in den Köpfen im Entste­hen ist, dann kann es den letzten Schritt dazu setzen, dass etwas bewusst wird. Es hat Spracherzeugnisse, Literatur gegeben, die ganz Europa verändert haben – der „Wer­ther“ zum Beispiel. Aber man kann das nicht einfach willkürlich aufsetzen.

Da darf ich jetzt auf den offenen Brief, Frau Ministerin, den Sie bekommen haben und der vor allem von Sprachwissenschaftern unterschrieben ist, verweisen. Erstunterzeich­nerin ist Frau Dr. Annelies Glander, also eine Frau, die eine sehr richtige Beobachtung macht. Da steht:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 221

„Sprache war und ist immer ein Bereich, der sich basisdemokratisch weiterentwickelt: Was die Mehrheit der Sprachteilhaber als richtig empfindet, wird als Regelfall angese­hen. Wo immer im Laufe der Geschichte versucht wurde, in diesen Prozess regulie­rend einzugreifen, hatten wir es“ – das ist jetzt starker Tobak – „mit diktatorischen Re­gimen zu tun. Das staatstragende Prinzip Demokratie verbietet daher a priori sprachli­che Zwangsmaßnahmen (...).“

Dem kann man eigentlich wenig hinzufügen. Es ist so! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schwentner: Und die Rechtschreibreform?)

Aber zum Dritten: Sie kommen ja nicht durch, denn es muss eine Bereitschaft beste­hen, bestimmte sprachliche Entwicklungen auch mitzuvollziehen. Das geschieht ja ganz und gar nicht. Nicht nur die Werbung, sondern auch alle Qualitätszeitungen, auch die, die eher links sind, wie der „Spiegel“ zum Beispiel, machen das nicht mit, da würde niemand den Text gendern, weil es ja darum geht, Botschaften zu vermitteln. Nur: Wa­rum das ausgerechnet in der Schule sein muss, das ist eine andere Frage.

Und zum Letzten: Sie halten sich – auch das im Gegensatz zu der von Ihnen immer wieder prononcierten Ideologie, eben nicht europazentriert zu denken – ständig für den Nabel der Welt. Fällt Ihnen nicht auf, welch kleiner Teil der Welt sich mit diesem Pro­blem beschäftigt? – 1,3 Milliarden Chinesen, 1,4 Milliarden Inder würden sich auf den Kopf greifen, wenn sie diese Debatte hier mitverfolgen könnten. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.) Lassen Sie einfach diesen Unfug bleiben! Setzen Sie auf das Ver­nünftige, nämlich auf die Verständlichkeit von Sprache, und ansonsten versuchen Sie, die Stellung der Frau in Österreich zu einer wirklich gleichberechtigten zu machen! (Bei­fall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

20.39

20.40.03

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschus­ses, seinen Bericht 392 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

20.40.146. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 730/A der Abge­ordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bundeshymne der Republik Ös­terreich, BGBl. I Nr. 127/2011, geändert wird (393 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Schimanek. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


20.40.47

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolle­gen und Kolleginnen! Die Umtextung der Bundeshymne war ein blanker Hohn! Nichts­destotrotz wurde gegen die Stimmen der FPÖ im Jahr 2011 unsere Bundeshymne umgetextet. Das war ein weiterer Schritt in dieser „Pleiten, Pech und Pannen“-Regie­rung, und es war auch nichts anderes zu erwarten. Ich habe schon damals vor dem Unmut der Bevölkerung gewarnt und einen Antrag auf Volksabstimmung eingebracht. Den haben Sie natürlich abgelehnt, weil Sie ihn gefürchtet haben wie der Teufel das Weihwasser. Warum? – Das wissen wir heute ganz genau.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 222

Was ist in den letzten Jahren passiert? – Die Diskussion um die geänderte Bundes­hymne reißt nicht ab. Die Österreicherinnen und Österreicher können sich mit der neu­en Form einfach nicht abfinden. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Nachbaur.) Viele Umfragen sprechen dazu eine deutliche Sprache, sei es das Ö3-Voting, sei es eine OGM-Umfrage, Fachhochschulen in diversen Bundesländern haben sich mit diesem Thema beschäftigt, und eine klare Mehrheit spricht sich gegen diese pseudofrauenpoli­tische Maßnahme aus. Erst heute Morgen in der Diskussion auf einem privaten Ra­diosender haben sich alle Anrufer für die alte und richtige Version unserer Bundeshym­ne ausgesprochen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erlebe es immer wieder bei diversen Ver­anstaltungen: Wenn die Bundeshymne gespielt wird, dann wird es unruhig in der Be­völkerung. Es gibt manche, die dann sehr vehement bei gewissen Textstellen, zum Beispiel bei den „Söhnen“, die Stimme erheben, andere singen die Bundeshymne gar nicht mehr mit, und das kann es ja wohl auch nicht sein.

Was haben die Frauen von dieser geänderten Bundeshymne? – Ich erhalte sehr viele Zuschriften aus ganz Österreich, die mich dazu auffordern, tätig zu werden und wieder die ursprüngliche Bundeshymne einzufordern. (Beifall bei der FPÖ.) Dieser Aufforde­rung komme ich selbstverständlich gerne nach, denn ich sehe es als meine Verpflich­tung an. Glauben Sie wirklich, dass die Umdichtung der Bundeshymne auch nur einer Frau geholfen hat?! Wir haben heute schon gehört: gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Gewalt gegen Frauen, Frauenarmut, die Schwierigkeit, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, ich könnte Ihnen noch ganz andere Beispiele bringen – hier wird nichts gemacht!

Aber ich verstehe schon: Dies ist das Einzige, das die werten Kolleginnen und die poli­tisch verantwortlichen Frauen in ihren Fraktionen frauenpolitisch durchgesetzt haben, und sie werden diese Maßnahme natürlich auf Mord und Brand verteidigen. Ich sehe in den entschlossenen Mienen der Unbelehrbaren, dass sie das jetzt auch als nachfol­gende Redner machen werden. Aber ich garantiere Ihnen: die Österreicherinnen und Österreicher haben Sie nicht auf Ihrer Seite! (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Lintl.)

20.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wurm. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


20.44.19

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrte Kollegen, Kolleginnen! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Sprache schafft Wirklichkeit, Sprache soll aber auch Wirk­lichkeit ausdrücken. Was heißt das, dass Wirklichkeit auch ausgedrückt werden soll? – Dass Frauen auch entsprechend vorkommen sollen.

Ich habe mir verschiedene Studien angesehen, so zum Beispiel von der Universität Innsbruck. Frau Dr. Elisabeth Mairhofer vom Institut für Sprachen hat sich damit be­fasst und uns auch mit verschiedenen Studien versorgt. Was sagen all diese Studien?

Wenn Sie gefragt werden, sehr geehrte Damen und Herren: Nennen Sie mir drei Politi­ker!, dann fallen Ihnen im Normalfall drei Männer ein, Obama, meinetwegen Churchill, vielleicht auch noch Hollande, wenn aber Politikerinnen und Politiker abgefragt werden, dann kommen andere Antworten, dann kommt vielleicht auch eine Angela Merkel vor, dann kommt vielleicht eine Maria Theresia vor, und, und, und. Was will ich damit aus­drücken, was will ich Ihnen damit sagen? – Wenn auch die weiblichen Formen verwen­det werden, dann denkt man auch eher an die Frauen.

Nennen Sie mir Wissenschaftler! – Dazu fällt einem vielleicht Newton ein und vielleicht noch Gauß, aber nicht Marie Curie.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 223

Ich könnte das weiterführen: Literaten? – Vielleicht fällt einem Handke ein, aber nicht Elfriede Jelinek, oder Goethe, aber nicht Marie von Ebner-Eschenbach, und, und, und.

Es gibt unzählige Beispiele, und das ist nicht aus der Phantasie heraus gesagt, son­dern es gibt empirische Untersuchungen, die das belegen.

Wir sprechen jetzt über die Abänderung der Bundeshymne, die hier im Haus aufgrund eines Initiativantrages, aufgrund einer Initiative des österreichischen Parlaments, der ös­terreichischen Abgeordneten mit Mehrheit beschlossen wurde, und ich bitte Sie, sehr geehrte Damen und Herren, Mehrheiten zu akzeptieren. Wir haben in einer Demokratie Mehrheiten zu akzeptieren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Das war ein rot-schwarz-grüner Antrag!) Und wenn wir jetzt in Österreich in unserer Bundeshymne auch die „großen Töchter“ besingen, sage ich Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren: Wir haben viele große Töchter in unserem Land, wir haben sehr viele große Töchter! (Abg. Strache: Die singen alle im Stadion die traditionelle Hymne!)

Wenn die Frauenministerin jetzt in einer Aktion jeden Tag eine Frau hervorhebt, vor den Vorhang holt, die oft nicht genannt wird, nicht erwähnt wird, dann ist das wichtig, denn: Was nicht genannt wird, existiert in vielen Fällen nicht, daher ist Geschichte eine wichtige Frage und ist das Benennen eine wichtige Frage.

Nur ein kleiner Auszug von wichtigen Österreicherinnen, von großen Töchtern: Von Maria Theresia habe ich schon gesprochen; Ingeborg Bachmann, Senta Berger, Mi­chaela Dorfmeister, Christiane Hörbiger, Elfriede Jelinek, Hedy Lamarr, Alma Mahler-Werfel (Abg. Strache: Anna Fenninger!), Lise Meitner, Annemarie Moser-Pröll (Abg. Strache: Anna Fenninger nicht vergessen!), Anna Maria Mozart, Romy Schneider, Ma­ria Schell, Margarete Schütte-Lihotzky, Christina Stürmer, Gerlinde Kaltenbrunner, Pet­ra Kronberger (Abg. Strache: Dr. Griss!) Frau Dr. Griss, jawohl –, Christine Nöstlin­ger, Waris Dirie, Marie von Ebner-Eschenbach, Elisabeth von Österreich-Ungarn (Abg. Strache: Maria Fekter!), Bertha von Suttner und natürlich auch Frau Burjan zum Bei­spiel, auch Frau Schittenhelm, auch Frau ... (Abg. Schieder: Wurm!)  Wurm, natür­lich. (Heiterkeit der Rednerin. Beifall bei der SPÖ.) Alle möglichen großen Töchter fallen mir ein, selbstverständlich auch Johanna Dohnal und auch Barbara Prammer. (Beifall bei der SPÖ.)

20.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steger. – Bitte.

 


20.48.37

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Zuseher! Hohes Haus! „Heimat bist du großer Söhne“ – offensichtlich ein Satz, der bewegt. Erst im vergangenen Sommer sang Andreas Gabalier die Hymne in der alten, in der Originalfassung, und entfachte dadurch neuerlich eine wilde Debatte über die 2011 beschlossene Änderung. Doch es waren nicht nur seine Fans, es war ein Großteil der österreichischen Bevölkerung, der ihm genau damit recht gab. Diese Emotionen können Sie auch sehen, Sie brauchen nur in ein Fußballstadion zu gehen. Dort singen zigtausende Menschen geschlossen, gemeinsam und voller Stolz die alte Originalbundeshymne. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Nachbaur. – Abg. Strache: Alle Frauen singen mit!)

Also ein Satz, der tatsächlich bewegt, allerdings erst, nachdem er geändert wurde, denn wie die OGM-Umfrage 2011 gezeigt hat, haben sich davor nicht viele Leute dafür inter­essiert, ob die Töchter auch tatsächlich in der Hymne stehen. Das sind für viele Men­schen in diesem Land aufgezwungene feministische Themen zur Ablenkung von den wahren Problemen der Frauen in dieser Gesellschaft. (Beifall bei der FPÖ. Zwischen­rufe bei SPÖ und Grünen.)


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OGM-Chef Bachmayer hat es folgendermaßen zum Ausdruck gebracht: „Rundherum krachen die Euro-Staaten – und jetzt ist das politische Thema Nummer eins, die Töch­ter in die Hymne zu flicken.“ Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber ich verstehe schon, es ist natürlich wesentlich einfacher – wesentlich einfacher –, eine Hymne zu ändern als gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchzusetzen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Strache: Scheinheilig ist das!) Wo sind die Kinderbetreuungsplätze? Wo sind die Pensionsanrechnungszeiten? Was ist mit den vor Kurzem beschlossenen Kürzungen im Pflegebereich, die auch wieder die Frauen belasten? Ein Hammer nach dem anderen geht auf die Frauen nieder, und womit haben Sie sich beschäftigt? – Sie haben 2011 die Hymne geändert. Das sind wirklich nicht die wahren Probleme der Frauen in diesem Land (Beifall bei der FPÖ), das ist Gleichberechtigung rein auf dem Papier und sonst nichts!

Eines, werte Kollegen von SPÖ, ÖVP und Grünen – die NEOS waren damals noch nicht dabei –, haben Sie damit wirklich erreicht: Jetzt ist den Menschen die Änderung der Bundeshymne wirklich ein Anliegen, nämlich die Rückänderung, weg von den „Töch­tern“ in der Hymne. Das ist das Resultat, wenn man den Willen der Bevölkerung igno­riert. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung haben sich damals in Umfragen gegen die Änderung der Bundeshymne ausgesprochen. (Abg. Strache: Zwangsverordnung! Die Menschen haben Zwangsverordnungen satt!)

Nicht nur das. Auch Sprachwissenschafter kritisierten die Änderung als – ich zitiere – „grammatikalisch grenzwertig und ästhetisch ein Gräuel“.

Wenn Sie jetzt sagen, das sind nur Umfragen, Umfragen gibt es viele, die sind nicht immer akkurat, dann gebe ich Ihnen recht. Aber genau deswegen hätten Sie die Bevöl­kerung damals abstimmen lassen oder zumindest befragen sollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber ich kann Sie beruhigen, es ist noch nicht zu spät. Sie können die Bevölkerung noch befragen oder abstimmen lassen. Das ist alles noch möglich und hätte auch zwei Vorteile: Erstens würde das umgesetzt, was die Bevölkerung wirklich will, und zweitens hätten Sie es endlich amtlich, dass Sie Politik am Willen der Bevölkerung vorbei betrei­ben!

Übrigens ist dieser Fall auch wieder ein perfektes Beispiel dafür, dass der Ausbau der direkten Demokratie in Österreich so wichtig ist. Reformen in diesem Bereich werden von Ihnen – SPÖ und ÖVP – jedoch seit Jahren immer wieder aufgeschoben. Sie müs­sen endlich davon Abstand nehmen, Sie müssen sich davon verabschieden, die Bevöl­kerung mit allem und jedem dauernd zwangsbeglücken zu wollen. Das fängt beim Euro und beim ESM an und endet bei der Bundeshymne. Warum nicht abstimmen? Warum nicht die Bevölkerung befragen? Haben Sie Angst davor? Haben Sie Angst? Weg mit der Zwangsbeglückung hin zur Freiheit der Menschen, selbst entscheiden zu dürfen! Da die Mehrheit der Bevölkerung bekannterweise Frauen sind, dürften Sie sich eigent­lich gar nicht vor dieser Abstimmung fürchten, denn sie wird ja wahrscheinlich zu Ihren Gunsten ausgehen, wenn Sie der Meinung sind, dass Sie mit dieser Hymnenänderung die Interessen der Frauen vertreten haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber ich sage Ihnen schon heute – und da muss man wirklich kein Prophet sein –, dass diese Abstimmung für Sie negativ ausgehen wird, denn unzählige Frauen – unzählige Frauen –, die sich von der alten Hymne keineswegs in irgendeiner Form diskriminiert ge­fühlt haben, haben sich bei uns gemeldet und uns gefragt, ob wir einen Antrag einbrin­gen, um die Originalhymne wiederherzustellen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schwent­ner: Was ist die eigentliche Hymne?)

Werte Kollegen von SPÖ, ÖVP, Grünen und vor allem NEOS, Sie können es doch nicht ernsthaft als Arbeitsverweigerung bezeichnen, wenn man einen Antrag einbringt, der den Willen der Bevölkerung wiedergibt! Also wenn Sie das als Arbeitsverweigerung


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bezeichnen, dann wird mir einiges über Ihre Arbeit der letzten Jahre in diesem Haus klar. (Beifall bei der FPÖ.)

Jenseits aller Ideologien: Man greift in ein historisches Werk wie eine Hymne nicht ein. Das ist ein Unding. Eine Hymne ist nicht dazu da, alle empirischen Fakten festzustel­len. Denken wir das einmal weiter! Was wäre das Nächste? – Land der Äcker, Land der Dome. „Dome“ wäre schon wieder problematisch, es könnten sich irgendwelche Reli­gionsgemeinschaften benachteiligt fühlen, und dann hieße es wahrscheinlich schon bald „Land der Moscheen und Dome“. (In Richtung ÖVP:) Ihr Vizekanzler hat ja vor Kur­zem eh schon gesagt, dass der Islam jetzt zu Österreich gehört, wahrscheinlich müs­sen die Österreicher das schon bald in der Hymne hören. (Beifall bei der FPÖ.)

Kurz gesagt: Man sollte lieber den historischen Hintergrund dieser Hymne betonen, es bei der Originalfassung belassen und sich endlich mit den wirklichen Problemen der Frau­en in diesem Land beschäftigen. (Beifall bei der FPÖ.)

20.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schittenhelm. – Bitte.

 


20.55.00

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich gratuliere Kollegin Steger, es war eine tolle Show (Beifall bei der FPÖ sowie Heiterkeit und Beifall bei den Grünen), wirklich eine tolle Show, beeindruckend. So viel Enthusiasmus und so viel Engagement hätte ich mir bei anderen Frauenthemen gewünscht. Ich habe Sie bisher hier im Plenum nicht be­merkt, aber es wird schon noch werden. Das war heute ein guter Start. (Neuerlicher Beifall bei FPÖ und Grünen.)

Zum Antrag der Freiheitlichen, und das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, an alle Damen und Herren, die heute vielleicht noch zuschauen, was nicht an­zunehmen ist: Die Freiheitlichen haben am 23. Oktober letzten Jahres den Antrag ein­gebracht, zwei Wörter aus dem Text der Bundeshymne zu streichen, nämlich, „große Töchter“. Ich frage mich die ganze Zeit: Wo liegt das Problem? Wo liegt das Problem?

Was meint die Volkspartei? – Wir meinen, es muss so bleiben, aber die Freiheitliche Partei sagt, die „großen Töchter“ müssen raus aus der Bundeshymne. (Abg. Strache: Ihr habt die Hymne verunstaltet und verhunzt!) Die Freiheitliche Partei kann mit den Frauen in Österreich, mit ihren Leistungen, ob im sozialen Bereich, ob im Wirtschafts­bereich, ob im Bildungsbereich, einfach nichts anfangen. (Abg. Strache: Gehen Sie ein­mal ins Fußballstadion und hören Sie, was die Frauen singen!) Die „großen Töchtern“, Herr Strache, die zum Beispiel von Frau Kollegin Wurm genannt wurden, stehen natür­lich für alle Frauen in Österreich, gleich in welchem Bereich, ob in der Wirtschaft, in der Familie, im Beruf. Das ist einfach so. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS. – Abg. Strache: Deshalb brauche ich doch keine Hymne verunstalten!)

Sie sind noch nicht in der heutigen Zeit angekommen. Dieser Antrag ist reiner Populis­mus, da muss ich meinem Vorredner recht geben. Es ist schade um die Zeit, es ist wirklich schade um die Zeit. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich unsere Spitzensport­lerinnen sehe, wie sie am Podium stehen und endlich nicht mehr nur „große Söhne“ singen müssen, sondern auch sich selbst einmal in diese Lobpreisung miteinbeziehen können. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Meine geschätzten Damen und Herren, eine Hymne, so steht es im Brockhaus, ist Lob und Preisgesang auf die gesamte Bevölkerung. Und es ist nun einmal Faktum und Tat­sache, dass die gesamte Bevölkerung in Österreich aus Frauen und Männern besteht, aus 52 Prozent Frauen, und es steht den Frauen selbstverständlich zu, auch in der Bun-


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deshymne vertreten zu sein. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS. – Zwischenru­fe bei der FPÖ.)

Wenn das Selbstverständnis eines Landes darin besteht, eine symbolische Geste zu setzen – ob das die Bundeshymne ist, die Flagge, was auch immer –, dann soll das für alle Gruppen gelten. Die Menschen dieses Landes, Männer und Frauen, prägen das Selbstverständnis, ihre Leistungen, die sie in der Geschichte schon erbracht haben und die sie noch erbringen werden. Wir sollten stolz darauf sein, dass wir solche gro­ßen Töchter, aber auch großen Söhne haben. Dividieren wir sie nicht auseinander und machen wir uns doch nicht lächerlich, auch vor den Augen der Frauen in Österreich! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS. Zwischenrufe bei der FPÖ.)

20.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Schwent­ner. – Bitte.

 


20.58.00

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Mir geht es wie Frau Kollegin Schittenhelm, ich bin auch ganz verblüfft über dieses flam­mende Plädoyer zur Frauenpolitik, Frau Kollegin Steger. Alle Achtung! Ich würde mich freuen, wenn wir Sie weiterhin dafür gewinnen können, in sämtlichen Sitzungen des Gleichbehandlungsausschusses. Ich würde mich freuen, wenn die FPÖ demnächst bei weiteren Punkten, immer wieder, wenn es um Gleichbehandlungsfragen und Frauen­rechte geht, in dieser Präsenz anwesend ist, sich dermaßen engagiert. Ich freue mich auf engagierte Debatten im Gleichbehandlungsausschuss. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.) Insofern danke für Ihren Antrag! Dann können wir wieder einmal diskutie­ren, was Ihnen wirklich wichtig ist, weil Sie offensichtlich die Themen, auf die es frau­enpolitisch und gleichbehandlungspolitisch ankommt, immer wieder übersehen. Frau Schimanek, ich habe von Ihnen in letzter Zeit im Gleichbehandlungsausschuss wenig vernommen! Bis auf diese beiden Anträge, die wir heute diskutieren, war wenig da. (Zwi­schenruf der Abg. Schimanek.)

In noch einer Frage geht es mir wie Kollegin Schittenhelm, nämlich: Warum regt Sie das so auf? Warum sind Sie so dermaßen aus dem Häusel, wenn es um dieses eine Wort oder um diesen einen Buchstaben geht? (Abg. Strache: Weil sich die Bevölke­rung auch verulkt vorkommt!)

Ich bin jetzt draufgekommen, Kollegen Zanger sei Dank (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Strache) – Entschuldigung, darf ich kurz ausreden –, er hat es uns in seinen Aus­führungen vorhin nämlich erklärt. Er hat gesagt: Was soll dieser Buchstabe in diesem Wort? Was soll dieses „I“ in diesem Wort? Das verblüfft ihn, damit kann er nichts an­fangen. Ein Buchstabe in einem Wort?! Was soll dieses Wort in einer Hymne? Insofern verstehe ich es jetzt endlich: Ein neues Wort in einer Hymne, ein neuer Buchstabe in einem Wort – Hilfe, vielleicht könnten wir uns das einmal anschauen! (Beifall bei Grü­nen, SPÖ und ÖVP.)

Oder wir machen es ganz anders und schaffen nicht nur das Binnen-I ab, sondern gleich alle I (Abg. Strache: Eine schöne Verhunzung der Sprache!), und dann machen wir keine Lex Gabalier, wie Sie das offensichtlich machen, sondern wir machen eine Lex Gabaler (Abg. Strache: Den Gabalier mit einem großen Binnen-I!), weil der Herr Gabalier, der ja diese Debatte wieder entfacht hat, in der Volksmusik nicht damit zu­rechtkommt, dass er nicht mehr die gleiche Hymne singen darf, die er in der Volks­schule gelernt hat. Und wenn wir davon anfangen, was wir in der Volksschule gelernt haben und jetzt nicht mehr so machen: Wir sagen auch nicht mehr „Jugoslawien“, wir machen jetzt die Rettungsgasse auf der Autobahn, wir machen mittlerweile viele ande­re Dinge. Aber der Herr Gabalier – oder Gabaler – ist offensichtlich nicht in der Lage, über das hinauszugehen, was er in der Volksschule gelernt hat. (Beifall bei Grünen und


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SPÖ sowie des Abg. Pock. – Abg. Strache: Die Paula Preradović dreht sich im Grab um!)

Die Paula Preradović dreht sich nicht im Grab um, denn wenn die Kollegin Steger in ih­rer engagierten Rede über die „Originalhymne“ redet, dann frage ich mich, von wel­chem Original wir eigentlich reden. Es gibt zum Beispiel ein Original aus 1947, das wurde berechtigterweise geändert. (Abg. Strache: Mit ihr abgesprochen! Mit ihrer Zu­stimmung!) Damals waren es die „großen Väter“ und die „freien Söhne“. Ist es das, wo­hin Sie zurückwollen? Zu den großen Vätern und freien Söhnen? (Präsident Kopf über­nimmt den Vorsitz.)

