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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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173. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 30. März 2017

 

 


Stenographisches Protokoll

173. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode              Donnerstag, 30. März 2017

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 30. März 2017: 9.06 – 23.29 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Erwachsenenvertretungsrecht und das Kura­torenrecht im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch geregelt werden und das Ehegesetz, das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz, das Namensänderungsgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Außerstreitgesetz, die Zivilprozessordnung, die Jurisdiktionsnorm, das Rechtspflegergesetz, das Vereins­sachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetz, das Unterbringungs­gesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung, das Gerichtsgebührengesetz und das Gerichtliche Einbringungsgesetz geändert wer­den (2. Erwachsenenschutz-Gesetz – 2. ErwSchG)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005, das Wettbewerbsgesetz und das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbe­werbsbedin­gungen geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2017 – KaWeRÄG 2017)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Firmenbuchgesetz, das EU-Verschmelzungs­gesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (BRIS-Umsetzungsgesetz – BRIS-UmsG)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird

5. Punkt: Bericht über den Antrag 2019/A(E) der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend die flächendeckende Umsetzung der Pflichtkurse in Justizgeschichte für angehende RichterInnen und StaatsanwältInnen

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Pauschalreisen und verbun­dene Reiseleistungen (Pauschalreisegesetz – PRG) erlassen wird sowie das Konsu­mentenschutzgesetz, das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz und das Verbraucher­behörden-Kooperationsgesetz geändert werden

7. Punkt: Zweites Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen

8. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über die Annahme der Beitritte Albaniens, Andorras, Armeniens, Marokkos, der Russischen Föderation, der Seychellen, Singa­purs zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesent­führung


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9. Punkt: Erklärung der Republik Österreich über die Annahme der Beitritte Kasach­stans, Perus und der Republik Korea zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung

10. Punkt: Bericht über den Antrag 2017/A der Abgeordneten Mag. Elisabeth Gross­mann, Brigitte Jank, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Prüfungstaxengesetz geändert werden

11. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über Gleichwertigkeiten im Bereich der Reifezeugnisse und des Hochschulwesens

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird

13. Punkt: Bericht über den Antrag 1115/A(E) der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 2. Tierhalteverordnung, Kastration von Katzen

14. Punkt: Bericht über den Antrag 2002/A(E) der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme der Wachtelhaltung in die 1. Tierhal­tungsverordnung“

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher­schutzgesetz geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitsberuferegister-Gesetz, das Ge­sund­heits- und Krankenpflegegesetz und das MTD-Gesetz geändert werden (GBRG-Novelle 2017)

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird

18. Punkt: Bericht über den Antrag 2033/A der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

19. Punkt: Bericht über den Antrag 2008/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung des Gesundheitswesens aus einem Topf

20. Punkt: Bericht über den Antrag 1954/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbeziehung der Insas­sen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung

21. Punkt: Bericht über den Antrag 1981/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

22. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenos­senschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizei­liche Zusammenarbeit

23. Punkt: Vereinbarung zwischen der Regierung der Republik Österreich, der Re­gierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft sowie der Regierung des Fürsten­tums Liechtenstein über die Durchführung von Artikel 13 Abs. 1 lit. c und Kapitel VI des Vertrages zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusam­menarbeit

24. Punkt: Bericht über den Antrag 1148/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausstieg aus den Verträgen betreffend das Schubhaftgefängnis Vordernberg


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25. Punkt: Bericht über den Antrag 213/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend öffentlich-rechtlichem Rechtsschutz gleichwer­tigen Rechtsschutz bei der Auslagerung von Sicherheitsaufgaben an Private

26. Punkt: Bericht über den Antrag 2018/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur grundrechtlichen Sensibilisierung des Innenministers

27. Punkt: Bericht über den Antrag 2026/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisa­beth Pfurtscheller, Franz Kirchgatterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Barriere­freier Zugang zu Informationen“

28. Punkt: Bundesgesetz über die Marktüberwachung von Funkanlagen (Funkanla­gen-Marktüberwachungs-Gesetz – FMaG 2016)

29. Punkt: Bericht über den Antrag 677/A(E) der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rahmenbedingungen für soziale Innovationen

30. Punkt: Bericht über den Antrag 1597/A(E) der Abgeordneten Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Entpolitisierung der Entscheidungsprozesse bei der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG)

31. Punkt: Bericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 2017/1

32. Punkt: Bericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 2017/4

33. Punkt: Bericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 2017/9

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 15

Ordnungsrufe ......................................................................................................  177, 232

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 der Geschäftsordnung ......................................................................................................................................... 38

Fragestunde (24.)

Justiz ............................................................................................................................. 15

Dr. Johannes Jarolim (277/M)

Mag. Michaela Steinacker (283/M); Dr. Nikolaus Scherak

Dr. Walter Rosenkranz (286/M); Mag. Albert Steinhauser

Mag. Albert Steinhauser (281/M); Gabriel Obernosterer

Dr. Nikolaus Scherak (280/M)

Christoph Hagen (288/M); Mag. Gisela Wurm, Carmen Schimanek

Ulrike Königsberger-Ludwig (278/M); Mag. Gertrude Aubauer


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Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (284/M); Christian Lausch, Christoph Hagen, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger

Mag. Harald Stefan (287/M)

Mag. Albert Steinhauser (282/M)

Dr. Harald Troch (279/M)

Dr. Georg Vetter (285/M)

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 15

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Stopp der heimlichen Steuererhöhung – Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger jetzt!“ (12600/J) ...................................................................................................................... 123

Begründung: Mag. Dr. Matthias Strolz ...................................................................... 130

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ......................................................... 136

Debatte:

Dr. Rainer Hable ......................................................................................................... 141

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................. 142

August Wöginger ....................................................................................................... 144

MMag. DDr. Hubert Fuchs ......................................................................................... 146

Mag. Bruno Rossmann .............................................................................................. 149

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ... 152

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 154

Ing. Markus Vogl ..................................................................................................... ... 156

Ing. Mag. Werner Groiß .......................................................................................... ... 157

Mag. Roman Haider ................................................................................................ ... 159

Mag. Werner Kogler ................................................................................................ ... 160

Martina Schenk ....................................................................................................... ... 163

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 164

Mag. Karin Greiner ................................................................................................. ... 165

Gabriele Tamandl .................................................................................................... ... 166

Bernhard Themessl ................................................................................................ ... 168

Ing. Robert Lugar ..............................................................................................  170, 178

Mag. Nikolaus Alm .................................................................................................. ... 171

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ... 173

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ... 175

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................... ... 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. DDr. Hubert Fuchs, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Abschaffung der kalten Progression – Ablehnung ..............................................  148, 180

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1461 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Erwachsenenvertretungsrecht und das Kuratoren­recht im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch geregelt werden und das Ehegesetz, das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz, das Namensänderungs­gesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Außer­streitgesetz, die Zivilprozessordnung, die Jurisdiktionsnorm, das Rechtspfleger-


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gesetz, das Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetz, das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung, das Gerichtsgebührengesetz und das Gerichtliche Ein­bringungsgesetz geändert werden (2. Erwachsenenschutz-Gesetz – 2. ErwSchG) (1528 d.B.) ............................ 38

Redner/Rednerinnen:

Mag. Michaela Steinacker ...................................................................................... ..... 38

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ..... 40

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ..... 41

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ..... 43

Dr. Nikolaus Scherak .............................................................................................. ..... 47

Christoph Hagen ..................................................................................................... ..... 49

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter ...................................... ..... 50

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ..... 52

Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................................. ..... 53

Mag. Helene Jarmer ................................................................................................ ..... 54

Dr. Franz-Joseph Huainigg ................................................................................... ..... 55

Mag. Gisela Wurm ................................................................................................... ..... 55

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kollegin­nen und Kollegen betreffend das Finanz-Monitoring zum 2. Erwachsenenschutz-Gesetz – Ablehnung .............  46, 56

Annahme des Gesetzentwurfes in 1528 d.B. ................................................................. 56

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1528 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Evaluierung der finanziellen Auswirkungen des 2. Erwach­senenschutz-Gesetzes (E 194)                          56

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1522 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005, das Wettbewerbsgesetz und das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbs­bedin­gungen geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsge­setz 2017 – KaWeRÄG 2017) (1529 d.B.) ........................................................................................ 57

3. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1517 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Firmenbuchgesetz, das EU-Verschmelzungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (BRIS-Umsetzungsgesetz – BRIS-UmsG) (1530 d.B.) ............................................................ 57

Redner/Rednerinnen:

Ing. Mag. Werner Groiß .......................................................................................... ..... 57

Jürgen Schabhüttl .................................................................................................. ..... 58

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................ ..... 59

Mag. Bernd Schönegger ........................................................................................ ..... 60

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ........................................................................... ..... 60

Gerhard Schmid ...................................................................................................... ..... 61

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1529 und 1530 d.B. ....................................... 61

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1504 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird (1531 d.B.) ................................................ 62


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5. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 2019/A(E) der Abge­ordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend die flächendeckende Umsetzung der Pflichtkurse in Justizgeschichte für angehende RichterInnen und StaatsanwältInnen (1532 d.B.) ...... 62

Redner/Rednerinnen:

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ..... 62

Mag. Dr. Beatrix Karl .............................................................................................. ..... 64

Christoph Hagen ..................................................................................................... ..... 64

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ..... 65

Dr. Harald Walser ..................................................................................................  66, 74

Mag. Roman Haider (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 67

Dr. Nikolaus Scherak .............................................................................................. ..... 68

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................ ..... 69

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ..... 71

Mag. Roman Haider ................................................................................................ ..... 72

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 74

Annahme des Gesetzentwurfes in 1531 d.B. ................................................................. 76

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1532 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend die flächendeckende Umsetzung der Pflichtkurse in Justizgeschichte für angehende RichterInnen und StaatsanwältInnen (E 195) ............................................................................................. 76

6. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1513 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen (Pauschalreisegesetz – PRG) erlassen wird sowie das Konsu­mentenschutzgesetz, das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz und das Ver­braucherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden (1533 d.B.) .......................... 76

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ..... 76

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................ ..... 77

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ..... 78

Angela Lueger ......................................................................................................... ..... 79

Rupert Doppler ....................................................................................................... ..... 80

Mag. Aygül Berivan Aslan ..................................................................................... ..... 81

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................ ..... 81

Dr. Harald Troch ..................................................................................................... ..... 82

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ..... 82

Annahme des Gesetzentwurfes in 1533 d.B. ................................................................. 83

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1470 d.B.): Zweites Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (1536 d.B.)                     83

8. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1459 d.B.): Erklärung der Republik Österreich über die Annahme der Beitritte Albaniens, Andorras, Armeniens, Marokkos, der Russischen Föderation, der Seychellen, Singapurs zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (1534 d.B.) ........................................................................................ 83

9. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1476 d.B.): Erklä­rung der Republik Österreich über die Annahme der Beitritte Kasachstans,


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Perus und der Republik Korea zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (1535 d.B.) ............ 84

Redner/Rednerinnen:

Dr. Georg Vetter ...................................................................................................... ..... 84

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................. ..... 85

Genehmigung der drei Staatsverträge in 1536, 1534 und 1535 d.B. ............................. 86

10. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2017/A der Abgeordneten Mag. Elisabeth Grossmann, Brigitte Jank, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Prüfungstaxengesetz geändert werden (1580 d.B.)                87

Redner/Rednerinnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ..... 87

Brigitte Jank ............................................................................................................ ..... 87

Mag. Gerald Hauser ..............................................................................................  89, 98

Dr. Harald Walser ..................................................................................................  90, 98

Mag. Dr. Matthias Strolz ......................................................................................... ..... 92

Bundesministerin Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................ ..... 94

Andrea Gessl-Ranftl .................................................................................................... 96

Asdin El Habbassi, BA ................................................................................................ 96

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .................................................................... ..... 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung einer Maßnahme aus dem Arbeitspro­gramm der Regierung – Ablehnung  93, 99

Annahme des Gesetzentwurfes in 1580 d.B. ................................................................. 99

11. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1512 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über Gleichwertigkeiten im Bereich der Reifezeugnisse und des Hochschulwesens (1581 d.B.) ................................................ 99

Redner/Rednerinnen:

Elmar Mayer .................................................................................................................. 99

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................. 100

Dr. Harald Walser .................................................................................................... ... 101

Marianne Gusenbauer-Jäger ................................................................................. ... 101

Genehmigung des Staatsvertrages in 1581 d.B. ......................................................... 102

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorla­ge (1515 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird (1544 d.B.) .................................................. 102

13. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1115/A(E) der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 2. Tierhalteverordnung, Kastration von Katzen (1545 d.B.) .................................................................................................................... 102

14. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2002/A(E) der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auf­nahme der Wachtelhaltung in die 1. Tierhaltungsverordnung“ (1546 d.B.) ....................................................................... 102

Redner/Rednerinnen:

Josef A. Riemer ....................................................................................................... ... 102

Philip Kucher ........................................................................................................... ... 104


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 8

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................ ... 105

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ... 108

Ulrike Weigerstorfer ............................................................................................... ... 111

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 113

Bundesministerin Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ............................................ ... 113

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ....................................................................... ... 114

Dietmar Keck ........................................................................................................... ... 116

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ... 118

Jakob Auer .............................................................................................................. ... 121

Rupert Doppler ....................................................................................................... ... 180

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................ ... 181

Annahme des Gesetzentwurfes in 1544 d.B. ............................................................... 182

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1545 d.B. .................................................... 183

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1546 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 2002/A(E)               183

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1546 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Aufnahme der Wachtelhaltung in die 1. Tierhaltungs­verordnung“ (E 196) ................ 183

15. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1520 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher­schutzgesetz geändert wird (1547 d.B.)                       183

Redner/Rednerinnen:

Ing. Markus Vogl ..................................................................................................... ... 183

Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... ... 184

Peter Wurm .............................................................................................................. ... 185

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ....................................................................... ... 186

Rupert Doppler ....................................................................................................... ... 187

Angela Fichtinger ................................................................................................... ... 188

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ... 189

Bundesministerin Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ............................................ ... 192

Entschließungsantrag der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kennzeichnung von Fleisch mittels AT-Stempel“ – Ablehnung .........................  191, 193

Annahme des Gesetzentwurfes in 1547 d.B. ............................................................... 192

16. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1518 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitsberuferegister-Gesetz, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das MTD-Gesetz geändert werden (GBRG-Novelle 2017) (1548 d.B.) ...................................... 193

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................... ... 193

Johann Hechtl ......................................................................................................... ... 194

Ulrike Weigerstorfer ............................................................................................... ... 195

Claudia Durchschlag .............................................................................................. ... 195

Rupert Doppler ....................................................................................................... ... 196

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 197

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 197

Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................................. ... 198

Dr. Erwin Rasinger ................................................................................................. ... 199


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 9

Annahme des Gesetzentwurfes in 1548 d.B. ............................................................... 199

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1467 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird (1549 d.B.) ........................... 200

18. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2033/A der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz geändert wird (1550 d.B.) .............................. 200

19. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2008/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finan­zierung des Gesundheitswesens aus einem Topf (1551 d.B.) .................................................................................................................... 200

20. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1954/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung (1552 d.B.) .................................................... 200

21. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1981/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (1553 d.B.) ............................................................. 200

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................... ... 200

Erwin Spindelberger .............................................................................................. ... 202

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 209

Dr. Erwin Rasinger ................................................................................................. ... 211

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 212

Bundesministerin Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ............................................ ... 214

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ... 215

Dr. Andreas F. Karlsböck ...................................................................................... ... 216

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 219

David Lasar ................................................................................................................. 220

Dr. Marcus Franz .................................................................................................... ... 221

Rupert Doppler ....................................................................................................... ... 223

Gerhard Schmid ...................................................................................................... ... 223

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Computertomografie(CT)- oder Magnetre­so­nanz­tomografie(MRT)-Untersuchungen für Sozialversicherte – Ablehnung ............................................................................  218, 224

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1549 und 1550 d.B. ..................................... 224

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 1551, 1552 und 1553 d.B. ..................... 224

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1469 d.B.): Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit (1571 d.B.)                   225

23. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1471 d.B.): Vereinbarung zwischen der Regierung der Repu-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 10

blik Österreich, der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft sowie der Regierung des Fürstentums Liechtenstein über die Durchführung von Artikel 13 Abs. 1 lit. c und Kapitel VI des Vertrages zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit (1572 d.B.) ....................................................................................... 225

Redner/Rednerinnen:

Norbert Sieber ......................................................................................................... ... 225

Anton Heinzl ............................................................................................................ ... 226

Dr. Jessi Lintl .......................................................................................................... ... 227

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 1571 und 1572 d.B. ................................ 227

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 1148/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausstieg aus den Verträgen betreffend das Schubhaftgefängnis Vordernberg (1540 d.B.) ............................................................. 228

25. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 213/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend öffentlich-rechtlichem Rechtsschutz gleichwertigen Rechtsschutz bei der Auslagerung von Sicherheitsaufgaben an Private (1541 d.B.)        ............................................................................................................................. 228

26. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 2018/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur grundrechtlichen Sensibilisierung des Innenministers (1542 d.B.) ........................................................................................... 228

Redner/Rednerinnen:

Ing. Wolfgang Klinger ............................................................................................ ... 228

Franz Kirchgatterer ................................................................................................ ... 229

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 230

Dr. Georg Vetter ...................................................................................................... ... 231

Dr. Nikolaus Scherak .............................................................................................. ... 232

Andrea Gessl-Ranftl ............................................................................................... ... 234

Dr. Jessi Lintl .......................................................................................................... ... 235

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................ ... 237

Hannes Weninger ................................................................................................... ... 238

Gerhard Schmid ...................................................................................................... ... 239

Nurten Yılmaz .......................................................................................................... ... 240

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ... 240

Sigrid Maurer ........................................................................................................... ... 242

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einhaltung des Artikel 5 EMRK als wesentlicher Grundsatz der Amtsführung des Bundesministers für Inneres – Ablehnung ............................................................................................................  236, 243

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 1540, 1541 und 1542 d.B. ..................... 243

27. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 2026/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Franz Kirchgatterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Barrierefreier Zugang zu Informationen“ (1543 d.B.) ......................................................................... 243

Redner/Rednerinnen:

Franz Kirchgatterer ................................................................................................ ... 243

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ................................................................ ... 244


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 11

Mag. Helene Jarmer ................................................................................................ ... 245

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 246

Dr. Franz-Joseph Huainigg ................................................................................... ... 246

Dr. Harald Troch ..................................................................................................... ... 247

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1543 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Barrierefreier Zugang zu Informationen“ (E 197) ....................................................... 247

28. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie über die Regierungsvorlage (1460 d.B.): Bundesgesetz über die Marktüber­wachung von Funkanlagen (Funkanlagen-Marktüberwachungs-Gesetz – FMaG 2016) (1573 d.B.) ............................................................................... 247

Redner/Rednerinnen:

Dr. Ruperta Lichtenecker ....................................................................................... ... 248

Ing. Markus Vogl ..................................................................................................... ... 248

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................ ... 249

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ... 250

Bundesminister Mag. Jörg Leichtfried ................................................................. ... 251

Annahme des Gesetzentwurfes in 1573 d.B. ............................................................... 252

Gemeinsame Beratung über

29. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie über den Antrag 677/A(E) der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Rahmenbedingungen für soziale Innovationen (1574 d.B.) .................................................................................. 252

30. Punkt: Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie über den Antrag 1597/A(E) der Abgeordneten Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Entpolitisierung der Entscheidungsprozesse bei der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) (1575 d.B.)                         252

Redner/Rednerinnen:

Dr. Ruperta Lichtenecker ....................................................................................... ... 252

Philip Kucher ........................................................................................................... ... 253

Claudia Angela Gamon, MSc (WU) .......................................................................... 254

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................ ... 256

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ... 257

Dr. Karlheinz Töchterle .......................................................................................... ... 257

Dr. Nikolaus Scherak .............................................................................................. ... 258

Bundesminister Mag. Jörg Leichtfried ................................................................. ... 259

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1574 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Rahmenbedingungen für soziale Innovationen (E 198) ............................................... 260

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1575 d.B. .................................................... 260

Gemeinsame Beratung über

31. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2017/1 (III-335/1577 d.B.) ................................................................................... 260

32. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2017/4 (III-338/1578 d.B.) ................................................................................... 260

33. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2017/9 (III-360/1579 d.B.) ................................................................................... 260


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 12

Redner/Rednerinnen:

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 260

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 261

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 262

Elmar Mayer (tatsächliche Berichtigung) .................................................................... 264

Georg Willi ............................................................................................................... ... 264

Michael Bernhard .................................................................................................... ... 266

Martina Schenk ....................................................................................................... ... 268

Elmar Mayer ............................................................................................................. ... 269

Mag. Andreas Hanger ............................................................................................. ... 270

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 271

Andrea Gessl-Ranftl ............................................................................................... ... 272

Mag. Wolfgang Gerstl ............................................................................................. ... 273

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ......................................................... 274

David Lasar .............................................................................................................. ... 276

Philip Kucher ........................................................................................................... ... 276

Erwin Preiner .......................................................................................................... ... 277

Rupert Doppler ....................................................................................................... ... 278

Dr. Gabriela Moser .................................................................................................. ... 279

Kenntnisnahme der drei Berichte III-335, III-338 und III-360 d.B. ................................ 280

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend verpflichtende Ersthelfer-Auffrischungskurse für Lehrpersonen (2096/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend freiwillige Hepatitis-Impfung für Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren inklusive Kostenüber­nahme durch die AUVA (2097/A)(E)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung eines zentralen Registers von öffentlichen Defibrillatoren“ (2098/A)(E)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Jährliche verpflichtende Erste-Hilfe Ausbildung und Schulung an allen Schulen ab der dritten Volksschulklasse“ (2099/A)(E)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Jährliche verpflichtende Reanimationsschulungen und -ausbildungen an allen Schulen ab der 7. Schulstufe“ (2100/A)(E)

Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Staatliche Einrichtung zur Unterstützung pflegender Angehöriger“ (2101/A)(E)

Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gleichstellung von EU-Ausländern mit Inländern bezüglich der Wartefrist für den Anspruch auf den Bezug von Arbeitslosengeld“ (2102/A)(E)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines öffentlich-rechtlichen Medienhauses (2103/A)(E)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schließung nicht ausgelasteter Bundesbetreuungseinrichtungen für Asylwerber in Kärnten (2104/A)(E)


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Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bereitstellung von Finanzmitteln für Hangwasserschutzmaßnahmen (2105/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend alternative Ersatztrasse für den Güterverkehr der BAA in der Region Wörthersee (2106/A)(E)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Abschaffung der Mietvertragsgebühr (2107/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Computer­tomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT)-Untersuchungen für Sozial­versicherte (2108/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend das österreichische Weltkulturerbe, insbe­sondere betreffend die Kulturlandschaft Wachau (12584/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Billigarbeit von Häftlingen im Jahr 2016 (12585/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vollzug des Finanzstrafgesetzes (12586/J)

Walter Schopf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die offenen Abgabenrückstände per 31.12.2016 und Daten über den Vollzug des Finanzstrafgesetzes im Jahr 2016 (12587/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend neue EU Feuerwaffenrichtlinie (12588/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend Notarztmangel (12589/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend Artikel über radioaktives Jod (12590/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend das Geschäft mit dem Blut (12591/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend Artikel über Brennstoffzellen-Autos im Manager Magazin vom 18.01.2017 (12592/J)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Doppelstaatsbürgerschaften in Österreich“ (12593/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Rechtsberatung (12594/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Familiennachzug 2016 (12595/J)

Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aktions- & Kooperationsprogramm „Gemeinsam Sicher“ (12596/J)

Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Internationalen Rückführungsabkommen (12597/J)


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Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Entwicklung bei internationalen Rückführungsabkommen (12598/J)

Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend Auswirkungen der höchstgerichtlichen Judikatur auf die obersten Strukturen des Landesverteidigungsministeriums (12599/J)

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Stopp der heimlichen Steuererhöhung – Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger jetzt!“ (12600/J)

 

 

 


 


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09.06.29Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich eröffne die 173. Sitzung des Nationalrates und wünsche Ihnen einen schönen guten Morgen.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Bayr, MA, Amon, MBA, Ottenschläger, Ing. Höbart, Jannach, Kickl, Ing. Schellenbacher, Steger, Zanger und Mag. Schatz.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Doris Bures: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner wird durch den Staatssekretär im Bundesministerium für Wis­sen­schaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Harald Mahrer, der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz wird durch den Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter und die Bundesministerin für Familien und Jugend Dr. Sophie Karmasin wird durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter vertreten.

*****

Ich gebe weiters bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 11 Uhr live übertragen wird; ORF III wird diese Sitzung in voller Länge übertragen, wobei jener Teil der Sit­zung, der über 19.45 Uhr hinausgeht, zeitversetzt gesendet wird.

09.08.00Fragestunde

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den Rednerpulten in der Mitte des Saals aus vorgenommen. Der Herr Bundesminister spricht vom Rednerpult aus, wo er sich auch schon befindet. – Ich begrüße ihn zur Fragestunde.

Bundesministerium für Justiz

 


Präsidentin Doris Bures: Die 1. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Meine Frage betrifft die Sammelklage.

Die Sammelklage ist jene Einrichtung, mit der viele Betroffene, die ein gleiches Schick­sal erlitten haben, auf sehr, sehr wirkungsvolle Art und Weise innerhalb kurzer Zeit zu ihrem Recht kommen.


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Wir haben gerade in Zeiten der Finanzkrise, in denen es eine große Anzahl von Betrügereien gegeben hat, in denen viele um ihre gesamten Ersparnisse gekommen sind, gesehen, dass es eine effiziente Form der Rechtsdurchsetzung braucht – sowohl seitens der Richterschaft als auch der Wissenschaft; ein großer Teil der Wirtschaft und natürlich auch die Konsumenten bestehen auf der Umsetzung einer derartigen Regelung, die für den Standort sicher von großem Vorteil wäre.

