Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

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93. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 24. September 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

93. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 24. September 2015

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 24. September 2015: 12.01 – 12.03 Uhr

                                                                                                         15.01 – 19.29 Uhr

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Ordnungsrufe ..........................................................................................................  40, 67

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wor­tung 5940/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung .......................................................................................... 7

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung ........ 81

Redner/Rednerinnen:

Georg Willi ............................................................................................................... ..... 81

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................ ..... 83

Anton Heinzl ............................................................................................................ ..... 84

Andreas Ottenschläger .......................................................................................... ..... 85

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ..... 86

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................ ..... 87

Michael Pock ........................................................................................................... ..... 89

Christoph Hagen ..................................................................................................... ..... 90

Unterbrechung der Sitzung ............................................................................................ 8

Präsidentin Doris Bures zu anhaltender Unruhe im Sitzungssaal ...........  24, 25, 25, 27

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung in Bezug auf ordnungsrufverdächtige Äußerungen, im Sitzungssaal stattfindenden Aktionismus sowie Unterbrechun­gen durch die Vorsitzführung während eines Debattenbeitrages:

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 29

Mag. Andreas Schieder .......................................................................................... ..... 29

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ..... 30

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .............................................................................. ..... 30

Dr. Reinhold Lopatka ............................................................................................. ..... 31


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Stellungnahme der Präsidentin Doris Bures zu diesem Sachverhalt ...................... 29

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 7

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Österreich im Ausnahmezustand – sichere Grenzen statt Asylchaos (6581/J) .............. 8

Begründung: Heinz-Christian Strache ........................................................................ 13

Bundeskanzler Werner Faymann ............................................................................... 18

Debatte:

Herbert Kickl ................................................................................................................. 23

Mag. Andreas Schieder .......................................................................................... ..... 31

Dr. Reinhold Lopatka ............................................................................................. ..... 33

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .............................................................................. ..... 34

Mag. Dr. Matthias Strolz ......................................................................................... ..... 37

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ..... 39

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ..... 41

Angela Lueger ......................................................................................................... ..... 42

Werner Amon, MBA ................................................................................................ ..... 44

Mag. Alev Korun ..................................................................................................... ..... 45

Dr. Nikolaus Scherak .............................................................................................. ..... 47

Martina Schenk ....................................................................................................... ..... 49

Mag. Günther Kumpitsch ....................................................................................... ..... 51

Walter Schopf .......................................................................................................... ..... 53

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (tatsächliche Berichtigungen) ....................................  54, 72

Dorothea Schittenhelm .......................................................................................... ..... 55

Dr. Peter Pilz ........................................................................................................... ..... 56

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ..... 59

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ..... 62

Otto Pendl ................................................................................................................ ..... 63

Nikolaus Prinz ......................................................................................................... ..... 65

Dr. Harald Walser .................................................................................................... ..... 66

Christoph Hagen ..................................................................................................... ..... 68

Dr. Walter Rosenkranz (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 72

Dr. Harald Walser (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) ............................ 73

Johann Rädler ......................................................................................................... ..... 73

Ing. Waltraud Dietrich ............................................................................................ ..... 74

Rupert Doppler ....................................................................................................... ..... 74

Gerhard Schmid ...................................................................................................... ..... 75

Dr. Jessi Lintl .......................................................................................................... ..... 76

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ......................................................................... ..... 77

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegen­über der Bundesregierung gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungs­gesetzes – Ablehnung ............................................................  28, 80

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Rein­hold Lopatka, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Hilfe vor Ort für die Kriegsflüchtlinge aus Syrien – Annahme (E 110) ......................................................................................  58, 80


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einrichtung von UNO-Schutzzonen in Krisenregionen“ – Ablehnung ...................  61, 80

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung temporärer Grenzkontrollen in allen Bundes­ländern“ – Ablehnung ....  70, 80

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „48 Stunden Asylverfahrensdauer laut Schweizer Modell“ – Ablehnung ......................  71, 81

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Entbürokratisierung und Erleichterungen für die Wirtschaft (1348/A)(E)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entfall einer disziplinären Ver­folgung von Beamten trotz voller Sanktionierung unter Diversion (1349/A)(E)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „48 Stunden Asylverfahrens­dauer laut Schweizer Modell“ (1350/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Österreich im Ausnahmezustand – sichere Grenzen statt Asylchaos (6581/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanzler betreffend Sonderurlaub für Flüchtlingshelfer (6582/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­minis­terin für Bildung und Frauen betreffend Sonderurlaub für Flüchtlingshelfer (6583/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Sonderurlaub für Flüchtlings­helfer (6584/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Familien und Jugend betreffend Sonderurlaub für Flüchtlingshelfer (6585/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Finanzen betreffend Sonderurlaub für Flüchtlingshelfer (6586/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Gesundheit betreffend Sonderurlaub für Flüchtlingshelfer (6587/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Inneres betreffend Sonderurlaub für Flüchtlingshelfer (6588/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Justiz betreffend Sonderurlaub für Flüchtlingshelfer (6589/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Sonderurlaub für Flüchtlingshelfer (6590/J)


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Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Son­derurlaub für Flüchtlingshelfer (6591/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Landesverteidigung und Sport betreffend Sonderurlaub für Flüchtlingshelfer (6592/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Sonderurlaub für Flücht­lings­helfer (6593/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Sonderurlaub für Flücht­lingshelfer (6594/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Rote Taxiinnung und Wucherpreise für Asylanten-Schlepper (6595/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Rote Taxiinnung und Wucherpreise für Asylanten-Schlepper (6596/J)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Einstellung der Strecke Höhenbahn Schober­boden–Reißeck/Seenplateau gem. § 2 EisbG (6597/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend ungerechten Finanzausgleich für den ländlichen Raum (6598/J)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Praxistauglichkeit der Registrierkassenpflicht (6599/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Besuch des Ausbildungslehrganges E2a im Parlament (6600/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Asylanten am Grenzübergang Mureck (6601/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Asylanten am Grenzübergang Bad Radkersburg (6602/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Auszahlung der einheitlichen Betriebsprämie 2015 (6603/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Asylanten am Grenzübergang Spielfeld (6604/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend EU-Gütesiegel und verpflichtendes Logo (6605/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas (6606/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Auszahlungen der Förder­gelder 2015“ (6607/J)


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Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Merkel/Faymann Enteignungsplan?: Inhalte des Gespräches von Merkel und Faymann in Berlin“ (6608/J)

Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend „Gesundheitsschutz vor eingeschleppten meldepflichtigen Krankheiten“ (6609/J)

Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Gesundheitsschutz vor eingeschleppten meldepflichtigen Krankheiten“ (6610/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Gefahr für die Bevölkerung durch Freiwerden von Rauchgasen (6611/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minis­ter für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Rote Taxiinnung und Wucherpreise für Asylanten-Schlepper (6612/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Anwendung der Sharia in Österreich (6613/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Anwendung der Sharia in Österreich (6614/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Anwendung der Sharia in Österreich (6615/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Anwendung der Sharia in Österreich (6616/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Anwendung der Sharia in Österreich (6617/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Beschäftigungspflicht von begünstigten Behinderten (6618/J)

Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Liste sicherer Herkunftsstaaten (6619/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend die OECD-Daten zur österreichischen Lohnentwicklung (6620/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­minis­terin für Gesundheit betreffend Zweiklassenmedizin bei CT und MRT (6621/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Rückgang preisbereinigter Tourismus­um­sätze (6622/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend ausreichende Dotierung für Konsumenteninformation (6623/J)


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Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Flüchtlinge in Europa (6624/J)

Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Vergewaltigung in Traiskirchen (6625/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Anwesenheit von Ibrahim El-Zayat im König Abdullah Zentrum Wien (6626/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Geheimpapier zur Gefährdung der Sicherheit durch den Flüchtlingsstrom (6627/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend die Anwesenheit von Ibrahim El-Zayat im König Abdullah Zentrum Wien (6628/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend: schwer verletzte Kühe auf Tiertransporter entdeckt (6629/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Fettleber als neue Volkskrankheit (6630/J)


 


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12.00.32 Beginn der Sitzung: 12.01 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Prä­sident Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich eröffne die 93. Sitzung des Nationalrates, die aufgrund eines ausreichend unter­stütz­ten Verlangens gemäß § 46 Abs. 6 des Geschäftsordnungsgesetzes einberufen wurde.

Als verhindert gemeldet sind für die heutige Sitzung die Abgeordneten Keck, Durchschlag, Huainigg, Schmuckenschlager, Schrangl, Winter, Zanger, Aslan, Jarmer, Moser, Schellhorn; Neubauer und Stefan.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Doris Bures: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertre­tung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter wird durch die Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin und der Bundesminister für Europa, Integration und Äuße­res Sebastian Kurz wird durch den Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner vertreten.

12.01.40Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsidentin Doris Bures: Der Freiheitliche Parlamentsklub hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die am Beginn der Sitzung eingebrachte schriftliche Anfrage 6581/J der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Österreich im Ausnahmezustand – sichere Grenzen statt Asylchaos dringlich zu behandeln.

12.02.09Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 5940/AB

 


Präsidentin Doris Bures: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze De­batte über die Beantwortung 5940/AB der Anfrage 6083/J der Abgeordneten Georg Willi, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anflugverfahren am Flughafen Wien: Curved Approach durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage ver­langt wurde, wird diese kurze Debatte im Anschluss daran stattfinden.

Der Aufruf der Dringlichen Anfrage wird um 15 Uhr erfolgen.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung dann von ORF III in voller Länge live übertragen wird.


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Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 12.03 Uhr unterbrochen und um 15.01 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

15.02.04Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Österreich im Ausnahmezustand – sichere Grenzen statt Asylchaos (6581/J)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 6581/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Seit 4. September 2015 reisten zehntausende Fremde von Ungarn illegal nach Österreich ein und zum Teil durch, weiter nach Deutschland. Diese Menschen sind entgegen des Schengener Grenzkodex an den Außengrenzen nicht kontrolliert worden. Ab Sonntag, 13. September 2015 gab es keine Durchreise mehr, da Deutschland Schengen ausgesetzt hat und wieder Grenzkontrollen durchführt. Die ungarisch-österreichische Grenze war weiterhin unkontrolliert offen für jeden Übertritt. Gegenwärtig werden lediglich Pseudokontrollen durchgeführt. De facto hat jeder Dritt­staatsangehörige die Möglichkeit, illegal nach Österreich einzureisen. Das ist besorg­niserregend, zumal ein Ende der nach Österreich und Europa hereinströmenden Wirtschafts- und Kriegsflüchtlinge nicht absehbar ist.

Der APA045 vom 14. September 2015 war zu entnehmen: „Aus Ungarn kamen seit Sonntag 00.00 Uhr mehr als 16.600 Menschen im Burgenland an. In den nächsten Stunden werden weitere mehrere Tausend Menschen aus Ungarn in Nickelsdorf erwartet.“

Die praktizierte Nichtdurchführung der Kontrollen und Ausgleichsmaßnahmen,  also die vorsätzliche Unterlassung der Vollziehung der Gesetze, gefährdet massiv die Aufrecht­erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Österreich. Nicht zuletzt bestätigt sich dies leider immer wieder in Aufgriffen von Terroristen, welche sich als Flüchtlinge getarnt hatten, wie zum Beispiel die Kronen-Zeitung vom 21.05.2015 berichtete: „Terrorist kam als Flüchtling: "Sorge berechtigt"“.

Dieses große Problem wurde auch vom ehemaligen Innenminister und Unionsfrak­tionsvize Hans-Peter Friedrich der CSU erkannt. Er wird in der „Passauer Neuen Presse“ mit den Worten, „völlig unverantwortlich, dass jetzt Zigtausende unkontrolliert und unregistriert ins Land strömen und man nur unzuverlässig genau abschätzen kann, wie viele davon ISIS-Kämpfer oder islamistische Schläfer seien“, zitiert.


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Auch der Ministerpräsident von Bayern und Vorsitzender der CSU Horst Seehofer rügte diese Vorgehensweise, wie der APA443 vom 11. September 2015 entnommen werden konnte:

„„Zur Entscheidung Merkels vom vergangenen Wochenende, die Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland fahren zu lassen, sagte der CSU-Vorsitzende Horst See­hofer dem "Spiegel": "Das war ein Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird". "Ich sehe keine Möglichkeit, den Stöpsel wieder auf die Flasche zu kriegen." Deutschland komme bald in "eine nicht mehr zu beherrschende Notlage."“

Es wäre eigentlich die Aufgabe des Bundeskanzlers und der Bundesregierung, sich abzeichnende Lagen fachgemäß einzuschätzen und entsprechend vorausschauend zu handeln, anstatt zuzusehen, wie die Situation eskaliert und sich dann noch lobt, wie gut man durch „nichts tun“ professionell agiert hätte.

Das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen: vollkommene Aufgabe der öffentlichen Ordnung, in den Grenzregionen lässt die Regierung die eigene Bevölkerung im Stich, Verkehrschaos – der öffentliche Verkehr bricht zusammen, Autobahnen werden ge­schlossen, der Zugverkehr eingestellt, europäische und internationale Abkommen nicht eingehalten, Gesetze verletzt oder nicht vollzogen. Das entspricht nicht den Anforde­rungen an einen Rechtsstaat und an eine vertrauenswürdig handelnde Regierung, die als „Vorbereitung“ alles dazu getan hat, um die Sicherheitsinstrumentarien des Staates – Polizei und Bundesheer – zu zerschlagen.

Die einzige Leistung des Bundeskanzlers bestand in der Beleidigung Ungarns, welches versucht hat, den Schengener Grenzkodex einzuhalten. Anstatt Ungarn dabei zu unterstützen, wurde es von der Bundesregierung und den EU-Verantwortlichen im Stich gelassen. Durch diese Handlungsweise hat der Bundeskanzler Österreich im europäischen Umfeld geschadet, was auch innenpolitisch für großes Unverständnis sorgte und Kritik hervorrief:

„Was ich für gar nicht hilfreich halte, ist, dass der Kanzler in dieser Situation die Konfrontation mit dem ungarischen Ministerpräsidenten gesucht hat, statt das Mit­einander zu pflegen. Ich fürchte, da haben ihn gewisse Spindoctoren in eine falsche Richtung gedrängt, die eines Staatsmannes nicht würdig ist und die Situation schwie­riger macht.", so der Niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll in einem Interview mit ÖSTERREICH vom 12. September 2015.

Die Einführung von Grenzkontrollen hätte schon vor längerer Zeit umgesetzt gehört. Doch ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner lehnte – vom Bundeskanzler unwidersprochen – sogar den Vorschlag nach intensiveren Grenzkontrollen aufgrund der Flüchtlingskrise am 29.08.2015 in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“ mit dem Argument, dass dies rechtlich problematisch sei, ab.

Eigenartige Haltung des Vizekanzlers, denn der Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schen­gener Grenzkodex) ermächtigt einen Mitgliedstaat, im Falle einer schwerwie­genden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit, ausnahmsweise nach dem in Artikel 24 festgelegten Verfahren oder in dringenden Fällen nach dem in Artikel 25 festgelegten Verfahren für einen begrenzten Zeitraum von höchstens 30 Ta­gen oder für die vorhersehbare Dauer der schwerwiegenden Bedrohung, wenn ihre Dauer den Zeitraum von 30 Tagen überschreitet, an seinen Binnengrenzen wieder Grenzkontrollen einführen.

Artikel 25 sieht vor, dass, wenn die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit eines Mitgliedstaats ein sofortiges Handeln erfordert, der betreffende Mitgliedstaat aus-


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nahmsweise an den Binnengrenzen unverzüglich Grenzkontrollen wieder einführen kann.

Statt die Unterbringung der Flüchtlinge in ihrer Heimatregion und eine effektive Rück-kehrpolitik zu fordern, so wie es letzte Woche der niederländische König Willem-Alexander in der Thronrede in Den Haag getan hat, sprach sich Innenministerin Mikl-Leitner, als auch Bundeskanzler Faymann, dafür aus, Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten einen "legalen Weg nach Europa" zu ermöglichen, wie der APA am 28.08.2015 entnommen werden konnte. Dabei sollte ihnen bewusst sein, dass eine „Quotenregelung“ kein Problem löst, solange die Außengrenzen des Schengen-Raums nicht wirksam gegen illegal Einreisende abgeschottet werden. Das Problem liegt nicht in der Verteilung, sondern in der Menge. Vor diesem Hintergrund ist die Ankündigung, dass deutsche Gemeinden die Beschlagnahme von privaten Gebäuden und Wohnungen zur Unterbringung von Fremden in Aussicht nehmen, besorgniserregend.

Die zwangsweise Verteilung von Drittstaatsangehörigen nach Quoten auf die EU-Mitgliedsstaaten wird nicht nur auf Grund der fehlenden Bereitschaft sowohl der Länder als auch der Fremden nicht funktionieren, sie berücksichtigt vor allem nicht die Tat­sache, dass es sich bei einem Großteil der Fremden nicht um Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention handelt, sondern um illegal eingereiste Wirtschaftsmigranten, die nicht zu verteilen, sondern sofort zurückzuführen wären.

Zu den bereits ca. 53.000 Asylsuchenden seit Jänner 2015 in Österreich und den vielen tausenden Migranten auf dem Weg nach Deutschland in Österreich befindlich, sollen jetzt noch rund 3600 Flüchtlinge auf Grund der nun beschlossenen Quote dazu kommen. Aber es werden sicher noch mehr, da die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für 2015 rund eine Million Asylwerber in Europa erwartet. Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) rechnet mit täglich 6.000 neuen Flüchtlingen in Europa.

Vor diesem Hintergrund ist auch ein Bericht des „Bayrischen Rundfunks“ vom 22.9.2015 beachtlich:

„Flüchtlinge in Europa, Österreichs Behörden sorgen sich um Sicherheit

Die österreichischen Sicherheitsbehörden haben die Flüchtlingszuwanderung analy­siert. Das Innenministerium in Wien kommt zum Schluß, dass ein anhaltender Zustrom eine Gefahr für die Innere Sicherheit darstellt.

Wörtlich heißt es in dem Geheimpapier, dass auch den bayerischen Behörden ge‑schickt wurde: "Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit durch die massive Bindung des Polizeipersonals zur Abwicklung der Tätigkeiten im Zusammenhang mit illegalen Einreisen." Insgesamt drohten eine Überforderung der Asyl-und Versorgungssysteme. Zudem, so heißt es in dem Papier, das dem Bayerischen Rundfunk vorliegt, drohe eine "Gefahr interethnischer und interreligiöser Konflikte unter den Migranten" bis hin zu einer "Außerkraftsetzung der gesetzlichen Strukturen". (…)“

Vor dem Hintergrund der sicherheitsgefährdenden Vorkommnisse an der österreichi­schen Staatsgrenze seit 4. September 2015, der geduldeten unkontrollierten illegalen Einreise von mehreren zehntausenden Fremden auf österreichisches Staatsgebiet, der offensiven Untätigkeit der Bundesregierung und der nichtabsehbaren Auswirkungen auf Österreich, ergeht an den Bundeskanzler folgende


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Dringliche Anfrage

1. Welche konkreten Ergebnisse brachte der gestrige EU-Gipfel hinsichtlich der Errichtung einer "Festung Europa" hervor?

2. Bekennt sich die Österreichische Bundesregierung zum politischen Ziel der Errichtung einer "Festung Europa"?

3. Ist die Verteidigung der christlich-abendländischen Leitkultur ein politisches Ziel der Europäischen Union und der Österreichischen Bundesregierung?

4. Wenn nein, wie wollen Sie Österreich und das restliche christliche Abendland vor der im Gange befindlichen existenzbedrohenden Völkerwanderung schützen?

5. Welche konkreten Strategien verfolgen die Europäische Union und die Bundes­regierung, um Europa und Österreich vor einer weiteren Islamisierung und Überfrem­dung zu schützen?

6. Was ist die Rechtsgrundlage für die unkontrollierte und willkürliche Einreise einer unüberschaubaren Menschenmenge von Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen in den vergangenen Wochen?

7. Welche Kenntnisse haben Sie über die Zusammensetzung dieser Menschenmenge in Hinblick auf deren Herkunft, demographische Zusammensetzung und tatsächliche Gefährdungslage?

8. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung gesetzt, um eine Einreise von in den Flüchtlingsmassen befindlichen Dschihadisten zu verhindern?

9. Welche konkreten Maßnahmen sind in Aussicht genommen, um Illegale unver­züglich außer Landes zu schaffen?

10. Welche Auswirkungen hat die im Gange befindliche Völkerwanderung auf das österreichische Gesundheits-, Schul- und Sozialwesen?

11. Welche Auswirkungen wird sie - vor dem Hintergrund der bereits herrschenden Rekordarbeitslosigkeit - auf den österreichischen Arbeitsmarkt haben?

12. Teilen Sie die Forderung von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach einem Arbeitsrecht für Asylwerber „vom ersten Tag an“?

13. Sind die Genfer Flüchtlingskonvention und die EMRK zeitgemäße Rechtsgrund­lagen um die im Gange befindliche Völkerwanderung zu stoppen?

14. Wenn nicht, prüft die Österreichische Bundesregierung eine Änderung dieser Rechtslage, um eine restriktive Flüchtlingspolitik, insbesondre ein gesetzliches Limit für die Anwesenheit von Fremden im Bundesgebiet, zu ermöglichen?

15. Haben Sie sich auf Europäischer Ebene dafür eingesetzt, unser Nachbarland Ungarn beim Schutz der Schengen-Außengrenze zu unterstützen?

16. Haben Sie sich bei Ihrem Amtskollegen Victor Orban für Ihre Entgleisung, in der Sie die ungarische Politik mit den Verbrechen des Nationalsozialismus gleich gesetzt haben, entschuldigt?

17. Welche Intention lag Ihrer Forderung nach einer legalen Einreisemöglichkeit für alle Drittstaatsangehörigen, die nach Österreich wollen, zugrunde?

18. Warum haben Sie die Bundesministerin für Inneres nicht aufgefordert, die Grenzen zu schließen, um eine Gefährdung der österreichischen Bevölkerung durch unkon­trollierte Fremde, die illegal nach Österreich kommen, zu verhindern?


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19. Warum haben Sie nicht versucht, gemeinsam mit den Ungarn das Problem recht­zeitig zu lösen oder zumindest unseren Nachbarn auf europäischer Ebene zu helfen?

20. Wie viele Flüchtlinge halten sich derzeit in Österreich auf?

21. Wie viele davon sind registriert?

22. Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung für die Betreuung dieser Flüchtlinge im heurigen Jahr?

23. Was passiert mit Fremden, die nicht um Asyl ansuchen, aber auch nicht weiterreisen (können)?

24. Wie viele Flüchtlinge wurden in den vergangenen Wochen auf Grund der nun stattfindenden Kontrollen a limine zurückgewiesen?

25. Wird das Dublin III Abkommen von Österreich noch vollzogen?

26. Was geschieht mit jenen Flüchtlingen, die an der Grenze aufgegriffen werden und kein Recht auf Asyl haben?

27. Warum bieten gerade Österreich und Deutschland einen solchen Anreiz für Wirt­schaftsmigranten?

28. Welche Maßnahmen werden Sie nach der geplanten Verteilung der 120.000 Fremden auf die Mitgliedstaaten ergreifen, wenn der Ansturm von Drittstaats­ange­hörigen nicht endet?

29. Wie viele Wirtschafts- und Kriegsflüchtlinge kann Österreich aufnehmen?

30. Was ist Ihre Strategie, wenn die osteuropäischen Staaten, die sich gegen die Flüchtlingsquoten aussprechen, keine Flüchtlinge aufnehmen?

31. Wie verträgt sich eine europäische Flüchtlingsquote mit dem Erkenntnis des Ver­waltungsgerichtshofes, nach dem Ungarn kein sicheres Drittland wäre?

32. Gibt es zwischen Ihrer Ungarn-Beleidigung und dem Erkenntnis des Verwaltungs­gerichtshofs einen tatsächlichen Zusammenhang, zumal die Vizepräsidentin des Ver­waltungsgerichtshof Dr. Angela Sporrer ehemalige Büroleiterin der SPÖ-Frauenchefin Heinisch-Hosek war?

33. Welche Gründe stehen einem lückenlosen Schutz der Bundesgrenze einschließlich der Grünen Grenze allenfalls unter Zuhilfenahme des Bundesheeres entgegen?

34. Welche genauen Tätigkeiten und Aufgaben verrichtet das Bundesheer im jetzt angelaufenen Assistenzeinsatz, zumal es mit der Kontrolle der Grünen Grenze definitiv nicht beauftragt wurde?

35. Ist Ihnen das in der Begründung angesprochene Geheimpapier, das auch den bayrischen Behörden übermittelt wurde, bekannt?

36. Wenn ja, was ist der wesentliche Inhalt?

37. Was wird die Bundesregierung konkret unternehmen, um der in dem Geheimpapier beschriebenen Gefährdungslage entgegenzuwirken?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln und dem Erstanfragesteller die Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gehen in die Debatte ein.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 13

Als erstem Redner erteile ich Herrn Klubobmann Strache als Fragesteller zur Begrün­dung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


15.02.39

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Es ist ein ernstes und wichtiges Problem, das wir heute hier im Hohen Haus im Rahmen der von uns verlangten Sondersitzung diskutieren; ein Problem, bei dem es wahrlich auch um die Zukunft unseres Heimatlandes geht, um die Zukunft Österreichs, und ein Problem, das uns leider, wenn man weiter so unverantwortlich fortfährt, wie das aktuell von dieser Bundesregierung auch zu verantworten ist, noch lange beschäftigen wird. (Die Abgeordneten der Grünen beginnen, in eine vor der Sitzbank von Klubobfrau Glawischnig-Piesczek stehende Spendenbox mit der Aufschrift FLÜCHTLINGSHILFE in stetigem Wechsel Papiergeld einzuwerfen.)

Was wir erleben, ist ein gröbliches Versagen auf unterschiedlichsten Ebenen, ein Ver­sagen aufseiten der Institutionen der Europäischen Union, ein Versagen der öster­reichischen Regierung, die es nicht geschafft hat, nach dem Scheitern von Schengen, Verantwortung für die eigenen Staatsbürger zu übernehmen und, wenn die Schengen-Außengrenzen in dieser Ausnahmesituation nicht mehr funktionieren, die nationalstaat­lichen Grenzen zu sichern und zu kontrollieren. Das ist bis heute nicht der Fall. (Beifall bei der FPÖ. – Auch Abgeordnete der NEOS beginnen, sich an der Spendenaktion zu beteiligen.)

Was wir heute erleben, ist nicht der Höhepunkt, sondern, wie viele Experten sagen, erst der Beginn einer neuen Völkerwanderung. Da machen wir uns doch bitte nichts vor; wer das abstreitet, der lügt sich in die eigene Tasche!

EU-Ratspräsident Donald Task hat gestern gesagt – Entschuldigung, er heißt Tusk – immer wieder bei Namen unterschiedliche Aussprache, dann ist es der Donald „Task“ oder Tusk, wie auch immer, man weiß, wer gemeint ist –, dass sich die Europäische Union darauf einstellen muss, dass nicht weniger, sondern mehr Flüchtlinge kommen. Tusk hat gesagt, wir reden über Millionen, in Wahrheit über zig Millionen potenzielle Flüchtlinge. Ich sage bewusst: „Flüchtlinge“ unter Anführungszeichen, weil hier alle, die sich im Bereich einer Völkerwanderung auf den Weg machen, heute immer wieder von der veröffentlichten Meinung, aber auch von Regierungsverantwortlichen als „Flücht­linge“ bezeichnet werden, obwohl das mit Sicherheit nicht alles Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention sind. (Nach und nach schließen sich auch Abgeordnete der SPÖ der Gruppe der in die Spendenbox einwerfenden Personen an.)

Das Problem dabei ist, dass die Bundesregierung diese Problematik bis heute offenbar nicht wirklich verstanden hat und auch nicht entsprechend darauf eingeht – der Bun­deskanzler agiert nach dem Motto: Die Frau Merkel gibt vor, ich folge ihr; Frau Merkel wird es schon richten! –, dass man selber tätig werden muss, wenn andere Mechanis­men versagen und man eine Verantwortung hat als Kanzler, als Regierungsmitglied, als Innenministerin. Wenn es dann um die eigenstaatliche Durchsetzung von Rechts­staat, Demokratie und Gesetzeseinhaltung geht, kann man diese Verantwortung nicht Richtung Europäische Union abschieben, wie Sie das getan haben!

Natürlich haben wir auch Entwicklungen erlebt, die in der Bundesrepublik Deutschland begonnen haben, wo vom deutschen Bundesasylamt im Jahr 2014 ein durchaus sehr absurdes und groteskes Werbevideo veröffentlicht wurde, in zehn Sprachen übersetzt, eine Art Werbevideo in die Welt hinausgesendet wurde, so nach dem Motto: Kommt alle, wer Lust und Laune hat, in Deutschland gibt es ein besseres Leben!


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Wenn man sich dieses Video ansieht, dann kann man sich nur wundern, auf welche Art und Weise da Werbung gemacht worden ist: völlig abseits jeglicher Realität. Aber das hat unter anderem natürlich auch zu diesem – wenn man so will – Völkerwanderungs­phänomen, zu dieser Migration beigetragen und das auch mitunterstützt. Eine sozial­romantische Einladungs- und Willkommenskultur für die ganze Welt, ohne Differen­zierung und abseits von rechtsstaatlichen Prinzipien.

SPÖ und ÖVP versuchen in Wahrheit, ihr Scheitern zuzudecken, man versucht das Chaos, das man selbst mitverursacht hat, zuzudecken, indem man viel zu spät dann mit Placebo-Entscheidungen tätig geworden ist. Wenn man das Bundesheer mittels Assistenzeinsatz an die Grenze befiehlt, nachdem die Deutschen – unter dem Druck der CSU auf Merkel – mit Grenzkontrollen begonnen hatten, aber dies mit dem Auftrag, dass es sich ausdrücklich nicht um Grenzkontrollen, Grenzschutz und Grenzsicherung handelt, sondern eben um Betreuung all jener, die man rechtswidrig hereinlässt, nämlich bewusst rechtswidrig, indem Gesetze nicht eingehalten werden – sodass man sehr wohl konkret auch vom Verdacht des Amtsmissbrauches jener Verantwortungs­träger reden muss, die das zulassen und nicht abstellen –, wenn es keine Passkon­trol­len gibt, wenn es keine Registrierung jener Menschen gibt, die illegal und gesetzwidrig hereingelassen werden, und man gar nicht weiß, wer da heute eigentlich bei uns herinnen ist, weil man bis dato kein Foto gemacht hat, keinen Fingerprint, nicht eruiert hat, wie derjenige heißt oder welchen Namen er zumindest angibt, aus welchem Land er kommt, dann ist das unverantwortlich und auch gemeingefährlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Das muss man offen ansprechen und auch kritisieren, denn das betrifft uns alle und kann sehr, sehr negative und dramatische Folgen nach sich ziehen. Alleine gestern sind in Nickelsdorf weitere 7 000 Menschen angekommen – und das sind ja nur die offiziellen Zahlen. Allein am vergangenen Wochenende sollen es über 21 000 Men­schen gewesen sein; auch das sind die offiziellen Zahlen. Wie man aber auf diese Zahlen kommt, das frage ich mich schon, wenn man bis dato keine Registrierung vornimmt; dann ist das auch durchaus wahrscheinlich nicht ganz nachvollziehbar.

Es weiß niemand wirklich genau, wie viele heute da sind, wie viele untergetaucht sind, wie viele weiter nach Deutschland gereist sind – und das ist in Wahrheit ein untrag­barer Zustand.

Das wurde auch gestern von deutschen Behörden aufgezeigt. Wenn offenbar ein Papier aus dem Innenministerium bei deutschen Behörden angekommen ist, in dem dann ausdrücklich auch darauf Bezug genommen wird und man feststellt, dass es eine Gefährdung der inneren Sicherheit gibt, dass die innere Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann, dass die Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung besteht und ernst zu nehmen ist, dass massive Bindung und Überforderung der Polizeikräfte der Fall ist, die gar nicht mehr ihrer eigentlichen Arbeit und Tätigkeit nachkommen können, wenn es darum geht (Beifall bei Grünen und NEOS für Abgeordnete der ÖVP, die ebenfalls beginnen, Papiergeld in die Spenden­box zu werfen), dass Kriminalität heute ungehindert getätigt werden kann, wenn in dem Schreiben des österreichischen Innenministeriums festgestellt wird, dass es sich um illegale, rechtswidrige Einreisen handelt, wenn in dem Bericht festgestellt wird, dass Gefahr interreligiöser und ethnischer Konflikte gegeben und ernst zu nehmen ist und die Außerkraftsetzung der gesetzlichen Strukturen festgestellt wird, dann kann ich nur sagen:

Angesichts Ihres Versagens ist es Zeit, zurückzutreten! (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 15

Sie sind rücktrittsreif und Sie haben all Ihre Verantwortung, zu der Sie der österreichi­schen Bevölkerung gegenüber gesetzlich verpflichtet sind, aufs Gröbste vernachlässigt und unterlassen!

Ich habe vergangene Woche eine Erklärung zur Asylproblematik abgegeben, bei der wir auch die modernen Kommunikationsebenen bemüht haben, über Facebook und YouTube. Ja, da kann der eine oder andere politische Mitbewerber lästern, aber: Es haben bereits 2 Millionen Menschen Interesse gezeigt, sich diese Grundsatzerklärung zur aktuellen Problematik anzusehen und anzuhören. Und ja, in dieser Erklärung habe ich auch einige Fragen aufgeworfen. Wir wissen alle, dass es Leid gibt in gewissen Regionen, dass es Menschen gibt, die um Leib und Leben fürchten müssen. Das sind die wirklich Verfolgten, denen wir im Sinne der Genfer Konvention auch vollsten Schutz und vollste Hilfe und auch Aufnahme und Sicherheit gewähren müssen. Genau da haben wir diese Verantwortung. (Beifall bei der FPÖ.)

Natürlich hätte diese Verantwortung seit vier Jahren auch vor Ort in der Region gelebt werden müssen. – Auch ein klägliches Versagen der Europäischen Union, wo man Aufnahmezentren vor Ort nicht entsprechend unterstützt hat, wo man nicht auch die Verantwortlichen dieser Entwicklung, nämlich die NATO, beim Namen nennt, die Bom­ben auf den Irak, auf Libyen geworfen hat, vorwiegend auch mit Beteiligung der USA, aber in Libyen auch Frankreich, wo man auch weiß, dass die USA – ein wesentliches NATO-Mitglied – in Syrien die Opposition militärisch und logistisch unterstützt hat und damals erzählt hat, es handle sich um die demokratischen Freiheitskämpfer, wobei sich dann ein paar Jahre später herausgestellt hat, das sind die Radikal-Islamisten des „Islamischen Staates“ (Beifall bei der FPÖ), wo man dann die Ressourcen heraus­nimmt, diese Länder zerstört, im Chaos mit Terrorismus zurücklässt und nicht bereit ist, radikale Islamisten vor Ort niederzuringen, um Sicherheit und Ordnung in der Region zu schaffen. Dann muss man auch die Verantwortlichen für diese Entwicklung beim Namen nennen – und man wird das Problem nur an der Wurzel packen können.

Genau das ist entscheidend; aber dazu ist man nicht bereit. Ich bin froh darüber, dass jetzt wenigstens die Russen unter Putin auch Aufnahmelager vor Ort errichten und den Menschen vor Ort helfen. Ja, das hätte ich mir in dieser Region von den USA genauso gewünscht wie von der Europäischen Union, damit die Menschen Perspektiven haben, in ihrer Heimat zu bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich hätte mir genauso gewünscht, dass man einmal auch in Richtung Saudi-Arabien, Kuwait, Katar entsprechend tätig wird und einmal auch die Verantwortung dieser islamischen Länder einfordert, die bis dato nicht bereit sind, ihre muslimischen Brüder aufzunehmen. Obwohl es in Saudi-Arabien die Pilgerstätte gibt mit Zelten, klimatisiert und beheizt, hoch technologisiert, für 3 Millionen Menschen, ist man nicht bereit, Menschen aufzunehmen, aber dann werden solche absurden, abstrusen und grotes­ken Entscheidungen gefällt wie etwa, dass Saudi-Arabien in der Zwischenzeit – Treppenwitz der Geschichte – den UN-Menschenrechtsratsvorsitz erhalten hat!

Man kann sich nur mehr wundern, was in dieser Welt an Verrücktheiten passiert (Beifall bei der FPÖ) – ein Land also wie Saudi-Arabien, in dem keine Pressefreiheit vorhanden ist, wo Hinrichtungen, Köpfungen, Folter stattfinden, wo Frauen nicht mit dem Auto fahren dürfen, wo es keine Versammlungsfreiheit gibt! Das ist doch alles nur mehr absurd. Da muss man auch die Verantwortung einfordern.

Die Fragen, die ich damals auch in meiner Grundsatzerklärung an den Bundeskanzler und alle Abgeordneten hier im Hohen Haus gerichtet habe, ja, die sind wichtig und die gehören auch entsprechend gestellt – aber auch entsprechend beantwortet. Kann man von Menschen, die Schutz vor Verfolgung suchen und um Leib und Leben fürchten, nicht zu Recht verlangen, dass sie mit den Behörden kooperieren und sich regis-


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trieren lassen – und das nicht verweigern, wie das die letzten Monate, ja teilweise bis heute der Fall ist und gelebt wird?!

Von Mazedonien ausgehend über Serbien Richtung Ungarn, Richtung Österreich oder jetzt Richtung Kroatien und Slowenien, das sind die neuen Routen.

Da fragt man sich schon: Warum wird das teilweise verweigert? Dass Fremdengesetze eingehalten werden, ist das nicht eine Selbstverständlichkeit?! Dass Passkontrollen und Registrierungen stattzufinden haben an den Grenzen, ist das nicht eine Selbst­verständlichkeit?! Warum gewährleisten Sie das nicht?! (Beifall bei der FPÖ.)