Sie sagen: Mit der Zustimmung der Frau Preradović. (Abg. Strache: Heute ist sie tot und hat keine Zustimmung gegeben! Nicht einmal die Familie!) Wir haben aber keine Urheberrechtsdebatte, sondern wir haben eine Debatte über das, was Gleichstellung und Sichtbarmachen von Frauen auch in unseren Symbolen bedeutet. Und dass das offensichtlich viel bedeutet, zeigt uns Ihre wiederholte Aufregung, dass Sie sich gar nicht beruhigen können in diesem Zusammenhang. (Abg. Strache: Man greift nicht in künstlerische Texte ein! Das ist eine Missachtung der Kunst!) Ich empfehle Ihnen ei­nes: Schauen Sie sich dieses kleine Wörtchen an (Abg. Strache: Das ist eine Miss­achtung der Kunst!), ebenso wie diesen einen kleinen Buchstaben! Lernen Sie die Hymne, und singen wir sie gemeinsam! – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie des Abg. Pock. – Abg. Strache: Die Frau Preradović ist auf einmal Gabalier! Da gibt’s his­torische Sprünge!)

21.01


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Yilmaz zu Wort. – Bitte.

 


21.01.59

Abgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit 2011 heißt die umstritte­ne Textpassage: „Heimat großer Töchter und Söhne“. Im Gleichbehandlungsausschuss hat Kollegin Schimanek gemeint, die Einfügung der Töchter sei – ich zitiere – eine mut­willige Veränderung des Originaltextes, die nichts zur Gleichberechtigung der Frauen bei­trägt. (Abg. Schimanek: Ja, das stimmt!)

Ja, vielleicht bringt es nicht so viel wie viele andere Maßnahmen, die wir setzen. Ganz si­cher ist aber, dass eine Rückkehr zum Status vor 2011 ganz sicher gar nichts bringt für die Gleichberechtigung der Frauen.

Paula Preradović hat ja ihren Text auch nicht in Stein gemeißelt. (Abg. Kitzmüller: Das ist ein schlechter Vergleich: „in Stein gemeißelt“!) Auf Betreiben einiger höherer Beam­ter hat sie den Text mehrmals umgeschrieben, bis er so war, wie er 1947 beschlossen worden ist. Der Text unserer Bundeshymne ist also aus dem Jahr 1947. Das war eine Zeit, sehr geehrte Damen und Herren (Abg. Strache: Da gab es die Trümmerfrauen, die Großes geleistet haben!), wo verheiratete Frauen ohne Erlaubnis ihres Ehemannes nicht ins Ausland fahren durften, und sie durften auch keine Arbeit annehmen, und Fa­milienoberhaupt war laut Gesetz der Mann.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wollen das nicht mehr. Die Zeiten haben sich ge­ändert! Frauen wollen nicht mitgenannt sein, Frauen wollen genauso Platz finden wie Männer. Darum war die mehrheitliche Änderung der Textpassage der Bundeshymne im Jahr 2011 absolut richtig.

Ich möchte mich bei jenen Abgeordneten, die 2011 dabei waren – Abgeordnete der SPÖ, der ÖVP und der Grünen –, sehr herzlich bedanken, im Namen meiner beiden gro­ßen Töchter. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

21.04



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 228

Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kickl. – Bitte.

 


21.04.43

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie fragen uns, warum wir emotional in dieses Thema hineingehen. (Abg. Schie­der: Nein, die Frage war, was Sie so aufregt! Nicht, warum Sie emotional !) – Wir gehen deshalb emotional hinein, weil die Instinktlosigkeit und die Gespürlosigkeit, mit dem linke Eliten glauben, über die Bedürfnislage der Bevölkerung drüberfahren zu kön­nen – und das ist ein symbolisches Beispiel dafür –, in diesem Land erschreckende Di­mensionen angenommen hat! Deswegen regt uns dieses Thema auf! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich empfehle den Damen und Herren von der SPÖ, die sich heute hier herausgestellt haben, die sich vielleicht noch selbst für große Töchter halten – ach Gott, ja –, sie sol­len sich einmal ihr eigenes Liedgut vornehmen. Schauen Sie sich die Lieder der Arbei­terbewegung an, gendern Sie die alle durch, und wenn Sie mit den Liedern der Arbei­terbewegung fertig sind, dann reden wir vielleicht nächstes Mal über die Bundes­hymne. Dann können wir weiterreden. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schieder:  Sie nicht die Arbeiterbewegung, das sag’ ich Ihnen! Sie haben mit der Arbeiterbewegung gar nichts zu tun!)

Sie werden doch nicht fertig mit diesem Irrsinn, immer hinter der Wirklichkeit herzulau­fen. Jetzt haben Sie gerade die Frauen hineingehievt, weil Sie sagen, ansonsten ist das nicht gerecht. Und dann gewinnt Ihnen die – wie es der Spruch des Jahres ge­worden ist – diesen Schas! Ich meine die Conchita Wurst. Was ist denn jetzt? Wann wird denn nachgebessert, um nicht zu diskriminieren in Richtung Transgender? Wie füh­len sich denn diese Töchter-Söhne in der Bundeshymne vertreten? Denken Sie einmal darüber nach! Es besteht Nachbesserungsbedarf, meine Damen und Herren, denn wir wollen niemanden diskriminieren in diesem Land!

Und genau darum geht es. Karl Kraus hat einmal gesagt, die Psychoanalyse, das ist die Geisteskrankheit, für deren Therapie sie sich ausgibt. Ich glaube, wenn er Ihr Trei­ben gesehen hätte angesichts der Bundeshymne und des Binnen-I, dann wäre er an­gesichts dieser Kreuzung aus 68er-Feminismus und Political Correctness zum selben Ergebnis gekommen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das das Ergebnis gewesen wä­re! (Beifall bei der FPÖ.)

Über eines sollten Sie auch noch nachdenken, weil ich gerade das Wort „Psychoana­lyse“ in den Mund genommen habe: Ich finde es sehr, sehr interessant, dass sich die Frauen der Linken hier herstellen und die Installation eines großen Phallus inmitten ei­nes Wortes ausgerechnet als Zeichen der Gleichberechtigung interpretieren. (Beifall bei der FPÖ.)

21.07


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Pock. – Bitte.

 


21.07.13

Abgeordneter Michael Pock (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mi­nisterin! Geschätzte Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe leider sehr wenig Redezeit, daher fasse ich mich kurz.

Eine ähnliche Erkenntnis wie die von Kollegin Schwentner: Ich habe tatsächlich auch herausgefunden, was diese Antragsserie der Freiheitlichen Partei zu bedeuten hat. Es sind Ihnen schlichtweg jetzt nach Dekaden, in denen Sie eine Minderheit nach der an­deren auseinandergenommen haben, in denen Sie eine Minderheit nach der anderen diskriminiert haben in Ihren Anträgen, die Minderheiten ausgegangen. Sie fangen da-


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her jetzt damit an, die Mehrheit diskriminieren zu wollen! Das ist der Punkt. (Abg. Stra­che: Aber die österreichische Bevölkerung, die die traditionelle Hymne will, ist eine Mehr­heit!)

Wenn Sie über die Hymne reden, dann wäre es ganz anders, wenn es weniger aufge­regt wäre, wenn Sie darüber reden würden, dass die derzeitige Form der Hymne nicht passend ist und dass wir vielleicht eine andere brauchen. Aber dass Sie die Töchter jetzt wieder herausnehmen wollen, das ist wohl ein Widerspruch in sich. (Abg. Stra­che: Das hat die Bevölkerung nie gewollt!) Wenn mehr als die Hälfte der Bevölkerung weiblich ist, dann verdient dieser Teil der Bevölkerung natürlich unsere volle Anerken­nung.

Und in diesem Sinne gäbe es nur eine Lösung: Wenn wir jetzt danach trachten, die Mehr­heit anzuerkennen, dann müssten wir die Söhne streichen und nicht die Töchter. (Abg. Strache: Die Bevölkerung verweigert diesen Unsinn!) – Ja, ja, der einfache Populis­mus zieht einfach nicht mehr. (Abg. Strache: Die Bevölkerung singt doch nicht mit!) Ihre paar E-Mails, die Sie jetzt gekriegt haben, (Abg. Strache: Das ist ein Gesetz gegen die eigene Bevölkerung! Die singt doch nicht mit!) Ja, Herr Strache, bleiben Sie bitte bei Ihren Sachen. (Abg. Strache: Gehen Sie einmal ins Fußballstadion!) Im Fuß­ballstadion darf jeder singen, wie er will. (Abg. Strache: Gehen Sie ins Happel-Sta­dion! – Das ist ja lächerlich!)

Danke schön und einen schönen Abend! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordne­ten von SPÖ und Grünen. – Abg. Strache: Das ist ein Gesetz gegen die eigene Bevöl­kerung! Das ist ja lächerlich!)

21.08


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlusswort des Berichterstatters scheint nicht gewünscht zu sein.

Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, seinen Bericht
393 der
 Beilagen zur Kenntnis zu nehmen:

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

21.09.067. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (454 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschafts­dienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrper­sonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechts­gesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Bundes-Bediensteten­schutzgesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (457 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte, Herr Abgeord­neter.

 


21.09.36

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich besonders, dass


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ein paar Vertreter des öffentlichen Dienstes so lang hier ausgeharrt haben, um zu schauen, ob sie von den Abgeordneten und insbesondere von den Regierungsparteien noch ernst genommen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Worum geht es bei diesem Tagesordnungspunkt? – Es geht darum, dass eine unge­rechte rechtliche Situation im Besoldungsrecht der Beamten, die im November 2014 durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aufgehoben wurde, jetzt re­pariert werden soll. Der Hintergrund geht bereits in das Jahr 2005 zurück, als ein Be­amter ein Verfahren angeregt hat, weil er diskriminiert wurde, weil er ungerecht behan­delt wurde mit seinen Anrechnungszeiten. Es gab dann bereits 2009 eine Entschei­dung des Europäischen Gerichtshofs, in der dieser festgestellt hat, dass die österrei­chische rechtliche Regelung nicht konform mit dem Unionsrecht ist.

2010 gab es eine neue gesetzliche Regelung, die das hätte reparieren sollen. Damals haben wir auch schon ganz massiv kritisiert, dass diese neue Regelung wiederum auf­gehoben werden wird. Und tatsächlich erging im November 2014 eine neue Entschei­dung des Europäischen Gerichtshofs, die besagt, dass unsere jetzt zum wiederholten Mal reparierte Regelung wiederum unionsrechtswidrig ist, und zwar mit der Begrün­dung: Bestehende Ungerechtigkeit kann nicht mit neuerlicher Altersdiskriminierung ge­heilt werden. – So weit, so klar.

Es gab also jetzt den Vorschlag, das müsse geheilt werden. Wir wurden als Opposi­tionspartei ersucht, dass wir einen außerordentlichen Verfassungsausschuss durchfüh­ren. Diesen Montag, also vorgestern, sollte dieser stattfinden. Wir stimmten zu, denn wir wollen ja konstruktiv sein, wir wollen uns ja nicht querlegen.

Was passierte? – Am letzten Freitag um 17.30 Uhr kam ein 46 Seiten langer Antrag – ohne Erläuterungen, ohne Hintergrund darüber, ob das finanzielle Auswirkungen hat, natürlich auch ohne jedes Begutachtungsverfahren. Ein 46-seitiger Antrag, der am Montag zur Abstimmung kommen sollte! – Natürlich konnten wir am Montag bei die­sem Verfassungsausschuss dem nicht zustimmen. Es wurde dann weiterdiskutiert.

Was passierte dann? – Gestern um 21.30 Uhr kam ein neuerlicher Abänderungsan­trag, wiederum 16 Seiten, wiederum ohne Erläuterungen, natürlich ohne Begutachtung, die wir verlangt haben, und das soll hier und jetzt abgestimmt werden. Und das alles auf dem Rücken von Beamten, von öffentlich Bediensteten! Das ist allein schon von der Vorgangsweise her, ohne dass ich jetzt noch auf den Inhalt eingehen kann, unzu­mutbar und untragbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Man muss sich das so vorstellen, wie wenn ein Mieter einen Prozess gegen den Haus­eigentümer anstrengt, weil er zu viel Mietzins bezahlt hat, diesen Prozess jahrelang führt, letztendlich gewinnt – und der Vermieter, der Hauseigentümer hat plötzlich die Möglichkeit, das Gesetz zu ändern, damit diese überhöhte Miete nicht zurückbezahlt werden muss. Genauso ist es hier: Der Vermieter, das ist die Republik Österreich, die den Beamten hier offensichtlich etwas schuldig ist, die jetzt das Gesetz ändert, um nicht zahlen zu müssen. Das ist eine Vorgangsweise, die untragbar ist – und das Gan­ze noch unter dem Gesichtspunkt dieser Vorgangsweise, die ich gerade geschildert ha­be. Ein Zustand, der wirklich dieser Republik nicht würdig ist! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man sich diese Vorgangsweise anschaut – und ich bin überzeugt, es ist schlicht und einfach so, dass keiner der hier Anwesenden, auch von jenen, die sich im Besol­dungsrecht bedeutend besser auskennen als ich, wirklich durchblickt, was in diesen letzten paar Tagen hier vorgelegt wurde –, dann ist Vertrauen hier schlicht und einfach nicht mehr angebracht. Wer so agiert, fürchtet, dass genauer hingeschaut wird, dass kontrolliert wird. Unsere Zustimmung hat er nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

21.13



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 231

Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

 


21.14.02

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich brauche jetzt nicht in der Vergangenheit zu kramen, denn mein Vorredner hat ja die Vorgeschichte erklärt, warum es diese Vorlage überhaupt gibt.

Weil wir aber, glaube ich, gemeinsam nicht wirklich nur dünnhäutig sind: Wenn ihr wollt, schauen wir einmal nach in den parlamentarischen Unterlagen, denn ich kann mich gut erinnern, dass ihr uns in der zweiten Lesung solche Packln (der Redner zeigt deren Stärke mit Daumen und Zeigefinger) hingelegt habt, ohne dass wir überhaupt in der La­ge waren, das zu lesen. – Nur damit wir untereinander nicht wehleidig sind. Das ist jetzt keine Ausrede, aber ich will es nur sagen, denn der Standort bestimmt ja immer den Standpunkt.

Das Allererste, bei allem Bekenntnis zu dieser Problematik, ist für mich und für uns – und wir werden auch heute noch einen Entschließungsantrag hier einbringen, wir ha­ben es auch gesagt, hunderte Male gesagt; die Frage ist nur, ob man es hören will oder nicht –, dass keiner benachteiligt ist. – Punkt.

Und wenn hier ununterbrochen von Lebensverdienstsummen oder von Abweichungen bei Lebensverdienstsummen gesprochen wird, dann sage ich auch zum hundertsten Mal – und das weiß jeder –, dass wir in den Biennien immer den Ausgleich schaffen, mit einer Ausnahme: am Ende von Laufbahnen.

Jetzt wissen wir – und ich erinnere nur daran, wer alles schon gesagt hat, um Gottes willen, das darf für die Steuerzahler nicht teurer werden, das müssen wir kostende­ckend machen; ich erinnere nur noch einmal daran, das haben wir alles schon gemein­sam diskutiert –, das werden wir schaffen, ohne dass ein einziger Kollege oder eine einzige Kollegin einen Nachteil hat. Nur, wer das Dienst- und das Besoldungsrecht kennt, den lade ich ein, sich einmal vor Augen zu halten, was das bedeutet, und ich be­danke mich explizit bei der Dienstrechtssektion, denn das ist wirklich sehr viel Arbeit. Und jetzt sage ich dazu: Wir haben die Situation, dass wir über 100 Dienstbehörden haben, und wir haben das Problem, dass wir schauen sollten, sehr rasch zumindest Rechtssicherheit zusammenzubringen. Das ist ja in einem Rechtsstaat von enormer Wichtigkeit, denn die Dienstbehörden einerseits und die Kollegenschaft andererseits wol­len natürlich Rechtssicherheit. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Jetzt sage ich dazu auch etwas. Kollege Darmann, seien wir jetzt einmal ganz ehrlich! (Abg. Deimek: Deimek, nicht Darmann!) Wenn ich hier in der Vergangenheit immer wie­der auf Sozialpartnerschaftsverhandlungen hingewiesen habe – Herr Kollege Stefan, ruhig zuhören! –, dann habt ihr immer in Zwischenrufen gesagt: Wir sind der Gesetz­geber! Uns interessieren die Verhandlungen der Gewerkschaft nicht! – Das kann ich euch alles nachher zeigen.

Aber jetzt auf einmal, da es keine Verhandlungen über ein Dienstrecht oder ein Besol­dungsrecht gibt, sondern es ausschließlich so ist, dass der EuGH unser Gesetz für uni­onsrechtswidrig befunden hat, jetzt argumentiert ihr plötzlich anders. Wir stehen aber unmittelbar vor Verhandlungen über das BDG, das weiß auch jeder. Wir haben ver­sucht, soweit dies möglich war, jedem Einzelnen alle Informationen zu geben. Stimmt: Keiner hat eine Freude, wenn er am Freitag eine schriftliche Unterlage kriegt – über­haupt keine Frage. Aber wenn das keine besondere Situation ist, meine geschätzten Damen und Herren – mit dem Wissen, dass kein einziger Bediensteter irgendwo etwas zu wenig bekommt!


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Aber wir müssen es auch umsetzen, wir müssen es abarbeiten, wir müssen es „han­dlen“. Und die Kolleginnen und Kollegen, die da hinten stehen, haben halbe Nächte lang gearbeitet, das muss man auch in aller Deutlichkeit sagen. Und ich glaube, dass wir, neben der Regierung, auch noch geschaut haben, mit dem Entschließungsantrag noch einmal explizit auf diese Frage einzugehen, um ja die Sicherheit auch allen Kolle­ginnen und Kollegen zu vermitteln.

Daher habe ich auch jetzt noch einmal die Aufgabe, einen Antrag einzubringen, und zwar:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Wittmann, Dr. Gerstl, Pendl, Dr. Beatrix Karl, Kolleginnen und Kol­legen

zum Bericht des Verfassungsausschusses (457 d.B.) betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem Beamten-Dienstrechtgesetz 1979, das Gehaltsge­setz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehr­personengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechts­gesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Pen­sionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (454 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

*****

Ich darf diesen Antrag wie folgt begründen:

Bei den vorgeschlagenen Änderungen handelt es sich im Wesentlichen um technische Korrekturen, um die bisherigen Einkommensverhältnisse im Rahmen der Überleitung möglichst getreu zu wahren. So sind etwa Anpassungen beim Gehaltsschema der be­amteten Lehrerpersonen und in weiterer Folge auch bei den Zulagen für diese Perso­nengruppe notwendig.

Weiters wird der neu eingeführte Referenzbetrag, der unter anderem als Berechnungs­grundlage für zahlreiche Nebengebühren dient, exakter definiert. Klargestellt wird, dass auch die durch Zulagen garantierte bisherige Gehaltshöhe mit 1. März valorisiert wird.

Durch die Änderungen wird auch gesichert, dass Amtstitel, Funktionsstufen und andere einstufungsabhängige Ansprüche wie zum Beispiel Reisegebührensätze weiterhin im bis­herigen Ausmaß zustehen.

Die Besonderheiten des Post- und Fernmeldewesens machen weitere Änderungen not­wendig, da zum Beispiel deren Gehaltsanpassungen unabhängig von jenen des Bun­des erfolgen.

Schlussendlich sollen sämtliche Beträge nach der Valorisierung mit 1. März auf ganze Euro aufgerundet werden, um auch Einbußen aus Rundungsvorgängen im Rahmen der Überleitung zu vermeiden.

Unabhängig vom Reformbedarf des Besoldungssystems wird die Opting-Out-Regelung für Bedienstete, die eine Funktionszulage beziehen, mit der sämtliche Mehrleistungen als abgegolten gelten, um ein Jahr verlängert.

Die 40-Stunden-Obergrenze für die Anordnung von Mehrdienstleistungen beziehungs­weise für die Pauschalierung von Überstunden bleibt aufrecht. Darüber hinausgehende


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 233

Diensterbringung ist nicht als Leistung von Überstunden abzugelten, sondern aus­schließlich 1 : 1 in Freizeit auszugleichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich erinnere nur daran, dass wir über 200 000 Kol­leginnen und Kollegen beim Bund haben, mit den Ländern, Städten und den Zuständi­gen auch im ausgegliederten Bereich über 400 000 Kolleginnen und Kollegen. Ich glau­be, wir sind es, das sei noch einmal gesagt, diesem Personenkreis schuldig, dass wir Rechtssicherheit schaffen, aber auf der anderen Seite auch dem Steuerzahler und un­seren Dienstbehörden.

Ich ersuche Sie, im Lichte dieser schwierigen Situation diesem Vorhaben Ihre Zustim­mung zu geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.20


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Pendl soeben eingebrachte Abänderungsantrag, der von ihm auch in den Grundzügen erläutert wurde, ist ausrei­chend unterstützt und steht mit in Verhandlung. Er wurde in der Zwischenzeit auch im Saal verteilt.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Wittmann, Dr. Gerstl, Pendl, Dr. Beatrix Karl und Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Verfassungsausschusses (457 d.B.) betreffend die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehalts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehr­personengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechts­gesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Pen­sionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (454 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Art. 2 Z 1 lautet § 3 Abs. 4:

„(4) Der besoldungsrechtliche Referenzbetrag ist mit 105,06% des vollen Gehalts einer Beamtin oder eines Beamten der Verwendungsgruppe A 2 in der Gehaltsstufe 8 fest­gesetzt.“

2. In Art. 2 Z 6 lautet § 12a samt Überschrift:

„Überstellung und Vorbildungsausgleich

§ 12a. (1) Überstellung ist die Ernennung zur Beamtin oder zum Beamten einer ande­ren Besoldungs- oder Verwendungsgruppe. Das Besoldungsdienstalter einer Beamtin oder eines Beamten ändert sich anlässlich einer Überstellung nicht, insoweit nicht aus­drücklich anderes bestimmt ist. Bei der Überstellung in eine akademische Verwen­dungsgruppe sowie bei der erstmaligen Ernennung in eine Besoldungs- oder Verwen­dungsgruppe ist jedoch nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen ein Vorbildungs­ausgleich beim Besoldungsdienstalter in Abzug zu bringen, wenn die Beamtin oder der Beamte die Studien, die zur Erfüllung der mit einem solchen Arbeitsplatz verbundenen Aufgaben üblicherweise benötigt werden, nicht vor Beginn des Dienstverhältnisses ab­geschlossen hat.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 234

(2) Akademische Verwendungsgruppen sind

1. im Master-Bereich

a) im allgemeinen Verwaltungsdienst die Verwendungsgruppe A 1 und die Prokuratur­anwältinnen und –anwälte,

b) im militärischen Dienst die Verwendungsgruppen MBO 1 und MZO 1,

c) bei den Lehrpersonen die Verwendungsgruppen L PH und L 1,

d) bei den Hochschullehrpersonen die Verwendungsgruppen PH 1 und PH 2,

e) Universitätsassistentinnen und Universitätsassistenten sowie Universitätsdozentin­nen und Universitätsdozenten,

f)Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter, Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte,

g) im Post- und Fernmeldewesen die Verwendungsgruppe PT 1,

h) in der Post- und Fernmeldehoheitsverwaltung die Gehaltsgruppe PF 1 und

i) bei Bundesbediensteten der Dienstklassen die Verwendungsgruppe A und H1, und

 2. im Bachelor-Bereich

a) bei den Lehrpersonen die Verwendungsgruppen L 2a 1 und L 2a 2,

b) bei den Hochschullehrpersonen die Verwendungsgruppe PH 3 und

c) im Krankenpflegedienst die Gehaltsgruppen K 1 und K 2.

(3) Die Übernahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis aus einem vertraglichen Dienstverhältnis ist einer Überstellung gleichzuhalten. Die Bestimmungen über die Zu­ordnung der Entlohnungsgruppen zum akademischen Bereich nach § 15 VBG sind sinn­gemäß anzuwenden.

(4) Schließt die Beamtin oder der Beamte ein Studium gemäß Z 1.12 oder Z 1.12a der Anlage 1 zum BDG 1979 im aufrechten Dienstverhältnis ab und

1. wird sie oder er anschließend von einer nicht akademischen Verwendungsgruppe in eine akademische überstellt oder

2. befindet sie oder er sich im Zeitpunkt des Abschlusses bereits in einer akademi­schen Verwendungsgruppe,

erfolgt ein Vorbildungsausgleich im Ausmaß der in einem Dienstverhältnis zum Bund verbrachten Zeiten, während derer zugleich das Studium betrieben wurde. Der Vor­bildungsausgleich beträgt jedoch höchstens fünf Jahre im Master-Bereich und höchs­tens drei Jahre im Bachelor-Bereich.

(5) Beim Besoldungsdienstalter ist im Master-Bereich mit Ausnahme der Verwen­dungsgruppe A 1 ein Vorbildungsausgleich im Ausmaß von zwei Jahren in Abzug zu bringen, solange die Beamtin oder der Beamte das Ernennungserfordernis der Hoch­schulbildung ausschließlich gemäß Z 1.12a der Anlage 1 zum BDG 1979 erfüllt.

