Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll91. Sitzung / Seite 225

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direkten Demokratie bereits 1914 abgeschafft worden. Es ist höchste Zeit dieses Ver­trauen auch in die österreichische Bevölkerung zu setzen!

1.3 Optionen zur Ausgestaltung direktdemokratischer Instrumente

Die Ausgestaltung der direkten Demokratie ist entscheidend für ihre Qualität und be­einflusst, inwieweit von direktdemokratischen Instrumenten Gebrauch gemacht wird. Da­mit direkte Demokratie ordentlich abläuft und es zu keinen Frustrationen kommt, braucht es einen klaren, rechtlich wohlgeordneten Rahmen. In der Enquete-Kommis­sion wurden zahlreiche Vorschläge präsentiert und diskutiert, wie die direkte Demo­kratie im Detail ausgestaltet sein sollte. Die Expertinnen und Experten haben die di­rekte Demokratie im Rahmen der Enquete-Kommission von allen Seiten beleuchtet und unzählige wertvolle Empfehlungen zu ihrer Ausgestaltung gegeben. Damit dieses Wissen auch in der Zukunft zur Verfügung steht, gibt die nachfolgende Darstellung ei­nen Überblick über die unterschiedlichen Vorschläge und Positionen. Die Expertenmei­nungen wurden nach bestem Wissen und Gewissen zusammengefasst und aufbe­reitet. Berücksichtigt wurden die Referate und Wortmeldungen der Referentinnen und Referenten, die Wortmeldungen der nicht stimmberechtigten Expertenmitglieder der Enquete-Kommission, sowie die Wortmeldungen der Vertreterinnen und Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft und der Medien.

1.3.1 Erweiterung der direkten Demokratie im Sinne eines Volksabstimmungs- oder eines Volksbefragungsautomatismus?

Während die Mehrzahl der Expertinnen und Experten einem Ausbau der direkten De­mokratie in Österreich grundsätzlich positiv gegenüber stand, wurden rege Diskus­sionen darüber geführt, ob diese im Sinne eines Volksabstimmungs- oder eines Volks­befragungsautomatismus erweitert werden sollte. Das Volksgesetzgebungsmodell sieht im Fall der Nichtumsetzung eines Volksbegehrens durch den Nationalrat die Ab­haltung einer Volksabstimmung vor, deren Ergebnis verbindlich ist (Volksabstimmungs­automatismus). Wird hingegen lediglich eine unverbindliche Volksbefragung durchge­führt, spricht man von einem Volksbefragungsautomatismus.

Befürwortung des Volksbefragungsautomatismus

Der Volksbefragungsautomatismus war Gegenstand intensiver Debatten. Merli, Öhlin­ger, Poier und Oppitz standen diesem positiv gegenüber. Öhlinger zufolge wäre eine Volksbefragung sinnvoller als eine Volksabstimmung mit ihrem unvermeidlichen Ja oder Nein, gerade auch, wenn man sich die EU-rechtlichen Verflechtungen ansehe. Das Volksbefragungsmodell würde den Dialog zwischen Parlament und Initiatorinnen und Initiatoren aktivieren und so eine Stärkung des Parlamentarismus bewirken. Auch Fürst meinte, sie könne mit einer Volksbefragung gut leben und plädierte ebenso wie Öhlinger dafür, dass dann niedrige Hürden geschaffen und möglichst wenige Themen ausgespart werden sollten. Decker könnte sich dieses Modell auch auf deutscher Bun­desebene vorstellen.

Kritik am Volksbefragungsautomatismus

Einige Expertinnen und Experten befürchteten, dass der politische Druck zur Umset­zung einer Volksbefragung so groß sei, dass sie quasi einer Volksabstimmung gleich komme. Auch wenn das Ergebnis der Volksbefragung nicht bindend sei, werde dem Nationalrat de facto sein Handlungsspielraum entzogen. Gamper stellte zudem klar, dass dieser politische Druck nicht so viel anders sei, als man ihn jetzt schon habe, wenn ein sehr gut unterstütztes Volksbegehrens entsprechend stark unterstützt werde. Öhlinger sah in dem Druck weniger eine Abwertung als vielmehr eine Stärkung des Parlaments, das letztlich immer noch zu entscheiden habe.

Auch Schiller ging von einer erheblichen Verpflichtung aus, Volksbefragungsergebnis­se zu akzeptieren – nicht hundertprozentig, aber doch in erheblichem Maße, da man


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