Alle diese Selbstverständlichkeiten werden heute nicht gelebt. Für Schutz und Sicher­heit, ja, da gibt es eine Verantwortung, die Sie als Regierung für die österreichische Bevölkerung haben, damit eben solche Rechtsbrüche, solche Gesetzesbrüche nicht stattfinden, damit es nicht zu illegalen, rechtswidrigen Entwicklungen kommt, wie sie heute leider der Fall sind.

Wenn das Bundesheer bis heute nicht für Grenzkontrollen und zum Grenzschutz ein­gesetzt wird – das entnehme ich heute auch einer APA-Aussendung über Minister­präsident Orbán –, wird Orbán das Durchlassen von Migranten erwägen. Der unga­rische Premier beruft sich auf Aussagen von Faymann: „Faymann habe (…) eindeutig gesagt: ‚Wenn wir die Migranten nur mittels eines Zaunes‘“ – sprich Grenzzaunes – „,stoppen können, dann sollen wir sie lieber durchlassen.‘ Sein Land habe derzeit zwei Möglichkeiten, so der ungarische Premier. Man könne die grüne Grenze mit einem Zaun schützen oder, wenn das anderen ‚nicht gefällt‘, alle“ – nämlich wirklich alle, auch die illegalen – „Flüchtlinge passieren lassen“ und weiterleiten Richtung Österreich.

Ich sage, genau das gehört auch einmal hinterfragt. Ich sage, größten Respekt auch noch einmal hier von dieser Stelle aus, dass Ministerpräsident Orbán einerseits die EU-Gesetze einhält, aber andererseits dort, wo EU-Gesetze scheitern, die national­staatlichen Gesetze sicherstellt, damit seine Bevölkerung vor solchen illegalen, gesetz­widrigen Entwicklungen geschützt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Ministerpräsident Orbán übernimmt damit in Wirklichkeit auch eine Schutzfunktion für Österreich. Seitdem es diesen Grenzzaun gibt, hat auch kurzfristig dieser Strom nachgelassen – bis neue Routen einerseits über Kroatien und Slowenien oder jetzt über Kroatien Richtung Ungarn genommen wurden.

Das heißt, das zeigt: Dort, wo Grenzzäune aufgestellt wurden und Grenzkontrollen auch durch Bundesheer in den Nachbarländern sichergestellt werden, kann letztlich auch die illegale Einreise gestoppt werden.

Das sind die Realitäten. Offenbar wollen Sie etwas anderes, Herr Faymann, ja, da prallen dann unterschiedliche Positionen aufeinander. Wie soll auch, frage ich mich, in Zukunft unser Arbeitsmarkt funktionieren, angesichts einer unglaublichen Arbeitslosig­keit, wo offiziell immer von 327 000 Arbeitslosen gesprochen wird, wir aber vergessen, dass jene, die in Umschulungen drinnen sind, da nicht hinzugerechnet werden, jene, die aus der Schule kommen und noch nicht gearbeitet haben, nicht hinzugerechnet werden, und auch viele zwangsläufig in die Frühpension geschickt werden. Man kann also von bis zu 500 000 arbeitslosen Menschen bei uns reden. Wie werden oder wollen Sie das bewältigen bei einer dank Ihrer Politik allein bis Dezember zu erwartenden Zahl von 80 000 bis 120 000 Menschen, die aber erst der Beginn sein sollen?!

Ich halte es für unverantwortlich, dass bei dieser modernen Völkerwanderung mit diesen Gesetzesbrüchen die Differenzierung nicht stattfindet, nur Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention – selbstverständlich – zu schützen und aufzunehmen, denn man kann ja davon ausgehen, dass vielleicht bis zu 80 Prozent der Menschen aus rein wirtschaftlichen Gründen kommen. Es gibt kein Menschenrecht auf Wohlstandszu-


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wan­derung. Wir wissen alle aufgrund der Studien in Afrika und aus anderen Regionen dieser Welt, dass zig Millionen Menschen nach Europa aufbrechen wollen.

Wenn wir hier das Signal setzen: ja, kommt, probiert es, es gibt eh keine Kontrollen!, dann kommen die auch. Dann wird hier dank Ihres politischen Versagens auch noch zusätzlich eine weitere Bewegung angefeuert. Und das ist eine Entwicklung, die unser System zum Kippen bringen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen aus Beispielen der Vergangenheit, dass der überwiegende Teil der Flücht­linge – über 70 Prozent der Asylantragsteller – eben dann durch unabhängige Gerichte in Österreich in den letzten Jahren, 2013/2014 – das muss man immer wieder beto­nen –, eine rechtskräftige Ablehnung erhalten haben, keinen Asylstatus erhalten haben, daher auch keine Berechtigung haben, hier zu bleiben, und natürlich in ihr Heimat­land zurückzukehren haben. Das hat dann aber realpolitisch nicht stattge­funden, auch die Abschiebung hat ja rechtsstaatlich nicht wirklich funktioniert. Das sind einfach Dinge, die man offen und kritisch ansprechen muss.

Dann kommt aber wieder eine Placebo-Debatte, nämlich „Asyl auf Zeit“, etwas, das in Wirklichkeit ein aufrechtes Gesetz ist, und auch in der Genfer Flüchtlingskonvention ist definitiv verankert, dass Asyl natürlich immer nur Schutz auf Zeit ist. Das wurde von dieser Regierung aber nie gelebt! (Beifall bei der FPÖ.)

Welche Folgen kommen auch auf das Gesundheits- und Sozialsystem zu, wenn man weiter so agiert und gesetzwidrig handelt? Wir haben nicht einmal Gesundheits­straßen! Wir haben nicht einmal Gesundheitsuntersuchungen jener, die sich heute nicht registriert bei uns aufhalten. Wir wissen gar nicht, welche Krankheiten die Menschen haben, und wir können sie gar nicht behandeln, da es keine Untersuchung gegeben hat. Wir wissen gar nicht, inwieweit auch bei gewissen Krankheiten An­steckungsgefahr besteht. All das wäre aber auch eine gesundheitspolitische Verant­wortung; auch die vermisst die Ärzteschaft in vielen Bereichen, aber nicht nur sie, sondern vor allem auch die Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)

Woher soll der Wohnraum für all die Menschen kommen, jetzt, wenn der Winter vor der Tür steht und schon jetzt zu wenige leistbare Wohnungen für unsere eigene Bevölkerung vorhanden sind?

Was bedeutet die Aufnahme so vieler Personen für unser Schulsystem, wenn schon heute in vielen Schulklassen die österreichischen Kinder eine deutliche Minderheit sind, schulische Probleme und Sprachprobleme vorhanden sind, wenn Integrations­probleme und auch nachweislich Bildungsdefizite gegeben sind?

Wer übernimmt die Verantwortung dafür, zu garantieren, dass nicht Terroristen und Fundamentalisten in unser Land geschleppt wurden und sich – ohne Passkontrolle und ohne Registrierung – heute unter uns befinden, wie Geheimdienste auch warnend öffentlich kundgetan haben und auch der Heilige Vater es zum Ausdruck gebracht hat? (Beifall bei der FPÖ.)

Nicht ohne Grund, wenn IS-Videos, also Videos des „Islamischen Staates“ vor geraumer Zeit genau das Szenario, das wir heute erleben, angekündigt haben und gezielt davon gesprochen haben, Leute einschleusen und den Terror in Europa verschärfen zu wollen und die Islamisierung Europas zum Ziel zu haben.

Schließlich stellt sich auch die Frage: Wie viel kostet das alles den Steuerzahler  und woher werden Sie das nehmen? Welche Steuererhöhungen konkreter Art und Weise haben Sie vor, um die österreichische Bevölkerung, die schon heute die höchste Steuerbelastung ertragen muss, am Ende noch einmal mit Steuern auszunehmen? (Abg. Krainer: Beim blauen Finanzminister war das!)


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Diese Fragen sind nicht unmoralisch und auch nicht zynisch, sondern absolut legitim. (Beifall bei der FPÖ.)

Die österreichischen Bürger haben ein Interesse, dass man diese Fragen stellt, aber auch richtig beantwortet und darauf im Kampf gegen Armut und Arbeitslosigkeit im eigenen Land eingeht, woran diese Regierung schon in der Vergangenheit – und das ohne die heutigen Probleme – gescheitert ist. (Präsidentin Bures gibt das Glocken­zeichen.) Diese Verantwortung haben wir, statt Management by Chaos erleben zu müssen.

Ich komme schon zum Schlusssatz: Ja, es ist letztlich eine Verantwortung für unseren Rechtsstaat, Demokratie und Gesetze einzuhalten, Grenzen wirklich zu schützen, zu kontrollieren, Freiheit und Sicherheit und Wohlstand auch für unsere Bevölkerung zu garantieren und in Ausnahmesituationen auch das Versagen der EU zu kompensieren.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, würden Sie bitte den Schlusssatz formulieren!

 


Abgeordneter Heinz-Christian Strache (fortsetzend): Ich komme wirklich zum Schlusssatz: Sie haben in all diesen Punkten versagt. Daher ist die heutige Maßnahme des Misstrauensantrages, auch einer Amtshaftungsklage, einer Ministeranklage, aber auch letztlich die Forderung Ihres Rücktritts mehr als legitim. (Beifall bei der FPÖ.)

15.23


Präsidentin Doris Bures: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Herr Bundeskanzler Faymann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


15.24.25

Bundeskanzler Werner Faymann: Frau Präsidentin! Sehr verehrter Herr Vizekanzler! Sehr verehrte Mitglieder der Regierung! Verehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Ich möchte etwas Positives zu den letzten 20 Minuten sagen. Ich freue mich über die Aktion, hier für die Flüchtlingshilfe zu sammeln. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS. – Abg. Pilz: Spenden verdoppeln!)

Ordnung, Kontrolle und Menschlichkeit, Gesetze sind einzuhalten, und zwar nicht die, die man sich gerade aussucht, sondern alle – und dazu gehört auch das Recht auf Asyl. Wir sind in einer sehr schwierigen Situation in Europa. Das darf niemand ab­streiten, da die europäische Ebene – auch gestern wieder – in einer intensiven Diskus­sion steht, wie man Gesetze weiterentwickeln und bessere Möglichkeiten schaffen kann, als zur Stunde vorhanden sind, um den Menschen, die vor dem Krieg flüchten, zu sagen, jawohl, Europa steht zum Menschenrecht. Man kann sich bei Menschen­rechten nicht aussuchen, welches man gerade gerne anwenden würde. Es ist nicht eine Karte zum Aussuchen, sondern die Menschenrechte haben alle ihre Berechtigung und wir die Verpflichtung, sie anzuwenden und zu leben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Und das für alle! Überall!)

Österreich, Deutschland und Schweden, Niederlande und Finnland, jene besonders in der Betreuung von Asylwerbern und Menschen, die auf der Flucht sind, betroffenen Länder, können nicht das Asylrecht für ganz Europa oder darüber hinaus alleine wahrnehmen. Asylrecht verlangt Solidarität, und zwar eine breite Solidarität, um es mit Leben erfüllen zu können.

Daher ist die Schaffung von Quartieren, wozu auch Sie wesentliche Beschlüsse gefasst haben, die uns hier zentrale Möglichkeiten einräumen, aber auch die politische Bereitschaft, Menschen zu helfen, eine Voraussetzung. Ich bedanke mich bei den Österreicherinnen und Österreichern, bei den vielen Ehrenamtlichen und bei den vielen, die gespendet haben, dass diese Bereitschaft in Österreich spürbar ist. Sie ist


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stärker als jeder Hass! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

Ich weiß, dass die Behörden beim Vollzug der Vorschriften den Grundsatz der Ver­hältnismäßigkeit zu beachten haben. Sie haben auch den Grundsatz der Ersten Hilfe, der Nothilfe, zu beachten, und es kommen viele Beamte, Polizeibeamte, die in diesen Tagen und Wochen an den Grenzen tätig sind, immer wieder in dieses schwierige Spannungsverhältnis von Kontrolle, Ordnung, Aufrechterhaltung der Ordnung und Verhältnismäßigkeit. (Abg. Kickl: Darf ich was sagen oder muss ich meinen Mund halten? Das ist auch ein Spannungsverhältnis!)

Ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller NGOs, aber auch der Polizei, auch namentlich bei  Hans Peter Doskozil, dass die Bilder, die gezeigt wurden, Bilder sind, in denen Menschlichkeit eine Rolle spielt, und Österreich das wahrnimmt, was in diesem Spannungsverhältnis so schwierig ist, nämlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Einhaltung von Gesetzen, zu denen auch das Recht auf Asyl gehört.

Gestern war diese politische Diskussion im Europäischen Rat stark von der Frage geprägt, wer denn ein Asylrecht hat. Und da gibt es in Europa schon Kräfte, die durch Verallgemeinerung – also auch nichts Neues, auch schon oft angewandt, längst erfunden von nationalen Gruppierungen in ganz Europa (Abg. Kickl: Ein Beispiel sehen Sie gerade!) – versuchen, das Asylrecht in die Enge zu treiben oder am besten nicht mehr wahrnehmen zu müssen, durch die pauschalierte Beurteilung, zu sagen, ja, da sind Menschen, die haben keines, ja, da sind Menschen, die kriminell sind, ja, da sind Menschen, die aus Gründen flüchten, die nicht im Asylrecht aufgezählt sind.

Ja, das gibt es alles, und es sind tatsächlich die Rückführung und die gemeinsame Ordnung Themen. Ich werde einiges dazu sagen, auch zu den Beschlüssen gestern, zu den Außengrenzensicherungen, zu den finanziellen Unterstützungen, die vor Ort in den Regionen notwendig sind. (Abg. Strache: Da kommt er früh drauf!) Ich werde dann einiges dazu sagen.

Ja, tatsächlich gibt es das. Es gibt Menschen, die kein Recht auf Asyl haben. Ja, es gibt auch Fälle, die nicht beim Thema Schutz vor Kriegen einzureihen sind. Aber pauschal Menschen abzuqualifizieren heißt, ihnen dieses Recht auf Menschenwürde, auf Schutz und auf Flucht zu nehmen. (Abg. Höbarth: Wer sagt denn das?) Da werden wir nicht mitmachen. Wir werden sagen, das Recht von Menschen auf Asyl muss durch ein faires Verfahren und durch gesetzeskonforme Bedingungen auch möglich sein, wahrgenommen zu werden. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine harte Diskussion. Grenzen so zu sichern, dass man auch jene abwehrt, die ein Recht haben, ist vielleicht in einem Szenario darstellbar, und das wünscht sich auch der eine oder andere in der Politik. Aber die Grenzen so zu sichern, dass einerseits Kontrolle, aber gleichzeitig genauso die Rechtmäßigkeit von Asyl gewährleistet ist, das ist eine riesige Aufgabe, die wir nur gemeinsam in Europa bewerkstelligen können. Lassen Sie mich deshalb, bevor ich auf die Einzelfragen antworte, zwei letzte Bemerkungen in der Einleitung machen.

All jene, die glauben, man kann die Frage von Asyl, man kann die Frage von Flüchtlin­gen dadurch lösen, dass man sich mit einem Zaun einkreist und hofft, dass es dem Nachbarn schlechtgeht, und sich irgendwie durch die Höhe des Stacheldrahtes von den Problemen lossagt, jeder, der glaubt, mit Sektierertum etwas lösen zu können, ist am falschen Weg.


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Nur Europa gemeinsam ist dazu in der Lage, und gerade jene Parteien, die die euro­päische Ebene kritisieren und keinen Punkt auslassen, ständig dieses gemeinsame Europa in Frage zu stellen, wollen jetzt über das Versagen der europäischen Ebene reden. Ja, wenn es nach vielen Kräften in Europa ginge, gäbe es diese Europäische Union gar nicht mehr, die wir jetzt so dringend brauchen, um die Fragen des Asyls, der Menschlichkeit und der Kontrolle zu lösen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge-ordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

Wir haben gestern – und daher bin ich auch für einen Antrag dankbar, von dem ich weiß, dass Sie ihn heute auch zur Sprache bringen – beschlossen, in jenen Bereichen, wo Geld fehlt, wo es um die Betreuung von Flüchtlingen in der jeweiligen Region geht, um UNHCR, das World Food Programme, wo es um Länder wie den Libanon, Jor­danien und die Türkei geht, auch die nötigen finanziellen Unterstützungen aufzubrin­gen – auf zwei Ebenen, europäisch gemeinsam und bilateral. Das, gemeinsam gut abgesprochen und organisiert, soll doch eine deutliche Hilfe bedeuten. Ich bedanke mich bei allen, die hier die Initiative zeitgleich, unabhängig, miteinander ergriffen haben, um diese konkrete Hilfeleistung, nicht irgendwelche Sprüche und Besserwis­serei, nein, diese konkrete Hilfeleistung mit zu organisieren, und auch Österreich hat hier seinen Anteil zu leisten.

Zur Frage der Sicherung der Außengrenzen: Wenn jemand 1 000 Kilometer unterwegs ist, zu Fuß, mit Bussen, viele Wochen unterwegs ist, dann zu sagen, wir werden das Problem in Kroatien, in Slowenien, in Österreich, in Ungarn lösen, ist zu spät.

Wir müssen den Menschen, die ein Recht haben, die Möglichkeit geben, einzureisen, und müssen jenen, die eine falsche Hoffnung haben, das klar an den Außengrenzen sagen. Daher ist es notwendig, hier eine gemeinsame Grenzsicherung vorzunehmen, die aber auch diese Hotspots beinhaltet. Sie kennen unsere – ich hoffe doch – gemeinsame Meinung, dass diese Hotspots, diese Zentren an der Außengrenze in Griechenland und Italien nur funktionieren können, wenn auch die europäischen Länder bereit sind, das Dublin-Abkommen in eine neue Regelung zu führen. Dublin gilt, solange es nichts Besseres gibt, aber eine neue Regelung muss uns ermöglichen, es so zu leben, dass es auch funktioniert. Mit Gesetzen, die nur teilweise funktionieren, können wir natürlich nicht zufrieden sein, sondern wir haben den Auftrag, sie zu entwickeln. Wir haben gestern etwa im Beschluss klargemacht, und es findet sich ja auch in dem Text, den Präsident Tusk anschließend bekannt gegeben hat, dass es notwendig ist, hier gemeinsam eine Entwicklung einzuleiten, damit Dublin so mit Leben erfüllt wird, dass es alle Länder wahrnehmen können.

Dazu ist die Verteilung und die Solidarität erforderlich. Darauf zu verweisen, dass eigentlich alle in Griechenland bleiben sollten, und dass wir sie alle nach Griechenland zurückführen, führt uns nicht weiter. Ja, Griechenland muss Standards schaffen, dass auch bei ihnen Dublin funktioniert, aber sie können das nur, wenn wir auch in der Lage sind, festzustellen, dass auch andere bereit sind, da mitzuwirken. Das lässt sich nicht auf einen, zwei oder fünf abschieben.

Daher ist auch der Punkt, der von den Innenministern mit qualifizierter Mehrheit beschlossen worden ist, sehr zu begrüßen. Man sieht, dass diese Diskussion noch nicht abgeschlossen ist – aber immerhin! Wenn ich zurückdenke, was vor drei Monaten war, als viele versucht haben, sich wegzuducken, so zu tun, als wenn man sich nicht meldet, und wenn man verhindert, dass eine Sitzung stattfindet, und glaubt, dass es das Problem dann nicht gibt, nennt man das Kopf in den Sand stecken. Diese Methode des Kopf-in-den-Sand-Steckens ist zurückgedrängt und mit qualifizierter Mehrheit von den Innenministern immerhin für 120 000 Menschen einmal eine Verteilung beschlos­sen worden, die genau in dieses gesamteuropäische Programm einzureihen ist.


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Lassen Sie mich nun zur Beantwortung der Fragen 1 bis 5 kommen.

Der gestrige Europäische Rat hat, wie ich bereits ausgeführt habe, viele Maßnahmen beschlossen, die auch den Umgang der Europäischen Union mit Menschen, die Schutz suchen, verbessern soll.

Sie fragen mich dann viel zu Religion und Kultur, und ich möchte hier nur zusam­menfassend sagen, dass das Europa, an dem wir und an dem viele Menschen in den Mitgliedsstaaten arbeiten und an das wir glauben, ein Europa der Aufklärung ist – ein Europa der allgemeinen und unteilbaren Menschenrechte, der Vernunft, des Kampfes gegen Vorurteile, der religiösen Toleranz, der persönlichen Handlungsfreiheit der Bür­gerinnen und Bürger, der Bürgerrechte, der allgemeinen Menschenrechte und des Gemeinwohls als Staatspflicht. Das kann man nicht auseinanderdividieren. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Zu den Fragen 6 bis 9, 13, 14, 17, 18, 23 bis 26 und 29 möchte ich ausführen:

Österreich sah sich in den letzten Wochen mit der Tatsache konfrontiert, dass Tau­sende Flüchtlinge unversorgt im österreichischen Staatsgebiet eingetroffen sind. Angesichts der humanitären Situation haben die Polizeibehörden bei der Vollziehung, sowohl der europäischen als auch der österreichischen Rechtsvorschriften, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das bedeutet, dass jeweils das gelin­deste Mittel zum Einsatz zu kommen hat. Die Dublin-III-Verordnung und der Schen­gener Grenzkodex sind daher weiter anzuwenden, ohne das Leben von Menschen zu riskieren.

In Absprache mit der Bundesrepublik Deutschland hat Österreich die Möglichkeit, die der Schengener Grenzkodex eröffnet, genützt und ab 16. September wieder Grenz­kontrollen als Möglichkeit eingeführt. Dabei geht es insbesondere darum, Schlepper zu bekämpfen. Personen, die in Österreich keinen Asylantrag stellen und auch sonst nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind, sollen fremdenpolizeilich behandelt wer­den. Dies haben die Behörden ebenfalls nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu erledigen. Dabei sind natürlich die Menschenrechte zu respektieren; dies gilt sowohl für das Recht auf Asyl nach der Genfer Flüchtlingskonvention als auch für die Europäische Menschenrechtskonvention.

Niemand darf in ein Land zurückgeschoben werden, in dem er eine unmenschliche Behandlung erdulden muss, und das entscheiden unabhängige Gerichte und Senate.

Ich finde es ungeheuerlich, Menschenrechte in Zweifel zu ziehen und in verschiedene Kategorien zu teilen. Ich hoffe, ich habe das schon in meiner Einleitung ausreichend begründet.

Zu den Fragen 10 bis 12, 20, 21 und 22:

Die Ausgaben des Bundesministeriums für Inneres beliefen sich im Jahre 2014 auf rund 180 Millionen € für durchschnittlich 25 000 Personen in der Grundversorgung. Im heurigen Jahr wurden bisher rund 53 000 Asylanträge gestellt. Aktuell befinden sich 52 330 Menschen in Grundversorgung – also nicht diese Horrorzahlen, die da manches Mal verbreitet werden, wie viele Hunderttausende, sondern die Zahlen, die ich Ihnen sage, sind die aktuellen. Für das Jahr 2015 liegen keine abschließenden Zahlen vor. Das BMF geht derzeit von einer Kostensteigerung von 150 Millionen € für die Grundversorgung aus.

Zur mittelfristigen Kostendämpfung wurde von der Bundesregierung bereits ein Integra­tionspaket auf den Weg gebracht. 70 Millionen € werden für aktive Arbeitsmarktpolitik für Asylberechtigte sofort zur Verfügung gestellt. (Ruf bei der FPÖ: Super!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 22

Wir wissen natürlich, dass die Frage der Arbeitsplätze, des Arbeitsmarktes, der Schule und der Ausbildung nicht auszuspielen ist gegenüber Menschen, die länger bei uns sind, gegenüber Menschen, die in Österreich geboren sind, und Menschen, die zu uns kommen.

Was wir brauchen, ist ein funktionierendes Schul- und Bildungssystem. Was wir brauchen, ist ausreichend Arbeit. Das ist die Politik, die integrativ ist. Das ist die Politik, die nicht dividiert, sondern die den Zusammenhalt einer Gesellschaft stärkt. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ebenfalls ist die Diskussion über den Arbeitsmarktzugang, die strikte Arbeitsmarkt­prüfung und vieles mehr im europäischen Gleichklang zu sehen, denn es muss uns gelingen, auch Standards zu vereinheitlichen – wenn ich von Vereinheitlichung rede, meine ich nicht, dass man das Unterste, das am Boden liegt, nimmt, sondern ich rede davon, mit Qualität zu vereinheitlichen.

Diese Vereinheitlichung hat viele Facetten. Sie hat rechtliche: Es gibt derzeit bei Asylverfahren einen großen Unterschied, denn derselbe Fall wird in verschiedenen Ländern völlig unterschiedlich entschieden. Schon das alleine löst natürlich Ungleich­heit aus. Wenn jemand in einem Land nur zu 10 Prozent die Chance hat und in einem anderen Land zu 90 Prozent, dann muss die Politik daran interessiert sein, auch diese Standards – also nicht nur den Arbeitsmarktzugang und die sozialen Standards, sondern auch diese Standards der gleichen Möglichkeiten – der Länder zu vereinheit­lichen.

Zu den Fragen 15, 16 und 19:

Der Europäische Rat hat gestern vereinbart, dass wir alle unsere bestehenden Regelungen einschließlich der Dublin-Verordnung und des Schengener Besitzstandes wahren, anwenden und umsetzen, so, wie ich Ihnen das vorher auch ausgeführt habe.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Voraussetzungen – das haben wir gestern auch so formuliert – dafür zu schaffen, dass alle Mitgliedstaaten uneinge­schränkt am Dublin-System teilnehmen. Man soll sich nicht vornehmen, dass etwas ohnehin funktioniert, sondern man sollte den Mut haben, zu sagen: Ja, wir brauchen genau das, eine Weiterentwicklung und Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen.

Zur Frage 27:

Während in Deutschland aktuell eine Aufnahme von Albanien, dem Kosovo und Montenegro in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten geplant ist, hat Österreich diese Länder bereits im Jahr 2009 als sichere Herkunftsstaaten anerkannt. Dement­sprechend ist Deutschland als Ziel für Personen aus diesen Ländern ungleich attrak­tiver. So wurden etwa 45 Prozent der Asylanträge im ersten Halbjahr 2015 in Deutschland von Personen aus den Westbalkanstaaten gestellt. In Österreich beträgt diese Zahl etwa 7 Prozent.

Effektive und rasche Rückführungen in diese Länder sind auch durch das im Juni beschlossene Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 begünstigt; es wurde eine weitere Absenkung ermöglicht. So wurden von 8 593 Asylanträgen in den Monaten Juni/Juli gerade 44 beziehungsweise 0,5 Prozent von Personen aus dem Kosovo gestellt.

Zu den Fragen 28 und 30:

Nur Kriegsflüchtlinge haben Anrecht auf Asyl. Dieses Recht ist universell und unteilbar und kann nur gemeinsam gelebt werden.


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Zu den Fragen 31 und 32:

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass eine junge Mutter mit zwei minder­jährigen Kindern nicht nach Ungarn zurückgeschoben werden darf, weil sie dort keine ordnungsgemäße Versorgung hat. In jedem einzelnen Fall ist zu prüfen, ob bei einer Zurückschiebung eine ordnungsgemäße Versorgung möglich ist. Dies hat ein Senat aus fünf Richtern ausgesprochen. (Abg. Kickl: Lauter Rote und Schwarze!) – Falls Sie die Richter kritisieren, Herr Kickl, ich bin davon überzeugt (Abg. Kickl: Ja, ich kenne ja den Vorsitz dort!), wir tun gut daran, zu sagen, dass die Richter unabhängig sind – auch von Ihnen – und so agieren, wie es ihr Gewissen erfordert. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass bei Ab­schiebungen nach Ungarn die Gefahr einer nicht ordnungsgemäßen Behandlung besteht.

Zu den Fragen 33 und 34:

Die Bundesregierung hat am 14. September 2015 den Assistenzeinsatz beschlossen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kickl.) Die Kontrollmaßnahmen an der Grenze werden so durchgeführt, dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten ist.

Zu den Fragen 35 bis 37:

Es ist die Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik, Szenarien und Optionen durchzudenken und mögliche Maßnahmen dafür zu bewerten. Österreich arbeitet auf allen Ebenen daran, dass die Herausforderungen auf europäischer Ebene gemeinsam gelöst werden. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

15.45


Präsidentin Doris Bures: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kickl. – Bitte.

 


15.45.57

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Heinzl: Kick-back! – Abg. Pilz – einen gebastelten Koffer, auf dem „FPÖ“ steht und an dessen Seiten 500-€-Scheine hervorstehen, vor sich hinstellend –: Wo ist der Koffer?) – Schauen Sie, da kommen die Zwischenrufe schon, bevor ich noch begonnen habe. (Heiterkeit.) Sie müssen ein bisschen aufpassen, Herr Abgeord­neter Pilz, dass Sie den richtigen Einsatz erwischen, denn sonst ist es peinlich für Sie, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich hätte eigentlich anders beginnen wollen, aber dieser Aktionismus der Grünen, der verlangt es doch von mir, dazu Stellung zu nehmen. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen. – Unruhe im Sitzungssaal.) Wissen Sie …

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie ganz kurz!

Herr Abgeordneter Pilz, ich glaube, die Aktion wurde von allen gesehen, deswegen würde ich Sie ersuchen, diesen Koffer wieder aus dem Sitzungssaal zu entfernen. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Herr Abgeordneter Kickl, Sie sind wieder am Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 24

Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Gut, würde ich sagen, dass es kein Geruchsfernsehen gibt, denn sonst würde man nämlich den Angstschweiß der Roten, Grünen und Schwarzen auch zu Hause an den Fernsehapparaten riechen, wenn es nämlich um die Vorbereitung der beiden Wahlgänge – in einer Woche in Ober­österreich und dann in Wien – geht. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe: Da haben wir keine Angst!)

Aber, meine Damen und Herren, Mildtätigkeit, das ist eine Sache. Und das ist etwas Gutes. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen. – Abg. Pilz versucht, seinen Koffer an Abg. Strache zu übergeben, was dieser ablehnt.) Was aber hier zur Schau gestellt wird, diese penetrante Form von Mildtätigkeit, das steht auf einem ganz anderen Blatt. (Die Abgeordneten der Grünen beginnen wieder damit, in stetigem Wechsel Papiergeld in die FLÜCHTLINGSHILFE-Spendenbox einzuwerfen. – Anhaltende Zwischenrufe.)

Ich habe Ihnen deshalb etwas mitgebracht – Kollege Lopatka wird es kennen –, aus dem reichen Traditionsschatz der christlich-abendländisch-jüdischen Tradition. (Unruhe im Sitzungssaal.) Ich sage für den Bundeskanzler vorsichtshalber dazu, dass sich die Aufklärung natürlich auch dieser Tradition verdankt; so weit ist er im Bildungskanon nicht vorgeschritten. (Ruf: Wo waren Sie …?) Wie auch immer, ich zitiere Ihnen einen Schatz aus dieser Tradition, nämlich Matthäus 6.1 … (Ruf: Wo waren Sie …? – Anhal­tende Unruhe im Sitzungssaal.)

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte wirklich in Erinnerung rufen, worum es heute bei dieser Debatte geht. (Ruf bei der FPÖ: So ernst nehmen Sie das!) Ich denke, dass wir die Diskussion so ablaufen lassen sollten, dass wir diesem Thema auch entsprechen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich weiß – ich habe auch viel dafür übrig –, es ist Teil einer parlamentarischen Debatte, dass es Zwischenrufe und zwischendurch auch Aktionen gibt, aber es sollte doch so ablaufen, dass der Redner/die Rednerin die Möglichkeit hat, seine/ihre Ausführungen vorzunehmen – und so, dass man diesen auch folgen kann. Ich würde wirklich darum bitten, den weiteren Verlauf der Debatte in dieser Weise durchzuführen!

Herr Abgeordneter Kickl, Sie sind am Wort. – Das betrifft natürlich auch die Wortwahl vom Rednerpult aus, um das vielleicht noch zu ergänzen.

 


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin, für die Unterstüt­zung, sie wäre nicht notwendig …

 


Präsidentin Doris Bures: Das war keine Unterstützung, das war nur eine Ausführung. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Dann ist sie Ihnen passiert. Aber es wäre nicht notwendig gewesen, denn ich liefere Ihnen jetzt ohnehin ein Zitat zur Inter­pretation dieser ganzen Aktion.

Ich zitiere Matthäus 6.1 (Oh-Rufe bei SPÖ und Grünen):

„Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen; sonst habt ihr keinen Lohn von eurem Vater im Himmel zu erwarten.“ (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Schämen Sie sich!)

Ich zitiere weiter:

„Wenn du Almosen gibst, lass es also nicht vor dir herposaunen, wie es die Heuchler (…) tun.“ (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Pharisäertum!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sagt alles zu Ihrer Form von Aktionis­mus! (Zwischenruf der Abg. Korun.)


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Wenn der Bundeskanzler meint, ein gutes Werk tun zu müssen, so schlage ich ihm vor, in Zukunft die Visagisten-Kosten von 382 € pro Politur, die er dem Steuerzahler kostet, einzusparen und einem wohltätigen Zweck – nach Möglichkeit für eigene Staatsbürger – zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kogler – Papiergeld in die Spendenbox einwerfend –: Besser spenden als fladern!)

Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben ja alle gesehen, wie sehr der Bundeskanzler diesen bescheidenen, wenn auch inszenierten Applaus dieser Claqueure (Abg. Schieder: Jetzt einmal langsam!), die er noch in den eigenen Reihen hat und die von Wahl zu …

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter! (Anhaltende Unruhe im Sitzungssaal. – Abg. Strache: Frau Präsidentin, jetzt reicht’s aber wirklich! Kennen Sie die Geschäftsordnung nicht?) Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Strache: Das ist ja ungeheuerlich …!) – Herr Klubobmann, ich bin jetzt am Wort – und nicht Sie!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir war ganz bewusst, dass das heute … (Abg. Strache – sich von seinem Sitzplatz erhebend –: … unfähiger Vorsitz! Wenn Sie dem nicht gewachsen sind, dann treten Sie zurück!) – Herr Klubobmann, ich bin am Wort, nehmen Sie das zur Kenntnis!

Mir war ganz bewusst, dass das heute, eben aufgrund des Gegenstandes, eine hitzige Debatte werden wird. Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, was Inhalt und Gegenstand dieser heutigen Debatte ist. Und ich meine, dass wir dem Inhalt dieser Debatte, wo es darum geht, dass wir uns auch menschliche Tragödien vor Augen führen (Abg. Walter Rosenkranz: Bibelzitat!), auch unsere Ausdrucksweise hier im Hohen Haus entsprechend anpassen, denn das sind wir diesem Haus schuldig, das sind wir allen Menschen schuldig, die dieser Debatte folgen, die sich aus Interesse diese Debatte anhören und sich dann eine Meinung dazu bilden. (Abg. Walter Rosenkranz: Wegen der Würde des Hauses!)

Herr Abgeordneter Kickl, auch alle anderen Damen und Herren Abgeordneten in diesem Haus, ich würde Sie wirklich dringend ersuchen, diese Debatte so abzuführen, dass wir uns hier einer angemessenen Ausdrucksweise bedienen und dass wir mit­einander so diskutieren, wie wir das dann auch in der Öffentlichkeit vertreten können – und dass wir unserer Aufgabe und unserer Vorbildwirkung als Abgeordnete des österreichischen Parlaments gerecht werden. (Zwischenruf des Abg. Darmann.)

Bitte, Herr Abgeordneter Kickl, in Ihrer Wortwahl das so zur Kenntnis zu nehmen und so fortzusetzen, dass diese Debatte wieder ordentlich geführt werden kann!

Bitte, Sie sind am Wort.

 


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Ich bin nur etwas erstaunt, dass ein Zitat aus der Heiligen Schrift für derartige Aufregung sorgt hier im Hohen Haus, aber das zeigt ja nur, wie weit wir es schon gebracht haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Strache.)

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Kickl, Sie sind lang genug hier in diesem Hause, dass Sie schon des Öfteren davon Kenntnis genommen haben, dass wir auch bei Zitaten die Frage von Ordnungsrufen diskutiert haben (Abg. Walter Rosenkranz: Unterbrechen Sie das noch oft?), weil die Verwendung von Zitaten bewusst manipuliert werden könnte.

Herr Abgeordneter Kickl, Sie sind am Wort. – Bitte. (Abg. Strache: Bei aller Wert­schätzung, zur Geschäftsordnung! Das ist ja ein Kasperltheater!)