(6) Wird die Beamtin oder der Beamte in eine niedrigere Verwendungsgruppe über­stellt, so ändern sich ihr oder sein Besoldungsdienstalter und ihr oder sein Vorrückungs­termin nicht.

(7) Wurde bei einer Beamtin oder einem Beamten nach Abs. 4 ein Vorbildungsaus­gleich in Abzug gebracht und wird sie oder er später in eine nicht akademische Ver­wendungsgruppe überstellt, ist ihr oder sein Besoldungsdienstalter um die zuvor nach Abs. 4 in Abzug gebrachten Zeiten zu verbessern.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 235

(8) Wird die Beamtin oder der Beamte von einer anderen Verwendungsgruppe in die Verwendungsgruppe L 1 überstellt, so vermindert sich ihr oder sein Besoldungsdienst­alter um zwei Jahre. Wird die Beamtin oder der Beamte von der Verwendungsgruppe L 1 in eine andere Verwendungsgruppe überstellt, so verbessert sich ihr oder sein Besol­dungsdienstalter um zwei Jahre.“

3. In Art. 2 wird nach Z 16 folgende Z 16a eingefügt:

„16a. In § 30 werden nach Abs. 4 folgende Abs. 4a und 4b eingefügt:

„(4a) Beamtinnen und Beamte der Funktionsgruppen 5 und 6 der Verwendungsgruppe A 1 und der Funktionsgruppe 8 der Verwendungsgruppe A 2 können bis 30. Juni 2015 durch schriftliche Erklärung die Anwendbarkeit des Abs. 4 für ein Kalenderjahr aus­schließen. Eine solche schriftliche Erklärung ist rechtsunwirksam, wenn ihr eine Bedin­gung beigefügt wird.

(4b) Hat die Beamtin oder der Beamte eine solche schriftliche Erklärung gemäß Abs. 4a abgegeben, so reduziert sich die Funktionszulage um 30,89%. In diesem Fall ist die An­ordnung von Mehrdienstleistungen und allenfalls die Pauschalierung von Überstunden im Ausmaß von bis zu 40 Stunden pro Monat zulässig. Zeiten darüber hinausgehender Diensterbringung sind keine Überstunden und sind ausschließlich im Verhältnis 1:1 in Freizeit auszugleichen.““

4. In Art. 2 Z 28 erhält die Tabelle in § 55 Abs. 1 folgende Fassung:

in der
Gehalts-
stufe

in der Verwendungsgruppe

L 3

L 2b 1

L 2a

L2a 2

L 1

L PH

Euro

1

1 570

1 738

1 929

2 059

2 311

2 403

2

1 594

1 767

1 983

2 118

2 394

2 453

3

1 618

1 798

2 038

2 177

2 520

2 651

4

1 642

1 829

2 107

2 250

2 700

2 849

5

1 672

1 902

2 218

2 374

2 881

3 048

6

1 720

1 989

2 333

2 516

3 062

3 247

7

1 779

2 077

2 451

2 663

3 243

3 447

8

1 841

2 166

2 582

2 827

3 425

3 648

9

1 907

2 254

2 713

2 991

3 608

3 848

10

1 975

2 343

2 843

3 155

3 790

4 048

11

2 043

2 456

2 974

3 319

3 972

4 249

12

2 111

2 577

3 105

3 484

4 154

4 449

13

2 179

2 698

3 236

3 650

4 337

4 649


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 236

14

2 261

2 819

3 364

3 810

4 519

4 866

15

2 355

2 931

3 482

3 959

4 720

5 132

16

2 449

3 041

3 573

4 074

4 909

5 399

17

2 496

3 069

--

--

--

5 599

5. In Art. 2 Z 31 lautet § 57 Abs. 2:

„(2) Die Dienstzulage beträgt

a) für Leiterinnen und Leiter der Verwendungsgruppe L PH

in der
Dienst-
zulagen-
gruppe

in den Gehaltsstufen

 

1 bis 7
(2. Jahr
6. Monat)

7 (2. Jahr
7. Monat) bis
11 (2. Jahr
6. Monat)

ab der
Gehaltsstufe
11 (2. Jahr
7. Monat)

Euro

I

858,5

917,4

974,1

II

772,3

826,3

876,7

III

686,4

733,9

779,2

IV

600,3

642,1

682,7

V

515,0

549,8

583,8

b) für Leiterinnen und Leiter der Verwendungsgruppe L 1

in der
Dienst-
zulagen-
gruppe

in den Gehaltsstufen

 

1 bis 7
(2. Jahr
6. Monat)

7 (2. Jahr
7. Monat) bis 11
(2. Jahr
6. Monat)

ab der
Gehaltsstufe
11 (2. Jahr
7. Monat)

Euro

I

765,5

818,3

868,6

II

688,8

737,1

781,9

III

612,0

655,2

695,0

IV

535,2

572,8

608,4

V

459,4

490,5

521,0


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 237

c) für Leiterinnen und Leiter der Verwendungsgruppen L 2a 2

in der
Dienst-
zulagen-
gruppe

in den Gehaltsstufen

 

1 bis 7
(2. Jahr
6. Monat)

7 (2. Jahr
7. Monat) bis
11 (2. Jahr
6. Monat)

ab der
Gehaltsstufe
11 (2. Jahr
7. Monat)

Euro

I

349,9

378,4

407,5

II

287,1

309,6

333,3

III

230,7

248,1

265,5

IV

192,9

206,9

221,2

V

160,6

172,3

184,2

d) für Leiterinnen und Leiter

aa) der Verwendungsgruppe L 2a 1

in der
Dienst-
zulagen-
gruppe

in den Gehaltsstufen

 

1 bis 9
(2. Jahr
6. Monat)

9 (2. Jahr
7. Monat) bis
11 (2. Jahr
6. Monat)

ab der
Gehaltsstufe
11 (2. Jahr
7. Monat)

Euro

I

272,3

297,5

320,4

II

229,7

249,3

266,1

III

191,7

207,3

221,6

IV

159,9

173,9

184,2

V

115,3

124,3

132,6

bb) der Verwendungsgruppe L 2b 1

in der
Dienst-
zulagen-
gruppe

in den Gehaltsstufen

 

1 bis 8
(6. Monat)

8 (7. Monat) bis
12 (6. Monat)

ab der
Gehaltsstufe
12
(7. Monat)

Euro


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 238

I

272,3

297,5

320,4

II

229,7

249,3

266,1

III

191,7

207,3

221,6

IV

159,9

173,9

184,2

V

115,3

124,3

132,6

e) für Leiterinnen und Leiter der Verwendungsgruppe L 3

in der
Dienst-
zulagen-
gruppe

in den Gehaltsstufen

 

1 bis 10
(1. Jahr)

10 (2. Jahr) bis
15 (1. Jahr)

ab der
Gehaltsstufe
15 (2. Jahr)

Euro

I

216,0

220,4

234,7

II

159,9

165,7

177,6

III

150,0

153,4

162,9

IV

107,8

110,8

117,6

V

75,2

76,7

80,8

VI

52,3

55,0

59,7“

6. In Art. 2 Z 33 lautet § 59 Abs. 11 und 12:

„(11) Kindergärtnerinnen und Kindergärtnern der Verwendungsgruppe L 2a 1, die

1. a) eine Befähigungsprüfung für Kindergärten (und Horterziehung) gemeinsam mit ei­ner Reife- und Diplomprüfung bzw. Reifeprüfung an einer höheren Schule oder

b) eine Reife- und Befähigungsprüfung für Kindergärten (und Horte)

aufweisen,

2. a) eine Befähigungsprüfung für Sonderkindergärten oder

b) eine Befähigungsprüfung für Sonderkindergärten und Frühförderung

abgelegt haben,

3. a) als Sonderkindergärtnerinnen und Sonderkindergärtner in der qualifizierten Be­treuung behinderter Kinder an Übungskindergärten, Blindeninstituten oder Instituten für Gehörlosenbildung (mit ausbildender Tätigkeit jeweils im Mindestausmaß von zwölf Wo­chenstunden) oder

b) als Lehrpersonen im Lehrgang für Sonderkindergartenpädagogik

verwendet werden,

4. die Zusatzprüfung aus Didaktik abgelegt haben und


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 239

5. eine vierjährige einschlägige Berufspraxis, davon eine zweijährige Praxis an Sonder­kindergärten, zurückgelegt haben,

gebührt für die Dauer dieser Verwendung eine monatliche Dienstzulage. Die Dienstzu­lage beträgt 400% der im § 58 Abs. 6 für die Verwendungsgruppe L 2b 1 vorgese­henen Dienstzulage mit der Maßgabe, dass für die Zulagenstufe 2 das Erreichen der Gehaltsstufe 3 (2. Jahr 7. Monat), für die Zulagenstufe 3 das Erreichen der Gehalts­stufe 9 (2. Jahr 7. Monat) erforderlich sind. Die Aliquotierungsbestimmungen des § 58 Abs. 7 sind anzuwenden.

(12) Erzieherinnen und Erziehern der Verwendungsgruppe L 2a 1, die

1. a) eine Befähigungsprüfung für Erzieherinnen und Erzieher gemeinsam mit einer Rei­fe- und Diplomprüfung bzw. Reifeprüfung an einer höheren Schule oder

b) eine Reife- und Befähigungsprüfung für Erzieherinnen und Erzieher

aufweisen,

2. eine Befähigungsprüfung für Sondererzieherinnen und Sondererzieher abgelegt ha­ben,

3. a) als Sondererzieherinnen und Sondererzieher in der Betreuung behinderter Kinder und Jugendlicher oder

b) als Lehrpersonen im Lehrgang für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern zu Sondererzieherinnen und Sondererziehern

verwendet werden,

gebührt für die Dauer dieser Verwendung eine monatliche Dienstzulage, wenn sie eine vierjährige einschlägige Berufspraxis, davon eine zweijährige Praxis an Sonderhorten oder Sonderheimen, zurückgelegt haben. Die Dienstzulage beträgt 50% der in § 58 Abs. 6 für die Verwendungsgruppe L 2b 1 vorgesehenen Dienstzulage mit der Maßga­be, dass für die Zulagenstufe 2 das Erreichen der Gehaltsstufe 3 (2. Jahr 7. Monat), für die Zulagenstufe 3 das Erreichen der Gehaltsstufe 9 (2. Jahr 7. Monat) erforderlich sind. Die Aliquotierungsbestimmungen des § 58 Abs. 7 sind anzuwenden.“

7. In Art. 2 wird nach Z 40 folgende Z 40a eingefügt:

„40a. In § 74 werden nach Abs. 4 folgende Abs. 4a und 4b eingefügt:

„(4a) Beamtinnen und Beamte der Funktionsgruppen 8, 9, 10 und 11 der Verwen­dungsgruppe E 1 können bis 30. Juni 2015 durch schriftliche Erklärung die Anwendbar­keit des Abs. 4 für ein Kalenderjahr ausschließen. Eine solche schriftliche Erklärung ist rechtsunwirksam, wenn ihr eine Bedingung beigefügt wird.

(4b) Hat die Beamtin oder der Beamte eine solche schriftliche Erklärung gemäß Abs. 4a abgegeben, so reduziert sich die Funktionszulage um 30,89%. In diesem Fall ist die Anordnung von Mehrdienstleistungen und allenfalls die Pauschalierung von Überstun­den im Ausmaß von bis zu 40 Stunden pro Monat zulässig. Zeiten darüber hinausge­hender Diensterbringung sind keine Überstunden und sind ausschließlich im Verhältnis 1:1 in Freizeit auszugleichen.““

8. In Art. 2 wird nach Z 54 folgende Z 54a eingefügt:

„54a. In § 91 werden nach Abs. 4 folgende Abs. 4a und 4b eingefügt:

„(4a) Beamtinnen und Beamte der Funktionsgruppen 5 und 6 der Verwendungsgrup­pen M BO 1 oder M ZO 1 und der Funktionsgruppen 8 und 9 der Verwendungsgrup-
pen M BO 2 oder M ZO 2 können bis 30. Juni 2015 durch schriftliche Erklärung die An­wendbarkeit des Abs. 4 für ein Kalenderjahr ausschließen. Eine solche schriftliche Er­klärung ist rechtsunwirksam, wenn ihr eine Bedingung beigefügt wird.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 240

(4b) Hat die Beamtin oder der Beamte eine solche schriftliche Erklärung gemäß Abs. 4a abgegeben, so reduziert sich die Funktionszulage um 30,89%. In diesem Fall ist die An­ordnung von Mehrdienstleistungen und allenfalls die Pauschalierung von Überstunden im Ausmaß von bis zu 40 Stunden pro Monat zulässig. Zeiten darüber hinausgehender Diensterbringung sind keine Überstunden und sind ausschließlich im Verhältnis 1:1 in Freizeit auszugleichen.““

9. In Art. 2 Z 61 lautet § 104 Abs. 1 und 2:

„(1) Der Beamtin oder dem Beamten, die oder der zwei Jahre in der höchsten Gehalts­stufe verbracht hat, gebührt eine außerordentliche Vorrückung („kleine AVO“). Das Aus­maß der außerordentlichen Vorrückung erhöht sich nach weiteren zwei Jahren in der höchsten Gehaltsstufe („große AVO“). Der Beamtin oder dem Beamten, die oder der vier Jahre Anspruch auf die außerordentliche Vorrückung gehabt hat, gebührt eine ru­hegenussfähige Dienstalterszulage („kleine Daz“). Das Ausmaß der Dienstalterszulage erhöht sich nach weiteren zwei Jahren in der höchsten Gehaltsstufe („große Daz“). Die Dienstalterszulage gebührt jedenfalls ab dem neunten Jahr nach Erreichen der letzten Gehaltsstufe.

(2) Das Ausmaß der außerordentlichen Vorrückung und die Dienstalterszulage betra­gen:

1. bei einer Beamtin oder einem Beamten, die oder der gemäß § 17 Abs. 1a PTSG der Österreichischen Post Aktiengesellschaft zur Dienstleistung zugewiesen ist

 

in der Verwendungsgruppe

PT 9

PT 8

PT 7

PT 6

PT 5

PT 4

PT 3

PT 2

PT 1

Euro

kleine AVO

11

27

29

54

73

108

127

149

50

große AVO

21

55

59

108

147

144

169

198

202

kleine Daz

16

41

44

81

111

161

191

222

76

große Daz

32

82

88

161

222

214

255

296

304

2. bei einer Beamtin oder einem Beamten, die oder der gemäß § 17 Abs. 1a PTSG der Österreichischen Postbus Aktiengesellschaft zur Dienstleistung zugewiesen ist

 

in der Verwendungsgruppe

PT 9

PT 8

PT 7

PT 6

PT 5

PT 4

PT 3

PT 2

PT 1

Euro

kleine AVO

11

27

28

51

70

103

121

142

48


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 241

große AVO

22

53

56

103

141

137

162

189

193

kleine Daz

16

40

43

77

105

154

182

212

72

große Daz

32

80

86

154

211

205

242

282

290

3. bei einer Beamtin oder einem Beamten, die oder der gemäß § 17 Abs. 1a PTSG der Telekom Austria Aktiengesellschaft zur Dienstleistung zugewiesen ist

 

in der Verwendungsgruppe

PT 9

PT 8

PT 7

PT 6

PT 5

PT 4

PT 3

PT 2

PT 1

Euro

kleine AVO

12

28

30

52

70

104

126

148

51

große AVO

23

55

60

103

141

139

169

198

203

kleine Daz

17

42

45

78

106

158

189

222

75

große Daz

33

84

90

155

212

210

252

296

303“

10. In Art. 2 Z 74 lautet § 117b Abs. 1 und 2:

„(1) Der Beamtin oder dem Beamten, die oder der zwei Jahre in der höchsten Gehalts­stufe verbracht hat, gebührt eine außerordentliche Vorrückung („kleine AVO“). Das Aus­maß der außerordentlichen Vorrückung erhöht sich nach weiteren zwei Jahren in der höchsten Gehaltsstufe („große AVO“). Der Beamtin oder dem Beamten, die oder der vier Jahre Anspruch auf die außerordentliche Vorrückung gehabt hat, gebührt eine ru­hegenussfähige Dienstalterszulage („kleine Daz“). Das Ausmaß der Dienstalterszulage erhöht sich nach weiteren zwei Jahren in der höchsten Gehaltsstufe („große Daz“). Die Dienstalterszulage gebührt jedenfalls ab dem neunten Jahr nach Erreichen der letzten Gehaltsstufe.

(2) Das Ausmaß der außerordentlichen Vorrückung und die Dienstalterszulage betra­gen:

 

in der Verwendungsgruppe

PF 6

PF 5

PF 4

PF 3

PF 2

PF 1

Euro

kleine AVO

49

68

98

117

136

46


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 242

große AVO

98

135

131

156

182

187

kleine Daz

74

101

147

176

205

70

große Daz

148

203

196

235

273

280“

11. In Art. 2 erhält die Z 83 folgende Fassung:

„83. Nach § 169b wird folgender Unterabschnitt J samt Überschriften eingefügt:

„Unterabschnitt J

Bundesbesoldungsreform 2015

Überleitung bestehender Dienstverhältnisse

§ 169c. (1) Alle Beamtinnen und Beamten der in § 169d angeführten Verwendungs- und Gehaltsgruppen, welche sich am Tag der Kundmachung dieses Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2015 im Dienststand befinden, werden nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen alleine auf Grundlage ihrer bisherigen Gehälter in das durch dieses Bun­desgesetz neu geschaffene Besoldungssystem übergeleitet. Die Beamtinnen und Be­amten werden zunächst aufgrund ihres bisherigen Gehalts in eine Gehaltstufe des neuen Besoldungssystems eingereiht, in welcher das bisherige Gehalt gewahrt wird. Nach spätestens zwei Jahren bzw. bei bestimmten Verwendungsgruppen vier Jahren rücken sie in die nächsthöhere Gehaltsstufe des neuen Besoldungssystems vor (Über­leitungsstufe), in der zur Wahrung ihrer bisherigen Erwerbsaussichten der Zeitpunkt der nächsten Vorrückung einmalig vorgezogen wird. Ab dieser einmalig vorgezogenen Vorrückung befinden sich die übergeleiteten Beamtinnen und Beamten in der Zielstufe des neuen Besoldungssystems, ab der sie regulär vorrücken. Ausgehend von der Ziel­stufe rücken die übergeleiteten Beamtinnen und Beamten ebenso wie alle neu eintre­tenden Beamtinnen und Beamten ausschließlich aufgrund ihrer wachsenden Erfahrung in höhere Gehaltsstufen vor.

(2) Die Überleitung erfolgt nach Maßgabe des Überleitungsbetrags. Der Überleitungs­betrag ist das volle Gehalt, welches bei der Bemessung des Monatsbezugs der Beam­tin oder des Beamten für den Februar 2015 (Überleitungsmonat) zugrunde gelegt wur­de. Hat die Beamtin oder der Beamte für den Februar 2015 kein Gehalt erhalten, ist als Überleitungsmonat jener vor Februar 2015 gelegene Monat heranzuziehen, in wel­chem die Beamtin oder der Beamte zuletzt ein Gehalt erhalten hat. Der Überleitungs­betrag erhöht sich dabei entsprechend dem Ausmaß der erfolgten Anpassungen der für die Beamtin oder den Beamten maßgeblichen Gehaltsansätze durch Bundesgesetz oder Verordnung zwischen dem Überleitungsmonat und Februar 2015.

(3) Das Besoldungsdienstalter der übergeleiteten Beamtin oder des übergeleiteten Be­amten wird mit jenem Zeitraum festgesetzt, der für die Vorrückung von der ersten Gehaltsstufe (Beginn des 1. Tags) in jene Gehaltsstufe derselben Verwendungsgruppe erforderlich ist, für die in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. I xxx/2015 das betraglich zum Überleitungsbetrag nächstniedrigere Gehalt angeführt ist. Gleicht der Überleitungsbetrag dem niedrigsten für eine Gehaltsstufe in derselben Verwendungs­gruppe angeführten Betrag, so ist diese Gehaltsstufe maßgeblich. Alle Vergleichsbe-


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träge sind kaufmännisch auf ganze Euro zu runden. Bei einer Beamtin oder einem Be­amten einer Dienstklasse ist jener Zeitraum maßgeblich, der für die Vorrückung oder Zeitvorrückung ausgehend vom Zeitpunkt der Ernennung in ihre oder seine Dienstklas­se erforderlich ist. Ist der Überleitungsbetrag jedoch geringer als der für die erste Ge­haltsstufe angeführte Betrag, so wird das Besoldungsdienstalter ausschließlich mit dem Zeitraum nach Abs. 4 festgesetzt und die Bestimmungen des Abs. 7 werden auf die Beamtin oder den Beamten nicht angewendet.

(4) Das nach Abs. 3 festgesetzte Besoldungsdienstalter wird um den Zeitraum verlän­gert, der zwischen dem Zeitpunkt der letzten Vorrückung und dem Ablauf des Überlei­tungsmonats vergangen ist und für die Vorrückung wirksam wurde.

(5) Wurde der Bemessung des Monatsbezugs der Beamtin oder des Beamten im Über­leitungsmonat das Gehalt einer anderen Gehaltsstufe zugrunde gelegt, weil für ihre oder seine Gehaltsstufe kein Betrag festgesetzt war oder die Zugrundelegung einer hö­heren Gehaltsstufe gesetzlich angeordnet war, so vermindert sich das Besoldungs­dienstalter nach Abs. 3 um jenen Zeitraum, der nach den Bestimmungen über die Vor­rückung für die Vorrückung von der Gehaltsstufe der Beamtin oder des Beamten im Überleitungsmonat in jene Gehaltsstufe erforderlich ist, die der Bemessung des Ge­halts im Überleitungsmonat zugrunde gelegt wurde.

(6) Das nach den Abs. 3 bis 5 festgesetzte Besoldungsdienstalter gilt als das Besol­dungsdienstalter der Beamtin oder des Beamten zum Zeitpunkt des Ablaufs des Über­leitungsmonats. Die sich aus diesem Besoldungsdienstalter ergebende besoldungs­rechtliche Stellung ist der Bemessung der Bezüge ab Beginn des dem Überleitungs­monat folgenden Monats zugrunde zu legen. Sonstige besoldungsrechtliche Maßnah­men, die mit Beginn des Monats wirksam werden, bleiben davon unberührt. Wenn das neue Gehalt der Beamtin oder des Beamten geringer ist als der Überleitungsbetrag, er­hält sie oder er bis zur Vorrückung in die nächste Gehaltsstufe (Überleitungsstufe) eine ruhegenussfähige Wahrungszulage im Ausmaß des Fehlbetrags als Bestandteil des Monatsbezugs. Die Gegenüberstellung erfolgt einschließlich allfälliger Dienstalterszula­gen oder außerordentlicher Vorrückungen.

(7) Zur Wahrung der Erwerbsaussichten der übergeleiteten Beamtin oder des überge­leiteten Beamten erhöht sich ihr Besoldungsdienstalter mit der Vorrückung in die Über­leitungsstufe

1. in einer akademischen Verwendungsgruppe (§ 12a Abs. 2) um ein Jahr und sechs Monate,

2. in den Verwendungsgruppen

a) des Allgemeinen Verwaltungsdiensts A 2,

b) des militärischen Diensts M 2,

c) der Lehrerinnen und Lehrer L 2b 1,

d) des Krankenpflegediensts K 3 und K 4,

e) der Post- und Fernmeldehoheitsverwaltung PF 2, PF 3 und PF 4,

f) des Post- und Fernmeldewesens PT 2, PT 3 und PT 4,

um sechs Monate und

3. in allen anderen Fällen um ein Jahr.

(8) Der erstmalige Anfall einer kleinen AVO, einer großen AVO, einer kleinen Daz, ei­ner großen Daz oder einer sonstigen Dienstalterszulage ist einer Vorrückung in die Über-


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leitungsstufe gleichzuhalten. Befindet sich die Beamtin oder der Beamte nach Überlei­tung nach Abs. 6 bereits in der höchsten Gehaltsstufe und ist auch der Anfall einer höheren außerordentlichen Vorrückung oder Dienstalterszulage nicht mehr möglich, wird ihr oder sein Besoldungsdienstalter bereits mit dem Ablauf des Überleitungsmo­nats gemäß Abs. 7 verbessert.

(9) Bei einer Beamtin oder einem Beamten mit Anspruch auf ein Fixgehalt ist der Über­leitungsbetrag das volle Gehalt, welches der Bemessung ihres oder seines Monatsbe­zugs im Überleitungsmonat zugrunde gelegt worden wäre, wenn die befristete Ernen­nung oder Betrauung im Vormonat geendet und zu einer Überleitung auf eine Plan­stelle kraft Gesetzes geführt hätte. Das so ermittelte Besoldungsdienstalter wird unter Berücksichtigung des seit dem Überleitungsmonat vergangenen Zeitraums einer späte­ren Einstufung infolge eines Endens einer befristeten Ernennung oder Betrauung zu­grunde gelegt. Die Überleitung im Überleitungsmonat erfolgt jedoch in jene Verwen­dungsgruppe und Funktionsgruppe, die dem vollen Fixgehalt entspricht, das der Be­messung des Fixgehalts im Überleitungsmonat zugrunde gelegt wurde. Gleichermaßen wird für eine Beamtin oder einen Beamten der Dienstklassen VII, VIII oder IX das Besoldungsdienstalter ermittelt, das sich bei Anwendung der Abs. 1 bis 8 ergeben hätte, wenn sie oder er im Überleitungsmonat in eine neuere Besoldungsgruppe über­geleitet worden wäre. Dieses wird unter Berücksichtigung des seit dem Überleitungs­monat vergangenen Zeitraums im Fall einer späteren Überleitung der Einstufung in der neuen Verwendungsgruppe zugrunde gelegt.