Wie gedenken Sie angesichts dieser dringenden Notwendigkeit – es ist aus meiner Sicht beziehungsweise eigentlich aus unserer Sicht ein Gebot der Vernunft –, diese Lösung endlich umzusetzen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 277/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie stehen Sie zu der seit mehr als zehn Jahren im Regierungsprogramm enthaltenen Sammelklage?“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich kann dazu nur sagen, dass wir uns schon seit Län­gerem mit sinnvollen Regelungen zum Themenbereich Sammelklagen und Muster­klagen beschäftigen.

Wir waren zuletzt – das möchte ich aber schon auch festhalten – aufgrund der Fertig­stellung jener Vorgaben im aktuellen Regierungsprogramm, die uns betreffen, extrem unter Druck. Damit meine ich vor allem die Privatinsolvenzrechtsreform, die diese Woche jedenfalls so weit fertiggestellt werden sollte, dass es einen konkreten Vor­schlag gibt. Das musste unsere Fachabteilung erarbeiten, da gab es sehr, sehr enge zeitliche Vorgaben, zum Teil auch inhaltliche Vorgaben, die von der Regierungs­spitze gekommen sind, darauf hat man sich verständigt. Daher können wir uns erst jetzt wieder wirklich mit voller Kraft dem Themenkreis Musterklagen und Sammelkla­gen widmen.

Das steht aus meiner Sicht in einem Spannungsverhältnis: Einerseits ist die Verfah­rensökonomie sehr wichtig, andererseits wollen wir aber auch nicht, dass es das gibt, was oft als amerikanische Verhältnisse bezeichnet wird, im Sinn von Class Action; auch das hat natürlich seine Nachteile, muss man ganz klar sagen. Für den Einzelnen, der von einem Problem betroffen ist, das viele andere auch betrifft, sollte die Rechts­durchsetzung aber vereinfacht werden, im Sinne der Verfahrensökonomie, aber auch in dem Sinn, dass nicht die Gefahr besteht, dass etwas verjährt, nur weil jemand als Einzelperson sich vielleicht schwerer tut, sein Recht zu verfolgen. Das ist das Span­nungsverhältnis, in dem wir uns bewegen.

Wir werden uns jetzt im Rahmen der Arbeitsgruppe, die im Bundesministerium für Justiz ja existiert, in die alle Interessengruppen, die diesbezüglich etwas zu sagen haben, eingebunden sind, wieder stärker diesem Thema widmen können – und die Arbeit wird vorangehen, wie immer bei uns.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Bundesminister! Wir begrüßen es natürlich, dass wir da gemeinsam weitere Projekte entwickeln, und ich verstehe auch, dass es ein bisschen einen Stau gab. Es ist allerdings so, dass wir die Sammelklage ja


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schon 2006 vereinbart haben, insofern auch der besondere Druck. Sie sind ein Mann der Internationalität, und wir wissen natürlich, dass es Problemlagen in den USA gibt, aber es ist so, dass es innerhalb Europas nahezu kein Land mehr gibt, das die Sam­melklage – oder wie auch immer man das nennen möchte – nicht hat. Es gibt Best-Practice-Modelle, die wir bei uns umsetzen können. Es ist standortpolitisch nahezu unverzichtbar, dass wir dieses Instrument ...

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen nun die Frage formulieren.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (fortsetzend): Meine Frage lautet daher: Wer­den Sie bei dieser Gelegenheit auch die Nutzergruppen und die Betroffenen, nämlich Gerichte, Konsumentenschützer, Wirtschaft, miteinbeziehen, um jene Widerstände zu überwinden, die aus einer kleinen Gruppe in der Wirtschaftskammer Österreich – leider Gottes, muss man sagen, da ist Überzeugungsarbeit notwendig – kommen? Sie als Mann der Internationalität können das sicher leisten und diese Gruppe auch davon überzeugen.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Wie ich schon gesagt habe, Herr Abgeordneter: Es sind in unserer Arbeitsgruppe alle wesentlichen Interessen­gruppen vertreten.

Was die Internationalität betrifft, muss man auch ein bisschen mit den Begriffen aufpas­sen. Es gibt unterschiedliche Modelle dessen, was unter dem Begriff Sam­melklage oder Musterklage verstanden wird. Mit diesen verschiedenen Modellen, auch in Europa, beschäftigen wir uns, und es ist ja auch Teil der Lösungsfindung, dass wir uns auch anhand von internationalen Beispielen genau anschauen: Wie könnte das Best-Practice-Beispiel und -Modell für Österreich ausschauen? Dieses suchen wir intensiv. (Abg. Jarolim: Danke!)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 2. Anfrage, jener der Frau Abge­ordneten Mag. Steinacker. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Es gibt Gruppierungen in Österreich, zum Beispiel die Freeman-Bewegung, die Reichsbürger, One People’s Public Trust, Anhänger von Verschwö­rungs­theorien, die die Legitimation von Nationalstaaten infrage stellen. Sie behaupten zum Beispiel, dass das lediglich Firmen sind, sie missachten österreichische Gesetze, sie lehnen Gerichte und generell österreichische Institutionen ab, und sie gehen auch mittels finanzjuristischer Tricks gegen die Behörden vor.

Delikte wie Polizisten an Verkehrskontrollen zu behindern, Drohbriefe zu schreiben und damit Personen zu bedrohen und zu nötigen, falsche Schuldscheine zu versenden oder auch das Ausstellen von falschen Dokumenten gehören sozusagen zu ihrem Tätigkeitsbereich, den wir natürlich zutiefst ablehnen, denn wir können nicht hinneh­men, dass sie den Staat als solchen infrage stellen. Auch für unsere Staatsanwälte, für die Gerichte, für die Polizisten, für die Gerichtsvollzieher, für die, die die Behörde ausmachen, sind das große Probleme.

Herr Bundesminister, meine Frage lautet daher:

283/M

„Was gedenken Sie gegen staatsfeindliche Bewegungen zu unternehmen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 18

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Frau Abgeordnete, diese Frage hat aus meiner Sicht einen rein praktischen und einen grundsätzlichen Aspekt. Der rein praktische Aspekt ist der, dass wirklich viel Aufwand, auch im Rahmen unseres Ressorts, notwendig ist, um jenen einzelnen Beamten und Beamtinnen zu helfen, die von diesen sogenannten Staatsfeinden in irgendeiner Form gemobbt wer­den oder durch die Eintragung in irgendwelche Schuldenregister wirklich in Schwierig­keiten kommen.

Bei dieser Gelegenheit sage ich, weil es für viele hilfreich sein könnte, gleich: Auf unserer Homepage gibt es ein Musterformular zum Herunterladen, mit dem man dafür sorgen kann, dass man aus diesen Schuldenregistern, vor allem in den USA, wieder herauskommt. Ich habe schon vor vielen Wochen mit dem Kollegen in Malta Kontakt aufgenommen, um die maltesischen Behörden dafür zu sensibilisieren, dass immer wieder versucht wird, durch diese Eintragungen in amerikanische Schuldenregister auch in Malta Exekutionstitel zu erreichen. Das ist der praktische Aspekt, und da tun wir schon sehr viel, um den Beamten zu helfen.

Der grundsätzliche Aspekt ist aus meiner Sicht, dass da in Form von aktiven Hand­lungen, die gegen einzelne Beamte gerichtet sind, wirklich eine staatsfeindliche Gesin­nung zum Ausdruck kommt. Das, was unsere Beamten tun, ist gesetzlich fundiert, das hat eine entsprechende Grundlage, und im Sinne einer wehrhaften Demokratie muss man sich auch mit entsprechenden Maßnahmen gegen solche Gruppierungen wehren, die die Autorität des Staats aushöhlen wollen. Daher haben wir in Ergänzung zum bestehenden Tatbestand der staatsfeindlichen Verbindungen einen neuen Straftat­bestand vorgeschlagen; dieser Vorschlag ist noch in Begutachtung, und wir werden am Ende der Begutachtung sehen, was es da allenfalls an Kritik – positiv oder negativ – gibt.

Grundsätzlich bin ich wirklich der Meinung, wir brauchen diesen Tatbestand, nicht zuletzt zum Schutz unserer Beamten, die einfach vor solchen ganz gezielten Attacken, die auf einer rein destruktiven staatsfeindlichen Gesinnung beruhen, geschützt werden müssen. Das ist der Punkt, und da tun wir etwas.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Scherak.

 


Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Minister! Alles, was Frau Kollegin Steinacker jetzt angesprochen hat, ist ja an und für sich schon strafbar; da geht es um Dinge wie Nötigung, Erpressung, Betrug, Amts­anmaßung, auch die von Ihnen angesprochenen staatsfeindlichen Verbindungen. Das heißt, all das ist nach unserem jetzigen Strafrecht schon strafbar, und mit dem von Ihnen jetzt neu vorgeschlagenen Straftatbestand soll – zumindest wirkt es momentan so – eine grundsätzlich legale Handlung, die sich mit einer unliebsamen Gesinnung verbindet, unter Strafe gestellt und mit einer zweijährigen Freiheitsstrafe bedroht wer­den.

Meine Frage lautet: Wie ist dieser Tatbestand damit vereinbar, dass hoffentlich auch Sie das Gesinnungsstrafrecht ablehnen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Der von uns vorgeschlagene Tatbestand hat mit reinem Gesinnungsstrafrecht gar nichts zu tun. Herr Abgeordneter, Sie müssen sich auch die Erläuterungen und alles, was es dazu an Unterlagen unse­rerseits gibt, genau anschauen.

Der Tatbestand der staatsfeindlichen Verbindungen, den es immer schon gegeben hat und der nie kritisiert wurde, setzt eine festgefügte Organisationsstruktur seitens dieser Staatsfeinde voraus. Das kann man natürlich in vielen Fällen nicht so ohne Weiteres


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nachweisen, daher brauchen wir einen Tatbestand, der es ermöglicht, Gruppierungen, die sich frei organisieren – auch unter Nutzung der neuen Medien –, auch dann strafrechtlich zu bekämpfen, wenn sie durch aktive Handlungen – und das ist das Neue –, die gegen Beamte gerichtet sind und eindeutig auf einer generell staatsfeind­lichen Gesinnung beruhen, gegen Beamte vorgehen und damit wirklich großen Scha­den anrichten.

Da geht es nicht nur um die berühmten zehn Spinner, nein: Wir wollen da ganz bewusst die Spreu vom Weizen trennen, und mit diesem Tatbestand wird das gelingen, weil wir zusätzlich eine Hürde eingebaut haben: die aktive Handlung, die vorhanden sein muss, die eindeutig gegen den Staat und seine Beamten gerichtet sein muss. Das ist beim alten Tatbestand nicht so, dieser bleibt aber aufrecht; dort ist die Hürde die Verbindung als entsprechend festgefügte Organisation. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Ich bin sicher, wenn Sie sich das genauer anschauen, werden Sie zum selben Schluss kommen wie ich. Wir waren uns dessen bewusst, dass man da wirklich aufpassen muss, damit man nicht den Vorwurf des Gesinnungsstrafrechts bekommt; er wäre nicht gerechtfertigt.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 3. Anfrage, das ist jene des Herrn Abgeordneten Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Bun­desminister, aus meiner Heimatstadt Krems! Wir hatten gestern Gemeinderatssitzung, SPÖ und ÖVP haben leider Gottes einen Dringlichkeitsantrag, eine Resolution gegen die Absiedelung der Justizanstalt Stein, abgelehnt.

Es ist so, dass die Stadt Krems von der Justizanstalt Stein insoweit profitiert, als es aufgrund der – im wahrsten Sinne des Wortes – Hauptwohnsitzer in Stein, der 750 Häft­linge, 825 000 € pro Jahr gibt. Es sind dort 310 Justizwachebeamte tätig, von denen über 80 Prozent ihren Wohnsitz, ihr familiäres Zentrum, ihre Existenz in und rund um Krems aufgebaut haben. Eine beabsichtigte Absiedelung nach Allentsteig, von der man mittlerweile von allen Spatzen auf den Dächern hört, auch wenn eine ent­sprechende Studie erst vorgestellt wird ... (Abg. Rädler: Frage!) – Kollege Rädler, die Frau Präsidentin kennt sich betreffend die Geschäftsordnung besser aus als Sie! Die Situation ist folgende, dass jetzt die ... (Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP. – Abg. Brosz: Er hat 1 Minute Zeit ...!)

Frau Präsidentin, muss man sich permanent stören lassen?

 


Präsidentin Doris Bures: Nein, aber Zwischenrufe sind ein Instrument im Parlament, Herr Abgeordneter, und das gilt für alle.

Wir haben in der Fragestunde die Regelung, dass man 2 Minuten Zeit hat, um eine Fragstellung zu begründen und einzuleiten, und dann ist die Frage zu formulieren. Es wäre jetzt mein Ersuchen, die Frage zu formulieren; aber die 2 Minuten Erklärung sind in der Geschäftsordnung so vorgesehen.

 


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (fortsetzend): Ich danke für Ihre Erklärung an die Kollegen Abgeordneten, die das noch nicht so wissen, Frau Präsidentin!

Herr Bundesminister, meine Frage ist:

286/M

„Wie lauten Ihre konkreten Pläne für die Justizanstalt Stein, zumal deren Absiedelung angedacht ist?“

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 20

Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abgeord­neter, wie Sie zu Recht feststellen, wirkt sich eine Justizanstalt regionalökonomisch und regionalpolitisch durchaus günstig aus. Deshalb verstehe ich, dass die Stadt Krems großen Wert darauf legt, dass die Justizanstalt eben dort bleibt, wo sie ist. Das ist das eine.

Ich bin verantwortlich für eine auch unter ökonomischen Gesichtspunkten optimale Standortstruktur unserer Justizanstalten insgesamt und österreichweit. Es ist noch nie der Versuch unternommen worden, mit externen Experten zu klären, welche Standorte österreichweit auf lange Sicht Sinn machen und welche keinen Sinn mehr machen, welche aus verschiedenen Gründen in den letzten Jahren oder Jahrzehnten keinen Sinn mehr machen oder einfach zu teuer geworden sind und Ähnliches mehr. Das ist eine Sache, die auch weit über eine Legislaturperiode hinausgeht.

Man muss sich wirklich ernsthaft überlegen – und das können nur externe Experten tun –, wie die Struktur unserer Standorte unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit aus­schauen soll. Das ist der Punkt. Es geht um ein generelles Konzept, und das ist in Ausarbeitung. Das stimmt, das haben wir auch in Auftrag gegeben.

Ich kann dabei auf regionalpolitische Aspekte nur begrenzt Rücksicht nehmen. Es ist so, dass unsere Justizwachebeamten natürlich ohnehin geschützt sind. Ich möchte bei der Gelegenheit auch sagen, dass sie einen hervorragenden Job unter schwierigen Bedingungen machen. Es gibt im öffentlichen Dienst einen Versetzungsschutz, der es unmöglich machen würde, jemanden in einer Art und Weise, die unzumutbar ist, zu versetzen.

Eines möchte ich Ihnen schon sagen: Es geht um ein Gesamtkonzept, es geht um ein nachhaltiges Konzept. Wenn Sie so wollen, ist Ihre Frage verkürzt. Die Frage ist nicht: Stein oder nicht Stein? Die Frage ist: Wie sieht nach ökonomischen Gesichtspunkten österreichweit die bestmögliche Struktur unserer Justizanstalten aus?

Dazu werden wir eine Studie bekommen, und auf der bauen wir dann auf. Dann werden wir sehen, ob wir mit Ausbauten durchkommen, ob wir Neubauten brauchen. Neubauten brauchen natürlich immer auch Akzeptanz seitens der regionalen Bevöl­kerung, auch das ist klar. Da sind wir aber erst am Beginn der Überlegungen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie haben 1 Minute.

 


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Natürlich würden Justizwachebeamte durch eine Absiedelung zu Pendlern gemacht werden.

Mir drängt sich eine andere Frage auf: Wurden dem Justizministerium seitens der SPÖ/ÖVP-Stadtregierung in Krems bereits Angebote für ein alternatives Grundstück im Ortsgebiet von Krems gemacht?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Es gab, soweit ich weiß, vor längerer Zeit ein entsprechendes Angebot, ich kenne das aber nicht näher. Es wird erforderlichenfalls auch Gespräche mit der Stadtverwaltung geben, darauf können Sie sich verlassen.

Mir ist wichtig, dass ich, wo immer wir bei Justizanstalten etwas verändern, den Kon­sens mit den jeweiligen Gemeinden und auch mit den Anwohnern suche. Das ist bisher gelungen, und das muss auch weiterhin gelingen, sonst hat es keinen Sinn.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 21

Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Guten Morgen, Herr Minister! Ich möchte das Thema Strafvollzug aufgreifen. Die Justizwachegewerkschaft hat in letzter Zeit öfter vom sogenannten Kuschelvollzug gesprochen, der beendet werden müsste. Österreich hat natürlich keinen Kuschelvollzug, sondern einen Vollzug, der die Resozi­alisierung zum Ziel hat, und das ist gut für die Bürgerinnen und Bürger, weil damit die Prävention neuer Straftaten im Vordergrund steht. Jetzt spricht die Justizwache­gewerkschaft nicht nur von Kuschelvollzug, sondern will auch mehr Rechte, unter anderem den Einsatz des knochenbrechenden Teleskopschlagstockes und das Recht, privat Dienstwaffen tragen zu dürfen.

Meine Frage ist: Wie stehen Sie zu diesem Anliegen, den knochenbrechenden Teleskopschlagstock in den Gefängnissen Österreichs einzusetzen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abgeord­neter, ich gebe Ihnen völlig recht, wir haben keinen Kuschelvollzug in Österreich. Was wir brauchen, ist ein sinnvoller Strafvollzug, der die Resozialisierung unter Wahrung der internationalen Vorgaben, die wir zu erfüllen haben, ermöglicht.

Um konkret auf Ihre Frage einzugehen: Ich bin eigentlich laufend in Kontakt mit der Justizwachegewerkschaft, die berechtigte Sorgen, Anliegen und auch Forderungen in Anbetracht der wirklich schwierigen Situation, die sich in einigen Haftanstalten ergeben hat, hat. Die Zahl der Aggressionsakte gegen unsere Beamten ist wirklich deutlich gestiegen. Das ist nicht zu beschönigen, und das will ich auch nicht tun. Es braucht auch mehr Schutz für unsere Beamten. Das ist meine grundsätzliche Position.

Über alles Weitere sind wir in Gesprächen. Es ist sehr wichtig, dass man das Gespräch mit der Justizwachegewerkschaft sucht, denn ohne entsprechend motivierte Justiz­wachebeamte werden wir das Ziel der Resozialisierung im Strafvollzug nicht erreichen können. Daher gibt es laufend Gespräche.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 4. Anfrage, das ist jene des Herrn Abgeordneten Mag. Steinhauser. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Ich kann leider nicht auf Ihre Ausführungen eingehen, die meine Frage nicht beantwortet haben, sondern muss die nächste Frage stellen, so sieht das die Geschäftsordnung vor.

Herr Minister, Sie wissen, vor einigen Jahren ist die Vorratsdatenspeicherung aufge­hoben worden. Dabei ist es um die präventive Speicherung sensibelster Telekommuni­kationsdaten gegangen: Wer ist wann wo, wer hat mit wem wann telefoniert, E-Mails oder SMS geschrieben?

Im Jänner-Regierungsprogramm haben Sie angekündigt, dass eine Anlassspeicherung für Telekommunikationsdaten eingeführt werden soll.

Meine Frage ist daher:

281/M

„Wie unterscheidet sich die im Jänner-Regierungsprogramm angekündigte ‚Anlass­speicherung von Telekommunikationsdaten‘ von der als verfassungswidrig aufge­ho­benen Vorratsdatenspeicherung?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 22

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abge­ordneter, in aller Kürze zurückkommend auf die vorige Frage, die ich natürlich beant­wortet habe, nur offenbar nicht in Ihrem Sinne: Wenn es Gespräche mit den Justiz­wachegewerkschaftern gibt – und die gibt es –, dann werde ich die nicht präjudizieren, indem ich jetzt irgendetwas von mir gebe, das für diese Gespräche nicht wirklich sinnvoll wäre. Das ist meine Position, sie mag Ihnen gefallen oder nicht, aber das war auch meine Antwort auf Ihre Frage.

Was die frühere Vorratsdatenspeicherung betrifft: Sie kennen die Vorgabe durch den Europäischen Gerichtshof, das Urteil Tele2 Sverige, genau. Wir haben erst vorgestern beim Justizministerrat in Brüssel intensiv darüber diskutieren können. Zu meiner großen Freude hat sich gezeigt, dass unser Lösungsmodell, das Quick-Freeze-Modell, nämlich die Möglichkeit, anlassbezogen bei einem Anfangsverdacht Kommunika­tionsdaten zu speichern und erst bei Konkretisierung des Tatverdachts mit richterlicher Bewilligung auf diese Daten zugreifen zu können, dass dieses Modell, das ich vorgestern in Brüssel vorgestellt habe, auf höchstes Interesse gestoßen ist. Einige Kollegen haben mich darauf angesprochen, und es kann durchaus sein, dass gerade diese Konzeption auch auf europäischer Ebene Vorbildcharakter haben wird.

Dieses Modell ist absolut vereinbar mit allen Vorgaben, die sich auf der Ebene des Europäischen Gerichtshofes ergeben haben. Ich finde, es ist auch völlig in Ordnung, wenn man einmal eine längere Speicherdauer aufgrund eines Anfangsverdachts – also anlassbezogen, nicht anlasslos – fixieren und dann nach einer vernünftigen Frist schauen kann, ob sich der Tatverdacht konkretisiert. Dann kann man mit richterlicher Kontrolle und rechtsstaatlicher Absicherung auch auf die Daten zugreifen. Das ist genau das Modell, das wir brauchen, und da kann man vernünftigerweise nichts dagegen haben.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): In Fachkreisen wird dieses Modell, das Sie vorschlagen, wenn ich das richtig interpretiere, auch als Quick Freeze bezeich­net. Ich nehme an, es ist ein Quick-Freeze-Modell.

Meine Frage wäre: Ist bei diesem Quick-Freeze-Modell, das Sie andenken, die Speiche­rung in die Zukunft gerichtet? Das heißt: Wird ab dem Zeitpunkt, ab dem ein Gericht entscheidet, dass zu speichern ist, gespeichert oder bezieht sich das auf vergangene Daten? Wenn es um vergangene Daten geht: Auf welche Daten bezieht es sich, wenn es ja eigentlich keine Daten auf Vorrat geben kann?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Auf die vergangenen Daten bezieht es sich jedenfalls. Weitere Details sind noch offen, weil es ja noch in Aus­arbeitung ist. Wir sind jetzt gerade dabei, auch gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur die nötigen Änderungen im Telekommunikationsgesetz zu diskutieren. So weit sind wir also noch nicht.

Der Grundansatz ist aber da und stößt weitgehend auf Zustimmung, vor allem auch auf europäischer Ebene. Nichts geschieht mehr anlasslos, es gibt keine Vorratsdaten­speicherung ohne Anlass, sondern es muss einen Anfangsverdacht geben, und im Falle der Konkretisierung ist mit richterlicher Kontrolle der Zugriff auf diese Daten möglich. Diese sind dann eben vorhanden, weil sie innerhalb dieser Frist gespeichert werden müssen. Das ist die Konzeption, und ich halte sie mehr und mehr für wirklich sehr, sehr brauchbar.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Obernosterer, bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 23

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister, ich denke, eine der größten Herausforderungen bei der Bekämpfung der Kriminalität ist die verschlüsselte Internetkommunikation. Im Regierungsprogramm 2017/18 steht, dass es bis Ende 2017 eine Ausarbeitung dahin gehend geben sollte, dass man diese verschlüsselten Kanäle, zum Beispiel WhatsApp oder Skype, auch überwachen kann.

Wie stehen Sie dazu und wie schätzen Sie das zeitlich ein, wird das bis Ende 2017 fertig sein?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abge­ord­neter, für mich ist das eigentlich eine Notwendigkeit, um eine Lücke in den Verfol­gungs­­möglichkeiten zu schließen, die sich durch die technische Entwicklung ergeben hat, ähnlich wie vor zehn, 15 Jahren durch die Wertkartenhandys.

Es ist heute so, dass jemand, der seine Kommunikation vor den Sicherheitsbehörden verbergen will, das kann, wenn er so ein modernes Handy hat. Er kann einfach wählen: Es gibt die bisherigen Kommunikationsmöglichkeiten – SMS, normale Telekommuni­kation, was auch immer –, da gibt es mit entsprechend strenger rechtsstaatlicher Kon­trolle die Möglichkeit der Überwachung. Wenn er sich aber der Internettelefon­mög­lichkeiten bedient, dann gibt es diese Möglichkeit nicht.

Natürlich ist das eine Lücke für die Strafverfolgung, und daher macht es Sinn, diese Lücke zu schließen. Ich sage aber noch einmal: Auch das muss mit strengster rechts­staatlicher Kontrolle geschehen, das haben wir immer gehabt. Ich sehe aber nicht ein, warum Tatverdächtige die Möglichkeit haben sollen, sich diesen Überwachungs­mög­lich­keiten, die wir sonst überall seit Jahren haben und die sich auch bewährt haben, so ohne Weiteres zu entziehen. Daher geht es darum, dass wir diese Lücke schließen. Wir haben dahin gehend einen konkreten Entwurf, der im Übrigen auch auf dem Arbeitsprogramm der Bundesregierung basiert, und sind in Abstimmung mit dem Koalitionspartner. Es ist also weiterhin geplant, dass das kommt.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 5. Anfrage, das ist jene des Herrn Abgeordneten Dr. Scherak. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich habe am Anfang dieses Jahres eine Anfrage betreffend die besonderen Ermitt­lungsmaßnahmen an Sie gestellt. Diese Ermittlungsmaßnahmen wie zum Beispiel Hausdurchsuchung, Überwachungsmaßnahmen durch Abhören oder Abfrage der Stamm- und Zugangsdaten greifen ja tief in die Privatsphäre von Menschen und damit auch in die Grundrechte der Betroffenen ein. Daher gibt es dementsprechend strenge Voraussetzungen für ihren Einsatz. Insbesondere sollen sie erst dann eingesetzt wer­den, wenn es eine absolute Notwendigkeit gibt. Von 2015 auf 2016 ist die Häufig­keit ihrer Anwendung doch sehr signifikant gestiegen, und deswegen meine Frage an Sie:

280/M

„Gibt es einen besonderen Grund für den auffälligen Anstieg von Ermittlungs­maß­nahmen im Sinne der StPO von 2015 auf 2016?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abgeord­neter, ich weiß, dass Sie immer sehr fundierte Anfragen an uns richten. Wie Sie zuge­ben werden, beantworten wir sie auch immer sehr, sehr fundiert. Wenn ich die Gele­gen­heit nützen darf: Das rote Paket, das Sie da hinten sehen (in Richtung Regierungsbank


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 24

weisend), sind allein die parlamentarischen Anfragebeantwortungen, die ich bis morgen erledigen muss. Es ist also schon auch sehr viel an Aufwand, der notwendig ist. Das ist aber völlig in Ordnung, ich beschwere mich nicht. Sie sollen aber sehen, dass das etwas ist, das natürlich auch unsere Arbeitskapazität bindet.

