Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll140. Sitzung / Seite 39

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Präsident Karlheinz Kopf: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Köchl. – Bitte.

 


14.42.54

Abgeordneter Matthias Köchl (Grüne): Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kollegen! Bei der Atomkraft haben wir immerhin das geschafft, was wir beim Klimaschutz vorher nicht zustande gebracht haben, nämlich einen Sechs-Parteien-Antrag, genau genom­men sogar drei Anträge, die von allen Fraktionen hier im Haus mitgetragen werden. Es wäre eigentlich schön, wenn wir beim Klimaschutz auch soweit kommen würden. (Zwi­schenruf des Abg. Lugar.)

Klimaschutz ist aktuell ja leider auch oft ein Vorwand für den Ausbau der Atomkraft. Da wird auf EU-Ebene immer wieder argumentiert, man möge sich, was die Gasversor­gung betrifft, weniger abhängig von Russland machen, und CO2 wird als Argument he­rangezogen.

Wir teilen das Argument überhaupt nicht. Atomkraft ist keine Maßnahme für den Kli­maschutz, das ist eigentlich unter den Wissenschaftlern unbestritten, und wir haben trotzdem diese Diskussion. Wir haben aktuell 14 EU-Staaten mit 131 Atomkraftwerken. Das ist nicht wenig. Und wir haben eine massive Debatte, weil die Atomindustrie – und ich sage bewusst: die Atomindustrie – eigentlich in den letzten Atemzügen liegt. Das ist eine sehr kapitalintensive Industrie. Das hat eigentlich relativ wenig mit Demokratie zu tun. Das hat nicht einmal etwas mit Marktwirtschaft zu tun, was man erkennt, wenn man sich dann die Preise anschaut.

Die Atomindustrie, wie sie sich derzeit darstellt, ist extrem menschenverachtend. Sie brauchen nur zu schauen: Wer räumt in Japan auf? Wer räumt in Frankreich auf? Wer putzt in den Atomkraftwerken? – Das ist annähernd ein Sklavenmarkt. Das sind mafia­ähnliche Strukturen, da ansonsten nicht einmal mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ge­funden werden, um die Reinigungstätigkeiten vorzunehmen.

Und wenn man sich umschaut, wer noch Atomkraftwerke plant, dann kommt man rela­tiv schnell nach Weißrussland – mit russischer Hilfe. Na ja, das ist nicht gerade eine besonders ausgeprägte Demokratie. Man kommt nach Ungarn, wo noch ein großes Projekt – wieder mit russischer Hilfe – zur Diskussion steht, außerhalb jeder Transpa­renz und aus unserer Sicht auch nicht EU-konform. Oder man kann sogar nach Japan schauen, wo der ehemalige Premierminister Naoto Kan aufgezeigt hat, dass vor vier Jahren 100 Abgeordnete im Parlament in Japan von Tepco bestochen waren. Das ist keine Behauptung, sondern das ist mittlerweile nachgewiesen – 100 bestochene Abge­ordnete. Das sorgt natürlich für eine etwas atomfreundlichere Stimmung in Japan, das ist einfach so.

Wenn man in Ländern wie Weißrussland, wo nachgewiesenermaßen 235 Milliarden US-Dollar Schaden – nur in Weißrussland – aufgrund der Tschernobyl-Katastrophe ent­standen sind, weitere AKWs plant, dann hat das mit Vernunft oder mit irgendetwas, was Wissenschaft betrifft, eigentlich nichts mehr zu tun.

Sie wissen wahrscheinlich auch, dass die ursprünglichen Restrisikoeinschätzungen we­sentlich optimistischer waren. Die Versicherungsindustrie ist ursprünglich davon ausge­gangen, alle 10 000 Jahre kommt es zu einem Unfall. Die Realität hat uns da schon sehr, sehr schnell überholt.

Die gute Nachricht ist in diesem Fall wahrscheinlich die Marktwirtschaft. Wenn man aktuell schaut: Wenn in Deutschland Fotovoltaik-Stromlieferungen ausgeschrieben wer­den, liegt der Preis für Fotovoltaik-Kilowattstunden bereits bei in etwa 6,9 Cent ange­langt, und in Großbritannien wird über 11,5 Cent, also annähernd das Doppelte, disku­tiert, um Hinkley Point noch ausbauen zu können.

 


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