(10) Auf die übergeleiteten Beamtinnen und Beamten sind die Bestimmungen über die Jubiläumszuwendung (§ 20c) mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Erfordernisses der Vollendung eines Besoldungsdienstalters von 25 bzw. 40 oder 35 Jahren das Erfordernis des Erreichens jenes Tages tritt, der 25 bzw. 40 oder 35 Jahre nach dem bereits von der Dienstbehörde ermittelten Stichtag liegt. Die Bestimmungen über die Hemmung der Vorrückung (§ 10) sind auf die vor Erreichen des Dienstjubi­läums liegenden Zeiten sinngemäß anzuwenden.

(11) Die für die Beamtin oder den Beamten festgesetzte Dauer der Ausbildungsphase bleibt von der Überleitung unberührt.

Gruppenüberleitung

§ 169d. (1) Für die Überleitung der Beamtin oder des Beamten ist ihre oder seine Ver­wendungsgruppe bzw. Gehaltsgruppe und ihre oder seine Dienstklasse im Überleitungs­monat maßgeblich. Es werden übergeleitet:

1.die Beamtinnen und Beamten der Dienstklassen III bis VI,

2.die Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe Allgemeiner Verwaltungsdienst,

3. die Prokuraturanwältinnen und -anwälte der Finanzprokuratur im öffentlich-rechtli­chen Dienstverhältnis, außer Prokuraturanwältinnen und Prokuraturanwälte der Dienst­klassen VII, VIII und IX,

4. die Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe Exekutivdienst,

5. die Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe Militärischer Dienst,

6. die Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe Lehrer,

7. die Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe Hochschullehrpersonen,

8. die Universitätsdozentinnen und Universitätsdozenten sowie die Universitätsassis­tentinnen und Universitätsassistenten,

9. die Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe Krankenpflegedienst,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 245

10. die Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe der Post- und Fernmeldeho­heitsverwaltung,

11. die Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe des Post- und Fernmeldewe­sen und

12. die Richterinnen und Richter sowie die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.

(2) Die Beamtin oder der Beamte, die oder der durch Zeitvorrückung das Gehalt einer Dienstklasse erreicht hat, ohne in diese ernannt worden zu sein, verbleibt in der Dienst­klasse, in die sie oder er ernannt ist. Die Festsetzung ihres oder seines Besoldungs­dienstalters erfolgt jedoch nach Maßgabe der Dienstklasse, deren Gehalt sie oder er bereits durch Zeitvorrückung erreicht hat.

(3) Hat die Beamtin oder der Beamte im Überleitungsmonat das Erfordernis des Er­reichens einer Gehaltsstufe nach den bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. Nr I xxx/2015 geltenden Bestimmungen für

1. das Führen eines Amtstitels oder einer Verwendungsbezeichnung,

2. den Anspruch auf einen Aufwandersatz, einschließlich allfälliger Reisegebühren, in be­stimmter Höhe oder

3. den Anspruch auf eine Funktionsstufe, Zulagenstufe oder eine sonstige Zulage, de­ren Höhe vom Erreichen einer Gehaltsstufe abhängt,

bereits erfüllt, so sind die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr I xxx/2015 ab dem Ablauf des Überleitungsmonats auf die Beamtin oder den Beamten mit der Maßgabe anzuwenden, dass sie oder er das Erfordernis des Erreichens dieser Gehaltsstufe, einschließlich einer allfällig erforderli­chen Verweildauer in der Gehaltsstufe jedenfalls weiterhin erfüllt. Die sonstigen Er­fordernisse für den Anspruch auf den jeweiligen Amtstitel, die jeweilige Verwendungs­bezeichnung, den jeweiligen Aufwandersatz oder die jeweilige Zulage bleiben davon un­berührt.

(4) Die sich aufgrund der Bestimmungen des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2015 er­gebenden Bezüge gelten als neue Bezüge im Sinne des § 36a Abs. 1, allenfalls in Ver­bindung mit § 75 Abs. 11 VBG.

Anwendung dienst- und besoldungsrechtlicher Bestimmungen

§ 169e. (1) Bestimmungen in anderen Bundesgesetzen, in Verordnungen und in Ver­trägen des Bundes in einer vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2015 bestehenden Fassung, welche auf die in § 169d angeführten Dienstklassen sowie Ver­wendungs-, Gehalts- und Funktionsgruppen Bezug nehmen, sind mit der Maßgabe an­zuwenden, dass an ihre Stelle die sich bei Anwendung des § 169d ergebenden Dienst­klassen, Gehaltsgruppen und Funktionsgruppen treten.

(2) Insoweit eine Bestimmung in einem Bundesgesetz, in einer Verordnungen oder in einem Vertrag des Bundes in einer vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2015 bestehenden Fassung einen Amtstitel oder einen Anspruch vom Errei­chen einer bestimmten Gehaltsstufe in einer in diesem Bundesgesetz geregelten Ver­wendungsgruppe abhängig macht oder eine Überleitung nach Maßgabe des Errei­chens einer Gehaltsstufe erfolgt, tritt an die Stelle dieser Gehaltsstufe die betraglich nächstniedere Gehaltsstufe derselben Verwendungsgruppe in der Fassung des Bun­desgesetzes BGBl. Nr. I xxx/2015. Die Vergleichsbeträge sind kaufmännisch auf ganze Euro zu runden. Für Beamtinnen und Beamte, deren Besoldungsdienstalter nach In­krafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2015 nach § 12 ermittelt wurde gilt das Erfordernis des Erreichens der Gehaltsstufe bei einer Verweildauer


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1. bei den Verwendungsgruppen nach § 169c Abs. 7 Z 1 von mehr als einem Jahr und sieben Monaten,

2. bei den Verwendungsgruppen nach § 169c Abs. 7 Z 2 von mehr als sechs Monaten,

3. bei den Verwendungsgruppen nach § 169c Abs. 7 Z 3 von mehr als einem Jahr

in der Gehaltsstufe neuer Fassung als erfüllt. Für die übergeleiteten Beamtinnen und Beamten gelten diese Maßgaben ab der Verbesserung ihres Besoldungsdienstalters nach § 169c Abs. 7 oder 8 sinngemäß.

(3) Insoweit eine Bestimmung in einem Bundesgesetz, in einer Verordnung oder in einem Vertrag des Bundes in einer vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2015 bestehenden Fassung das Enden eines Anspruchs vom Vollenden einer bestimmten Gehaltsstufe in einer in diesem Bundesgesetz geregelten Verwendungsgruppe abhän­gig macht, tritt an die Stelle dieser Gehaltsstufe die betraglich nächstniedere Ge­haltsstufe derselben Verwendungsgruppe in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. I xxx/2015. Die Vergleichsbeträge sind kaufmännisch auf ganze Euro zu runden. Für Beamtinnen und Beamte, deren Besoldungsdienstalter nach Inkrafttreten des Bun­desgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2015 nach § 12 ermittelt wurde gilt das Erfordernis des Erreichens der Gehaltsstufe bei einer Verweildauer

1. bei den Verwendungsgruppen nach § 169c Abs. 7 Z 1 von mehr als einem Jahr und sieben Monaten,

2. bei den Verwendungsgruppen nach § 169c Abs. 7 Z 2 von mehr als sechs Monaten,

3. bei den Verwendungsgruppen nach § 169c Abs. 7 Z 3 von mehr als einem Jahr

in der Gehaltsstufe neuer Fassung als erfüllt. Für die übergeleiteten Beamtinnen und Beamten gelten diese Maßgaben ab der Verbesserung ihres Besoldungsdienstalters nach § 169c Abs. 7 oder 8 sinngemäß.

(4) Wenn eine Bestimmung nach Abs. 2 oder 3 auf eine Verweildauer in einer Ge­haltsstufe abstellt, erhöht sich das Erfordernis der Verweildauer nach Abs. 2 und 3 im entsprechenden Ausmaß.

(5) Insoweit in einem Bundesgesetz, einer Verordnung oder einem Vertrag des Bundes in einer vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2015 bestehenden Fas­sung die Bemessung eines Betrages nach Maßgabe des Gehalts, allenfalls einschließ­lich allfälliger Teuerungszulagen, der Gehaltsstufe 2 der Dienstklasse V der Beamtin oder des Beamten der Allgemeinen Verwaltung erfolgt, tritt der Referenzbetrag an des­sen Stelle.““

12. In Art. 2 Z 84 lautet § 170a samt Überschrift:

„Bezugsanpassung für das Jahr 2015

§ 170a. (1) Die in diesem Bundesgesetz, im Vertragsbedienstetengesetz 1948, BGBl. Nr. 86/1948, im Richter- und Staatsanwaltschaftsgesetz, BGBl. Nr. 305/1961, im Lan­deslehrer-Dienstrechtsgesetz, BGBl. Nr. 302/1984, im Landesvertragslehrpersonenge­setz 1966, BGBl. Nr. 172/1966, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 10/2014 und im Land- und forstwirtschaftlichen Landesvertragslehrpersonengesetz, BGBl.
Nr. 244/1969, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 10/2014 angeführten Gehälter und Monatsentgelte, die in Eurobeträgen angeführten Zulagen und Vergütun­gen sowie die Überleitungsbeträge erhöhen sich mit Ausnahme der Beträge für die Be­amtinnen und Beamten des Post- und Fernmeldewesens ab 1. März 2015 um 1,77%, und die Beträge werden sodann auf ganze Euro aufgerundet.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 247

(2) Die in vor dem 1. März 2015 abgeschlossenen Sonderverträgen gemäß § 36 VBG vorgesehenen monatlichen Sonderentgelte erhöhen sich, sofern sich deren Erhöhung nicht bereits aus dem Sondervertrag ergibt oder an andere Anlassfälle als Bezugser­höhungen oder Teuerungsabgeltungen im öffentlichen Dienst geknüpft ist, ab 1. März 2015 in dem im Abs. 1 genannten Ausmaß. Bei teilbeschäftigten Vertragsbediensteten, mit denen vor dem 1. März 2015 gemäß § 36 ein Sondervertrag abgeschlossen wor­den ist, ist zunächst jenes Sonderentgelt zu ermitteln, das ihnen im Falle der Vollbe­schäftigung gebühren würde. Auf dieses Sonderentgelt sind hierauf die im ersten Satz vorgesehenen Berechnungsvorschriften anzuwenden. Von dem auf diese Weise er­rechneten Betrag ist schließlich jener Teil zu ermitteln, der sich unter Berücksichtigung des Beschäftigungsausmaßes ergibt. Dieser Teil gilt ab 1. März 2015 als neues Son­derentgelt der oder des teilbeschäftigten Vertragsbediensteten.“

13. Art. 2 Z 85 lautet:

„85. Dem § 175 werden folgende Abs. 79 und 80 angefügt:

„(79) In der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2015 treten in Kraft:

1. § 170a samt Überschrift mit 1. März 2015,

2. der Entfall der § 7a, § 113 und § 113a samt Überschriften mit dem der Kundma­chung folgenden Tag; diese Bestimmungen sind in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden,

3. § 8 samt Überschrift, § 10 Abs. 2 und § 12 samt Überschrift mit dem der Kundma­chung folgenden Tag; diese Bestimmungen sind in allen früheren Fassungen in laufen­den und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden,

4. § 3 Abs. 4, § 12a samt Überschrift, § 15 Abs. 3 Z 2 und 3, § 17 Abs. 4, § 20c samt Überschrift, § 23 Abs. 4, § 27 Abs. 2a, § 28 Abs. 1 und 3, § 29 Abs. 1 und 2, § 30
Abs. 2, § 40a Abs. 4, § 48a Abs. 1, § 49a Abs. 3, § 49b, § 50 Abs. 1 bis 3, § 51 Abs. 2, § 51a Abs. 2, § 52 Abs. 8, § 55 Abs. 1, § 56, § 57 Abs. 2, § 58 Abs. 6, § 59 Abs. 11 und 12, § 60 Abs. 1, § 63b Abs. 1 und 3, § 63c, § 72, § 73 Abs. 1 und 2, § 74 Abs. 2,
§ 75 Abs. 1, § 75 Abs. 1a, § 82 Abs. 1, 2 und 4, § 82a Abs. 1, § 82b Abs. 4, § 83a
Abs. 3, § 83c, § 85 Abs. 1, § 86 Abs. 1 und 2, § 89 Abs. 1, § 91 Abs. 2, § 92 Abs. 1 und 1a, § 100 Abs. 8, § 103 Abs. 2, § 104 Abs. 1 und 2, § 105 Abs. 1 und 2, § 109 Abs. 1,
§ 110 samt Überschrift, § 112 Abs. 1, § 117a Abs. 2, § 117b Abs. 1 und 2, § 117c
Abs. 1, § 118 Abs. 3 bis 5, § 119 samt Überschrift, § 121 Abs. 3 und 7, § 139 und der Unterabschnitt J samt Überschriften sowie der Entfall der § 28 Abs. 2, § 40 samt Über­schrift, § 48a Abs. 2, § 55 Abs. 2, § 72 Abs. 2, § 84, § 85 Abs. 2, § 89 Abs. 2, § 102 samt Überschrift, § 103 Abs. 4, § 107 samt Überschrift, § 109 Abs. 2, § 112k samt Überschrift, § 114 samt Überschrift, § 117a Abs. 3, § 128 samt Überschrift mit dem der Kundmachung folgenden Tag.

(80) § 30 Abs. 4a und 4b, § 74 Abs. 4a und 4b und § 91 Abs. 4a und 4b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2015 treten mit 1. Jänner 2015 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2015 außer Kraft.““

14. In Art. 3 Z 33 erhält die Tabelle in § 72 Abs. 1 folgende Fassung:

in der Ent-
lohnungs-
stufe

in der Entlohnungsgruppe

v1

v2

v3

v4

Euro

1

2 468

1 830

1 6


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 248

27

1 521

2

2 607

1 872

1 658

1 547

3

2 770

1 950

1 696

1 572

4

2 908

2 042

1 727

1 597

5

3 054

2 133

1 757

1 622

6

3 190

2 223

1 788

1 647

7

3 282

2 317

1 819

1 672

8

3 360

2 378

1 850

1 697

9

3 409

2 426

1 881

1 722

10

3 458

2 475

1 913

1 747

11

3 507

2 523

1 944

1 772

12

3 556

2 572

1 976

1 797

13

3 606

2 620

2 007

1 822

14

3 655

2 669

2 039

1 847

15

3 704

2 717

2 071

1 873

16

3 753

2 766

2 103

1 898

17

3 803

2 814

2 135

1 924

18

3 840

2 863

2 167

1 950

19

--

2 912

2 199

1 978

20

--

2 926

2 231

2 019

21

--

--

2 247

2 046

15. In Art. 3 wird nach Z 34 folgende Z 34a eingefügt:

„34a. In § 73 werden nach Abs. 3 folgende Abs. 3a und 3b eingefügt:

„(3a) Vertragsbedienstete der Bewertungsgruppen v1/4 und v2/6 können bis 30. Juni 2015 durch schriftliche Erklärung die Anwendbarkeit des Abs. 3 für ein Kalenderjahr ausschließen. Eine solche schriftliche Erklärung ist rechtsunwirksam, wenn ihr eine Be­dingung beigefügt wird.

(3b) Hat die oder der Vertragsbedienstete eine solche schriftliche Erklärung gemäß Abs. 3a abgegeben, so reduziert sich die Funktionszulage um 30,89%. In diesem Fall ist die Anordnung von Mehrdienstleistungen und allenfalls die Pauschalierung von Über­stunden im Ausmaß von bis zu 40 Stunden pro Monat zulässig. Zeiten darüber hinaus­gehender Diensterbringung sind keine Überstunden und sind ausschließlich im Verhält­nis 1:1 in Freizeit auszugleichen.““


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 249

16. Art. 3 Z 40 lautet:

„40. Dem § 100 werden folgende Abs. 70 und 71 angefügt:

„(70) In der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2015 treten in Kraft:

1. die § 46 Abs. 4, § 90k und § 91f sowie der Entfall des § 46 Abs. 2 und 5 und der An­lage 1 zu § 26 Abs. 2a Z 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 211/2013 mit 1. September 2015;

2. der Entfall der § 18b, § 82 und § 82a jeweils samt Überschrift mit dem der Kundma­chung folgenden Tag; diese Bestimmungen sind in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden;

3. die §§ 19 und 26 samt Überschriften mit dem der Kundmachung folgenden Tag; die­se Bestimmungen sind in allen früheren Fassungen in laufenden und künftigen Verfah­ren nicht mehr anzuwenden;

4. das Inhaltsverzeichnis, § 4b Abs. 3 Z 2, § 11, § 14 Abs. 1, § 15 samt Überschrift,
§ 22 Abs. 2, § 25 Abs. 5, § 30 Abs. 5 Z 3, § 39 Abs. 3, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1, § 42e Abs. 1, § 47e, § 61, § 66 Abs. 3, § 71 Abs. 1 und 2, § 72 Abs. 1 und 2 und § 94a samt Überschriften sowie der Entfall der § 3 Abs. 3, § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 211/2013, § 26 Abs. 2 Z 5a, 6 und 8 lit b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 211/2013, § 26 Abs. 2a Z 1a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 211/2013, § 71 Abs. 3, § 77 samt Über­schrift, § 80a samt Überschrift, § 89 Abs. 5 dritter Satz und der Anlage zu § 26 Abs. 2a Z 6 mit dem der Kundmachung folgenden Tag.

(71) § 73 Abs. 3a und 3b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2015 tritt mit 1. Jänner 2015 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2015 außer Kraft.““

Begründung

Bei den vorgeschlagenen Änderungen handelt es sich im wesentlichen um technische Korrekturen, um die bisherigen Einkommensverhältnisse im Rahmen der Überleitung möglichst getreu zu wahren. So sind etwa Anpassungen beim Gehaltsschema der be­amteten Lehrpersonen und in weiterer Folge auch bei den Zulagen für diese Personen­gruppe notwendig.

Weiters wird der neu eingeführte Referenzbetrag, der unter anderem als Berechnungs­grundlage für zahlreiche Nebengebühren dient, exakter definiert. Klargestellt wird, dass auch die durch Zulagen garantierte bisherige Gehaltshöhe mit 1. März valorisiert wird.

Durch die Änderungen wird auch gesichert, dass Amtstitel, Funktionsstufen und andere Einstufungs-abhängige Ansprüche wie z.B. Reisegebührensätze weiterhin im bisheri­gen Ausmaß zustehen.

Die Besonderheiten des Post- und Fernmeldewesens machen weitere Änderungen not­wendig, da z.B. deren Gehaltsanpassungen unabhängig von jenen des Bundes erfolgen.

Schlussendlich sollen sämtliche Beträge nach der Valorisierung mit 1. März auf ganze Euro aufgerundet werden, um auch Einbußen aus Rundungsvorgängen im Rahmen der Überleitung zu vermeiden.

Unabhängig vom Reformbedarf des Besoldungssystems wird die Opting-Out-Regelung für Bedienstete, die eine Funktionszulage beziehen, mit denen sämtliche Mehrleistun­gen als abgegolten gelten, um ein Jahr verlängert. Die 40-Stunden-Obergrenze für die Anordnung von Mehrdienstleistungen bzw. für die Pauschalierung von Überstunden


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bleibt aufrecht. Darüber hinausgehende Diensterbringung ist nicht als Leistung von Über­stunden abzugelten, sondern ausschließlich 1:1 in Freizeit auszugleichen.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


21.21.08

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Kollege Pendl hat gesagt, keiner hat eine Freude, wenn er am Freitag einen Antrag zugestellt bekommt. – Das ist nicht das Problem! Ihr könnt uns Tag und Nacht einen Antrag zustellen. Womit wir ein Problem haben, ist, wenn wir keine Zeit haben, diesen Antrag anständig zu prüfen. Und das müssen wir schon der Reihe nach besprechen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es wäre kein Ausschuss mehr geplant gewesen, aber man ist vonseiten der Regierung auf die Opposition zugegangen und hat gesagt, man hätte eine kleinere Dienstrechts­novelle – nichts Großes. Da ist klar mitgeschwungen, es gibt einen Konsens mit der Ge­werkschaft und man muss eine Kleinigkeit umsetzen. Da ist klar, dass man im parla­mentarischen Prozedere, wenn das signalisiert wird, ermöglicht, dass so etwas verab­schiedet wird.

Dann haben wir auf diesen Antrag gewartet, aber er ist nicht gekommen. – Gut.

Dann bekomme ich am Freitag am Abend von unserer Mitarbeiterin die Information, dass dieser kleinere Abänderungsantrag bei uns eingelangt ist, und dieser kleinere Ab­änderungsantrag stellt sich als 46-Seiten-Antrag heraus. 46 Seiten mit einer A-4-Sei­te – nun, Kommentierung kann man nicht sagen, sondern es war eine Begründung, nicht mehr und nicht weniger.

Jeder, der weiß, wie Gesetze sonst ausschauen, wenn sie kommen, weiß, dass es um­fassende Erklärungen und Kommentierungen gibt und dass diese A-4-Seite, die hinten drangehängt war, ein äußerst schmaler Beitrag war.

Am Freitag bekommen wir also diesen Antrag, am Montag – nur 48 Stunden später – wird er bereits im Ausschuss verhandelt. Man hat keine Chance, betreffend diese kom­plexe Materie mit ExpertInnen oder PersonalvertreterInnen in Austausch zu treten. Es besteht schlicht keine Chance, zu prüfen, ob diese Lösung jetzt europarechtskonform ist – es hat ja schon zwei Niederlagen vor dem Europäischen Gerichtshof gegeben –, wie die finanziellen Auswirkungen dieses Antrags sind und ob es tatsächlich ein faires Angebot an die Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer ist. Es gibt keine Chance, dies zu prüfen!

So kann Parlamentarismus nicht funktionieren: dass man sich, ich sage es jetzt vor­sichtig, unter, na ja, Vorspiegelung stark verkürzter Tatsachen einen Ausschusstermin holt und dann eine Materie von solch einem Umfang und solch einer Bedeutung he­reinbringt, möglicherweise mit finanziellen Auswirkungen, die nicht zu unterschätzen sind. Das geht so nicht! (Beifall bei den Grünen.) Das ist kein Parlamentarismus, wie wir ihn uns vorstellen, und ich glaube, da spreche ich im Namen der gesamten Oppo­sition. Das lassen wir uns nicht gefallen!

Ein Ersuchen um eine ähnliche Vorgangsweise, wenn der Antrag nicht auf dem Tisch liegt, braucht bei der Opposition gar nicht mehr vorgebracht zu werden, denn den wer­den wir mit Sicherheit ablehnen. Es wird nur mehr ein Entgegenkommen geben, wenn klar ist, was am Programm steht. (Beifall bei den Grünen.) Es wird von uns unter die­sen Umständen eine strenge Auslegung der Geschäftsordnung geben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 251

Aber die Regierung beziehungsweise die Regierungsparteien glauben ja bis zu einem gewissen Grad selbst nicht ganz Ihrem Antrag, denn sie bringen ja heute einen Ent­schließungsantrag ein – der ist noch nicht eingebracht –, der schon wieder alles relati­viert. Da heißt es, es sollen entsprechende Verbesserungsvorschläge berücksichtigt wer­den, „wenn eine eingehende Prüfung ergeben sollte, dass mit der Neuregelung eine Be­einträchtigung der Lebensverdienstsumme einhergeht“.

Das heißt, wir beschließen heute etwas, aber gleichzeitig geben wir der Regierung schon wieder einen Auftrag, eine Novelle zu machen, wenn das nicht eintritt, was eintreten sollte. Ich meine, das ist kein professioneller Parlamentarismus, und man braucht sich nicht zu wundern, wenn man unser Geschäft und unser Metier nicht ernst nimmt, wenn wir so vorgehen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Man kann den Antrag gut oder schlecht finden, aber wenn wir keine Chance zur Prü­fung haben, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als diesen Antrag heute abzulehnen. Das werden wir tun, denn wir können als Abgeordnete nicht für etwas Verantwortung übernehmen, das wir nicht eingehend prüfen konnten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

21.25


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Karl zu Wort. – Bitte.

 


21.25.17

Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was ist die Ursa­che für die heute vorliegende Reform des Besoldungsrechts? – Die Ursache geht ei­gentlich auf das Jahr 2009 zurück. Damals gab es das EuGH-Erkenntnis Hütter, in dem damals bereits eine Altersdiskriminierung im Besoldungsrecht geortet wurde.