Konkret zu Ihrer Anfrage: Warum gibt es mehr an Ermittlungsmaßnahmen? – Das hat zwei Gründe: Einerseits tun wir das, das auch Sie immer wieder zu Recht fordern: Wir sind sehr aktiv in der Strafverfolgung, natürlich verfolgen wir auch alle durchaus neu­artigen Phänomene im Bereich der Computerkriminalität ganz konsequent und inten­siv. Gerade dafür brauchen wir solche Instrumente der Überwachung.

Sie sehen, wie tätig unsere Staatsanwaltschaften sind, nicht zuletzt auch anhand dieser Daten. Man muss nur ein bisschen aufpassen: Diese Statistik beruht auf der Zahl der beantragten Ermittlungsmaßnahmen. Natürlich gibt es immer eine Differenz zwischen den beantragten und den tatsächlich bewilligten Maßnahmen. Warum? – Weil wir auch in diesem Bereich ein wirklich sehr, sehr strenges rechtsstaatliches System haben, das nur dann entsprechende Grundrechtseingriffe zulässt, wenn sie wirklich notwendig und verhältnismäßig und berechtigt sind.

Insgesamt – das sieht man, wenn man sich die Statistik genauer anschaut – haben wir einen Gesamtanstieg der ausgewerteten Ermittlungsmaßnahmen von rund 5,3 Pro­zent. Das ist nicht dramatisch, das entspricht genau dem, was ich gesagt habe: Unsere Staatsanwaltschaften arbeiten intensiv und wirklich sehr, sehr konsequent; und daraus ergibt sich auch diese Zunahme. Ich denke aber, das ist ja letztlich auch in Ihrem Sinne.

Vielleicht noch eine interessante Sache: Die Ausgaben für Telefonüberwachungen sind von 2015 auf 2016 sogar leicht gesunken – Gott sei Dank! –, von 13,35 Millionen € auf 12,5 Millionen €. Das ist gut für unser Budget, aber es zeigt auch, dass wir sehr wohl maßvoll und streng, rechtsstaatlich kontrolliert mit diesen Ermittlungsmöglichkeiten umgehen. Wir tun aber auch viel im Sinne der Verbrechensbekämpfung, und ja, dazu bekenne ich mich.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Wenn ich mir das anschaue, sehe ich, dass diese Ermittlungsmaßnahmen dann notwendig und ziel- und zweckgerichtet sind, wenn es nachher auch zu entsprechenden Verurteilungen kommt. Im letzten Jahr kam es auch zu mehr Verurteilungen, allerdings ist es auch so, dass die Zahl der Frei­sprüche, der Einstellungen und der Abbrüche weitaus stärker gestiegen ist als die Zahl der Verurteilungen.

Sind Sie deswegen nicht viel eher der Meinung, dass die Interessenabwägung viel­leicht nicht so ziel- und zweckgerichtet und verhältnismäßig ist, wie sie sein sollte?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Nein, Herr Abgeordneter, ich würde den gegenteiligen Schluss aus dem, was Sie gesagt haben, ziehen. Das zeigt doch, dass das rechtsstaatliche System gut funktioniert. Es gibt Ermittlungs­maß­nah­men, es gibt Anklagen, es gibt Freisprüche, es gibt Verurteilungen, es gibt alles in einem vernünftigen Ausmaß, so, wie es völlig normal ist für einen Rechtsstaat wie Österreich. So gesehen bin ich auch mit diesen Daten durchaus zufrieden. Man kann beruhigt sein.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 6. Anfrage, das ist jene des Herrn Abgeordneten Hagen. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 25

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minis­ter, Sie haben sicher am Montag in der „Heute“-Zeitung folgenden Artikel gesehen: „Kein Job, trotzdem 2.500 Euro Alimente“. Das betrifft einen Vorarlberger Ingenieur, der arbeitslos geworden ist und 1 500 € Arbeitslosengeld bekommen hat. Er konnte dann die Alimente in der Höhe von 2 500 € nicht mehr bezahlen. Schlussendlich wurde er gepfändet, das heißt, er hatte nur noch das letzte Hemd am Leib. Später – und das ist die Krux an der Geschichte – wurde dann doch festgelegt, dass er nur noch 700 € an Alimenten bezahlen muss.

Es kann mir keiner erklären, dass das Kindeswohl ausschlaggebend war, als er 2 500 € bezahlen musste, denn wenn er jetzt 700 € zahlen muss und bis auf die Unterhose – auf Deutsch gesagt – gepfändet wird, dann stimmt im System etwas nicht.

Herr Minister, Sie haben mehrfach angekündigt, dass das Scheidungs- und Unter­halts­recht modernisiert und verändert wird, daher meine Frage:

288/M

„Wann werden Sie, wie mehrfach angekündigt, das Scheidungs- und Unterhaltsrecht modernisieren?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abgeord­neter, von einer Reform des Scheidungsrechts war, soweit ich mich erinnere, nie die Rede. Das ist nicht vorgesehen und nicht im Arbeitsprogramm enthalten. Sehr wohl aber ist im aktuellen Regierungsprogramm bis 2018 eine Reform des Kindesunter­haltsrechts enthalten. Daran arbeiten wir.

Ihre Ausführungen, insbesondere was den Artikel aus dieser Zeitung betrifft, beziehen sich auf gerichtliche Entscheidungen. Das sind Entscheidungen unabhängiger Richter, die ich mit Sicherheit nicht kommentieren werde. Wenn es so sein sollte, wie Sie sagen, dass es in erster Instanz eine Entscheidung gab, die dann in zweiter Instanz anders ausgefallen ist, dann ist auch das der Beweis dafür, dass das rechtsstaatliche System funktioniert. Ich sehe darin nichts Ungewöhnliches.

Ja, das Kindesunterhaltsrecht soll reformiert werden. Wir sind da aber erst am Beginn, das sage ich auch ganz offen. Heute ist ja das Erwachsenenschutz-Gesetz auf der Tagesordnung, das mussten wir erst fertigstellen, das betrifft dieselbe Abteilung. Wir werden uns aber jetzt dem Unterhaltsrecht mit voller Kraft widmen. Wir sind am Beginn der Arbeiten an einer Reformierung des Kindesunterhaltsrechts.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Minister, da sind Sie mir jetzt ein bisschen billig ausgestiegen, denn die Gerichte können nur so entscheiden, wie wir als Gesetzgeber es ihnen zustehen beziehungsweise vorgeben. Ich denke, da gäbe es dringenden Reformbedarf, wie wir an diesem Fall sehen.

Ich bringe Ihnen einen zweiten Fall, da heißt es: „Besuchskontakt vereitelt: Schmer­zengeld für Vater“. – Ich als Polizeibeamter bin oft damit konfrontiert, dass das Be­suchsrecht nicht gewährt wird, entweder durch die Mutter oder den Vater, je nachdem, wer das Sorgerecht hat. Bei diesen Familienstreitigkeiten kommt dann das Kind in die Zwickmühle oder unter die Räder, und da wird das Kindeswohl natürlich stark ange­kratzt. In diesem konkreten Fall hat der Vater gerichtlich recht bekommen, er bekommt Schmerzensgeld dafür, dass er das Kind nicht sehen durfte. Zu diesem Fall habe ich auch schon einmal eine schriftliche Anfrage an Sie gestellt.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 26

Präsidentin Doris Bures: Jetzt müssen Sie die Frage mündlich stellen. – Bitte.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (fortsetzend): Die Frage kommt jetzt, und zwar: Was gedenken Sie zu unternehmen, um einem Kind das Recht auf Kontakt mit beiden Elternteilen zu sichern?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abge­ordneter, ich habe bei meiner Beantwortung nicht versucht, billig auszusteigen, obwohl das budgetär auch Sinn machen würde, aber so ist es nicht.

Man muss sich überlegen, was wirklich das Objekt der Kritik ist: Ist es eine Einzel­fallentscheidung unabhängiger Gerichte, wie das beim von Ihnen geschilderten Fall war oder ist es die legistische Grundlage? – Ich habe Ihnen gesagt, bei der legis­tischen Grundlage soll es Änderungen geben. Es ist mehrfach schon der Wunsch an das Bundesministerium für Justiz herangetragen worden, man solle doch die Judikatur einmal kodifizieren, um klarere gesetzliche Grundlagen zu liefern. Daran arbeiten wir, wie ich gesagt habe. Man darf aber die Kritik an Einzelfallentscheidungen nicht mit der Kritik an der Rechtsgrundlage, an deren Verbesserung wir arbeiten, verquicken.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Wurm, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister, Scheidungen sind für alle Beteiligten eine sehr schmerzliche Angelegenheit. Man hat sich ja zusammengefunden um – unter Anführungszeichen – „ewig“ zusammen­zublei­ben. Am meisten müssen wir auch als Gesetzgeber darauf achten, dass nicht jene am meisten draufzahlen, die oft die Schwächsten bei solchen Streitigkeiten sind – und das sind die Kinder. Sie haben schon angesprochen, dass das Unterhaltsrecht in Ihrem Ressort einer Prüfung unterzogen wird beziehungsweise dass schon Arbeits­kreise dazu tagen.

Jetzt meine Frage: Wann ist zum Beispiel der erste Schritt diesbezüglich zu erwarten? Ich rede von der Kinderkostenanalyse, die ein sehr wichtiger Schritt wäre, um jene, die bei diesen Streitigkeiten oft die Schwächsten sind, nämlich die Kinder, und auch jene, die für die Kinder aufkommen, die für sie sorgen, und das sind in unserer Gesellschaft zum Großteil die Frauen, besser zu schützen.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrte Frau Abge­ordnete! Ich stimme Ihnen insofern zu, als dass die Kinder die Schwächsten in der Gesellschaft sind und wir ihnen daher unser größtes Augenmerk schenken müssen. Ich kann nur noch einmal betonen, dass wir am Beginn einer Änderung des Unter­haltsrechts zugunsten der Kinder stehen. Einzuschätzen, wie lange das dauert, das wäre jetzt wirklich nicht seriös. Ich will jetzt nicht irgendwelche Fristen nennen, denn wir sind in der letzten Zeit zu oft von sehr engen Fristvorgaben, die wir aufgrund des aktuellen Regierungsprogramms, aufgrund von Beschlüssen aus der Regierungsspitze erfüllen mussten, überrascht worden.

Ich kann nur sagen, wir haben wirklich schon relativ viele Gesetzesvorhaben durch­gebracht, wie Sie wissen, und wir haben noch einiges vor, aber auch wir haben natürlich irgendwo begrenzte Kapazitäten. Es wird daran gearbeitet, aber ich möchte mich jetzt nicht auf irgendeine Befristung festlegen, wie lange es noch dauern kann, bis wir zu einem konkreten Vorschlag gekommen sind. Sie können aber sicher sein, dass von meiner wirklich hervorragenden Fachabteilung intensiv daran gearbeitet wird.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 27

Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Schimanek.

 


Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Minister! Bereits in der letzten Gesetzgebungsperiode, jetzt mittlerweile schon vor sieben Jahren, habe ich einen Antrag auf Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes eingebracht. Damals wurde mein Antrag im Ausschuss vertagt, es gab aber partei­übergreifend Konsens darüber, dass es begrüßenswert wäre, eine parlamentarische Enquete zum Thema Unterhaltsvorschuss in Einbindung mit dem Justizministerium, mit dem Sozialministerium, auch mit der Jugendwohlfahrt und mit den Ländern abzuhalten, denn das betrifft all diese Institutionen. Diesbezüglich müsste man jetzt eigentlich den Turbo starten.

Sie haben gesagt, das steht jetzt im Regierungsprogramm, man spürt aber nicht wirklich viel, und daher meine Frage dazu: Gibt es seitens Ihres Ministeriums bereits Bestrebungen und Gespräche, eine parlamentarische Enquete zum Thema Unterhalts­vorschuss abzuhalten?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Frau Abgeordnete! Es ist Sache des Parlaments, Enqueten abzuhalten. Wenn es eine solche gibt, dann werden unsere Experten sicher gerne zur Verfügung stehen, um dort auch die entsprechende Expertise einzubringen. Dazu sind wir gerne bereit. Das ist aber eine Frage des Parlaments, und da mische ich mich nicht ein.

 


Präsidentin Doris Bures: Somit gelangen wir zur 7. Anfrage, das ist jene der Frau Abgeordneten Königsberger-Ludwig. – Bitte.

 


Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Im Anschluss an diese Fragestunde wird heute das Erwachsenenschutz-Gesetz beschlossen werden, das im Bereich der Sachwalterschaft einen Paradigmen­wechsel weg von der Entmündigung hin zur Ermächtigung einleiten wird. Ich denke, das ist ein ganz großer Schritt für die betroffenen Menschen auf ihrem Weg zu einem selbstbestimmten Leben. Dieses Gesetz wird von allen – von den betroffenen Men­schen, von den Organisationen, von allen politischen Parteien – als äußerst positiv bewertet.

Wir wissen, dass dieses Gesetz, das wir heute gemeinsam beschließen werden, ein wirklich gutes Gesetz für die Menschen ist. Der einzige Kritikpunkt im Vorfeld bezog sich auf die Änderung des Finanzrahmens, der sich im Vergleich der ursprünglichen Version mit der nun aktuellen Version, die wir heute beschließen werden, doch verändert hat, und darauf, Herr Minister, möchte ich auch meine Frage beziehen:

278/M

„Wie gedenken Sie für das für die Betroffenen so wichtige neue Erwachsenenschutz-Gesetz ausreichend finanzielle Mittel für die Erwachsenenschutzvereine sicherzu­stellen?“

(Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrte Frau Abgeord­nete! Sie wissen, dass der Nationalrat, wenn er ein Gesetz beschließt, erforder­lichenfalls auch die Budgetierung sicherstellen können wird. Der Nationalrat ist der Souverän, und dem hat auch die Regierung zu entsprechen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 28

Ich sehe in Bezug auf dieses Gesetz für die nächsten Jahre nicht wirklich ein Finan­zierungsproblem. Ich habe die Diskussion darüber mitverfolgt und auch sichergestellt, im Einvernehmen übrigens mit dem Herrn Finanzminister, dass das, was dafür an zusätzlichen Aufwendungen unsererseits notwendig sein wird – das sind pro Jahr circa 10 Millionen € –, jedenfalls auch von unseren Rücklagen gedeckt werden kann. Das ist für die nächsten Jahre sicher ausreichend. Die Bewilligung dafür, die der Finanz­minis­ter erteilen muss, haben wir für den Fall, dass das notwendig sein sollte, bekommen. Ich verstehe den Finanzminister auch, wenn er sagt, solange Rücklagen vorhanden sind, braucht es kein frisches Geld.

Wenn es erforderlich sein sollte, dass frische Budgetmittel gebraucht werden, dann, dessen bin ich sicher, wird der Nationalrat, der dieses Gesetz als solches beschließt, erforderlichenfalls irgendwann einmal – ich weiß nicht, wann – auch die Budgetmittel dafür freigeben und uns zur Verfügung stellen. Aber das ist ein langfristiges Projekt. Ich glaube auch nicht, dass es jemals ein Gesetz gegeben hat, über dessen Finanzierung über einige Jahre hinaus man sich so viele Gedanken gemacht hat wie in diesem Fall.

Ich kann nur sagen, ich befinde mich wirklich im Einvernehmen mit dem Finanz­minister. Wir haben wirklich kein Problem. Es sind Rücklagen vorhanden, die man sinnvollerweise auflösen sollte, ich sehe darin wirklich kein Problem. Ich freue mich, wenn das heute mit großer Mehrheit beschlossen werden kann, und möchte sagen, ja, es wird schon laufen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Aubauer.

 


Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Für uns ist es ganz wichtig, dass die Reform der Sachwalterschaft jetzt in die Gänge kommt, denn viele Senioren fürchten sich davor, dass sie von einem Tag auf den anderen entmündigt werden. Das kann jetzt nicht mehr passieren, denn künftig gilt: mehr unterstützen statt entmündigen.

Für uns ganz wichtig ist, dass die größtmögliche Selbstbestimmung erhalten bleibt, dass also jeder so lange wie möglich und so weitgehend wie möglich über sein Leben selbst bestimmen kann. Meine Frage dazu, Herr Minister: Wie ist im neuen Erwach­senenschutz-Gesetz diese größtmögliche Selbstbestimmung auch abgesichert?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sie ist dadurch abgesichert, dass durch ein zwingendes Klärungsverfahren – im Gesetzestext heißt es Clearing; es braucht wohl immer englische Ausdrücke – im Einzelfall, in jedem Einzelfall, geklärt werden muss, welche Art von Unterstützung denn wirklich notwendig ist. Das heißt, das, was jetzt die Regel ist, die Sachwalterschaft alten Typs, sollte wirklich nur die letzte Möglichkeit sein, wenn es keine andere Möglichkeit der partiellen Unterstützung gibt. Insofern versuchen wir eben wirklich im Einzelfall, nach einem differenzierten Viersäulenmodell die Selbstbestimmung des Einzelnen möglichst lang und möglichst umfangreich aufrechtzuerhalten. Das ist die Neuerung.

Das ist natürlich ein betreuungsintensives Modell, ja, das ist richtig, was natürlich auch der Grund dafür ist, dass es auch Kosten verursacht, aber ich denke, es ist ein Modell im Interesse der Betroffenen. Es ist eine Investition in mehr Menschlichkeit, Autonomie, Selbstbestimmung, und es ist vor allem auch ein Gesetz, mit dem wir meiner Meinung nach die Behindertenkonvention der Vereinten Nationen wirklich mustergültig um­setzen können.

 


Präsidentin Doris Bures: Somit gelangen wir zur 8. Anfrage, das ist jene des Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Berlakovich. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 29

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Schönen guten Morgen, sehr geehrter Herr Justizminister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der Insassenstand in den heimischen Justizanstalten ist kontinuierlich hoch. Das führt natürlich zu einer besonderen Belastung für das Personal.

Meine Frage daher:

284/M

„Welche Schritte wurden“ – oder werden Ihrerseits – „gesetzt, um die Personalsituation im Bereich des Strafvollzuges beziehungsweise bei der Justizwache zu verbessern?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abge­ordneter! Wir haben schon vor zwei Jahren eine doch beträchtliche Anzahl an neuen Planstellen bekommen, es hat sich aber doch schwieriger gestaltet, diese Planstellen zu besetzen, und zwar auch deshalb, weil es gleichzeitig auch Rekrutierungen für die Polizei gibt. Natürlich überschneiden sich die Interessentenkreise zum Teil, aber laut der letzten Zahlen, die mir bekannt sind, sind derzeit österreichweit noch 115 Exe­kutivplanstellen unbesetzt. Das ist natürlich mit ein Grund für die schwierige Situation der Justizwachebeamten, weil eben diese 115 Planstellen noch nicht besetzt werden konnten.

Wir haben aber gerade in der letzten Zeit gemerkt, dass wir mehr Zulauf an Aspiran­tinnen und Aspiranten haben. Das ist gut so und das freut uns auch. Wir haben – auch das muss ich sagen – auch bei den Anforderungen im Zusammenhang mit den Aufnahmekriterien nicht nachgegeben. Dazu ist der Beruf des Justizwachebeamten viel zu wichtig und selektiv. Es braucht eine bestmögliche Ausbildung, und dabei bleibt es auch. Ich kann nur sagen, ja, wir werden diese 115 offenen Stellen in der nächsten Zeit sukzessive nachbesetzen.

Die Situation für unsere Justizwachebeamten hat sich gebessert, ist aber immer noch schwierig. Daher möchte ich ihnen von dieser Stelle aus wirklich meinen Dank und meinen Respekt dafür, was sie unter diesen schwierigen Bedingungen derzeit leisten, aussprechen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Meine Zusatzfrage bezieht sich darauf, dass in den Medien immer wieder und verstärkt darüber zu lesen ist, dass die Zahl der Übergriffe, der Aggressionen gegen Justizwachebeamte steigt. Ich meine, das ist natürlich eine schlimme Entwicklung.

Daher meine Frage: Welche Maßnahmen wurden von Ihnen veranlasst, um das Per­sonal besser zu schützen, damit diese Menschen ihre Arbeit in unserem Sinne erledi­gen können?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abge­ordneter, Sie haben vollkommen recht, es kam zu einer deutlichen Steigerung von Aggressionsakten gegen unsere Justizwachebeamten. Wir haben daher schon vor einiger Zeit begonnen, die Sicherheitsausrüstung zu verbessern und zu verstärken. Wir haben in diesem Bereich einiges investiert, was auch notwendig und sinnvoll ist. Wir haben erst vor wenigen Tagen in der Josefstadt das letzte Paket mit Sicherheits­ausrüstung, das dort noch gefehlt hat, übergeben können.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 30

Ich muss schon sagen, dass mir der Schutz unserer Beamten vor Körperverletzungen besonders am Herzen liegt. Mit dieser Schutzausrüstung können wir diesen, glaube ich, auch weitgehend sicherstellen.

Natürlich bedeutet das auch, dass es aufgrund der Schutzausrüstung Gott sei Dank nicht mehr so oft zu Körperverletzungen kommen kann, und deshalb wollen wir gleich­zeitig eine gesetzliche Änderung dahin gehend herbeiführen, dass schon der Aggres­sionsakt als solcher, ohne dass dieser Verletzungen nach sich zieht, strafrechtlich entsprechend sanktioniert werden kann. Das ist auch Teil des Strafrechtspakets, das im aktuellen Regierungsprogramm enthalten ist, und das, glaube ich, macht auch Sinn, nämlich dass man solche Aggressionsakte sozusagen im Keim erstickt und an all jene, die auch nur daran denken, ein klares Signal aussendet, dass das entsprechende Konsequenzen hat.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Lausch.

 


Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Bundesminister! Um die angesprochene Personalsituation zu verbessern, bedarf es auch einer Garantie, dass die Ausübung des Dienstes nicht unter grob fahrlässigen Bedingungen hinsichtlich des Schutzes der Gesundheit der Bediensteten erfolgen muss. Durch eine offizielle Eingabe wurde die Justiz bereits am 18. September 2016 über eine Gesundheitsgefährdung durch Anti­monbelastung im Schießkeller einer Wiener Justizanstalt informiert. Erst kürzlich wurde ein weiterer Schießkeller einer Justizanstalt in Graz geschlossen. Bei einem Justiz­wachebeamten wurde sogar eine um das Achtfache zu hohe Antimonbelastung fest­gestellt. Eine Klage wegen grober Fahrlässigkeit gegen die Republik Österreich, ge­nauer definiert gegen den Arbeitgeber Justiz, steht im Raum. Bis dato wurde jedoch nicht ausreichend etwas dagegen unternommen.

Deshalb meine Frage: Was haben Sie geplant, um die vorherrschende Gesundheits­gefährdung der Bediensteten im Bereich des Strafvollzugs beziehungsweise der Justizwache zu verbessern?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Abgeordneter! Ich weiß von diesen Kontaminierungen seit wenigen Tagen. Wir haben über unsere General­direktion für den Strafvollzug sofort eine entsprechende Untersuchung eingeleitet, und das Ergebnis dieser Untersuchung wird abzuwarten sein. Wenn es erforderlich ist und wenn sich zeigt, dass es irgendwelche Versäumnisse gibt, dann wird es auch die entsprechenden Konsequenzen geben, aber das kann ich derzeit noch nicht sagen, weil diese Untersuchungen eben noch laufen. Aber sie laufen, dessen können Sie sicher sein!

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Hagen.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Sie haben damals die Übergriffe auf die Justizwachebeamtin durch die Vergewaltiger vom Praterstern, durch diese Afghanen, sicher mitbekommen. Sie haben sicher auch den Brand in der Josefstadt mitbekommen, bei dem zehn Personen verletzt worden sind, verursacht durch einen Marokkaner, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. In den Medien wurde dann berichtet, dass dieser Marokkaner, dass dieser Häftling, durch dessen Brandlegung zehn Personen verletzt worden sind, aber­mals randaliert hat und daraufhin einen Flatscreen-Fernseher bekommen hat, damit er ruhig bleibt. – Ich weiß nicht, aber ist das der übliche Umgang mit Strafge­fangenen, die aggressiv gegen Justizwachebeamten vorgehen?!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 31

Jetzt meine Frage, da immer mehr Justizwachebeamte im Dienst verletzt werden: Was gedenken Sie zu unternehmen, um Justizwachebeamte vor Übergriffen durch gewalttätige Häftlinge besser zu schützen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abge­ordneter! Die erste Frage betreffend kann ich sagen, Sie sprechen einen Einzelfall an, der in den Medien zumindest sehr verzerrt dargestellt wurde. Es gab schon einiges, was in diesem Fall auch zu berücksichtigen war, was ich aber jetzt im Detail nicht ausbreiten möchte, weil das letztlich auch dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen zuwiderlaufen würde. Aber Sie können sicher sein, dass das, was die Justizwache­beamten veranlasst haben, schon seine guten Gründe hatte. So, wie das in den Medien behauptet wurde, war es ganz sicher nicht.

