Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll91. Sitzung / Seite 229

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ausschlüsse aussprach, hielt die nachträgliche Gesetzeskontrolle durch die Gerichts­höfe, den Verfassungsgerichtshof und den Europäischen Gerichthof für Menschenrech-
te für ausreichend. Gamper führte in diesem Zusammenhang aus, dass immerhin auch jedes Jahr etliche Gesetze wegen Grundrechtsverletzungen aufgehoben werden wür­den, an deren Entstehung das Volk nicht unmittelbar beteiligt gewesen sei.

Regelungen in anderen Staaten

In der Schweiz überprüfe man die drei Ungültigkeitsgründe hingegen nach erfolgrei­cher Einreichung einer Volksinitiative vom Parlament, führte Braun Binder aus. Dies sei aber nicht so dramatisch, da sich die Initiatorinnen und Initiatoren im Vorfeld mehrere Wochen und Monate lang Wort für Wort intensiv mit einem Initiativtext befassen wür­den und ihnen dadurch die Grenzen zu einer Ungültigkeitserklärung sehr wohl klar seien. In den deutschen Bundesländern prüfe man alle Volksinitiativen und Volksbe­gehren vorab auf deren Zulässigkeit, dabei auch auf die Verfassungsmäßigkeit, schil­derte Schiller. Es gebe zwei oder drei Länder, wo das direkt zum Verfassungsgericht gehe. In Thüringen erfolge das über den Landtagspräsidenten, ansonsten mache das die Regierung. Das sei verfassungsgerichtlich nachprüfbar. Decker zufolge wäre bei Volksbegehren zu überlegen, ob man sie nicht automatisch einer Vorabkontrolle durch das Verfassungsgericht unterziehe, um die theoretisch mögliche nachträgliche Aufhe­bung eines volksbeschlossenen Gesetzes zu vermeiden. Gross berichtete, dass es in den USA die Möglichkeit gebe, nach der Abstimmung vor dem staatlichen Verfas­sungsgericht zu klagen. Dies habe zur Folge, dass zum Schutz von Minderheiten zum Beispiel in Kalifornien etwa die Hälfte der – auch der angenommenen – Volksbegehren für teilweise oder ganz ungültig erklärt worden seien, weil sie durch die Bundesver­fassung gegebene Minderheitenrechte nicht berücksichtigt hätten.

1.3.4 Unterstützungsschwellen, Quoren und Eintragungsfristen

Direktdemokratische Instrumente können unterschiedliche Hürden vorsehen. Sie kön­nen gemäß Hörmandinger die Legitimität von direktdemokratischen Instrumenten erhö­hen, diese aber auch verhindern. Man kann grundsätzlich zwei Phasen unterscheiden: Die Phase des Volksbegehrens und die Phase der Volksabstimmung. Die Hürde der Phase des Volksbegehrens ist die Sammlung von Unterstützungserklärungen. Sie setzt sich aus der Unterstützungsschwelle, also der Anzahl der zu sammelnden Unterstüt­zungserklärungen, und der dafür vorgesehenen Eintragungsfrist zusammen. In der Phase der Volksabstimmung geht es um die Frage, wie viele Bürgerinnen und Bürger an der Volksabstimmung teilnehmen müssen (Beteiligungsquorum) und wie viele dem Anliegen zustimmen müssen (Zustimmungsquorum), damit das Ergebnis gültig ist. Je geringer diese Hürden seien, desto häufiger würden direktdemokratische Instrumente zur Anwendung kommen und desto größer seien ihre politischen Erfolgschancen, so Grotz.

Unterstützungsschwellen

Volksbegehren, die vom Nationalrat nicht entsprechend umgesetzt werden, sollen ab einer bestimmten Anzahl von Unterstützungserklärungen verpflichtend einer Volksab­stimmung bzw. einer Volksbefragung unterzogen werden. In diesem Fall spricht man auch von qualifizierten Volksbegehren. Eine Unterstützungsschwelle von 10 % der Wahlberechtigten zur letzten Nationalratswahl ist nach mehrheitlicher Ansicht der Ex­pertinnen und Experten zu hoch. Öhlinger betonte, dass das Erfordernis von umge­rechnet etwa 640.000 Unterstützungserklärungen nicht gerade gering sei und in den letzten Jahrzehnten in Österreich nur sehr selten überschritten worden sei Gewessler warnte, dass dies vor allem für kleinere Initiativen einen faktischen Ausschluss von di­rektdemokratischen Instrumenten bedeuten würde und große Organisationen, Interes­senvertretungen und etablierte Organisationen bevorzugen würde. Gerade wenn man letztlich auf verbindliche Abstimmungen verzichte, könne man die Hürden senken, führ-


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