 


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Ich würde dem Herrn Bundeskanzler empfehlen, was den Applaus in diesem Hohen Haus betrifft, er soll nehmen, was er


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bekommen kann, denn draußen vor der Tür schaut es ohnehin anders aus. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Applaus der österreichischen Bevölkerung und auch der der gut integrierten Zuwanderer ist dem Herrn Bundeskanzler längst abhandengekommen, und ich kann Ihnen garantieren, dass die Wahlgänge in Oberösterreich und in Wien eine weitere Entwicklung dieser für unsere Heimat eigentlich positiven Tendenz darstellen werden. (Beifall bei der FPÖ. – Die Abgeordneten der Grünen werfen weiterhin in stetigem Wechsel Papiergeld in die FLÜCHTLINGSHILFE-Spendenbox.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Menschen in unserem Lande haben nämlich vielerlei satt: Sie haben es satt, dass von Ihnen, von SPÖ und ÖVP, immer wieder mit der Unterstützung der Grünen, die Interessen der Menschen übersehen werden und schamlos über sie drübergefahren wird. So, wie Sie es gestern getan haben bei diesem Entmündigungsgesetz gegen die eigenen Gemeinden, wo Sie die Bürger von der Mitsprache ausgegrenzt haben (Zwischenrufe bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP – Abg. Steinhauser: Wo waren Sie, als wir das diskutiert haben? Wo waren Sie denn die ganze Zeit?), wenn es darum geht, eine Flüchtlingsunterbringung zu organisieren. Zwangsbeglückung nennt man so etwas, wenn Sie Traiskirchen über das ganze Land hinweg zu multiplizieren versuchen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Menschen haben es satt, von Ihnen erklärt zu bekommen, dass Menschen aus allen Kontinenten, aus allen Ländern offenbar so etwas Ähnliches wie ein Heimatrecht in Österreich für sich in Anspruch nehmen können, aber es dann die gleichen sind, die die Nase rümpfen, wenn einmal die Österreicherinnen und Österreicher ihr Heimat­recht in Anspruch nehmen, weil sie haben wollen, dass die Identität dieses Landes zumindest in irgendeiner Form gewahrt bleibt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Die Menschen haben es satt, von Ihnen immer erklärt zu bekommen, dass für nichts Geld da ist (Abg. Krist: Was habt Ihr denn in euren sechs Jahren getan?), dass nichts valorisiert wird, dass beim Pflegegeld gekürzt wird, dass der Heizkostenzuschuss gestrichen wird, aber wenn es dann darum geht, Wirtschaftsflüchtlinge – und das ist die überwiegende Zahl dieser Menschen, die jetzt angesichts dieser Völkerwanderung in unser Land gekommen sind – quer durch das Land zu chauffieren, dann ist für Sie quasi das Geld abgeschafft und alle Mittel werden hiefür zur Verfügung gestellt. Auch das hat die Bevölkerung satt! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Strache – auf die FLÜCHTLINGSHILFE-Spendenbox und die in sie Geld einwerfenden Abgeordneten der Grünen weisend –: Frau Präsidentin, das lassen Sie durchgehen!? Dann werden wir in Zukunft …!)

Es gibt noch etwas, was die Menschen satt haben, und das ist die Art und Weise, wie sich diverse Medien in diesem Land eingehängt haben zu einer Art und Weise – ja, ich nenne es so – „Gehirnwäscheaktion“, gerichtet gegen die eigene Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie bisher noch nicht gewusst haben sollten, meine Damen und Herren, was das Wahre, Gute und Schöne ist, dann drehen Sie den ORF auf und man wird Ihnen erklären: Die Flüchtlinge, das ist das Wahre, Gute und Schöne! Kein negatives Wort in der Berichterstattung, sondern da wird vertuscht, dass sich die Balken biegen! (Abg. Korun: Wo ist Ihr Koffer?) Auch das ist etwas, was die Bevölkerung nicht mehr erduldet. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Ich sage Ihnen noch etwas: ORF – ja, diese Abkürzung hat in den letzten Wochen und Monaten eine neue Bedeutung bekommen: Österreichischer Refugee-Funk. Das ist die


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adäquate Langversion der Abkürzung ORF. So weit haben wir es gebracht! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Ich frage Sie jetzt schon: Gibt es eigentlich keine Übergriffe in irgendwelcher Form seitens derer, die da jetzt zu Tausenden und Abertausenden ins Land strömen? Gibt es das? (Abg. Heinzl: Einfach nur grauslich!) Gibt es Gewalttaten, die von diesen Leuten begangen werden? Gibt es so etwas? Gibt es Übergriffe? Gibt es Belästi-gungen? (Abg. Heinzl: Grauslichkeiten sondergleichen!) Gibt es das alles nicht – oder darf es das alles nicht geben (weitere Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen), weil von Ihnen verordnet wird, dass darüber nicht berichtet wird und hier einer der letzten Orte ist, wo man live und ungeschnitten diese Dinge noch sagen kann. Auch davon hat die österreichische Bevölkerung die Nase voll! (Beifall bei der FPÖ.)

Und da passt es nur zu gut ins Bild, dass nach innen hin von den einzelnen Ministerien, von Ihren einzelnen Abteilungen Maulkorberlässe hinausgehen, dass über alle diese Dinge nicht berichtet werden darf – egal, ob es das Innenministerium ist oder das Gesundheitsministerium (Abg. Korun: So eine Lüge!); da können Sie hinschauen, wo Sie wollen. (Neuerliche Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Deshalb, weil in diesen Tagen so viel von Hotspots die Rede ist, meine Damen und Herren: Hier hinter mir haben wir einen Hotspot: einen Hotspot der Verantwortungs­losigkeit, einen Hotspot des Unvermögens (Abg. Pirklhuber: Unmenschlichkeit!), einen Hotspot des Verrats an den Interessen der eigenen Bevölkerung! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Kickl, ich weiß, dass es Ihnen schwer­fällt, aber ich appelliere jetzt ein allerletztes Mal an Sie, sich in Ihrer Ausdrucksweise zu mäßigen! (Abg. Krist: Das Wort entziehen! – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Der Ver­handlungsgegenstand ist ein solcher, wo diese Sprache, die Sie hier an den Tag legen, nicht nur unpassend ist, sondern Würde und Ansehen dieses Hauses schädigt – und damit unser aller Ansehen. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. – Abg. Pirklhuber: Unmenschlichkeit!)

Sie haben jetzt noch 1 Minute Redezeit. Ich ersuche Sie wirklich, sich in Ihrer Aus­drucksweise zu mäßigen!

 


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Frau Präsidentin! Es ist eben auch eine Tatsache, dass die Wahrheit wehtut. Das ist auch bereits Allgemeingut. Das ist weit verbreitet – und das gilt auch für das, was hier geschieht. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus diesem Grund sehen wir uns vor die staatspolitische Notwendigkeit gestellt, einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung einzubringen (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Mitterlehner), und ich tue das hiermit.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Misstrauensantrag  

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten Strache, Kickl und weiterer Abgeordneter betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 28

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Ent­schließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, es hat sich ein ...

 


Präsidentin Doris Bures: Einen Schlusssatz noch, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Es hat sich einiges zusammengestaut, und es werden die Wahlgänge in Oberösterreich und in Wien zeigen, was die Bevölkerung von Ihrer Form der Selbstinszenierung und der Täuschung der Menschen hält. (Abg. Korun: Von Ihrer Unmenschlichkeit!)

Ich bin guter Dinge, dass die Freiheitlichen ordentlichen Zuspruch erhalten werden (Zwischenrufe bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP), weil es inzwischen darum geht, in diesem Land …

15.59


Präsidentin Doris Bures: Ihre Redezeit ist beendet, Herr Abgeordneter.

(Beifall bei der FPÖ für den sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Kickl. – Abg. Strache – sich von seinem Sitzplatz erhebend –: Zur Geschäftsordnung bitte! – Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag  

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten KO Strache, Kickl und weiterer Abgeordneter

betreffend Versagen des Vertrauenes gegenüber der Bundesregierung

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend „komplettes Versagen des Bundeskanzlers im Migrationschaos“ in der 93. Sitzung des National­rates, XXV. GP, am 24. September 2015

Die unterfertigten Abgeordneten stellen nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Ent­schließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Wortmeldung zur Geschäftsordnung? – Bitte, Herr Klubob­mann.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 29

15.59.40

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Ich beantrage, eine Stehpräsidiale einzuberufen, weil, wie ich glaube, gewisse Verhaltensweisen hier im Hohen Haus auf unterschiedlichen Ebenen zu be­sprechen sind.

Ich stelle auch folgende Frage, Frau Präsidentin: Sie haben den Redner der Frei­heitlichen Partei jetzt mehrfach, mindestens dreimal, unterbrochen (Abg. Pirklhuber: Zu Recht!) – ich stelle fest, dass Sie ihm mit dieser Unterbrechung mindestens 2 Minuten Redezeit genommen haben –, aber andererseits geschäftsordnungsgemäße Störungen, die hier gezielt stattgefunden haben, nicht zur Ordnung gerufen. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.)

Parlamentarische Usancen, parlamentarische Verhaltensregeln: Wenn vor einem Redner eine permanente Bewegung und Störung durch Abgeordnete stattfindet, wäre das von Ihnen auch abzustellen gewesen. Und ich frage mich auch: Sind Sie wirklich als Präsidentin imstande, hier im Hohen Haus auch im Sinne der Überparteilichkeit (He-Rufe bei der SPÖ) die Geschäftsordnung entsprechend umzusetzen, durchzu­setzen und auch die Usancen hier sicherzustellen?

Ich habe heute den Eindruck gewinnen müssen – und das stimmt mich sehr traurig und nachdenklich –, dass Sie, Frau Präsidentin, hier parteipolitisch agitieren (Beifall bei der FPÖ) und unseren Redner leider in einer parteipolitisch motivierten Art und Weise immer wieder unterbrochen haben.

Und ich sage: Das ist der Würde des Hauses wahrlich abträglich! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

16.01


Präsidentin Doris Bures: Bevor ich möglicherweise weitere Wortbeiträge zur Ge­schäftsordnung zulasse, möchte ich Ihnen, Herr Klubobmann, drei Dinge sagen.

Das eine ist, dass es eine Aktion gegeben hat, bei der ich, wie sonst auch bei Aktio­nismus in diesem Haus, gesagt habe, dass, unmittelbar nachdem davon Kenntnis genommen wurde, das beendet werden möge. Das ist auch erfolgt.

Zweitens halte ich es für keine überbordende Aktion, wenn man für hilfsbedürftige Menschen Spenden sammelt. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

Drittens kann ich Ihnen mitteilen, dass Herr Abgeordneter Kickl diese Zeit der Unter­brechung dazubekommen hat. Es waren dann insgesamt 12 Minuten Redezeit. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Nein! Neun!) Und das ist so auch berücksichtigt worden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch-Jenewein, Kickl und Matznetter.) Das sage ich, um das klarzustellen.

Herr Klubobmann Mag. Schieder ist als Nächster zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.02.18

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte für meine Fraktion schon noch einmal betonen – höchstwahrscheinlich auch für viele andere Abgeordnete hier im Haus –, dass es einfach nicht der Würde und Achtung dieses Hauses entspricht, in einer Rede des Abgeordneten Kickl als Claqueure diffamiert zu werden.

Allein aus diesem Grund würde ich noch einmal dringend ersuchen, dass wir uns alle auch darauf besinnen, dass die Würde des Hauses nicht so leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden soll und wir das vielleicht während der verbleibenden Debatte auch so handhaben, weil ich auch fürchte, dass Ordnungsrufe nicht zur Eindämmung solcher


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 30

Aussagen wie jener des Abgeordneten, der hier so über die Stränge geschlagen hat, führen.

Ich möchte aber noch einmal betonen: Abgeordnete, frei gewählte Mandatare sind keine „Claqueure“, sondern eben gewählte Mandatare – und eigentlich verdient eine solche Bezeichnung einen Ordnungsruf. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.03


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte.

 


16.03.25

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH) (zur Geschäftsbehandlung): Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir auch nach außen ein etwas seriöseres Bild abgeben, und da bin ich nicht ganz Ihrer Meinung, Frau Präsidentin. Natürlich ist es angebracht, für Menschen in Not zu spenden – das ist natürlich keine Frage –, aber die Frage ist, ob das hier vorne sein muss, sodass, während ein Redner am Wort ist, immer wieder Abgeordnete sein Blickfeld kreuzen. (Ruf bei den Grünen: Dann stellen wir es dort hinüber!)

Wenn man der Zeitung glaubt, die schreibt, dass die Grünen pro falscher Aussage der FPÖ hier Geld einwerfen – so hat das zumindest die grüne Fraktion der Presse mitgeteilt –, dann sieht man den Zusammenhang und man sieht, dass es eine Störaktion sein soll.

Ich bitte Sie also, Frau Präsidentin, dass man diese Box vielleicht im Couloir aufstellt. Dann sind auch wir vom Team Stronach sehr gerne bereit, dazu einen sinnvollen Beitrag zu leisten – aber bitte keine Störaktion hier im Parlament, sodass der Abge­ordnete nicht wirklich das Recht ausüben kann, hier dementsprechend zu sprechen. – Vielen Dank. (Beifall bei Team Stronach, ÖVP und FPÖ. – Abg. Matznetter: Irgend­wann wechselt er zurück, der Lugar!)

16.04


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Klubvorsitzende Dr. Glawischnig-Piesczek. – Bitte.

 


16.04.44

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es passieren hier immer wieder Dinge, die die Würde des Hauses herabwürdigen. Auch heute haben wir wieder einiges davon gehört. Ich glaube nicht, dass das Spendensammeln für Kinderflücht­linge die Würde des Hauses herabwürdigt – im Gegenteil! (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben uns auch vorgenommen, jedes Mal, wenn herabwürdigende Äußerungen vonseiten der FPÖ gegenüber Menschen in Not getätigt werden, damit zu dokumen­tieren, indem wir hier etwas sammeln.

Ich möchte mich bedanken, dass Sie daran teilgenommen haben, und wir stellen diese Box jetzt sehr gerne hinüber zur Regierungsbank. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Abg. Glawischnig-Piesczek stellt die Spendenbox an den Rand der Regie­rungsbank.)


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16.05


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Dr. Lopatka. – Bitte.

 


16.05.30

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Prä­sidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, eine Stehpräsidiale ist nicht notwendig.

In Richtung Freiheitliche Partei sage ich: Wer imstande ist, so auszuteilen wie Sie, der muss auch einstecken können! (Ruf bei der FPÖ: Geh!) So sehe ich das. Da sind Sie auch nicht so schwach. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Zur Spendenaktion der Grünen: Man muss nicht fünfmal 5 € hineinwerfen oder fünfmal 10 € Euro, man könnte auch einmal 50 € in die Spendenbox geben.

Spenden ja, aber zu solchem Aktionismus sage ich auch Nein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Vavrik.)

16.06


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich rufe Sie alle jetzt dazu auf, im weiteren Verlauf der Debatte bei Ihrer Wortwahl auf persönlich verachtende oder verunglimpfende Formulierungen zu verzichten – im Besonderen natürlich auf Formulierungen, die der Würde und dem Ansehen des Hauses und auch den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger widersprechen. Ich werde die nächste Präsidialkonferenz mit diesem Thema befassen.

*****

Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Klubobmann Mag. Schieder. – Bitte.

16.07.03

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauer und Zuhörer dieser Debatte! Ich bin froh darüber, dass wir jetzt wieder zu dieser Diskussion zurückkom­men.

Viele Leute spüren, dass Europa und der Westen am Scheideweg steht, dass es darum geht, wie den aktuellen Herausforderungen auch begegnet werden kann.

Das „profil“ hat in der aktuellen Ausgabe diese Woche geschrieben:

„Die Grundwerte der Union stehen auf dem Spiel: Solidarität, Freiheit, Rechtsstaat­lichkeit und Konsenskultur. Europa kann an dieser Zerreißprobe scheitern – oder wachsen.“

Ich glaube, bis gestern haben viele befürchtet, dass Europa an dieser Aufgabe eher scheitert. Der Gipfel – sowohl der der Innenminister, als auch der Gipfel der Staats- und Regierungschefs – hat uns allerdings doch eines Besseren belehrt, nämlich dadurch, dass es erste Ergebnisse zur Bewältigung dieser herausfordernden Aufgaben gegeben hat. Es gibt den festen Willen der Europäischen Union und all ihrer Länder, auch zu einer gerechten Verteilung der Flüchtlinge innerhalb aller Länder der Euro­päischen Union zu kommen. Es sollen Hotspots oder, wenn man so will, auch Verteil­zentren eingerichtet werden. Es sollen seitens der Europäischen Union 1 Milliarde € für die Betreuung, Unterbringung und Verpflegung von Flüchtlingen in der Region und in den Nachbarländern der Bürgerkriegsstaaten wie Syrien zur Verfügung gestellt werden – also dem Libanon, Jordanien, der Türkei und natürlich auch in Syrien selbst. Es soll auch Unterstützung für die Krisen- und Kriegsregionen genauso wie auch für jene Länder, die jetzt auf der Flüchtlingsroute, der Balkanroute, liegen, geben.


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Ich möchte besonders herausstreichen, dass die österreichische Bundesregierung und der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann durch ein Treffen mit den Regierungschefs aus den Nachbarländern, mit der deutschen Bundeskanzlerin und mit dem schwedischen Premierminister die entscheidenden Impulse auch gesetzt haben, um innerhalb der Europäischen Union die, die blockiert und gezögert haben, zu über­zeugen und auch die Widerstände zu überwinden, weil es Lösungen auf europäischer Ebene geben muss.

Wir dürfen bei aller Debatte – vielleicht auch im Zusammenhang mit dem, was wir uns hier davor anhören mussten – Folgendes nicht vergessen: Es geht hier um Kriegs­flüchtlinge; es geht um Menschen, die vor dem Krieg davonlaufen, es geht um Familien mit kleinen Kindern, es geht um Jugendliche, die ihre Eltern verloren haben und sich mühsam hierher kämpfen. Es geht um Leute, die mit ansehen mussten, wie ihre Verwandten geköpft und ermordet wurden, wie ihre Mütter vergewaltigt wurden und all diese Dinge, die dieser schreckliche Krieg, den der Islamische Staat in der Region durchführt, auch mit sich bringt.

Daher muss dem als Antwort auch mit Werten begegnet werden, nämlich mit Mensch­lichkeit, Solidarität und dem Asylrecht – so, wie wir es auch als fundamentales Grund­recht in Europa haben.

Die Aufgabe der Politik in diesem Zusammenhang ist, gleich, rasch und schnell zu helfen, wo es notwendig ist und immer wenn es notwendig ist. Die zweite Aufgabe ist aber, auch Ordnung und Sicherheit zu schaffen: Sicherheit für die Flüchtlinge und auch Sicherheit für die Menschen in Österreich. Die Ursachen zu bekämpfen ist der dritte Punkt; nämlich die Ursachen dieser ganzen Flüchtlingswellen zu bekämpfen und vor Ort auch zu schauen, dass sie dort bekämpft werden können.

Jetzt heißt es eben auch, an diesen Lösungen und Ergebnissen des Gipfels zu arbeiten: Hotspots, Verteilzentren, sichere Außengrenzen, schnelle Asylverfahren sind auch an den Grenzen Europas und der Europäischen Union dringend notwendig, sodass die Leute, die Anspruch auf Asyl haben, schnell durch dieses Verfahren kommen, und jene Leute, die eben keinen Anspruch auf Asyl haben, diese Antwort auch an den Grenzen Europas ebenfalls schnell bekommen. Das heißt eben auch: Ursachenbekämpfung vor Ort und Einrichtung von Sicherheitszonen.

In diesem Zusammenhang bin ich auch froh, dass wir heute einen Antrag beschließen werden, mit dem wir bewusst den Beitrag Österreichs zum World Food Programme  und zu Hilfsmitteln, die zur Ernährung und Unterstützung der Flüchtlinge und der Menschen in dieser Region zur Verfügung stehen, substanziell erhöhen wollen, und in diesem Zusammenhang werden wir uns auch an den internationalen und europäischen Beispielen orientieren. Das ist eine Initiative, die – das möchte ich dazusagen – nicht nur von den Regierungsparteien getragen wird, sondern in den vergangenen Tagen auch vom Oppositionsabgeordneten Pilz ganz stark initiiert worden ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Pilz.)

Sehr geehrte Damen und Herren, das sind die richtigen Antworten. Nicht nur die Sozialdemokratie, sondern viele Parteien hier im Haus – wie ich mitbekommen habe: vier der sechs Parlamentsparteien – sagen: Wir brauchen Hilfe für die flüchtenden Menschen, wir kümmern uns aber auch um die Sorgen und Ängste im Land. Wir sorgen für die Sicherheit der Flüchtenden und der Menschen in Österreich. Das ist der Lösungsansatz.

Das Gegenkonzept haben wir auch vorher gehört, nämlich das, was die FPÖ, der Herr Strache und der Herr Kickl tun – solange sie noch nicht anderweitig beschäftigt sind –: nur herumzukeifen und kein einziges Problem zu lösen. (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)


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Damit ist keinem Flüchtling und keinem Österreicher geholfen! Das, was wir wollen, ist, die Probleme, wenn sie anstehen, auch zu lösen, und zwar pragmatisch, menschlich und schnell. Das ist der Unterschied. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abge­ordneten der ÖVP. – Abg. Strache: Bei „herumkeifen“ ist „Claqueur“ allemal möglich!)

16.13


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Lopatka. – Bitte.

 


16.13.22

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Regierungsmitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass jetzt die Stimmung eine andere ist, als sie schon zu Beginn der Debatte war, denn was sich weltweit momentan abspielt, ist natürlich eine Tragödie und sollte auch von uns mit entsprechender Ernsthaftigkeit diskutiert werden – bei aller Unterschiedlichkeit, die es hier in den einzelnen Fraktionen gibt.

60 Millionen Menschen sind weltweit als Flüchtlinge unterwegs. Wir in Europa haben das bisher viel weniger bemerkt, als es in anderen Regionen spürbar war. Von diesen 60 Millionen kamen im Jahr 2013 laut Eurostat 431 000 nach Europa; im Jahr 2014 waren es schon 626 000 und im ersten Halbjahr 2015 bereits 398 000.

Der Bundeskanzler hat es vorhin angesprochen: Österreich hat hier einen großen Anteil, aber die Zahl ist nicht so dramatisch, wie sie zwischendurch dargestellt wird. Sie ist natürlich stark angestiegen. Wir liegen bis zum gestrigen Tag – ich habe die Zahlen aus dem Innenministerium – bei 52 875 Asylanträgen.

Das sind Herausforderungen, die man sicherlich nicht durch parteipolitisches Hickhack lösen kann – ganz sicher nicht. Wie kann man sie lösen? – Nur, wenn man bereit ist, sich auf das zu besinnen, was bisher die Europäische Union ausgezeichnet hat; das ist solidarisches Vorgehen, und das ist das Ringen um den Kompromiss. Seit gestern und vorgestern bin ich wieder zuversichtlicher. Ich war zwischendurch nicht mehr sehr zuversichtlich; aber was hier den Innenministern in einem ersten Schritt gelungen ist – leider nicht mit einem einstimmigen Beschluss –, das ist ein Signal, ein Signal, das gestern auch vom informellen Rat ausgesandt worden ist. Diese Vorgehensweise wird jetzt im Oktober und im November im Rat fixiert. Sie zeigt dann einen Weg auf, den wir bewältigen können und auf dem wir wegkommen von dem, dass die Menschen tatsächlich große Sorgen haben, dass die Ängste in der Bevölkerung zunehmen. Dann können wir ganz klar sagen: Ja, es gibt Grenzen – EU-Außengrenzen. Diese sind zu beachten, und wenn man an diese Grenze kommt, dann kann es für viele die End­station sein.

Es darf diese Grenze aber nicht für jene geben, die nach der Genfer Flüchtlings­konvention einen Anspruch auf Schutz haben, die aus Kriegsgebieten kommen oder politisch verfolgt sind. Wenn es einen rechtsgültigen Asylgrund gibt, müssen wir es schaffen, diese Menschen nach der Genfer Flüchtlingskonvention auch entsprechend unterzubringen. Es ist in einem so reichen Land, das Österreich Gott sei Dank ist, unsere Pflicht, auch hier rechtsstaatlich vorzugehen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit diesem Beschluss zum Durchgriffsrecht des Bundes, den wir gestern gefasst haben, glaube ich, haben wir schon viel erreicht, sodass die Länder und auch die Gemeinden hier in den letzten Monaten weit mehr getan haben, als es in den letzten Jahren möglich war. Wenn es so weitergeht, hoffe ich, dass die Innenministerin von diesem Rechtsinstrument gar nicht Gebrauch machen muss; die Mehrzahl der Bun-


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desländer erfüllt nämlich jetzt schon die Quote. Genau das brauchen wir auch auf europäischer Ebene – diese gemeinsame Vorgehensweise.

Da wird von der Regierung hart gearbeitet, und dann gibt es als Dank dafür eine Ministeranklage, eine Ministeranklage gegen die Innenministerin. Kollege Strache! Ja, es ist das Recht der Opposition, Kritik zu üben – harte Kritik zu üben –, aber ich sage Ihnen, das ist eine Zweckentfremdung dieses zweifelsohne scharfen Instrumentes. Sie werfen mit dieser Ministeranklage – und Sie wissen es – der Ministerin vor, dass sie eine vorsätzliche Rechtsbrecherin ist – und das ist sie ganz sicher nicht. Ich sage es Ihnen: Das ist sie ganz sicher nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Darmann: Habt ihr selber schon zugegeben!)

Kollege Strache, Sie wissen es ganz genau: Diese Ministeranklage wird ins Leere gehen. Kollege Kickl hat sich zweimal verraten. Er hat zweimal das Hauptmotiv, das Sie in dieser Debatte haben, angesprochen: Am Sonntag sind Wahlen in Ober­österreich und ein wenig später in Wien. Das ist die Motivation bei Ihnen (Ruf bei der FPÖ: Geh!): Angstmachen und Schlechtreden! (Abg. Strache: Da braucht man nichts mehr schlechtzureden!) Das ist kein Beitrag zur Lösung.

Das sage nicht nur ich. Gestern hat die renommierte „Neue Zürcher Zeitung“ die Flüchtlingspolitik Schwedens und Österreichs dargestellt. Es gibt dort einen Zwischentitel in dieser „Neue Zürcher Zeitung“, der lautet: „Die FPÖ schürt Ängste“.  Das ist der eine Teil Ihrer Arbeit, Ihr Lösungsbeitrag, und der andere ist, zu verun­glimpfen und schlechtzumachen. Das ist kein Beitrag zur Lösung des Problems. (Ruf bei der FPÖ: Wir sprechen das an!)

Die Innenministerin hat sich immer an die geltenden Gesetze der Republik gehalten und diese beachtet. Vielleicht kennen Sie nicht den Schengener Grenzkodex. Der Schengener Grenzkodex sieht hier sehr wohl vor, dass diese Vorgehensweise, die die Innenministerin gesetzt hat – lesen Sie im Art. 5 nach –, gedeckt ist; und sie steht nicht im Widerspruch zum Fremdenpolizeigesetz, auf das Sie rekurrieren. Dieser Schen­gener Grenzkodex ist im Einklang mit dem Fremdenpolizeigesetz.

Sie wissen: Die Klage wird ins Leere gehen, aber das, was Sie wollen, ist natürlich trotzdem erreicht: Es ist wieder einmal ein Regierungsmitglied angepatzt worden.

Daher sage ich Ihnen: Ja zur Oppositionskritik, aber in der Form, wie Sie das zuletzt gemacht haben, ist das kein Beitrag zur Lösung des Problems. Sie schreien zwischen­durch laut – momentan nicht –, aber wir versuchen, nicht durch lautes Schreien, sondern durch harte Arbeit dieses sehr schwierige Problem zu lösen.

Das ist der große Unterschied zwischen der Bundesregierung und der FPÖ. Der Bundeskanzler hat diesbezüglich in den letzten Wochen, gerade auch auf europäischer Ebene, viel gemacht, ebenso die Innenministerin. Ja, sie haben hart gearbeitet.

Wir lassen Ihnen das Schlechtmachen und das Angstschüren, das soll bei Ihnen bleiben. Bei uns bleibt die Arbeit, da rechnen wir ohnehin nicht mit Ihnen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

16.20


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Dr. Glawischnig-Piesczek. – Bitte.

 


16.21.16

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Mich erstaunt es schon immer wieder, mit welch unglaublicher Aggres­sivität man so ein Thema behandeln kann.


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Kollege Kickl ist jetzt schon wieder weg, aber ich hätte ihm noch gerne ein paar Fragen gestellt. Es ist wirklich erstaunlich, wie herabwürdigend, wie brutal und wie aggressiv man so einer ernsten Frage – und die Fragen von Kriegsflüchtlingen, von Flüchtlingen generell, das sind ernste Fragen! – begegnen kann.

Mich verblüfft das, und irgendwie denke ich mir: Es muss ja in ihrer Familie auch noch Menschen geben, die vielleicht irgendwas dazu erzählen können, was Krieg oder Frieden bedeutet. Die gibt es sicher. Fragen Sie einmal nach!

Europa hat dieses Gedächtnis. Wir wissen, was es bedeutet, einen Eisernen Vorhang durchs Land gezogen zu haben. Wir wissen in diesem Kontinent, was Krieg bedeutet. Auch deswegen ist es so erstaunlich, dass dies an Ihnen offensichtlich vollkommen spurlos vorübergegangen ist. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Wir stehen jetzt vor einer Entscheidung. Es ist eine Entscheidungsfrage für die Europäische Union, für ihre Mitgliedstaaten, aber auch für Österreich, wie man diese große Herausforderung angeht. Dabei haben wir mehrere Möglichkeiten. Eine ist es, dem Beispiel vieler in der Zivilgesellschaft, nicht nur in Österreich, zu folgen: zu helfen auf allen Ebenen – international, national aber auch lokal in den Gemeinden –, Lösun­gen zu finden, auch internationale Lösungen, Friedensinitiativen anzugehen, die Flüchtlingshilfe vor Ort zu unterstützen, darüber nachzudenken, wie man legale Einreisemöglichkeiten organisieren kann.

Die andere Möglichkeit ist das Orbán-Modell, und da haben Sie, Herr Klubobmann Strache, heute erneut Respekt für Orbán zum Ausdruck gebracht. Ich möchte Ihnen noch einmal vor Augen führen, was tatsächlich in diesem Land jetzt geschieht. Dafür, dass man vollkommen wahllos mit Tränengasgranaten in Mengen hineinschießt, in denen sich auch sehr viele Kinder befinden, kann ich keinen Respekt empfinden! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich kann auch keinen Respekt dafür empfinden, dass an der Grenze, wie dies nach Berichten von Amnesty International geschehen ist, tatsächlich Eltern von ihren Kindern getrennt worden sind. Ein achtjähriger Bub ist von seinen Eltern getrennt worden.

Ich kann auch keinen Respekt dafür empfinden, dass die Polizei offensichtlich syste­matisch nicht nur Journalisten, sondern vor allem Flüchtlinge in den Flüchtlingslagern mit Gewalt konfrontiert. Österreicher bei Nickelsdorf erzählen, dass sie Flüchtlingen teilweise Glassplitter aus den Fußsohlen herausoperieren mussten – und den überein­stimmenden Berichten dieser Flüchtenden zufolge mussten sie über Glasscherben laufen. Das erzählen Sanitäter, die im österreichischen Nickelsdorf im Einsatz sind.

Meiner Meinung nach ist es sehr wohl möglich, zu diesen dort angewandten Praktiken, dazu, dass systematisch mit Gewalt gegen Flüchtlinge vorgegangen wird, zumindest auch ein Wort der Kritik zu finden und nicht nur Respekt zu äußern, aber offensichtlich gefällt Ihnen diese Art und Weise, wie man mit Flüchtlingen umgeht. Das belegt für mich leider auch die Aggressivität, mit der Sie heute gesprochen haben.

Ich glaube, dass wir uns die Entscheidung sehr leicht machen können. Wir können dem Beispiel dieser vielen Menschen in Österreich folgen – von der Freiwilligen Feuer­wehr bis zum Alpenverein, von unzähligen Einzelpersonen, von Facebook-Initiativen, von Betrieben und natürlich von den Hilfsorganisationen –, die nicht nur Solidarität und Menschlichkeit gezeigt haben, sondern die vor allem auch mitgeholfen haben, die teilweise bis zur Erschöpfung mitgearbeitet haben.

Es wäre eigentlich die Aufgabe der Politik, diesbezüglich wirklich zu arbeiten, statt dieses Thema zu missbrauchen. Ich finde es niederträchtig, die Flüchtlingsfrage als


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Wahlkampfthema dermaßen manipulativ zu missbrauchen und dabei teilweise auch Unwahrheiten zu verbreiten. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Immer wieder wird das Argument gebracht: Es gibt auch in Österreich viele Prob­leme. – Selbstverständlich, denen stellen wir uns auch! (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.) Gerade die vielen Künstlerinnen und Künstler, die jetzt Spenden sammeln oder Benefizkonzerte organisieren, sind es aber auch, die bei Obdachlosigkeit oder bei sonstigen Problemen ebenfalls die Ersten sind, die etwas beitragen. Dass Ihr Beitrag zu diesen Fragen sich darauf beschränkt hat, gegen Bettelverbote zu sein oder gegen die Mindestsicherung zu hetzen, sei hier auch einmal dokumentiert. (Abg. Walter Rosenkranz: Gegen Bettelverbot? – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Wir sind für ein Bettelverbot!)

Jetzt haben Sie offensichtlich noch etwas Neues entdeckt und vertreten neuerdings die sogenannte Hilfe vor Ort. Ich möchte nur in Erinnerung rufen, dass die Freiheitliche Partei kein einziges Mal in diesem Haus – kein einziges Mal! – eine Erhöhung der Entwicklungszusammenarbeitsgelder oder der humanitären Hilfe im Ausland in irgendeiner Form unterstützt hat. Im Gegenteil: Sie wollten die Entwicklungszusam­menarbeitsgelder sogar abschaffen, und zwar mit dem Argument: Das ist halt – unter Anführungszeichen – „für Ausländer“! Das ist schon wirklich übel! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Einen kritischen Punkt möchte ich heute trotzdem nicht unerwähnt lassen. Wir begrüßen die Beschlüsse, die ersten Schritte, die es auf der europäischen Ebene jetzt gibt, auch die Ausweitung – beziehungsweise im Grunde erst den Beginn – der Syrien-Hilfe und der Hilfsgelder in dieser Dimension. Ich frage mich aber schon, was denn diesbezüglich in den letzten vier Jahren geschehen ist? Der Syrien-Krieg geht in das fünfte Jahr, das ist ein sehr brutaler Krieg. Wir wissen, dass bereits im September, Oktober, November, Dezember des letzten Jahres die vor Ort tätigen Hilfsorgani­sationen UNICEF und UNHCR Hilferufe ausgesendet haben. Da frage ich mich, wieso die österreichische Außenpolitik und der österreichische Außenminister – unter Anführungszeichen – „geschlafen“ haben, statt dieses dramatische Problem ernsthaft international auch anzugehen.

Bei uns mussten wir, was die humanitäre Hilfe im Ausland betrifft, um kleine Beträge streiten, und in den Jahren 2013 und 2014 wurden in diesem Bereich die österreichi­schen Mittel genau für diese Organisationen gekürzt. Ich hoffe, dass dies nun ein Ende hat und dass wir unserer Verantwortung nachkommen. Es geht dabei um überschau­bare Beträge. Dass vor diesem Hintergrund in den letzten Jahren gerade diese Mittel gekürzt wurden, kann meiner Meinung nach wirklich niemand verstehen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Abschließend hätte ich noch gerne dem Herrn Generalsekretär der FPÖ ein paar Fragen gestellt. Da gestern so wenig Gelegenheit war, sich mit Ihnen zu unterhalten, möchte ich diese Gelegenheit heute nutzen. Ich möchte dabei nur noch einmal für die FernsehzuseherInnen klarstellen: Herbert Kickl war oder ist nach wie vor Beteiligter einer Firma, die vereinbart hatte, von Aufträgen von Landesregierungsmitgliedern der FPÖ 20 Prozent an die FPÖ weiterzureichen.

Das ist jedenfalls illegal, da kann man machen, was man will, es ist nur eine Frage der Zeit, bis das sozusagen entschieden ist. Ich hätte Sie gerne gefragt: Warum brauchen Sie, Herr Abgeordneter Kickl, Strohmänner für Firmenbeteiligung und Liegenschaften? Das braucht man eigentlich nicht – außer man hat etwas zu verbergen; weiß ich nicht. (Ruf bei der FPÖ: Das ist aber nicht das Einzige, was Sie nicht wissen!) Wie viel Geld


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hat die FPÖ tatsächlich transportiert von Kärnten – in Koffern oder Kuverts ist mir egal –, und wer hat das Geld bekommen: die Bundes-FPÖ oder die Kärntner FPÖ?

Eines kann ich Ihnen auch sagen, Herr Bundesparteiobmann Strache: Wenn ich einen Geschäftsführer hätte, wo zwei Personen unabhängig voneinander sagen, dass der einen Geldkoffer in Empfang genommen hat, dann würde mir ein anderer Satz ein­fallen als: Ich hab’s Geld nicht genommen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abge-ordneten der SPÖ. – Abg. Strache: Wissen S’, unter dem Schutz der Immunität kann man alles …!)

16.28


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Strolz.

 


16.28.26

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Liebe Regierungs­mitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Liebe Bürgerinnen und Bürger vor den Bildschirmen und auf der Besuchergalerie!

Wer die Debatte länger verfolgt hat, wird mir wahrscheinlich zustimmen: Meinem Gefühl nach erleben wir keine Sternstunde des Parlaments. Mich hat es in meinem Sessel auch ein bisschen hin und her gerissen und ich habe mich gefragt: Was soll ich da überhaupt sagen? Ich mag in dieses Hickhack nicht einsteigen.

Ich versuche einmal, von oben draufzuschauen, was hier geschieht. Ich glaube, was Österreich hier erlebt, ist ein Ringen: Wie gehen wir – die anderen fünf Fraktionen – im Parlament mit dem Rechtspopulismus um, und wie gehen wir in Österreich insgesamt damit um? Wir haben keine rechte Antwort.

Natürlich muss man auch klar sagen: Die FPÖ versucht, das Thema Flüchtlingskrise für die beiden Wahlkämpfe in Oberösterreich und in Wien zu instrumentalisieren. Das gelingt Ihnen auch, das muss man ebenfalls feststellen.

Ich habe drei Thesen sehr interessant gefunden, die Stefan Petzner unlängst in der Öffentlichkeit platziert hat, und die möchte ich auch in den parlamentarischen Raum holen. (Abg. Walter Rosenkranz: Der unterstützt …!) Stefan Petzner hat gesagt: Rechtspopulisten sind die Seismographen oder haben eine Seismographen-Funktion in unserer Gesellschaft. – Das ist ein sehr wertschätzender Blick auf den Rechts­populismus.