Zum Zweiten: Ich habe schon erwähnt – ich will mich jetzt nicht wiederholen –, dass wir die Verteilung von Schutzausrüstung massiv verstärkt haben und auch dabei sind, ein Gesetz zu initiieren beziehungsweise haben wir es schon initiiert, das eine höhere Strafandrohung für Aggressionsakte gegen Justizwachebeamte, überhaupt gegen Beamte ganz generell, vorsieht. Das ist das, was ich derzeit dazu sagen kann.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Feich­tinger.

 


Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Guten Morgen, Frau Prä­sidentin, Herr Bundesminister! Herr Bundesminister, die Wirtschafts- und Korruptions­staatsanwaltschaft hat 2016 ihr fünfjähriges Bestehen gefeiert. Sie ist wirklich eine Erfolgsgeschichte. Es gibt nunmehr eine Außenstelle in Graz; in Linz wird eine eingerichtet.

Meine Frage an Sie: Planen Sie einen weiteren Ausbau der Planstellen dieser Behörde beziehungsweise planen Sie, auch neue Außenstellen im Westen Österreichs zu errichten?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abge­ordneter! Ich gebe Ihnen recht, es war wichtig, dass die Wirtschafts- und Korruptions­staatsanwaltschaft eingerichtet wurde und dass sie auch wirklich in Ruhe und mit der entsprechenden Ausstattung arbeiten konnte und das auch weiterhin tun kann. Die Außenstellen, die wir derzeit haben, haben sich auch durchaus bewährt. Es ist aber für uns gar nicht so leicht, höchst qualifizierte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in den Bundesländern zu bekommen, weshalb wir aktuell keine Pläne haben, weitere Außen­stellen, wenn Sie so wollen, zu errichten. Derzeit funktioniert die Struktur recht gut. Das ist eben das eine, sich vorzustellen, wie eine optimale Personalstruktur bundesweit aussehen würde, das andere aber ist, auch wirklich die richtigen Fachkräfte für jene Stellen zu bekommen, wo man sie braucht. Das ist, wie Sie wissen, nicht so einfach.

Die Entwicklung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wird natürlich weitergehen. So gesehen kann ich Ihnen nur recht geben.

 


Präsidentin Doris Bures: Somit gelangen wir zur 9. Anfrage, das ist jene des Herrn Abgeordneten Mag. Stefan. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Der Terror, der unter islamistischen Vorzeichen stattfindet, ist ein weltweites Problem, und häufig zeigt sich oder besteht zumindest der Verdacht, dass die Radikalisierung und Anwerbung in Haftanstalten stattgefunden hat.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 32

Daher meine Frage:

287/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie, um in Justizanstalten insbesondere islamistische Radikalisierungen wirksam zu verhindern?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abgeord­neter! Ihre Frage ist absolut berechtigt und gibt mir auch Gelegenheit, darauf hinzu­weisen, dass wir eigentlich schon sehr frühzeitig mit Gegenmaßen gegen die Gefahr der Radikalisierung auch in den Haftanstalten begonnen haben.

Ich darf nur stichwortartig aufzählen: Das begann natürlich mit einer intensiven Koope­ration zwischen den speziell geschulten Justizwachebeamten in jeder Justizanstalt mit dem BVT, um den Informationsfluss sicherzustellen. Das ging weiter mit dem Enga­gieren des Vereins Derad, der sich mit Deradikalisierungsprogrammen international bewährt hat und der nicht gleichzusetzen ist mit einer seelsorglichen Betreuung. Das ist etwas anderes, und das muss man auch trennen, denn das eine hat mit dem anderen nicht notwendigerweise etwas zu tun.

Ja, wir sind von Anfang an wirklich sehr vorsichtig gewesen. Wir haben derzeit in Österreich immer noch – ich kann es Ihnen nur ungefähr sagen – so circa an die 70 Personen mit dschihadistischem Hintergrund in Haft, zum Teil Strafhaft, zum Teil Untersuchungshaft, daher ist es vollkommen richtig, dass man besonders vorsichtig sein muss, um Radikalisierungen in der Haftanstalt zu vermeiden. Unsere Justizwache­beamten, die speziell dafür geschult sind und vom Verein Derad unterstützt werden, machen das, so gut das nur möglich ist.

Wie wir wissen, ist Radikalisierung nahezu überall möglich; natürlich muss man hint­anstellen, dass es durch Internet und ähnliche Einflüsse von außen dazu kommt, und das tun wir auch. Wie wir kürzlich erlebt haben, gab es offenbar auch eine Radikalisie­rung in einem Krankenhaus, im Gebetsraum eines Krankenhauses. Also man muss offenbar wirklich überall vorsichtig sein – und das sind wir auch, dessen können Sie sicher sein! Die Maßnahmen, die wir bisher gesetzt haben, haben, glaube ich, schon auch gegriffen, nämlich in ihrer feinen Abstufung.

Ich kann nur sagen, wir sind uns dieser Gefahren bewusst, und bis jetzt konnte man das bewältigen. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Die Zahl an Inhaftierten, die wir haben, ist nicht gering, das Problem ist nicht gering – wir nehmen es auch sehr ernst!

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Herr Bundesminister! International wird dieses Problem auch sehr ernst genommen. Ein wesentliches Thema dabei ist immer, das Gefahrenpotenzial, das von Menschen ausgeht, herauszufiltern. Die Personen, die aufgrund dieser Tatbestände in Haft sind, sind ja sehr heterogen. Zum Teil sind das Menschen, die sich vielleicht nur verbal äußern, und andere sind tatsächlich potenziell gefährlich. Es gibt international Methoden des Screenings, mithilfe derer dieses Gefahrenpotenzial herausgefiltert wird, um dann – und davon gehe ich aus, dass das auch in Ihrem Sinn ist – diese Personen, die wirklich gefährlich sind, zu separieren, damit sie eben nicht anwerben und die Radikalisierung vorantreiben können.

Daher meine Frage: Meines Wissens gibt es diese Art von Screening, um dieses Hoch­risikopotenzial herauszufiltern, nicht. Wenn ich falsch liege, werden Sie mir das jetzt


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sagen, wenn ich aber richtig liege, dann frage ich, ob Sie planen, das einzuführen, und wenn ja, wann diese Hochrisikohäftlinge herausgefiltert werden können.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Abgeordneter! Der Begriff Screening ist etwas vieldeutig. Ich kann Ihnen versichern, dass wir in unseren Justizanstalten, gestützt auf Informationen des BVT und mit Unterstützung inter­nationaler Institutionen – ich denke dabei vor allem an Europol –, wirklich allen Hin­weisen nachgehen, die man verfolgen muss, um das Risiko von Personen und das von ihnen ausgehende Gefährdungspotenzial möglichst genau einschätzen zu können.

Wir haben auch darüber erst vorgestern beim Justizministerrat gesprochen, da gibt es auch international – zwischen Staaten, die mit diesem Problem konfrontiert sind – einen regen Informationsfluss. Wir gehören leider zu jenen Staaten, die mit diesem Prob­lembereich in größerem Umfang konfrontiert sind als die Mehrheit der EU-Staaten. Daher sind wir international gut vernetzt, und unser BVT, das muss ich wirklich sagen, ist mit seiner Arbeit bis jetzt durchaus erfolgreich gewesen. Auf diese Ergebnisse konnten wir auch in den Haftanstalten aufbauen, deshalb gibt es diesen direkten Informationsfluss zwischen speziell geschulten Justizwachebeamten – in jeder Haftanstalt – und dem BVT.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 10. Anfrage, das ist jene des Herrn Abgeordneten Mag. Steinhauser. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Innen­minister Sobotka hat eine Debatte über das Versammlungsrecht losgetreten. Das Versammlungsrecht wurde im 19. Jahrhundert von Bürgern und Arbeitern erkämpft, in Diktaturen möchte man es immer einschränken. Diese Gefahr sehe ich nicht – damit ich nicht falsch verstanden werde –, aber das Versammlungsrecht ist das Herzstück der Demokratie; es braucht höchste Sensibilität im Umgang damit. Man sieht ja auch an europäischen Beispielen, wohin sich der Zeitgeist im Moment bewegt.

Sie haben mich überrascht – ich kenne Sie als jemanden, der Ideen nicht aus der Hüfte schießt, sondern gut überlegt –, weil Sie den Vorschlag gemacht haben, dass man bei der Interessenabwägung zur Einschränkung des Versammlungsrechts berück­sichtigen könnte, dass Meinungen auch auf Facebook, also virtuell, kundgetan werden könnten und daher Versammlungen in diesem Ausmaß nicht notwendig wären.

Meine Frage ist: Wie ist dieser Vorschlag mit dem verfassungsrechtlich garantierten Recht, sich sichtbar öffentlich zu versammeln, vereinbar?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 282/M, hat folgenden Wortlaut:

„Sie haben Ihren Vorschlag, Versammlungen einzuschränken, damit begründet, dass eine Meinung auch auf Facebook vertreten werden könne. – Wie ist dies mit dem verfassungsrechtlich garantierten Recht, sich sichtbar öffentlich zu versammeln, vereinbar?“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abgeord­neter! Sie wissen, dieses Thema ist an sich vom Tisch. Man hat sich auf eine Neu-


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regelung des Versammlungs- und Demonstrationsrechts verständigt. Das liegt nicht in meinem Zuständigkeitsbereich, aber Sie haben recht, ich habe mir am Rande eines Pressegesprächs über Themenbereiche, die meiner Zuständigkeit unterliegen, erlaubt, eine erfrischende Überlegung jenseits meines Zuständigkeitsbereichs anzustellen. Das ist ja, glaube ich, nicht verboten.

Eines denke ich mir schon, und insofern sind wir völlig einer Meinung: Man muss beim Versammlungsrecht aufpassen, dass es nicht da oder dort auf eine Art und Weise ausgeübt wird – um nicht zu sagen, missbraucht wird –, die der Bürger nicht mehr versteht. Das würde nämlich das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch wieder einschränken, weil es seine Akzeptanz beeinträchtigt. Das war meine Überlegung.

Ich denke, wir können nicht nur die Nachteile haben, sondern müssen auch die Segnungen des Internets nützen. Mich hat gestört, dass es illegale Demonstrationen, im weitesten Sinn, mit durchaus größeren Schäden an Wiener Lokalen gab; Sie erinnern sich daran. Das stört mich deshalb, weil es etwas Illegales ist und weil es der Behörde die Chance nimmt, festzustellen, ob das Thema, für das demonstriert wird, überhaupt zulässig ist. Das ist schon wichtig.

Wir bekämpfen ja Verhetzung und die Straftaten nach dem Verbotsgesetz nicht nur im Internet, wir bekämpfen sie nach wie vor auch auf der Straße, und daher müssen wir wissen, welche Demonstrationen geplant sind, um allenfalls schon frühzeitig ein­schreiten zu können. – Das ist das eine.

Das andere ist: Mein Gott, ich denke mir – und das hatte ich im Auge – bei Themen, die vielleicht schon zwei-, dreimal Gegenstand von Demonstrationen waren, und in Zeiten, in denen sich manche rühmen, dass Sie Zehntausende oder Hunderttausende Follower auf Facebook haben: Warum muss man bei der Ausübung des für mich unbestrittenen Demonstrationsrechts für vielleicht 50 Demonstranten unbedingt die Ringstraße sperren? (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Das ist meiner Meinung nach eine Überlegung, die man im Rahmen der Interes­sen­abwägung sehr wohl legitimerweise anstellen könnte. Wie gesagt, das liegt nicht in meinem Zuständigkeitsbereich, ich habe mir nur erlaubt, darauf hinzuweisen, dass manchmal – für mich verständlich – Bürger, die von vielen Nachteilen betroffen sind, vor allem in der Innenstadt, kein Verständnis mehr dafür haben. (Präsidentin Bures gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Das schwächt das Demonstrationsrecht, das uns beiden als Grundrecht heilig ist. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Ja, das Demonstrations- und Ver­sammlungsrecht ist uns beiden heilig. Ich sehe aber auch keine Missbrauchsgefahr, und vor allem sehe ich kein Recht der Behörde, die Zulässigkeit des Themas einer Versammlung zu hinterfragen. Das wird angezeigt, und das Einzige, das die Behörde hinterfragen kann, ist, ob es dem Strafrecht zuwiderläuft. Dafür braucht es aber keine Reform des Versammlungsrechts, das kann die Behörde bereits jetzt tun; sie könnte eine Versammlung untersagen, die das tut.

Ich kenne Sie aber als selbstreflexiven Minister, daher habe ich eine Zusatzfrage. Mich würde Folgendes interessieren: Würden Sie aus heutiger Sicht sagen, dass diese Idee vielleicht etwas zu schnell aus der Hüfte geschossen oder zu laut gedacht war?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Abgeordneter, ich bekenne mich dazu, dass ich mir hin und wieder Bemerkungen auch außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs erlaube. Wenn Sie so wollen, dann erlaube ich mir hin und


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wieder, laut zu denken, ich erlaube mir auch, leise zu denken, aber ich glaube nach wie vor, dass man sich im Rahmen der notwendigen Abwägung der Interessen des­jenigen, der sein Anliegen publik machen will, und der Interessen der davon Betroffe­nen, die Nachteile erleiden müssen, im Einzelfall vielleicht doch überlegen sollte, ob es wirklich notwendig ist, dass das Demonstrationsrecht auf diese Art und Weise ausgeübt wird, dass in der Innenstadt praktisch vieles blockiert und auch beeinträchtigt wird.

Wissen Sie, da muss man mit den einfachen Leuten draußen – wenn ich mir diese Bemer­kung erlauben darf – jenseits der Bannmeile, durch die das Parlament und seine Abgeordneten vor unliebsamen Demonstrationen geschützt sind, reden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mehr und mehr Menschen dafür kein Verständnis mehr haben. Das ist eine Gefahr für den Respekt vor dem Grundrecht der Versammlungs­freiheit. Dafür haben unsere Vorväter gekämpft, aber nicht dafür, dass es so ausgeübt wird, dass die Leute dafür kein Verständnis mehr haben. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Neubauer. – Abg. Rädler: Klare Worte!)

 


Präsidentin Doris Bures: Somit gelangen wir zur 11. Anfrage, das ist jene des Herrn Abgeordneten Dr. Troch. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Zum Thema Beseitigung von Unrecht gegenüber homosexuellen Menschen kann ich fest­stellen, dass in Österreich mit dem Tilgungsgesetz ein erster Schritt gesetzt wurde. Der Deutsche Bundestag hat mit einer vollen Strafaufhebung gezeigt, wie eine volle Rehabilitierung ausschaut – eine volle Strafaufhebung nach dem Muster, wie bei uns in Österreich in der Gesetzgebung mit den Opfern der NS-Justiz umgegangen wurde. Das ist sehr vorbildhaft.

Meine Frage an Sie ist nun:

279/M

„Welche Schritte gedenken Sie anlässlich des jüngsten gegenständlichen Beschlusses des Deutschen Bundestages zur vollen Rehabilitierung Homosexueller zu setzen?“

Wie stehen Sie zu den gesetzlichen Maßnahmen des Deutschen Bundestages, dass es zu Entschädigungen kommt?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abgeord­neter! Mich hat diese Frage deshalb ein bisschen überrascht, weil wir ja erst im Jahr 2015, in der 107. Sitzung des Nationalrates, eine Beschlussfassung betreffend das Bundesgesetz zur Tilgung von Verurteilungen und auch weitere Regelungen im Rahmen des Jugendgerichtsgesetz-Änderungsgesetzes hatten. Ich möchte an meine damaligen Ausführungen hier im Nationalrat erinnern – das habe ich mir heraus­gesucht –, ich habe damals, 2015, gesagt:

„Wir haben nicht nur das gemacht, was nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte notwendig war. Wir haben – und das war mir persönlich auch wichtig – in den Erläuterungen der Regierungsvorlage durch eine ent­sprechende Formulierung klargestellt, was klargestellt werden musste, nämlich dadurch, dass dort ausdrücklich zum Ausdruck gebracht wird, dass die Republik Öster­reich jede Form der Diskriminierung, Anfeindung und Gewalt gegen homo- und bi­sexuelle Frauen und Männer verurteilt und dass sie bedauert, dass homo- und bisexuelle Frauen und Männer in der Vergangenheit schweren Verfolgungen aus­gesetzt waren. Das ist, wie ich glaube, ein wichtiges Statement. Rein legistisch haben


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wir das umgesetzt, was aufgrund der höchstgerichtlichen Entscheidung notwendig war. So gesehen glaube ich, dass es auch Sinn macht, diese Regelung hier so zu be­schließen, wie sie jetzt vorliegt. Sie beruht auch auf wirklich breitem Konsens.“ – Das war im Jahr 2015, und daran hat sich für mich nichts geändert.

Die Tatsache, dass man in Deutschland Regelungen beschließt, die sich vielleicht da und dort von unseren unterscheiden, bedeutet nicht, dass wir die Sinnhaftigkeit unserer Regelungen infrage stellen müssen. Wir haben das vor nicht einmal zwei Jahren hier beschlossen, das hat sich bewährt, es soll so bleiben.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Ich schätze Sie als einen reformfreudigen, zeitgemäßen und aufgeschlossenen Minister. Meiner Meinung nach gibt es in Österreich immer noch sehr, sehr offenkundige Diskriminierungen homosexueller Menschen, vor allem im Ehe- und Familienrecht. Wenn ich mir anschaue, was in Europa in diesem Bereich inzwischen passiert ist, muss ich sagen, Österreich hinkt da nach.

Welchen Weg gedenken Sie zu gehen, um in Richtung Gleichstellung zu agieren und die Öffnung der Ehe zu forcieren?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abge­ordneter! Wir haben – das ist keine Ausrede, sondern eine Feststellung – mit der Umsetzung des Arbeitsprogramms der Bundesregierung alle Hände voll zu tun. Ich habe auch schon dargestellt, wo die Grenzen unserer Kapazitäten liegen. Wir werden all das, was jetzt auf dem Tisch liegt, wirklich so rasch wie möglich abarbeiten und dann sehen, was allenfalls noch möglich ist.

 


Präsidentin Doris Bures: Somit gelangen wir zur 12. Anfrage, das ist jene des Herrn Abgeordneten Dr. Vetter. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Georg Vetter (ÖVP): Guten Morgen, Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Nicht nur Menschen sind sehr sensibel und suchen sich den besten Wirt, auch Geld ist sehr sensibel und sucht sich den besten Wirt. Wir haben Anfang der Neunzigerjahre – übrigens unter einem sozialdemokratischen Finanz­minis­ter – die Gesellschaftsform der Privatstiftung eingeführt, und dadurch ist sehr viel Geld nach Österreich zurückgekommen. Leider sind wir jetzt in einer Situation, in der die ersten Privatstiftungen aufgelöst werden.

Meine Frage lautet:

285/M

„Welche konkrete Umsetzung ist hinsichtlich des im Aktuellen Arbeitsprogramm der Bundesregierung beziehungsweise im Regierungsprogramm vorgesehenen Punktes ‚Relaunch der Privatstiftung‘ geplant?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Abgeord­neter! Dazu kann ich sagen, dass wir mit der Reform des Stiftungsrechts schon sehr weit gekommen sind. Wir hatten im Justizministerium auch eine Arbeitsgruppe unter Einbindung aller wesentlichen Interessengruppen.

Ja, ich sehe das so wie Sie, wir müssen aufpassen, dass Österreich als Wirtschafts­standort nicht leidet. Es gibt viele, die sich aufgrund unseres Privatstiftungsrechts – so,


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wie es derzeit noch in Kraft ist – in andere Länder begeben und dort die Möglichkeiten des Stiftungsrechts, das per se nichts Schlechtes ist, wahrnehmen wollen.

Es ist auch richtig, Sie haben recht, dass das Stiftungsrecht Anfang der Neunzigerjahre unter dem damaligen Finanzminister Dkfm. Ferdinand Lacina in Österreich eingeführt wurde. Das war ein Erfolgsmodell, es hat unserem Land wirtschaftlich sehr viel gebracht. Das hat nichts damit zu tun, dass wir im internationalen Vergleich zu jenen Ländern gehören, die sehr strenge Regeln betreffend die Kontrolle von Transparenz und Geldwäsche und allem, was dazugehört, haben.

Tatsache ist, wir brauchen im Interesse des Wirtschaftsstandorts Österreich eine At­trak­tivierung des Privatstiftungsrechts im Sinne einer Verhinderung von Versteinerung des Stiftungsvermögens, im Sinne von mehr Mitbestimmung der wirtschaftlich primär Betroffenen, aber auch der Stifter sollte unter bestimmten Voraussetzungen auch noch mehr Einfluss haben.

Wir brauchen vor allem auch stabile Rechtsgrundlagen. Es schadet dem Wirt­schaftsstandort Österreich, wenn es immer wieder zu Änderungen in diesem Bereich kommt. Daher war der Auftrag, ein Privatstiftungsrecht zu konzipieren, das auch wirk­lich von Dauer sein wird und das die nötigen Verbesserungen beinhaltet. Wir sind nahezu am Abschluss dieser Arbeiten angelangt, werden das sehr bald vorlegen können, und darüber freue ich mich.

 


Präsidentin Doris Bures: Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? (Abg. Jarolim: Überwinde dich!)

 


Abgeordneter Dr. Georg Vetter (ÖVP): Da die Frage umfassend beantwortet wurde, brauche ich mich nicht zu überwinden und sage Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit sind alle Anfragen zum Aufruf gelangt, und ich erkläre die Fragestunde für beendet.

Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Bundesminister Brandstetter. (Allgemeiner Beifall.)

10.13.58Einlauf

 


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 12584/J bis 12599/J

*****

10.14.40Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsidentin Doris Bures: Der Klub von NEOS hat gemäß § 93 Abs. 2 der Ge­schäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung einge­brachte schriftliche Anfrage 12600/J der Abgeordneten Dr. Strolz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Stopp der heimlichen Steuererhöhung – Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger jetzt!“ dringlich zu be­handeln.


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Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 und 3, 4 und 5, 7 bis 9, 12 bis 14, 17 bis 21, 22 und 23, 24 bis 26, 29 und 30 sowie 31 bis 33 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 115, FPÖ 106, Grüne 89 sowie NEOS und STRONACH je 47 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 24 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die soeben dargelegten Redezeiten.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.16.161. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1461 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Erwachsenenvertretungsrecht und das Kuratorenrecht im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch geregelt werden und das Ehegesetz, das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz, das Namensänderungsgesetz, das Bun­desgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Außerstreitgesetz, die Zivilprozessordnung, die Jurisdiktionsnorm, das Rechtspflegergesetz, das Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetz, das Unter­bringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Notariatsordnung, die Rechts­anwaltsordnung, das Gerichtsgebührengesetz und das Gerichtliche Einbrin­gungs­gesetz geändert werden (2. Erwachsenenschutz-Gesetz – 2. ErwSchG) (1528 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Steinacker. – Bitte.

 


10.16.41

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Joseph Roth hat in seinem Roman „Radetzkymarsch“ wahrscheinlich sehr selbstreflektierend über die letzte Lebens­phase seines Romanhelden geschrieben: Jetzt bemerkt er, „wie schwer es ist, hilflos zu sein und würdig zu bleiben.“


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Meine Damen und Herren! Heute ist es zumindest etwas leichter geworden, würdig zu bleiben, denn soziale, karitative Organisationen und die Sachwaltervereine helfen jetzt schon mit, dass es Menschen, die Hilfe brauchen, besser geht. Wir werden heute mit dem neuen Erwachsenenschutz-Gesetz einen ganz großen Meilenstein in Richtung der differenzierten Vertretungsbefugnis, in Richtung der Selbstbestimmung der Men­schen bis zum und auch am Ende ihres Lebens beschließen.

Das ist ein großartiges Gesetz, und ich bin dankbar und glücklich, dass ich hier stehen darf und Ihnen die wesentlichen Inhalte vorstellen darf. Man ist in der Gesetzgebung nicht immer dankbar und glücklich über die Dinge, die man beschließen muss, aber das, was wir heute machen, ist wirklich ein großer Schritt für jeden von uns und für die Menschen in unserem Land. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeord­neten Jarolim und Königsberger-Ludwig.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstbestimmtes Handeln bis zum Schluss, individuelle Bedürfnisse abdecken, bestmögliche, maßgeschneiderte Lösungen und natürlich auch ein Einbinden derer, die vertreten werden: Alles das wird nunmehr abgedeckt.

Der Gesetzwerdungsprozess hat uns beeindruckt, Herr Bundesminister, da sind neue Maßstäbe gesetzt worden: Professionelles Mediieren zwischen den Stakeholdern, zwischen den Parteien, die Einbindung aller beteiligten Gruppen, und letztendlich sind auch maßgebliche Empfehlungen der parlamentarischen Enquete „Würde am Ende des Lebens“ in diesen Gesetzentwurf eingeflossen, wie zum Beispiel bei der nunmehr noch attraktiveren Vorsorgevollmacht.

Meine Damen und Herren! Das ist heute eine Premiere, das ist mein erstes Taferl. (Die Rednerin stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der in vier Balken, die jeweils zahlreiche Detailinformationen enthalten, die „4 Säulen des Erwachsenenschutz­gesetzes“ – „Vorsorgevollmacht“, „Gewählte Erwachsenenvertretung“, „Gesetzliche Erwachsenenvertretung“ und „Gerichtliche Erwachsenenvertretung“ – dargestellt sind. – Abg. Lugar: Was steht denn da drauf? – Abg. Steinbichler: Das kann man nicht lesen! Das ist nicht gescheit!)

