Regelungen in anderen Staaten
Braun Binder berichtete, dass es in der Schweiz grundsätzlich keine Themenausschlüsse gebe. Das Parlament habe eine Initiative, nachdem sie erfolgreich eingereicht worden sei, lediglich auf drei Aspekte hin zu überprüfen: Einheit der Form, Einheit der Materie und zwingende Bestimmungen des Völkerrechts. Unter Einheit der Form verstehe man, dass eine Initiative entweder ausformuliert sein müsse oder eine allgemeine Anregung enthalten müsse, die später vom Parlament weiter konkretisiert werde. Einheit der Materie bedeute, dass eine Volksinitiative nicht unterschiedliche Themen abdecken dürfe. Wenn einer dieser drei Aspekte verletzt werde, müsse das Parlament die Initiative für ungültig erklären.
Schiller schilderte, dass in den deutschen Bundesländern in der Regel Abgabengesetze (kaum Kompetenzen auf Landesebene), Besoldungsgesetze, Tarife öffentlicher Unternehmen und Personalentscheidungen ausgeschlossen seien. Ein erhebliches Problem sei hingegen der Ausschluss finanzwirksamer Vorlagen, da einige Länder auch einzelne ausgabenwirksame Entscheidungen weitgehend ausschließen würden. Aufgrund der spärlichen Kompetenzen auf Landesebene enge dies den ohnehin bereits eingegrenzten Anwendungsbereich der direkten Demokratie zu sehr ein.
Vospernik berichtete, dass von jenen zehn EU-Staaten mit Volksgesetzgebung nur Litauen und Kroatien Abstimmungen über Finanzgesetze zulassen würden. In den USA gebe es keine Themenausschlüsse, stellte Gross klar. Im Unterschied zur Schweiz gebe es aber nach der Abstimmung die Möglichkeit, vor dem staatlichen Verfassungsgericht zum Schutz von Minderheiten zu klagen.
1.3.3 Ist Rechtskontrolle vorzusehen und wenn ja wann, wie und durch wen?
Vorher oder nachher?
Eng verbunden mit Themenverboten ist die Frage, durch wen und wann die Überprüfung der Zulässigkeit von direktdemokratischen Instrumenten erfolgt. So kann eine Zulässigkeitsprüfung vor Zulassung des Volksbegehrens oder vor einer Volksabstimmung bzw. Volksbefragung erfolgen (präventive Kontrolle) oder bloß nach der Volksabstimmung oder nach Inkrafttreten des Gesetzes (nachträgliche Kontrolle). Viele Expertinnen und Experten zogen die präventive Kontrolle der bloß nachträglichen Kontrolle vor. So erklärte Mayrhofer, dass die Ergebnisse direktdemokratischer Instrumente eine erhebliche faktische Wirkung hätten und es daher notwendig sei, ihre Zulässigkeit bereits vorab zu kontrollieren. Denn nach einer Volksabstimmung oder -befragung sei der politische Druck bereits entstanden, führte Merli aus.
Vollkontrolle oder Grobkontrolle?
Eine „Vollkontrolle“ auf Rechtmäßigkeit hielt Merli aber im Vorhinein für nicht durchführbar. Man brauche erst das Gesetz, damit es angewendet werde und man alle Aspekte sehe. Außerdem würde es viel zu lange dauern, bei Europarechtswidrigkeiten könnten sogar Vorlagen an den Europäischen Gerichtshof notwendig werden. Die Lösung sei daher eine „Grobkontrolle“, so dass man nur jene qualifizierten Volksbegehren verbiete, die den Themenausschlüssen offensichtlich widersprechen würden. Das erleichtere dem VfGH die Entscheidung und überlasse auch noch ein Feld für die nachträgliche Kontrolle.
Öhlinger sprach sich hingegen gegen eine Grobkontrolle aus, da diese der Logik richterlicher Prüfung widerspreche. Das Parlament dürfe nicht seine Verantwortung auf ein Gericht – etwa den Verfassungsgerichtshof oder gar auf die Bundeswahlbehörde – abschieben. Mit diesen Methoden sei man auf dem Weg zum Richterstaat und werte das Parlament ab. Er plädierte daher für den Volksbefragungsautomatismus ohne Themenausschlüsse. Fürst, die sich ebenfalls für einen weitgehenden Verzicht auf Themen-
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