Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll91. Sitzung / Seite 228

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Regelungen in anderen Staaten

Braun Binder berichtete, dass es in der Schweiz grundsätzlich keine Themenaus­schlüsse gebe. Das Parlament habe eine Initiative, nachdem sie erfolgreich eingereicht worden sei, lediglich auf drei Aspekte hin zu überprüfen: Einheit der Form, Einheit der Materie und zwingende Bestimmungen des Völkerrechts. Unter Einheit der Form ver­stehe man, dass eine Initiative entweder ausformuliert sein müsse oder eine allge­meine Anregung enthalten müsse, die später vom Parlament weiter konkretisiert wer­de. Einheit der Materie bedeute, dass eine Volksinitiative nicht unterschiedliche The­men abdecken dürfe. Wenn einer dieser drei Aspekte verletzt werde, müsse das Parla­ment die Initiative für ungültig erklären.

Schiller schilderte, dass in den deutschen Bundesländern in der Regel Abgabenge­setze (kaum Kompetenzen auf Landesebene), Besoldungsgesetze, Tarife öffentlicher Unternehmen und Personalentscheidungen ausgeschlossen seien. Ein erhebliches Pro­blem sei hingegen der Ausschluss finanzwirksamer Vorlagen, da einige Länder auch einzelne ausgabenwirksame Entscheidungen weitgehend ausschließen würden. Auf­grund der spärlichen Kompetenzen auf Landesebene enge dies den ohnehin bereits eingegrenzten Anwendungsbereich der direkten Demokratie zu sehr ein.

Vospernik berichtete, dass von jenen zehn EU-Staaten mit Volksgesetzgebung nur Li­tauen und Kroatien Abstimmungen über Finanzgesetze zulassen würden. In den USA gebe es keine Themenausschlüsse, stellte Gross klar. Im Unterschied zur Schweiz ge­be es aber nach der Abstimmung die Möglichkeit, vor dem staatlichen Verfassungsge­richt zum Schutz von Minderheiten zu klagen.

1.3.3 Ist Rechtskontrolle vorzusehen und wenn ja wann, wie und durch wen?

Vorher oder nachher?

Eng verbunden mit Themenverboten ist die Frage, durch wen und wann die Über­prüfung der Zulässigkeit von direktdemokratischen Instrumenten erfolgt. So kann eine Zulässigkeitsprüfung vor Zulassung des Volksbegehrens oder vor einer Volksabstim­mung bzw. Volksbefragung erfolgen (präventive Kontrolle) oder bloß nach der Volksab­stimmung oder nach Inkrafttreten des Gesetzes (nachträgliche Kontrolle). Viele Exper­tinnen und Experten zogen die präventive Kontrolle der bloß nachträglichen Kontrolle vor. So erklärte Mayrhofer, dass die Ergebnisse direktdemokratischer Instrumente eine erhebliche faktische Wirkung hätten und es daher notwendig sei, ihre Zulässigkeit bereits vorab zu kontrollieren. Denn nach einer Volksabstimmung oder -befragung sei der politische Druck bereits entstanden, führte Merli aus.

Vollkontrolle oder Grobkontrolle?

Eine „Vollkontrolle“ auf Rechtmäßigkeit hielt Merli aber im Vorhinein für nicht durchführ­bar. Man brauche erst das Gesetz, damit es angewendet werde und man alle Aspekte sehe. Außerdem würde es viel zu lange dauern, bei Europarechtswidrigkeiten könnten sogar Vorlagen an den Europäischen Gerichtshof notwendig werden. Die Lösung sei daher eine „Grobkontrolle“, so dass man nur jene qualifizierten Volksbegehren verbie­te, die den Themenausschlüssen offensichtlich widersprechen würden. Das erleichtere dem VfGH die Entscheidung und überlasse auch noch ein Feld für die nachträgliche Kontrolle.

Öhlinger sprach sich hingegen gegen eine Grobkontrolle aus, da diese der Logik rich­terlicher Prüfung widerspreche. Das Parlament dürfe nicht seine Verantwortung auf ein Gericht – etwa den Verfassungsgerichtshof oder gar auf die Bundeswahlbehörde – ab­schieben. Mit diesen Methoden sei man auf dem Weg zum Richterstaat und werte das Parlament ab. Er plädierte daher für den Volksbefragungsautomatismus ohne Themen­ausschlüsse. Fürst, die sich ebenfalls für einen weitgehenden Verzicht auf Themen-


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