Ich stelle das heute hierher, weil ich ganz einfach glaube, dass mit dieser Auflistung viel einfacher zu verstehen ist, welche großartigen Möglichkeiten die Menschen in Zukunft in Österreich haben werden. (Abg. Lugar: Was steht drauf?) – Es wird auf meiner Homepage und auch auf der Homepage des Justizministeriums abrufbar sein, ich erkläre es Ihnen jetzt auch gern ganz persönlich. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

Sie sehen hier, es gibt in Zukunft vier Stufen – und das ist das, was wir ausdrücken wollen –, wie man sozusagen Schritt für Schritt eine erweiterte Vertretungsbefugnis erteilen kann. Bei der Vorsorgevollmacht, die zukünftig auch bei den Erwachse­nen­schutzvereinen abgeschlossen werden kann, ist ganz wesentlich, dass diese vorsor­gende Vertretung erst dann, wenn der Vorsorgefall eintritt – wenn man tat­sächlich krank ist und dieser Hilfe bedarf –, in Kraft gesetzt wird.

Beim völlig neuen Instrumentarium der gewählten Erwachsenenvertretung werden einzelne Angelegenheiten an eine Person, die man sich einfach aussuchen kann – die nicht mit einem verwandt sein muss, das soll einfach eine Person des Vertrauens sein –, übertragen. Die kann man bevollmächtigen, für einen tätig zu werden; das kann ein Freund, eine Freundin, eine Pflegerin oder jemand, der einem nahesteht, sein.

Bisher gab es schon die gesetzliche Erwachsenenvertretung, die sogenannte Angehö­rigenvertretung; diese war automatisch gesetzlich geregelt, wurde allerdings nicht oft gewählt. Das wird nun ausgebaut. Es ist so: Menschen werden älter, die Vertretung durch Kinder beziehungsweise durch junge Leute ist fallweise schwierig. Oftmals sind


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es die Geschwister, die mehr Zeit haben, die auch zur Hand sind und das gerne übernehmen.

Das heißt: Wir werden in Zukunft mit der gesetzlichen Erwachsenenvertretung auch die Möglichkeit haben, bei der Vertretung Geschwister oder Nichten und Neffen einzu­binden. Damit wird der tägliche Bedarf abgedeckt werden können, Pflegeangelegen­heiten werden geregelt, und Behördenwege werden übertragen.

Als Clearingstelle werden zukünftig die sogenannten Erwachsenenschutzvereine tätig sein. Diese sind eine ganz wesentliche Einrichtung, denn beim Clearing, also beim Klären, wird man letztendlich nicht nur hinsichtlich der Entscheidung beraten, welche der vier Stufen der Vertretung man wählen soll, sondern auch, ob es letztendlich als Ultima Ratio doch notwendig sein wird, eine gerichtliche Vertretung zu haben, also eine Person, die man sich nicht persönlich aussuchen kann. – Danke, Herr Bundesminister, du hast alles getan, um die Finanzierung sicherzustellen.

In vielen Gesprächen, die ich im Vorfeld mit dir, mit Mitarbeitern deines Hauses und auch im Finanzministerium hatte, ist es letztendlich gelungen – ich glaube, das war ein ganz wesentlicher Schritt, den wir im Ausschuss gemacht haben –, auch die Rege­lungen betreffend Heimaufsicht da hineinzubringen, nämlich dass es zukünftig eine erweiterte Heimaufsicht geben wird. Es soll, wenn Kinder und Jugendliche in Heimen entsprechenden freiheitsbeschränkenden Maßnahmen unterzogen werden, zukünftig auch eine Kontrolle geben. Das kostet Geld, wir konnten das aber gleich mitregeln. Herr Bundesminister, danke auch für die Zusage, dass wir das finanzieren können!

Meine Damen und Herren! Es wird zukünftig sehr viel Wahlfreiheit für die Menschen geben. Sie haben große Chancen, sich selbst in dem Ausmaß helfen zu lassen, wie sie es wollen. Sie können sich entsprechende Personen aussuchen, sie können das Ganze gestalten. Es ist möglich, sehr würdevoll alt zu werden. Ein großer Wurf ist gelungen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, international werden wir zukünftig als Vorbild gelten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.22


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


10.22.16

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Es ist dies tatsächlich eines der ganz entscheidenden Gesetze der letzten Zeit. Immerhin diskutieren wir hier auch bereits seit drei Jahren, und es freut mich, dass wir dieses Erwachsenenschutz-Gesetz heute nunmehr be­schließen können. Es ist dies jenes Regularium, mit dem wir sicherstellen, dass Schwächen in der Persönlichkeit – und diese gibt es halt einmal, teilweise dann, wenn man älter wird, teilweise auch schon früher – kompensiert werden und nicht der soge­nannte, wie er früher genannt wurde, Sachwalter für eine Person quasi die Vormund­schaft übernimmt.

Das heißt, man kann jetzt sehr detailliert auf einzelne Schwächen eingehen und kann dort kompensieren, und das unter Wahrung der sonstigen Rechte der Persönlichkeit. Es gibt auch die Möglichkeit, sich an die sogenannten Clearingstellen zu wenden, damit genau untersucht wird, ob Schwächen und welche Schwächen bei einzelnen Menschen bestehen und wie man diese bestmöglich ausgleichen kann. Das zeigt, dass es da ein sehr ausgewogenes Instrumentarium gibt, um mit diesen Themen­stellungen in Zukunft besser umzugehen.


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Sie werden sich vielleicht erinnern können: Es war ja eine Aufgabe, die sich die Regierung selbst gestellt hat, diesen Entwurf zu entwickeln und fertig zu machen, und der Herr Justizminister und sein Team haben das in wirklich toller Art und Weise getan. Umso weniger habe ich es verstanden, dass wir im Endspurt der Entstehung dieses Gesetzes plötzlich eine nicht vorhersehbare Problemlage hatten, nämlich dass der Herr Finanzminister aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen leider Gottes die Finan­zierung gesperrt hat. Ich danke auch in dieser Hinsicht dem Herrn Bundesminister und allen anderen, die daran mitgewirkt haben, dass nun doch eine Finanzierung möglich ist.

Wir werden sehen, ob es wirklich möglich ist, das umzusetzen, was wir uns eigentlich vorgenommen haben. Ursprünglich waren nämlich 90 Millionen € pro Jahr vorgesehen, und nunmehr haben wir 30 Millionen €. Der Herr Minister hat Berechnungen angestellt und das Möglichste herausgeholt, und wir hoffen, dass das wirklich ausreicht. Ich glaube nämlich, es wäre inhaltlich völlig unvertretbar, bei dermaßen wichtigen Ange­legenheiten nicht sicherzustellen, dass man das, was man den Menschen verspricht, dann auch tatsächlich einhalten kann. Daher hoffe ich, dass wir, wenn es tatsächlich Schwierigkeiten gibt, den Herrn Finanzminister davon überzeugen können, dass er nicht nur für das Geld, sondern auch für die Menschen zuständig ist.

Wir haben im Vorfeld schon gehört, dass es in diesem Zusammenhang vier ver­schiedene Stufen gibt, und ich möchte bei dieser Gelegenheit auch noch einmal auf eines hinweisen: Eine der Maßnahmen ist die Vorsorgevollmacht. Viele von denen, die jetzt vielleicht zusehen, können mit diesem Begriff noch nicht wirklich etwas anfangen und haben nicht das Wissen, das wirklich notwendig ist. Ich darf Sie daher einladen, sich zu informieren, wie man davon Gebrauch machen kann.

Mit der Vorsorgevollmacht besteht die Möglichkeit, zu einem Zeitpunkt, zu dem man noch keine Beeinträchtigungen hat, für die Zeit, in der das dann möglicherweise der Fall sein wird, vorzusorgen. Das heißt, Sie können selbst entscheiden, wie man mit Ihnen umgehen soll, etwa bei der medizinischen Versorgung, wenn Schwächen ein­treten. Sie können sagen, dass Sie in dem und dem Fall so und so behandelt werden wollen. Davon sollte man Gebrauch machen, das verstehen wir unter Selbstbestim­mung.

Insgesamt ist das Gesetz daher ein großer Wurf. Wir freuen uns natürlich auch, dass es gelungen ist, in letzter Sekunde sicherzustellen, dass nunmehr auch in Heimen, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten, eine Aufsicht besteht. Wir haben ja erst vor Kurzem genau gesehen, welch unermessliches Leid es in der Vergangenheit in derartigen Heimen gegeben hat, und es wäre eine grobe Fahrlässigkeit gewesen, in Kenntnis dieser Umstände jetzt nicht sicherzustellen, dass es eine laufende Kontrolle gibt. Dafür danke ich allen, die dazu beigetragen haben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.26


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte.

 


10.26.41

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Erwachsenenschutz-Gesetz ist an sich auch für die Art und Weise, wie ein Gesetz zustande kommt, ein gutes Beispiel, weil hier lange und ausführlich diskutiert wurde.

Es geht dabei um einen sehr heiklen Bereich, nämlich darum, wie man mit Menschen umgeht, die ihre Dinge nicht mehr oder nicht mehr zur Gänze selbst regeln können und


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nicht die volle Einsichtsfähigkeit haben. Es waren alle maßgeblichen Gruppen, die damit im Zusammenhang stehen, in die Gesetzwerdung eingebunden, daher werden auch wir zustimmen, dennoch muss man auch ein paar Punkte kritisch anmerken; die positiven Aspekte sind jetzt natürlich schon von den Vertretern der Regierungsparteien angeführt worden.

Es beginnt einmal damit, dass es da ein gewisses Spannungsverhältnis gibt: Es wurde bereits herausgestrichen, dass einerseits die Selbstbestimmung zu beachten ist. Natür­lich soll der Mensch möglichst selbstbestimmt agieren, das ist auch ein ganz wesent­licher Teil unserer weltanschaulichen Grundlagen. Es ist andererseits aber auch die Frage zu beachten, dass Personen oft Schutz brauchen. Es war ein wesentlicher Aspekt der Sachwalterschaft, dass Menschen geschützt werden, weil gerade Per­sonen, die nicht mehr zur Gänze einsichtsfähig sind, sehr oft ausgenützt werden. Die­sen Menschen werden Verträge untergejubelt, und in ihrem sogenannten Freundes­kreis werden sie häufig ausgenützt, wenn sie irgendwie zu Geld kommen oder eine Rente oder sonst etwas bekommen. Dieses Spannungsverhältnis muss man sehen.

Ich denke, dass dieses Gesetz sehr sinnvoll formuliert ist. Wir werden uns natürlich auch in Zukunft anschauen müssen, ob es gelungen ist, diesen Schutz auch unter dem Gesichtspunkt zu gewährleisten, dass die Selbstbestimmung möglichst weit gegeben ist. Wie gesagt: Ich bin grundsätzlich optimistisch, aber das sollte man beobachten.

Es gibt in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach aber auch ein paar Schwach­stellen: Es gibt jetzt quasi als letzte Möglichkeit die gerichtliche Erwachsenenver­tretung. Das, was man früher im Wesentlichen Sachwalterschaft genannt hat, wird jetzt sehr viel individueller gestaltet, und es wird ausdrücklich vorgesehen, dass diese Lösung jeweils längstens drei Jahre dauern kann. Es gibt aber genug Fälle, in denen klar ist, dass auch nach drei Jahren keine Änderung mehr eintritt, und in diesen Fällen wird es natürlich schon einen größeren bürokratischen Aufwand geben, möglicher­weise auch für die Familienmitglieder beziehungsweise Angehörigen, die damit zu tun haben. Allein das wird auch für die Gerichte schlicht und einfach deutlich mehr Aufwand bedeuten und daher Geld kosten.

Diese Diskussion über das Geld ist meines Erachtens noch immer offen. Natürlich ist es schwer, abzuschätzen, was ein solches Gesetz, das zum Teil völlig neue Mög­lichkeiten bietet, wirklich auslösen wird. Eines ist aber im Vorfeld schon sehr aufge­stoßen: Es gab zuerst einmal eine Kostenschätzung des Justizministeriums; diese wurde dann aber, als der Finanzminister gemeint hat, dass man unter diesen Umständen das Gesetz nicht umsetzen könne, auf etwa ein Fünftel des ursprünglichen Betrags reduziert. – Das jedenfalls ist ein Punkt, der bei der gesamten Gesetzwerdung nach wie vor sehr aufstößt, weil man den Eindruck hat, dass die Kostenschätzungen halt so hingebogen wurden, damit man das durchführen kann. Das ist sicherlich nicht die Vorgangsweise, die gut ist! (Beifall bei der FPÖ.)

Offen ist für mich auch noch, dass bei der gerichtlichen Erwachsenenvertretung jetzt nicht mehr zwingend ein Gutachten eines Psychiaters vorgesehen ist. Es wurde gesagt, dass man früher sehr schnell entmündigt werden konnte. Das ist einerseits richtig, aber andererseits hat es zumindest immer ein Gutachten geben müssen, was natürlich ein Hemmnis war und dazu geführt hat, dass es in diesem Verfahren neben dem Richter jedenfalls noch eine zweite Person geben musste, die eine Entscheidung trifft. – Das ist jetzt als Prinzip weggefallen.

Ich bin gespannt, was die Praxis bringen wird, denn ich gehe davon aus, dass Richter sich nach wie vor eines Gutachtens bedienen werden, und das ist dann natürlich wiederum eine Kostenfrage, weil der Staat dafür ja letztendlich die Kosten zu tragen hat. – Auch das ist für mich also noch offen.


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In Summe ist das, wie gesagt, eine sinnvolle Weiterentwicklung. Wir werden sehen, wie das in den nächsten Jahren läuft, und ich hoffe, dass man dann so flexibel ist, das auch künftig mit uns zu diskutieren. Insofern ist auch der Antrag der Grünen sinnvoll, dass wir im Parlament die Berichte über die Informationen, die da ausgetauscht wer­den, bekommen. Ich hoffe, dass wir tatsächlich einen sinnvollen Schritt im Sinne der Selbstbestimmung auch dieser Menschen gemacht haben. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Scherak.)

10.31


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser zu Wort. – Bitte.

 


10.31.41

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Nach Abgeordnetem Stefan muss ich das Pult herunterfahren, denn er ist ein bisschen größer als ich. – Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Gesetz kann ein Meilenstein der Justizpolitik werden. Für die fachliche Arbeit muss man sich schon jetzt bei den Beamtinnen und Beamten des Ministeriums bedanken, die mit viel Akribie und Genauigkeit über einen längeren Zeitraum ein sehr gutes Gesetz ausgearbeitet haben und damit auch auf ein men­schenrechtliches Problem reagiert haben, dass nämlich immer mehr Menschen besachwaltet werden, was natürlich ein sehr intensiver Eingriff ist, der von den Betroffenen auch als intensiver Eingriff erlebt wird. Wir alle kennen die Zuschriften von Betroffenen, die sich über ihre Situation beschweren.

Die Zahl der Sachwalterschaften ist in den letzten Jahren auch deutlich gestiegen. Das mag zu einem gewissen Teil natürlich auch dem positiven Aspekt der höheren Lebens­erwartung geschuldet sein, ein Grund dafür liegt aber mit Sicherheit auch im alten Gesetz, gemäß dem sozusagen die Einladung bestand, für alle Angelegenheiten eine Besachwaltung vor allem durch Institutionen und Pflegeeinrichtungen auszusprechen.

Mit diesem Gesetz wird versucht, die Autonomie der Betroffenen zu stärken; das ist der absolut richtige Ansatz. Es ist kein automatischer Verlust der Geschäftsfähigkeit mehr vorgesehen, das ist sehr positiv. Es werden die Persönlichkeitsrechte insgesamt gestärkt, es gibt ein verpflichtendes Clearing. Das wird zu einer Reduktion der Erwach­senen­schutzvertretungen führen. Außerdem gibt es – wie auch schon angesprochen wurde – keine Möglichkeit mehr, für alle Angelegenheiten eine Vertretung, die früher Sachwalterschaft geheißen hat, zu berufen.

Ich habe eingangs eine vorsichtige Formulierung gewählt, ich habe gesagt: Dieses Gesetz kann ein Meilenstein werden. Der Erfolg des Gesetzes hängt nämlich auch davon ab, ob eine ausreichende Finanzierung für Gerichte und Einrichtungen gegeben ist, damit das, was das Gesetz andenkt, auch gelebt werden kann. Wir haben das im Ausschuss schon sehr ausführlich debattiert, und diesbezüglich habe ich doch eine gewisse Skepsis. Warum? – Die Kostenschätzung im Ministerialentwurf und die Kosten­schätzung in der Regierungsvorlage weichen sehr stark voneinander ab, ohne dass sich am Gesetz grundlegend etwas verändert hat. Das heißt, man hat einfach die finanziellen Voraussetzungen verändert, ohne dass das irgendwo in einer inhaltlichen Veränderung begründet ist.

Im Hinblick darauf muss man schon dazusagen, warum das so war: Der Gesetz­werdung ist nämlich ein Konflikt zwischen dem Finanzminister und dem Justizminister um die Finanzierung vorausgegangen, und dieser Konflikt konnte nicht in der Weise gelöst werden, dass das Finanzministerium die ausreichende Finanzierung zusagt, sondern er wurde dadurch gelöst, dass die Kostenfolgeabschätzung, die Schätzung,


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was dieses Gesetz an Kosten auslösen wird, schlicht und einfach an den Rahmen angepasst wurde, den der Finanzminister zur Verfügung gestellt hat.

Ich mache dem Justizminister gar keinen Vorwurf! Ich glaube, er hat sich um die Finanzierung bemüht. Er konnte sich nur gegen den Finanzminister nicht durchsetzen, und ich möchte auch darlegen, damit das hier festgehalten ist, wo die Unterschiede liegen und wo die Probleme zukünftig auftreten können.

Wir haben auch den Budgetdienst des Parlaments um eine Einschätzung ersucht, und ich möchte mich auch beim Budgetdienst bedanken. Diese Einschätzung war sehr hilfreich, um nachvollziehen zu können, ob diese Veränderungen begründet oder unbegründet waren.

Was ist der erste Punkt? – Der erste Punkt war der Personalaufwand im Bereich der Justiz. Im Ministerialentwurf hat es noch geheißen, dass es 13 zusätzliche Kanzlei­kräfte und 16 Planstellen im Bereich des richterlichen und nicht richterlichen Personals braucht. Nach dem Streit mit dem Finanzminister war laut Regierungsvorlage plötzlich kein Personalbedarf mehr notwendig, null Planstellen für Richter und nicht richterliches Personal, null Planstellen für Kanzleikräfte.

Der Justizminister hat gesagt, es sei nicht berücksichtigt worden, dass durch den Wegfall der Besachwaltungen möglicherweise auch der Arbeitsaufwand sinkt. – Auch das ist aber nur teilweise nachvollziehbar, weil es im Ministerialentwurf noch ganz klar geheißen hat, man schätze, dass es in zehn Jahren eine Reduktion um ein Drittel geben und eine Entlastung erst später eintreten wird, weil der Personalaufwand durch die notwendigen Überprüfungen zunächst einmal steigen wird. – Der Budgetdienst hat relativ klar gesagt: Die Einsparungen und der Mehraufwand werden da unsaldiert gegenübergestellt und sind so nicht nachvollziehbar.

Der zweite Punkt waren die Sachverständigenkosten: Ich finde das Ganze überhaupt bemerkenswert, weil da einfach an der Zahlenschraube gedreht wurde, ohne dass das nachvollziehbar ist. Im Ministerialentwurf hieß es, das neue Recht erspare uns 1 000 Gutachten zu 500 € und man werde in einem Drittel der Fälle keine Gutachten brauchen. Ohne dass sich etwas ändert, sollen das nun aber plötzlich 1 400 Gutachten sein, die Ersparnis beträgt 700 €, und in der Hälfte der Fälle wird es kein Gutachten brauchen. – Da fehlt jede Substanz, warum sich diese Zahlen so ändern.

Der dritte Punkt ist der Transferaufwand: Damit meint man das, was die Erwachse­nenschutzvereine für ihre Vertretung und ihre Aufgaben bekommen sollen. Das ist sehr wichtig, denn diese erbringen das obligatorische Clearing. Das heißt, diese Institu­tionen sind jene Stellen, an denen geschaut wird, welche Art von Vertretung notwendig ist, und dort liegt sozusagen auch der Kern für das Gelingen des Gesetzes. Es gibt 113 Betreuungsstellen, die dieses obligatorische Clearing und die Registrierung der Vertretungen machen werden. Zunächst hat es im Ministerialentwurf geheißen, es gebe 11 Millionen €, valorisiert bis 2022. In der Regierungsvorlage hat man plötzlich gesagt, das sei nicht notwendig, schon im Jahr 2022 werde dieser Betrag auf null sein. – Auch das ist nicht nachvollziehbar. Es kann zwar durch weniger Vertretungen zu Einsparungen kommen, aber diese werden erst später wirksam, daher ist das nicht nachvollziehbar.

Ich kann dem Herrn Justizminister schon zugestehen, dass die Kostenschätzung für ein solches Gesetz äußerst schwierig ist und man das nicht auf Punkt und Beistrich vorhersagen kann. Möglicherweise mag es schon stimmen, dass man vielleicht im Ministerialentwurf sehr vorsichtig geschätzt hat und dann in der Regierungsvorlage das Einsparungspotenzial sehr positiv geschätzt hat. Ich halte das trotzdem für nicht ganz


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unproblematisch, wir haben deswegen im Ausschuss auch dagegengestimmt. Im Ausschuss hat der Herr Justizminister aber gesagt, dass er die volle Garantie über­nimmt, dass die Justiz, also er, dafür sorgen wird, dass die Finanzierung dieses Gesetzes gesichert ist, selbst wenn ein Mehraufwand für dieses Gesetz entsteht.

Das heißt, das ist eine absolute Zusage. Wenn das Ganze mehr kostet, das heißt, wenn der positiv geschätzte Fall nicht eintritt, garantiert er, dass das Geld aufgestellt wird. Das halte ich für ganz zentral. Das ist ein Versprechen, das gegenüber dem Parlament abgegeben wird, ein klares Wort. Wenn das nicht eintritt, dann wird er an diesem Wort zu messen sein. Weil es diese sehr starke Zusage des Ministers gibt, haben wir uns entschlossen, jetzt diesem Gesetz zuzustimmen. Ich hoffe, dass dieses Wort hält. Das ist schon sehr gewichtig, Herr Minister, denn wenn das nicht eintreten wird, dann wird man Sie an Ihrem Wort messen.

Es gibt noch etwas, das sehr sinnvoll ist: Zwischen Justizministerium und Finanzminis­terium wurde ein Monitoring vereinbart, das heißt, man schaut sich an, wie sich das Gesetz auswirkt. Da das Parlament Ihr Versprechen hat, wäre es an sich sinnvoll, dass das Ergebnis dieses Monitorings uns zugeleitet wird.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend das Finanz-Monitoring zum 2. Erwachsenenschutz-Gesetz

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert, die Ergebnisse des Monitorings zum 2. Erwachsenenschutzgesetz, das zwischen dem Bundesministerium für Justiz und dem Bundesministerium für Finanzen vereinbart wurde, jährlich dem Nationalrat zu übermitteln.“

*****

Das ist deswegen wichtig, weil wir anhand des Monitorings genau feststellen können, wie sich die Kosten im Rahmen der Umsetzung des neuen Erwachsenenschutz-Gesetzes entwickeln und ob da nachjustiert werden muss, das heißt, ob der Herr Justizminister sein Versprechen einlösen muss. – So einfach ist das.

Folgendes ist mir unverständlich: Wir haben schon im Ausschuss vorgeschlagen, dass man dem Parlament das Monitoring zuleitet. Das ist abgelehnt worden – nicht von Ihnen, Herr Justizminister, das weiß ich, Sie wären bereit, das grundsätzlich zur Verfügung zu stellen, aber ÖVP und SPÖ sagen: Nein, das interessiert uns nicht, das will das Parlament nicht wissen! Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

Wenn wir heute das Gesetz beschließen, haben wir die Verantwortung, dass die Finanzierung am Ende auch steht, wir haben das Versprechen des Justizministers, und ich möchte das anhand dieses Monitorings messen. Ich ersuche daher darum – wir haben uns jetzt einen Schritt bewegt, Vertrauensvorschuss –, dass sich das Parlament auch für das Monitoring interessiert und uns hier entgegenkommt und vielleicht zustimmt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.41


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Helene Jarmer, Freundinnen und Freunde betreffend des Finanz-Monitorings zum 2. Erwachsenenschutz-Gesetz

eingebracht im Zusammenhang mit dem Bericht des Justizausschusses über die Regie­rungsvorlage (1461 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Erwachsenenver­tretungs­recht und das Kuratorenrecht im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch geregelt wer­den und das Ehegesetz, das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz, das Namensände­rungsgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Außer­streitgesetz, die Zivilprozessordnung, die Jurisdiktionsnorm, das Rechtspflegergesetz, das Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetz, das Unter­bringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Notariatsordnung, die Rechts­anwalts­ordnung, das Gerichtsgebührengesetz und das Gerichtliche Einbringungsge­setz geändert werden (2. Erwachsenenschutz-Gesetz – 2. ErwSchG) (1528 d.B.)

Begründung

Kosten und Finanzierung des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes wurden im Vorfeld der Beschlussfassung heftig diskutiert. Ein Kritikpunkt war, dass die tatsächlichen Kosten in der Regierungsvorlage zu niedrig bemessen wären und damit die Finanzierung und in Folge die volle Umsetzung gefährdet seien. Justizminister Brandstetter hat im Justiz­ausschuss mehrfach betont, dass es schwierig ist, die genauen Kosten des gesetz­lichen Vorhabens vorherzusagen. Der Justizminister betonte aber, dass selbst bei höheren Kosten die Maßnahmen des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes finanziert werden. Er hat damit eine Garantie abgegeben, dass die Kostenentwicklung im Auge behalten wird und ein entstandener Mehrbedarf auch tatsächlich finanziell abgedeckt werden kann.

