Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung / Seite 134

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Deshalb sollte man es auch nicht „bedarfsabhängige Mindestsicherung“ nennen, son­dern Grundlohn, was es ist – zumindest in der Diskussion unter Politikern. (Abg. Mag. Molterer: Falsch! Einfach falsch!) – Das ist nicht „einfach falsch“, sondern das ist es! Es gibt einen Grundlohn, den man bekommt, unabhängig davon, was man tut. Und dann gibt es gewisse Verpflichtungen, die man auf sich nimmt – auf diese werde ich noch zu sprechen kommen –, und gewisse Abzüge, die man bekommt – im Wesent­lichen nur dann, wenn man in einer Familiengemeinschaft lebt. Abzüge werden im We­sentlichen nur dann vorgenommen, wenn man mit anderen in einer häuslichen Ge­meinschaft lebt, als Minderjähriger, als Ehepartner, als Lebensgefährte, sonst gibt es das nicht. Sonst ist es eine Grundsicherung.

Nächster Punkt: Ein ausreichender Abstand zum Arbeitseinkommen ist einfach nicht gewahrt. Da kann man sagen, was man will, diesen Abstand gibt es nicht. Da brauche ich nicht einmal Teilzeitbeschäftigung heranzuziehen, sondern, das ist schon erwähnt worden, sondern da reicht der Vergleich mit den Mindestlöhnen, mit den Lehrlingsent­schädigungen für das dritte und vierte Jahr, die teilweise unter der Grundsicherung lie­gen. Sehen Sie etwa in den Kollektivvertrag der Gastronomie: Im dritten Lehrjahr be­kommt man 678 € und im vierten Lehrjahr 734 € brutto an Lehrlingsentschädigung, al­so weniger als die Mindestsicherung.

Ich möchte jetzt gar nicht von Müttern sprechen, die wieder in das Erwerbsleben ein­treten und 20-, 25-, 30-Stunden-Verpflichtungen haben, wofür die Bezahlung in der Re­gel auch unter der Mindestsicherung liegt. Von einem ausreichenden Abstand kann al­so nicht die Rede sein. Es bedarf einer grundlegenden Reparatur unseres gesamten Entlohnungssystems, eines grundlegenden Überdenkens, wofür die Leute arbeiten müssen. Das kann in Österreich nicht der Betrag von 950 € netto sein, denn damit kann man nicht vernünftig auskommen. Wir müssen uns ein ordentliches Mindestlohn­niveau überlegen, andernfalls verdrängen wir unsere eigene Bevölkerung systematisch aus dem Arbeitsprozess und schaffen Arbeitsplätze, die nur noch für Menschen aus Ländern mit einem sehr niedrigen Lebensstandard interessant sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Letzte, das ich unbedingt ansprechen möchte, ist die Aussage, dass der Sozial­tourismus dadurch nicht gefördert wird. – Das ist schlichtweg falsch! Der Sozialtouris­mus wird nicht nur nicht nicht gefördert, sondern er wird extrem gefördert. Wir stehen vor der Aufhebung aller Begrenzungen hinsichtlich des Zugangs zu unserem Arbeits- und Sozialmarkt für etwa 75 Millionen neue EU-Bürger mit 1. Jänner 2011. 75 Millionen vom Baltikum über Polen, das ist nicht so dramatisch, bis in die Slowakei, nach Tsche­chien, Ungarn, das ist für uns dramatisch. Und Bürger dieser Staaten können, wenn sie sich hier drei Monate anmelden, in den Bezug der Mindestsicherung kommen.

Das ist ja noch nicht alles. Drei Jahre später kommen ja weitere 30 Millionen dazu, nämlich 7,5 Millionen Bulgaren und 22,5 Millionen Rumänen – in diesen Ländern ist der Lebensstandard noch weit niedriger. Dort liegt das Durchschnittseinkommen bei einem Drittel unserer Mindestsicherung.

Zu sagen, das wäre keine Einladung zum Sozialtourismus, ist absolut unehrlich. Das ist einfach unehrlich! Man kann sagen: Das ist kein Problem, wir sind reich genug, wir finanzieren die mit, die armen Rumänen und Bulgaren sollen ja auch leben!, aber dann muss man das ehrlich sagen und darf nicht so tun, als ginge es darum, der armen inländischen Bevölkerung zu helfen, denn gerade die kann – da haben die Grünen durchaus Recht – auch mit 744 € kein vernünftiges Auskommen finden. Deshalb wer­den wir diese Lösung ablehnen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Mag. Rudas gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite