Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll91. Sitzung / Seite 224

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andersetzung mit dem politischen Gegenüber und den Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen. Nun wäre es an der Zeit gewesen, diese entsprechend umzusetzen.

Prinzip der Volkssouveränität

Direkte Demokratie wurde von keiner Expertin und keinem Experten als Alternative zur repräsentativen Demokratie gesehen, sondern als Ergänzung und Erweiterung des Prinzips der Volkssouveränität. Direkte, repräsentative und partizipative Demokratie dürfen daher keinesfalls gegeneinander ausgespielt werden, sie ergänzen einander vielmehr. Die derzeit in Österreich bestehenden direktdemokratischen Instrumente sind jedoch nicht mehr zeitgemäß. Viele Menschen wollen sich zunehmend in die staatliche Willensbildung einbringen und nicht nur alle paar Jahre zu den Wahlen gehen. Die Bevölkerung kann dem Nationalrat derzeit zwar Anliegen in Form von Volksbegehren oder parlamentarischen Petitionen unterbreiten, die Instrumente sind aber völlig unver­bindlich. Die Bürgerinnen und Bürger können keine Entscheidung selbst herbeiführen. Es muss daher endlich die Möglichkeit geschaffen werden, dass Gesetze auch aus der Bevölkerung heraus entstehen können.

Für eine Kultur des Miteinanders

Es geht dabei auch darum, sich von einer Kultur der Bevormundung zu verabschieden und eine Kultur des Miteinanders und der Zusammenarbeit zu etablieren. Studien be­kräftigen den vorteilhaften Effekt direktdemokratischer Instrumente auf das zivilgesell­schaftliche Engagement, die politische Informiertheit, das politische Vertrauen und so­gar auf die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger. Es ist an der Zeit, den Dialog zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und dem Parlament auch in Österreich auszu­bauen. Direkte Demokratie kann das Parlament stärken, wieder zu größerer Akzeptanz in der Öffentlichkeit führen und die Kluft zwischen Repräsentantinnen und Repräsen­tanten und den Repräsentierten verringern. Im Rahmen der dreistufigen Volksgesetz­gebung haben das Parlament und die Initiative die Möglichkeit, mehrmals in Dialog zueinander zu treten, Kompromisse zu erarbeiten und ihr Anliegen so gut auszuarbei­ten, dass der Gesetzentwurf nachher auch wirklich reif ist und das Parlament auch ei­nen guten Alternativvorschlag mit zur Abstimmung stellen kann.

Direkte Demokratie weltweit

Im Rahmen der dritten Sitzung der Enquete-Kommission berichteten internationale Ex­pertinnen und Experten über die direkte Demokratie in anderen Staaten. Rasch wurde deutlich, dass direkte Demokratie zu einem Grundbestandteil der politischen Systeme in Europa geworden ist. In Mittel- und Osteuropa hat man nach dem Fall des Eisernen Vorhangs direktdemokratische Instrumente gleichsam flächendeckend eingeführt. In der Schweiz gibt es auf allen Ebenen verbindliche direktdemokratische Instrumente, die von unten ausgehen. Sowohl auf Bundesebene, als auch auf kantonaler und kom­munaler Ebene gibt es obligatorische und fakultative Referenden (Vetoreferenden). Die Volksgesetzgebung gibt es auf Bundesebene als Verfassungsinitiative, auf kantonaler oder kommunaler Ebene auch als Gesetzesinitiative. In Deutschland ist die Volksge­setzgebung in allen 16 Bundesländern in den Verfassungen verankert. Diesbezüglich sei darauf hingewiesen, dass die Kompetenz der Länder dort weiter geht als in Ös­terreich. Auf Bundesebene gibt es in Deutschland zwar noch keine Volksgesetzge­bung, aber Entwürfe dafür. Ein von der SPD 2013 mit Parteitagsbeschluss verabschie­deter Gesetzesentwurf sieht etwa ein Modell der dreistufigen Volksgesetzgebung vor. Auch in den USA gibt es in 27 von 50 Bundesstaaten direkte Demokratie. Etwa zehn Staaten sind besonders bemerkenswert, am meisten direkte Demokratie herrscht in Oregon und Kalifornien. Dass man den Bürgerinnen und Bürgern auch einiges zu­trauen darf, wurde in den USA bereits vor über hundert Jahren bewiesen. Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Colorado dank der direkten Demokratie das Frauen­stimmrecht erkämpft, 1914 folgte Oregon. Auch die Todesstrafe ist in Oregon mit der


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