Dann kam es zur Reparatur. Allerdings landete auch diese Reparatur wieder vor dem Europäischen Gerichtshof, und es kam daraufhin zum bereits angesprochenen Er­kenntnis des EuGH vom 11. November 2014 in der Rechtssache Schmitzer. Darin wurde wiederum eine Altersdiskriminierung festgestellt. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Es ist klar, dass das der Rechtssicherheit nicht unbedingt förderlich ist und dass so et­was natürlich zu einer Verunsicherung der öffentlich Bediensteten führt. Jetzt geht es darum, dass wir möglichst rasch wieder Rechtssicherheit schaffen, und wenn wir Rechts­sicherheit schaffen wollen, dann müssen wir mit dem vorliegenden Entwurf drei Prä­missen, drei Anforderungen erfüllen.

Das ist zum einen einmal die Europarechtskonformität: Da ist es wichtig, dass sich die­ser Entwurf am deutschen Modell orientiert, weil das vor dem Europäischen Gerichts­hof bereits bestanden hat. Auch Deutschland musste eine entsprechende Reform durch­führen, die, wie gesagt, vor dem Europäischen Gerichtshof bestanden hat.

Die zweite Prämisse, die zu erfüllen ist, ist die Kostenneutralität, und die dritte Prä­misse – die ich für besonders wichtig halte – ist, dass es durch diese Reform für die im Dienst stehenden öffentlich Bediensteten keine Verluste geben darf. Das heißt, die Le­bensverdienstsumme muss erhalten bleiben, und dazu hat sich auch bereits Finanzmi­nister Schelling bekannt. Das ist auch für ihn ein ganz wichtiger Punkt.

Damit man aber feststellen kann, ob die Lebensverdienstsumme wirklich keine Verlus­te erleidet, dauert es länger. Es wurde bereits vom Kollegen Pendl angesprochen, dass das natürlich viel Arbeit ist. Da muss man für jede Berufsgruppe durchrechnen, wie sich diese Reform auswirkt. (Abg. Brosz: Das hat der Pendl gesagt, dass das ...! – Abg. Deimek: Das ist Versuch und Irrtum!) Das fordern wir ein mit dem Entschlie­ßungsantrag, der noch eingebracht wird.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 252

Wir wollen, dass ungeachtet des Beschlusses, den wir heute fassen, wirklich für jede Berufsgruppe durchgerechnet wird, ob es diesbezüglich nicht doch in Einzelfällen zu Verlusten in Bezug auf die Lebensverdienstsumme kommt. Wenn es dazu kommt, dann muss dies ausgeglichen werden! Das werden wir kontrollieren, und darauf beste­hen wir. Deswegen gibt es heute den Entschließungsantrag, der noch eingebracht wird. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Was ich aber auch noch betonen möchte, ist, dass es sich heute um eine reine Sanie­rung eines europarechtswidrigen Rechtzustandes handelt und nicht um eine Dienstre­form, wie sie im Regierungsprogramm vorgesehen ist. Diese Dienstreform muss mög­lichst rasch in Angriff genommen werden. (Abg. Deimek: Sauber, nicht rasch! Sauber!) Auch da dürfen wir nicht mehr zaudern, auch da dürfen wir nicht mehr zuwarten und auch da werden wir darauf achten, dass sehr rasch die Gespräche und Verhandlungen mit der Gewerkschaft aufgenommen werden, damit wir ein modernes, zeitgemäßes Dienstrecht für den österreichischen öffentlichen Dienst gewährleisten können. – Dan­ke. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

21.28


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte.

 


21.28.41

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Es ist ja wirklich herzig, was wir heu­te gehört haben: Es geht hier also darum, die Verunsicherung endlich hintanzuhalten. – Jetzt erklären Sie mir einmal, wie eine Verunsicherung verhindert werden soll, wenn man genau jene, die man vorgibt nicht verunsichern zu wollen, die heute auch (in Rich­tung Galerie) dort oben sitzen, nicht einbezieht in die Lösung, beziehungsweise wenn man eine Lösung schafft, die nichts anderes tut – deswegen brauchen Sie sich auch keine Sorgen zu machen –, als Zeit zu schinden.

Diese Lösung, die heute auf dem Tisch liegt, ist gar keine Lösung, sondern es geht da­rum, Zeit zu gewinnen. Es geht darum, etwas auf den Tisch zu legen, von dem man weiß, dass es nicht funktionieren wird, dass es wieder aufgehoben werden wird, um damit entsprechend Zeit zu gewinnen, während man auf ein Wunder hofft, nämlich dass man hier die Quadratur des Kreises zustande bringt.

Mir muss nämlich einmal einer erklären, wie man es schafft, wenn man vorher eine Un­gerechtigkeit begangen hat und das, was den Leuten zugestanden hat, diesen nicht zugesteht, wie man das also reparieren will unter der Prämisse, die Sie hier selber an­geben, nämlich dass eben kein Schaden entstehen darf und trotzdem die 2 bis 3 Mil­liarden, die hier im Raum stehen, die das an Gesamtkosten verursachen könnte, eben nicht anfallen. Und da Sie wissen, dass das nicht geht, machen Sie hier dieses Husch-Pfusch-Gesetz, machen unwahrscheinlich viele Abänderungsanträge, sodass sich kein Mensch mehr auskennt, dass sogar die Richter – und die sind ja nicht die Dümmsten in diesem Land! – sagen, dass sie selbst gar nicht verstehen, was da drinnen steht, und das deshalb auch selbst schwer beurteilen können.

Und nicht nur den Richtern geht es so, auch ich habe mich schwer getan – aber das heißt noch nichts. (Abg. Brosz: Das wundert uns aber nicht! – Abg. Rädler: Herr Kol­lege, das heißt nichts!) Auch der Budgetdienst, den wir beauftragt haben, uns Erhellen­des zu sagen, sagt selbst, er blickt da nicht durch. Und das wollen Sie uns heute hier als Rechtssicherheit verkaufen?!

Es ist Unsicherheit, die Sie hier verbreiten! Sie wollen in Wirklichkeit nur Zeit gewinnen, weil Sie wissen, die Regelung wird wieder aufgehoben, und dann haben Sie neuerlich mindestens vier Jahre Zeit, um da etwas herbeizuführen. Was das sein wird, weiß ich noch nicht, denn, wie gesagt, die Quadratur des Kreises wird Ihnen nicht gelingen – und das Ganze auf den Rücken jener, die das ausbaden müssen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 253

Gerade im öffentlichen Dienst – wir wissen ja, wie da die Vergangenheit ausgesehen hat – hat man nie besonders darauf geschaut, dass auch Leistung entsprechend be­lohnt wird, und jetzt geht man her und macht etwas, was letztlich auf dem Rücken der öffentlich Bediensteten passieren wird. Und dass der EuGH das schlussendlich aufhe­ben wird, hat ja auch schon Methode.

Erinnern Sie sich an den Herrn Spindelegger, der damals gleichfalls etwas gemacht hat, von dem er gewusst hat, dass es nicht halten wird, nämlich diese Sonderregelung bei der Hypo, mit der er ganz bestimmte Gläubiger herausgepickt und diese mit 100 Pro­zent Verlust bestraft hat. Da hat er auch schon gewusst, dass das nicht halten wird. Und was hat er dann beim Interview gesagt? – Er hat gesagt, wenn das aufgehoben wird, werden wir uns etwas überlegen müssen. – Genau so wird hier gearbeitet! (Zwi­schenruf des Abg. Deimek.)

Genau so wird hier gearbeitet: Es wird etwas gemacht, von dem man weiß, dass es nicht halten wird, um Zeit zu gewinnen, und das Ganze auf dem Rücken jener, die es betrifft. Und wenn Sie herkommen und sagen, es geht um Rechtssicherheit, es geht um das Verhindern von Verunsicherung, dann haben Sie genau das Gegenteil damit geschafft. Das wird Ihnen noch auf den Kopf fallen, das kann ich Ihnen sagen!

Spätestens dann, wenn dieses Gesetz wieder aufgehoben wird, werden wir wieder am Anfang stehen, und dann müssen Sie uns vorhüpfen, wie Sie es schaffen, eine Unge­rechtigkeit zu beseitigen, ohne dass das für den Steuerzahler zu Mehrkosten führt. Da­rauf bin ich schon gespannt. (Beifall beim Team Stronach.)

21.32


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann zu Wort. – Bitte.

 


21.32.39

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Die Situation, vor der wir stehen, ist, dass die alte Regelung durch eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs aufgehoben wurde. Das heißt ja nicht, dass diese Aufhebung nicht auch Kosten verursacht, und wenn man zu lange zuwartet, um dieses Gesetz zu reparieren, können auch in diesem Fall erhebliche Kosten entstehen.

Das heißt natürlich, dass auch der Staat Interesse daran haben muss, möglichst rasch eine Reparatur dieser Situation vorzunehmen, um nicht aufgrund dieser Entscheidung unnötige Kosten entstehen zu lassen. Es gibt bereits 6 000 Anträge, die auf die alte, auf die aufgehobene Regelung Bezug nehmen, und täglich werden es mehr, das heißt, täglich könnten Mehrkosten entstehen.

Das heißt nicht, dass es nicht auch eine durchaus massive Belastung des Staatshaus­haltes gegeben hätte, wenn man nicht handelt. Auf der anderen Seite ist es vollkom­men verständlich – und das war auch immer die Ausgangsposition –, dass man besitz­standswahrend in das neue System überführt. Jetzt macht man zur Sicherheit noch ei­nen Entschließungsantrag, weil bei manchen Berufsgruppen – insbesondere bei den Richtern – offensichtlich Verunsicherung eingetreten ist, was verständlich ist. Um dies­bezüglich also Sicherheit zu schaffen, macht man noch zusätzlich einen Entschlie­ßungsantrag, der besagt, dass niemand schlechtergestellt werden darf.

Die Situation des Staates, nämlich dass man aufgrund einer Entscheidung des Euro­päischen Gerichtshofes agiert, ist ja nicht so, dass daraus nichts entsteht, denn dann entstehen auch dort Forderungen. Ich möchte Sie sehen, wenn dann dort Forderungen entstehen, weil man nicht rechtzeitig gehandelt hat!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 254

Ich halte es für richtig, sofort zu handeln, eine Systemumstellung durchzuführen, näm­lich auf das System, das Deutschland hat. Wir haben uns an dieses System angelehnt, das bedeutet, dass es ein EU-rechtskonformes System gibt, auf das wir umstellen.

Jetzt versuchen wir, diese den Besitzstand wahrenden und nicht nachteiligen Rege­lungen, die sehr, sehr umfangreich sein werden, auch mit einem Entschließungsantrag sicherzustellen.

Aber es ist jedenfalls nicht so, dass das, wenn man nichts macht, nichts kostet. Das kann ganz erhebliche Kosten verursachen. Daher ist es richtig, jetzt zu entscheiden, um sicherzustellen, dass niemand schlechtergestellt wird. Ich glaube, das ist die richti­ge Vorgangsweise. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.35


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Scherak zu Wort. – Bitte.

 


21.35.40

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Das, was wir heute erleben, ist ein Lehrstück, wie es um den Parlamenta­rismus in Österreich steht. Wir haben schon Teile des Ablaufs gehört, ich glaube, es ist aber dringend notwendig, sie noch einmal wiederzugeben.

Begonnen hat es mit der berühmten parlamentarischen Trägerrakete, das heißt einer Regierungsvorlage, in der de facto zunächst einmal nichts drinnen steht.

Dann kommt am Freitagabend dieser 46-seitige Abänderungsantrag, und am Montag sollen wir im Verfassungsausschuss darüber diskutieren und entscheiden, was in die­sem Antrag drinnen steht.

Dann sitzt die Frau Staatssekretärin im Verfassungsausschuss und sagt: Wir haben einmal mit dieser Trägerrakete begonnen, damit wir dann den Abänderungsantrag ein­bringen können. – Ich finde, das sagt schon sehr viel darüber aus, wie es um den Parlamentarismus in Österreich steht, denn dass Regierungsvorlagen einmal per se
nur Trägerraketen sind, damit man nachher Abänderungsanträge einbringen kann,
weil man es zeitlich anders nicht schafft, das ist schon sehr schlimm. (Zwischenruf des
Abg. Wöginger.)

Der zweite Punkt: Wir sollen in dieser kurzen Zeit, die wir dafür hatten, diesen 46-seiti­gen Abänderungsantrag zu beurteilen, nachhaltig beurteilen, ob da Kostenneutralität gegeben ist oder ob das EU-konform ist.

Und dann kündigen Sie im Ausschuss auch noch an, es wird noch einen Abände­rungsantrag geben, den selbstverständlich das Bundeskanzleramt oder wer auch im­mer schreibt und den dann die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP hier heute einbrin­gen. – Das Schlimme ist, dass die Abgeordneten da auch noch mitmachen!

Wir haben diesen Abänderungsantrag gestern am Abend bekommen, und Sie glauben offensichtlich immer noch, dass wir die Zeit haben, hier nachhaltig zu beurteilen, ob das in Ordnung ist, ob das EU-konform ist. – Es gab keine Begutachtung, es gibt de facto keine Erläuterungen, keine entsprechenden Erklärungen, das heißt, wir wis­sen immer noch nicht, was da drinnen steht. Das ist das Hauptproblem: Ich kann nicht beurteilen, ob das gut oder schlecht ist.

Dann hat die Frau Klubobfrau des Teams Stronach, die Frau Kollegin Nachbaur, den Budgetdienst des Parlaments gefragt, was denn da drinsteht. Der sagt Folgendes:

„Innerhalb des minimalen Zeitrahmens zwischen Einbringung des Abänderungsantra­ges und geplanter Beschlussfassung im Plenum kann auf Basis der vorliegenden Un-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 255

terlagen jedoch keine endgültige Validierung der Kostenneutralität des Modells bzw. der zeitlichen Zahlungsverläufe vorgenommen werden.“

Das heißt, es weiß de facto niemand. – Mich würde interessieren, wer von den Abge­ordneten hier herinnen wirklich weiß, was das für Konsequenzen hat. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es niemand weiß! Das heißt, Fakt ist, es wissen alle hier he­rinnen nicht, welche Konsequenzen das hat. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Wir wis­sen, dass die letzten zwei Tage mehr als 1 000 E-Mails von Beamten der Justiz ge­kommen sind – dass wissen wir –, Fakt ist auch, dass diese Vorgangsweise eine Zu­mutung für den Parlamentarismus ist. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Fakt ist auch, dass die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP Mittäter bei de facto einer Ver­höhnung des parlamentarischen Prozesses sind, die ihresgleichen sucht. Meine Da­men und Herren! Ich stelle mir eine parlamentarische Demokratie, ich stelle mir ein Par­lament nicht so vor. Ich stelle mir ein lebendiges, ein starkes Parlament nicht so vor, und ich glaube, dass solche Abläufe eine Zumutung und eine Verhöhnung dieses Par­laments sind (Ruf bei der FPÖ: Und der Bevölkerung!), die wirklich ihresgleichen su­chen. (Beifall bei den NEOS.)

21.38


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Frau Staatssekretärin Mag. Steßl zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


21.38.57

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Sonja Steßl: Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wer­te ZuseherInnen auf der Galerie! Ich glaube, jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um hier einige Klarstellungen zu machen, die ich auch bereits im Verfassungsausschuss getätigt ha­be. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Frau Kollegin, Sie waren nicht dort, aber Ihr Kollege Scherak war im Verfassungsausschuss, wo wir schon eingehend über die­ses Gesetz debattiert haben, worauf ich natürlich auch jetzt in meinem Redebeitrag Be­zug nehmen werde.

Ich war selbst Parlamentarierin hier in diesem Hohen Haus, und mir ist durchaus be­wusst, dass dieser Zeitplan sehr, sehr straff war (Zwischenruf des Abg. Brosz), aber eines muss ich Ihnen sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Besondere Si­tuationen machen auch besondere Vorgänge notwendig (Abg. Deimek: Sagte der Dik­tator!), die ich hier auch darlegen werde.

Die Situation, die sich derzeit für den Bund stellt, aber nicht nur für den Bund, sondern auch für die Länder oder auch die teilstaatlichen Unternehmen, ist auch besonders: Es besteht derzeit – Herr Kollege Stefan hat in seinem Eingangsstatement ausgeführt, wel­che Historie wir mit dem Vorrückungsstichtag haben – keine klare Rechtslage, auf Ba­sis derer die Dienstbehörden über Anträge der öffentlich Bediensteten zur Neufeststel­lung des Vorrückungsstichtages entscheiden könnten.

Bis dato wurden ungefähr 6 000 Anträge auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichta­ges an die Dienstbehörden gestellt. Und ohne klare Rechtslage ist ein einheitlicher Voll­zug auch im Bund nicht möglich. Für mich als zuständige Staatssekretärin ist es not­wendig, dass ich einerseits bei den Dienstbehörden einen einheitlichen Vollzug sicher­stelle, dass wir Rechtsunsicherheit in diesem Bereich für die Dienstbehörden und auch für die öffentlich Bediensteten hintanhalten.

Darüber hinaus – das ist auch kurz in der Debatte vorgebracht worden, und das sollte auch nicht unerwähnt bleiben – gilt es, hohe Kosten, die durch ein Nichttätigwerden des Bundes – ich formuliere das nochmals: durch ein Nichttätigwerden des Bundes! – für den Steuerzahler/die Steuerzahlerin entstehen könnten, abzuwenden. Rechtsunsi-


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cherheit und mögliche Kosten bei einem Nichttätigwerden: Das ist die Situation, vor der wir stehen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Deshalb ist es auch in unser aller Verantwortung, dass wir einerseits eine unionsrechtskonforme Lösung anbieten und andererseits eine unionsrechtskonforme Lösung des Gehaltssystems umsetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist klar, dass sowohl das Dienstrecht als auch die besondere rechtliche Situation, die uns vorliegt, durchaus sehr diffizil und kompliziert ist. Ich weiß nicht, ob sich die Damen und Herren schon einmal das Jahr­buch der GÖD angeschaut haben, in welchem das gesamte Dienstrecht enthalten ist, und sich dort den § 12 angesehen haben, der das Thema „Vorrückungsstichtag“ be­handelt. Dieser Paragraph umfasst mittlerweile siebeneinhalb Seiten für die individuelle Vorrückungsfestsetzung eines Bediensteten.

Der Europäische Gerichtshof erkannte am 11. November 2014, dass unsere Regelung altersdiskriminierend ist. Das heißt nicht, dass er erkannt hat, dass sie ungerecht ist, sondern dass sie altersdiskriminierend ist. Konkret ging es dabei um die Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr sowie von Lehr- und Schulzeiten, und das Urteil erging zu einer Rechtslage, die mittlerweile in Reparatur war. Das Urteil wurde dann umgehend von der Dienstrechtssektion und dem Verfassungsdienst – und ich möchte diese Gelegenheit nutzen, mich bei beiden Sektionen für die geleistete Arbeit zu bedanken – eingehend analysiert und geprüft.

Unsere Expertinnen und Experten sind zu folgendem Schluss gekommen: Wir müssen eine Regelung schaffen, die keinerlei Altersdiskriminierung vorsieht. Wir hatten eine besondere Situation in der Reparaturregelung, die aufgehoben wurde und in der auch ein Optionenrecht enthalten war. Das heißt, wir hatten eine unterschiedliche rechtliche Regelung von Altbediensteten und Neubediensteten. Und durch den Weg, den wir da­mals gegangen sind, hat sich eine Altersdiskriminierung ergeben.

Selbstverständlich haben wir – und das möchte ich hier auch betonen – nach der ein­gehenden Analyse mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, die mein Verhandlungs­partner ist, umgehend am 15. Dezember Gespräche aufgenommen und Verhandlun­gen geführt. Wir haben über Weihnachten und Neujahr mehr als ein Dutzend Verhand­lungsrunden gemacht.

Da der Vorwurf kam, dass wir erst so spät hier einen Abänderungsantrag eingebracht haben, möchte ich Folgendes feststellen: Ich habe bis zuletzt daran gearbeitet, mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst eine Einigung zu erzielen, weil es nämlich wichtig ist, dass wir Sozialpartnerschaft leben. Aber auf der anderen Seite waren wir an einen Punkt gelangt, wo man handeln muss, und den Grund für mein Handeln habe ich be­reits mit der Zeitkomponente und mit der Kostenkomponente hier dargelegt.

Bei der Modellerstellung und auch bei den Verhandlungsrunden mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst war uns sowohl das Büro des Vizekanzlers als auch jenes des Fi­nanzministers eine große Unterstützung. Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang beim Finanzminister und auch beim Vizekanzler.

Eines möchte ich auch klarstellen: Die Gespräche mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst waren durchaus konstruktiv. In einem oder zwei Redebeiträgen hier hat es zu­vor Anmerkungen gegeben, dass wir erneut einen Abänderungsantrag einbringen. Ich habe es bereits im Verfassungsausschuss dargelegt, und ich werde es heute auch noch einmal darlegen: Warum haben wir einen erneuten Abänderungsantrag? – Weil ich einen offenen Gesprächskanal mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst habe. Wir haben technische Anmerkungen vonseiten der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst be­reits jetzt aufgenommen. Worum handelt es sich dabei? – Einerseits um eine 3-Cent-Rundung, die gerechnet auf das Lebenseinkommen beziehungsweise auf den erwarte­ten Zugewinn im Lebensverdienst, das heißt gerechnet auf 45 Versicherungsjahre, na-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 257

türlich auch wichtig ist. Andererseits haben wir qualitätssichernde Maßnahmen bei an­deren Gehaltsstaffeln vorgenommen. Und es ist bereits die Valorisierung der März-Ge­hälter in diesem Abänderungsantrag enthalten.

Eine weitere Regelung, die für die öffentlich Bediensteten durchaus sehr wichtig ist, ist die Opting-Out-Regelung, die auch bereits in diesem Abänderungsantrag enthalten ist. Die Opting-Out-Regelung – die Kollegen im öffentlichen Dienst wissen das – ist die Op­tion eines öffentlich Bediensteten, bei einem All-inclusive-Vertrag zu optieren und die Überstunden ausbezahlt zu bekommen. Auch das ist bereits im Abänderungsantrag ent­halten.

Wie gesagt, ich habe diese Änderungen bereits im Verfassungsausschuss angekün­digt. Wir haben aber derzeit die Situation, dass wir keine Einigung mit der Gewerk­schaft Öffentlicher Dienst erzielen konnten. Ich habe mir die Resolution der Gewerk­schaft Öffentlicher Dienst und auch ihre Forderungen angesehen, wo der Wunsch ge­äußert wird, dass man innerhalb des ersten Halbjahres noch Verhandlungen führen möchte, über die 0,6 Promille der Abweichung im erwarteten Zugewinn, gerechnet auf den Lebensverdienst, noch Gespräche führen möchte. Und diesen Wunsch verwehre ich der GÖD nicht.

Ich bin der Meinung, dass wir durchaus sehr konstruktiv miteinander arbeiten, dass wir den Gesprächskanal offen halten und dass wir auch die technischen Anpassungen im neuen Modell weiterhin mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst diskutieren. Dagegen wende ich mich nicht. Ich habe immer betont, dass mir eine Zusammenarbeit wichtig ist.

Aber nun zum Modell, das in der Öffentlichkeit durchaus sehr unterschiedlich gesehen und diskutiert wurde.

Dieses Modell unterstreicht die Leitlinien, die wir auch beschlossen haben: auf der ei­nen Seite die EU-Rechtskonformität, das heißt keine Altersdiskriminierung mehr bei den Bediensteten, und auf der anderen Seite die Besitzstandswahrung für alle öffent­lich Bediensteten, und zwar budgetschonend für die Steuerzahlerin/den Steuerzahler und somit mit keinen strukturellen Mehrkosten verbunden.

Das neue Gehaltssystem ist eng an die unionsrechtskonforme Lösung in Deutschland angelehnt. Es gilt für alle Bundesbediensteten. Das heißt, auch die derzeitigen Bun­desbediensteten werden in das neue System übergeführt. Ansonsten könnte wiederum eine Altersdiskriminierung entstehen.

Wie ich bereits ausgeführt habe, hat die erste Reparatur beim Optionenrecht dazu ge­führt, dass wir im Gegensatz zu Deutschland, wo auch eine Regelung vor dem Euro­päischen Gerichtshof gelandet ist, erneut verurteilt wurden. Wir stellen das System komplett um: weg von einer individuellen Anrechnung der Ausbildungszeiten – ich ha­be es bereits referiert, der derzeitige Paragraph hat ungefähr siebeneinhalb Seiten – hin zu einer pauschalierten, basierend auf spezifischer und tatsächlicher Berufserfah­rung.

Im neuen Gehaltssystem finden Sie keinerlei Anknüpfungspunkte an das Alter, das heißt, dass hiermit auch jegliche Altersdiskriminierung für die Zukunft ausgeschlossen ist.