 Ich versuche eben, nicht nur schwarz-weiß zu malen. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich respektiere, dass die FPÖ wiederholt ein Thema aufgreift, das für die gesell­schaftliche Entwicklung unseres Landes sehr zentral ist und das in den letzten Jahren und Jahrzehnten von der Regierung nicht jene Aufmerksamkeit bekommen hat, die dieses Thema gebraucht hätte. (Abg. Podgorschek: Stimmt!) Damit ist dann aber meinerseits die Übereinstimmung mit der FPÖ auch schon wieder vorbei, denn was ich natürlich nicht teile, das sind die Antworten, die Sie geben!

Stefan Petzner sagt nicht nur, dass Rechtspopulisten Seismographen der Gesellschaft sind. Er sagt auch – und er kennt sich ja aus in dem Geschäft und bei Ihnen (Abg. Walter Rosenkranz: Ist das Ihr Berater?) –: Rechtspopulisten sollten nie über 10 Pro­zent bekommen, denn das tut einer Gesellschaft nicht gut! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte daher an die Menschen, die nächsten Sonntag in Oberösterreich und dann in Wien zu den Wahlurnen schreiten werden, einen Appell richten: Ich weiß, dass manches davon, was derzeit auf der politischen Bühne geboten wird, zum Verzweifeln ist – auch mir geht es so. Doch zur FPÖ zu greifen, ist die falsche Medizin, das ist wie


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bei Kummer zu Alkohol zu greifen. Das wird nichts ändern! Sie werden am nächsten Tag mit einem Kater aufwachen, doch die Situation wird dieselbe sein. Das ist eben das Problem des Rechtspopulismus, und deswegen sollte man nicht zu dieser Medizin greifen, die wird nicht helfen, das ist eben eine Droge und keine Medizin. (Abg. Hagen: Drogen sind noch ärger! – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Noch einmal die Thesen von Stefan Petzner: Rechtspopulisten sind Seismographen –sie bringen richtige Themen auf das Tapet –, sie sollen nicht über 10 Prozent bekom­men, das ist ein Appell an die Bürgerinnen und Bürger aus dem Herzen des Rechts­populismus. Seine dritte These: Sie sind für Regierungsarbeiten nicht zu gebrauchen, so Stefan Petzner, weil sie sich nicht in verantwortungsvoller Weise der Verantwortung stellen. (Abg. Lugar: Haben S’ nicht einen anderen gefunden? – Abg. Walter Rosenkranz: … bisserl eifersüchtig? – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

An diesem Punkt möchte ich, liebe FPÖ, auf Ihre inhaltlichen Vorschläge eingehen. Sie schlagen vor, dass wir rund um Österreich einen Stacheldrahtzaun spannen. (Abg. Kickl: Nicht drumherum, sondern dort, wo was reinkommt!) Dann frage ich Sie – Sie haben ja auch Kinder –: Ist das Ihr Bild für Europa? Sollen unsere Kinder in einem Europa aufwachsen, wo wir am Walserberg, wo wir am Brenner, wo wir in Nickelsdorf, wo wir zwischen 28 EU-Staaten Stacheldrahtzäune machen? Wenn wir diese Zäune einmal aufgebaut haben, ist es nicht so leicht, sie wieder abzubauen! Das hat die europäische Geschichte gelehrt. Ich wäre ganz vorsichtig mit solchen Vorschlägen und ganz vorsichtig damit, mit solchen Vorschlägen Stimmen zu fangen! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Wenn ich Sie als Seismographen bezeichne, kann ich natürlich die Regierung nicht außen vor lassen. Die seismographische Funktion liegt darin, dass Sie Dinge auf­zeigen, die eben schon unterwegs sind. Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, ich kann Sie nicht aus der Pflicht lassen: Sie haben dieses Phänomen des Rechts­populismus in diesem Ausmaß in Österreich genährt. Tragisch ist, gerade auch in der Flüchtlingsfrage, dass die heute auf 30 Prozent sind.

Seit vier Jahren wissen wir, es ist Krieg in Syrien. Wir wissen, dass Flüchtlinge unterwegs sind – in Jordanien, in der Türkei, im Libanon sitzen sie zu Millionen! –, und dann sind wir nicht einmal fähig, die Hilfstranche für das Ernährungsprogramm, für das Food Programme in diesen Flüchtlingslagern heuer zu überweisen? Wir überweisen weniger als private Spender der Vereinigten Arabischen Emirate. Wir überweisen im Vergleich zu Schweden nicht einmal ein Siebzigstel an das UNHCR.

Wir adressieren all die Fragen nicht, die kommen – wir schauen weg. Wir haben 25 000 Mal weggeschaut. Seit 2000 sind 25 000 Menschen im Mittelmeer gestorben. Wir haben 25 000 Mal weggeschaut, und erst wenn 71 Tote in einem Lastwagen bei uns ankommen, dann schauen wir endlich einmal hin. Das ist nicht meine Auffassung von Regierungsarbeit!

Ich habe mich noch nie so sehr als Zentrumspartei gefühlt wie heute. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Korun.) Wir wollen arbeiten für Lösungen. Deswegen ist es auch in dieser Flüchtlingsfrage als Zentrumspartei so schwierig. Wir können Ihnen, liebe Bürgerinnen und Bürger, keine Extrempositionen links oder rechts bieten. Wir wollen nach vorne, das ist die historische Mission der NEOS. Wir wollen mit diesem Land nach vorne und raus aus diesem elenden Hickhack, das heute in diesem Hohen Haus wieder fröhliche Urständ gefeiert hat. Das ist unser Angebot, auch für Ober­österreich und für Wien. Die Bürgerinnen und Bürger müssen entscheiden. (Beifall bei den NEOS.)

16.34



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 39

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zur Wort gelangt Herr Klubobmann Lugar. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ: Der will auch nach vorne!)

 


16.35.07

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ich versuche das Ganze jetzt ein bisschen auf eine sachliche Ebene zu bringen. Wir haben heute einiges über Solidarität gehört, über Hilfsbereitschaft, über Menschen, die Hilfe brauchen. Der Herr Bundeskanzler fordert uns immer wieder auf, den Menschen die Hand zu reichen, ihnen Hilfeleistung zu geben und unsere Augen nicht zu verschließen vor den Problemen, die da auf uns zukommen.

Jetzt stellt sich natürlich angesichts der 34 kriegerischen Situationen, die wir weltweit haben – wir haben 34 Kriege weltweit, wir haben in etwa 60 Millionen Menschen, die aufgrund dieser kriegerischen Situationen auf der Flucht sind –, die Frage: Warum sollen wir jetzt plötzlich mit jenen 0,2 Prozent von diesen 60 Millionen, die es nach Europa geschafft haben, solidarisch sein? Und wenn wir mit jenen solidarisch sein sollen, dann ist die Frage: Was ist mit dem Rest? Was ist mit dem Rest, mit den 99,8 Prozent, die genauso um ihr Leben laufen, die genauso Schutz brauchen, unter denen genauso Frauen und Kinder sind? Was ist mit jenen?

Wenn wir auf dem Standpunkt stehen: Ja, die haben es nicht zu uns geschafft, und wenn sie es nicht zu uns schaffen, dann können wir nichts tun für sie!, dann ist die Frage: Warum helfen wir ihnen nicht dort, wo sie tatsächlich sind? Das wäre nämlich die schlauere Methode.

Es wäre ja hundertmal schlauer, den Menschen vor Ort zu helfen und sie nicht nach Europa einzuladen, um ihnen hier zu helfen, denn wenn man es nur von der öko-nomischen Seite betrachtet – nicht von der menschlichen, von der ökonomischen! –, dann kostet ein Flüchtling, der sich in Europa befindet, zehn- bis zwanzigmal so viel wie die Versorgung eines Flüchtlings vor Ort, zum Beispiel in Syrien. (Abg. Schieder: Woher wissen Sie das?) Das heißt: Wenn wir es schaffen, in Syrien Schutzzonen zu machen, um den Menschen dort Sicherheit zu geben, dann bräuchten die gar nicht nach Europa zu kommen! (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Wir hätten sogar die Möglichkeit, diese Menschen wieder dorthin zurückzubringen, denn was macht es für einen Sinn, wenn wir ganze Landstriche entvölkern? Was macht es für einen Sinn? Ich habe heute bei „60 Minuten Politik“ mit einem Grünen gesprochen, der gesagt hat: Das ist ja kein Problem, wir können ja vier Millionen Syrer ohne Problem in der Europäischen Union aufnehmen! Doch die Frage ist: Wofür? Wem nützt das? Nützt das den Syrern? Nein, die brauchen die Menschen ja im Land. Die afghanische Regierung hat sich schon an die Weltgemeinschaft gewandt und gebeten, nicht ihre eigenen Leute abzuwerben, die brauchen die Menschen dort in der Region, um ihre Region aufzubauen. (Ruf bei der FPÖ: Richtig!) Und was machen wir in der Europäischen Union? Wir sagen: Kommt, kommt! Und natürlich kommen die Men­schen.

Natürlich ist es einfacher, sich in ein System zu setzen, mitten in Deutschland, und zu sagen: Jetzt bin ich da und brauche mein Land nicht aufbauen! Aber die Frage ist: Was braucht Syrien, was braucht die Region? Die brauchen diese Menschen, die jetzt von dort weggehen. Natürlich gehen sie weg, weil sie Angst haben vor dem Krieg, aber das wäre ja Sache der Weltgemeinschaft, für Frieden zu sorgen. Die UNO hat es ja auf den Punkt gebracht. Sie hat die Weltgemeinschaft angeklagt und gesagt, die Weltgemein­schaft ist unfähig in dieser Sache – unfähig! Da meint man wahrscheinlich auch Sie, Herr Bundeskanzler, denn Sie gehören auch zu dieser Weltgemeinschaft. Und wir sind deshalb …

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 40

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie haben Ihre Rede mit der Ankün­digung begonnen, die Debatte auf eine sachliche Ebene bringen zu wollen. Ich würde Sie jetzt bitten, dabei zu bleiben – auch was Ihre Wortwahl in dieser Debatte betrifft – und diese Wortwahl zurückzunehmen oder sich dafür zu entschuldigen.

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (fortsetzend): Frau Präsidentin! Ich habe gesagt, dass die UNO die Weltgemeinschaft als unfähig bezeichnet in dieser Frage. Ich glaube, das können wir alle in diesem Raum teilen. Und da der Herr Bundeskanzler auch Teil dieser Weltgemeinschaft ist, müsste das auch für ihn gelten. Das habe ich gesagt.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, für den persönlichen Vorwurf der Unfähigkeit erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Unglaublich! – Abg. Walter Rosenkranz: Das ist ja unglaublich!)

*****

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (fortsetzend): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich halte fest, dass der Herr Bundeskanzler nicht Teil der Weltgemeinschaft ist! (Abg. Kickl: Freies Mandat, aber kein freies Wort! – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Un­glaublich!) Also: Der Herr Bundeskanzler ist nicht Teil der Weltgemeinschaft, soll mir auch recht sein, aber gehen wir noch einmal auf den Kern der Sache zurück. (Anhal­tende Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Der Schluss ist gar nicht so kompliziert gewesen!)

Der Herr Bundeskanzler will immer Solidarität, und da frage ich mich: Warum sollen wir jetzt mit Syrien solidarisch sein? Das liegt erstens nicht in Europa, die sind in Asien zu Hause – wie Sie wahrscheinlich auch wissen, Herr Bundeskanzler –, die gehören nicht unserem Kulturkreis an, das Land grenzt auch nicht wirklich an die Europäische Union. Also ist die Frage, Herr Bundeskanzler: Warum sollen wir mit Syrien solidarisch sein? Ich würde doch eher etwas anderes vorschlagen, Herr Bundeskanzler: Seien wir doch einmal für einen Augenblick solidarisch mit den Österreicherinnen und Österreichern! (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Es gibt in Österreich 37 000 Obdachlose. (Abg. Kickl: Die können leider keine Selfies mit dem Bundespräsidenten machen!) Haben Sie das gewusst, Herr Bundeskanzler? (Abg. Schimanek: Der ist schon weg!) Das sind keine Flüchtlinge. Das sind jene, die in Ihrem Sozialsystem obdachlos wurden. Sind Sie mit denen solidarisch? Habe ich das heute von Ihnen gehört? Oder sind Sie mit der Viertelmillion solidarisch, die sich wahrscheinlich in diesem Winter das Heizen nicht leisten kann? Sind Sie mit denen solidarisch?

Nein, wir müssen mit Syrern solidarisch sein, die überwiegend Muslime sind und bei denen wir alle wissen, auch Sie, liebe Grüne, dass die ein großes Problem mit dem Frauenbild haben, das Sie und ich hier in diesem Parlament so hochhalten. (Zwi­schenruf der Abg. Korun.) Den gegenseitigen Respekt, den wir in Österreich leben und auf den wir stolz sind, den leben diese Menschen leider nicht, zumindest die überwiegende Anzahl nicht.

Jetzt ist die Frage, Frau Glawischnig, wenn Sie die alle hier haben wollen, ob sie diese Toleranz, die Sie heute hier aufbringen, dann auch Ihnen gegenüber aufbringen, wenn sie dann die Mehrheit in unserem Lande sind. Dann kann es nämlich durchaus passieren, dass diese ein Problem damit haben, dass Sie unverschleiert vor die Tür


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gehen. Und da ist die Frage, Frau Glawischnig, ob Sie dann immer noch so tolerant sind. (Zwischenruf der Abg. Lichtenecker.)

Ich muss Ihnen eines sagen: Ich habe eine neunjährige Tochter, und ich will ihr nicht zumuten, dass wir plötzlich in einem Land leben – und da gibt es genug Beispiele, weil Sie sagen, das wird nie passieren … (Abg. Kogler: … PEGIDA!) Es gibt so viele Beispiele auf dieser Welt, wo genau das passiert ist (Abg. Korun: Die laufen vor der IS weg!), wo eine Kultur aufgrund von Migration ausgetauscht wurde und man letztlich nicht mehr Herr im eigenen Haus war. Und dann bin ich gespannt, was Sie dazu sagen, Frau Glawischnig, da Sie ja jetzt so offenherzig sind und nach Solidarität rufen, die leider in vielen Fällen eine Einbahnstraße ist. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Korun: Mit Solidarität können Sie nichts anfangen, das wissen wir eh! – Abg. Kogler: Gehen Sie doch zur PEGIDA-Demonstration!)

Und deshalb werden wir heute, Herr Bundeskanzler und liebe Regierung, bei diesem Antrag der FPÖ mitgehen, und zwar deshalb, weil es ein Wahnsinn ist, dass wir als Parlament einen Gesetzesbruch tolerieren. Es gibt Regeln, es gibt Gesetze, aber die Regierung hat diese Gesetze mit Füßen getreten. Deshalb ist dieser Antrag ange­bracht. Er ist angebracht, und deswegen wird er auch von uns unterstützt. Ein Parla­ment, das die eigenen Regeln nicht ernst nimmt, ist aus meiner Sicht ein Parlament, das sich schon lange abgemeldet hat. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

16.42


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Podgorschek. – Bitte.

 


16.43.05

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Frau Präsidentin, ich ersuche Sie, wenn möglich Folgendes aufzuklären: Wir haben nach der Rede von Herbert Kickl laut Parlaments­zeitstoppung 9 Minuten und 3 Sekunden gehabt, und später sind dann 10 Minuten aufgeschienen. (Zwischenruf des Abg. Darmann.) Diese eine Minute geht natürlich unserer Fraktion ab. Ich hoffe nicht, dass das manipulativ erfolgt ist, sondern, dass es sich nur um einen Irrtum gehandelt hat.

Zur Sache selbst: Wir sind hier in einem demokratischen Parlament, und ich erwarte mir, dass auch ein demokratischer Diskurs erfolgen kann und dass kein Redner hier bei seiner Rede gestört wird. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir werden des Rechtspopulismus bezichtigt, machen aber nichts anderes, als die Sorgen und Nöte der Bevölkerung auszusprechen. Wenn Sie dann glauben, dass das populistisch ist, dann stehe ich dazu. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir müssen diesen Ursachen aber auf den Grund gehen, und niemand hier will das erkennen. Gestern hat der ehemalige Klubobmann der SPÖ das als einer der wenigen Redner durchaus erkannt. Kollege Cap hat genau gewusst, wo die Ursachen liegen, nämlich in diesem Konflikt zwischen den USA und Russland. Dort haben wir den Hebel anzusetzen, und dort haben wir dementsprechend auch Druck auszuüben, denn sonst werden wir dieses Problem in Europa niemals lösen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Europäische Union die Flüchtlinge, die jetzt hereingekommen sind, aufteilen kann, ist eine Illusion. Das wird nicht ein­treten, denn die Staaten, in die diese Flüchtlinge jetzt kommen, werden erstens einmal die Flüchtlinge nicht aufnehmen, und vor allem wollen die Flüchtlinge nicht in diese Staaten gehen. Warum wollen sie nicht dorthin gehen? – Sie wollen nicht dorthin gehen, weil Staaten wie Österreich, Deutschland und Schweden mehr oder weniger einen Honeypot aufgestellt haben, einen Honigtopf.


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Man kann jetzt darüber diskutieren, ob das berechtigt ist oder nicht, aber das ist Fakt. Unsere Sozialleistungen sind um ein Vielfaches höher als in diesen anderen Staaten. Schlepper verteilen in den Staaten, wo die Flüchtlingslager sind – Türkei, Syrien, Jordanien –, Flugzettel, auf denen sinngemäß steht: Kommt nach Deutschland, dort bekommt ihr 1 200 € netto und braucht dabei nicht zu arbeiten. Ja, wer wird denn da sagen: Das will ich nicht!? Selbstverständlich niemand, und ich mache diesen Men­schen keinen Vorwurf. Ich mache auch jenen Menschen keinen Vorwurf, die sich am Westbahnhof hinstellen und diesen Leuten helfen wollen. Aber sie sind alle, wie die gesamte österreichische Bevölkerung, Opfer des Schlepperwesens, denn man vergisst geflissentlich, dass mit dem Schlepperwesen nach wie vor mehr verdient wird als mit dem Waffen- und Drogenhandel. Das sollten wir auch aufzeigen. (Beifall bei der FPÖ.) Aber leider trübt manchmal der Rausch von Fernstenliebe den Blick auf die Realität, anders kann ich es nicht sagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen in einer Phase, in der die öffentliche Meinung und die veröffentlichte Meinung so weit auseinandergehen, und die Schere driftet immer weiter auseinander. Haben Sie sich darüber schon einmal Ge­danken gemacht? – Wir nehmen die Sorgen der Menschen nur ernst. Mein Landtags­klub in Oberösterreich hat bereits im Mai einen Initiativantrag im oberösterreichischen Landtag eingebracht betreffend Maßnahmen zur Bewältigung des Flüchtlingsansturms in die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Damals wurden wir noch als Hetzer dargestellt, obwohl dann die ÖVP diesem Antrag beigetreten ist, weil sie wahr­schein­lich instinktiv gespürt hat, dass da Handlungsbedarf herrscht. (Abg. Schönegger: Vor einem Jahr! – Abg. Lopatka: Im April 2014!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt sind wir in einer Phase, in der in Europa sogar schon das Eigentumsrecht in Frage gestellt wird. Die rot-grüne Regierung in Hamburg will zwangsweise leerstehende Gewerbeflächen zu Unterbringungszwecken konfiszieren. Ja, wo kommen wir denn da hin?!

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, wir sind nicht die Hetzer von gestern, sondern die Realisten von heute. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krainer: Kein einziger konstruktiver Vorschlag!)

16.48


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Lueger ist als Nächste zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


16.48.35

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Thematik der Asylproblematik hat natürlich mehrere Dimen­sionen. Sie hat einerseits eine weltweite, andererseits eine europäische Dimension. Ich hätte mir vor einem Monat nicht vorstellen können, dass sich die Europäische Union zu bewegen beginnt. Und man sieht, durch den Druck – und daher darf ich noch einmal ein ausdrückliches Dankeschön auch an unseren Bundeskanzler sagen –, den der Herr Bundeskanzler gemeinsam mit Angela Merkel aufgebaut hat, ist es zu Verhand­lungen gekommen, einerseits der Innenminister und gestern der Staats- und Regie­rungschefs. Dort wurden Beschlüsse gefasst, und diese Beschlüsse sind der erste Schritt in die richtige Richtung.

Wir haben auch nationale Ziele zu verfolgen, ja, da gebe ich Ihnen recht. Wir haben gestern hier national zwei Gesetze beschlossen, und unser Bundeskanzler hat das Staatsziel ganz eindeutig erklärt. Ich bin überzeugt davon, dass wir hier in diesem Haus schon eine Gemeinsamkeit haben: Asyl ist ein Menschenrecht. Dieses Men-


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schenrecht wird in Österreich durch ein rechtsstaatliches Verfahren geprüft, und das soll auch so bleiben.

Solidarität, Respekt, Ordnung, Menschlichkeit, Verhältnismäßigkeit – das ist jetzt ein neuer Begriff, der diese Dimension erreicht hat – und das Recht auf Asyl sind für mich die Basis für Österreich und für die Demokratie, in der wir hier leben dürfen. Diesen Respekt, meine Damen und Herren, den habe ich in manchen Wortmeldungen hier und heute aber sehr stark vermisst. Wenn das der Respekt ist, mit dem Sie mit Menschen umgehen, dann kann ich auf diesen sehr, sehr gerne verzichten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Im Übrigen finde ich es äußerst schäbig, dass Sie dieses Thema dazu benutzen, Ihren Wahlkampf aufzubauen (Abg. Belakowitsch-Jenewein: „Schäbig“?), und das auf dem Rücken der Menschen, die auf der Flucht sind, austragen wollen, indem Sie ver­suchen, die Gesellschaft zu spalten. Ja, wir haben Herausforderungen zu stemmen, und diese Herausforderungen werden nicht leicht werden, aber wir haben eine humanitäre und wir haben eine moralische Verpflichtung – ich hoffe, auch Sie, wir hier auf alle Fälle –, die wir in Österreich zu erfüllen haben, um Menschen, die auf der Flucht sind, ganz einfach zu helfen.

Wien hat viele Initiativen gesetzt. Es gibt keine generelle Lösung, die wir für dieses Problem haben, aber wenn wir unsere Initiativen im kleinen Rahmen durchführen – wir sehen es an den vielen einzelnen Initiativen, die auch private Menschen getätigt haben, die helfen, die unterstützen –, werden wir eine Lösung finden, wie wir für diese Menschen ein lebenswertes Leben gestalten können. Wenn ich mir dann anschaue, dass Wien sich entschlossen hat, die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge aus Traiskirchen herauszuholen und in Wien unterzubringen – nämlich so unterzubringen, dass sie ein Dach über dem Kopf haben, so unterzubringen, dass sie vielleicht auch noch eigene Räume haben –, dann denke ich, das ist ein gutes Beispiel gewesen.

Aber was hat die FPÖ gemacht? – Die FPÖ hat sie mit Schildern mit bösen Parolen empfangen. Männer, Frauen und Kinder, die vor Krieg und Gräuel geflüchtet sind, haben Sie so erwartet, und das ist nicht mein Bild von Wien. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Welche „bösen Parolen“?)

Den vielen Ehrenamtlichen, die sich engagieren und auch in Zukunft noch engagieren werden – ich bin überzeugt davon –, denen ist höchster Dank auszusprechen, und wir haben dazu die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Wien organisiert Quartiere, und wir haben einen hervorragenden, kompetenten Ansprechpartner, Peter Hacker, der es vorzüglich versteht, seine Arbeit durchzuführen.

Was ich wirklich verurteile, ist, dass Sie von der blauen Fraktion hier mit Angst und Hass arbeiten. Ich brauche mir nur die Reden heute anzuhören. Sie schüren Ängste in Bezug auf das Gesundheitssystem, sie schüren Ängste in Bezug auf das Schulsystem. Sie reden von der höchsten Steuerbelastung, aber ich frage Sie: Wann hatten wir die höchste Steuerbelastung? – Ich kann es Ihnen beantworten: Während Ihre Fraktion in der Regierung war, hatten wir die höchste Steuerbelastung. (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, wann wir die Belastungen im Gesundheitssystem gehabt haben? – Ich möchte es Ihnen nur ganz kurz in Erinnerung rufen: Ambulanzgebühren erhöht, viermalige Erhöhung der Rezeptgebühr, zweimalige Anhebung des Spitalskosten­beitrages. Das war alles während Ihrer Regierungsbeteiligung.

Wien ist eine Weltstadt, und ich bin stolz, in dieser Weltstadt leben zu dürfen. In dieser Weltstadt erfreuen sich viele – zahlende – Touristen. Ich bin heute, als ich hierher­gekommen bin, beim Theater in der Josefstadt vorbeigegangen, und dort hängt ein


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Riesenplakat, auf dem geschrieben steht: Die Josefstadt freut sich. In Österreich sind nicht nur zahlende Touristen willkommen, auch flüchtende Syrer. – Ich danke den Initiatorinnen und Initiatoren der Josefstadt und würde Ihnen raten, speziell Herrn Kickl und Herrn Strache, folgen Sie diesem Beispiel, denn dann werden auch Sie irgend­wann ein lebenswertes Leben haben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

16.54


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

 


16.55.03

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich sagen, dass die Entscheidungen, die in den letzten Tagen und Stunden auf europäischer Ebene getroffen worden sind, eigentlich ermunternde Signale sind. Zunächst herzliche Gratulation, Frau Innenministerin! Ich habe das gestern in Ihrer Abwesenheit schon getan und möchte es heute nachholen. Das, was Ihnen im Ministerrat bei den Innen- und Justizministern gelungen ist, ist wirklich beachtlich und historisch. Meinen herzlichen Glückwunsch dazu! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube auch, dass das, was gestern im Europäischen Rat entschieden worden ist – ich möchte daraus gerne ein wenig zitieren –, sehr notwendig ist im Zusammenhang mit der Bewältigung der aktuellen Krise. Da heißt es etwa, ich zitiere:

„Deckung des dringendsten Bedarfs der Flüchtlinge in der Region durch Unterstützung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, des Welternährungs­pro­gramms und anderer Agenturen durch einen zusätzlichen Beitrag in Höhe von mindestens einer Milliarde Euro“.

Des Weiteren heißt es in den Beschlüssen des Rates:

„Bewältigung der dramatischen Lage an unseren Außengrenzen und Verstärkung der Kontrollen an diesen Außengrenzen, auch durch zusätzliche Mittel für Frontex, EASO und Europol sowie durch Personal und Ausrüstung aus den Mitgliedstaaten; Bewilligung der Ersuchen aus Mitgliedstaaten an den Außengrenzen um Unterstützung durch die Organe, die Agenturen und andere Mitgliedstaaten, damit die Identifizierung und Registrierung der Migranten und die Abnahme ihrer Fingerabdrücke (Hotspots) und gleichzeitig ihre Umsiedlung und Rückführung bis spätestens November 2015 sichergestellt werden können.“

Das sind Signale, die deshalb wichtig und notwendig sind, weil sich die Europäische Union insgesamt ja auch als Rechtsgemeinschaft versteht. Die Rechtsstaatlichkeit ist ganz entscheidend, und deshalb möchte ich auch auf das eingehen, was die FPÖ heute macht, nämlich hier eine Ministeranklage zur Diskussion zu stellen. Das geht in der Tat ins Leere.

Unser Klubobmann hat bereits darauf verwiesen, und ich möchte auch das zitieren, so heißt es nämlich im Art. 5 Abs. 4 lit. c des Schengener Grenzkodex: … kann ein Mitgliedstaat Drittstaatsangehörigen, die eine oder mehrere Einreisevoraussetzungen nicht erfüllen, die Einreise in sein Hoheitsgebiet aus humanitären Gründen gestatten. Damit ist zum Beispiel gemeint: nicht im Besitz eines Reisepasses oder im Besitz eines Visums.

Hierbei von einem Rechtsbruch zu sprechen ist jedenfalls falsch, und daher wird diese Ministeranklage ins Leere gehen. Es ist schade, dass Sie mit diesen Mitteln versuchen eine Diskussion zu führen.


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Herr Abgeordneter Podgorschek hat in seiner Rede gemeint, er verstehe das nicht, warum die Freiheitlichen hier so kritisiert werden, wenn sie die Ängste und Sorgen der Bevölkerung ansprechen. (Abg. Podgorschek: Ich verstehe das schon!) Ich denke, das muss legitim sein, und ich glaube, es muss auch legitim sein, dass man ohne ständige Kommentare hier seine Ausführungen am Rednerpult machen kann. (Prä­sident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Was unterscheidet Sie aber jetzt von uns? – Sie sprechen die Ängste und Sorgen der Bevölkerung an und verstärken dieselben, und wir versuchen diese Ängste und Sorgen durch Lösungen zu nehmen, denn das ist die Aufgabe der Politik, und dieser Aufgabe kommen Sie leider nicht nach. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man im Zusammenhang mit Kontrollmaßnahmen an den Grenzen auch klar unterscheidet zwischen jenen, die um Asyl ansuchen, und jenen, die aus anderen Gründen versuchen, in die Europäische Union einzureisen. Ich habe gestern nicht auf die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments repliziert, weil ich mir nicht ganz sicher war, ob ich sie in ihren Ausführungen richtig verstanden habe. Ich habe mir aber das Protokoll angesehen und möchte daraus zitieren, denn ich glaube, damit wird ein großes Missverständnis sichtbar, das durchaus auch die Grünen und uns unterscheidet. Ich zitiere Frau Vizepräsidentin Lunacek aus der gestrigen Sitzung, die sagte:

„Lassen Sie mich auch noch eingehen auf einige der Themen, die hier gerade von der ÖVP immer wieder gekommen sind, aber auch von den anderen Fraktionen hier im Haus! Es wurde hier die Aussage getroffen, dass wir keine Wirtschaftsflüchtlinge wollen (...) Sie verwenden diesen Begriff ganz stark und sehen nicht, dass die Menschen, die jetzt vor Krieg flüchten, auch wenn sie vielleicht wohlhabend waren, auch wenn sie vielleicht ein Geschäft hatten, das aber jetzt zerbombt ist, jetzt auch Asyl brauchen.“

Dazu möchte ich Ihnen sagen: Ich glaube, da liegt ein großes Missverständnis vor. (Zwischenruf der Abg. Korun.) Wirtschaftsflüchtlinge sind nicht ehemalige Unter-nehmer oder wohlhabende Menschen. (Abg. Korun: ... aus Syrien!) Wenn solchen Menschen ihr eigenes Heim durch Bomben zerstört wird und sie ihre Heimat verlassen müssen, haben sie selbstverständlich Anspruch auf Asyl. Das ist, denke ich, keine Frage. Ich glaube, diese Verwechslung sollten Sie Ihrer Vizepräsidentin einmal klarmachen. (Zwischenruf des Abg. Walser.) Dazu braucht sie uns keine Belehrungen zu geben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, dass es richtig und notwendig ist, dass die Europäische Union die jetzt getätigten Beschlüsse gefasst hat, und dass es auch dazu wird kommen müssen, dass wir darüber reden, was an Aufnahmefähigkeit möglich ist, dass wir dies klar definieren, denn wir wollen ja auch garantieren, dass wir jene, die wir aufnehmen, auch ordentlich versorgen können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Schieder und Pendl.)

17.01


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


17.01.25

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Gäste auf der Galerie beziehungsweise Bürger und Bürgerinnen vor den Fernsehapparaten. Zur Erinnerung: Wir haben allein dieses Jahr 5,6 Milliarden € Neu-


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verschuldung wegen des Hypo-Desasters. 5,6 Milliarden € Neuverschuldung. So viel zu den Politikern, welchen wir es zu verdanken haben, dass Milliarden verschleudert und in den Sand gesetzt wurden, und so viel auch zum Titel dieser Dringlichen Anfrage der FPÖ, nämlich „Österreich im Ausnahmezustand“.

Ja, es ist in der Tat ein Ausnahmezustand, wenn durch eine FPÖ-Regierungs­beteili-gung in Kärnten ein derart großer Schaden entstanden ist (Abg. Strache: Das ist ein Wahnsinn!), der nur in diesem Jahr 5,6 Milliarden beträgt. (Abg. Podgorschek: Redet mit dem Kogler! – Zwischenruf des Abg. Darmann.)

Wenn wir jetzt die Fotos von Familien mit Kleinkindern an der Hand und Babys am Arm sehen, die über die Grenze kommen, dann handelt es sich um Menschen, die seit zwei Jahren, drei Jahren, vier Jahren in irgendwelchen Flüchtlingsmassenlagern rund um Syrien ausgeharrt haben, dann handelt es sich um Menschen, die vorerst, und zwar ziemlich lange, in der Krisenregion geblieben sind, in der Hoffnung, bald wieder in ihre Heimat Syrien zurückkehren zu können, dann handelt es sich um Menschen, deren Kinder seit zwei Jahren, drei Jahren, vier Jahren nicht mehr in die Schule gehen können.

Ich möchte alle Kolleginnen und Kollegen bitten – vor allem diejenigen, die selber Kinder oder Enkelkinder haben –, nur eine Minute nachzudenken, was es für die eigenen Kinder oder für die eigenen Enkelkinder hieße, wenn die nicht einmal lesen und schreiben können.

Wenn sich jetzt also Tausende Flüchtlinge in Bewegung gesetzt haben, in die EU, dann sind das Menschen, die großteils mit 50 Cent am Tag auskommen müssen, weil die Welternährungshilfe von den Vereinten Nationen drastisch reduziert wurde. Es läge in unserer Macht, das zu ändern. Dass es so weit gekommen ist, ist tragisch, dass die Betroffenen, die Flüchtlinge das selber in die Hand nehmen mussten, sich in Bewe­gung setzen mussten, auf sich aufmerksam machen mussten – an der griechischen Grenze, an der mazedonischen Grenze, an der serbischen, an der ungarischen, an der österreichischen, an der deutschen Grenze –, dass sie teilweise nichts mehr zum Beißen haben. Das ist die Realität der syrischen Kriegsflüchtlinge, sehr geehrte Damen und Herren.

Europa steht jetzt an einem Wendepunkt, und Europa sind wir alle. Wird unser Europa sich dafür entscheiden, dass 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und 25 Jahre nach dem Fall des Stacheldrahtzauns auch an unseren Grenzen neue Stacheldrahtzäune aufgesetzt werden, oder nicht? Wir stehen gemeinsam vor der Entscheidung, ob wir als Europa – noch einmal: wir alle sind Europa – uns wegducken wollen, uns aus der Verantwortung stehlen wollen, während es beim Nachbarn buchstäblich brennt. Und durch diesen grausamen Krieg in Syrien, der ins fünfte Jahr gegangen ist, brennt es buchstäblich beim Nachbarn.

Um diese Entscheidung geht es. Ich sage das als jemand, die nach Ungarn gefahren ist, nach Bicske, wo ein Flüchtlingszug von bewaffneten ungarischen Polizisten umzin­gelt stehen musste, wo Flüchtlinge nicht mehr weiterfahren durften, aber auch kein Asyl bekommen haben und schon gar keine menschenwürdige Behandlung. Ich sage das als jemand, die nach Nickelsdorf gefahren ist und Hunderte Flüchtlingsfamilien mit Kleinkindern an der Hand gesehen hat, wie sie teilweise hungerleidend auf Verteilung von Brot an der Grenze angewiesen gewesen sind.

Wir alle stehen vor der Wahl. Werden wir uns für eine solidarische EU-Asylpolitik ein­setzen und sagen: Die Menschen, die noch in der Krisenregion rund um Syrien sind, für die schauen wir, dass sie endlich genug zum Essen bekommen, dass sie endlich Schulen bekommen, damit ihre Kinder wie unsere Kinder und Enkelkinder auch Bildung genießen können, damit sie keine Analphabeten und Analphabetinnen wer-


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den? Werden wir uns dafür entscheiden, dass es in der gesamten Europäischen Union einen einheitlichen Asylstatus mit einheitlichen Standards und mit einem menschen­würdigen rechtsstaatlichen Asylverfahren gibt?

Wir haben die Wahl. Und bei der Wahl sollten wir auch bedenken, was wir unseren Kindern und Kindeskindern in 20 oder 30 Jahren sagen werden, wenn sie uns fragen: Wo bist du damals gestanden? Was hast du getan, um die Flüchtlingskrise zu lindern? Warst du solidarisch, oder hast du dich einfach weggeduckt und hast gesagt, das geht mich alles nichts an?

Ich appelliere an uns alle, an Europa, das wir alle gemeinsam sind: Entscheiden wir uns für Solidarität, denn sie ist machbar!

Übrigens haben Zehntausende Menschen aus diesem Land diese Solidarität auch bitter nötig gehabt, zum Beispiel zwischen 1938 und 1945. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.08


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte. (Abg. Krainer: 1934! – Abg. Rädler: 1938, lieber Herr Krainer! – Abg. Krainer: 1934!)

 


17.08.28

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Es ist immer so schwer, mit Klubobmann Strache eine Diskussion zu führen, weil er dann meistens nicht da ist. Was aber wichtig war: Kollege Podgorschek hat vorhin gesagt: Die FPÖ hat immer das Ohr bei der Bevölkerung und weiß, was die Bevölkerung will.

