Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll91. Sitzung / Seite 221

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noch offene Forderungen, wie etwa die finanzielle Unterstützung von Volksbegehren und die Erleichterung der Sammlung von Unterstützungserklärungen hin. Ein großer Teil der Stellungnahmen kann als neutral bezeichnet werden, in dem Sinne als sie sich nicht zur Grundsatzfrage – Ausbau der direkten Demokratie – äußerten. Sie setzten sich vor allem mit dem legistischen Verbesserungsbedarf des Entwurfs auseinander (z.B. Parlamentsdirektion, Bundeskanzleramt, Verfassungsgerichtshof). Vier Stellung­nahmen lehnten den Juni-Entwurf ab, weil nur eine zwingende Volksabstimmung als sinnvoll erachtet wurde (z.B. Volksgesetzgebung jetzt!, Mehr Demokratie).

Demokratieskepsis staatlicher Institutionen und politischer Eliten

Zentrales Argument der Gegner war, dass eine Volksbefragung de facto einer Volksab­stimmung gleichkomme. Das Ergebnis einer Volksbefragung sei mit einem solchen politischen Druck verbunden, dass das Parlament geradezu dazu gezwungen werde, das Ergebnis einer Volksbefragung durch einen Gesetzesbeschluss umzusetzen. Und dieses Ergebnis sei mit viel Geld, der Macht der Medien, sprich dem Boulevard und der Bedienung der niederen Instinkte in hohem Maße beeinflussbar. Diese Sichtweise misst dem freien Mandat und der Kraft des Arguments keinen Wert bzw. keine Chance zu. Denn wenn man die Annahme hat, Menschen wären willfährige Figuren, die sich von Medien steuern, jagen und irgendwo hinführen lassen, müsste man überhaupt ge­gen Demokratie sein, dann müsste man auch gegen Wahlen sein. Insofern hat die De­batte zum Demokratiepaket ein erschreckendes Ausmaß an Demokratieskepsis von staatlichen Institutionen und politischen Eliten zu Tage gefördert. So sehr Befürchtun­gen aus der geschichtlichen Perspektive auch gerechtfertigt sein mögen, schützen sie auch Politikerinnen und Politiker, die mehr auf Inserate als auf die Macht des sachli­chen Arguments setzen.

Nach der Nationalratswahl

Vor den Nationalratswahlen 2013 kam der Gesetzesentwurf jedenfalls nicht mehr zur Abstimmung. Während sich im Wahlkampf noch alle Parteien für direkte Demokratie aussprachen und die ÖVP direkte Demokratie sogar zur Koalitionsbedingung erklärte, stand kurze Zeit später, im Dezember 2013, nur noch wenig davon im Regierungspro­gramm. Die neue Koalition bekannte sich darin lediglich „zur sinnvollen Ergänzung der repräsentativen Demokratie durch direkt demokratische Einrichtungen im Sinne des Antrags 2177/A (idF des Begutachtungsentwurfs)“. Es solle daher „eine Enquete-Kom­mission im Nationalrat“ eingesetzt werden. Im September 2014 wurde schließlich vom Hauptausschuss die Einsetzung der Enquete-Kommission betreffend Stärkung der De­mokratie in Österreich beschlossen.

1. Ausbau der direkten Demokratie

1.1 Forderungen der Berichtslegerinnen und Berichtsleger

1.1.1 Dreistufige Volksgesetzgebung auf Bundes- und Landesebene

Ziel aller Oppositionsfraktionen ist die dreistufige Volksgesetzgebung auf Bundes- und Landesebene. Volksbegehren, die von einer bestimmten Anzahl an Wahlberechtigten unterschrieben werden (qualifizierte Volksbegehren), sollen bei Nichtumsetzung durch den Nationalrat automatisch zu einer verbindlichen Volksabstimmung führen. Durch die Verankerung der Volksgesetzgebung im Bundes-Verfassungsgesetz auf Bundesebene werden die Länder ermächtigt, eine Volksgesetzgebung auf Landesebene einzuführen. Sie sind in der näheren Ausgestaltung dieses Instruments frei. Ein Vetoreferendum auf Landesebene ist schon aufgrund des geltenden Bundes-Verfassungsgesetzes möglich, ebenso wie dies für verbindliche Volksabstimmungen auf Gemeindeebene der Fall ist.

Erste Stufe: Parlamentarische Bürgerinitiative

Eine erste Initiative soll bereits ab einer relativ niedrigen Hürde zu einer intensiven par­lamentarischen Behandlung führen, indem das bestehende System der parlamentari-


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