Eines, was in der Diskussion untergegangen ist und was ich hier betonen möchte, ist, dass wir bei der Überführung der Bediensteten in das neue Gehaltssystem kein Minus auf dem Gehaltszettel haben. Mit dem nächsten Biennalsprung werden die Bediens­teten in das neue System übergeführt, die erste Vorrückung fällt geringer aus, als nach dem bisherigen System zu erwarten wäre, aber wir haben diesem Umstand insofern Rechnung getragen, als die darauffolgende Vorrückung innerhalb dieses Zeitraumes


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 258

entsprechend vorgezogen wird, das heißt bei AkademikerInnen 1,5 Jahre, ein halbes Jahr für Maturanten und Maturantinnen und ein Jahr für den Rest. Hiedurch gleicht sich die einmal geringere Gehaltsvorrückung innerhalb des Bienniums, innerhalb der zwei Jahre aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage es noch einmal: Ich bin offen für weitere Gespräche mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, und ich lade Sie auch hier ein, mit  (Abg. Brosz:  das Parlament!) – Aber die Diskussionen im Parlament werden ja öffentlich übertragen, Herr Kollege – oder nicht? (Abg. Brosz: Was wird da öffentlich übertragen, wenn wir Anträge nur ein paar Stunden vorher bekommen?)

Ich lade die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zu weiteren Gesprächen ein. Und ich sa­ge es noch einmal, dass wir auch technische Anpassungen vornehmen werden.

Ein weiterer Umstand, der vielleicht in der Diskussion zu kurz gekommen ist: Wir ha­ben ein mathematisches Modell entwickelt, eine 0,6-Promille-Abweichung in der Le­bensverdienstsumme, die zu erwarten war, gerechnet auf 45 Jahre. Diese technische Anpassung werden wir auch lösen, und zwar gemeinsam, wie wir jetzt auch gemein­sam innerhalb der Regierung diesen Lösungsvorschlag erarbeiten werden.

Des Weiteren ist es wichtig, zu sagen, dass wir, wie es auch im Regierungsprogramm festgehalten ist, umgehend mit den Gesprächen zu einer umfassenden Reform des Dienst- und Besoldungsrechts beginnen werden. Ein Punkt eines modernen Dienst­rechts ist ja bereits in diesem Antrag enthalten, nämlich dass etwa Vordienstzeiten, die in der Privatwirtschaft angehäuft wurden, angerechnet werden. Das heißt: Wenn ich bei­spielsweise fünf, sechs Jahre in der Privatwirtschaft tätig war, konnte ich mir das bis dato bis zu sechs Jahren anrechnen lassen. Jetzt haben wir die Bestimmung, dass wir Vordienstzeiten aus der Privatwirtschaft von bis zu zehn Jahren anrechnen können. Das heißt, der Bund wird auch weiterhin ein attraktiver Dienstgeber sein. Und wir wer­den das noch weiter ausbauen.

Aufgrund der Dringlichkeit – Stichwort: Rechtsunsicherheit, Stichwort: einheitlicher Voll­zug, Stichwort: Kostenrisiko –, aufgrund einer Antragslawine und aufgrund einer mögli­chen Kostenlawine ersuche ich Sie, sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete, der Neuregelung des Gehaltssystems in der vorliegenden Form zuzustimmen. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.54


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gerstl. – Bitte.

 


21.54.27

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Staatssekretärin! Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich festhalten: Mit dieser Umstellung des Besoldungsrech­tes wird kein öffentlich Bediensteter, der derzeit im Dienst ist, einen Nachteil erleiden. Dafür garantieren wir, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Falsch!)

Ich gebe zu, dass die Vorlage, die wir heute beschließen, noch da und dort Unsicher­heit erzeugt, und wir geben zu, dass in der Kürze der Zeit es uns genauso gegangen ist wie Ihnen und wahrscheinlich auch der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und auch den Beamten des Bundeskanzleramtes und dass bei der Durchrechnung jeder einzel­nen Besoldungsgruppe das eine oder andere auch noch anders herauskommen kann, als es ursprünglich geplant war. Daher unterstützen wir die Frau Staatssekretärin bei der Neuberechnung, denn es ist unser Wille, dass in jedem Fall – egal, wie wenig vor dem Minus steht, egal, ob 0,6 Promille oder 0,1 Promille – ein Plus oder ein Plus/Minus Null bei der Neuberechnung herauskommt: jedes Minus ist für uns inakzeptabel. Das wird hier mit unserer Haltung garantiert! (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 259

Meine Damen und Herren! Ich anerkenne das Bemühen der Frau Staatssekretärin, dass sie mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst bis zum letzten Tag eine Einigung zu erzielen versucht hat. Ich anerkenne aber auch, dass die unmittelbar bevorstehenden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes uns dazu zwingen, jetzt eine Entscheidung zu treffen. Daher bitte ich alle Damen und Herren hier in diesem Haus, das auch mit­zutragen, weil sonst nicht nachvollzogen werden kann, welche Rechtssicherheit ab dem Moment entsteht, zu dem der Verwaltungsgerichtshof entschieden haben wird, und welche finanzielle Unsicherheit für die Republik entstehen wird, wenn die Entschei­dung des Verwaltungsgerichtes in Kraft tritt, noch bevor wir hier eine Neuregelung be­schlossen haben.

Daher, meine Damen und Herren, brauchen wir heute diesen Beschluss. Wir stellen da­mit sicher, dass in Zukunft alle Beamten nicht schlechter gestellt werden. Neu eintre­tende Beamte werden durch das System Verbesserungen erfahren, wie es die Frau Staatssekretärin schon gesagt hat. Und es wird auch sichergestellt, dass es – noch bevor das, was wir heute beschließen, am 1. Juli eine Auswirkung für die aktiven Be­diensteten haben könnte – noch zu Verbesserungen kommen wird.

Zu diesem Zweck bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Wittmann, Mag. Gerstl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Re­formen des Dienst- und Besoldungsrechtes

Der Nationalrat wolle beschließen:

„1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechende Verbesserungsvorschläge für die aktuelle Änderung der Dienstrechtsgesetze aufgrund der Judikatur des EuGH vorzulegen, wenn eine eingehende Prüfung ergeben sollte, dass mit der Neuregelung ei­ne Beeinträchtigung der Lebensverdienstsumme einhergeht.

2. Die Bundesregierung wird aufgefordert, noch im März 2015 die Verhandlungen mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zur im Regierungsprogramm vorgesehenen Re­form des Dienst- und Besoldungsrechts mit dem Ziel aufzunehmen, diese bis Ende 2016 als Grundlage für die Erstellung einer Regierungsvorlage abzuschließen.“

*****

(Beifall bei der ÖVP.)

21.58


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Mag. Gerstl soeben verle­sene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Wittmann, Dr. Gerstl, Pendl, Dr. Beatrix Karl Kolleginnen und Kol­legen

betreffend Reformen des Dienst- und Besoldungsrechtes

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und


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Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer- Dienstrechtsgesetz, das Landes­vertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonenge­setz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahngesetz, das Bundes-Bediensteten­schutzgesetz und das Finanzprokuraturgesetz geändert werden (457 d.B.)

Die unterzeichneten Abgeordneten bekennen sich zu einer Reform des Dienst- und Be­soldungsrechts und unterstützen das Ziel der Regierung, die Verhandlungen dazu bis Ende 2016 als Grundlage für die Erstellung einer Regierungsvorlage abzuschließen.

Aufgrund des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-530/13 ist aber eine unmittelbare Än­derung der Dienstrechtsgesetze erforderlich. Eine nachhaltige Sanierung muss nach Auf­fassung der unterzeichneten Abgeordneten folgenden Prämissen Genüge tun:

- Die neue Rechtslage muss europarechtskonform, das heißt insbesondere diskrimi­nierungsfrei, sein.

- Die neue Rechtslage muss vor dem Hintergrund des Konsolidierungspfades - zu dem sich die unterzeichneten Abgeordneten bekennen - möglichst kostenneutral sein.

- Die neue Rechtslage darf die im Dienst stehenden öffentlich Bediensteten nicht be­nachteiligen. Durch den vorliegenden Abänderungsantrag ist gewährleistet, dass bei der Überleitung die bisherigen Gehälter gewahrt bleiben und dass in weiterer Folge zur Wahrung der Erwerbsaussichten der Zeitpunkt der nächsten Vorrückung vorgezogen wird.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechende Verbesserungsvorschläge für die aktuelle Änderung der Dienstrechtsgesetze aufgrund der Judikatur des EuGH vor­zulegen, wenn eine eingehende Prüfung ergeben sollte, dass mit der Neuregelung eine Beeinträchtigung der Lebensverdienstsumme einhergeht.

2. Die Bundesregierung wird aufgefordert, noch im März 2015 die Verhandlungen mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zur im Regierungsprogramm vorgesehenen Re­form des Dienst- und Besoldungsrechts mit dem Ziel aufzunehmen, diese bis Ende 2016 als Grundlage für die Erstellung einer Regierungsvorlage abzuschließen.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Lausch. – Bitte.

 


21.58.17

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ge­schätzte öffentlich Bedienstete, man muss sich fast bei euch entschuldigen für das, was hier abgeht, denn das ist eigentlich einer Berufsgruppe unwürdig (demonstrativer Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten von NEOS und Team Stronach), die tagein, tagaus ihr Leben für diese Republik riskiert.

Kollege Gerstl! Haben Sie eigentlich bemerkt, dass dieser hier eingebrachte Entschlie­ßungsantrag Ihrer Rede komplett widerspricht? Ist Ihnen das überhaupt aufgefallen? (Beifall bei der FPÖ.)

Sie geben hier vom Rednerpult die Rechtssicherheit ab, dass es zu keinen Einbußen für die Bediensteten kommen wird. Das können Sie ja gar nicht! Und sagen Sie nicht


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immer, Sie glauben der Frau Staatssekretärin, dass sie verhandelt. Egal, wie oft sie das auch sagt, das tut sie nicht, denn das beweist Ihr Entschließungsantrag. Darin wird sie nämlich noch einmal explizit aufgefordert, mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zu verhandeln. Das ist doch eine Vorgangsweise, die nicht ernst gemeint sein kann! Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Das ist einer Bundesregierung, aber auch der zwei hier vertretenen Regierungsfraktionen unwürdig, was hier abgeht! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie leiten Anträge zu spät zu. Sie machen keine Gesetzesbegutachtung. Sie holen sich keine Experten. Und was los ist in dieser Republik, das sehen Sie ja selbst: In 48 Stun­den gibt es 1 200 E-Mails. Das spricht doch eine klare Sprache!

Frau Staatssekretärin, das Gerichtsurteil war am 11. November, und sagen Sie nicht immer, Sie haben das Gesetz prüfen müssen, sagen Sie doch, was der wirkliche Grund dafür war, dass Sie erst neun Tage vor Weihnachten mit den Sozialpartnern zu verhandeln begonnen haben: weil Ende November die Bundespersonalvertretungs­wahlen waren! (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

Und das Ergebnis dieser Wahlen würde anders ausschauen, wenn Sie die Bediens­teten schon damals so verkauft hätten, wie Sie es jetzt hier tun. Das würde anders aus­schauen!

Wäre ich Abgeordneter eines dieser beiden Sektoren, von Rot oder Schwarz, würde ich mich wirklich genieren! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Scherak.) Sie haben sich das Ergebnis, das ja eigentlich eh kein Wahlerfolg ist, auch noch erschlichen, denn heute bringen Sie in der Lebensdurchrechnung – es ist nicht immer der Gehaltszettel aus­schlaggebend, Kollege Gerstl, das wissen wir alle – lediglich ein klares Minus für alle öf­fentlich Bediensteten zustande. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gerstl.)

Sie können gar nicht sagen, was es kostet, denn Sie wissen es nicht. Sie wissen es heute nicht!

Frau Staatssekretärin, Sie haben noch immer keine Einigung mit dem Sozialpartner, auch das ist klar. Sie wissen nicht mehr als am Freitag, als am Montag im Verfassungsaus­schuss, und heute wollen Sie das einfach durchdrücken, auf dem Rücken aller öffent­lich Bediensteten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Sie können jetzt schreien, was Sie wol­len. (Ruf bei der ÖVP: Du schreist ja auch!)

Sie werden sehen: Die öffentlich Bediensteten lassen sich nicht für dumm verkaufen, Sie werden die Rechnung präsentiert bekommen! (Beifall bei der FPÖ.)

22.01


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte. (Abg. Neubauer: Die hat es jetzt schwer, die muss den Blödsinn jetzt verteidigen!)

 


22.01.31

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kol­leginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Es ist mir sehr, sehr wichtig, gleich zu Beginn Folgendes zu sagen: Hier geht es nicht um eine normale Dienstrechtsnovelle, sondern um eine Reparatur – ausschließlich um eine Reparatur – in Bezug auf die Vor­dienstzeiten, Vorrückungsstichtag und Vordienstzeitenanrechnung.

Sie waren im Verfassungsausschuss dabei und Sie wissen auch, dass wir uns im Ver­fassungsausschuss damit befasst haben, dass es eine Resolution der GÖD gibt, in der drei Punkte enthalten sind. Und diese drei Punkte hat Frau Staatssekretärin Steßl schon damals im Ausschuss zugesagt, nämlich dass das mittels eines Antrages – und das ist der heutige Entschließungsantrag und im zweiten Fall der heutige Abänderungsan­trag – berücksichtigt werden soll, sodass diese drei Forderungspunkte der GÖD bereits erfüllt sind.


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Deshalb sind das, denke ich, nicht Punkte, bei denen man sagen kann, dass man sich nicht bemüht, noch zusätzliche Vereinbarungen zu treffen, damit man eine europa­rechtskonforme Lösung erreicht.

Ich finde es nicht verwerflich, jetzt mit diesem Entschließungsantrag noch einmal eine Sicherheitsschleife einzuziehen, für den Fall, dass bei den Berechnungen etwas nicht gestimmt hat, da ganz einfach nachzubessern (Abg. Kunasek: Das ist ja unglaublich!), um den Bediensteten die Gewissheit zu geben, dass sie keinen Verdienstentgang ha­ben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Kunasek: Schämen Sie sich, Frau Kollegin! – Abg. Neubauer: Schämen Sie sich! – Anhaltende Zwischenrufe.)

Nein, ich schäme mich nicht dafür. (Abg. Strache: Das ist ja noch schlechter, wenn Sie sich nicht schämen, und noch mehr zum Schämen!) Ich glaube, dass das im Sinne der Bediensteten eine gute Lösung ist und dass wir diese Lösung im Sinne des Staates auch brauchen. Und seitens der Koalitionsparteien wurde auch die Versicherung ab­gegeben, dass diese Lösung europarechtskonform ist, dass das nicht auf dem Rücken, wie Sie es sagen, der Bediensteten ausgetragen wird, sondern mit den Bediensteten und nicht auf Kosten der Bediensteten, und dass man darauf schauen wird, dass diese dadurch keinen Nachteil haben werden.

Daher bin ich der Überzeugung, dass es wichtig ist (Zwischenruf des Abg. Neubauer), dieses Gesetz heute rasch und schnell zu beschließen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Husch-Pfusch-Gesetz, schämen Sie sich! – Abg. Neubauer: Eine Schande der Sozialdemokratie! – Abg. Strache: Die Wahrheit tut weh! – Anhaltende Zwischenrufe.)

22.03


Präsident Karlheinz Kopf: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte. (Rufe: Oje!)

 


22.04.00

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Wenn es wirklich so ist, wie wir es jetzt x-fach gehört haben, auch von der Frau Staatssekretärin, nämlich dass jetzt eine klare Rechtslage da ist – es ist alles perfekt, man hat einen Ausgleich geschaffen, es wird keiner etwas verlieren, alles ist super, es gibt jetzt wieder Rechtssicherheit, und die komplizierten Gesetze, die Sie selbst anscheinend nicht verstehen, werden auch noch verbessert –, muss ich schon fragen: Warum schicken Sie dann dieses Gesetz nicht in Begutachtung? Wir hätten bis zum nächsten Plenum fünf Wochen Zeit, und da könnten es sich all jene anschauen, die es betrifft. (Abg. Schieder: Nicht zugehört!)

Stellen Sie sich so etwas einmal in einem Betrieb vor – Sie stehen ja besonders auf die Einbeziehung der Mitarbeiter! Sie haben einen Betrieb, und die Mitarbeiter dieses Be­triebes brauchen eine neue Rechtslage, eine neue Besoldung oder was auch immer, und Sie beziehen sie nicht ein, sondern Sie schmeißen ihnen das vor den Latz und sa­gen: Friss oder stirb! Genau das passiert hier. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Und wenn das alles so wunderbar ist, warum stimmt dann die Gewerkschaft nicht zu? Die SPÖ ist normalerweise ein großer Freund der Gewerkschaft, aber in diesem Fall nicht, denn da passt es euch nicht! – Also wenn es für die Mitarbeiter wirklich so gut wä­re, dann würde die Gewerkschaft ja auch zustimmen.

Deshalb: noch einmal zurück an den Ausschuss – es gibt einen Rückverweisungsan­trag, dem wir zustimmen werden –, fünf Wochen Begutachtung! Schauen wir uns das genauer an! Schauen wir uns an, ob das wirklich für alle solch ein Segen ist, wie Sie behaupten – und dann werden wir mit Freude zustimmen. (Zwischenruf des Abg. Amon.) Dann gibt es keine Probleme mit der Gewerkschaft, dann gibt es keine Probleme mit den Mitarbeitern, dann brauchen wir nicht über Streik zu reden.


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Aber es ist nicht so. Und weil Sie wissen, dass es nicht so ist, peitschen Sie das heute hier durch und erzählen uns, dass das schon richtig sein wird, dass wir das jetzt einmal in Kraft treten lassen, denn andernfalls entstünden, wie Sie gesagt haben, Zusatzkos­ten. Wie soll denn das gehen?

Wenn der Vorrückungsstichtag nicht eindeutig ist und jemand nicht vorrücken kann, bleiben ja die Ansprüche aufrecht. Das ist ja jetzt auch so. Mit der Aufhebung des Ge­setzes bleiben die Ansprüche erhalten. Das heißt, es ist komplett egal, ob wir das in fünf Wochen oder in drei Monaten hier im Parlament beschließen, entscheidend ist, dass die Regelung gut ist, dass sie unter Einbeziehung der Gewerkschaft und unter Einbeziehung der Mitarbeiter erfolgt, denn dann ist sie tragfähig – sonst ist sie zum Scheitern verurteilt. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

22.06


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 


22.06.29

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! In Ihrer Rede ist ein Wort nicht vorgekommen, und das Wort heißt „Parlament“. (Ruf bei der SPÖ: Sicher ist es vorgekommen!) Es ist sicher ein Anspruch, sich da mit der Ge­werkschaft zu einigen, es ist aber auch der Anspruch, in diesem Haus Gesetze zu be­schließen, bei denen eine ausführliche Prüfung ermöglicht wurde, ein parlamentari­sches Verfahren ermöglicht wurde, das uns Sicherheit gibt – jedoch nicht Gesetze, bei denen kein Verfahren ermöglicht wurde und die, darauf komme ich jetzt noch zu spre­chen, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen überhaupt erst ermöglicht wurden. (Bei­fall bei Grünen, FPÖ und NEOS.)

Hätten Sie uns als Oppositionsparteien in aller Offenheit gesagt: Hier kommt ein 46-Sei­ten-Antrag mit einer Seite Begründung, es kommt ein Abänderungsantrag, und wir wol­len das innerhalb von drei Tagen durchziehen!, dann hätten wir gesagt: So geht es nicht!, und Sie hätten die Möglichkeiten der Geschäftsordnung gehabt. Sie hätten eine Frist­setzung machen können, eine Zuweisung, Sie hätten eine Sondersitzung machen kön­nen – all das hätten wir nicht verhindern können –, wenn Sie der Meinung gewesen wä­ren, dass das so schnell gehen muss.

Die gewählte Vorgangsweise ist aber absolut unzulässig. Und ich hoffe, Kollege Lopat­ka und Kollege Schieder, ihr nehmt das mit, denn das zwingt uns, in Zukunft anders damit umzugehen. Wir haben in vielen Gesprächen in der Präsidiale ein Vertrauens­verhältnis aufgebaut, wo wir uns auf das, was zugesagt wird, verlassen können, bei al­len politischen Differenzen. Und das wurde von euch, von beiden Seiten, gebrochen. (Bei­fall bei Grünen, FPÖ, Team Stronach und NEOS.)

Es waren falsche Tatsachen, es wurde nicht offen gespielt. Und wenn dann hier in der Debatte das Wort „Parlament“ gar nicht mehr vorkommt, dann kann ich nur sagen: Okay, die Reaktion wird klar sein. Wir können uns auf dieses Prozedere nicht mehr ein­lassen, und ihr werdet in Zukunft halt schauen müssen, wie ihr da mit Fristsetzungen, mit Sondersitzungen Dinge, bei denen es schnell gehen muss, durchbringt.

Ich finde das schade, und ich finde, das ist auch ein Bruch dessen, was wir in den letzten Monaten gehabt haben. Wir haben intensive Verhandlungen zu vielen Themen gehabt.

Ich finde, das war in dieser Form nicht notwendig, bei aller Schwierigkeit, die kommt. Und ich kann nur sagen, unsere Reaktion wird sein, dass es diesen Vertrauensvor­schuss nicht mehr geben wird, wenn ihr sagt, es kommt eine kleine Novelle, die man sich anschauen und prüfen kann, und dass das hält, denn wir nehmen zur Kenntnis,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 264

dass das nicht hält. Und ich weiß nicht, ob sich das ausgezahlt hat. Die Frage, ob es das wert war, müsst ihr selbst beantworten. (Beifall bei Grünen, FPÖ, Team Stronach und NEOS.)

22.08

22.08.41

Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Zunächst ist über die beiden vorliegenden Rückverweisungsanträge abzustimmen. Es liegen sowohl ein Rückverweisungsantrag des Abgeordneten Lausch als auch ein Rückverweisungsantrag des Abgeordneten Mag. Steinhauser vor.

Ich lasse sogleich darüber abstimmen, den Gesetzentwurf in 457 der Beilagen noch ein­mal an den Verfassungsausschuss zu verweisen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit und somit abgelehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 457 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Wittmann, Mag. Gerstl, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Wittmann, Mag. Gerstl, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zu­satz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Art. 2 und 3 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilen will, der möge bitte ein Zeichen geben. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist wiederum mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Da dieses Verlangen von 20 Abge­ordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung durchzuführen.

Welche Stimmzettel zu verwenden sind – nämlich jene mit der Bezeichnung „Ja“ in grau beziehungsweise mit „Nein“ in rosa –, habe ich heute schon erläutert. Ich weise noch einmal darauf hin, dass für die Abstimmung ausschließlich diese amtlichen Stimm­zettel verwendet werden können.

Die Abgeordneten werden gemäß der Geschäftsordnung namentlich aufgerufen und gebeten, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Entwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die nicht zustimmen wollen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Lueger, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Herr Abgeordneter Gahr wird sie später dabei ablösen.

*****


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 265

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Lueger beziehungsweise den Schriftfüh­rer Gahr werfen die Abgeordneten ihren Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich ersuche die damit beauftragten Bediensteten des Hauses, unter Aufsicht der Schrift­führer die Stimmenzählung vorzunehmen. Ich unterbreche zu diesem Zweck die Sit­zung für einige Minuten.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 22.15 Uhr unterbrochen und um 22.19 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und ge­be das Abstimmungsergebnis bekannt.

Es wurden 149 Stimmen abgegeben; davon waren „Ja“-Stimmen 90 und „Nein“-Stimmen 59.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Amon, Antoni, Aubauer, Auer;

Bacher Walter, Bayr, Becher Ruth, Berlakovich, Buchmayr;

Cap;

Darabos, Diesner-Wais, Durchschlag;

Ecker, Ehmann, El Habbassi, Eßl;

Feichtinger Klaus Uwe, Fekter, Fichtinger Angela;

Gahr, Gerstl, Gessl-Ranftl, Greiner Karin, Groiß, Grossmann, Gusenbauer-Jäger;

Hakel Elisabeth, Hammer Michael, Hanger Andreas, Haubner, Hechtl, Heinzl, Hell, Him­melbauer, Hofinger Manfred, Holzinger, Huainigg;

Jank, Jarolim;

Karl, Katzian, Knes, Königsberger-Ludwig, Kopf, Krainer Kai Jan, Krist, Kucharowits, Kuntzl, Kuzdas;

Lettenbichler, Lopatka, Lueger Angela;

Matznetter, Mayer, Muttonen;

Obernosterer, Ofenauer, Ottenschläger;

Pendl, Plessl, Preiner, Prinz;

Rädler, Rasinger, Rauch Johannes;

Schieder, Schittenhelm, Schmuckenschlager, Schönegger, Schopf, Schultes, Sieber Nor­bert, Singer Johann, Spindelberger, Steinacker, Strasser;

Tamandl, Töchterle, Troch;


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Unterrainer;

Vogl;

Weninger, Wimmer, Winzig, Wittmann, Wöginger, Wurm Gisela;

Yilmaz;

Zakostelsky.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Alm, Angerer, Aslan;

Brosz;

Darmann, Deimek, Dietrich;

Ertlschweiger;

Franz, Fuchs;

Hable, Hackl Heinz-Peter, Haider, Hofer, Hübner;

Kassegger, Kickl, Kitzmüller, Köchl, Korun, Kunasek;

Lausch, Lintl, Loacker, Lugar Robert;

Maurer, Meinl-Reisinger, Mölzer, Moser, Mückstein, Mühlberghuber;

Neubauer Werner;

Pirklhuber, Pock, Podgorschek;

Riemer, Rosenkranz Barbara, Rosenkranz Walter, Rossmann;

Schellenbacher, Schenk, Scherak, Schimanek, Schmid Gerhard, Schmid Julian, Schrangl, Schwentner, Stefan, Steger, Steinbichler, Steinhauser, Strache, Strolz;

Vavrik;

Weigerstorfer, Willi, Winter, Wurm Peter;

Zanger.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs­antrag der Abgeordneten Dr. Wittmann, Mag. Gerstl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Reformen des Dienst- und Besoldungsrechtes.

Meine Damen und Herren! Wir sind in einem Abstimmungsvorgang. Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen.

Wer für diesen Entschließungsantrag der Abgeordneten Wittmann, Gerstl ist, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen. (E 64.)

22.20.068. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 14, 21 und 24 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 22, 46 und 52 (375 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Abgeordnete Mühlberghuber. – Bitte.

 



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22.20.36

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Sammelbericht ergibt eine sehr gute Übersicht über die eingebrachten und behandelten Petitionen und Bürgerinitiativen. Der Ausschuss hat in der letzten Sitzung viele Themen behandelt und hat uns in erster Linie gezeigt, wie engagiert die Bürgerin­nen und Bürger sind, die ihre Anliegen bei uns eingebracht haben.

Ich gehe näher auf die Bürgerinitiative Nummer 52 betreffend die Wiederherstellung der Original-Bundeshymne ein, die von allen Parteien außer der FPÖ im letzten Ausschuss am 25. November 2014 durch Kenntnisnahme erledigt wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bürgerinitiative ist nicht von uns ge­startet worden, sondern von Bürgerinnen und Bürgern. Dieses Anliegen zielt auf die Wie­derherstellung der ursprünglichen Fassung der Österreichischen Bundeshymne ab. In der Begründung heißt es:

„Die Umtextung stellte einen Eingriff in ein poetisches Werk dar ... Es handelt sich da­bei auch um ein Stück österreichisches Kulturgut, das verändert wurde, ohne auf die Stimme des Volkes zu hören.“ (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der wahre Grund für den Aufschrei der Bevölkerung, für die Forderung nach einer Wiederherstellung der alten Bundeshymne-Version liegt darin, dass zunehmend am Volk vorbeiregiert wird, wie er sich hier klar gegen eine Politik des Gender-Wahnsinns richtet, wo eine Minderheit darum bemüht ist, die Mehrheit vor sich herzutreiben. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

22.22


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hechtl. – Bitte.

 


22.22.41

Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Der Sammelbericht des Ausschusses für Bürgerinitiativen und Pe­titionen bringt wahrlich verschiedene Themen, die die Menschen bewegen, zum Aus­druck. Themen wie Pensionen, Verkehr und – das ist auch schon angeschnitten wor­den – die Bundeshymne, genauso wie die Gesundheitsversorgung oder die Versor­gung mit Arzneimitteln, waren die großen Themen in diesem Ausschuss, die der Sam­melbericht eigentlich umfasst.

Ich möchte dazu sagen, dass die direkte Demokratie – gerade diese spiegelt sich hier wider – in diesem Petitions- und Bürgerinitiativen-Ausschuss sehr stark zum Ausdruck kommt. Sie kommt sehr stark zum Ausdruck, da die Einbringung der Petitionen und der Bürgerinitiativen, aber auch auf dem elektronischen Weg die Einbringung der Anliegen sehr, sehr stark gefördert und auch möglich ist. Wenn diese Petitionen und Bürgerini­tiativen im Ausschuss behandelt worden sind, so sind diese nach reiflichen, ausführli­chen Diskussionen behandelt worden und von den zuständigen Ressorts Stellungnah­men eingeholt worden. Auf der Grundlage dieser Stellungnahmen wurden dann die Pe­titionen und Bürgerinitiativen dem jeweiligen Fachausschuss zugewiesen.

Ich möchte nur auf eine Petition und eine Bürgerinitiative eingehen, wobei sich beide Anliegen mit der Arzneimittelversorgung befassen. Das betrifft zunächst die Petition 24, die als Anliegen die Beibehaltung der Hausapotheke in Kirchdorf in Tirol enthält. Dazu kann ich mitteilen, dass durch gutes Zusammenwirken der Sozialpartner, sprich der Ärztekammer und der Österreichischen Apothekerkammer, nach zügigen Gesprächen die Aussicht besteht, rasch eine lückenlose Versorgung mit Arzneimitteln in diesem Be­reich der Region in Zukunft sicherzustellen.

Auch die Bürgerinitiative 46, in der es um den Erhalt der Hausapotheke in Wildschönau geht, zeigt, dass es ebenfalls durch gutes Zusammenwirken des Bundesministeriums für


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 268

Gesundheit, der Ärztekammer und der Apothekerkammer gelungen ist (Zwischenruf der Abg. Schimanek), eine Lösung herbeizuführen. Die BH hat den seinerzeitigen Be­scheid revidiert. (Abg. Schimanek: ... ja gar nicht wahr!) Ich habe eine Stellungnah­me – der Bescheid wurde revidiert und gleichzeitig auch die Konzession für die Er­richtung einer neuen Apotheke erteilt. (Abg. Schimanek: ... stimmt ja nicht!) Wenn Sie das behaupten, dann müssen Sie das auch belegen. Ich kann Ihnen das schriftlich zei­gen.

Mit dieser Vorgangsweise wird auf der einen Seite bestätigt, dass wir die Bürgerinitia­tiven und Petitionen sehr ernst nehmen und auch deren Behandlung sehr ernst neh­men. Gleichzeitig wird auf der anderen Seite auch bestätigt, wie wichtig es ist, dass man eine gute Kommunikation zwischen Ministerium und Sozialpartnerschaft hat – zum Wohle der Bevölkerung! (Beifall bei der SPÖ.)

22.26


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 


22.26.07

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Der vorliegende Sammelbericht zeigt eine Vielfalt an Petitionen und Bür­gerinitiativen. Wir bemühen uns im Ausschuss, dass wir jeder Petition und Bürgerinitia­tive bestmögliche Perspektiven und Lösungen zukommen lassen. Ich glaube, insge­samt ist es so, dass hier im Ausschuss diskutiert wird, dass wir Zuweisungen an Aus­schüsse und Kenntnisnahmen machen und damit Petitionen und Bürgerinitiativen poli­tisch behandelt werden.

Im gegenständlichen Fall geht es um zwei Bürgerinitiativen in Tirol, die stellvertretend für den ländlichen Raum, glaube ich, widerspiegeln, dass es darum geht (Zwischenruf der Abg. Schimanek), in Zukunft die medizinische und medikamentöse Versorgung im ländlichen Raum sicherzustellen. – Frau Kollegin Schimazek! Ich glaube, die Bürger wis­sen, was sie mit dieser Bürgerinitiative erreichen wollen. (Ruf bei der FPÖ: Schima­nek!) Wir behandeln diese so, dass wir diese zwei dem Gesundheitsausschuss zur wei­teren Bearbeitung zugewiesen haben.

Bei diesen geht es darum, dass nach der Novellierung im Apothekengesetz 2006 (Abg. Schimanek: Herr Kollege Gahr, du weißt schon ...!) die Hausapotheken da und dort zunehmend im Auslaufen begriffen sind, dass die öffentlichen Apotheken in den letzten Jahren um 20 Prozent zugenommen haben. Wir haben in Österreich 1 335 öffentliche Apotheken. Bei den ärztlichen Hausapotheken hat es eine Abnahme um 12 Prozent auf 844 gegeben.

Für die Zukunft ist es wohl so, dass es einen Mix zwischen den Apotheken und den Hausapotheken braucht. Gerade in den ländlichen Regionen ist es wichtig, dass wir mit funktionierenden Hausapotheken, bestehend mit funktionierenden Praxen (Abg. Schi­manek: Die Apothekerkammer und die Ärztekammer ...!), die medizinische und medi­kamentöse Versorgung sicherstellen. (Abg. Schimanek: ... verdammt noch einmal!)

Viele Landarztpraxen haben eben nur die Chance, in Kombination mit einer Hausapo­theke wirtschaftlich geführt zu werden. Fakt ist, jede geschlossene Hausapotheke ist natürlich auch ein Verlust einer unverzichtbaren Infrastruktur im ländlichen Raum. Da­her ist es wichtig, glaube ich, dass wir in der nächsten Zeit, wie im Regierungspro­gramm festgeschrieben, ein Maßnahmenpaket zur Sicherung der bürgernahen Ge­sundheitsvorsorge im ländlichen Raum schnüren.

Wir haben hier mit der Zuweisung zum Gesundheitsausschuss die Wege beschritten. Ich hoffe und wünsche, dass es hier in den nächsten Wochen Klarheit gibt und dass es eine Einigung zwischen der Apothekerkammer und der Ärztekammer gibt. Im Mittel-


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punkt steht die Versorgung der Bevölkerung, und daher brauchen wir eine Novellie­rung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.28


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Pirklhu­ber. – Bitte.

 


22.28.55

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Meine Damen und Her­ren! Der vorliegende Sammelbericht ist dieses Mal sozusagen ein kleines Werk gewor­den. Wir haben nämlich sehr viele Petitionen in den letzten Sitzungen und Perioden, ei­gentlich im letzten Jahr zugewiesen. Hier ist eigentlich nur ein kleiner Auszug von Pe­titionen und Bürgerinitiativen vorhanden, die wir enderledigen konnten, indem wir sie in der Regel zur Kenntnis genommen haben. Eine oder zwei Zuweisungen haben wir auch dabei.

Ich meine, dass die Arbeitsweise im Ausschuss im Wesentlichen deutlich konstruktiver ist als, sage ich jetzt einmal, am Beginn, nach sozusagen etwas schwierigen Startbe­dingungen, die natürlich ein wichtiges Ergebnis gebracht haben: Das Minderheitsrecht im Bereich Hypo-Untersuchungsausschuss ist erreicht worden. Da sage ich danke an die Bürgerinnen und Bürger (Abg. Kogler: Bravo!), danke an all jene, die sich hier be­teiligt haben durch dieses einfache Instrument der Online-Unterstützung! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren, das war großartig! Es war großartig, wie die Bevölkerung ein ganz einfaches, modernes Tool der Beteiligung einer direkten Kommunikations­möglichkeit genutzt hat. Das hat bewirkt, dass sich so manch einer einen Ruck gege­ben hat. Es hat bewirkt, dass die Verhandlungen, die stecken geblieben waren, einen zusätzlichen Impuls bekommen haben, und wir haben eine Entscheidung gefunden und sie beschlossen. Das ist sehr positiv.

In dieser Hinsicht möchte ich, auch wenn nicht alles so prominent ist wie in diesem Fall, meinem Wunsch Ausdruck verleihen, dass wir uns gemeinsam für eine konse­quente Fortsetzung der konstruktiven Arbeit in diesem Ausschuss im Sinne der Bürge­rinnen und Bürger einsetzen, dass wir da mit aller Kraft vorangehen, denn wir haben hier mehr gemeinsam als möglicherweise in der inhaltlichen Atmosphäre und in der in­haltlichen Komponente so mancher Themen.

Uns geht es ja primär darum, dass die BürgerInnenanliegen auch wirklich dort ankom­men, wo sie ernsthaft diskutiert werden können: in den Ausschüssen oder auch bei Sit­zungen in unserem Ausschuss, im Petitionsausschuss. Dieses Instrument möchte ich auch hervorheben, weil es ein neues ist. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir eine Anhörung von Proponenten beziehungsweise Trägern einer Bürgerinitiative im nächs­ten Ausschuss am 27. Jänner durchführen werden. Auch das ist ein Unikum.

Auch das ist neu, und ich möchte dem Vorsitzenden Pock nochmals danken für seine konstruktive und auch innovative Art der Herangehensweise. (Beifall des Abg. Kogler in Richtung des Abg. Pock.) Ich danke aber auch den Fraktionen von Regierungsseite, weil sie bereit sind, hier neue Instrumente auszuprobieren. Das ist, glaube ich, richtig. Das sollten wir gemeinsam ausbauen.

Heute haben wir auch schon über TTIP gesprochen, und da haben wir schon mehr oder weniger vereinbart, ein Hearing durchzuführen. Es gibt aber einen großen Wer­mutstropfen dabei, werte Kolleginnen und Kollegen, nämlich dass, wenn wir im Peti­tionsausschuss Hearings machen, diese immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt­finden.

Ehrlich gesagt, das versteht kein Bürger und keine Bürgerin. Ich habe immer wieder mit KollegInnen, mit BürgerInnen, mit Menschen gesprochen, die mit Anliegen gekom-


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men sind und auch Petitionen eingebracht haben, und zuerst sind sie begeistert, dass es ein Hearing, eine Anhörung gibt, und dann sind sie verwundert, dass dabei niemand zuhören kann, dass sich niemand beteiligen kann, sondern dass das unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschieht.

Ja, da haben wir einen großen Brocken vor uns, wenn wir das ändern wollen. Es gibt auch noch einige andere Anliegen, aber ich meine, wir sollten konsequent in diese Rich­tung weiterarbeiten.

Abschließend noch ein Appell, vor allem an die Regierungsfraktionen: Ich glaube und bin überzeugt, dass wir, wenn wir das TTIP-Hearing im Frühling durchführen, als Er­gebnis daraus auch einen Schritt werden weitergehen müssen. Ich möchte hier schon die Zielorientierung von unserer Seite klar darlegen: Wir brauchen eine parlamentari­sche Enquete.

Die Fachdebatten, die wir heute im Laufe des Tages noch geführt haben, haben die Komplexität des TTIP-Abkommens gezeigt, und auch aufgrund dessen, was die Kom­missarin Malmström gestern in der kurzen Aussprache gesagt hat, an der ich teilneh­men konnte, muss ich feststellen, dass es wirklich zwingend ist, mit ExpertInnen von EU-Ebene, von Österreich und aus der Zivilgesellschaft ein echtes parlamentarisches Hearing durchzuführen. Das könnte und sollte auch unser Ziel sein bei unserem Wir­ken aus dem Petitionsausschuss heraus. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen so­wie der Abgeordneten Hell und Pock.)

22.33


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schenk. Restredezeit des Klubs: 2 Minuten. – Bitte.

 


22.34.01

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Kurz und bündig. – Herr Präsident! Ho­hes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kollegen, Vorrednerinnen und Vorred­ner haben schon die breite Themenpalette des Ausschusses für Petitionen und Bürger­initiativen angesprochen.

Ich möchte aufgrund der kurzen Redezeit auf meine Petition kurz eingehen, auf die Pe­tition 22 mit dem Titel „Mehr Sicherheit durch ein liberales Waffenrecht.“ Diese Petition hat schon breite Zustimmung erfahren. Mit heutigem Stand haben 5 578 Personen die­se Petition online unterstützt.

Diese Petition ist aktueller und wichtiger denn je. Ich darf auch an die heutige Kurze Debatte im Anschluss an die Dringliche Anfrage erinnern. Hier haben wir auch darüber diskutiert, und dieses Thema wird uns auch noch lange beschäftigen. Es besteht noch gro­ßer Handlungs- und Diskussionsbedarf, vor allem auch, wenn ich mir die Stellungnah­me des BMI zu dieser Petition ansehe, die am 25. September eingegangen ist und we­nig befriedigend ist. Es wurde auch in dieser Stellungnahme nicht auf die tatsächlichen Reformwünsche und Probleme, die in dieser Petition vorgebracht werden, eingegangen.

Mein Vorredner hat es schon angesprochen: Wir haben uns im Ausschuss darauf geei­nigt, dass am 27. Jänner, nächste Woche, eine Anhörung stattfindet, wo wir zwei Peti­tionen und vier Bürgerinitiativen behandeln und diese mit Experten besprechen. Wir ha­ben dafür ausreichend Zeit. Ich bedanke mich auch beim Ausschussvorsitzenden und bei allen Fraktionen, dass hier Einvernehmen hergestellt werden konnte und wir diese Anhörung durchführen können. Ich freue mich auf eine spannende und konstruktive Diskussion zu diesem und natürlich auch zu vielen anderen wichtigen Themen. – Vie­len Dank. (Beifall beim Team Stronach.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 271

22.35


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Pock. – Bitte.

 


22.35.46

Abgeordneter Michael Pock (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte auf drei Punkte eingehen.

Kollege Pirklhuber von den Grünen und auch Kollegin Schenk vom Team Stronach ha­ben es schon erwähnt: Wir haben mit Zustimmung aller Fraktionen beschlossen, dass wir im Ausschuss ein Pilotprojekt starten, und zwar, dass wir tatsächlich beim kom­menden Ausschusstermin jeder Fraktion die Möglichkeit geben, dass ein Thema einer Bürgerinitiative oder einer Petition als Schwerpunktthema ausgewählt wird und dazu eine Person in den Ausschuss eingeladen wird.

Ich halte dieses Pilotprojekt für wichtig – wichtig, um erstens Erfahrungen zu sammeln, wie wir so etwas auch institutionalisieren können. Zweitens halte ich es auch – das muss man ganz klar sagen – für ein wichtiges Signal, das vonseiten der Sozialdemo­kratie und der ÖVP kommt. Dafür bedanke ich mich.

Wesentlicher ist auch ein zweiter Schritt, der bereits angekündigt wurde, wir haben al­lerdings den genauen Termin noch nicht festgesetzt. Wir werden voraussichtlich im Ju­ni einen Sonderausschuss haben, der sich mit einem ExpertInnenhearing zum Bereich TTIP/CETA beschäftigt. Hier wird ebenfalls jeder Fraktion die Möglichkeit eingeräumt, einen Experten beziehungsweise eine Expertin einzuladen.

Das bedeutet, innerhalb von einem Jahr haben wir tatsächlich Fortschritte gemacht von­seiten aller Fraktionen. Die Frage ist allerdings: In welche Richtung geht es? Ich habe verstanden: in den ersten 12 Monaten. Es geht leider nicht in der Geschwindigkeit, wie wir NEOS es vorgeschlagen haben, aber es geht in die richtige Richtung.

Die Frage ist: Was ist die Perspektive? Zu diesem Anlass und um herauszufinden, wo wir außerhalb des Parlaments stehen, wie bekannt wir sind, wie bekannt die Instru­mente der parlamentarischen Bürgerinitiative, der Petition sind, habe ich Anfang Jän­ner mit einer Tour durch alle Bezirkshauptstädte und Statutarstädte in Österreich be­gonnen, die schlicht „Mitbestimmen im Parlament“ lautet. Jeden Abend bieten wir, wenn ich nicht hier im Hohen Haus bin, eine Abendveranstaltung an, um die Instrumente des Petitions- und Bürgerinitiativenausschusses vorzustellen.

Es ist eine sehr spannende Reaktion. Grundsätzlich, wenn eine Person, ein Bürger/ei­ne Bürgerin nicht schon ein sehr massives Anliegen hat, beschäftigt sie sich nicht mit dem Thema, wie man sich politisch direkt, ohne Zwischenschaltung eines Abgeordne­ten oder einer Abgeordneten oder einer Partei, artikulieren kann. Ich habe in einer Wo­che in Kärnten in sechs Abendveranstaltungen tatsächlich zehn parlamentarische Bür­gerinitiativen getroffen, die sich nun aufgrund meines Abendtermins gebildet haben – zehn parlamentarische Bürgerinitiativen zu ganz unterschiedlichen Themen, etwa zu The­men, über die die Freiheitlichen glücklich sind oder die Sozialdemokratie oder die Grü­nen oder wir oder manchmal vielleicht auch alle gemeinsam.

Das bedeutet, es gibt einen sehr hohen Bedarf, und es gibt noch nicht die Kenntnis der Instrumente. Daher stelle ich schon für heute die Frage – und das bitte ich Sie mitzu­nehmen –: Was können wir auch als Parlament überparteilich an Aktionen setzen, um über Instrumente aufzuklären, um die Menschen zu begleiten? Das schaffe ich nicht al­lein als Obmann, dass schafft auch nicht die Mitarbeiterin bei mir im Parlamentsklub, da müssen wir eine bessere Antwort finden. Ich habe noch 93 Termine vor mir, und ich werde regelmäßig davon berichten. – Danke schön. (Beifall bei NEOS und Grünen.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 272

22.39


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter We­ninger. – Bitte.

 


22.39.15

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wir haben heute eine weitere Premiere im Plenum beim Tagesordnungspunkt Sam­melbericht des Ausschusses für Bürgerinitiativen. Es gibt erstmals keine Debatte darü­ber, ob die Vorgangsweise im Ausschuss und die Behandlung korrekt waren.

Wir haben jahrelang gestritten, dass in dem einen Fall eine Zuweisung zu einem Fach­ausschuss die einzig richtige Antwort ist. Beim nächsten Ausschuss haben wir gesagt: enderledigen! Beim dritten konnte man noch so viel an Stellungnahmen einholen, es war immer zu wenig. Ich führe das positive Arbeitsklima innerhalb des Ausschusses auf eine gute Entwicklung zurück, die bereits in der vorherigen Periode begonnen hat – nicht zuletzt auch aufgrund der vielfältigen Initiativen von Präsidentin Barbara Pram­mer, die massiv auf die Online-Unterstützung und auch auf die Bewerbung auf der Home­page des Nationalrates, des österreichischen Parlaments Wert gelegt hat.

Dass diese positive Arbeitsatmosphäre eine neue Dynamik bringt, zeigt auch das stei­gende Selbstbewusstsein der Mitglieder dieses Ausschusses. Ich glaube, dass auch die Hearings und Anhörungen die inhaltliche Auseinandersetzung spannender machen werden, als sich immer nur durch einen dicken Berg von Petitionen durchackern zu müs­sen.

Trotzdem, ein Widerspruch oder vielleicht kein Widerspruch zum Kollegen Pirklhuber: Natürlich ist es wichtig, dass wir diese Anhörung, die wir vereinbart haben, zum Thema TTIP machen. Aber so wie wir heute in der Früh mit dem Bundeskanzler diskutiert ha­ben, ist es auch wichtig, selbstbewusst als österreichischer Nationalrat den Bürgerin­nen und Bürgern zu sagen, dass wir eine klare politische Position haben. Wir haben im vergangenen Jahr einen Antrag mit einer klaren parlamentarischen Mehrheit beschlos­sen, der sich gegen Investitionsschutzklauseln, für mehr Transparenz in den Verhand­lungen und für die Bewahrung der europäischen Standards ausspricht. Mir ist es wich­tig, den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur den Dialog anzubieten, sondern auch selbst­bewusst als Parlamentarier zu sagen: Da gibt es eine klare politische Meinung des ös­terreichischen Parlaments, und darauf könnt Ihr euch verlassen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Pock.)

22.41


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Berla­kovich. – Bitte.

 


22.41.52

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Das Südburgenland und insbesondere die Bezirke Güssing und Jenners­dorf zählen zu den sehr strukturschwachen Regionen, gekennzeichnet durch eine hohe Abwanderungsrate und gleichzeitig durch eine hohe Arbeitslosigkeit. In den letzten Jahren gab es einen Verlust von 2,5 bis 3 Prozent Wohnbevölkerung, dafür ist die Ar­beitslosigkeit um 9 Prozent gestiegen. Mit ein zentraler Grund dafür ist eine schlechte Verkehrsinfrastruktur. Die Wirtschaft, Unternehmer würden es schätzen, wenn es eine bessere Anbindung – Straße und Bahn – gäbe, denn dann könnten rund 500 bis 700 Ar­beitsplätze geschaffen werden. Derzeit sind in diesen beiden Bezirken rund 1 500 Men­schen arbeitslos, dann sind 500 bis 700 neue Arbeitsplätze schon eine beachtliche Zahl.

Daher ist es erstens wichtig, dass die Eisenbahn von St. Gotthard, Ungarn bis Graz elektrifiziert wird. Das ist derzeit nur in der Zielnetzstrategie 2025+ enthalten. Das kommt für das Südburgenland zu spät. Das muss in den Rahmenplan der ÖBB hinein, damit die Strecke elektrifiziert wird.

Wichtig ist zweitens auch, dass die Schnellstraße S 7 gebaut wird, über die Steiermark bis nach Ungarn hinüber. Die UVP-Verfahren sollen jetzt abgeschlossen werden. Irgend-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 273

wann einmal muss eine Entscheidung getroffen und dann die Straße gebaut werden, um eben im Südburgenland Arbeitsplätze zu schaffen und auch dem Tourismus zu hel­fen. Das nützt dem Burgenland, auch der Steiermark. Deswegen ist auch Klubobmann Lopatka für die ÖVP interessiert, dass da etwas weitergeht. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Preiner und Ertlschweiger.)

22.43


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Preiner. – Bitte.

 


22.43.31

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Kolleginnen und Kol­legen! Ich beziehe mich auf die vorliegende Petition Nummer 21 betreffend Ausbau der S 7 und Ausbau der Bahnstrecke Graz, Jennersdorf bis St. Gotthard.