Ich habe jetzt noch einmal nachgeschaut: Es gab vor ein paar Tagen eine Umfrage, in der sich 92 Prozent der Österreicher dafür ausgesprochen haben, dass Menschen während eines Asylverfahrens etwas zum Essen haben und ein Dach über dem Kopf. Ich bin mir bei Ihnen nie ganz sicher, ob Sie auch der Meinung sind. Wenn Sie das Ohr bei der Bevölkerung hätten: 92 Prozent sind dafür. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Eine andere Zahl, die ich selbst bemerkenswert fand, war: 68 Prozent der Österreicher sind dafür, dass Asylwerber während ihres Asylverfahrens einen Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Da sind Sie immer die, die dagegen sind. Wenn Sie also das Ohr bei der Bevölkerung haben, bitte, stimmen Sie dem zu! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe Ihre Dringliche Anfrage sehr interessant gefunden – der Herr Bundeskanzler, der alles sehr ausführlich beantwortet hat, sofern man auf die Fragen ausführliche Antworten geben kann –, aber es schwingt immer ein bisschen etwas durch. Sie schreiben zum Beispiel in der Begründung: „(...) in den Grenzregionen lässt die Regierung die eigene Bevölkerung im Stich (...)“

Ich gebe Ihnen schon recht: Das mit den Bussen, die an die Grenze nach Nickelsdorf gekommen sind, hätte teilweise schneller gehen können. Ich habe von Ihnen dort niemanden gesehen, außer dem FPÖ-Landesrat aus dem Burgenland.

Meine Erfahrung war eine andere. Die Bevölkerung hat dort solidarisch geholfen, sie hat versucht, den armen Menschen, den kleinen Kindern, die da über die Grenze gekommen sind, zu helfen. Die haben sich nicht in erster Linie im Stich gelassen gefühlt. Die haben sich um die gekümmert, die wirklich im Stich gelassen waren, nämlich die Flüchtlinge. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Grünen.)


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Sie äußern sich auch besorgt, dass jetzt in Hamburg – das wurde heute schon einmal angesprochen – private Grundstücke und private Häuser beschlagnahmt werden. Sie waren gestern schon alle da!? Sie wissen schon, was wir gestern beschlossen haben, nämlich das Durchgriffsrecht. Dabei haben wir geregelt, dass es zu solchen Maß­nahmen in Österreich nicht kommen wird, dass sie nicht notwendig sind, dass die Ge­meinden Unterkünfte zur Verfügung stellen sollen und, wenn das nicht geht, der Bund eine Ersatzvornahme vornehmen wird. Es geht aber nicht um Enteignung. Haben Sie da gestern nicht zugehört? Ich verstehe die Besorgnis daran nicht. (Abg. Podgor­schek: Das ist der nächste Schritt!)

Ihre Frage 3 fand ich sehr schön, ich lese es Ihnen ganz genau vor: „Ist die Verteidigung der christlich-abendländischen Leitkultur ein politisches Ziel der Europä­ischen Union und der österreichischen Bundesregierung?“

Also vielleicht einen kleinen Exkurs in Geschichte: Die Europäische Union kommt ursprünglich aus der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Die Intention der EGKS war, dass man ein friedliches Zusammenleben innerhalb von Europa gewähr­leistet, dass man schaut, dass insbesondere Deutschland und Frankreich nicht mehr Krieg gegeneinander führen. Ich bin also schon der Meinung, dass die Europäische Union ein anderes grundsätzliches Ziel hatte und es nicht die Leitkultur der christlich-abendländischen Kultur ist. Der Bundeskanzler hat gesagt, es geht um Menschen­rechte, es geht um ein friedliches Zusammenleben. – Das ist es wohl eher. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Sie fragen weiter, was die Rechtsgrundlage für die unkontrollierte Einreise ist. – Das hat Herr Klubobmann Lopatka erklärt, das hat Kollege Amon erklärt, man müsste es nur nachlesen. Das ist wirklich nicht schwer, man muss sich nur die entsprechenden Rechtsgrundlagen raussuchen. Das geht ganz einfach: „Schengener Grenzkodex“ googeln, bis zum Artikel 5 hinunter ist es wirklich nicht weit zu lesen. Es ist ganz eindeutig.

Sie fragen in der Frage 12 – das fand ich auch sehr schön –, ob der Herr Bundes­kanzler die Forderung vom Kommissionspräsidenten Juncker teilt, nämlich das Arbeits­recht für Asylwerber vom ersten Tag an. – Also jetzt kann man darüber diskutieren, ob das vom ersten Tag an sein soll, aber nichtsdestotrotz, der Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber wäre eine wichtige Maßnahme. Es wäre vor allem deswegen wichtig, denn dann müssten Sie in der Öffentlichkeit nicht immer sagen, dass die uns alle auf der Tasche liegen, denn wenn die Asylwerber nämlich arbeiten könnten, dann würden sie auch nicht notwendigerweise die Grundversorgung benötigen. Das wäre grund­sätzlich ganz banal.

Noch einmal – Klubobmann Strache ist leider noch immer nicht da –: Genau diese Richtlinie ist es ja, wieso wir jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren riskieren, und eben nicht der Schengener Grenzkodex oder Dublin und so weiter.

Auch sehr schön finde ich die Frage 13, ob die Genfer Flüchtlingskonvention und die EMRK zeitgemäße Rechtsgrundlagen sind. – Dazu vielleicht auch eine kleine histo­rische Anekdote: Sie wissen schon, woher das kommt? – Die EMRK war die Reaktion auf die Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges, wo man sich darauf geeinigt hat, menschenrechtliche Mindeststandards zu kodifizieren. Und wenn man über die diskutieren muss – angesichts einer Herausforderung, die da ist, das bestreitet ja keiner –, also über grundsätzliche Menschrechte, wenn sozusagen gemeint wird, dis­kutieren wir vielleicht über Dinge wie das Recht auf Leben, Recht auf Privatleben, Recht, seine Meinung frei äußern zu können (Abg. Glawischnig-Piesczek: Recht auf Eigentum!), Recht auf Eigentum zum Beispiel, dann, Herr Kollege Podgorschek, sind


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das schon Fragen, die wieder einiges durchklingen lassen. (Zwischenruf des Abg. Podgorschek.)

In der Frage 14 fragen Sie, ob es eine Höchstgrenze für Flüchtlinge gibt; dann haben Sie es auch nicht verstanden. Schauen Sie: Das Recht, Asyl beantragen zu können, ist ein Menschenrecht, da kann es keine Höchstgrenze geben. Menschen, die flüchten, müssen die Möglichkeit haben, Schutz zu finden. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Herr Kollege Podgorschek, noch etwas an Sie, weil Sie gesagt haben, dass man den Schleppern das Handwerk legen muss. Da bin ich vollkommen d’accord. Sie fragen in der Frage 17, was denn die Intention von legalen Einreisemöglichkeiten ist. – Ja, genau die Intention davon ist, dass ich den Schleppern das Handwerk lege, weil sobald es legale Einreisemöglichkeiten gibt, brauchen Flüchtlinge keinen illegalen Weg mehr zu finden und brauchen sie Schleppern nicht mehr Tausende Euro zu zahlen. Das ist die Intention von legalen Einreisemöglichkeiten. Da Sie den Schleppern ja auch das Handwerk legen wollen, können Sie dem ohne Weiteres zustimmen. Ich bin schon gespannt, wie es dann ist, wenn wir diese Abstimmung wieder einmal haben werden. (Beifall bei den NEOS.)

Sie fragen weiter in der Frage 31, wie sich denn eine europäische Flüchtlingsquote mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, dass Ungarn kein sicheres Drittland mehr wäre, verträgt. Na ja, genau deswegen brauchen wir ja für eine europäische Flüchtlingsquote gemeinsame Asylstandards, damit wir in allen Ländern in der Europäischen Union die gleichen Standards für Asylverfahren haben, damit es basale Mindeststandards für die Aufnahme von Asylwerbern gibt, und, und, und. Das verträgt sich sehr gut. Und genau deswegen brauchen wir das, weil eben momentan diese Standards in den Flüchtlingslagern in Ungarn nicht gewährleistet sind.

Vielleicht noch zur Frage 32, die der Bundeskanzler auch schon beantwortet hat: Einer unabhängigen Richterin – noch dazu, wo der Verwaltungsgerichtshof in einem Senat entschieden hat – hier vorzuwerfen, dass da irgendetwas nicht ganz in Ordnung ist, das ist schon in einer gewissen Art und Weise schäbig. Sie haben alle die Bilder gesehen, wie im Flüchtlingslager in Röszke mit den Flüchtlingen umgegangen wurde; also das ist selbstverständlich, dass es sich hier momentan nicht um ein sicheres Land handeln kann.

Fakt ist auf jeden Fall, Sie haben mit Ihrer Dringlichen Anfrage das gemacht, was Sie immer machen wollen: Sie wollen mit Hetze und mit Angst Politik machen. Das ist zwar nicht neu, das kennen wir, das haben wir immer wieder, aber es ist und bleibt ganz einfach schändlich, und daran wird sich leider nichts ändern. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Höbart: Ja! Ja!)

17.15


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


17.15.57

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Werte Regierungsmit­glieder! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! „Der Patriotismus besteht nicht im Hasse gegen andere Völker, sondern in der Liebe zum eigenen.“ – Dieses Zitat von Peter Rosegger möchte ich bewusst an den Beginn meiner Rede stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben heute – so kann man das durch­aus sagen – einen weiteren Auftritt erlebt, weitere Aussagen betreffend Ziel- und Planlosigkeit dieser Bundesregierung gehört. Das ist der Sukkus der bisherigen De-


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batte für mich (Abg. Rädler: Für Sie!) – für mich, ich habe es auch betont, zuhören! –, was diese heutige Sitzung bis jetzt gebracht hat.

Wir haben Probleme in der Vergangenheit, die evident sind: die hohen Arbeitslosen­zahlen, den Bereich Sicherheit. Da kann man der Innenministerin schon ein Versagen vorwerfen. Es wurden zuhauf Polizeiinspektionen geschlossen, es gibt zu wenige Polizisten für die Sicherheit, die Anzeigenzahlen gehen zurück, natürlich, weil die Bevölkerung auch resigniert hat und nicht mehr anzeigt.

Unbescholtenen Bürgern, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird die Selbst­verteidigung verwehrt. Es gibt so gut wie keinen Waffenpass mehr für einen unbe­scholtenen Bürger, nicht einmal mehr für Exekutivbeamte außer Dienst oder für Jäger, wie wir unlängst festgestellt haben. Mit diesem aktuellen Stand müssen wir leben (Zwischenruf des Abg. Rädler), wir werden aber weiter daran arbeiten, das zu ändern und bleiben hier sicher auch auf der Seite der unbescholtenen Bürgerinnen und Bürger. (Beifall beim Team Stronach.)

Diese Regierung steht auch der österreichischen Bevölkerung mit Ignoranz gegenüber und verschließt sich der Realität. Und die Grünen stimmen hier in diesen Chor mit ein. Es wurde heute von den Vorrednern auch schon angesprochen, wie es denn mit der Meinungsfreiheit aussieht, und was denn die Medien wiedergeben, was denn von der Flüchtlingsproblematik berichtet werden darf. Es werden ÖBB-Mitarbeiter mit der Kündigung bedroht, wenn sie irgendwo sagen, wie es in den Zügen aussieht, was dort los ist und was dort passiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind Fakten, die man ansprechen muss, und die man hier auch ganz klar sagen muss. Das ist keine Schwarzmalerei, das kann man alles belegen. Ich darf in diesem Zusammenhang jetzt zwei Personen zitieren, das auch belegen, weil das einerseits veröffentlicht wurde und andererseits beziehe ich mich dann noch auf ein Mail.

Die Chefredakteurin der Meinungsplattform fischundfleisch – ich weiß nicht, wie viele von Ihnen das kennen, das ist eine neue Internetplattform – hat einen mutigen Kom­mentar geschrieben, ihre Probleme zum Ausdruck gebracht und ihre Angst mitgeteilt. Sie schreibt hier:

„Ich habe Angst, ich habe große Angst. Noch vor einer Woche habe ich mich für Flüchtlinge ausgesprochen. Und ich tue es noch. Menschen, die vor Kriegen und Verfolgung flüchten, denen muss geholfen werden. MUSS. Doch wir dürfen unsere Augen nicht vor der Wirklichkeit verschließen.“

Vor der Wirklichkeit, was hier an Problemen mithereinkommt, was Wirtschaftsflücht­linge sind, was mit einem terroristischen Hintergrund zu verbinden ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Realität muss man ins Auge sehen. Sie schreibt weiter, dass eine Psychiaterin, eine Freundin von ihr, Flüchtlinge betreut. (Abg. Schwentner: Wer definiert ...?) – „Sie sagte mir, dass viele männliche Flüchtlinge hohe Gewaltbereitschaft zeigen würden, wörtlich sprach sie von gut 30 Prozent.“ (Abg. Korun: Wie haben sie das festgestellt?) „‚Sie sind geladen, aggressiv‘. Noch dazu würde sie“ – also die Psychiaterin – „von den meisten mit Verachtung gestraft werden, weil sie eine Frau ist.“

Na, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen, wo bleibt denn Ihr Aufschrei? – Die linken GutmenschInnen sagen hiezu gar nichts. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Schwentner.)

Da die Lampe hier schon blinkt und die Redezeit etwas knapp bemessen ist, darf ich noch den Damen und Herren von der SPÖ aus einem E-Mail einer Dame zitieren, die Ihnen vielleicht bekannt vorkommt oder auch nicht. Diese bringt die Problematik, die


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 51

Probleme und Ängste, die die Österreicherinnen und Österreicher haben, auf den Punkt, wenn sie schreibt:

Die Flüchtlingspolitik unserer Regierung ist nach meinem Dafürhalten ein Verbrechen am österreichischen Volk, und ich hoffe sehr, dass sie sich eines Tages vor Gericht dafür verantworten muss. (Zwischenruf des Abg. Kirchgatterer.)

Weiters schreibt sie: Mehr als 300 000 Menschen in unserem Land wissen nicht, wie sie im kommenden Winter ihre Wohnungen heizen sollen. Wir haben 400 000 arbeits­lose Menschen. (Abg. Schwentner: Vielleicht sollte man Zahlen überprüfen, bevor man irgendetwas zitiert! Sie sind ja gegen die Mindestsicherung!) Dann hört man von der Regierung, schreibt sie weiter: Wir sind ein reiches Land, eines der reichsten der Welt. Wir können uns das leisten, alle aufzunehmen. Die österreichischen Medien, allen voran der Rundfunk, sind anscheinend verpflichtet, bloß nur keine negativen Berichte über diese wunderbaren Menschen aus allen Ländern der Erde zu verbreiten. – Zitatende. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Mitterlehner.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt darf ich Ihnen sagen, wer diese Dame ist. Diese Dame ist Parteimitglied der SPÖ. Sie ist aus der SPÖ ausgetreten. Sie war auch im Gemeinderat für die SPÖ tätig, und sie schreibt:

Wenn Viktor Orbán in Österreich zur Wahl stehen würde, würde ich ihn wählen. – Zitatende.

Vielen Dank. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.21


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kumpitsch. – Bitte.

 


17.21.49

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Zuhörer auf den Rängen und vor den Bildschirmen! Mit dem gestern in diesem Hause be­schlossenen Bundesverfassungsgesetz über die Aufteilung von hilfs- und schutz­bedürftigen Fremden haben Sie dieser Republik keinen guten Dienst erwiesen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Steinhauser: Ist das die Rede von gestern?)

Wenn man den Ausführungen der Befürworter dieses Verfassungsgesetzes Glauben schenken darf (Abg. Rädler: Die Rede wurde gestern gehalten!), dann soll es nur als Ultima Ratio zur Anwendung kommen. Das ist aber nicht glaubwürdig. Wahr­schein­licher ist es, dass dieses letzte Mittel schon bald zur Anwendung kommt. Aber nicht jeder Zweck heiligt die Mittel.

Mit dem nun dem Bundesminister für Inneres eingeräumten Durchgriffsrecht mit der Quotenregelung, der Verwehrung des Rechtsschutzes, dem Eingriff in das Nach­barrecht haben Sie massiv in die verfassungsrechtliche Grundordnung der Republik eingegriffen. (Vizekanzler Mitterlehner: Das war gestern!) Wenn Sie schon auf diesem Gesetz beharren, dann hätten Sie dieses zumindest einer Volksabstim­mung unterziehen müssen. Aber das wollten Sie nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen, dies ist ein selbst konstruierter Freibrief, um, wo und wann es Ihnen beliebt, über die Köpfe von Ländern und Gemeinden hinweg zu entscheiden. Sie ver­gessen unser Volk. Dieses wird diese Drüberfahrer-Methode nicht mehr lange so hinnehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben dieses Gesetz in fast unerreichbarer Geschwindigkeit durch den Nationalrat gepeitscht, haben auch die Bedenken von Verwaltungs- und Verfassungsrechts­exper­ten negiert und haben sich nicht getraut, dieses Gesetz einer Volksabstimmung zu


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 52

unterziehen, wohlweislich und mit dem Hintergedanken, dass es damit nicht zustande gekommen wäre. (Beifall bei der FPÖ.)

In Anbetracht des Umstandes, dass Sie Ihr Handeln um mehrere Monate verschlafen haben und nunmehr dermaßen unter Zeitdruck stehen, begehen Sie einen Fehler nach dem anderen. Die Grenze des ungeregelten Zuzugs, egal, ob Flüchtling oder Migrant, ist nach oben offen. Hereingelassen wird jeder, der will. Es wird sogar Rücksicht darauf genommen, wohin jemand will. Die Gegenwehr der Gemeinden entkräften Sie per Gesetz. Es ist wesentlich bequemer, Quoten vorzuschreiben, als einen Konsens mit den Kommunen herstellen zu müssen.

Es findet keine Selektion statt. Die Identitäten wurden nicht geprüft. Wozu auch? – Hält der ungeregelte Zuzug weiter an, dann wird schon sehr bald die derzeitige Quote von 1,5 Prozent der Wohnbevölkerung erfüllt sein, denn nach derzeitigen Prognosen ist es möglich, dass in diesem Jahr noch bis zu 120 000 Asylanträge gestellt werden.

Wir alle fragen uns, wie diese Quoten erfüllt werden können, und wir wissen auch, dass Sie gezwungen sein werden, diese zu erhöhen. Da weder die Infrastruktur noch die Räumlichkeiten hiefür vorhanden sind, wird die Unterbringung der Fremden in Turnsälen, in Sporthallen und in Veranstaltungsstätten erfolgen. Wir werden Einschrän­kungen im Schulbetrieb, in unserem Kulturleben, im Gemeinschaftsleben erfahren, wie zuletzt, als das Innenministerium in einer Nacht- und Nebelaktion in Unterpremstätten in der Steiermark 757 Asylwerber untergebracht hat, ohne zuvor die Landesregierung zu verständigen. Ein Protest der Soziallandesrätin Kampus von der SPÖ war die Folge.

Werden unsere Bürger – sodann Nachbarn einer Asylunterkunft – durch eventuellen Lärm, Ablagern von Müll oder anderes belästigt, so haben diese einfach Pech gehabt, denn dagegen einen Rechtsweg zu beschreiten bleibt ihnen verwehrt.

Bei der Debatte beinahe völlig außer Acht gelassen wurde der Umstand, dass es sich bei den sogenannten Flüchtlingen meist um Menschen mit moslemischem Glauben handelt, deren Rechts-, Kultur- und Sozialvorstellungen sich oftmals stark von jenen unserer einheimischen Bevölkerung unterscheiden. (Abg. Schwentner: Unglaublich!) Wie wollen Sie für die Sicherheit im Land sorgen, wenn Sie nicht einmal wissen, mit wem Sie es zu tun haben? – Dass sich unter den Migranten gewaltbereite Dschi­hadisten befinden, kann man als erwiesen betrachten. (Beifall bei der FPÖ.)

Selbst das Bundesministerium für Inneres kommt in seiner jüngsten Analyse über die derzeitige Migrationslage zu dem Schluss, dass die Gefahr von interethnischen und interreligiösen Konflikten unter den Migranten selbst und die faktische Außerkraft­set­zung der gesetzlichen Strukturen besteht.

Wir Freiheitliche haben die ständige Schönfärberei der Migrationskrise satt. Wir wollen echten Flüchtlingen helfen (Abg. Schwentner: Wirklich? – Abg. Korun: Nur gibt es für Sie keine Flüchtlinge!), aber wir wollen auch Probleme ansprechen und nicht nur so tun, als wäre alles eitel Wonne. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben jedoch, wie schon so oft, einen wesentlichen Punkt übersehen, nämlich die eigene Bevölkerung. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Mitterlehner.) Sie lässt sich Ihr Versagen nicht mehr gefallen, sie erkennt Ihr Fehlverhalten und Ihr vorschnel­les Handeln in Bezug auf diesen Gesetzesbeschluss, und Sie werden sich bei den nächsten Wahlen auch wundern, wie sehr sich ein Volk gegen eine derartige Politik zur Wehr setzen kann. (Beifall und Zwischenrufe bei der FPÖ. – Vizekanzler Mitterlehner: Ich war beeindruckt! Aber wenn er es morgen noch einmal vorliest, ist es vorgestrig!)

17.27



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 53

Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schopf. – Bitte. (Abg. Jarolim – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Schopf –: Walter, jetzt wird’s Zeit!)

 


17.27.56

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich denke, es herrscht Einigkeit darüber, dass wir ein großes Problem ge­meinsam zu bewältigen haben.

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Tausende Menschen haben eindrucksvoll in den letzten Tagen und Wochen demonstriert, was Menschlichkeit und letztendlich auch gelebte Solidarität bedeutet. Ich möchte mich daher an dieser Stelle bei den unzäh­ligen Freiwilligen, bei den Hilfsorganisationen, vor allem auch bei den Jugendorgani­sationen, bei der Bundesbahn, aber auch bei der Polizei und beim Bundesheer – ich war selbst zweimal auf Bahnhöfen im Einsatz, und da habe ich gesehen, welche Hilfe geleistet wird – sehr herzlich für diese Hilfe bedanken. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Auch, was die österreichische Bundesregierung betrifft, denke ich, dass viele richtige Maßnahmen gesetzt worden sind, vor allem das Engagement unseres Bundeskanzlers auf europäischer Ebene. Wenn man sich die Fakten des gestrigen Tages ansieht, was letztendlich auf europäischer Ebene verein­bart worden ist, so sind wir auf dem richtigen Weg, und es werden ganz sicher auch bei den zukünftigen Verhandlungen und Besprechungen die richtigen Beschlüsse – ob es um finanzielle Mittel, aber auch konkret um operative Hilfe geht – getroffen.

Meine Damen und Herren! Um diese Schwierigkeiten zu lösen, wäre es wichtig, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Das ist zurzeit leider nicht der Fall – leider. Manche versuchen, auf Kosten von Flüchtlingen, auf Kosten dieser Menschen politisches Kapital zu schlagen, sogar auf Kosten dieser Flüchtlinge Wahlen zu gewinnen. Ich finde, das ist bedenklich. (Zwischenruf des Abg. Hübner.) In Wirklichkeit wollen diese Gruppen von manchen sehr wichtigen Themen ablenken.

Gestattet es mir als Oberösterreicher, weil das bereits gestern Thema war: Was sind schwierige und wichtige Themen der Zukunft? – Der Spitzenkandidat der Freiheitlichen in Oberösterreich, zurzeit auch Landesrat (Abg. Deimek: Haimbuchner heißt er! Manfred Haimbuchner!), er heißt Haimbuchner, hat vor Kurzem ein Buch mit dem Titel: „Mut zur Wahrheit“ herausgegeben.

Sehr verehrte Damen und Herren, lesen wir ganz konkret die Seiten 37 bis 43!° (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Schimanek: Redezeit!) Gestern hat Kollege Vogl bereits zu einigen Punkten Stellung genommen, und aufgrund dieser Ausführungen wurden wir natürlich von einigen Oberösterreicherinnen und Oberösterreichern, insbe­sondere von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, kontaktiert, auch heute Vormittag. Es gab etliche Anrufer, die gemeint haben: Ist das wirklich so, was dieser Redner da gestern gemeint hat? – Das Traurige, meine Damen und Herren und vor allem liebe Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen von Oberösterreich, ist: Es ist wirklich so, wie Kollege Vogl gestern hier gesagt hat.

Ich zitiere wörtlich aus diesem Buch:

Der erste Tag jedes Krankenstandes, auch bei Arbeitsunfall, wird ab sofort als Urlaubs­tag gewertet. – Zitatende. (Abg. Schieder: Das ist ja …!)

Und es geht weiter, meine Damen und Herren:

„Es gibt keine beitragslosen Pensionen für Witwen oder Witwer mehr.“


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 54

Die Ausgleichszulage, ein wichtiges Thema für die gesamte Republik, beträgt zurzeit 872 €. Diese wird laut Haimbuchner, laut den Freiheitlichen, auf 650 € gekürzt – eine Kürzung von monatlich 120 €, meine Damen und Herren! (Ruf bei der FPÖ: Alles nicht verstanden! Sie haben es nicht verstanden!)

Die Familienbeihilfen, ein wichtiges Thema der Freiheitlichen, werden für zehn Jahre eingefroren. – Bitte nachzulesen im Buch „Mut zur Wahrheit“!

Die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaften: Was bedeutet das, liebe Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer in Oberösterreich? – Das bedeutet letztendlich die Abschaf­fung der Arbeiterkammer. Unsere gesetzliche Interessenvertretung will die Freiheitliche Partei in Oberösterreich ganz konkret mit Listenführer Haimbuchner abschaffen. Das ist die Realität, das wollen die Freiheitlichen.

Meine Damen und Herren, das Gesundheitswesen, ein wichtiger Punkt: Laut Freiheit­lichen sollen im Gesundheitswesen in Zukunft massive Selbstbehalte eingeführt werden. Eine Reihe von gesundheitlichen Leistungen, die zurzeit für die Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer und Pensionisten kostenlos angeboten werden, soll in Zukunft nicht mehr kostenlos sein. (Abg. Höbart: Zur Sache!)

Ich denke daher, liebe Kolleginnen und Kollegen und vor allem liebe Oberösterreiche­rinnen und Oberösterreicher, das müsste Grund genug sein. Es gibt eine Partei, die dafür steht, dass diese Punkte nicht durchgesetzt werden, und das ist die Sozialdemo­kratie.

Daher ersuche ich darum, am kommenden Sonntag die SPÖ, die Sozialdemokratie, zu wählen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Wieder 10 000 Wähler weni­ger!)

17.33


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung. Wiederholen Sie zuerst den Vorwurf oder den zu berichtigenden Sachverhalt! – Bitte. (Abg. Krainer: Das wird wieder eine tatsächliche Bestätigung, wie gestern!)

 


17.33.54

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Der Kollege von der SPÖ hat behauptet, im Buch der FPÖ würden etliche, nennen wir es einmal so, Grauslichkeiten, drinstehen. (Abg. Schieder: Das ist eine gute Bezeichnung!) 

Wahr ist vielmehr: Dieses Buch wurde nicht von einer Parteiorganisation herausge­geben (Zwischenrufe der Abgeordneten Korun und Walser), der Landesparteiobmann ist Herausgeber dieses Buches und nicht Autor. Die Autoren sind vielfältiger Natur, sind nicht Parteimitglieder der FPÖ und auch nicht Funktionäre. (Abg. Königsberger-Ludwig: Schämen sie sich dafür?) Es kommen Meinungen aus allen Spektren der Gesellschaftspolitik zu Wort.

Und wenn das für den Kollegen hier so nicht einsichtig ist, dann tut mir das leid.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, den Sachverhalt berichtigen, aber bitte nicht kommentieren. (Abg. Krainer: Danke für die tatsächliche Bestätigung!)

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (fortsetzend): Fakt ist, dass das weder im Parteiprogramm noch in sonst irgendeinem Wahlprogramm der FPÖ enthalten ist, wie fälschlicherweise unterstellt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und Grü­nen.)

17.35



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 55

Präsident Karlheinz Kopf: Frau Abgeordnete Schittenhelm gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte. (Abg. Krainer: Wir hatten wieder eine tatsächliche Bestätigung der Freiheitlichen! – Ruf bei der FPÖ: Jawohl, Herr Professor Krainer!)

 


17.35.32

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundeskanzler! Geschätzter Herr Vizekanzler! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Meine Damen und Herren, auch die nächstfolgende Rednerin hat Ihre Aufmerksamkeit verdient! Bitte, ihr diese zu schenken!

 


Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (fortsetzend): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Es wurde heute schon des Öfteren gesagt, und ich unterstreiche das, dass die unterschiedlichen Kriegsschauplätze und Krisenherde – ich weiß, die Kollegin Belakowitsch interessiert das nicht – eine neue Dimension an Flüchtlingsströmen ausgelöst haben und Österreich und die gesamte Europäische Union – das gesamte Europa – vor große Herausforderungen stellen.

Wir sind, so, wie wir hier sitzen, und viele zigtausend Österreicherinnen und Öster­reicher auch, aus dem Wohnzimmer, aus den bequemen Fauteuils in die Realität hinauskatapultiert worden, denn wir haben uns natürlich in den letzten Wochen und Monaten die Boote im Fernsehen angesehen, wie sie gesunken sind, wie Frauen und Kinder und ganze Familien ertrunken sind. Aber das war weit, weit weg. Und jetzt, aufgrund dieser enormen Flüchtlingsströme, sind wir auf einmal mittendrin.

Für mich ist es ganz klar, im Sinne der Menschenrechte, so, wie dies auch unser Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gesagt hat, dass es für uns, die Volkspartei, eine ganz klare Verpflichtung ist, jenen zu helfen, die unseren Schutz vor Verfolgung, Gewalt und Terror brauchen. Dazu stehen wir. Und angesichts der komplexen und zunehmenden Flüchtlingsherausforderung – das wird mehr werden – ist es ein Gebot der Stunde, auch nach diesen Grundsätzen zu handeln. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber es ist auch ganz klar zu unterscheiden: Sind dies Menschen, die vor Krieg und Terror flüchten, oder handelt es sich um Personen, die aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen? – Denn eines kann nicht sein: Es wird und darf kein „Asyl à la carte“ geben – denn das geht auch zulasten der wirklichen Flüchtlinge –, bei dem das wirtschaftlich attraktivste Land ausgesucht und ausgewählt wird. (Zwischenruf des Abg. Walser.) Das wird so nicht möglich sein. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Aber Flüchtlinge …!)

Natürlich haben diese Menschen Anspruch auf Sicherheit, menschenwürdige Behand­lung und ein rechtstaatliches Verfahren, selbstverständlich, mit allen Konsequenzen. Dies umfasst natürlich auch die Gewährung von Asyl, einschließlich notwendiger Integrationsmaßnahmen, aber genauso bis hin zu einer konsequenten Rückführung. Das muss auch einmal klar gesagt werden.

Aber natürlich entsteht aufgrund der Massenflüchtlinge für die eigene Bevölkerung, für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, schon auch die Sorge und die Angst, dass wir nicht mehr die Kontrolle über unsere Staatsgrenzen haben, dass wir unsere Autorität als Staat und unser Grenzsystem nicht entsprechend handlen können. Unsere Frau Bundesminister Johanna Mikl-Leitner hat mit der Anforderung des Bundesheeres zielgerecht und zeitgerecht gehandelt und damit Unterstützung, Struktur und Sicherheit für die Exekutive, die vielen Hilfsorganisationen und auch private Helfer in dieser äußerst schwierigen Situation geschaffen. Daher kann von Versäumnis über­haupt keine Rede sein.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 56

Aber jetzt ist es notwendig, einen Mittelweg der humanitären Vernunft einzuschlagen, nicht der Polemik und nicht des Hasses und nicht im Hinblick auf die Landtagswahl in Oberösterreich. Das passt da nicht herein. Da geht es um Verantwortung für Men­schen.

Es braucht daher geregelte Prüfverfahren, Recht auf Asyl, wenn ein Recht auf Asyl vorliegt. Aber es braucht auch – und dafür stehen wir als Volkspartei – Asyl auf Zeit. Flüchtlinge müssen wissen, dass sie nur einen gewissen Zeitraum hier in Österreich verbringen können, und wenn sich die Situation beruhigt und befriedet hat, wieder in ihre Heimat zurückgehen müssen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Darmann: Das ist geltendes Recht! Geltendes Recht!)

Wir müssen schon auch sehen, dass das für die Österreicherinnen und Österreicher eine ungewohnte Situation ist. Sie fürchten sich – und das muss man ganz offen eingestehen – auch vor einer Überfremdung in ihren Gemeinden und Bezirken.

Hohes Haus, es braucht – und das wurde schon gesagt – einen verstärkten Schutz der EU-Außengrenzen und die Errichtung von Hotspots in Griechenland und in Italien. Eines muss uns schon auch bewusst sein und ist wohl auch allen in der Europäischen Union klar geworden, nämlich dass nur sichere EU-Außengrenzen eine Europäische Union ohne innere Grenzen sicherstellen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.40


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort. – Bitte.

 


17.40.14

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einem bereits angekündigten Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Schieder, Dr. Lopatka, Dr. Glawischnig-Piesczek, Bayr, MA, Schittenhelm, Dr. Pilz betreffend Hilfe vor Ort für die Kriegsflüchtlinge aus Syrien

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem World Food Programme der Vereinten Nationen umgehend eine Unterstützung zur Versorgung der Flüchtlinge in der Region rund um Syrien zukommen zu lassen und sich international für eine ausreichende Unterstützung der Syrien-Flüchtlinge in der Region einzusetzen. Der österreichische Beitrag soll sich an Deutschland und den anderen europäischen Staaten orientieren.“

*****

Wir haben eine Woche lang diskutiert, Überzeugungsarbeit geleistet, im Nationalen Sicherheitsrat ausführlich all das besprochen. Es war, das sage ich dazu, nicht übermäßig schwierig, die Unterstützung der Abgeordneten von SPÖ und ÖVP für dieses Vorhaben zu bekommen.

Insbesondere bedanke ich mich – ohne Hilfe wäre es nicht gegangen – bei Reinhold Mitterlehner und bei Andreas Schieder, aber auch bei allen anderen, die hier geholfen haben. Das ist wichtig, und ich erzähle Ihnen jetzt kurz, warum das so wichtig ist.

Es gibt ein grundlegendes Missverständnis, das lautet: Auf der einen Seite stehen diejenigen, die keine Flüchtlinge wollen, und auf der anderen Seite diejenigen, die sagen: Hurra, endlich Flüchtlinge! – Das ist ja Unsinn!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 57

Jeder vernünftige Mensch – und da sind beide Begriffe wichtig, vernünftig und Mensch – will so wenige Flüchtlinge wie möglich, aus einem einfachen Grund: Es gibt nichts Schrecklicheres, als zu sehen, wie Menschen gezwungen sind, alles zurück­zulassen und vor einem Bürgerkrieg, vor Bomben, vor Vernichtung ganzer Stadtviertel zu fliehen.

Wenn wir viele an der Flucht hindern können, wenn wir Flucht unnötig machen, das ist doch das Beste, was wir erreichen können hier in Österreich und auch unten, vor Ort! Und genau darum geht es ja. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

Nur gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten. Die eine Methode, die Methode Strache, Orbán und so weiter: Stacheldraht. Wir wissen inzwischen, dass das nicht nur un­menschlich ist, sondern dass es auch letzten Endes nichts nützt. Man kann Leute, die flüchten müssen, weil es um Leben und Existenz geht, aufhalten, aber man kann sie letzten Endes nicht an der Flucht hindern. Flucht kann man nur verhindern, wenn man Fluchtgründe beseitigt.

Wir werden kurzfristig den Syrien-Konflikt als Republik Österreich nicht lösen können. Schön wäre es, wenn wir es könnten! (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Aber wir können einen wesentlichen Beitrag leisten, dass Menschen in der Nähe ihrer Heimat bleiben und dort überleben können. Das kostet einen Dollar pro Tag. Das rechnet uns die UNO vor. Wir haben gesehen, das World Food Programme, das genau diese Lebensmittelversorgung vor Ort organisiert, war im Juni pleite, weil viele Staaten einfach nicht gezahlt haben. Deswegen haben wir gesagt: Das nehmen wir jetzt selbst in die Hand, das gibt es doch nicht!

Wenn diese Menschen vor dem Hunger in den Lagern zu uns flüchten müssen, weil sie nur bei uns eine Überlebenschance sehen, dann ist ja das nicht nur unmenschlich, sondern auch wirtschaftlich das Dümmste, was man machen kann. Wir ersparen uns unten einen Dollar und zahlen dann für dieselben Flüchtlinge, die sich tausende Kilo­meter zu uns gequält haben, 20 Dollar? – Dümmer geht es nicht mehr! Deswegen geht es auch um wirtschaftliche Vernunft, wenn man gleich unten hilft. Deswegen sind diese Programme so wichtig, weil sie die einzigen Programme sind, die Menschlichkeit und Vernunft verbinden.

Da haben wir einen ersten Schritt gesetzt. Dieses Orientieren an Deutschland, gemes­sen an der Bevölkerung, heißt unterm Strich: Deutschland hat heuer 151 Millionen € für das World Food Programme gezahlt. Österreich hat etwa 10 Prozent an Einwohnern im Vergleich zu Deutschland und müsste somit 15 Millionen € zahlen – ich gehe davon aus, das werden wir auch machen.

Die direkte Syrien-Hilfe von Deutschland beträgt ziemlich genau 60 Millionen €, das heißt, zumindest 6 Millionen € müssten von uns sehr, sehr schnell in die Region vor Ort – Türkei, Libanon, Nordirak, Jordanien – gehen. Dann haben wir etwas Wichtiges geschafft.

Sie können das ja umrechnen. Es ist ja so einfach: 1 Dollar pro Tag, 15 Millionen € aus Österreich, das heißt, 15 Millionen Tage unten finanziert. Dividieren Sie es durch 365, dann sehen Sie, wie wir mit dieser Summe das Überleben, und zwar ein men­schenwürdiges Überleben unten sichern können.

Ich bin froh, dass wir das geschafft haben, weil wir in Europa in der „guten Gesell­schaft“ sein wollen. Die gute Gesellschaft ist die Gesellschaft von Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz, Luxemburg und Schweden, und nicht in der „schlechten Gesellschaft“ mancher anderer Nachbarn, über die heute zu Recht einiges sehr, sehr kritisch auch von der Regierungsbank bemerkt worden ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 58

Deswegen ist es wichtig, dass wir das heute beschließen. Deswegen ist es wichtig, dass wir auch damit signalisieren: In der österreichischen Bevölkerung und in diesem Haus gibt es eine Mehrheit der Helfer und eine Minderheit der Hetzer. Und so soll es auch bleiben. Es ist wichtig, dass im Parlament und in der ganzen Republik Österreich die Helfer in der großen Mehrheit und die Hetzer in der kleinen Minderheit bleiben. Daran wird sich auch am Sonntag nichts ändern. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

17.46


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Dr. Pilz soeben einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Petra Bayr, MA, Dorothea Schittenhelm, Dr. Peter Pilz Kolleginnen und Kollegen

betreffend Hilfe vor Ort für die Kriegsflüchtlinge aus Syrien

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage der FPÖ an den Bun-deskanzler betreffend „Österreich im Ausnahmezustand - sichere Grenzen statt Asylchaos“

Begründung

In den vergangenen Wochen sind zehntausende Flüchtlinge aus Syrien nach Europa gekommen. Immer mehr von ihnen kommen aus den Flüchtlingslagern in Jordanien, der Türkei, dem Nordirak und dem Libanon. Millionen Flüchtlinge haben dort in der Nähe ihrer Heimat  ausgeharrt und auf Rückkehr gehofft. Sie wurden mit Hilfe der UNO mit dem Nötigsten versorgt. Aber jetzt hat sich die Lage geändert. Das „World Food Programme“ (WFP) der UNO, das für den UNHCR die Gelder für die Lebensmittel verteilt hat, kann nicht mehr. Die Lebensmittelhilfe an die Flüchtlinge ist wegen Geld-mangels mehrmals reduziert und im Sommer 2015 für hunderttausende Menschen vor Ort schließlich ganz eingestellt worden.

Im Juli musste das WFP im Libanon seine Nahrungsmittelhilfe auf nur noch 13,50 USD pro Monat und Person halbieren. Sogar dieser geringe Betrag konnte ab August wegen der Unterfinanzierung vielen Flüchtlingen nicht mehr ausbezahlt werden. Auch im Irak wurden die Nahrungsmittelgutscheine bereits im April von 26 auf 16 USD pro Monat halbiert, wie das WFP mitteilte. 

Dem WFP fehlten für die Fortführung seines bereits reduzierten Programms 81% der erforderlichen Geldmittel. Zahlreiche Staaten hatten die im Rahmen der Syrien-Konfe­renz im Dezember 2014 sowie auf der Geberkonferenz im März 2015 versprochenen Hilfszahlungen nicht geleistet. Nach Angaben des WFP werden bis zum Jahresende noch zumindest 341 Mio. USD zur Versorgung der Flüchtlinge in Syrien und den an­grenzenden Ländern dringend benötigt.

Aber es geht nicht nur um Menschlichkeit, es geht auch um Vernunft. Menschlich und wirtschaftlich ist die Flucht nach Europa die kostspieligste Variante. Die Sätze nach der Art 15a Vereinbarung über die Grundversorgung betragen für die Verpflegung bei individueller Unterbringung pro Person und Monat 180 Euro, also rund 6 Euro pro Tag. Dazu kommen noch die deutlich höheren Unterbringungskosten.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 59

Die Versorgung eines Flüchtlings nur mit Lebensmitteln kostet in Wien damit das Sechsfache von Amman.

Mit rund 1 USD pro Person und Tag könnte in der Region die Versorgung der Flücht­linge sichergestellt werden. Wer in der Region hilft, hilft mit denselben Mitteln einer vielfachen Zahl von Opfern – und bewahrt viele von ihnen vor einer gefährlichen Flucht.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem World Food Programme der Vereinten Nationen umgehend eine Unterstützung  zur Versorgung der Flüchtlinge in der Region rund um Syrien zukommen zu lassen und sich international für eine ausreichende Unterstützung der Syrien-Flüchtlinge in der Region einzusetzen. Der österreichische Beitrag soll sich an Deutschland und den anderen europäischen Staaten orientieren.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 


17.46.55

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörer auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Ich danke für den Beitrag des Kollegen Pilz, der, ohne dass es eine Regie gegeben hat, ein idealer Vorbeitrag war.

In der großartigen Eröffnungsrede des Rieder Volksfests hat die Frau Präsidentin das Wort Solidarität gebraucht. Beim Rieder Volksfest war das Motto unter den Eröffnungs­rednern: Diejenigen, die die Tatsachen gesagt haben, waren die Miesmacher, und die anderen waren die Mutmacher, und da herinnen sind jene, die anscheinend auch die eigene Bevölkerung vertreten, die auf die berechtigten Sorgen und Ängste der eigenen Bevölkerung hinweisen, die Scharfmacher.

Ich darf Folgendes sagen: Es ist Faktum, dass in den Turnsälen von Schulen Krank­heitsfälle mit offener Tbc waren. Da wurde Anweisung gegeben, das zu verschweigen. Da haben die Firmen, die ausgemalt haben, unterschreiben müssen, dass sie die Schweigepflicht einhalten. (Ruf bei den Grünen: Wo?!)

Herr Kollege Pilz, weil heute so eine großartige Spendenaktion war – und ich wollte die Bibel zitieren, aber das ist schon geschehen –: Ich glaube, manche Grün-Politiker wollen sich auch ihr ökologisches Gewissen freikaufen, weil durch das Versagen gerade der Grünparteien Flüchtlinge, nämlich Wirtschaftsflüchtlinge, entstehen, und zwar in ganz großem Ausmaß, Herr Kollege. Und wenn du da jetzt darauf hingewiesen hast, dass das lauter Flüchtlinge sind, die mit Bomben erzeugt werden, dann darf ich zwei aktuelle Zahlscheine aus Äthiopien verwenden: „Dürre in Äthiopien“ und „Flucht ist kein Verbrechen“, beides von einer sehr guten Zeitung – „Volkshilfe“ und „Presse“. (Der Redner zeigt ein vergrößertes Foto eines äthiopischen Kindes.)

Herr Kollege, wenn dann eine Familie in Äthiopien, eine Mutter, die für Österreich oder für Europa Gemüse produziert beziehungsweise in Palmhainen arbeitet (der Redner stellt ein vergrößertes Foto vor sich auf das Rednerpult), 25 € im Monat bekommt und


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wir im österreichischen Biodiesel – hört, hört! – Palmöl aus einem Anbau auf 13 000 Hek­tar Fläche verfahren, dann wundert es mich, dass die Grünen immer noch Plastik-sackerln diskutieren und nicht längst die tatsächlichen Fakten aufzeigen. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Brunner.)

Hier dann zu Spenden aufzurufen, um diese Fehlentwicklungen zu begradigen, um das Gewissen zu beruhigen und die Gutmenschen zu spielen und alle anderen zu beschuldigen, das ist auch keine faire Art von Politik und hat auch mit Solidarität nichts zu tun. Kolleginnen und Kollegen, das möchte ich auch nicht! Da geht es mir viel zu viel um die Sache.

Ich möchte mich allen anschließen, die heute den Helfern, den freiwilligen Helfern, den NGOs, der Polizei, dem Bundesheer gedankt haben. Alle bemühen sich bestens, mit diesen Zuständen umzugehen, die nur zutage getreten sind, weil in Deutschland die Grenzen vorzeitig dicht gemacht wurden, sonst hätten wir sie noch monatelang durchgeschleust und hätten nicht von Problemen gesprochen.

Die Vorschläge der Politik sind wie immer, ähnlich wie bei TTIP. Wir haben bei TTIP die roten Linien, jetzt haben wir bei der Flüchtlingsthematik die Hotspots. Das sind Schlagwörter. Was ändert das? Wir müssen vor Ort helfen. Das ist, glaube ich, etwas ganz, ganz Wesentliches.

Sie haben den Antrag gerade eingebracht, Herr Kollege Pilz. Hier hat die Hilfe eine Wirkung von 1 : 20. Das ist das Wesentliche. Wir werden natürlich auch einen Ent­schließungsantrag einbringen. Ich habe aber auch ein weiteres Beispiel von unserer Wirtschaftsweise mit (der Redner zeigt ein Päckchen Margarine), Herr Kollege, weil das auf jedem Tisch bei uns Konsumenten, in jeder Großküche und überall steht; auch in den Lebensmitteln und nicht nur im Treibstoff ist Palmöl. Das tötet die Kleinbauern in Äthiopien, in Asien, in Vietnam mit ihren Zuckeranlagen, mit Zuckerrohr- und Kaut­schukfarmen und ruiniert die heimische Landwirtschaft hier vor Ort und die Gesundheit der Bevölkerung.

Das sind die Auswirkungen unseres Konzernsystems. Das sind die Auswirkungen unserer gewinnträchtigen, gewinnsüchtigen Wirtschaftssysteme. Kurt Langbein hat es in seinem Buch beschrieben. (Beifall beim Team Stronach.)

Ich möchte aufgrund der Zeit, damit die nachfolgenden Kollegen auch noch Redezeit haben, die oft zitierte Frage stellen: Wann ist dieses Boot voll? (Der Redner zeigt ein weiteres vergrößertes Foto, auf dem ein überbesetztes Schlauchboot zu sehen ist.)

Wann ist dieses Boot voll? Wenn es untergegangen ist? Die einen sagen, das Boot ist nicht voll, die anderen, das Boot ist schon voll. Wer gibt hier Antwort? Überall gibt es Vorschriften, wenn ein Ziel erreicht ist. Hier wird immer getan, als sei alles möglich.

Deshalb bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Lugar, Kollegin und Kollegen betreffend „Einrichtung von UNO-Schutzzonen in Krisenregionen“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 61

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, wird aufgefordert, umgehend Initiativen auf internationaler Ebene zu setzen, die geeignet sind, im Rahmen eines UNO-Mandats Schutzzonen in den aktuellen Krisenregionen einzurichten.“

*****

Wir bitten um Unterstützung. (Beifall beim Team Stronach.)

17.52


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Steinbichler eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Ing. Lugar, Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Einrichtung von UNO-Schutzzonen in Krisenregionen“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten KO Strache und weiterer Abgeordneter an den Bundeskanzler betreffend „Österreich im Ausnahmezustand - sichere Grenzen statt Asylchaos“

Die derzeit ungelöste Flüchtlingsproblematik wird bei anhaltender Dauer und stei­genden Flüchtlingszahlen die Kräfte der europäischen Staaten überfordern und deren Sozialsysteme an den Rand der Unfinanzierbarkeit bringen. Die derzeit praktizierte Vermengung von tat-sächlich vor Verfolgung Schutzsuchenden und jenen, die auf der Suche nach Verbesserung ihres Lebensstandards nach Europa kommen, zu einer einzigen, anonymen Masse an Flüchtlingen schadet allen Betroffenen.

Um diese Problematik wirksam und nachhaltig zu lösen, wird die Errichtung von Schutzzonen in den Krisenregionen und Herkunftsländern der Flüchtlinge unum­gänglich sein. Diese Schutzzonen müssen unter dem Mandat der UNO auf inter­nationaler Ebene geführt werden und den Flüchtenden die Möglichkeit geben, ihren rechtlichen Status klären zu lassen, um den Antritt einer lebensgefährlichen Reise unter illegalen Voraussetzungen a priori obsolet zu machen. Bei in den Schutzzonen eingerichteten Behördenvertretungen der potentiellen Zielländer werden Flüchtlinge ohne Gefahr und ohne dem unverhältnismäßig hohen Einsatz von finanziellen Mitteln dann gegebenenfalls in den Zielländern um Asyl ansuchen. Die Ver-fahren werden von den Asylsuchenden in den Schutzzonen abgewartet, die rechtlich korrekte Abwicklung garantiert dem mit positiven Bescheid versehen Asylsuchenden beim Eintreffen im Zielland einen legalen Status. Damit wird auch ein wirksamer Schritt gegen die Schlepperkriminalität getan, da lebensgefährliche und teure Beförderungen nach Europa unnötig werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 62

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, wird aufgefordert, umgehend Initiativen auf internationaler Ebene zu setzen, die geeignet sind, im Rahmen eines UNO-Mandats Schutzzonen in den aktuellen Krisenregionen einzurichten.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


17.52.43

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Zunächst einmal zur Frage des Beginns dieser Sitzung: Ich habe hier ein gewisses Lehrstück erlebt. Ich habe gesehen, dass die Redezeit von Kollegen Kickl bei der Parlamentsstoppung 9 Minuten ausgemacht hat, dann hat die Präsidentin gemeint, es waren 12 Minuten, und dann irgendwann später auf einmal waren es 10 Minuten in der offiziellen Zeitmessung. – So schnell kann es gehen!

Ich habe auch gehört, dass man, wenn man ein Zitat aus dem Neuen Testament bringt, bereits in die Nähe eines Ordnungsrufs kommen kann. Das war für mich auch neu.

Ich habe auch gehört, dass man eine Mahnung bekommt, wenn man den Bundes­kanzler hier als unfähig bezeichnet. Wenn jedoch umgekehrt ein Abgeordneter der Sozialdemokratie, Herr Klubobmann Schieder zum Beispiel, gemeint hat, es werde hier gekeift, respektive wenn eine Abgeordnete Lueger hier gesagt hat, das, was man hier von der Freiheitlichen Partei macht, sei schäbig beziehungsweise Strache und Kickl führen kein lebenswertes Leben, muss ich sagen: Das geht alles so durch?! – Das war meines Erachtens ein Lehrstück. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist für mich auch interessant, wenn ich die – unter Anführungszeichen – „vereinigte“ Linke hier so höre. Was Sie in Wirklichkeit nicht ertragen können, sind allenfalls Mehrheiten beziehungsweise Stimmenzuwächse von nicht linken Parteien. Das ist das Einzige, was Sie – nicht gefestigt – hier wirklich nicht ertragen können. – Das ist aber so in der Demokratie. Gewöhnen Sie sich dran! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich finde es auch bezeichnend, dass die oberösterreichischen Abgeordneten der Sozialisten hier immer dieses eine Buch zeigen und glauben, das sei jetzt das Handbuch der FPÖ Oberösterreich. Die Frage des sinnerfassenden Lesens stellt sich nicht, nur: Es wurde von einem Verein in Oberösterreich ein Buch herausgegeben, in welchem unterschiedlichste Menschen mit unterschiedlichsten Weltanschauungen zu Wort kommen. Das ist vielleicht in Ihrer Sphäre fremd – mag sein –, für uns ist es aber durchaus etwas Zulässiges. Der Artikel, den Sie zitiert haben, stammt von Andreas Unterberger, den ich hier jetzt nicht unbedingt als den Paradefreiheitlichen heranziehen möchte.

Ich würde Ihnen auch empfehlen: Lesen Sie das Vorwort unseres Spitzenkandidaten und Landesrates Manfred Haimbuchner, der gemeint hat: In diesem Buch sind Artikel unterschiedlicher Autoren drinnen, deren Meinung sich nicht mit meiner Meinung decken muss, aber ich lasse andere Meinungen zu. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist ja vielleicht für Sie auch etwas Fremdes.

Jedenfalls stelle ich nur fest, dass dieses Buch in Oberösterreich sehr eingeschlagen haben muss, weil die Sozialdemokraten gar keine Standlaktionen machen, sogar ihre Schlusskundgebung abgesagt haben, weil sie nur mehr dieses Buch lesen und schauen müssen, was da drinnen zu finden ist. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 63

Eine Klarstellung auch, weil sogar die Ankündigung eines Vorredners meiner Fraktion, des Kollegen Kumpitsch, aus den Reihen der Grünen mit einem Zwischenruf als größte Unwahrheit bezeichnet wurde: Wir stehen für die Unterstützung derjenigen Asylwerber, die tatsächlich ein Recht auf Asyl haben. (Beifall bei der FPÖ.) Die Bilder von Kindern, die beim Stacheldraht durchgereicht wurden, lassen keinen kalt, das lässt auch keinen Freiheitlichen kalt. Diese Kinder, diese Familien müssen unterstützt werden, aber wir sind nicht am anderen Auge blind so wie Sie. (Beifall bei der FPÖ.)

Und eines sage ich Ihnen, Frau Bundesministerin Mikl-Leitner, zu diesem Bericht, der jetzt in den Medien aufgeschlagen hat, in welchem Sie einen Sonderbericht machen und zum Schluss kommen: „Auswirkungen auf Österreich: (...) Bedrohung: Gefahr von interethnischen und interreligiösen Konflikten unter den Migranten und faktische Außerkraftsetzung der gesetzlichen Strukturen“.

Die Frau Bundesministerin hat gesagt: Das ist ein untergeordnetes Papierl von untergeordneten Stellen. – Meine Damen und Herren, wenn es so untergeordnete, unwichtige Stellen in einem Innenministerium gibt, dann sollten Sie einmal eine Ver­waltungsreform machen oder sich bei den Beamten, zum Beispiel aus dem Polizei­kommissariat Schwechat (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen), entschuldigen dafür, wie Sie sie hier in der Öffentlichkeit herabgewürdigt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schlusssatz, weil die Gesamtredezeit Ihrer Fraktion ausgeschöpft ist.

 


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (fortsetzend): Danke, Herr Präsident.

Schlusssatz – für die Minute, die Herr Kollege Kickl nicht haben konnte –, zum Bedro­hungsszenario: „Heute“, „Österreich“ lesen! Es gibt bereits die Bandenkriege, die interreligiösen Konflikte – das wollen die Österreicherinnen und Österreicher ganz sicherlich nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

17.57


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Pendl zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


17.57.29

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vize­kanz­ler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Liebe Kolle­gin­nen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Alle Tage wieder, seit vielen Jahren – und ich habe das gestern erst zum Ausdruck gebracht –: Dieses Thema kann man anscheinend nicht seriös diskutieren. Es wird immer alles vermischt, mehrere Rechtsmaterien zusammengewürfelt und dadurch natürlich die Bevölkerung massiv verunsichert.

Ich möchte aber positiv beginnen und mich bei den Österreicherinnen und Öster­reichern bedanken, bei allen NGOs, von den Samaritern übers Rote Kreuz bis zur Diakonie, bei den Kolleginnen und Kollegen der Polizei, des Bundesheers bis hin zu den Vereinen unseres Landes, die im Namen der Humanität und der Menschlichkeit den Ärmsten der Armen geholfen haben. Herzlichen Dank an alle, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich glaube, dass man da in aller Ruhe und Sachlichkeit vorgehen kann und die Fragen, die endlich jetzt auch auf europäischer Ebene behandelt werden – und ich danke dem Herrn Bundeskanzler und den Mitgliedern der Regierung – ja nur gemeinsam, europäisch gelöst werden können. Ich habe erst gestern gesagt: In Wirklichkeit gehört parallel dazu auch auf der internationalen Ebene angesetzt, damit man die Länder, die destabilisiert worden sind, wieder stabilisiert, damit die Menschen in ihrer Heimat, in


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 64

ihren Regionen ganz einfach würdig und menschlich im wahrsten Sinne des Wortes überleben können.

Ich glaube, wenn wir hier mit diesen Maßnahmen beginnen – und wir haben heute gemeinsam, Kollege Pilz, auch einen Entschließungsantrag in die richtige Richtung eingebracht – und schauen, dass wir den Menschen in diesen Regionen, wo es ja wirklich nur um das nackte Überleben geht, eine Chance geben – wirklich nur ums Überleben –, dann werden sie sich nicht so viele Kilometer auf den Weg machen und gemeinsam versuchen, in ihren Stammländern zu bleiben.

Wir müssen gemeinsam – und das wissen wir auch – natürlich die EU-Außengrenze dementsprechend absichern, aber, ganz ehrlich: Wo war die Solidarität der europäischen Freundinnen und Freunde mit den Griechen oder mit den Italienern? – Da ist man daheim gesessen, hat es sich im Fernsehen angeschaut oder auch nicht, ist zum Heurigen gegangen und hat sich gedacht: Deren Problem!

Seien wir einmal ehrlich: Solidarität bedeutet, dass wir gemeinsam – und wir sind Europa – antreten, um hier die Fragen für uns, für unsere Bürgerinnen und Bürger ganz einfach positiv zu lösen.

Ich ersuche wirklich dringend, immer aufzupassen, wenn wir von Rechtsbruch reden, wenn wir von Beschuldigungen bis hin zum Amtsmissbrauch reden. Ich möchte es aus zeitökonomischen Gründen nicht wiederholen; Kollege Amon und euer Klubobmann, glaube ich, haben es zitiert. Das ist ja alles nachlesbar, und es wird nicht besser, wenn ich etwas Verkehrtes behaupte.

Ich glaube also, dass hier in einer Abwägung der Verhältnismäßigkeit das einzig Richtige gemacht worden ist, menschlich zu reagieren, denn ich glaube, das höchste Gut ist das Leben. Ich glaube, es steht uns gemeinsam gut an, wenn wir die Humanität und die Menschlichkeit auf keinen Fall aus dem Auge verlieren. Das ist, glaube ich, wichtig, auch in so einer entscheidenden Frage.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich immer für Linien bin, wenn ich immer für Konsequenzen bin, wenn ich immer für Ordnung eintrete, eines geht nicht: Es kann nicht sein, dass man es gutheißt, wenn ein Land nach dem anderen mit Zäunen eingezäunt wird! Es war das höchste Gut, auch vor Jahren noch, aber anscheinend haben wir das schon vergessen, denn wir sperren uns ja selber ein; das muss man auch wissen.

Schon gar nicht kann ich nachvollziehen, dass man es gutheißt – egal, mit welchem Geschoss dann geschossen wird, Kollege Rosenkranz –, wenn ein Staat seinen bewaffneten Kräften eine Schusserlaubnis gegen Flüchtlinge gibt! Ich glaube, das haben wir alle nicht notwendig. Das hat Europa nicht notwendig, das haben aber auch unsere Nachbarländer nicht notwendig.

Ich glaube, es ist im Interesse der Sache: Gemeinsam an die Arbeit! Gemeinsam die notwendigen Maßnahmen in den Ländern vor Ort, an der europäischen Außengrenze setzen! Ich bin davon überzeugt, das sollten wir nicht aus den Augen verlieren. Ich habe oft den Eindruck, wenn man das sagt – ich möchte das Wort gar nicht in den Mund nehmen –: Steht das irgendwem auf den Kopf geschrieben, ob er ein Kriegsflüchtling oder irgendein anderer ist?

Also als Anhänger des Rechtsstaates durch und durch – und ich glaube, das müssten wir alle sein, wir alle sind da angelobt – muss man ein ordentliches Verfahren ab­führen. Sonst weiß das niemand: Ist einer ein Kriegsflüchtling? Oder ist er – ich ver­wende den Ausdruck, den ihr immer gebraucht, ich tue es nicht gerne – ein Wirt­schaftsflüchtling?


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 65

Korrekt behandeln und schauen! Jene, die unsere Hilfe brauchen, sollen sie bekom­men; jene, die sie nicht brauchen: Geht leider nicht! Wir haben alle Grenzen. Aber das sind saubere Lösungen, das sind menschliche Lösungen. Ich lade Sie dazu sehr herzlich ein. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS.)

18.02


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Prinz zu Wort gemel-det. – Bitte.

 


18.03.10

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Es ist eigentlich bedauer­lich, wie das Thema der nach Europa kommenden Flüchtlinge heute zum Teil hier diskutiert wird. Eine Bewältigung dieser großen Herausforderung ist letztlich nur mit Anstand, mit Hausverstand und mit Zusammenhalt in Österreich und Europa machbar.

Es gilt mein Respekt, aber auch mein großer Dank unserer Innenministerin Mikl-Leitner, von da beginnend allen MitarbeiterInnen im Ministerium, in der Polizei, in den Hilfsorganisationen und so weiter, die in den letzten Wochen wirklich Enormes geleistet haben! Mein Respekt und Dank gilt aber auch all jenen Gemeinden, die bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen, und den Menschen, die in diesem Bereich tätig sind und arbeiten.

Ich selbst trage Verantwortung in einer Gemeinde, wo wir seit Jahrzehnten mit Asylwerbern und Kriegsflüchtlingen Erfahrung haben. Auch der gesamte Gemeinderat steht dazu. Ich denke, die Toleranz und die Solidarität unserer Bevölkerung sind enorm groß – auch dafür sage ich herzlichen Dank!

Ja, es ist nicht immer ganz einfach, wenn man unmittelbar neben einem Asylwer­berquartier wohnt. Deshalb sage ich auch klipp und klar, dass die Quartiergeber eine sehr große Verantwortung dahin gehend haben, wie das gute Verhältnis mit der ortsansässigen Bevölkerung möglich ist. Bei uns in St. Nikola klappt das Gott sei Dank sehr gut.

Eine Pauschallösung in der Bewältigung des Flüchtlingsstroms gibt es nicht. Unser oberösterreichischer Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer hat absolut recht, wenn er eine Obergrenze von 1 Prozent fordert und rasche Lösungen auf europäischer und internationaler Ebene verlangt. Die Entscheidungen innerhalb der EU in den letzten Tagen sind genau in die richtige Richtung gegangen.

Es geht um Solidarität, und zwar um weltweite Solidarität. Es ist zu wenig, wenn die USA zwar zur Entstehung der ganzen Problematik offensichtlich viel beigetragen haben, aber in der Beseitigung doch noch relativ bescheiden unterwegs sind. Auch frage ich mich schon: Wo bleibt der Beitrag der reichen Golfstaaten in der Aufnahme der Flüchtlingsströme? – Es ist aus meiner Sicht Aufgabe der EU, in diesem Bereich noch mehr Druck zu erzeugen, damit gemeinsam mit der UNO auf internationaler Ebene Lösungen zur Problembewältigung gefunden werden.

Der Flüchtlingsstrom der letzten Wochen und Tage ist, wie sich gezeigt hat, auch mit Grenzkontrollen nicht wirklich aufzuhalten. Da müsste man wohl Waffengewalt anwenden. Will die FPÖ wirklich, dass an der österreichisch-ungarischen Grenze mit Waffengewalt gegen Flüchtlinge vorgegangen wird? – Das wäre nämlich die Kon­sequenz, wenn die FPÖ ihre Haltung und Aussagen einmal zu Ende denkt. Das ist aber nicht wirklich notwendig, denn es geht ja letztlich um Angstmache, darum, Ängste zu schüren, und um Stimmenmaximierung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 66

Wir müssen die Menschen, die in Wirklichkeit vor Krieg und Elend fliehen, in ihren Regionen halten und dort betreuen, damit sie ihre Heimatregion wieder aufbauen, sobald es wieder Frieden gibt.

Der Flüchtlingsstrom des Jahres 2015, auch wenn er in dieser Dimension nicht vor­hersehbar war, ist mit gutem Willen aller Beteiligten bewältigbar. Wovon reden wir? – Die Europäische Union hat rund 480 Millionen Einwohner. Die Schätzungen betreffend den Flüchtlingsstrom gehen heuer von rund 500 000 Menschen bis zu einer Million. Wir reden also von 0,1 bis 0,2 Prozent der Bevölkerung in der EU.

Es geht aber auch darum: Wie geht es nächstes Jahr weiter? Wie geht es in Zukunft weiter? – Träumereien, dass in Österreich und in Europa Platz für alle ist, sind genauso wenig angebracht wie das Schüren von und das politische Spiel mit den Ängsten und den Sorgen der Bevölkerung.

Ja, meine Damen und Herren, wir müssen die Sorgen und die Ängste der Bevölkerung vor Überfremdung beziehungsweise betreffend die Finanzierbarkeit des Flüchtlings­stroms sehr ernst nehmen. Das geht aber nur mit Anstand, Hausverstand und Zusam­menhalt. Es braucht die Bereitschaft zum Handeln, anstatt Öl ins Feuer zu gießen. Gerade in unsicheren Zeiten brauchen wir Verlässlichkeit, Stabilität und eine sichere Wahl. Die heutige Dringliche Anfrage gibt es nur deshalb, weil am Sonntag in Oberösterreich Wahlen sind und am 11. Oktober Wahlen in Wien sind.

Es geht am Sonntag nicht um Wien, es geht auch nicht um Brüssel; es geht um Oberösterreich und die jeweilige Gemeinde oder Stadt. Deshalb sage ich abschließend klipp und klar: Entscheide am Sonntag gut, entscheide frei, entscheide für Pühringer und die Volkspartei! (Beifall bei der ÖVP.)

18.07


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Walser zu Wort. – Bitte. (Abg. Krainer – in Richtung ÖVP –: Da haben mir die Vierzeiler noch besser gefallen! – Weitere Zwischenrufe.)

 


18.07.42

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Kollege, ich glaube, das war ein ÖVP-Slogan aus dem Jahre 1949. Ist das möglich? (Abg. Fekter: Nein! Viel später! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Hui, hui! Es gibt Entwicklungsmöglichkeiten, möchte ich nur dazu sagen.

Lassen Sie mich aber auch ein paar Worte zu den Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, zuletzt von Kollegen Rosenkranz, sagen! Auch Herr Kickl taucht ja wieder auf. (Abg. Kickl: Hallo! – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Wenn Sie reden, taucht er auf!) Sie sind sehr wehleidig, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, von wegen: alle gegen Sie, Unwahrheiten und so weiter. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich möchte einfach ein Zitat bringen, damit Sie nicht sagen können, die bösen Grünen unterstellen Ihnen wieder etwas. Es ist wieder einmal einer der täglich auftauchenden Einzelfälle aus der Freiheitlichen Partei. Ich zitiere die heutige Ausgabe der „Oberösterreichischen Nachrichten“:

„Sie haben eine Mordswut und lassen Dampf ab: Zwei FP-Funktionäre aus dem Bezirk Steyr-Land fackeln als Hassposter Moscheen ab und versenken Flüchtlingsschiffe im Meer.“

Ich zitiere die Postings zum Brand einer Moschee: „Fein, den Benzin rein“. Weiter: „95 Oktan super (b)rennts“. – Freiheitliche Partei zum Abfackeln einer Moschee.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 67

Eine Gerlinde T. aus Adlwang, freiheitliche Funktionärin, meint zynisch zum Untergang von Schiffen im Mittelmeer: „Schifferl versenken“, das sei die Lösung der Flüchtlings­problematik. Und das Interessante – der Herr sitzt unter uns –: „Für die OÖNachrichten war auch Nationalrat Gerhard Deimek, FP-Bezirksparteichef von Steyr-Land, nicht für eine Stellungnahme erreichbar.“

Meine Damen und Herren, das sind die freiheitlichen Methoden. – Seien Sie nicht so wehleidig, stehen Sie dazu, was Sie täglich anrichten!

Ihr Bundesparteiobmann war ja nur zu Beginn der Sitzung da, die von ihm einberufen worden ist (Zwischenrufe bei der FPÖ); die Debatte hat ihn wenig interessiert. Er möchte ja Bürgermeister von Wien werden, und als Bürgermeister tritt er auf Facebook auf – mit den üblichen Lügen: Muslimische Eltern fordern, Schweinefleisch aus den Schulkantinen zu verbannen, das Kreuz aus den Schulklassen zu entfernen, Schwimm­unterricht ... – und dann kommen sämtliche blauen Lügen der letzten Jahre.

Er postet das als Bürgermeister. Wir haben ein bisschen nachrecherchiert. Er hat diesen Brief, diesen sehr langen Brief wörtlich einer Zeitung entnommen, einen Brief, von dem er behauptet, er habe ihn geschrieben. Aber nicht nur das: Die Zeitung, eine einschlägige Zeitung, hat diesen Brief auch abgeschrieben. Sie werden es nicht glauben: Montreal! Er stammt von einem Bürgermeister eines Vororts von Montreal. Wir haben nachrecherchiert: Es handelt sich um einen Phantom-Bürgermeister.

Der Phantom-Bürgermeister von Dorval in Montreal hat es abgeschrieben von einem Bürgermeister in Belgien, Ath in Belgien. Und Sie ahnen es: Auch diesen Bürgermeister gibt es nicht. Der Herr Bürgermeisterkandidat von Wien, Strache (Vizekanzler Mitterlehner: Gibt es den überhaupt?): Wir können alle beruhigt sein, auch den gibt es nicht! Den Bürgermeister Strache wird es auch nicht geben. Aber die Methode des Herrn Bürgermeisters ist bemerkenswert.

Die Freiheitliche Partei und der Herr Bundesparteiobmann haben es so weit gebracht, dass es auf Facebook inzwischen eigene Seiten gibt, die die gesammelten Lügen des Heinz-Christian Strache sammeln. Sie können gerne nachschauen, es ist lesenswert. (Abg. Krainer: Das ist ja ein Telefonbuch!) Ja, das ist ein Telefonbuch. Ich komme heute leider nur dazu, einen Teil davon vorzulesen. Ich möchte einfach dazusagen ... (Abg. Kickl: Aber die beste Lüge war die Ihrer Obfrau ...!)

Es sind keine Lügen. (Abg. Kickl: Ich habe das ganze Video gesehen!) – Seien Sie nicht so nervös! Die größte Lüge ist: Sie haben behauptet, freiwillige Flüchtlingshelfer am Westbahnhof sind bezahlt. – Natürlich sind sie nicht bezahlt! Natürlich waren sie alle im Auftr... (Ah-Rufe bei der FPÖ), also im Auftrag ihres Gewissens unterwegs. Alle waren sie im Auftrag ihres Gewissens unterwegs, selbstverständlich, Herr Kollege! Was Sie hier machen, ist Hetze, ist Lüge.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Walser, Sie wissen, dass das Bezich­tigen der Lüge in diesem Hause ordnungsrufwürdig ist – nicht erst, seit ich hier den Vorsitz habe.

Ich muss Ihnen einen Ordnungsruf erteilen.

Sie haben jetzt mehrfach die Freiheitlichen der Lüge bezichtigt. Das Zitieren ist etwas anderes, aber Sie haben es direkt getan.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 68

*****

 


Abgeordneter Dr. Harald Walser (fortsetzend): Ich kann auch genug Zitate bringen, keine Bange; vor allem kann ich den Wahrheitsbeweis antreten.

Lassen Sie mich Ihnen zum Abschluss aber einfach noch ein Zitat von Überlebenden, von Auschwitz-Überlebenden, bringen die einen gemeinsamen Appell an die EU-Regierenden geschrieben haben:

Vor allen Dingen aber bitten wir Sie, populistische und rechtsextreme Kräfte in Eu­ropa, die die Grauzone zwischen Angst und Hass für ihre zerstörerischen Aktivitäten nutzen, wehrhaft und konsequent in ihre Schranken zu weisen. Mit ihrem Haß bekämpfen diese Gruppierungen alles, was Europa ausmacht: Vielfalt, Toleranz und Mitgefühl.“

Dieses Hohe Haus hat heute bewiesen, dass mit Ausnahme der zwei Rechtsparteien alle hier dahinterstehen und alle diesen Aufruf ernst nehmen. (Beifall bei den Grünen. – Vizekanzler Mitterlehner: Wer ist die zweite Rechtspartei?)

18.13


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


18.13.39

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Der Herr Bundeskanzler hat vorhin etwas sehr Richtiges gesagt ... (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der FPÖ und dem sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Walser.) – Herr Walser, Sie waren schon am Wort! Na ja, wurscht.

Der Herr Bundeskanzler hat vorhin etwas sehr Richtiges gesagt: Die Polizisten an den Grenzen haben wirklich Probleme, ihren gesetzlichen Auftrag, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit, zu vollziehen.

Das stimmt, ja, das stimmt wirklich: erstens aufgrund der extremen Personalnot! Das muss man ganz klar sagen, das ist ein Problem. Deswegen gibt es das Schreiben, das wir heute in den Medien auch wahrgenommen haben, an die bayerischen Kollegen, dass hier in Österreich sehr wohl – und Sie haben dem Ganzen ja nicht wirklich widersprochen, Frau Bundesminister – die Personalknappheit bei der Polizei eine Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit ist. Dass es wirklich sicherheitspolitische Probleme – intern – in Österreich gibt, kann man nicht von der Hand weisen, und das ist richtig. Herr Bundeskanzler, Sie haben das richtig erkannt, aber Sie sollten auch dementsprechend handeln!

Wenn ich die Polizei personell anspreche: Sie ist wirklich nicht mehr in der Lage, die Grenzen zu sichern, Personenkontrollen so durchzuführen, wie es gesetzlich vorge­sehen wäre, wenn diese ganzen Flüchtlingsströme nach Österreich hereindrängen – im Gegensatz zu Deutschland. In Deutschland gibt es eine Bundespolizei und eine Landespolizei. Die Landespolizei kümmert sich um die innere Sicherheit, das heißt, um die Straftaten im Inland; die Bundespolizei sichert die Grenzen, wenn das notwendig ist. Deswegen war es ja in Deutschland möglich, dass am 13. September dieses Jahres innerhalb von kurzer Zeit Polizei-Hundertschaften an die Grenzen zu Österreich geschafft werden konnten, die dort die Grenzkontrolle durchzuführen hatten und noch haben.

In Österreich wäre das nicht möglich, und das ist das Problem der Personalknappheit bei der Exekutive, die mittlerweile wirklich überfordert und am Limit ist. Mich haben einige Kollegen angerufen und mir gesagt, ich möge der Regierung mitteilen, dass sie wirklich aus dem letzten Loch pfeifen. Das muss man ganz klar sagen, meine Damen und Herren: Das kann man nicht so stehen lassen! Sie wissen, wir vom Team Stronach


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 69

haben schon mehrfach mit Anträgen darauf hingewiesen und die Einführung tempo­rärer Grenzkontrollen in den verschiedenen Bundesländern, in eigentlich allen Bun­desländern, gefordert.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag neuerlich ein, sodass heute, Herr Bundeskanzler – Sie wissen, wo die Problematik liegt –, auch Ihre Fraktion zustimmen kann:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung temporärer Grenzkontrollen in allen Bundesländern“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Inneres wird zur Verstärkung der inneren Sicherheit Österreichs aufgefordert, ehestmöglich einen Ge­set­zesentwurf vorzulegen, mit dem die derzeitigen gesetzlichen Regelungen im Grenz­kontrollgesetz betreffend temporärer Grenzkontrollen ausgeweitet und dadurch tempo­räre Grenzkontrollen unter vereinfachten Voraussetzungen ermöglicht werden. Insbe­sondere sollen die Staatsgrenzen zu Italien, Slowenien, Tschechien, Slowakei und Ungarn als Sofortmaßnahme umgehend Grenzschutz durch eine schnell auszubil­dende Grenzpolizei nach dem Vorbild der ehemaligen Grenzgendarmerie erhalten.“

*****

Das haben wir schon mehrfach gefordert. Sie können heute zustimmen.

Ich bringe noch einen zweiten Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „48 Stunden Asyl­verfahrensdauer laut Schweizer Modell“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ehestmöglich beschleunigte Asylverfahren mit einer maximalen Erledigungsdauer von 48 Stunden – laut Schweizer Modell – einzu­führen.“

*****

Das hat auch einen Grund. Wenn Sie nämlich die Tore aufmachen, Herr Bundes­kanzler, und sagen, alle dürfen reinkommen, dann müssen wir auch wirklich schauen, und das haben Sie selber auch erkannt, dass sehr viele Wirtschaftsflüchtlinge dabei sind, dass wir diese heraussortieren können, und das im Schnellverfahren.

Es hat nicht umsonst – ich habe es gestern hier schon angeschnitten – der Vize­präsident der EU-Kommission bei einem Interview im ORF ganz deutlich gesagt, dass die Verfahren in Deutschland und in Österreich zu lange dauern, dass potenzielle Flüchtlinge, die eigentlich nicht den Flüchtlingsstatus verdienen, hier diese Plätze blockieren und sich im Sozialnetz aufhalten können; das sei zu verlockend. Deswegen hat Holland eine 10-Tage-Frist, die Schweiz hat eine 48-Tage-Frist. Es geht also


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darum, dass man hier eine Lösung trifft, die für den österreichischen Steuerzahler schonend ist und wirklich die Spreu vom Weizen trennt. (Beifall beim Team Stronach.)

Jetzt kann ich aufgrund der knappen Redezeit nicht mehr weiter darauf eingehen, dass der Redebeitrag des Kollegen Walser von den Grünen, der vor mir gesprochen hat, wirklich ein Trauerspiel war. Das wundert mich auch nicht. Wissen Sie, jetzt muss ich Ihnen einmal etwas sagen, Herr Kollege Walser: Mich wundert es nicht, dass die Schüler in Vorarlberg im Gymnasium in Feldkirch ein sehr niedriges Niveau haben. Das kann ich Ihnen erklären: Sie waren dort Direktor.

Ich erkläre es Ihnen jetzt, nur dass Sie es einmal wissen. (Zwischenruf des Abg. Walser.) Ein Polizeikollege aus Liechtenstein hat mir Folgendes gesagt: Jene Schüler im Liechtensteiner Gymnasium, die die Schule nicht derpackt haben, das Gymnasium nicht derpackt haben, sind nach Feldkirch ins Gymnasium des Herrn Walser gegangen und sind dort Klassenbeste gewesen.

Das zeigt den Unterschied im Niveau des Schulsystems von Liechtenstein und beim Herrn Walser im Gymnasium. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

18.19


Präsident Karlheinz Kopf: Die von Herrn Abgeordnetem Hagen eingebrachten Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hagen

Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Einführung temporärer Grenzkontrollen in allen Bundesländern“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten KO Strache und weiterer Abgeordneter an den Bundeskanzler betreffend „Österreich im Ausnahmezustand - sichere Grenzen statt Asylchaos“

Österreich sieht sich durch die zuletzt dramatisch ansteigenden Flüchtlingsströme damit konfrontiert, dass immer mehr Menschen um Asyl ansuchen bzw. ansuchen werden. Problematisch ist insbesondere die Zahl illegaler Grenzübertritte über die soge­nannte Westbalkanroute, ausgehend von der Türkei. Diese Route hat sich zu einem der Hauptfluchtwege von Migranten aus Ländern im Nahen Osten, Afrika und Südasien entwickelt, die auf ein Leben in Wohlstand in der EU hoffen.

Aber auch die Aufgriffe illegaler Migranten an der Staatsgrenze zum derzeit italienisch verwalteten Südtirol häufen sich in ernstzunehmender Anzahl. Der Migrationstransit über die Alpen ist beliebt, da im Gegensatz zum Balkan keine ständig bewachten Grenzen überwunden werden müssen.

Ebenso werden in Kärnten immer mehr Flüchtlinge aufgegriffen, viele davon kommen aus Italien. Die Schweiz und Frankreich verschärften daher bereits die Kontrollen ihrer Grenzen zu Italien.

Auch war absehbar, dass sich der Strom illegaler Migranten nach Kroatien verlagert, sobald Ungarn den geplanten Zaun an der Grenze zu Serbien fertigstellt. Die zu erwar­teten illegalen Grenzübertritte an der Staatsgrenze zu Slowenien haben sich in den vergangenen Tagen bewahrheitet. Aufgrund des Ausweichverhaltens der Flüchtlinge sind auch Migrantenströme auf Routen über die Slowakei und Tschechien nicht aus­zuschließen.


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Nicht zuletzt reist mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge, die nach Österreich kommt, mittlerweile über Ungarn ein. Alleine im Bezirk Neusiedl am See werden täglich bis zu 200 Menschen aufgegriffen, wie der ORF am 19.08.2015 online berichtete (http://burgenland.orf.at/news/stories/2727189/). Das Burgendland ist daher von der Flüchtlingssituation am stärksten betroffen. Dies ist aus traurigem Anlass offensichtlich, als sich die menschliche Tragödie, bei der 71 Flüchtlinge in einem ungarischen LKW qualvoll erstickten, in diesem Bundesland abspielte. Durch eine effiziente Grenz­kontrolle mittels Grenzpolizei hätte dieses grausame Schicksal vermutlich vermieden werden können.

Derzeit gibt es in Sondersituationen die Möglichkeit, Grenzkontrollen wiedereinzu­führen bzw. durchzuführen. Allerdings sind die Möglichkeiten im Sinne der §§ 10ff. Grenzkontrollgesetz sehr begrenzt.

Im September des Jahres 2014 äußerte bereits der burgenländische Landeshaupt­mann Hans Niessl, „dass die Sicherung der Schengen-Außengrenzen nicht jene Qualitätsstandards hat, die sie haben sollte. Solange die Sicherung nicht funktioniert, müssen wieder die Staaten entsprechende Kontrollen durchführen.“ ("Österreich" vom 13.09.2014)

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Inneres wird zur Verstärkung der inneren Sicherheit Österreichs aufgefordert, ehestmöglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die derzeitigen gesetzlichen Regelungen im Grenzkontrollgesetz betreffend temporärer Grenzkontrollen ausgeweitet und dadurch temporäre Grenzkontrollen unter vereinfachten Voraussetzungen ermöglicht werden. Insbesondere sollen die Staatsgrenzen zu Italien, Slowenien, Tschechien, Slowakei und Ungarn als Sofortmaßnahme umgehend Grenzschutz durch eine schnell auszubildende Grenzpolizei nach dem Vorbild der ehemaligen Grenzgendarmerie erhalten.“

*****

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Hagen

Kolleginnen und Kollegen

betreffend „48 Stunden Asylverfahrensdauer laut Schweizer Modell“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten KO Strache und weiterer Abgeordneter an den Bundeskanzler betreffend „Österreich im Ausnahmezustand - sichere Grenzen statt Asylchaos“

Wie man anhand der momentanen Flüchtlingssituation in Österreich sehen kann, ist das Innenministerium mit der Situation vollkommen überfordert, es bestehen akute Quartiernot und Chaos an den Grenzübergängen. Aufgrund der sich verschlechternden Lage in Syrien und anderen Krisenherden bzw. der Zunahme der Bedrohung durch den IS werden weitere Flüchtlingswellen jedoch nicht ausbleiben.


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In dieser Situation muss schnell gehandelt werden. Besonderes Augenmerk muss dabei auf die Dauer der Asylverfahren gelenkt werden, um rasch feststellen zu können, ob es sich bei den betroffenen Antragsstellern um Personen mit tatsächlichem Asyl­grund oder nur um Wirtschaftsflüchtlinge handelt.

Aufgrund der weiterhin zu erwartenden Menge an Flüchtlingen müssen die bereits gestellten Asylanträge so schnell wie möglich abgearbeitet werden können, um Personen, die keinen Asylgrund vorweisen (wie z.B. reine Wirtschaftsflüchtlinge, die die Gunst der Stunde nutzen wollen), möglichst schnell wieder außer Landes zu bringen und dadurch Platz für nachkommende Flüchtlinge zu schaffen, die tatsächlich vor Krieg und Elend fliehen mussten.

In der Schweiz oder auch in Norwegen gibt es bereits Modelle beschleunigter Asyl­verfahren, im Rahmen derer über die Anträge binnen 48 Stunden entschieden wird.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ehestmöglich beschleunigte Asylverfahren mit einer maximalen Erledigungsdauer von 48 Stunden - laut Schweizer Modell – einzu­führen.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek zu Wort gemeldet. (Vizekanzler Mitterlehner: Schon wieder! – Abg. Deimek – auf dem Weg zum Rednerpult –: Muss man, in Zeiten wie diesen!)

 


18.19.51

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Kollege Walser hat fälschlich zitiert, ich wäre den „Oberösterreichischen Nachrichten“ nicht zur Verfügung gestanden.

Das ist nicht wahr, ich bin natürlich zur Verfügung gestanden. Es steht auch kurz weiter, in den von Herrn Walser nicht zitierten Zeilen, dass ich mich folgendermaßen geäußert habe: Alles, was rechtswidrig ist, wird sofort geahndet, alles andere müssen wir prüfen. – Zitatende. (Beifall bei der FPÖ.)

18.20


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.20.34

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Walser hat behauptet, die Behauptungen der Freiheitlichen seien falsch und dass am Westbahnhof ausschließlich ehrenamtliche Mitarbeiter tätig waren und dass dafür nichts bezahlt wird.

Ich lese hier, um der Wahrheit Genüge zu tun, um es richtigzustellen, aus einem E-Mail der Firma easystaff vor:

„Am Hauptbahnhof und Westbahnhof werden heute noch sehr viele Flüchtlinge er-wartet. Deswegen benötigen wir vor Ort helfende Hände, die Nahrungsmittel verteilen


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und vor allem auch den Fahrgästen an den Bahnhöfen Infos über Anschlusszüge und die Zugzeiten geben. Ich suche noch Leute für die Schicht HEUTE 05.09.2015 von 15-24 Uhr. Bezahlung: EUR 10,00/h Ihr habt 1h unbezahlte Pause.“

Das heißt, es werden sehr wohl bezahlte Hilfskräfte eingesetzt. (Beifall bei der FPÖ.)

18.21


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer persönlichen Erwiderung hat sich Herr Abge­ordneter Dr. Walser zu Wort gemeldet. Sie kennen die Bestimmungen der Geschäfts-ordnung. – Bitte.

 


18.21.42

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Ich möchte kurz auf Folgendes eingehen: Kollege Deimek hat behauptet, ich hätte falsch zitiert. Ich habe nicht falsch zitiert. Was er meint, ist, dass die „Oberösterreichischen Nachrichten“ ihn falsch interpretiert haben. Herr Kollege, ich habe wörtlich vorgelesen.

Zur Firma easystaff: Das ist ein privates Unternehmen, das im Auftrag der ÖBB dort tätig war. Das hängt nicht zusammen mit den Freiwilligen, die dort zuhauf gearbeitet (Abg. Walter Rosenkranz: Das sind Unfreiwillige!) und es nicht verdient haben, dass Sie ihnen niedrige Motive unterstellen und dass Sie ihnen unterstellen, die würden nur des Geldes wegen dort den Flüchtlingen helfen. (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Peinlich, Herr Oberstudienrat!)

18.22


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Rädler zu Wort. – Bitte. (Vizekanzler Mitterlehner: Machst du dir Sorgen darüber, wer die Zwischenrufe macht?)

 


18.22.46

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Herr Präsident! Von der FPÖ wurde für die heutige Sitzung der Ausnahmezustand in Österreich ausgerufen. Man sollte mit solchen Begriffen sehr sorgsam umgehen. Wenn wir uns die Geschichte Österreichs ansehen und einen Blick zurück in das Jahr 1945 werfen, so ist vielen von uns die Rede von Leopold Figl zu Weihnachten in Erinnerung. Da war ich noch nicht auf der Welt, aber ich habe das auch beobachtet. (Abg. Lausch: Aber eine Erinnerung gibt’s!)

Ich glaube, die Sache ist zu ernst, um so darüber zu reden. Damals gab es in Österreich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, 1,8 Millionen Flüchtlinge, nämlich im Jahr 1945 in Österreich, der Großteil aus Deutschland. (Ruf bei der FPÖ: Eben!)

1956 gab es 160 000 Flüchtlinge aus Ungarn, 1968 gab es 180 000 Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei, in den frühen 1980er Jahren gab es Flüchtlinge aus Polen. Und wo liegt der Unterschied? (Abg. Kickl: Na ja!) Österreich hat damals nicht von einem Aus-nahmezustand gesprochen, sondern gerade jene Menschen, die ihre Hilfsbereitschaft gezeigt haben, waren damals die Helden, und es war ein gewaltiger Unterschied. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Glawischnig-Piesczek. – Abg. Kickl: Die „Arbeiter-Zeitung“ hat damals geschrieben: Die Flücht­lingskrise übersteigt unsere Kräfte!)

Schauen wir uns bitte die politische Landschaft der 1950er-Jahre und der 1960er-Jahre an. Der Unterschied in der politischen Landschaft liegt darin, dass es einerseits diese Provokationen nicht gab, wie wir sie heute vom Kollegen Walser erlebt haben und von vielen anderen – aber auch diese Sammelaktion, ich habe ja selbst gespendet; trotzdem war es eine Provokation, denn wer zum Helfen bereit ist, der hilft auch auf


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anderer Seite –, andererseits gab es früher auch keine Hetze, nämlich diese verbale Hetze von der FPÖ. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Heute schreiben wir 2015, und es werden 120 000 Durchreisende, die nach Deutsch-land gehen, als Ausnahmezustand beschrieben. (Rufe bei der FPÖ: Durchreisende!) Das kann es nicht sein. Denken wir doch einmal nach und zeigen wir Mut und Ver-antwortung!

Die Bürgermeister zeigen Mut und Verantwortung. Ich war einer der Ersten, der Unterkünfte geschaffen hat. Und ich bin beim Kollegen Pilz, obwohl ich sonst nicht seiner Meinung bin: Dieser Entschließungsantrag, den er eingebracht hat, da wäre es Aufgabe dieses Parlamentes, einen einstimmigen Beschluss zu fassen, wenn wir uns dazu bekennen. Denn es ist besser, unten zu helfen, wo wir einen Dollar hinlegen müssen, als hier heroben, wo wir die Probleme haben. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Unsere Bevölkerung wartet auf Antworten, auf Antworten Europas und auf Antworten Österreichs. Die ÖVP hat einen Aktionsplan mit acht Punkten vorgelegt. (Ruf bei der FPÖ: Das war das Taferlgate!) Den werden wir der Bevölkerung nicht nur präsentieren, sondern, weil wir ihr gegenüber verantwortlich sind, auch durchziehen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen. – Abg. Kickl: „Arbeiter-Zeitung“, 28. November 1956!)

18.26


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Ing. Dietrich zu Wort. Restredezeit Ihres Klubs: 1 Minute. – Bitte.

 


18.26.21

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die heutige Diskussion hat einmal mehr gezeigt, wie hilflos diese Bundesregierung ist. Meine geschätzten Damen und Herren, Sie dürfen sich nicht wundern, wenn am kommenden Sonntag immer mehr Wähler Alternativen suchen und nicht mehr eine Regierung, die nicht in der Lage ist, Probleme zu lösen. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Bei all dieser Problematik rund um die Flüchtlinge, vergessen wir nicht die 37 000 Ob-dachlosen in Österreich (Ruf bei der SPÖ: Geh bitte, Frau Kollegin!), Menschen, die auf der Straße sind, die kein Bett haben und keine Möglichkeit haben, geschützt, gesichert, gewärmt zu wohnen! Die Vorkommnisse am Salzburger Hauptbahnhof, wo bereits Flüchtlinge mit Obdachlosen um das Essen raufen, sind eine Schande für Österreich. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir, meine geschätzten Damen und Herren, sind für die Österreicher da, und dafür werden wir uns auch in Zukunft einsetzen. (Neuerlicher Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenbemerkung von Vizekanzler Mitterlehner.)

18.27


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Doppler zu Wort. – Bitte.

 


18.27.45

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Thema Flüchtlingskrise: Herr Kollege Rädler, ja, Österreich hat ein Problem, ja, diese EU hat ein Problem. Ich glaube, nur du hast es noch nicht ganz verstanden – leider.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem unkontrollierten Zuzug – mit diesem Massenzuzug – von Menschen aus aller Herren Länder haben wir ein großes


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Problem. Es ist bereits angesprochen worden, dass natürlich den Schleppern das Handwerk gelegt werden muss, das steht außer Frage. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass politisch verfolgten Menschen geholfen werden muss, aber es steht auch außer Frage, dass diese Massenzuwanderung unser soziales und kulturelles Gefüge aus dem Lot bringt. (Beifall der Abgeordneten Kickl und Strache.)

Diese Bundesregierung von Rot und Schwarz, und zwar mit Hilfe der Grünen und der NEOS, verschärft diese Situation noch, indem gestern das sogenannte Durchgriffs-recht beschlossen wurde, was die Aufnahme von Flüchtlingen in den Gemeinden betrifft.

Länder und Gemeinden und die heimische Bevölkerung werden entmündigt und bevormundet, meine sehr geehrten Damen und Herren. Diese Vorgangsweise lehne ich ganz entschieden ab! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Steinbichler.)

Jetzt soll es sogar noch ein EU-Verfahren gegen Österreich geben, was die Asyl­richtlinien betrifft, wahrscheinlich gegen 19 Staaten, darunter Österreich, Deutschland und Schweden. Jene Länder, die am meisten Flüchtlinge aufnehmen, sollen jetzt noch bestraft werden. Der Vorwurf dieser EU-Kommission: Fehlende und mangelnde Umsetzung von EU-Richtlinien. Liebe Freunde, das versteht kein Mensch mehr. Weiß diese EU eigentlich noch, was sie will? Jene Länder am meisten zu strafen, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen!

Da vorhin von einem Kollegen der Ministerpräsident Orbán angesprochen und der Herr Klubobmann Strache kritisiert wurden. – Ministerpräsident Orbán macht nichts ande-res, als das Gesetz des Schengen-Abkommens zu vollziehen (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Lugar), was die EU-Außengrenzen betrifft, und das passt so manchen Herrschaften nicht, meine Damen und Herren. Er wird dafür heftig kritisiert, dass er ein Gesetz vollzieht, das diese EU selbst bestimmt und vorgegeben hat. Das versteht in Österreich kein einziger Mensch mehr.

Dann gibt es laut Medien – auch das haben wir heute schon gehört – einen geheimen Asylbericht des Innenministeriums. Er wurde den deutschen Medien zugespielt. Aus diesem Bericht geht hervor, dass durch diesen enormen Flüchtlingsansturm die innere Sicherheit in Österreich nicht mehr gewährleistet ist.

Wenn die innere Sicherheit eines Landes nicht mehr gewährleistet ist, dann ist es höchste Zeit und dringend notwendig, die Grenzen dichtzumachen und unser Land und die Bevölkerung vor einer totalen Überfremdung zu schützen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Steinbichler. – Ruf bei der ÖVP: Ihr zwei müsst wieder aufhören! – Gegenruf des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Doppler. – Allgemeine Heiterkeit.)

18.31


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Gerhard Schmid zu Wort. Es ist erlaubt, sich auch etwas früher auf den Weg zum Rednerpult zu machen. – Bitte.

 


18.31.22

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Zur Flüchtlingspolitik: Sowohl unserer rot-schwarzen Bundesregierung als auch der EU ist in der Flüchtlingspolitik leider Gottes Totalversagen vorzuwerfen. Die teils legale, aber größtenteils illegale Einwanderung von Fremden wurde zum Dauerthema. Längerfristige Maßnahmen der zuständigen Ministerien waren bislang jedoch nicht erkennbar. Getreu dem Motto, es


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muss immer erst zu einem markanten, tragischen Ereignis kommen, um Reaktionen auszulösen, sind Parndorf und Traiskirchen anzusprechen.

Flüchtlingsströme derartigen Ausmaßes erfordern System und Logistik. So wäre ohne die erheblichen Leistungen von Freiwilligen das bisher Erbrachte wohl kaum möglich gewesen. Diesbezüglich herzlichen Dank und Anerkennung!

Unsere Bevölkerung hat ein Anrecht auf Sicherheit, doch stehen wir nun dank dem systematischen Abbau bei der Polizei und dank dem Abbau bis zur Konkursreife des Bundesheeres vor einem Scherbenhaufen und erwarten uns nun Wunder.

Systemerhaltende Assistenzleistungen des Bundesheeres wurden zum Beispiel in Salzburg eingestellt und der externen Betreuungsgesellschaft ORS übertragen. Die Sinnhaftigkeit dieser Vorgangsweise ist allerdings infrage zu stellen. Das kann ja nur an den für das Heer nicht mehr zu bewältigenden Kosten liegen.

Unser Herr Bundeskanzler rühmt sich heute noch damit, dass das Flüchtlingsthema für Österreich kein Problem darstelle. – Ich weiß nicht, was er damit meint. Die Finanzierung des Ganzen kann es wohl nicht gewesen sein. Ich sehe es sehr wohl als Problem an, wenn das Finanzministerium bereits an neuen Belastungs- und Steuer­modellen wie zum Beispiel einer Anhebung der Mehrwertsteuer arbeiten soll, um dieses Flüchtlingsproblem zu finanzieren.

Die Belastbarkeit des österreichischen Steuerzahlers hat bereits jetzt ihre Grenzen überschritten, und es ist mehr als verständlich, dass die Bevölkerung für eine der­maßen verfehlte Politik kein Verständnis mehr hat. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Doppler. – Vizekanzler Mitterlehner: Die müsst ihr wieder aufnehmen!)

18.34


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Lintl. – Bitte.

 


18.34.11

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben alle in den letzten Tagen die Videos aus Süditalien gesehen. Dort ziehen maro­dierende Horden von Migranten durch die Straßen, demolieren Geschäfte, Wohnungen und die Verkehrsinfrastruktur. Sie verbreiten Angst und Schrecken.

Die lokale Bevölkerung, die nicht die Möglichkeit hat, in sichere Regionen zu fliehen, verbarrikadiert sich in ihren Wohnungen und Häusern. Eine solche Entwicklung will ich mir für Österreich gar nicht vorstellen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie, meine Damen und Herren von den Grünen und von der SPÖ, zeichnen ein Bild des idealen Flüchtlings: Familien mit Kindern, unbegleitete Jugendliche, hilflos und dankbar – was viele vielleicht auch sind und denen hilft man natürlich auch gerne.

So sind aber längst nicht alle. Bilder, wie sie sich gegenseitig die Plätze in den Zügen streitig machen, Frauen und Kinder brutal wegdrängen, relativieren diesen Eindruck. Und wie verdreckt sie die Lager und die Züge hinterlassen, darauf will ich gar nicht eingehen.

Unsere Pflicht als demokratisch gewählte Volksvertreter ist es, unser Augenmerk auf die Situation in Österreich zu richten, denn wir stehen nicht weit von den Zuständen in Italien entfernt. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: So ein Blödsinn!)

Die Österreicher erkennen das und fragen sich – das kann man in allen möglichen Postings und Stellungnahmen lesen –: Was sind denn das für Flüchtlinge? Sie werfen ihre Pässe weg und lassen sich nicht registrieren, sie haben ihre Wunschdestinationen


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und nicht nur das Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit. Sie behaupten alle, Syrer zu sein, und fordern, in einem bestimmten Land ihrer Wahl aufgenommen zu werden.

Wenn die Forderungen dieser Asyltouristen nicht erfüllt werden, leisten sie Widerstand. Sie akzeptieren keine Rechtsvorschriften, sondern überrennen Grenzen. Starke junge Männer, die angeblich vor Krieg und Gewalt fliehen, setzen hier auf Gewalt und werfen Steine gegen die Gastländer, die sie aufnehmen würden.

Ein Staat, der seine Grenzen nicht schützen kann, verliert seine Souveränität, meine Damen und Herren. Eine Regierung, die die Interessen der eigenen Bevölkerung hinter die der Flüchtlinge stellt, verliert ihre Legitimität. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach. – Abg. Pilz: Und eine Abgeordnete, die Ihre Rede nicht frei hält, auch!)

Wir haben einen Bundeskanzler, der gutnachbarliche Beziehungen aufs Spiel setzt und bei der Erstversorgung der Flüchtlinge auf freiwillige Helfer angewiesen ist. Wir haben einen Vizekanzler, der nur in den „Salzburger Nachrichten“ verlangt, dass längst an einer Festung Europa gebaut werden muss und nicht hier im Parlament.

Wir haben eine Innenministerin, die ankündigt, die Grenzen zu kontrollieren und weiterhin alle unkontrolliert durchlässt. Und wir haben einen Justizminister, der den Schutz der Grenzen mit Gewalt als inakzeptabel bezeichnet und den Rechtsbruch der Flüchtlinge, nämlich das Überrennen der Grenzen, als legitim. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

Diese Regierung, meine Damen und Herren, regiert nicht, sie re-agiert – und das ist unwirksam und jedenfalls zu spät.

18.38


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Mag. Meinl-Reisinger. – Bitte.

 


18.38.19

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rädler, ich möchte Ihnen für Ihre Rede danken, weil Sie hier etwas zur Sprache gebracht haben, das mir wichtig ist, nämlich auch dass es wirklich absurd ist, von einem Ausnahmezustand zu sprechen, auch wenn es eine schwierige Situation ist.

Als Sie gesprochen haben, hat der Herr Abgeordnete Lugar hereingerufen – und ich nehme an, das würde auch die FPÖ tun, nämlich als Sie die Ungarnkrise und so weiter erwähnt haben, als wir Flüchtlinge aufgenommen haben –: Ja, das waren unsere Nachbarn. (Abg. Lugar: Richtig!)

Herr Abgeordneter Lugar! Ich möchte Ihnen, aber auch der FPÖ Folgendes sagen: Die Menschenrechte sind universell. Es kann keinen Unterschied machen, ob das unsere Nachbarn sind oder andere Menschen sind, die hier Schutz auf der Flucht suchen. (Abg. Lugar: Sie haben die Genfer Flüchtlingskonvention nicht gelesen! – Abg. Kickl: Praktisch ist das schwierig!)

Gerade Ihnen und der FPÖ, die immer als Erste da ist, die Werte des christlichen Abendlands zu verteidigen, stelle ich die Frage: Was sind denn die Werte dieses Europa? Das ist die Antike, ja, das ist die Kulturleistung des Christentums, es ist die Aufklärung und es sind die universellen Menschenrechte. Die sind nicht teilbar und Sie können sich das nicht aussuchen. (Beifall bei NEOS, bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP sowie der Abg. Korun.)

Sehr geehrte Damen und Herren, diese Flüchtlingskrise ist zu managen. Und eines haben die vergangenen Tage, die vergangenen Monate gezeigt: Die Zivilgesellschaft,


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die Menschen, die Österreicherinnen und Österreicher sind da eingesprungen, wo über Wochen die Politik versagt hat, wo die politischen Strukturen versagt haben – sei es in Traiskirchen, sei es am Westbahnhof, wo Wienerinnen und Wiener gekommen sind, ihre Hosen gebracht haben, ihre Leiberl gebracht haben, Kaffee gebracht haben, die Flüchtlinge begrüßt haben. Dort ist die Zivilgesellschaft aktiv geworden, und das macht mich sehr, sehr stolz.

Es zeigt aber auch auf (Vizekanzler Mitterlehner: Haben Sie auch Ihre Hose hinge­bracht?!), Herr Vizekanzler, dass wir (Vizekanzler Mitterlehner: So ein Quargel!) ein politisches System – Herr Vizekanzler – haben, mit Strukturen, die nicht in der Lage sind, Lösungen zu bieten. Zwei Beispiele dazu. (Vizekanzler Mitterlehner: Glauben Sie, dass wir nicht darauf eingestellt waren?!) – Ja, ich glaube, dass Sie nicht darauf eingestellt waren, ich glaube das wirklich, denn ich war nämlich vor Wochen in Traiskirchen und es war kein Politiker da, es sind die Kinder im Dreck gelegen, die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, und Sie waren nicht da. (Abg. Walter Rosenkranz: Wir waren so oft dort und haben Sie nicht gesehen!)

Aber ich rede auch vom politischen System. Es geht mir darum, dass wir einerseits auf österreichischer Ebene gesehen haben – und da haben wir gestern etwas getan –, dass Föderalismus so nicht funktioniert. Wir haben aber auch auf europäischer Ebene das Thema, einen institutionellen Rahmen, ein politisches System, das natürlich in einem vereinten Europa – und darauf weisen wir auch seit Monaten hin – nicht ohne gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und ohne gemeinsame Migrations- und Asylstrategie auskommen kann. Es kann nicht funktionieren. (Beifall bei den NEOS.)

Es tritt noch etwas zutage, und das ist sozusagen die politische Mechanik, die dann immer passiert – und da ist dann egal, ob das in Österreich ist oder irgendwo sonst auf der Welt –, das Ausnutzen, ja das Ausschlachten einer Katastrophe durch Rechtspopu­listen. – Denn nichts anderes tun (in Richtung FPÖ) Sie.

Das passiert überall und das ist schäbig, aber es ist leider so. Sie müssen sich eigentlich nur zurücklehnen und abwarten. Das ist alles, was Sie derzeit tun müssen, denn jede Schlagzeile hilft Ihnen. Und natürlich, wir verschließen die Augen nicht vor der Realität, auch in einer Normalverteilungskurve wird es so sein, dass Flüchtlinge kommen, die kriminell werden, es wird auch so sein, dass wir möglicherweise vor terroristischen Bedrohungen stehen, das ist so. (Abg. Höbart: Ja, das ist so!) – Ja, aber Sie nutzen das aus. Sie haben keine Lösungen, Sie nutzen das einfach nur aus, und das mache ich Ihnen zum Vorwurf.

Ich möchte jetzt aber heute noch etwas sagen: Das ist meine Abschiedsrede im Parlament, weil ich, wie Sie ja wissen, für die Wienerinnen und Wiener arbeiten möchte. Ich möchte, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Strache, auch Glaubwürdigkeit in die Politik bringen und daher werde ich mein Mandat noch vor der Wiener Gemeinde­ratswahl zurücklegen. Sie könnten das ja auch tun, dann würden Sie es vielleicht ernst meinen mit dem „für die Wienerinnen und Wiener arbeiten“. Das heißt, das ist heute meine Abschiedsrede im Parlament. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Strache: Wir sehen Sie hier noch länger!) – Wer sich freut, wunderbar.

Ich möchte mir daher auch erlauben, auf diese letzten zwei Jahre zurückzublicken. (Vizekanzler Mitterlehner: Sicher! – Abg. Lopatka: Sie sind auf jeden Fall weg?!)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Meine Damen und Herren, wir haben eigentlich die schöne Usance in diesem Haus, dass wir versuchen, uns sowohl bei Erstreden als auch bei Abschiedsreden zurückzuhalten mit Zwischenrufen. Ich würde bitten, das jetzt auch der Kollegin Meinl-Reisinger zu gewähren. – Ich danke Ihnen.

 



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Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (fortsetzend): Ich bin auf jeden Fall weg. Freuen Sie sich, sehr gut. (Vizekanzler Mitterlehner: Ich bin schon mal weg!) – Schauen Sie, das ist auch das, was wir als NEOS tun: Wir gehen ein Risiko ein. Wir gehen durchaus ein Risiko ein, nicht nur ich jetzt, sondern wir sind es auch 2013 und 2012 eingegangen. Und im Übrigen ist es auch einer unserer grundlegenden Werte, dass wir es für wichtig erachten, dass es Menschen gibt in diesem Land, die ein Risiko eingehen, und dass wir eigentlich dafür sorgen sollten, dass viel mehr Menschen ein Risiko eingehen, anstatt es sich in bequemen Institutionen, in Strukturen bequem zu machen. Das möchte ich jetzt auch einmal sagen. (Beifall bei den NEOS.)

2013 sind wir, und das war ein sehr bewegender Moment, als erste Partei auf Anhieb in den Nationalrat gekommen. Mit viel Enthusiasmus, mit viel sprühenden Ideen und natürlich mit der Idee, etwas zu bewegen. Klar. Uns war auch klar, dass wir nicht von einem Tag auf den anderen die Welt aus den Angeln heben werden. Die Politik ist das Bohren von harten Brettern, das ist mir auch klar. Aber dass diese harten Bretter aus Stahlbeton sind, das müssen Sie sich schon eingestehen hier in Österreich.

Und bevor Sie jetzt mit Häme oder mit dem Ruf: „Aha, die NEOS sind naiv und in den Mühen der Ebene angekommen!“ beginnen, möchte ich drei Beispiele anführen.

Schauen wir auf gestern zurück, zu der Debatte bezüglich der Abschaffung der nichtamtsführenden Stadträte. Das ist an sich eine wirklich minimale Diskussion, alle Wiener Parteien sind dafür, es geht nur darum, den Weg freizumachen, dass der Wiener Gemeinderat selber bestimmt, wie das zukünftig zu behandeln sein wird. – Es gelingt über Monate nicht, dazu einen Beschluss zu fassen.

Oder ein Beispiel aus dem Familienausschuss: Alle – ich spreche da alle Familien­sprecher und Familiensprecherinnen an; wir haben das sehr oft diskutiert, die Abge-ordnete Daniela Musiol weiß das auch – haben für einen einheitlichen Qualitätsrahmen im Bereich der Kinderbetreuung plädiert. Alle Abgeordneten in diesem Ausschuss sind einer Meinung, dass das nötig ist, alle, in jedem Familienausschuss, es ist wie: „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Wir wissen auch, dass wir hier im Nationalrat die Kompe-tenzkompetenz haben, aber es ist nicht möglich, im Nationalrat einen Beschluss für einen einheitlichen Qualitätsrahmen für Kinderbetreuung zu bekommen.

Und das ist das Problem. Ich bin mit Idealen in dieses Haus gekommen. Ja, machen Sie mir das ruhig zum Vorwurf, aber ich will auch weiter etwas bewegen und ich will mir diese Ideale erhalten. Und ich frage Sie: Mit welchen Ideen sind Sie in die Politik gegangen? Was wollten Sie damals bewegen? Fragen Sie sich das noch hin und wieder einmal? Fragen Sie sich das?

Denn ich sehe hier auch sehr viele, die sich einverstanden erklären mit einem Parla­ment, das kein Arbeitsparlament ist, sondern eigentlich nur abnickt, was von der Regierung kommt. Ich muss immer sehr lachen, wenn bei „60 Minuten Politik“ in ORF III dieser Satz kommt: Willkommen aus dem österreichischen Parlament, dem Machtzentrum der Republik. – Ganz offen: Das ist hier ein Ohnmachtszentrum, es ist kein lebendiges Parlament, es ist kein Arbeitsparlament. (Abg. Lopatka: Dann ist es eh besser, wenn Sie aufhören! – Vizekanzler Mitterlehner: Sie haben ein drittes Beispiel auch noch!)

Das dritte Beispiel kann ich noch nachreichen – Justizausschuss: Wir wissen, dass es in Österreich eine zutiefst menschenrechtswidrige Situation beim Maßnahmenvollzug gibt. Das wissen wir. Seit Monaten wird darüber diskutiert, wir warten hier im Parlament darauf, dass sich das Justizressort mit dem Gesundheitsressort und den Ländern endlich zu irgendeinem Ergebnis durchringt. – Wir werden nicht aktiv, nein, wir schau­en hier zu, wie eine menschenrechtswidrige Situation, wo Menschen sprichwörtlich, Herr Vizekanzler, im Maßnahmenvollzug verrotten, weiter aufrechterhalten wird.


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Ich finde, das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei den NEOS.)

Aber ich möchte mich auch sehr herzlich bei denen bedanken, die viel Kooperation gezeigt haben, viel inhaltlich mit uns gemeinsam gearbeitet haben, uns auch geholfen haben. Denn natürlich ist es, wenn man hier neu hereinkommt, keine Frage, dass wir froh und dankbar waren, wenn Mitglieder der anderen Fraktionen auf uns zugekommen sind und uns unterstützt haben und in einigen inhaltlichen Themen auch wirklich mit uns zusammengearbeitet haben. Ich glaube, jeder und jede, die oder den es betrifft, weiß es und fühlt sich jetzt auch angesprochen. Von meiner Seite wirklich ein sehr, sehr herzliches Danke.

Besonders danken möchte ich auch der Parlamentsdirektion für die immer wirklich großartige Unterstützung hier im Haus. Ich werde sehr viel hier auch vermissen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.48

 


Präsident Karlheinz Kopf: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Meinl-Reisinger! Auch ich darf mich von dieser Stelle aus sozusagen von Ihnen verabschieden, Ihnen auch danken für Ihre Mitarbeit in diesem Haus. Es ist wichtig, in diesem Haus sowohl Vertreter der Regierungsfraktionen zu haben wie natürlich auch Oppositionsparteien und aktive Abgeordnete in den Oppositionsbänken – zu denen haben Sie mit Sicher­heit gezählt.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Arbeit und alles Gute für die Zukunft! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 74 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Verfassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schieder, Dr. Lopatka, Dr. Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Hilfe vor Ort für die Kriegsflüchtlinge aus Syrien.

Wer sich dafür ausspricht, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist einstimmig be­schlossen. (E 110.)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Lugar, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einrichtung von UNO-Schutzzonen in Krisenregionen“.

Wer sich dafür ausspricht, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag wurde abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung temporärer Grenzkontrollen in allen Bundes­ländern“.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag wurde abgelehnt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 81

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „48 Stunden Aslyverfahrensdauer laut Schweizer Modell“.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist wiederum die Minderheit. Der Antrag wurde abgelehnt.

18.50.50 Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 5940/AB

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen nun zu einer kurzen Debatte über die Anfra­gebeantwortung der Abgeordneten Georg Willi, Kolleginnen und Kollegen mit der Ordnungszahl 5940/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundes­regierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minu­ten dauern.

Ich ersuche nun Herrn Abgeordneten Willi als Antragsteller, die Debatte zu eröffnen. Redezeit ist, wie gesagt, maximal 10 Minuten. – Bitte.

 


18.51.40

Abgeordneter Georg Willi (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Ich bin heute ein bisschen stolz auf dieses Parlament. Die große Mehrheit des Hauses hat heute ein Zeichen gesetzt für Menschenrechte, für Mitmenschlichkeit und dafür, dass Österreich eine Heimat großer Herzen ist. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Ich darf bekannt geben, das kleine Zeichen (auf die auf der Regierungsbank befind­liche Spendenbox verweisend), das wir heute gesetzt haben, indem Sie gespendet haben, lautet: 2 715 € sind in der Spendenbox gelandet. Eva Glawischnig wird dieses Geld, das Sie gespendet haben, dem Integrationshaus überweisen, speziell für das „Projekt Caravan“. Da geht es um Kinderflüchtlinge, die gerade jetzt in der Schulanfangsphase dieses Geld für ihre Ausbildung gut brauchen können.

Ich bedanke mich bei allen, die mitgespendet haben. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Aber das Schönste für mich war: Ich habe selten einen so schmähstaden Klubobmann Strache erlebt. Ihr Vorgehen zur Spendenbox hat ihn so irritiert, dass er völlig außer Tritt war. Das war für mich als relativ jungen Abgeordneten in diesem Haus ein schönes Erlebnis. Vielen herzlichen Dank dafür. (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Abg. Höbart: Einbildung ist auch Bildung!)

Aber Sie haben auch eines erlebt: was Lärm bedeutet. Als Abgeordneter Kickl heute geredet hat, hat er so in den Saal hineingeschrien, dass wir alle mitbekommen haben, was Lärm bedeutet und wie unangenehm Lärm ist. Und das ist die Brücke zu dem, worüber ich sprechen möchte, nämlich über Lärm, im Speziellen über Fluglärm.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich wollte Sie schon darauf aufmerksam machen, aber jetzt ist mir klar, wohin es führt.

 



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Abgeordneter Georg Willi (fortsetzend): Herr Präsident, danke für Ihre Nachsicht, aber ich habe diesen Brückenbau gebraucht, und jetzt bin ich beim Thema der An­frage: Es geht um den Fluglärm über Wien.

Dieser ist belastend, so wie die Rede von Abgeordnetem Kickl heute. Und Lärm  das hat ein mit mir befreundeter Arzt sehr gut beschrieben – ist wie eine Revier-Verletzung beim Tier. Ein Tier reagiert auf eine Revier-Verletzung mit Aggression und verteidigt dieses Revier.

Gegen Fluglärm oder Verkehrslärm können wir uns nicht wehren. Wir können nicht aggressiv gegen dieses Flugzeug auftreten, das da oben laut über unseren Köpfen fliegt, und aus der Aggression wird Depression. Menschen, die lärmbelastet sind, wer­den krank: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, hoher Blutdruck, all das sind Ausflüsse von Lärmbelastung, im Besonderen von Fluglärmbelastung.

Wien wäre ja ein Flugbeschränkungsgebiet mit der Bezeichnung L OR 15, und Sinn dieses Flugbeschränkungsgebietes ist Lärmschutz für die Stadt Wien. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Immer mehr Flugzeuge fliegen über dicht besiedeltes Gebiet den Flughafen Wien-Schwechat an. Dabei müsste das nicht sein.

Es gibt besonders lärmbelastete Gebiete wie Favoriten, wie vor allem Liesing, Hietzing und andere Stadtteile, und die Menschen regen sich darüber auf. Sie schicken uns Mails und berichten uns, wie sehr sie unter diesem Lärm leiden. Ich selbst kenne Fluglärm, ich wohne in der Einflugschneise des Flughafens Innsbruck, aber wir haben halt 44 000 Flugbewegungen pro Jahr, der Flughafen Wien-Schwechat hat 231 000, also ein Vielfaches.

Es wäre Ihre Aufgabe, Herr Minister, dafür zu sorgen, dass der Flugverkehr so lärm­schonend abgewickelt wird wie nur irgend möglich. Ich zitiere dazu den § 120a Luft-fahrtgesetz:

„Die Austro Control GmbH hat die zur sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Flugverkehrs erforderlichen An- und Abflugverfahren und Verfahren für den Streckenflug festzulegen. Es ist dabei auf die Abwehr von den der Allgemeinheit aus dem Luftverkehr drohenden Gefahren, wie insbesondere auf eine möglichst geringe Immissionsbelastung, Bedacht zu nehmen.“

Und genau das macht die Ihnen vorgelagerte Behörde, die Austro Control, nicht. Sie macht es nicht, weil sie alles tut, damit der Flugverkehr möglichst billig und einfach betrieben werden kann.

In Ihrer Anfragebeantwortung gehen Sie auf ein Verfahren ein, das wir gerne hätten, das gekurvte Anflugverfahren, Curved Approach in der Fachsprache. Und genau zu diesem gekurvten Anflug schreiben Sie, Sie können diese Frage aus heutiger Sicht nicht beantworten, das sei alles sehr schwierig.

Es gibt einen Flughafen auf der Welt, der riesengroß ist, den praktisch jeder kennt, den John F. Kennedy International Airport in New York. Da gibt es praktisch nur Curved Approach. – Es geht also! Wenn man will, geht es, meine Damen und Herren. Und das, was in New York jeden Tag tausendfach geht, werden wir wohl in Wien auch zusammenbringen! Da sind Argumente, das sei technisch schwierig und die Fluglinien seien dafür noch nicht ausgerüstet, faule Ausreden, Herr Minister.

Ich erwarte mir von Ihnen, dass das Versprechen des früheren Chefs der Austro Control eingelöst wird. Dieser hat für 2007, also für vor acht Jahren bereits, versprochen, dass es diesen Curved Approach für Wien geben soll und geben wird. Dabei geht es darum, dass Wien umflogen wird, möglichst wenige Menschen vom Fluglärm betroffen sind und dann das Flugzeug in einer Kurve den Flughafen anfliegt.


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Das geht – und das verlangen wir von Ihnen.

Ein Zweites: Es ist geplant, eine dritte Piste in Wien-Schwechat zu bauen. Für diese dritte Piste gibt es keinen Bedarf – das habe ich schon gestern gesagt –, denn die Flugbewegungen sind leicht rückläufig und es gibt auch immer weniger Transferpassa­giere.

Dieser Traum vom großen Flugdrehkreuz Wien ist bereits ausgeträumt. Und es ist Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass keine öffentlichen Gelder – die Beteiligung am Flug­hafen ist ja bekannt: Stadt Wien, Land Niederösterreich – ausgegeben werden, wenn ein Projekt nicht im öffentlichen Interesse ist. Und das ist es nicht, weil der Bedarf nicht vorhanden ist.

Außerdem ist die dritte Piste als Parallelpiste zur ersten Piste keine Entlastung, son­dern sie blockiert sogar das Anfliegen auf die zweite Piste, die nämlich mehr Anflugverfahren aus verschiedenen Himmelsrichtungen zulassen würde.

Das heißt, Herr Minister, Ihre Aufgabe ist es, erstens die Austro Control anzuweisen, dass sie endlich § 120a Luftfahrtgesetz beherzigt und den Fluglinien Anflugverfahren vorschreibt, die möglichst wenige Menschen mit Lärm betreffen. Der zweite Punkt ist, dass Sie sich dafür einsetzen, dass diese dritte Piste nicht kommt, denn sie würde Liesing und Hietzing noch mehr belasten, als das heute ohnehin schon der Fall ist.

Meine Damen und Herren, wir Grüne stehen ganz klar für folgende Punkte: Keine dritte Piste am Flughafen Wien-Schwechat, eine absolute Deckelung der Flugbewegungen am Flughafen Wien-Schwechat, und wir wollen das Nachtflugverbot über Wien. Denn dieses ist derzeit ganz löchrig, da gibt es so viele Ausnahmen, und dass zu viel Flugverkehr auch nachts stattfindet, dokumentieren auch die vielen Mails, die wir von betroffenen AnrainerInnen bekommen.

Wir wollen, dass die Abflugroute Liesing und Hietzing einfach gestrichen wird, dass diese dicht besiedelten Räume nicht überflogen werden. Es muss gelten: Möglichst geringe Belastung der Wiener Bevölkerung durch den Flughafen Wien-Schwechat. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister, Sie haben also wichtige Aufgaben vor sich. So belastend, wie die Rede von Abgeordnetem Kickl in ihrer Lautstärke heute war, so belastend ist der Flugverkehr für ganz viele, für Zehntausende Wienerinnen und Wiener. Sie, Herr Minister, haben die Aufgabe, da Abhilfe zu schaffen und den Menschen ruhige Nächte und ruhige Tage zu bescheren. (Beifall bei den Grünen.)

19.00


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.00.54

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Alois Stöger, diplômé|: Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist mir ein Anliegen, hier auch deutlich zu machen, dass die Austro Control natürlich den § 120 des Luftfahrtgesetzes ganz genau einhält, nämlich einen sicheren, geordneten und flüssigen Flugverkehr zu gewährleisten. Wir haben beim Flugverkehr natürlich auch einen Zielkonflikt. Es ist für Österreich ganz wichtig, einen Flughafen zu haben, mit dem wir international angebunden sind, und es ist wichtig, wie wir mit Emissionen, wie wir mit Lärm umgehen und wie wir insgesamt hier zu einem vernünftigen Umgang einerseits mit dem Wunsch nach Mobilität und andererseits mit Umweltbelastungen kommen.

Wie macht das die Austro Control? – Die Austro Control hat ein Dialogforum einge­richtet, in dem sich Vertreter der Bevölkerung aus 130 Gemeinden darum bemühen,


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einen vernünftigen Ausgleich zu finden. Und ich kann Ihnen sagen, dass es hier sehr aktive Diskussionen gibt und auch immer wieder gemeinsam mit der Bevölkerung in Österreich ein Ergebnis, ein Kompromiss gefunden wird. Und einer der Kompromisse ist, dass Flugbewegungen über der Stadt Wien vom gesamten Flugaufkommen am Wiener Flughafen nur 10 Prozent bis 12 Prozent der Flüge insgesamt ausmachen. Wir haben auch sichergestellt, dass gerade in dem Bereich – und das ist unter der Ein­bindung der betroffenen Bevölkerung im Dialogforum erarbeitet worden –, dass gerade diese Piste, die hier betroffen ist, mit einem Nachtflugverbot belegt worden ist und daher die Bevölkerung insgesamt auch geschützt wird.

Zu Ihrer Anfrage: Ich kann nur sagen, was ich auch in der Anfragebeantwortung so genannt habe. Ich kann aus heutiger Sicht nicht beantworten, wann wir das gekurvte Anflugverfahren als Standardverfahren machen, denn das ist die Entscheidung der  ICAO, da sie das als Standardverfahren festlegen müsste. Am Flughafen John F. Ken­nedy ist es ein Sichtflug, daher ist es auch anders vorgesehen. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Zur dritten Frage – die sich zwar nicht auf die Anfragebeantwortung bezieht –, wie man mit der dritten Piste am Flughafen Wien umgeht. Ich sage dazu: Experten sagen, dass ab 2020 ein Bedarf für eine mögliche dritte Piste besteht. Das sagen Expertinnen und Experten dazu. Diese dritte Piste würde, wenn man sie baut, den Bereich Liesing eigentlich entlasten. Ich sage Ihnen aber dazu: Sie wissen, dass das Behörden­ver­fahren, das zur Umweltverträglichkeitsprüfung abgewickelt wurde, beim Bundesver­waltungsgericht anhängig ist, und daher kann und will ich auch als Bundesminister zu einem anhängigen Verfahren öffentlich nicht Stellung nehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Heinzl zu Wort. – Bitte.

 


19.04.42

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Unbestritten ist, dass der Flughafen Wien-Schwechat neben einer gut ausgebauten Bahn- und Straßeninfrastruktur auch ein wesentliches Element des Wirtschaftsstandortes Österreich ist. Ohne die wirklich leistungsstarken Direktverbindungen zu den Metropolen dieser Welt, wie New York, Peking, Moskau und so weiter, wäre Österreich als Wirtschaftsstandort sicherlich uninteressant.

Der Flughafen Wien-Schwechat ist aber auch einer der wichtigsten Arbeitgeber – und das wird sehr oft vergessen – in ganz Österreich. 20 000 Menschen sind direkt auf dem Flughafengelände beschäftigt, und weitere 100 000 Arbeitsplätze sind direkt oder auch indirekt vom Flughafen abhängig. Und zum Beispiel UNO, OPEC, OSZE, Inter­nationale Atomenergieorganisation und so weiter hätten sich ohne Flughafen sicherlich auch nicht in Österreich beziehungsweise in Wien angesiedelt. Nicht unerwähnt lassen möchte ich in diesem Zusammenhang auch, dass viele Tausende Familien jedes Jahr ihren wohlverdienten Urlaub mit dem Abflug vom Flughafen Schwechat beginnen.

Sehr geehrte Damen und Herren, 22,5 Millionen Passagiere hatte der Flughafen Wien-Schwechat im Vorjahr, und die Tendenz ist erfreulicherweise steigend. Diese ein­drucks­vollen Argumente ließen sich noch fortsetzen. Aber ich denke, die Kernaussage ist klar: Ganz Österreich – und wahrlich ganz Österreich – profitiert enorm vom Flug­hafen Schwechat.


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Natürlich gilt es auf der anderen Seite aber auch, die Interessen der Anrainerinnen und Anrainer in den Einflugschneisen des Flughafens zu schützen. Niemand kann be­streiten, dass ein Flugzeug im Landeanflug eine gewisse Lärmquelle ist. Und die Sorgen und Ängste der Bevölkerung, die entlang dieser Anflug- und Abflugrouten wohnt, sind äußerst ernst zu nehmen. Gleichzeitig, sehr geehrte Damen und Herren, Hohes Haus, muss aber auch betont werden, dass Österreich hier bereits die höchsten Umweltstandards einhält. Die Rechte der Menschen und der Umweltschutz sind in Österreich ein hohes Gut. Nur als Beispiel: Ein vergleichbares Instrument zu unserem Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren gibt es international noch kaum.

Und jetzt konkret zum Thema Curved Approach, also zu diesem gekurvten Anflug: Das Thema ist sicherlich aktuell und wahrscheinlich auch zukunftsfähig. Aber leider – und der Herr Bundesminister hat es schon angesprochen, und er hat hier einfach die Wahrheit gesagt – ist es derzeit aus Gründen der Flugsicherheit nicht generell umsetz­bar. Dieser gekurvte Anflug ist für die verschiedensten Flugzeuge technisch einfach unmöglich, und außerdem – wie mir gesagt wurde – beherrschen ihn nicht alle Piloten. Ob sich diese Technik in der Zukunft durchsetzen wird? Ich hoffe es! Es bleibt aber eher noch abzuwarten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Konkret für Wien werden der gekurvte Anflug und die Auswirkungen auf die Lärmentwicklung im Moment auf der soge­nannten Piste 16 getestet. Die dabei gesammelten Erfahrungen werden im Rahmen des Dialogforums Flughafen Wien diskutiert werden.

Der Flughafen Wien ist generell – genauso wie alle anderen Flughäfen in Österreich – beim Thema Lärmreduzierung und bei sämtlichen Fragen zum Thema Einbindung der Anrainer wirklich internationales Vorbild. Das ist beleg- und beweisbar. Und alle Maßnahmen, die technisch und vor allem von der Flugsicherheit her möglich sind, werden auch umgesetzt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ottenschläger zu Wort. – Bitte.

 


19.08.58

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Auch ich bekenne mich – danke den beiden Vorrednern, dem Herrn Bundesminister und dem Kollegen Heinzl, sie haben das eigentlich schon sehr detailliert ausgeführt – zum Luftfahrtstandort Österreich, insbesondere natürlich auch zu unserem wichtigen Flug­hafen Wien-Schwechat. Auch ich bekenne mich dazu, dass es natürlich sinnvolle Kom­promisse in Sachen Fluglärm geben muss.

Um es bei dieser Kurzdebatte aber kurz zu machen: Was ich nicht verstehe, lieber Kollege Willi, und diesen Vorwurf muss ich dir leider machen, ist, dass du hier einen Wahlkampfgag betreibst. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Hagen.)

Aus einem ganz einfachen Grund: Dieses Thema jetzt mitten im Wahlkampf herzu­nehmen, ist natürlich recht und billig. Aber ihr seid seit fünf Jahren in Wien in Regie­rungsverantwortung und stellt die Verkehrsstadträtin. (Zwischenruf der Abg. Tamandl.)

Und es gibt nicht zuletzt von Ende Juni 2015 einen Oppositionsantrag im Wiener Ge­meinderat, der da unter anderem lautet:  Der Gemeinderat spricht sich für die rasche Erprobung und Einführung des gekurvten Anflugs am Flughafen Schwechat für das gesamte Stadtgebiet aus. – Das steht in diesem Antrag, und die Grünen lehnen ihn ab!

Das finde ich dann nicht redlich, dass man hierher ins Parlament kommt und sagt, der Herr Minister soll es lösen (Beifall bei der ÖVP), wenn die eigene Verkehrsstadträtin


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seit fünf Jahren keinen Beitrag dazu geleistet hat. Schaut nach: Es gibt keine Anträge! Es gibt nur abgelehnte Anträge der Opposition. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Tamandl: Gut gemacht! – Ruf bei der ÖVP – in Richtung des Abg. Willi –: Blender!)

19.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek gelangt zu Wort. – Bitte.

 


19.11.01

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Anlässlich dieser Anfrage und der Beantwortung habe ich mich ein bisschen in Literatur eingelesen und habe dabei einen Satz entdeckt, den im Jahr 2008 der Geschäftsführer der  ACG, Sommerbauer, sagte:

 „Die Entwicklungen auf dem Gebiet des sogenannten Curved Approach sind sogar erfolgreicher, als ursprünglich anzunehmen war.“

Sommerbauer kündigt an, dass das demnächst alles einfache Sache und umgesetzt ist.

Ganz so ist es nicht. Dem Kollegen Willi muss ich leider auch sagen, wenn es wirklich nur um die Liesinger und Meidlinger Bürger gegangen wäre, hätte es in der Stadt Wien genügend Möglichkeiten gegeben, das, was Sie jetzt von dieser Stelle im Parlament fordern, auch umzusetzen, denn das wäre eine innerstädtische Angelegenheit gewe­sen. Aber im ganzen Kapitel Curved Approach und Luftfahrt sind dann doch einige Punkte, bei denen man sagt, die sollte man sich genauer anschauen.

Das Erste ist einmal: In dem sogenannten Strategiepapier Road Map Luftfahrt findet sich das Ganze nicht. Es hat zwar die Austro Control dort mitgearbeitet, aber es waren nicht die Geschäftsführer.

Das Zweite, was mir aufgefallen ist: Der sogenannte Curved Approach ist ein stark limitiertes Verfahren. Es kommt in ganz Europa in Stockholm und vielleicht auf irgend­welchen anderen, kleineren Flughäfen vor, aber das war es im Großen und Ganzen.

Es gibt, soweit ich gelesen habe und mir Piloten bestätigt haben, keinen Zwang, dieses Anflugverfahren fliegen zu müssen. Wenn der Pilot ein höherwertiges oder sichereres Verfahren hat, dann kann er das auch nehmen, und es wird ihn niemand von der Kontrollstelle aus dazu zwingen können. Die Beschreibung ist heute schon einmal genannt worden: Instrument landing system Kategorie 1, Schönwetter­verfah­ren. – Na ja, so oft wird es nicht schön sein in Wien, hie und da wird es ein bisschen Wolken, Nebel oder sonst was geben. Dann frage ich mich: Warum macht man das Ganze überhaupt?

Dieser Curved Approach ist nicht Mäandern, sondern es ist ein Anflugverfahren in einer großen Kurve. So weit wäre es relativ einfach. Warum macht man dann diese ganzen Kunstgriffe? – Ganz einfach, man möchte den Nebel, und zwar jetzt nicht den klimatischen, sondern den thematischen Nebel, drüberhalten. Das heißt – was mir Piloten bestätigt haben –, das ist ein bisschen eine politische Propaganda. Diesem Wording möchte ich mich nicht zu 100 Prozent anschließen, aber es klingt schlüssig. Es ist praktisch nicht existent, und wenn man es schon für Wien fordert, dann müsste es vor allem auch noch für Salzburg gelten. Dem kann ich mich eigentlich anschließen. In Summe komme ich dahin, dass ich sage, ich habe zwei große Bitten an Sie, Herr Bundesminister.

Das Erste ist einmal: Bitte bereinigen Sie die seit 2006 – teilweise schon davor – bestehende Baustelle Luft, die sich von der Sektionsleitung bis in die ausgelagerte Gesellschaft erstreckt. Diese Baustelle – da können Sie die Mitarbeiter der ausge-


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gliederten Gesellschaft fragen, da können Sie Beamte fragen oder von mir aus, um nicht einen Freiheitlichen fragen zu müssen, den ehemaligen Chef der Obersten Zivilluftbehörde – gehört rasch, aber sicher bereinigt. Dann bereinigen Sie auch alle anderen Folgebaustellen.

Das Zweite wäre: Bitte, Ehrlichkeit – Ehrlichkeit mit dem Flughafen, Ehrlichkeit mit den Linienfluggesellschaften und Ehrlichkeit natürlich auch mit den Einwohnern der betroffenen Gebiete von Wien und Niederösterreich. Jetzt haben wir ein Dialogforum, wir haben oder hatten eine UVP und so weiter, und dann gibt es noch immer Dinge, die man im Nebel halten will, weil man sich politisch nicht traut. Bitte, Herr Bundesminister, ein klares Wort, Ehrlichkeit, dann ist das Ganze machbar. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Brunner. – Bitte.

 


19.15.37

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher – so Sie noch dabei sind! Ich glaube, wir stehen vor vielen, vielen großen Herausforderungen in unserem Jahrhundert. Eine sehr große haben wir in den letzten Tagen diskutiert, da sind erste konstruktive Ansätze und Handlungsbereitschaft zu erkennen.

Eine weitere sehr, sehr große Herausforderung ist der Erhalt unseres Planeten und unser aller Lebensgrundlagen, und ich denke, da wird es höchste Zeit, dass wir uns dieser Herausforderung stellen und sie konstruktiv angehen.

Der Flugverkehr spielt dabei eine wesentliche Rolle, und die zwei Hauptprobleme beim Flugverkehr sind der Lärm, die Lärmbelastung für die Anrainerinnen und Anrainer und die Auswirkungen auf das Klima.

Ich möchte zuerst auf den Lärm eingehen, mein Kollege Georg Willi hat das ja zum Teil schon erörtert. Lärm ist sicher eines der größten Umwelt-, aber auch eines der größten Gesundheitsprobleme, das wir in der Europäischen Union haben. Lärmbelastung kann vielfältige Krankheiten auslösen. Die Frage, die wir uns als politische Vertretung hier stellen müssen, ist: Auf welcher Seite stehen wir? Stehen wir auf der Seite von mächtigen Lobbys oder auf der Seite der Umwelt und vieler, vieler Anrainerinnen und Anrainer? (Abg. Heinzl: Oder auf der Seite des Wirtschaftsstandorts Österreich!) Der Wirtschaftsstandort Österreich kann auch ein Interesse von AnrainerInnen oder der Bevölkerung sein, aber es ist eine eindeutige Weichenstellung, die Sie treffen wollen. (Ruf bei der ÖVP: Das ist nicht entweder oder! – Abg. Heinzl: Bauen Sie eine Luft-U-Bahn!)

Ja, Herr Kollege, man kann natürlich alles polemisieren, wenn man möchte. Die An­rainerinnen und Anrainer werden das vielleicht anders sehen, vielleicht insbesondere die Bevölkerung in Wien-Favoriten. In Wien-Favoriten gibt es 18 000 Mal im Jahr Lärmbelästigung, die über das zulässige Maß von 75 Dezibel hinausgeht – über 40 Dezibel spricht man von massiven Gesundheitsbelastungen und erhöhtem Krank­heits­risiko. Und wenn Sie es mir nicht glauben, probieren Sie es einmal aus, schalten Sie einen Staubsauger ein, halten Sie sich den einen halben Meter vom Ohr entfernt hin, und schauen wir, wie lange Sie es aushalten, ab wann Sie aggressiv werden, ab wann Sie krank werden. Sie können das gerne ausprobieren. (Abg. Heinzl: Oder fahren Sie mit dem Fiaker! Mit der Droschke!) Aber Sie haben für sich die Frage beantwortet, auf welcher Seite Sie stehen. Wir Grüne haben das auch ganz klar


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beantwortet. Wir stehen auf der Seite der Anrainerinnen und Anrainer. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: In Wien haben Sie fünf Jahre lang nichts gemacht!)

Wir haben hier im Umweltausschuss, wenn wir zu den Zuständigkeiten kommen, eine Bürgerinitiative behandelt (Ruf bei der ÖVP: In der Mariahilfer Straße!), wir haben einen Antrag der Grünen behandelt, weil es in Österreich kein subjektives Recht auf Lärmschutz gibt. Das wurde von allen anderen Parteien hier im Parlament abgelehnt.

Noch dazu haben wir das Problem, dass sowohl das Umweltverträglichkeitsprüfungs­gesetz als auch das Lärmschutzgesetz gleichheitswidrig sind. Es ist zum Beispiel vorgesehen, dass Maßnahmen zum Lärmschutz immer nur bei den AnrainerInnen zu treffen sind, aber nie bei den Emittenten, bei den Verursachern des Lärms.

Das ist zum Beispiel, wenn Sie den Wirtschaftsstandort ansprechen, gleichheitswidrig gegenüber Betrieben, denn Betriebe müssen sehr wohl Maßnahmen setzen, um die Lärmemissionen zu reduzieren. Beim Flugverkehr ist das nicht der Fall, der ist privilegiert. Und ich schaue mir an, wenn das zuträglich sein sollte, dass ein Lärm­schutzfenster eingebaut wird! Dann haben Sie keine gesundheitlichen Auswirkungen, Sie können nur leider nicht mehr das Fenster aufmachen.

Also hier haben wir massiven Handlungsbedarf, hier im Parlament als Gesetzgeber, um das festzustellen, aber auch Sie, Herr Minister, denn Ihr Ministerium hat auch so etwas wie Lärmschutzaktionspläne und so weiter immer wieder verzögert.

Ich möchte nun auf den zweiten wichtigen Punkt zu sprechen kommen, das ist der Klimaschutz. Der Klimawandel und der Umgang mit dem Klimawandel – ich habe es eingangs schon gesagt – ist sicher eine der größten Herausforderungen, vor der wir stehen. Er hat im Übrigen auch einen Zusammenhang mit der aktuellen Themenlage. Und auch hier stellt sich wieder die Frage: Auf welcher Seite steht die politische Vertretung?

Wenn man sich jetzt anschaut, wer steuerlich wie belastet wird, oder was an Klima­schutzaspekten in unserem Steuersystem vorkommt, dann findet man hier keine Anreize für Klimaschutz und keine Besteuerung für große Verschmutzer, aber man findet Privilegien für den Flugverkehr!

In Zeiten wie diesen steuerliche Begünstigungen beim Treibstoff und bei den Tickets sowie Grundsteuerbefreiungen nicht anzugreifen, ist fahrlässig und hilft uns beim Thema Klimaschutz ganz sicher nicht weiter – im Gegenteil! (Ruf bei der ÖVP: Sperren wir den Flughafen zu!) Verantwortungsvolle Politik handelt und sorgt auch da für Steuergerechtigkeit.

Wir stehen knapp zwei Monate vor Beginn der nächsten Weltklimakonferenz, die findet Ende des Jahres in Paris statt. Dort müssen wichtige Weichenstellungen getroffen werden – dort muss Österreich auch in Vorlage treten. Den Flugverkehr anzupacken, wäre eine Variante, und es gibt noch viele mehr, unter anderem die Klimafinanzierung. Aber Österreich zählt da leider bisher nicht zu den Vorreitern.

Ich mache uns alle darauf aufmerksam (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen), dass es auch unser aller Verantwortung ist, ob die Weltklimakonferenz in Paris zu einem Erfolg kommt oder nicht, und dass in den nächsten zwei Monaten diesbezüg­liche Handlungen gefragt sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Pock zu Wort. – Bitte.

 



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19.21.13

Abgeordneter Michael Pock (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Die Frage bei dieser Debatte ist für mich sehr stark: Warum findet diese Debatte heute statt?

Darauf gibt es in Wirklichkeit nur eine Antwort: Das ist nicht die Umweltliebe der Grünen, sondern die Landtagswahl in Wien, die vor der Tür steht. Es gibt keinen anderen Grund für diese Debatte. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Brosz: Wie war das gestern?) – Wenn wir uns anschauen, um welche Debatte es geht (Zwischenrufe der Abgeordneten Brunner und Hafenecker): Gestern gab es den verunfallten Versuch, durch einen Entschließungsantrag – wo es eigentlich um die ÖBB ging – die dritte Piste hineinzunehmen, und heute gibt es die Anfragebeantwortung.

Warum? – Weil viele Menschen im Süden von Wien zu Recht mit der Lärmbelastung unzufrieden sind. Aber da kann man sich dann schon genauer die politische Kom­ponente anschauen, die auch die Grünen spielen. (Abg. Brosz: Und die kurze Debatte gestern, die Fristsetzung …?) – Kollege Ottenschläger hat schon den Wiener Landtag, also den Gemeinderat, erwähnt, wo die Grünen gegen die Interessen stimmen, die Sie hier heute im Nationalrat vertreten.

Noch spannender ist der Gemeinderat in Schwechat, wo die Grünen einen Streit hervorgerufen haben, weil sie die 3,6 Millionen €, die vom Umweltfonds budgetiert waren, nicht im Jahr 2015 bekommen haben, weil die dritte Piste noch nicht gebaut wird.

Es ist also die grüne Fraktion, die auf Gemeindeebene und auf Landesebene teilweise Druck für die dritte Piste macht. (Abg. Brosz: Für die dritte Piste in Schwechat?!) – Und das wissen Sie ganz genau. (Abg. Brunner: Lächerlich!)

Natürlich hat die Sozialdemokratie eine Verantwortung, der sie nicht gerecht wird, und zwar aus einem einfachen Grund, sowohl aufseiten des Verkehrsministeriums – da meine ich mehr Ihre Vorgängerin als Sie, Herr Bundesminister – als auch in der Stadt mit Bürgermeister Häupl: Die Menschen sind nicht wirklich ins Boot geholt worden. All die Konflikte, die in den letzten zehn Jahren entstanden sind, sind entstanden, weil die Menschen nicht proaktiv informiert und nicht eingebunden worden sind, weil ja auch das Dialogforum eine eher geschlossene Veranstaltung ist.

Wenn wir zum Inhalt kommen – das ist ja der Hauptgrund der heutigen Debatte: Ja oder Nein zur dritten Piste. So leicht, wie es sich die Grünen machen, lässt sich diese Frage nämlich nicht beantworten. Und Sie – das muss man hier auch ganz klar sagen – betreiben mit der Umweltpolitik das, was die Freiheitlichen mit der Asylpolitik machen: Sie machen genau in diesem Punkt nichts anderes als reinen Populismus! (Beifall bei NEOS, ÖVP und Team Stronach. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Zur wirtschaftlichen Komponente: Sie haben ein Argument, nämlich das der Pro­gnosen. Die Prognosen sprechen nicht dafür, dass man heute tatsächlich diese dritte Piste bauen sollte. (Zwischenruf des Abg. Willi.) Es ist anscheinend auch so, dass das Flughafen-Management nicht endlos davon begeistert ist, diese dritte Piste zu bauen. Die Airlines, die heute dort schon sind, sind es ebenfalls nicht. Ein wesentliches Argument ist zudem, dass die Konstruktion der dritten Piste dazu führt, dass die zweite Piste teilweise stillgelegt werden würde, womit die dritte Piste nicht jene Kapazitäts­erweiterung bewirken würde, die man eigentlich vorgesehen hat.

Die dritte Piste macht in dem aktuellen Szenario anscheinend keinen Sinn. Die Frage ist – das würde ich Sie jetzt auch fragen –, warum sich der österreichische Nationalrat


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 90

mit einem Thema beschäftigt, das natürlich auch überregionale Bedeutung hat, aber in vielen Bereichen tatsächlich ein Landesthema ist. (Zwischenruf der Abg. Brunner. – Abg. Brosz: Wo ist denn die Kompetenz dafür? Ist das Landes- oder Bundeskompe­tenz?)

Der wesentliche Punkt ist, dass es sich um kein privates Unternehmen handelt, son­dern dass – weil das Land Niederösterreich und die Stadt Wien mit jeweils 20 Prozent beteiligt sind – Steuergeld in die Hand genommen wird. Die Kosten werden auf zwischen 1 und 3 Milliarden € geschätzt. Wir wissen noch von Skylink und vielen anderen Projekten – man kann auch auf den Flughafen in Berlin schauen –, dass dieses Steuergeld oft nicht optimal eingesetzt wird.

Daher wünschen wir NEOS uns eine klare Alternativen-Prüfung. Auf der einen Seite geht es tatsächlich darum, was mit dem Steuergeld passiert und wann der Return of Invest ist. Auf der anderen Seite gibt es einen Versuch, der schon vor Längerem gescheitert ist, nämlich jenen der Doppelkopfstrategie Wien/Bratislava. Dort gibt es einen Flughafen, der noch ausreichend Kapazitäten hätte – womit eine dritte Piste in Wien nicht notwendig wäre.

Das wäre tatsächlich eine politische Debatte, wenn Sie sich herausstellen und sagen: Ja, wir werden es nicht verhindern können, dass in Zukunft mehr Flugzeuge kommen als bisher, weil der Flugverkehr im Trend wachsend ist. (Zwischenruf der Abg. Tamandl.) Wir können es nicht verbieten und wir brauchen es für den Wirtschafts­standort Österreich. Aber wir wünschen uns, dass Alternativen geprüft werden. Bei diesen Distanzen können Sie auch nicht auf den Zug oder das Auto umsteigen – das kriegen wir nicht hin.

Ich würde sagen: erstens Prüfung, ob es eine bessere Kooperation mit Bratislava gäbe, zweitens Prüfung, ob es alternative Pisten gäbe, die die Anrainer weniger als der bestehende Vorschlag belasten würden, und drittens muss man auch das Alter der Flotten noch berücksichtigen. Die neueren Flugzeuge sind leiser – das ist unbestritten – und werden auch immer größer. Das heißt, in Summe sollte über die Jahre die Belastung deutlich zurückgehen.

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass die Grünen in Zukunft tatsächlich Debatten vom Zaun brechen, die nicht auf reinem Populismus basieren. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Hagen zu Wort. – Bitte.

 


19.26.26

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich mache es kurz.

Ich habe mir die Anfragebesprechung und dann die Anfrage angeschaut. Ich habe mir dann gedacht: Okay, da kann man diskutieren, das ist ein Thema. Fluglärm ist immer ein Thema, das wissen wir. Natürlich gibt es Menschen, die sehr stark darunter leiden, aber es gibt auch Menschen, die unter dem Lärm der U6 leiden. Wenn man oben am Gürtel in der Nähe wohnt und in der Nacht das Fenster geöffnet hat, ist das in etwa gleich laut – ich kenne die Problematik.

Ich habe mir die Beantwortung angeschaut und habe danach mit meinem Mitarbeiter darüber gesprochen. Ich habe ihn gefragt, ob er da irgendetwas Unseriöses in der Beantwortung sieht. Herr Minister, ich fand, dass die Beantwortung okay ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll93. Sitzung / Seite 91

Deshalb habe ich mir dann gedacht, ich höre mir einmal die Argumentation des Beantragenden, des Kollegen Willi von den Grünen, an. Da habe ich mir gedacht, okay – und dann war mir alles klar. Ich habe es schon vermutet gehabt, und wie es auch die Vorredner teilweise schon gesagt haben: Es ist Wahlkampf in Wien – eine klare Wahlkampfrede. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich glaube, dass man das intern ausdiskutieren kann. Kollege Ottenschläger hat hier eigentlich alles deutlich gesagt, ich kann das nur wiederholen – ich will es gar nicht wiederholen, ich kann es zu 100 Prozent bestätigen. Deswegen, glaube ich, gehört der Wahlkampf nicht hier herein. Wir haben das gestern schon gehabt – da haben wir ein Déjà-vu.

Daher mache ich es kurz: Ich bin mit der Beantwortung zufrieden. Fluglärm ist ein Thema und das können wir diskutieren, aber die Grünen spielen da ein doppeltes Spiel und machen Wahlkampf auf Kosten der Steuerzahler. – Danke. (Beifall beim Team Stronach sowie der Abg. Lintl.)

19.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

19.28.10Einlauf

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1348/A(E) bis 1350/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 6581/J bis 6630/J eingelangt.

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Die nächste Sitzung des Nationalrates ist für Mittwoch, den 14. Oktober 2015, 9 Uhr, in Aussicht genommen und wird auf schriftlichem Wege einberufen werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

19.28.39Schluss der Sitzung: 19.29 Uhr

 

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