Der Budgetdienst des Parlaments hat in seiner Anfragebeantwortung vom 10.3.2017 darauf verwiesen, dass zwischen dem Bundesministerium für Justiz und dem Bundes­ministerium für Finanzen ein laufendes Monitoring über die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes vereinbart wurde. Der Budgetdienst hat daher angeregt, die Ergebnisse dieses Monitorings dem Nationalrat zur Verfügung zu stellen, damit der Gesetzgeber sich ein Bild über die Entwicklung machen kann.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert, die Ergebnisse des Monitorings zum 2. Erwachsenenschutzgesetz, das zwischen dem Bundesministerium für Justiz und dem Bundesministerium für Finanzen vereinbart wurde, jährlich dem Nationalrat zu übermitteln.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Scherak gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 47

10.41.09

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Wenn wir so eine einhellige und konstruktive Debatte zu einem neuen Gesetz haben, spricht es ja grundsätzlich für die Qualität des Gesetzes. Ich bin sehr froh, dass nun alle Fraktionen dem neuen Erwachsenenschutz-Gesetz zustimmen werden.

Ein Grund dafür, dass wir das brauchen, ist insofern klar, als wir bis jetzt mit einem sehr antiquierten Gesetz, dem Sachwalterrecht, gearbeitet haben, das eben nicht auf das abgezielt hat, was das neue Erwachsenenschutz-Gesetz machen soll, nämlich auf die maximale Selbstbestimmtheit der Personen, die eine Vertretung brauchen.

Jetzt kann man darüber diskutieren, ob das Gesetz schon ein Meilenstein ist. Ich glaube, das Gesetz an sich ist ein Meilenstein, es gibt aber natürlich den Wermuts­tropfen, dass wir uns bei der Finanzierung nicht sicher sind, ob das so kommen wird und so durchzuhalten sein wird; dazu komme ich aber später noch einmal.

Ganz kurz noch zu den Möglichkeiten, die Frau Kollegin Steinacker vorgestellt hat, dazu, dass es in Zukunft eben ganz individuelle Möglichkeiten der Vertretung gibt, die genau darauf abzielen sollen, welches Bedürfnis und welche Notwendigkeit gegeben ist:

Erstens: die gerichtliche Erwachsenenvertretung, die den Sachwalter ersetzen soll und die eben nicht so wie bisher für alle Angelegenheiten pauschal gilt, sondern auch eingeschränkt werden kann.

Zweitens: die gesetzliche Erwachsenenvertretung durch einen nahen Angehörigen. Auch das geschieht nicht mehr unmittelbar durch Gesetz, sondern nur, wenn man in das Zentrale Vertretungsverzeichnis eingetragen ist. Hier ist zusätzlich auch eine ge­richt­liche Kontrolle nach drei Jahren vorgesehen.

Ganz neu ist die gewählte Erwachsenenvertretung, das heißt, dass man sich als Betroffener selbst einen Vertreter aussuchen kann. Auch da kommt es zu einer ent­sprechenden gerichtlichen Kontrolle, und auch das kommt nur dann zur Anwendung, wenn man ins Vertretungsverzeichnis eingetragen ist.

Dann gibt es weiters die Attraktivierung der Vorsorgevollmacht, die die Möglichkeit bietet, dass man, wenn der Vorsorgefall eintritt, einen Vertreter hat.

Das heißt, das ist ein modernes Gesetz, das den individuellen Interessen der Betrof­fenen entspricht. Was mich zusätzlich noch freut, ist, dass wir die Problematik, die wir im Ausschuss auch schon besprochen haben, nämlich den mangelnden Rechtsschutz für junge Menschen, die in Pflegeheimen sind, auch noch lösen konnten. Das ist etwas sehr Positives. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt komme ich zum leider großen Wermutstropfen bei diesem Gesetz, das ist die Finanzierung, es ist schon angesprochen worden. Das erste Problem ist, dass es jetzt einmal über die Rücklagen des Justizministeriums finanziert werden wird. Das zweite Problem ist, dass es fraglich ist, ob die Rücklagen ausreichen werden. Es ist quasi gesichert, dass es für die nächsten drei Jahre ausreicht; es gibt das Bekenntnis des Ministers, dass er sich entsprechend dafür einsetzen wird, dass es mehr wird.

Die Frage ist nur: Glaubt man überhaupt, dass diese Rücklagen ausreichen werden, wenn im Ministerialentwurf ursprünglich eine Kostenschätzung von 84,5 Millionen € ent­halten war und jetzt in der Regierungsvorlage eine Kostenschätzung von 26,5 Mil­lionen € enthalten ist? – Erklärbar ist das Ganze nicht, wenn man sich das überlegt. (Abg. Schönegger: Das haben wir im Ausschuss schon geklärt!) – Kollege Schönegger hat das schon im Ausschuss geklärt. Meine Theorie ist grundsätzlich,


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dass man einfach nur durch vier dividiert hat, das geht sich nicht ganz aus, aber grundsätzlich haben wir ein Problem betreffend die Kostenschätzung.

Die zweite Frage ist: Können die Rücklagen das überhaupt finanzieren? – Immer dann, wenn wir über justizpolitische Themen diskutieren, kommen wir am Schluss zum Ergebnis: Wir werden das über Rücklagen finanzieren! Kollege Steinhauser hat im Ausschuss gesagt, dass das so ähnlich wie bei der Vermögensteuer ist, die von SPÖ und Grünen immer gefordert wird; diese ist fiktiv auch schon für so viele Dinge ein­gesetzt worden, dass sie am Schluss auch nicht reichen wird. Ähnlich ist es mit den Rücklagen im Justizbudget: Wir haben schon sehr viele Projekte besprochen, Sie haben schon sehr oft gesagt, Herr Minister, dass Sie dieses und jenes Projekt im Justizbereich mit den Rücklagen finanzieren werden. Schauen wir einmal, welches es dann wird! Fakt ist trotzdem, dass die Rücklagen – und das haben Sie auch schon öfter gesagt, immer wenn wir über das Budget diskutieren – wohl nur bis 2018 reichen, spätestens 2019 nicht mehr ausreichen werden. Das heißt, wir haben da ein wesent­liches Problem.

Ich hoffe grundsätzlich auch, und das soll ja das Ergebnis des neuen Erwachsenen­schutz-Gesetzes sein, dass die Kosten zurückgehen. Das ist unser aller Wunsch. Das Problem ist nur, dass es natürlich – und da haben Sie recht – sehr schwierig ist, überhaupt eine Prognose zu erstellen. Wenn man sich aber anschaut, was ursprüng­lich im Ministerialentwurf stand und was jetzt in der Regierungsvorlage steht, dann muss man sagen, das ist wirklich nicht nachvollziehbar, dass das seriös sein soll, wenn man faktisch einfach die Kosten durch vier dividiert. (Abg. Aubauer: Das sind Schätzungen!)

Kollege Rossmann hat eine Anfrage an den Budgetdienst des Parlaments gestellt, denn da gibt es einfach ein paar Sachen, die wirklich abenteuerlich anmuten. Zunächst war die Situation, dass man gesagt hat, die gerichtliche Erwachsenenvertretung werde nach und nach zurückgehen, aber am Anfang werde es zu einem Mehraufwand kommen; das ist das, was im Ministerialentwurf steht. In der Regierungsvorlage steht, dass es von Anfang an überhaupt keinen Mehraufwand geben wird. – Das ist jedenfalls problematisch.

Auch wenn es um die Einsparungen bei den Werkleistungen geht – Herr Kollege Steinhauser hat diese doch sehr absurden Zahlen schon angesprochen –: Einerseits wird im Ministerialentwurf davon ausgegangen, dass wir uns 1 000 Gutachten ersparen werden, die Regierungsvorlage kommt jetzt plötzlich zum Ergebnis, dass wir uns 1 400 Gutachten ersparen werden. Im Übrigen ist die Einsparung dann auch noch mehr, weil die Durchschnittskosten der Gutachten im Ministerialentwurf mit 500 € angenommen werden, die Regierungsvorlage hingegen geht von 700 € aus. – Man hätte zumindest erwarten können, dass man die Durchschnittskosten von Gutachten im Vorhinein ausrechnen kann, weil man ja weiß, wie viel so ein Gutachten kostet. Insgesamt ergibt das dann natürlich eine viel größere Ersparnis, wenn man einfach von anderen Zahlen ausgeht.

Was die Budgetierung betrifft, ist das also etwas problematisch. Der Budgetdienst des Parlaments kommt abschließend auch zu folgendem Ergebnis, das ich kurz zitieren will: „Aus Sicht des Budgetdienstes sind die grundlegenden Ausgangsgrößen, Annah­men und Parameter der WFA“ – wirkungsorientierten Folgenabschätzung – „bei meh­reren Aufwandspositionen nicht im notwendigen Umfang transparent dargestellt und erläutert. Die Abschätzungen der finanziellen Auswirkungen und damit auch die Ände­rungen zwischen dem ME und der RV“ – dem Ministerialentwurf und der Regierungs­vorlage – „können daher nicht ausreichend nachvollzogen werden.“


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Herr Minister! Was wir alle nicht wollen, ist, dass die Reform deswegen scheitert, weil die Finanzierung nicht gesichert ist. Wir alle hoffen, dass die Prognosen, die in der Regierungsvorlage enthalten sind, auch halten werden. Wir alle hoffen, dass es sich mit der Finanzierung ausgehen wird, weil sonst eben ein Gesetz, das wirklich ein Meilenstein ist, am Schluss ad absurdum geführt wird. Momentan fehlt mir noch der Glaube, wir werden aber selbstverständlich zustimmen, weil das Gesetz an sich richtig ist.

Dass man bei der Finanzierung ein wenig herumzurechnen beginnt, wenn es sich halt gerade nicht ausgeht, ist nicht sinnvoll, entspricht der Wichtigkeit des Gesetzes nicht. Nichtsdestotrotz hoffen wir, dass es gut geht und dass wir mit diesem großartigen Gesetz endlich zu einer sinnvollen und menschenrechtlich adäquaten Vertretung von betroffenen Personen kommen werden. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

10.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


10.47.48

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minis­ter! Hohes Haus! Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von mir. Na ganz so ist es ja auch wieder nicht.

Vorweg: Wir werden zustimmen, weil es eine wesentliche Verbesserung für die Situ­ation der betroffenen Menschen ist und mehr Menschlichkeit in dieser Angele­genheit zu befürworten ist. Wir alle kennen die Schlagzeilen und Fernsehberichte, dass betroffene Menschen teilweise von Anwälten, die 75 Menschen gleichzeitig besach­waltet haben, besachwaltet worden sind. Da kann man ja gar nicht auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. Da war Verbesserungsbedarf gegeben, das haben das Ministerium und die Politik erkannt, das ist auch wichtig.

Wenn wir jetzt zurückschauen: Im Jahr 2003 gab es noch 30 000 besachwaltete Per­sonen, und diese Zahl hat sich nach dem Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 bis zum Jahr 2015 auf 60 000 Fälle erhöht, also verdoppelt. Wenn man weiß, dass in 50 Prozent dieser Fälle die Sachwalter für alle Angelegenheiten bestellt worden sind, dann ist dieses Gesetz doch ganz gut, weil man den Menschen mehr Möglichkeiten gibt, mitzubestimmen, wenn sie besachwaltet werden. Das ist mit einem gewählten Erwachsenenvertreter möglich, das wurde hier schon angesprochen. Das ist meiner Ansicht nach ein wichtiger Schritt. Es wird auch die Verwandtschaft stärker eingebun­den. – Es sind doch viele Punkte, die meiner Ansicht nach zu mehr Menschlichkeit beitragen, deswegen ist es auch gut so und wird von uns natürlich unterstützt. (Beifall beim Team Stronach.)

Natürlich haben sich dann auch bei uns einige Fragen gestellt. Wenn es zwischen Ministerialentwurf und Regierungsvorlage finanzielle Differenzen von vielen Millionen Euro gibt, dann läuten bei uns als Vertreter einer Wirtschaftspartei natürlich die Alarmglocken, dann fragen wir uns: Warum und wieso? – Jetzt kann man sagen, der personelle Mehraufwand ist da sicher ein Thema, wir werden in diesem Bereich mehr Richter bestellen müssen – ganz klar, das kostet Geld, das ist in Ordnung. Dann hat es verschiedene Erklärungen gegeben, die meiner Ansicht nach so oder so begründet werden können; das ist im Vorhinein immer schwer zu sagen. Im Großen und Ganzen kann man dem aber etwas abgewinnen und dann auch sagen: Okay, das wird gerechtfertigt sein! Wie es sich dann wirklich auswirkt, sehen wir nach der Probephase, nach der dann ja die Zahlen auf dem Tisch liegen werden; dann werden wir sehen, ob das Ministerium mit den Schätzungen richtig gelegen ist oder nicht. Daran soll es aber nicht scheitern. Verbesserungen kosten ab und zu Geld, das muss man akzeptieren.


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Herr Minister, ich bin schon erfreut – muss ich jetzt ehrlich sagen –, dass da einmal die Politik von sich aus entschieden hat. Es gab einen langen Prozess, bei dem wir Natio­nalratsabgeordnete auch wirklich mitreden konnten und viele Experten eingebunden worden sind. Das ist ein positiver Schritt.

Herr Minister, ich möchte Sie einladen, das auch künftig bei Gesetzesvorschlägen so zu handhaben. Sie kennen meine Anliegen: Familienrecht, Unterhaltsrecht, Schei­dungs­recht und so weiter. Da wäre viel zu tun, vielleicht nicht jetzt gleich – ich weiß schon, man kann nicht alles auf einmal machen –, aber ich wäre froh, wenn wir im Nationalrat mehr Entscheidungen nach dieser Vorgangsweise treffen würden, man sieht ja, dass etwas Positives herauskommt. Vielleicht würden uns dann die Bürger draußen auch besser verstehen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

10.51


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Bundesminister Dr. Brandstetter zu Wort. – Bitte, Herr Minister.

 


10.51.49

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte ganz bewusst auch darauf eingehen, was noch an Bedenken hinsichtlich der Finanzierung dieses Gesetzes geäußert wurde, die auf absehbare Zeit wirklich gesichert ist. Ich dachte eigentlich auch, dass wir das im Justizausschuss ausreichend haben klären können, nämlich auch die Tatsache, dass die Veränderungen in der Kostenein­schät­zung sehr wohl eine sachliche Begründung hatten.

Ich habe auch schon im Justizausschuss gesagt, dass ich von mir aus wollte – das ist auch in den Erläuterungen enthalten und wird auch so sein –, dass es jedes Jahr ein Monitoring bezüglich der Kosten gibt, weil diese gerade bei diesem Gesetz so schwer einzuschätzen sind. Daran aber, dass diese Kosten auf absehbare Zeit problemlos bewältigbar sind, kann ernsthaft eigentlich niemand zweifeln, nicht zuletzt aufgrund der Möglichkeit des vom Finanzressort gestatteten Rückgriffs auf unsere Rücklagen, die relativ hoch sind.

In diesem Zusammenhang möchte ich schon eines sagen: Es war die erste Kosten­schätzung sicherlich nicht ganz exakt, weil man gar nicht die Notwendigkeit sah, die Kosten so genau zu schätzen, was in vielen anderen Fällen sicherlich genauso ist. Im Zuge der durchaus kritischen, aber immer sachlichen Diskussionen mit dem Finanz­ressort kam man zum Schluss, dass ein Mehrbedarf, vor allem auch beim Richter­personal, nicht gegeben sein wird, weil wir in bestimmten Bereichen, vor allem bei Bezirksgerichten, Einbrüche haben, was die Belastung betrifft, die durch dieses Gesetz wieder aufgefangen werden können.

Es gab also sachliche Diskussionen in jede Richtung, und daher kann ich wirklich sagen, dass das, was dann am Schluss herausgekommen ist, sehr wohl fundiert ist. Ich verstehe zum heutigen Zeitpunkt die Kritik an dieser Kostenfrage eigentlich nicht, das wurde geklärt.

Ich selbst habe ja ein jährliches Monitoring gemeinsam mit dem Finanzressort initiiert, und so ist es ja überhaupt keine Frage, dass jeder Abgeordnete im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage das Ergebnis dieses Monitorings jederzeit abfragen kann, und das haben wir auch im Justizausschuss schon besprochen.

Ich möchte eines schon klar festhalten: Es gab ganz normale sachliche Diskussionen aufgrund von Argumenten des Finanzministeriums, die durchaus nachvollziehbar waren. Ich finde, es war an der Grenze zur Fairness, dem Herrn Finanzminister zu unterstellen, er hätte quasi kein Herz für diejenigen, die von dieser Regelung betroffen


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sind. Das habe ich nicht wirklich verstanden. Er hat sein Budget zu verteidigen, das tut er sehr konsequent, und ich habe auch Verständnis für einen Finanzminister, der einem Ressortchef sagt: Solange es Rücklagen in dieser Höhe gibt – das sind ungefähr 160 Millionen € –, ist es nicht notwendig, neu zu budgetieren.

Wenn es nach Aufbrauchen der Rücklagen einmal notwendig sein wird, dann wird es natürlich auch an Ihnen, meine Damen und Herren, am Parlament, liegen, im Rahmen eines Budgetbeschlusses sicherzustellen, dass die Umsetzung dieses Gesetzes auch in fernerer Zukunft finanziert werden kann.

So gesehen erlaube ich mir, alles, was hier jetzt noch zum Thema Finanzierung gesagt wird, als ein etwas beckmesserisches Herummäkeln zu qualifizieren, beziehungsweise fällt mir da, wenn Sie so wollen, der alt-wienerische klassische Ausdruck Herumsudern ein. Das ist, glaube ich, nicht notwendig und wird auch der Bedeutung dieses Gesetzes nicht gerecht.

Zum Inhaltlichen, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wurde schon alles Wesentliche gesagt. Der Justizsprecher der Freiheitlichen Partei, Harald Stefan, hat gesagt, dass die Sachwalterschaft eigentlich dem Schutz der Betroffenen diene. – Ja, das ist von der Grundidee her schon richtig, das stimmt schon. Man könnte, salopp formuliert, sagen: Der Sachwalter will ja für seinen Schützling nur das Beste. Nur gerade dieses Beste wollen die Betroffenen auch behalten, nämlich ihre Autonomie, ihre Selbstbestimmung; diese wollen sie möglichst lange aufrechterhalten können.

Da muss man klar sagen, dass in den letzten zehn Jahren – und das ist doku­mentierbar – bei der Sachwalterschaft oft weniger der Rechtsschutz für die betroffenen Personen im Vordergrund gestanden ist, sondern eher das Service für Banken, Versicherungsträger, Ämter und Fürsorgeeinrichtungen – kurz: Im Mittelpunkt stand die Verlässlichkeit des Geschäftsverkehrs und nicht die Interessenlage des Betroffenen. Und genau das ist jetzt die Umkehr, genau das ist der Paradigmenwechsel. In Zukunft geht es darum, dass die Interessen des Betroffenen im Vordergrund stehen und nicht die Frage: „Funktioniert“ er im Geschäftsverkehr noch oder nicht?

Man muss einmal klar sagen – und das habe ich in vielen Gesprächen mit Betroffenen und der Volksanwaltschaft vernommen –: Man hatte den Eindruck, dass jemand, wenn er im Geschäftsverkehr nicht „funktioniert“, einen Sachwalter bekommt. Das müssen Sie auf der Zunge zergehen lassen, wie brutal das ist. Das ist unmenschlich: Jemand „funktioniert“ nicht im Geschäftsverkehr, also soll er einen Sachwalter bekommen! – So kann es nicht sein.

Das beginnt ja schon im Kleinen: Wissen Sie, wie oft ich am Bahnhof, wenn ich mit dem Zug unterwegs war, noch älteren Menschen, als ich es bin, schon beim Beschaf­fen eines Fahrscheins am Automaten behilflich war? Wissen Sie, wie schwierig das für viele ist, weil sie die Logik des Automaten nicht so leicht durchschauen?! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) So beginnt es, und es gab Fälle – ich kann Ihnen das auch dokumentieren –, in denen jemand in Gefahr war, besachwaltet zu werden, nur weil er die Miete und andere Rechnungen nicht mehr bezahlt hat, weil er mit den neuen banktechnischen Erfordernissen – IBAN, BIC und so weiter – nicht zurande kam und ihm niemand geholfen hat.

Das sind die Fälle, um die es uns da geht, und die Verdoppelung der Sach­walterschaften von 30 000 auf zuletzt 60 000 zeigt eindeutig, dass es viel zu viele Sachwalterschaften gab, die einfach zu früh verhängt wurden.

Ich glaube, dass noch etwas dazukommt; inhaltlich ist abgesehen von der notwendigen Umsetzung der Behindertenkonvention der Vereinten Nationen noch ein Punkt zu


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erwähnen, der vielleicht unterschätzt wird: Wir alle wissen, wie viel Potenzial in unserer Zivilgesellschaft steckt, wie viel Potenzial in Vereinigungen, Verbänden und Vereinen steckt, die sich im Rahmen der freiwilligen Erwachsenenvertretung auch diesem Thema widmen werden. Das ist ein tolles Potenzial, ein Potenzial, mit dem wirklich Mitmenschlichkeit in der Gesellschaft gelebt werden kann. Das wird heute noch völlig unterschätzt, und das macht es auch so schwer kalkulierbar. – Ja, die Kostenfrage war schwer kalkulierbar, ich bin aber überzeugt, wenn man auch das noch berücksichtigt, dieses Gesetz wird einen Paradigmenwechsel herbeiführen, der in der Gesellschaft wirklich zu einer sehr positiven Veränderung im Sinne von mehr Mitmenschlichkeit führen wird.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, lassen Sie mich mit einem bewusst saloppen Ausdruck schließen, der aber vielleicht zur kommenden Osterzeit passt. Wenn es letztlich wirklich notwendig sein sollte, hier neue Budgetmittel zu beschließen, dann wird das hier im Parlament zu erfolgen haben, und da bin ich sehr optimistisch. Lassen Sie es mich passend zu Ostern so sagen: Wem das Parlament gibt das Haserl, dem gibt es sicher auch das Graserl. – Ich danke Ihnen schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.59


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Mag. Aubauer gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


10.59.05

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! In diesem Sinne freuen wir uns auf Ostern! Ich danke Ihnen, Herr Minister, dass Sie die Finanzierungsfragen so klar dargestellt haben und ein für alle Mal klargemacht haben, dass die Finanzierung für die nächste Zeit jetzt einmal gesichert ist. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte wieder auf die menschliche Dimension dieses Gesetzes zurückkommen. Worum geht es uns denn? – Meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor, dass von einem Tag auf den anderen ein komplett fremder Mensch über Ihr Leben bestimmt! Das passiert derzeit zu oft und viel zu früh.

Bei uns im Seniorenbund langen immer wieder verzweifelte Hilferufe ein: Der Sach­walter hat als Wohnort gegen den Willen des Betroffenen ein Pflegeheim verfügt, hat gegen den Willen des Betroffenen das Haus verkauft oder es gibt viel zu wenig Taschengeld. Das sind die Probleme, da brauchen wir ganz, ganz dringend Verbes­serungen.

Viele Senioren fürchten sich, dass sie von einem Tag auf den anderen entmündigt werden. Deshalb, geschätzte Damen und Herren, fällt uns Senioren jetzt ein Stein vom Herzen, weil künftig die Mitbestimmung, die Selbstbestimmung eine viel, viel größere Rolle spielen wird. Künftig kann jeder so weit wie möglich und so lange wie möglich selbstbestimmt leben.

Wenn wir das neue Gesetz hier so umsetzen, dann heißt es nämlich: unterstützen statt entmündigen; jeder bekommt genau eine maßgeschneiderte Hilfe. In vielen Fällen wird ein gerichtlicher Sachwalter, künftig heißt es ja Erwachsenenvertreter, überhaupt zu vermeiden sein, denn manchmal reichen auch lediglich eine Pflegehilfe oder Hilfe bei Bankgeschäften oder beim Ausfüllen von Formularen aus.

Also was bringt das Gesetz den Betroffenen, geschätzte Damen und Herren? Mehr Lebensqualität, mehr Selbstbestimmung, und das ist mehr Menschlichkeit. Besten Dank, Herr Minister, auch für Ihren persönlichen Einsatz, und auch all den Kollegen, die sich für diese Verbesserungen so engagiert haben. Uns liegt das ganz besonders


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am Herzen, denn was gibt es Wichtigeres in einer Gesellschaft, als denen zu helfen, die Hilfe brauchen? Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.01


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig zu Wort. – Bitte.

 


11.02.04

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Ich möchte zu Beginn meiner Rede die Schülerinnen und Schüler der HTL St. Pölten recht herzlich bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Bei­fall.)

Ebenso möchte ich die Seniorinnen und Senioren aus Anger bei Weiz herzlich be­grüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Geschätzte Damen und Herren! Das Sachwalterrecht, das im Jahre 1980 durchaus revolutionär gewesen ist, wird heute auf völlig neue Beine gestellt. Es wird ein Paradigmenwechsel eingeleitet: Weg von der Entmündigung, hin zur Ermächtigung! Es wird ein Paradigmenwechsel, der vor allem den gesellschaftlichen Entwicklungen, der selbstbewussten Behindertenbewegung und auch der UN-Konvention für Rechte von Menschen mit Behinderungen Rechnung trägt, eingeleitet. Ein gutes Gesetz wird heute beschlossen werden.

Die Änderungen werden den Menschen mehr Selbstbestimmung ermöglichen, es wird die Autonomie gestärkt und es wird nach dem Grundsatz: so viel Unterstützung wie nötig und so viel Autonomie wie möglich!, gehandelt werden. In Zukunft soll die gerichtliche Rechtsfürsorge auf den Kern zurückgeführt werden, das ist die Vertretung von Menschen in rechtlichen Belangen.

Ansonsten gibt es noch die gewählte Erwachsenenvertretung – dort kann man sich die Erwachsenenvertreterinnen und -vertreter selber aussuchen – und auch die ge­setz­liche Erwachsenenvertretung. Ich finde es auch ganz, ganz wichtig – das ist einer der entscheidenden Punkte in diesem Gesetz –, dass all diesen Möglichkeiten der Erwach­senenvertretung ein verpflichtendes Clearing vorangestellt werden wird, das bei den Erwachsenenschutzvereinen angesiedelt ist.