Die beiden Projekte sind wichtig für die Infrastruktur im Südburgenland, daher sind sie auch ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtverkehrsstrategie des Landes Burgen­land und des Bundes und da bereits enthalten. Gegenwärtig läuft, was die S 7 betrifft, ein UVP-Verfahren, eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Ich hoffe, dass diese positiv aus­geht, dass es keine weiteren Einsprüche gibt, sodass in Bälde begonnen werden kann, die S 7 zu errichten.

Was den Ausbau der Bahnlinie rund um Jennersdorf betrifft, ist klar, dass dies in erster Linie eine wichtige Investition für den Güterverkehr und für den Personenverkehr, vor allem auch was die Elektrifizierung der Bahnverbindung betrifft, ist.

Ich darf erwähnen, dass beide, das Land Burgenland, aber auch der Bund, da das In­frastrukturministerium, für 2015 30 Millionen € in den Ausbau und die Attraktivierung des Personenverkehrs auf dem Eisenbahnsektor investieren.

Ich darf aber auch erwähnen, dass das Land Burgenland im Jahr 2015 allein 16 Mil­lionen € für den gesamten öffentlichen Verkehr zur Verfügung stellt. Das ist mehr als das Dreifache des Jahres 2000. Ich bin teilweise überrascht, dass die FPÖ im Aus­schuss der Kenntnisnahme der Petition Nummer 21 für die Ausbaumöglichkeiten Schie­ne und Straße im Südburgenland nicht zugestimmt hat. Ich hoffe, dass das keine Ab­sage ist.

Ich darf erwähnen, dass ich auch mehr Power und Unterstützung seitens des zustän­digen ÖVP-Wirtschaftslandesrates in der burgenländischen Landesregierung bei den bei­den Projekten erwarte.

Was bedeutet letzten Endes Ausbau der Bahnstrecke, Realisierung des Projektes S 7? – Stärkung des Wirtschaftsraumes, Sicherung der Arbeitsplätze, Wertschöpfung bleibt in der Region. Der Lkw-Verkehr kommt von der Straße weg zur Schiene. Das bedeutet auch mehr Lebensqualität, ein Mehr an Umwelt, eine Reduktion von CO2-Ausstoß, was auch positiv für den Klimaschutz in Österreich, im Burgenland, speziell im Südburgen­land, ist. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

22.46


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Mag. Rauch. – Bitte.

 


22.46.17

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Um das noch einmal zusammenzufassen: Ich glaube, was Kol­lege Pock gesagt hat, ist ganz entscheidend, nämlich dass dieser Ausschuss ein Stim­mungsseismograph dafür ist, was in der österreichischen Bevölkerung los ist und wir auch in diesem Ausschuss sehr klar und sehr schnell erfahren können, wie sich Ge­setze auswirken oder auch wie politische Themen in diesem Land diskutiert werden.


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Ich will nochmal ganz kurz, weil es Kollege Gahr schon gemacht hat, auf die Petitio­nen 24 und 46 hinweisen. Da geht es um die Hausapotheken. Uns, der ÖVP geht es um Versorgungssicherheit im ländlichen Raum, und deshalb brauchen wir so schnell wie möglich ein Apothekengesetz. Es gibt ja in diesem Haus bereits einen Antrag, noch aus der vorhergehenden Legislaturperiode. Das war ein Fünf-Parteien-Antrag. Ich glau­be, das sollten wir angehen, damit wir in Zukunft auch Ärzte in den ländlichen Regio­nen haben und die Versorgungssicherheit im ländlichen Raum gewährleistet ist. – Vie­len Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

22.47


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Hell. – Bitte.

 


22.47.00

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geschätz­ten Damen und Herren! Seit Beginn der XXV. Gesetzgebungsperiode wurden 65 Bür­gerinitiativen und 40 Petitionen im Parlament eingebracht. Das zeigt, dass die Bevölke­rung einen sehr hohen Bedarf hat, ihre Anliegen direkt an die Gesetzgeber heranzu­tragen. Es wurde heute schon vom Vorsitzenden des Ausschusses darauf hingewie­sen, dass man seit langer Zeit darauf verweist, welche Möglichkeit die Bürgerinnen und Bürger haben, ihre Anliegen auch direkt in das Parlament zu bringen.

Die Anliegen sind ja sehr vielfältig, wenn man betrachtet, dass die Petition Nummer 1 die Forderung nach einem Mobbing-Gesetz erhebt, die Petition 40 das Stimmrecht für Pensionisten in den Organen der Selbstverwaltung im Bereich der Krankenversiche­rungen fordert, bei der Bürgerinitiative Nummer 1 der Wert der Sozialarbeit neu be­trachtet werden soll und bei der Nummer 65 die Beibehaltung einer vorhandenen Stra­ßenführung und die Vermeidung einer neuen Trassenführung gewünscht wird.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Viele Abgeordnete werden draußen in den Wahlkreisen direkt oft mit Anliegen der Bürgerinnen und Bürger konfrontiert. Eines dieser Themen findet sich auch in dem heute zu behandelnden Sammelbericht. Es geht um das Thema der ärztlichen Hausapotheken. Einige meiner Vorredner haben sich bereits mit diesem Thema auseinandergesetzt, und daher sieht man auch, wie wichtig es auch uns ist. Ich möchte darauf hinweisen, dass es einen Entschließungsan­trag im Haus gab, der sich mit diesem Thema auseinandergesetzt hat und in dem die Frau Bundesministerin aufgefordert wird, mit den Interessenvertretungen der betroffe­nen Berufsgruppen und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungs­träger in Gespräche zu treten, und es sollte bis Ende des Jahres ein entsprechender Vorschlag vorgelegt werden.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich bedanke mich für die positive Arbeit im Ausschuss und hoffe, dass wir viele Anliegen, die die Bürgerinnen und Bürger ha­ben, auch weiter umsetzen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.49


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ofenauer. – Bitte.

 


22.50.02

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Petitionen und Bürgerinitiativen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit und werden immer bekannter. Das besagen auch die Zahlen, wie sie Kollege Hell schon angeführt hat: bis dato insgesamt 105 Petitionen und Bürgerinitiativen. In der letzten Gesetzgebungsperiode waren es noch insgesamt 294. Man kann mit Fug und Recht behaupten: Wenn Menschen etwas bewegt, dann starten sie eine Petition oder eine Bürgerinitiative. Entsprechend vielfältig sind diese auch.


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Umso bemerkenswerter ist, dass aktuell bereits fünf Anliegen Hausapotheken und Nie­derlassungen von Hausärzten betreffen. In der ganzen letzten Periode waren es vier. Das zeigt schon, dass die medizinische Versorgung im ländlichen Raum die Menschen bewegt, und auch mir als Bürgermeister ist die ärztliche Versorgung, auch mit Haus­apotheken, ein Anliegen, weil es teilweise schon ein Problem ist, Ärztestellen mit Kas­senärzten zu besetzen. Es sind nur mehr sehr schwer Ärzte zu finden. Es muss des­halb im Zusammenwirken mit der Ärztekammer und der Apothekerkammer eine Lö­sung gefunden werden, um weiterhin die gute ärztliche Versorgung und Versorgung mit Hausapotheken vor allem im ländlichen Raum aufrechtzuerhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

22.51

22.51.25

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 375 der Beilagen hinsichtlich der Petitionen Nr. 14, 21 und 24 sowie der Bürgerinitiativen Nr. 22, 46 und 52 zur Kenntnis zu nehmen:

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehr­heit angenommen.

22.51.529. Punkt

Bericht des Hauptausschusses betreffend Erstattung eines Gesamtvorschlages für die Wahl der Vorsitzenden der Parlamentarischen Bundesheerkommission ge­mäß § 4 Abs. 9 des Wehrgesetzes 2001 (449 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Vavrik. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


22.52.15

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Bür­ger und Bürgerinnen und vor allem liebe Angehörige des Bundesheeres! Ich war ges­tern bei einer Veranstaltung namens „Tag der Wehrpflicht“, auf Einladung der Plattform Wehrpflicht, das ist der Dachverband der wehrpolitischen Verbände. (Abg. Kogler: Wer ist der Einladende?)

Eingeladen waren alle Wehrsprecher der Parlamentsfraktionen, die auch die Einladung angenommen haben, bis auf die Grünen, die haben sich nicht zurückgemeldet. – Okay, auf das Thema Wertschätzung des Bundesheeres komme ich noch zu sprechen.

Ich muss Ihnen sagen, diese Veranstaltung war ernüchternd für mich. Wir waren einge­laden, an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen, und es wurden an uns Politiker, also an die Politik – und wir standen stellvertretend für die Politik – die Erwartungen, die For­derungen und auch die Kritik herangetragen. Es wurde uns zum Teil mit viel Emotion das Gefühl erklärt – ich zitiere –, von Staat und Politik ausgenutzt zu sein. Es wurde auf die gebrochenen Versprechen verwiesen, die im Vorlauf der Volksbefragung zur Wehrpflicht gemacht worden sind. An uns gerichtet kam die Frage: Sie sind doch der Gesetzgeber. Wie konnte es so weit kommen, dass sich das Bundesheer heute in die­ser Lage befindet?

Mit anderen Worten, es gab Enttäuschung, es wurde das Gefühl zum Ausdruck ge­bracht, im Stich gelassen worden zu sein, verraten von der Politik – das sind wir! – zu sein, also von uns hier im Hohen Haus im Stich gelassen worden zu sein.

Meine Frage an Sie, sehr geehrte Kollegen: Haben wir Volksvertreter das Bundesheer im Stich gelassen? Setzen wir ein positives Signal in Sachen Wehrwille? Werden wir un-


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serer Verantwortung als Gesetzgeber gerecht? Und es kam nicht nur das Budgetthema zur Sprache, es kam hauptsächlich das Thema Stellenwert des Bundesheeres in der Gesellschaft zur Sprache, also die Frage nach dem Rückhalt, den das Bundesheer von uns bekommt.

Liebe Angehörige des Bundesheeres! Die erste Antwort auf diese Frage bekommen Sie heute. Zum Thema Bundesheer hat sich heute Abend nur einer gemeldet, der Wehrsprecher der kleinsten Fraktion in diesem Haus. (Ruf bei den Grünen: Des Wahl­vorschlags !) Es ist Ihnen wahrscheinlich nicht wichtig genug, oder vielleicht wurde Ihre Redezeit auch aufgebraucht beim Thema Binnen-I. Das ist aber nur ein Teil der Ant­wort.

Der zweite Teil der Antwort wurde auch heute, wie es der Zufall so will, vor einer Stun­de geliefert, nämlich das Durchpeitschen eines Abänderungsantrags, 46 Seiten (Ruf bei den Grünen: Wovon reden Sie überhaupt?), am Freitag vorgelegt, am Montag im Ausschuss, heute durchgewunken. (Abg. Brosz: Zur Sache!) Das ist ein Beispiel, wie das Parlament seine Verantwortung abgibt, ein trauriger Beweis dafür, dass sich das Parlament zum Vollzugsorgan der Regierung hat degradieren lassen. Auch das kam zur Sprache, und damit haben Sie heute die Antwort bekommen. (Abg. Cap: Was Sie für einen Topfen daherreden!) Das ist ein Tiefpunkt des Parlamentarismus heute, liebe Kollegen.

Zurück zum Bundesheer: Ich bin neu in diesem Haus, und ich konnte mich nicht er­innern, welches Gesetz wir eigentlich beschlossen haben seit Beginn der Gesetzge­bungsperiode. Es gibt keines, mit einer einzigen Ausnahme. Kurz vor Weihnachten ha­ben wir ein Gesetz beschlossen, im Verfassungsrang wohlgemerkt. Worum ging es? – Es ging um die Aufstockung der Bundesheerkommission von vorher neun Mitgliedern auf elf, und zwar nur zu einem Zweck, nämlich zur Einbetonierung der SPÖ/ÖVP-Mehr­heit bis ins Jahr 2020. Dafür haben wir Zeit und Energie gefunden.

Was es dem Bundesheer nützt, frage ich mich. Ich glaube nichts. Wie dem auch sei, man könnte meinen, na gut, der Stellenwert der Bundesheerkommission ist wenigstens hoch. Ich konnte mich auch nicht erinnern, dass wir im Landesverteidigungsausschuss den Bericht besprochen hätten, und ich habe nachgeschaut, denn vielleicht habe ich es vergessen. Auf der Website des Parlaments steht unter Jahresbericht 2013: Zuge­wiesen an den Landesverteidigungsausschuss, Beratungen noch nicht aufgenommen. – Gut, das ist der 2013.

Ich habe weiter zurückgeschaut. Mich hat interessiert, was der Landesverteidigungs­ausschuss dazu gesagt hat. Was wurde besprochen? Was steht im Protokoll? – 2012: Zugewiesen an den Landesverteidigungsausschuss, Beratungen noch nicht aufgenom­men. Ich habe nachgeschaut zum Bericht 2011. Was steht dort? – Zugewiesen an den Landesverteidigungsausschuss, Beratungen noch nicht aufgenommen; 2010 detto.

Meine Herren! Die Berichte der Bundesheerkommission von 2010, 2011, 2012, 2013 und, seit vorgestern, 2014 liegen unbeachtet, unbearbeitet, unerledigt im Landesvertei­digungsausschuss. Das ist der Stellenwert des eigenen Organs des Parlaments, der Parlamentarischen Bundesheerkommission. Da wurde offensichtlich ein Gesetz be­schlossen zur Aufrechterhaltung der Mehrheit, nur um der Machterhaltung willen, nichts sonst.

Übrigens hat diese Notbremsaktion dazu geführt, dass wir seit 1. Jänner und bis zur Vereidigung der Mitglieder ohne Bundesheerkommission dastehen. Also die Bundes­heerkommission hat sich ausgeschaltet. Das wird natürlich nicht die Folgen haben, die so etwas in der Vergangenheit gehabt hat. Trotzdem ist es jedoch kein Ruhmesblatt für dieses Haus, dass wir die Bundesheerkommission, wenn auch nur temporär, ausge­schaltet haben.


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Dabei sind die Berichte sehr aufschlussreich. Ich würde sie mir anschauen, zum Bei­spiel im Bericht 2014 die Seiten 23 bis 32 zur Reform des Wehrdienstes, Attrakti­vierung des Wehrdienstes – sehr aufschlussreich. Leider ergibt es kein gutes Bild, aber das würde jetzt den Zeitrahmen sprengen. Ich hoffe, es kommt noch zur Debatte.

Damit komme ich zum Schlusssatz: Ich versuche, dieser Gesetzesnovelle doch noch eine positive Seite abzugewinnen. Wir werden jetzt die drei Mitglieder des Vorsitzes wählen. Das sind drei Mitglieder des Hauses. Man fragt sich, warum brauchte man hiezu ein Verfassungsgesetz? Es stand den drei Fraktionen jederzeit frei, ein Mitglied des Hauses da hineinzuwählen, aber okay, wahrscheinlich braucht es da ein Verfas­sungsgesetz, um Begehrlichkeiten von Has-Beens abzuwehren.

Ich hoffe, dass jetzt, da drei Mitglieder dieses Hauses Vorsitzende dieser Kommission sind, diese mehr Aufmerksamkeit genießen wird. Vielleicht wird es ein erster kleiner Schritt zur besseren Wahrnehmung der Rolle dieses Hauses, nämlich die Kontrolle der Verwaltung. Das sind wir den Bürgern und Bürgerinnen schuldig; das sind wir den An­gehörigen des Bundesheeres schuldig. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

22.59

22.59.10

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Da nur ein Wahlvorschlag vorliegt, schlage ich, meine Damen und Herren, im Sinne des § 87 Abs. 7 GOG vor, durch Aufstehen und Sitzenbleiben abzustimmen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Dann bitte ich jene Damen und Herren, die dem Antrag des Hauptausschusses in 449 der Beilagen, wonach die Abgeordneten zum Nationalrat Otto Pendl, Mag. Michael Hammer sowie Dr. Reinhard Eugen Bösch zu Vorsitzenden der Parlamentarischen Bundesheerkommission für die am 1. Jänner 2015 beginnende sechsjährige Funk­tions­periode gewählt werden, ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist einstimmig angenommen.

23.00.2410. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 20. März 1975, mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird (Ausländerbe­schäftigungsgesetz – AuslBG), in der Fassung des BGBl. I 72/2013, geändert wird (693/A)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile Frau Abgeordneter Mag. Schwentner das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


23.00.49

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, worum geht es? – Es geht um ein Thema, das von den Grünen schon mehrmals aufgebracht wurde, auch von meinen Kolleginnen Sigrid Maurer und Alev Korun. Wir wissen alle, wie notwendig es ist, während des Studiums dazuzuverdienen, weil sich Studierende kaum mehr das Studium leisten können, wenn sie nicht nebenbei arbeiten. Dazu gibt es einschlägige Daten, und es geht darum, dass in dem Bereich eine große Ungleichbehandlung besteht, nämlich zwischen jenen, die aus dem EWR-Raum und aus EU-Ländern kommen, die hier ganz normalen Zugang zum Arbeits­markt haben, und jenen Studierenden, die aus Nicht-EWR-Ländern kommen.


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Das schlägt sich so nieder, dass die im ersten Studienabschnitt nur 10 Wochenstunden arbeiten dürfen, und ab dem zweiten Studienabschnitt 20 Wochenstunden, meistens dann natürlich nicht ihrer Qualifizierung entsprechend, sondern im Niedriglohnsektor, also Peanuts dazuverdienen dürfen und in der Regel mehr brauchen würden. Es geht also um eine nicht zeitgemäße, absurde Ungleichbehandlung von Studierenden, von Men­schen, die hier leben, die hier teilweise um ihre Existenz kämpfen, weil sie sich das Le­ben nicht leisten können, die ihre Ausbildung hier machen.

Wir ermöglichen zwar, dass sie eine Ausbildung machen, aber wir ermöglichen nicht, Österreich ermöglicht es nicht, dass sie ihr hier erworbenes Wissen, ihre Qualitäten, ih­re Qualifikationen auch einsetzen können. Wir diskutieren immer wieder über die Rot-Weiß-Rot-Card, darüber, dass wir Fachkräfte brauchen, die zuwandern, dass wir qua­lifizierte Zuwanderinnen und Zuwanderer brauchen – dann halte ich es wirklich für ab­surd, dass die, die da sind, die studieren, die eben dieses Wissen und Qualifikationen mitbringen, nicht die gleiche Berechtigung haben, am Arbeitsmarkt zu partizipieren.

Es gibt auch kein sachliches Argument. Sie können noch dazu Deutsch, wenn das jetzt von den Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ vielleicht kommen sollte. Das heißt, auch das wäre keine Hürde, die studieren hier. Es gibt kein sachliches Argument, und es gibt auch kein arbeitsmarktpolitisches Argument. Es handelt sich außerdem um un­gefähr 25 000 Studierende, die werden auch nicht alle gleich arbeiten müssen, aber vie-
le von ihnen, und ungefähr 1 700 Studierende von den FHs.

Ich bitte Sie um Unterstützung, und deswegen mein Begehren nach einer ersten Le­sung, damit wir das hier zuerst einmal diskutieren. Ich bitte Sie um Unterstützung im Sin­ne der Gleichstellung der Studierenden an unseren Universitäten und FHs! – Danke. (Bei­fall bei den Grünen.)

23.03


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wim­mer. – Bitte.

 


23.03.41

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Da­men und Herren! Meine sehr geschätzte Kollegin Abgeordnete Schwentner! Ich kann Ihrem Begehren nicht beitreten. Wir haben da eine ein bisschen andere Auffassung. Wir glauben nämlich, dass das Ausländerbeschäftigungsgesetz zum jetzigen Zeitpunkt eine sehr solide und gute Lösung für die studierenden Drittstaatsangehörigen darstellt. Für Bachelorstudierende sind ja jetzt wöchentlich 10 Stunden vorgesehen und für Master­studierende 20 Stunden.

Wir haben ja im Ausschuss noch genügend Gelegenheit, unsere Argumente darzule­gen. Im Übrigen meine ich, dass es langsam angebracht ist, heute Feierabend zu ma­chen. Ich schließe daher und wünsche noch einen schönen guten Abend! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

23.04


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Töchterle. – Bitte.

 


23.04.39

Abgeordneter Dr. Karlheinz Töchterle (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Einiges an den Argumenten der Antragstellerin ist richtig. Es ist in der Tat so, dass Studierende vermehrt nebenher arbeiten. Das hat ganz unterschiedliche Gründe, nicht nur die Einkommenssituation, und das führt aber auch dazu, dass Studierende sehr oft bereits in jene Bereiche hineinschnuppern, die später ihre Arbeitswelt sein werden.

Insofern ist es richtig, dass man auch den Nicht-EWR-Bürgern entsprechende Chan­cen gibt und damit auch die Möglichkeit hat, später hochqualifizierte, in Österreich aus-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 279

gebildete Absolventen vermehrt in unserem Land zu halten. Das wäre also durchaus ein Argument, um eine Änderung zu erwägen. Dagegen spricht, dass man, wenn man hierher kommt, um zu studieren, hier auch studieren und nicht in den Arbeitsmarkt ge­hen soll. Eine gewisse Gefahr des Missbrauchs ist also nicht von der Hand zu weisen.

Mein Vorschlag ist, dass man das im Ausschuss genau prüft, dass man auch die Quan­titäten prüft, sich die bisherigen Erfahrungen anschaut und danach emotionslos und vorurteilsfrei auch im Sinne eines Braingains, wie es ja so gern heißt, entscheidet. Das heißt, dass man auch die Chancen, die sich vielleicht ergeben, sieht und nicht nur die Gefahren fürchtet. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

23.06


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Kassegger. – Bitte.

 


23.06.19

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Haus! Ich möchte nur ganz kurz darauf eingehen, worum es bei diesem Antrag ei­gentlich geht. Es geht da nur angeblich um die Gleichstellung von Studierenden aus Drittstaaten mit denen aus dem EU-Raum, es geht auch nur angeblich um die Förde­rung von Studierenden.

In Wahrheit geht es um die sogenannte Arbeitsmarktprüfung, das wissen Sie ganz ge­nau, die eben in diesem § 4 Abs. 7 Z 4 ausgeschlossen wird für bestimmte Personen­kreise, unter anderem jetzt auch für den Personenkreis Schüler und Studierende. Da wird nicht geprüft, keine Arbeitsmarktprüfung durchgeführt, wenn das Beschäftigungs­verhältnis weniger als 10 Stunden bei Bachelorstudierenden und weniger als 20 Stun­den bei Masterstudierenden beträgt. Das wollen Sie jetzt völlig streichen, also die Prü­fung, ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts eine Beschäftigung zulässt – und dies angesichts 457 000 Arbeitslosen, Tendenz steigend. Das ist der eine Grund.

Der andere Grund: Der Ist-Zustand ist ja der, dass ohne diese Arbeitsmarktprüfung be­reits 10 Stunden beziehungsweise 20 Stunden gearbeitet werden kann. Wenn Studie­rende nach Österreich kommen, dann sollen sie doch, bitte, vornehmlich studieren und nicht 40 Stunden arbeiten! (Beifall bei der FPÖ.)

23.07


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


23.07.46

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! In aller Kürze: Es geht ja nicht darum, dass sie 40 Stunden arbeiten, nur darum, dass sie mehr als 10 Stunden arbeiten können im Bachelorstudium oder mehr als 20 im Masterstudium. Faktisch ist es wieder eine ganz absurde Ungleichbehandlung, weil wir wieder aufgrund der Her­kunft diskriminieren und Menschen, die wir in Österreich studieren lassen, worüber wir uns auch freuen sollten, nämlich dass die hier studieren, nicht erlauben, in dem Aus­maß, wie sie es gerne hätten, zu arbeiten.

Das sind explizit auch die Studierenden, die es möglicherweise auch mehr benötigen würden, denn das sind Leute aus Drittstaaten, die bei uns Studiengebühren zahlen müs­sen, die möglicherweise aus nicht so vermögenden Verhältnissen kommen, und es macht meines Erachtens überhaupt keinen Sinn, dass der Staat da wieder sagt: Du darfst arbeiten, aber nur in dem Ausmaß, wie ich mir das vorstelle. Ähnlich haben wir das bei Asylwerbern, dort ist es nicht das Ausmaß, sondern in der Regel die Beschäftigung an sich. Ich verstehe nicht, wieso wir Menschen aufgrund ihrer Herkunft diskriminieren müs­sen und nicht allen die gleichen Möglichkeiten geben. (Beifall bei den NEOS.)

23.08



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 280

Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 693/A dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.

11. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Michael Pock, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (842/A)

Präsident Karlheinz Kopf: Da das Verlangen auf Durchführung einer ersten Lesung hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 11 zurückgezogen wurde, findet diese nicht statt, und ich nehme sogleich die Zuweisung vor.

Ich weise den Antrag 842/A der Abgeordneten Michael Pock, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird, dem Verkehrsausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

23.09.16Einlauf

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 855/A(E) bis 882/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 3481/J bis 3492/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 23.10 Uhr ein, das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

23.09.58Schluss der Sitzung: 23.09 Uhr

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