Deswegen ist die Finanzierung dieser Erwachsenenschutzvereine von ganz, ganz großer Bedeutung, und wir werden es gemeinsam schaffen, Herr Minister, diese Mittel auch in Zukunft zur Verfügung zu stellen. Da werden wir einfach alle genau hinschauen müssen.

Es ist auch ganz wichtig, davon bin ich auch überzeugt, dass es die regelmäßige Berichts­pflicht sowohl bei der gewählten als auch bei der gesetzlichen Erwach­senenvertretung geben wird, wo immer wieder auch die Lebenssituation der Men­schen, die vertreten werden sollen, dargelegt werden muss. Das ist ebenfalls ein ganz, ganz wichtiger Punkt in diesem Gesetz.

Ich bin überzeugt davon, dieses Gesetz bringt Verbesserungen für die persönlichen Lebensbedingungen, für die persönlichen Lebensumstände der Menschen, die diese Erwachsenenschutzvertretung brauchen. Ich wünsche mir und hoffe, dass dieser partizipative Prozess weitergeführt werden wird, denn er muss weitergeführt werden, damit das Gesetz auch mit Leben erfüllt werden kann. Nun wird es einmal ein Gesetz, das dann auch umgesetzt werden muss.

Ich freue mich auch sehr, dass bei diesem Gesetz die parlamentarische Arbeit gefruchtet hat und das Heimaufenthaltsgesetz wieder in die Novelle mit aufgenommen


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wurde. Ich möchte mich bei allen für das Engagement bedanken, danke für alle ein­gelangten Stellungnahmen, die dazu beigetragen haben, dass das Heimauf­enthalts­gesetz – das sicherstellt, dass Kinder und Jugendliche bei ungemäßen Freiheitsbe­schränkungen Schutz und Vertretung erhalten – wieder aufgenommen wurde. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig – Kollege Jarolim hat es angesprochen –, speziell auch im Hinblick auf die Unterstützung für jene Menschen, die in der Vergangenheit Opfer in Heimen wurden, die wir erst vor Kurzem beschlossen haben.

Das ist ein wichtiges Gesetz, geschätzte Damen und Herren, ein gutes Gesetz, das auch zufrieden macht, wenn ich das so sagen darf, das vor allem die Würde und die Rechte der Menschen bestmöglich wahren wird. – Ich danke allen, die mitstimmen werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.05


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Jarmer zu Wort. – Bitte.

 


11.05.58

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch einen Gebärden­sprachdolmetscher): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer hier und auch zu Hause vor den Fernsehgeräten! Heute werden zwei Themen beschlossen. Das eine ist das Erwachsenenschutz-Gesetz, wozu ich sagen kann, dass wir dabei grundsätzlich von einem Meilenstein reden können, denn dieses Gesetz ist auch ein Bekenntnis dazu, dass man partizipativ – ein Best-Practice-Modell, wie das beispielsweise im Minis­te­rium durchgeführt wurde – arbeiten kann, also mit Menschen mit Behinderungen gemeinsam einen Prozess starten kann. Bis dato war es so, dass für Menschen, die besachwaltet wurden, sehr, sehr viel bestimmt und geregelt wurde. Das wird jetzt geändert, und zwar sagt dieses 2. Erwachsenenschutz-Gesetz, dass quasi alle drei Jahre eine Überprüfung stattfinden muss.

Auch die UN-Menschenrechtskommission in Genf hat 2013 bei der Staatenprüfung bereits gesagt, dass diese Form der Sachwalterschaft, die es in Österreich gibt, geändert werden muss. Das ist damit jetzt gut gemacht, aber es sind noch viele andere Hausaufgaben offen, die noch bis zum nächsten Jahr erledigt werden müssen.

Was die Finanzierung betrifft, hat mein Kollege Albert Steinhauser bereits gesagt – und auch Sie, Herr Minister, haben zugesagt –: Wir werden das auf jeden Fall beobachten. Wichtig ist, dass auch die Länder bei den nächsten Sitzungen mitziehen. Es geht ja nicht nur um das Gesetz, sondern auch um die Unterstützungsleistungen, die man zusätzlich braucht, beispielsweise die Zukunftsplanung dieser Menschen, Unterstüt­zungskreise, aber auch Wohnformen, die geschaffen werden müssen – es braucht eine Deinstitutionalisierung, kleine WGs für diese Menschen –, und auch persönliche Assistenz, die es braucht, um dieses Gesetz vollwertig zu leben und zu erleben. Das sind offene Themen, die noch vorangetrieben werden müssen.

Das Zweite, das auch bereits erwähnt wurde, ist das Heimaufenthaltsgesetz. Bis dato war es so, dass das Heimaufenthaltsgesetz keine Kinder und keine Jugendlichen mit­einbezogen hat. Das wurde nun geändert, dieses Gesetz ist auch auf diese Perso­nengruppen ausgeweitet worden. Das ist auch sehr wichtig und sehr gut. Nur stellt sich wieder die Frage: Wie schaut es mit der Finanzierung aus? Wir hoffen – und wir beleuchten das auch weiterhin –, dass das gut funktioniert.

Ich freue mich, dass in diesem Bereich auch endlich wieder ein Schritt nach vorne gegangen wurde, dass diese Menschen jetzt wieder selbständig entscheiden können,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 55

mehr Rechte bekommen und auch wieder ein Teil der Gesellschaft werden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

11.08


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. – Bitte.

 


11.09.30

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine Kollegin Jarmer hat von einem Meilenstein gesprochen. Ich kann das nur bestätigen und bekräftigen. Ein guter Tag beginnt mit einer gelungenen Re­form des Sachwalterrechtes. 

Ich habe auch immer wieder sehr viele Briefe und Mails von Menschen mit Behin­derungen bekommen, die besachwaltet sind, das als Entmündigung dargestellt und immer wieder beklagt haben, dass die Sachwalter keine Zeit hätten und sich auch nicht um ihre Anliegen und ihre persönliche Situation kümmern könnten. Was da gelungen ist, ist wirklich ein Paradigmenwechsel, nämlich dass man nicht entmündigt, sondern die Fähigkeit des Menschen sieht, auf diese eingeht und auch unterstützend wirkt, wie es die Erwachsenenvertretung jetzt machen wird.

Das ist auch im Sinne der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behin­derungen, und ich möchte besonders diesen Entwicklungsprozess oder Entstehungs­prozess, den das Justizministerium sehr vorbildlich gestaltet hat, hervorheben.

Das hat schon damit begonnen, dass die damalige Justizministerin Beatrix Karl ein Pilotprojekt zur Unterstützung der Entscheidungsfindung ins Leben gerufen hat. Das war ein erster wichtiger Schritt, und dann haben sich die Beamten, Sektionschef Kathrein und Dr. Barth an vorderster Stelle, denen ich hier an dieser Stelle danken möchte, mit Betroffenen zusammengesetzt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Königsberger-Ludwig.) Sie haben mit ihnen geredet, haben ihre Situation, ihre An­liegen kennengelernt, und so ist dieses Gesetz in einem partizipativen Prozess ent­standen – ein Vorbild für weitere Gesetzwerdungsprozesse.

Ich möchte auch unterstützen, was meine Kollegin Königsberger-Ludwig gesagt hat: Das ist ein Gesetz der Würde, der Menschenwürde. Wir sollten die Menschenwürde auch einmal in die Verfassung schreiben, denn dort steht sie noch nicht. Das sollten wir auch noch schaffen, ich bin da guter Hoffnung. Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Glawischnig-Piesczek.)

11.12


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Wurm zu Wort. – Bitte.

 


11.13.33

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Erstes, Herr Bundesminister, ganz herzliche Gratulation Ihnen und Herrn Sektionschef Kathrein zu dieser Novelle, die Sie hier vorgelegt haben! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Auch ein herzliches Danke an die zwei ChefverhandlerInnen, dass es noch möglich wurde, was auch noch notwendig war – es wurde schon erwähnt: die Frage des Heim­aufenthaltsgesetzes –, dass auch die jungen Menschen, die in besonderen Situationen sind, profitieren. Frau Kollegin Steinacker, Kollege Jarolim, auch dafür einen herzlichen Dank! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Worum geht es hier? – Es geht um sehr, sehr viele Menschen – 60 000 Menschen, Sie haben es erwähnt, Herr Bundesminister, sind es bisher –, die besachwaltet wurden. Ich


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 56

bin sehr froh darüber das wurde hier heute noch nicht gesagt , dass all jene, die bisher unter Sachwalterschaft gefallen sind, mit diesem neuen Gesetz, das ja ab 1. Juli 2018 in Kraft tritt, auch überprüft werden. Es wird überprüft, ob diese Maßnahme noch gerechtfertigt ist.

Mit dieser neuen Maßnahme, mit diesen Clearingstellen, sozusagen mit Mixed Teams, in denen von der Justiz und von der Sozialarbeit jemand dabei ist, wird genau abgewogen, wenn so maßgebliche Maßnahmen gesetzt werden, die in die persönliche Freiheit eines Menschen eingreifen.

Sie als PolitikerInnen, ich als Politikerin habe nicht nur einmal Anfragen bekommen, in denen es um Sachwalterschaften gegangen ist, in denen sich Menschen in dieser Beziehung ungerecht behandelt gefühlt haben, denn es ist doch oft so: Wenn man einmal in den Mühlen des Gesetzes landet, dann ist es schwierig, wieder heraus­zukommen. Nun werden Maßnahmen gesetzt, die genau diese Menschen berück­sichtigen, und es besteht die Möglichkeit, dass alle drei Jahre überprüft wird, ob die Sachwalterschaft noch gerechtfertigt ist. Auch dass die Regelung der Sachwalterschaft mit dem neuen Begriff Erwachsenenschutz-Gesetz betitelt wird, ist eine wichtige Maßnahme.

Der einzige Schatten, der jetzt noch über dem Gesetz liegt, ist die Frage der Finan­zierung. Dazu wurde uns jetzt plausibel vom Herrn Bundesminister erklärt, das wird er schon regeln. Daher möchte ich mit dem Satz schließen, den auch der Herr Bundes­präsident in seiner Antrittsrede eingemahnt und an uns, an die Gesellschaft gerichtet hat: Sehen wir es mit Optimismus, sehen wir es mit Zuversicht, und glauben wir daran, dass das gelöst wird!

Wichtig ist auch die Frage der Evaluierung: Dass alle drei Jahre evaluiert wird, das haben wir hier im Parlament beschlossen. Sie, Herr Bundesminister Brandstetter, haben gesagt, dass das Finanzmonitoring stattfindet und dass, wenn es Bedarf gibt, im Sinne der Menschen, die in diese Situation kommen – das kann jeder und jede von uns sein , nachjustiert wird. Noch einmal: herzlichen Dank für diese Vorlage! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.16

11.16.56


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1528 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist ein­stimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Ein­stimmigkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1528 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 194.)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend das Finanz-Monitoring zum 2. Erwachsenenschutz-Gesetz.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

11.17.542. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1522 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005, das Wettbewerbsgesetz und das Bun­des­gesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedin­gungen geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2017 – KaWeRÄG 2017) (1529 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1517 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Firmenbuchgesetz, das EU-Verschmelzungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (BRIS-Umsetzungsgesetz – BRIS-UmsG) (1530 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Somit kommen wir nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Noch ein Hinweis, meine Damen und Herren: Wir haben nur fünf Redner mit relativ kurzen Redezeiten, es ist also in Kürze wieder mit einer Abstimmung zu rechnen.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Groiß. – Bitte, Herr Abgeord­neter.

 


11.18.41

Abgeordneter Ing. Mag. Werner Groiß (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuhörerinnen! Liebe Zuhörer! Wir sprechen nun über die Änderung des Kartell- und Wettbewerbsrechts.

Kartelle sind der Zusammenschluss, die Zusammenarbeit von wirtschaftlichen Ein­heiten, die – wenn sie nicht ordnungsgemäß gemacht werden zu Problemen führen können. Es kann zu nicht erlaubten Preisabsprachen kommen, und das kann zum Nachteil von anderen Marktteilnehmern und Konsumenten führen.

Diese Nachteile sollen bestmöglich eingedämmt werden, und dazu gibt es eine EU-Richtlinie, die hier umzusetzen ist. Sie wäre ja schon bis zum 16. Dezember des Vorjahres umzusetzen gewesen, daher werden Teile dieses Gesetzes auch mit diesem Zeitpunkt wirksam.

Diese Richtlinie kodifiziert im Wesentlichen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und verlangt vor allem den vollständigen Schadenersatz. Was versteht man darunter? – Dass alle direkt Geschädigten, aber auch alle indirekt Geschädigten Anspruch auf Schadenersatz haben. Das heißt, es gibt auf der einen Seite eine Rückerstattung der zu hoch bezahlten Preise, auf der anderen Seite aber auch des entgangenen Gewinns, der entsteht, wenn ein Unternehmen durch ein Kartell Nach­frageeinbußen hat.

Das Gesetz regelt den Anspruch auf Offenlegung der Beweismittel, damit diese dann auch im Zivilrechtsverfahren verwendet werden können. Es regelt die Bindungswirkung wettbewerbsrechtlicher Entscheidungen auf zivilrechtliche Schadenersatzansprüche. Das heißt, dass sich auch der zivile Kläger, wenn das Verfahren schon durchgeführt worden ist, darauf berufen kann. Es harmonisiert die Verjährung; sie wird auf fünf Jahre


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verlängert. Es regelt, wann sie beginnen kann. Die Verjährung beginnt nämlich erst zu laufen, wenn das Schadenskartell aufgelöst worden ist, und wird unterbrochen, wenn die Ermittlungen beginnen.

Besonders hervorzuheben ist, dass eine gesamtschuldnerische Haftung aller Beteilig­ten festgehalten wird. Das heißt, alle im Kartell haften solidarisch. Der Schaden braucht zwar nur einmal bezahlt zu werden, aber wenn ein Kartellmitglied in der Zwischenzeit in Konkurs gegangen ist, kommen die anderen zum Handkuss und müssen dement­sprechend mitzahlen. Es muss erwähnt werden, dass das für kleine Unternehmen, für KMUs nicht gilt. Da wird der Schaden nur den direkten Abnehmern abgegolten.

Ein wichtiger Punkt unter den Ausnahmen von dieser solidarischen Haftung ist auch die Kronzeugenregelung. Kronzeugen sind wichtig, um Kartelle überhaupt aufzu­decken. Auf der anderen Seite kann es aber nicht sein, dass jemand, der sich zuerst bereichert und dann eine Anzeige macht, auch keine zivilrechtlichen Konsequenzen mehr zu fürchten braucht. Es wird jetzt erstmals klar geregelt, dass es zu einer Haftungsbeschränkung kommt, dass der Kronzeuge nur für seine Bereicherung zur Haftung herangezogen wird, keine Geldbußen hat und auch keine Regressansprüche von anderen Kartellmitgliedern zu befürchten hat, da er dementsprechend veröffentlicht wird und gegen ihn keine Klage erhoben werden kann.

Mit diesem Gesetz wird es mehr Transparenz durch die Veröffentlichung der Ent­scheidungen geben. Es kommt zu einer verbesserten Durchsetzung, da nunmehr zum Beispiel auch externe Laufwerke mit beschlagnahmt werden können. Und es kommt auch zu einer Zweckwidmung der Geldbußen für die Bundeswettbewerbsbehörde und für den VKI. Damit sollen Kartelle, unrechtmäßige Kartelle besser bekämpft werden können.

Die Schäden durch Kartelle können volkswirtschaftlich enorm sein. Dieses Gesetz, diese Umsetzung der Richtlinie soll diese Schäden möglichst vermeiden. Zu erwähnen ist auch, dass wir uns hiebei an die Richtlinie gehalten haben. Es ist kein über­bordendes österreichisches zusätzliches Haftungspotenzial erkannt worden, und wir haben kein Gold Plating betrieben. Daher ist diese Richtlinie bestmöglich umgesetzt, und ich bedanke mich dafür. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten von SPÖ und FPÖ.)

11.23


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schabhüttl. – Bitte.

 


11.23.17

Abgeordneter Jürgen Schabhüttl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher hier und zu Hause! Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Auf der Tagesordnung steht heute eine Regierungs­vorlage, nach der das Kartellgesetz 2005, das Wettbewerbsgesetz und das Bundes­gesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen geändert und in das neue Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2017 über­geführt werden sollen.

Mein Vorredner hat schon sehr ausführlich darüber gesprochen; ich möchte die Eck­punkte nochmals darlegen und zusammenfassen. Das vorliegende Gesetz bezweckt die Schaffung von Rechtssicherheit und Schadenersatzansprüchen bei Wettbewerbs­rechtsverletzungen. Weiters bezweckt dieses Gesetz die Verbesserung der Trans­parenz in kartellgerichtlichen Verfahren, die Sicherstellung der Qualität von Sach­ver­ständigengutachten in Kartellverfahren, die Sicherstellung des fairen Wettbewerbs in der Lieferkette und weitere Modernisierungsmaßnahmen.


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Beim Gesetz handelt es sich um eine EU-Richtlinie, die in das innerstaatliche Recht übergeführt werden soll. Eine Reform des österreichischen Kartellrechts ist auch im Regierungsübereinkommen enthalten. Der Erreichung des Ziels, faire Spielregeln für den Wettbewerb zu schaffen, soll unter anderem eine höhere Transparenz im Kartell­verfahren – zum Beispiel durch Namensnennung nach Abschluss eines Verfahrens – und beim Settlement dienen. Des Weiteren sollen erfolgreiche Kronzeugenprogramme gesichert und die Verjährungsbestimmungen angepasst werden.

Seitens der SPÖ-Fraktion befürworten wir natürlich sämtliche Änderungen eines Ge­setzes, die ein Mehr an Rechtssicherheit, Transparenz und Fairness sicherstellen. Deshalb werden wir auch dem neuen Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungs­gesetz 2017 zustimmen und ersuchen, dieses Gesetz breit zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.25


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schrangl. – Bitte.

 


11.25.21

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Novellierung des Kartellgesetzes geht wesentlich auf eine Richtlinie der Europäischen Union zurück. Vor allem die Bestimmungen zur Durchsetzung von Scha­denersatzansprüchen sind äußerst sinnvoll. Die verspätete Umsetzung ist aber möglicherweise ein Ärgernis, weil ja Konsumenten und Konsumentinnen betroffen sind. Diese Verzögerung – eigentlich hätte es ja schon bis Ende des Jahres 2016 umgesetzt werden sollen – kann dazu führen, dass vielleicht manche Schadenersatzansprüche mittlerweile verjährt sind, und es gibt eigentlich auch keine ordentliche Begründung – vielleicht liefert der Herr Justizminister noch eine nach –, warum das verspätet um­gesetzt worden ist. Die verspätete Umsetzung könnte auch Wettbewerbsrechts­ver­letzer begünstigt haben.

Schade ist in dem Zusammenhang auch, dass sich die Bundesregierung nicht dazu entschlossen hat, das Instrument einer Sammelklage einzuführen. Wie vorhin erwähnt, sind vielfach einfache Konsumenten die Geschädigten, und für die ist es sehr oft sehr schwer und auch mit hohen Kosten verbunden, nachzuweisen, dass man erstens einmal persönlich geschädigt worden ist. Meistens geht es auch für den einzelnen Konsumenten nur um sehr geringe Beträge und nur für alle gemeinsam um einen hohen Betrag. Das lässt die Kartelle oft günstig davonkommen.

Vor allem aus den USA wissen wir, dass sich Sammelklagen bewährt haben, und auch die EU-Kommission überlegt, in diese Richtung initiativ zu werden. Die EU-Kommission hält die Bundesregierung aber auch nicht davon ab, vielleicht ein eigenes Gesetz auf Schiene zu bringen. Private Initiativen, wie sie erst vor Kurzem ein ehemaliger Mit­arbeiter des VKI angemeldet hat, sind gut gemeint, können aber eine fundierte gesetz­liche Regelung nicht ersetzen.

Eine Sache, die übergangen worden ist, möchte ich auch noch ansprechen: die Rolle der Kammern im kartellgerichtlichen Verfahren. Im kartellgerichtlichen Verfahren sind die Kammern Partei und Richter zugleich. Sie können als Partei Anträge stellen, sie können als Parteien Stellungnahmen abgeben, aber die WKO, die Arbeiterkammer und die Landwirtschaftskammer stellen auch die Personengruppe, aus denen der Justiz­minister in Absprache mit dem Wirtschaftsminister die Laienrichter bestellt. Das ist vielleicht etwas, worüber man nachdenken sollte. Auch in der Wettbewerbskommission gibt es ein ähnliches Modell. In Deutschland gibt es das Erfolgsmodell der deutschen Monopolkommission, in der Vertreter der Wissenschaft drinnen sitzen. Vielleicht könnte man sich so etwas auch für Österreich überlegen; es ist ein Erfolgsmodell, das man in


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Österreich einführen könnte, und vielleicht wäre es auch Zeit dafür. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir das so umsetzen, würde vielleicht auch den Empfehlungen dieser Wett­bewerbskommission mehr Gewicht zuteilwerden.

Kurz zusammengefasst: Für Konsumenten und für Opfer von Kartellrechtsverletzern gibt es eindeutige Vorteile durch diese Novelle, daher auch unsere eindeutige Zu­stimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

11.28


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Schönegger zu Wort. – Bitte.

 


11.29.12

Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unter diesem Tagesordnungspunkt findet sich auch die Umsetzung der BRIS-Richtlinie in Bezug auf die Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern. Das ist ein wichtiger Schritt, der laut EU-Vorgaben bis zum 8. Juni 2017 abgeschlossen sein sollte.

Ziel dieser Maßnahme ist die Schaffung eines grenzüberschreitenden Zugangs zu Unternehmensinformationen über das europäische Justizportal. In bestimmten Fällen ist dabei vorgesehen, eine automatisierte Kommunikation zwischen den nationalen Registerbehörden der Mitgliedstaaten über eine zentrale europäische Plattform zu errichten. Diese Vorlage dient eben der Umsetzung dieser Richtlinie. Im Besonderen sind dafür eine Änderung des Firmenbuchgesetzes, eine Änderung des EU-Ver­schmelzungsgesetzes und des Gerichtsgebührengesetzes notwendig.

Um dieser Umsetzungsverpflichtung zu entsprechen, wird vorgeschlagen, die Abruf­barkeit des Firmenbuchs über die zentrale europäische Plattform auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, in erster Linie im neuen § 37 des Firmenbuchgesetzes. Die Ab­fragemöglichkeit von Firmeninformationen über das europäische Justizportal verbes­sert den Zugang von Unternehmen, Verbrauchern und Behörden zu ebendiesen Infor­mationen. Durch die automatisierte wechselseitige Verständigung der nationalen Un­ter­nehmensregister in bestimmten Fällen, zum Beispiel beim Wirksamwerden von Ver­schmelzungen, ist ebenfalls eine Verbesserung der inhaltlichen Qualität der in den Nationalregistern gespeicherten Daten zu erwarten. In diesem Sinne ist es ein sehr, sehr sinnvoller gesetzlicher Vorschlag, und ich bitte um Annahme dieses Vor­schla­ges. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.31


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Feichtinger. – Bitte.

 


11.31.18

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Bundesminister, lassen Sie mich vor meinem eigentlichen Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt noch ganz kurz meine Freude zum Ausdruck bringen, dass mein Weihnachtswunsch, nämlich die Umsetzung, die Gesetzwerdung des Erwachsenenschutz-Gesetzes soeben eingetreten ist – und das noch vor Ostern und in einem sehr sensiblen Rechtsbereich. Es ist uns ein sehr großer Modernisierungsschritt gelungen. Das freut mich persönlich ganz besonders. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur BRIS-Richtlinie, der Richtlinie zum Business Registers Interconnection System, hat Kollege Schönegger im Grunde genommen alles ausgeführt, was dazu zu sagen ist.


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Es war uns vorgeschrieben, diese Richtlinie bis Juni 2017 umzusetzen. Das werden wir nun tun. Es geht, wie gesagt, um den grenzüberschreitenden Zugang zu Unterneh­mens­informationen über das europäische Justizportal. Dieser soll erleichtert werden durch automatisierte Kommunikation zwischen den nationalen Registerbehörden der Mitgliedsstaaten über eine zentrale europäische Plattform.

Daneben wird diese Vorlage auch zum Anlass genommen, im Firmenbuchgesetz, welches hiedurch geändert wird, auch gewisse Klarstellungen und Anpassungen vor­zunehmen. Künftige Abfragemöglichkeiten von Unternehmensinformationen über das europäische Justizportal werden diesen Zugang für Unternehmen, aber auch für Verbraucher und Behörden erleichtern und verbessern. Wir ersuchen daher um breite Zustimmung zu dieser Vorlage. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.33


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Schmid. – Bitte.

 


11.33.03

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zum Thema Gerichtsgebührengesetz: Mit der gesetzmäßigen Ein­führung der automatisierten Unterschriften mittels Bürgerkarte beziehungsweise Handysignatur zur Gründung einer Ein-Personen-GmbH werden auch Änderungen des Firmenbuchgesetzes erforderlich. Wenn nun, wie angestrebt, eine EU-Richtlinie umgesetzt wird, aufgrund derer verschiedene Behörden diverser Mitgliedsstaaten elektronisch verknüpft werden, so ist dieser Schritt durchaus zu begrüßen.

Ein Nebeneffekt ist der Wegfall von Gebühren für bis dato zahlungspflichtige Anfragen, wobei die entfallenden Gebühren von zirka 25 000 € pro Jahr durch neue und andere Gebühren kompensiert werden. Prinzipiell sollten Gerichtsgebühren kostenneutral bestimmt und eingehoben werden, sodass einer Gebührenverlagerung auf andere Gebühreneinheiten nicht zuzustimmen ist. Aus eigener Erfahrung in meiner beruflichen Zusammenarbeit mit diversen Gerichten muss ich leider feststellen, dass unsere Gerichtsgebühren generell als zu hoch zu bezeichnen sind, insbesondere im Rahmen von Verlassenschaften sowohl mit geringer als auch mit hoher Erbmasse wie zum Beispiel Liegenschaften. Ohne deren Veräußerung sind die Gerichtsgebühren für die Erben oft nicht finanzierbar. Eine weitere Gebührenerhöhung, die auch in der Stel­lungnahme der Vereinigung der Diplomrechtspfleger kritisiert wird, ist daher abzu­lehnen. Einer weiteren Entbürokratisierung unter Wahrung der bundeseigenen Rechts­staatlichkeit ist hingegen zuzustimmen. – Danke.

11.35

11.35.12Präsident Karlheinz Kopf: Es ist hiezu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich wie immer über jeden Ausschussantrag ge­trennt vornehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betref­fend Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2017 samt Titel und Eingang in 1522 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Wer stimmt auch in dritter Lesung zu? – Das ist wieder einstimmig. Der Gesetz­entwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf be­treffend BRIS-Umsetzungsgesetz samt Titel und Eingang in 1517 der Beilagen.

Wer stimmt dem zu? – Das ist wiederum einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur dritten Lesung.

Wer stimmt auch in dritter Lesung zu? – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

11.36.214. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1504 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird (1531 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 2019/A(E) der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend die flächen­deckende Umsetzung der Pflichtkurse in Justizgeschichte für angehende Rich­terInnen und StaatsanwältInnen (1532 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


11.37.00

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum ersten Punkt, der Regierungsvorlage zum Gerichts­organisationsgesetz, ist im Prinzip nicht viel zu sagen. Die Vorschläge erscheinen zweckdienlich, vereinfachen das Verfahren. Das Einzige, das vielleicht einmal über­dacht werden sollte, ist, ob die Totalgenderung im Gesetzestext im Sinne der Ver­ständlichkeit, Knappheit und Lesbarkeit der Gesetze erforderlich ist. Dieses Gesetz strotzt von Gendereien, es wird nicht einmal das Binnen-I verwendet, sondern es wird immer von Richtern und Richterinnen, Parteien und Parteiinnen und so weiter ge­sprochen – fast im kabarettistischen Sinn möchte ich das so sagen. Ich bitte, zu überlegen, ob man nicht zu einer vereinfachten Sprachweise kommen kann. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesminister Brandstetter: An mir liegt es nicht!)

Ich weiß, es liegt nicht beim Minister allein, es gibt hier koalitionsinterne Absprachen, aber alle Absprachen kann man auch zur Diskussion stellen und über den Haufen werfen.

Ich möchte mich aber insbesondere mit dem Antrag der Grünen auseinandersetzen. Kollege Walser nickt schon erwartungsvoll, weil er das nicht ganz überraschend findet. (Abg. Walser: Richtig!) Dieser Antrag klingt zwar ganz harmlos, er verlangt lediglich, dass der Herr Minister konkrete Maßnahmen mit Nachdruck zu treffen hat, die darauf ausgerichtet sind, ein verpflichtendes Zeitgeschichtecurriculum für alle angehenden RichterInnen und StaatsanwältInnen umzusetzen. Da ist die Genderei wenigstens ein bisschen kompakter gemacht, weil man das Binnen-I verwendet hat. Ansonsten ist das natürlich ein hochproblematischer Artikel, weil er dazu dient, durch die Hintertür politi­schen Einfluss auf die Justiz hereinzubringen. Das heißt, missliebige Entscheidungen,


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die ein Staatsanwalt getroffen hat, die von den Instanzen überprüft wurden und die man für richtig befunden hat, sollen über politischen Druck, über Einflussnahme via Medien, via Anfragen, via Pressure Groups und letztlich via Minister ausgehebelt werden, um Richter und Staatsanwälte abzuschrecken, Entscheidungen zu treffen, die nicht gewünscht sind.

Zugrunde liegt dem natürlich eine Anzeige der Grünen gegen den Autor eines, man kann sagen, FPÖ-nahen, jedenfalls konservativen Magazins, der „Aula“. Natürlich ist es – Kollege Walser nickt wieder verständnisvoll – um das Verbotsgesetz gegangen. Dabei handelt es sich aber um einen Tatbestand, und das macht die Sache besonders skurril, der in der Zeit nach dem Ende des nationalsozialistischen Systems in Öster­reich entstanden ist, also nach der Befreiung des KZ Mauthausen und der Freisetzung der dort inhaftierten Personen.

Es ist darum gegangen, wie diese Entlassenen sich aufgeführt haben, ob und in welchem Umfang es zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung gekommen ist, ob da Kriminelle dabei waren, ob es viele Kriminelle waren, einzelne, was da genau passiert ist und dergleichen.

Über diesen Artikel kann man streiten, er gefällt mir auch nicht, weder in der Diktion noch in der Thematik, die gewählt wurde, aber es ist ein Artikel über einen zeitge­schichtlichen Umstand, der nach dem Nationalsozialismus liegt. Der zuständige Staats­anwalt hat gesagt, das ist nicht vom Verbotsgesetz umfasst, auf der einen Seite haben die Dinge vielleicht einen verständlichen Kern, auf der anderen Seite geht es da nicht um Loben oder Verherrlichen des Nationalsozialismus, sondern ausschließlich um Vorgänge danach. Das könnte man als Anzeiger einmal akzeptieren. Das haben aber die Grünen nicht gemacht, sondern sie haben mithilfe befreundeter Medien, insbe­sondere Journalisten des „Standard“, einen Wirbel ausgelöst und auch den Minister dazu gezwungen, zu sagen, man wird da handeln und wird nachschulen.

Besonders entlarvend, möchte ich sagen, ist in dem Entschließungsantrag ein Satz. Als Zielrichtung für diese Nachschulungsmaßnahmen heißt es, „andererseits zur Sen­sibilisierung“ – nämlich der Richter und Staatsanwälte – „für politische Implikationen sowohl in zivil- als auch in strafrechtlichen Entscheidungen beizutragen“. – Es geht also darum, die für den Staat tätigen Juristen davon abzuhalten, rein juristisch auf­grund der Gesetze zu urteilen, sondern bei ihren Entscheidungen immer die soge­nannten politischen Implikationen einzubauen und dafür sensibel zu sein. (Abg. Öllinger: Na, bitte?!) Also darauf sensibel zu sein: Oje, das gibt einen Wirbel, da habe ich vielleicht einen negativen Bericht mit namentlicher Erwähnung im „Standard“, da gibt es vielleicht eine Dringliche Anfrage. (Abg. Öllinger: Unglaublich!) – Das ist unglaublich! – Da gibt es vielleicht eine Dringliche Anfrage an den Justizminister oder dergleichen.

Das ist etwas, bei dem ich, um Kollegen Walsers Sprache wieder zu übernehmen, sagen muss: Wehret den Anfängen! (Abg. Öllinger: Da redet der Richtige!) Der Rechts­staat, die Unabhängigkeit der Justiz, die aufgrund der Rechtsnormen und nicht aufgrund der politischen Implikationen und möglicher Drohungen mit politischen Folgen zu agieren hat, sollte uns heilig, wichtig sein und sollte auch in diesem Forum von allen, eigentlich auch von den grünen Abgeordneten verteidigt werden. (Beifall bei der FPÖ.) Deshalb kann man diesen Entschließungsantrag nicht entschieden genug ablehnen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 64

11.42


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Karl. – Bitte.

 


11.42.25

Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird, enthält eine Reihe von Maßnahmen, die einerseits zu einer Vereinfachung und Modernisierung des Gerichtsbetriebs beitragen und andererseits im Bereich der Justizverwaltung die rechtlichen Voraussetzungen an die faktischen Erfordernisse anpassen und zugleich für die dringend gebotenen Klarstellungen sorgen.

Klargestellt wird unter anderem, dass in Amtsgebäuden Sicherheitsmaßnahmen aus besonderem Anlass auch dann ergriffen werden können, wenn diese nicht explizit in der Hausordnung angeführt sind. Eine weitere Klarstellung betrifft die klare Zuordnung der Gerichtsabteilungen zu den bei einem Gericht ernannten Richterinnen und Rich­tern. Für jede Richterin und für jeden Richter, die oder der bei einem Gericht ernannt oder sonst dort tätig ist, soll erforderlichenfalls eine eigene Gerichtsabteilung eröffnet werden können. Anders gesagt: Die Zahl der Gerichtsabteilungen richtet sich grund­sätzlich nicht mehr nach der Zahl der systemisierten Planstellen, sondern nach der Zahl der beim jeweiligen Gericht tatsächlich verwendeten Richterinnen und Richter. Damit wird einem dringenden Wunsch aus der Praxis entsprochen.

Den praktischen Bedürfnissen wird auch bezüglich der Zuständigkeit für Geschäfts­verteilungsänderungen entsprochen. Die Außensenate der Oberlandesgerichte können am besten beurteilen, welche Sprengelrichterin oder welcher Sprengelrichter bezie­hungsweise welche Vertretungsrichterin oder welcher Vertretungsrichter im konkreten Fall zum Einsatz gelangen soll. Es ist daher sinnvoll, wenn der Außensenat – so wie schon bisher – Ort, Umfang und Dauer des Vertretungseinsatzes im Entsendungs­beschluss bestimmt und die initiale Änderung der Geschäftsverteilung am Einsatz­gericht vornimmt. Hingegen soll es grundsätzlich in der Kompetenz des Personal­senats des Gerichtshofes erster Instanz liegen, über die zugewiesenen Ressourcen zu verfügen und ausgehend vom Zuweisungsbeschluss auf weitere Entwicklungen beim betroffenen Gericht adäquat, zum Beispiel durch eine Änderung der Geschäfts­ver­teilung, zu reagieren.

Erwähnt sei zudem, dass auch für die Bezirksgerichte eine Justizverwaltungsquote vorgesehen wird. Diese soll ausschließlich nach objektiven, an der Zahl der Rich­terinnen und Richter ausgerichteten Kriterien festgelegt werden.

Überdies soll die Effizienz der elektronischen Aktenführung optimiert werden. Um die Anzahl der physischen Aktenstücke weiter zu verringern, wird es den Entscheidungs­organen ermöglicht, die Überprüfung einer Unterschrift auf physischen Eingaben an die Geschäftsstelle zu übertragen. Damit müssen Eingaben nicht mehr in Papierform dem Entscheidungsorgan vorgelegt werden, bevor diese elektronisch erfasst werden kön­nen.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass alle vorgeschlagenen Regelungen keine grundsätzlichen Aspekte der Gerichtsorganisation berühren und ohne budgetäre Auswirkungen bleiben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.46


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.46.03

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Parlament! Meine Damen und Herren! Im Ausschuss habe ich zu Tages­ordnungspunkt 4 schon gesagt, eine Verbesserung für die Gerichtsbediensteten und die Organisation ist eine vernünftige Sache und bekommt unsere Zustimmung.


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Was mir aber aufgestoßen ist, ist Tagesordnungspunkt 5, der Antrag der Grünen. Das hat schon System bei den Grünen, das muss ich ehrlich sagen. Wir haben ja im Innenausschuss letzthin einen ähnlichen Antrag der Grünen gehabt, bei dem es darum gegangen ist, dass der Herr Innenminister zu Schulungen herangezogen werden soll und Schulungsnachweise erbringen soll, dass er sich über gewisse Punkte informiert hat.

Irgendwie geht mir das ein bisschen zu weit. Ich habe das im Innenausschuss so begründet, dass es das einmal in einem Regime gegeben hat, das Gott sei Dank schon seit einiger Zeit vergangen ist, nämlich in der UdSSR. Dort wurden gewisse Herrschaften, wenn sie nicht das getan haben, was man wollte, in Schulungen geschickt, in denen sie eine Gehirnwäsche bekommen haben, und dann war wieder alles gut. – Das will ich nicht, und deshalb ist dieser Antrag meiner Ansicht nach abzu­lehnen. Ich verstehe auch nicht, warum die Regierungsparteien diesem Antrag zuge­stimmt haben.

Herr Bundesminister, Sie wissen, ich habe vor einiger Zeit einen Antrag eingebracht, bei dem es mir darum gegangen ist, dass angehende Staatsanwälte und angehende Richter künftig einige Zeit bei der Polizei im Außendienst mitfahren sollten, um einmal zu sehen, was da wirklich abgeht. Bei Gericht sind die Menschen immer sehr zahm, aber da stellt sich die Situation anders dar, als sie vor Ort wirklich war. Die ange­henden Staatsanwälte und Richter sollen einen Eindruck davon bekommen und sehen, dass da nicht alle lammfromm sind und sich nicht wie vor Gericht im schönen Anzug brav benehmen, wie es ihnen der Anwalt gesagt hat.

Mein Antrag wurde nicht berücksichtigt, aber dafür dieser Antrag, dass man da jetzt eine Schulung einführt. Meine Damen und Herren, ich muss ehrlich sagen, ich bin davon überzeugt, dass jemand, der in ein Amt des Richters, in ein Amt des Staats­anwaltes kommt, schon seinen Bildungsweg entsprechend gemacht hat und sehr wohl erkennen kann, was da vorliegt. Ich glaube, dass er auch über die nationalsozia­listische Zeit und über die Wiederbetätigung sehr gut aufgeklärt ist. Deshalb ist dieser Antrag für die Fische – das kann man ehrlich sagen –, und deshalb werden wir ihn ablehnen. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Hauser.)

11.48


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte.

 


11.48.54

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag des Kollegen Steinhauser ist nicht für die Fische, Herr Kollege Hagen – ganz sicher nicht –, denn grundlegende Kenntnisse der österreichischen Zeitgeschichte, auch der dunkelsten Kapitel unserer Vergangenheit, wie Austrofaschismus, Nationalsozialismus, sind an sich eine Selbst­verständlichkeit. Gerade bei richterlichem Personal und bei Staatsanwältinnen und Staatsanwälten sollte das jedenfalls so sein, und natürlich wäre es auch in der Politik höchst notwendig. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Aber wir sehen – Beispiele haben wir heute gehört –, dass dem eben nicht immer so ist, dass hier Handlungsbedarf besteht. Gezeigt hat es sich an dieser Begründung besagter Klagsabweisung gegen die Medieninhaber der Zeitschrift „Aula“ wegen eines Artikels mit dem Titel  „Mauthausen-Befreite als Massenmörder“. Da hieß es zum Beispiel, es sei nachvollziehbar, „dass die Freilassung mehrerer tausend Menschen aus dem Konzentrationslager eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs darstellte.“


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 66

Man muss diese Formulierung wirklich einmal verarbeiten. Es gab dann auch noch einen Folgeprozess und daran angeschlossen auch parlamentarische Anfragen des Kollegen Walser und von mir. In der Beantwortung meiner parlamentarischen Anfrage haben Sie, Herr Minister, in Aussicht gestellt, verpflichtende Module zur Zeitgeschichte in die Curricula für angehende Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staats­anwälte aufzunehmen. Konkret planen Sie zwei dreitägige Module, mit Exkur­sionen nach Mauthausen und zum Spiegelgrund, und auch die Fort- und Weiterbildung soll entsprechend ausgebaut werden.

In diesem Sinne danke ich für die Einsicht und sehe einer zügigen Umsetzung auch mit Zuversicht entgegen. Ich weise aber getätigte Formulierungen im Ausschuss und auch hier zurück, dass es sich dabei um Gehirnwäsche oder Umerziehung oder politische Beeinflussung handelt, da ich schon davon ausgehe, dass unser richterliches Personal auf einem antifaschistischen Grundkonsens agiert. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

11.51


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


11.51.35

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Worum geht es heute im Kern? – Es geht um einen unsäglichen Artikel in der FPÖ-nahen Zeitschrift – Sie haben das selbst so bezeichnet – „Aula“, in dem befreite Häft­linge aus dem Konzentrationslager Mauthausen als „Landplage“ bezeichnet wurden, als „Horde“ bezeichnet wurden, in dem sie pauschal als „Massenmörder“ bezeichnet wurden et cetera. – Eine Unsäglichkeit sondergleichen.

Ich habe das damals angezeigt, und der Skandal, über den wir heute hier sprechen, war, dass die Staatsanwaltschaft Graz diese Anzeige mit einer Begründung zurück­gewiesen hat, die laut Sektionschef Pilnacek nahe an Wiederbetätigung heranreicht. Und es war sehr, sehr erfreulich, Herr Minister, dass Sie und Ihr Sektionschef sich ganz klar und eindeutig und umgehend davon distanziert haben. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Dennoch war diese Angelegenheit katastrophal für den Ruf der Justiz in Österreich. Wir haben daraufhin eine Anzeige ehemaliger befreiter Häftlinge aus Mauthausen unterstützt und – das ist inzwischen abgeschlossen – haben uns da vollinhaltlich durchgesetzt. Es hat einen Widerruf geben müssen, und die gesamten Kosten sind von der „Aula“ beziehungsweise dem Autor zu übernehmen.

Sie haben auch insofern reagiert, als Sie gesagt haben, dass zeitgeschichtliche Mo­dule eingeführt werden – Kollegin Grossmann hat darauf hingewiesen. Das hat auf freiwilliger Basis nicht funktioniert, deshalb unser Antrag, und ich bin sehr froh, dass das künftig auch umgesetzt wird. Früher hat das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes solche Module auf freiwilliger Basis angeboten, und dann war es so – und darauf sind wir aufgrund einer grünen Initiative im Februar die­ses Jahres gestoßen –, dass diese freiwilligen Module nicht mehr angeboten worden sind. Somit war an verschiedenen Oberlandesgerichten gar kein Angebot mehr vorhanden, um sich in zeitgeschichtlicher Hinsicht zu schulen. Sie waren selbst – das haben Sie gegenüber den Medien gesagt – überrascht und haben daher auch das Ihre dazu beigetragen, dass die Regierungsparteien – und das kommt nicht sehr häufig vor – unseren grünen Antrag unterstützen. Das ist sehr erfreulich.

Es ist aber, das möchte ich auch betonen, noch einiges offen. Wir brauchen weiter­führende Angebote auch für amtierende RichterInnen und Staatsanwälte und Staats­anwältinnen, denn es waren ja – ich darf daran erinnern – im Dienst befindliche Per-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 67

sonen, die in dieser Form agiert haben. Von daher würde ich meinen, das müsste ein nächster Schritt sein, denn dieser skandalöse Text aus Graz ist ja nicht nur von der zuständigen Staatsanwältin, sondern von mehreren Personen – da gibt es ja eine Hierarchiekette – gesehen und abgezeichnet worden. Da ist also einiges zu tun.

Herr Kollege Hübner, ein Wort zu Ihrem Hinweis, dass hier politischer Einfluss durch die Hintertür passiere: Das sagt ausgerechnet ein Vertreter einer Partei, die jüngst durch ein Mitglied Ihrer Fraktion direkt in die Schule eingegriffen hat. Kollege Haider grinst, er war es, der in skandalöser Weise eingegriffen hat, weil sein Sohn ihm ein SMS geschickt hat. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist nicht zu ertragen! Das ist kein politischer Einfluss durch die Hintertür, das ist bewusste Einschüchterung der betroffenen Lehrerinnen und Lehrer. (Beifall bei Grünen und SPÖ.) Was Sie erreichen wollen, ist, dass sich Lehrerinnen und Lehrer in Österreich nicht mehr trauen, kritische Themen der Geschichte aufzuarbeiten, kritische Personen einzuladen! (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, was Sie damit erreichen, ist zum Glück eine Sensibilisierung aller anderen politischen Kräfte in diesem Land. (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Abg. Stefan: Das ist politische Agitation! – Abg. Peter Wurm: Das ist politische Indoktrinierung!)

Was Sie erreicht haben, ist, dass Rot und Schwarz in dieser Sache Nein gesagt haben, und Sie werden sich auch im Schulbereich nicht durchsetzen, denn die Lehrerinnen und Lehrer an Österreichs Schulen sind mutig genug, sich Ihrem Druck zu widersetzen und weiterhin politische Bildung zu betreiben. (Beifall bei den Grünen. – Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Abschließend meine Empfehlung an die Herrschaften der Freiheitlichen Partei: Gerade dieser Fall hat gezeigt, wie notwendig Nachschulung auch bei Ihnen ist, und ich würde Ihnen einen Besuch sowohl in der Gedenkstätte in Mauthausen als auch im Doku­mentationsarchiv des österreichischen Widerstandes dringend ans Herz legen! – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

11.57


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Mag. Haider zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestim­mungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

 


11.57.42

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Abgeordneter Walser hat in seinem Redebeitrag behauptet, ich hätte in skandalöser Weise in einen Schulvortrag eingegriffen. Diese Behauptung ist nicht richtig.

Ich berichtige daher tatsächlich: Richtig ist, es hat an der Schule meines Sohnes ein Vortrag zum Thema Extremismus stattgefunden. Vortragender war ein prononciertes Linksaußen-Parteimitglied der Grünen, das auch in diversen kommunistischen Blättern schreibt, und in diesem Vortrag ist es ausschließlich um die sogenannte Gefahr von rechts gegangen. Ich habe mich beim Direktor telefonisch beschwert, und der Direktor hat in Zusammenarbeit mit dem verantwortlichen Lehrer – der hat sich übrigens sofort entschuldigt, weil er den Vortragenden schlecht recherchiert hatte; sonst hätte er ihn gar nicht eingeladen – das einzig Richtige getan ...

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, Sie berichtigen hier keinen Sach­verhalt, sondern Sie kommentieren die Aussage des Abgeordneten Walser. Kommen Sie also bitte zur tatsächlichen Berichtigung!

 



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Abgeordneter Mag. Roman Haider (fortsetzend): Der Direktor hat das Richtige getan, er hat diesen Blödsinn abgedreht! (Beifall bei der FPÖ.)

11.59


Präsident Karlheinz Kopf: Noch einmal zur Klarstellung, Herr Abgeordneter: Abge­ordneter Walser hat behauptet, Sie hätten eine Intervention durchgeführt, und Sie haben dann argumentiert, warum Sie diese gemacht haben, aber Sie haben es nicht berichtigt. Das war keine tatsächliche Berichtigung. Beim nächsten Mal werde ich Ihnen noch während Ihrer Ausführungen das Wort entziehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


11.59.30

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Kollege Haider hat ja eher bestätigt, dass er interveniert hat, also nicht berichtigt.

Aber zurück zum eigentlichen Thema, zum Antrag der Grünen und zu etwas, was ich wirklich nicht nachvollziehbar finde: Ich erinnere mich daran, als wir vor Kurzem hier eine Kurzdebatte zu einer Anfrage der Kollegen Walser und Öllinger bezüglich der Entscheidung des Weisungsrates zu der Frage des Rechtsanwalts hatten, der in seinen Plädoyers einigermaßen absurde Dinge von sich gegeben hat. Die beiden haben diese Einstellung kritisiert.

Da habe ich mich, was selten passiert, im Gleichklang mit der FPÖ und den Regie­rungsparteien hier hergestellt und gesagt, dass es nicht in Ordnung ist, eine Ent­scheidung der unabhängigen Justiz und der Staatsanwaltschaft so zu kritisieren und zu sagen, dass diese Einstellung nicht in Ordnung ist. Was hier passiert, ist etwas ganz anderes, und, Herr Kollege Hübner, ich verstehe nicht, wieso Sie den Unterschied nicht erkennen, weil er ganz offensichtlich ist. Kollege Walser sagt nicht, dass die Ein­stellung nicht gerechtfertigt ist – darüber könnte man ebenfalls lang und breit dis­kutieren –, er sagt nur, dass die Begründung einigermaßen widerlich ist. – Und das ist auch so, das sieht man, wenn man sie sich einfach nur durchliest.

Wir haben es schon gehört: Im Artikel stand, KZ-Gefangene waren eine „Landplage“, waren „Kriminelle“, sind „raubend und plündernd, mordend und schändend“ durch das Land gezogen, und die Staatsanwaltschaft hat so eine Äußerung als nachvollziehbar gewertet, weil die „Freilassung mehrerer Tausend Menschen aus dem Konzen­trationslager Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs darstellte“. – Wie kann so etwas nachvollziehbar sein, noch dazu mit dieser Begrün­dung, wenn vorher im Text steht, dass sie eine Landplage waren und „raubend und plündernd, mordend und schändend“ durch das befreite Land gezogen sind? Das kann nicht nachvollziehbar sein, das können nicht einmal Sie nachvollziehbar finden, und dementsprechend ist es vollkommen gerechtfertigt – nicht, dass wir jetzt über diese Einstellung diskutieren; das ist passiert, und eine unabhängige Justiz agiert so, ob uns das gefällt oder nicht.

Trotzdem ist es notwendig, dass wir in diesem Zusammenhang klar sagen: Wenn es solche Äußerungen von Staatsanwälten gibt und es deswegen zu einer Einstellung kommt und dies offensichtlich von mehreren Seiten gutgeheißen wird, mangelt es offensichtlich an Geschichtsbewusstsein. Wer so eine Argumentation in irgendeiner Art und Weise als nachvollziehbar empfindet, hat aus den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs und allem, was sonst noch in der Geschichte Österreichs passiert ist, nichts gelernt. In diesem Sinn ist es vollkommen richtig, dass wir die Kurse in Justiz­ge­schichte und Zeitgeschichte entsprechend intensivieren und es diese Initiative von Minister Brandstetter gibt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 69

Dass Sie hier den Unterschied nicht erkennen, ist mir einigermaßen schleierhaft. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Grünen.)

12.02


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Herr Bundesminister Dr. Brandstetter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


12.02.26

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Vorweg nur ganz kurz zur GOG-Novelle: Sie beinhaltet wichtige Effizienzsteigerungen in allen Bereichen, vor allem auch im Bereich der elektronischen Aktenführung, was immer wichtiger ist, weil dort allenfalls noch Einsparungspotenzial besteht. In diesem Bereich sind wir wirklich sehr weit vorangekommen. Als Verfechter der Effizienzsteigerung im öffentlichen Dienst freue ich mich darüber, dass diese Novelle heute beschlossen werden kann.

Das zweite Thema, meine Damen und Herren Abgeordnete, ist eines, zu dem ich mich ursprünglich nicht zu Wort melden wollte, aber jetzt muss ich es tun: Wissen Sie, ich sehe meine Aufgabe natürlich auch darin – und jeder Justizminister würde dies genauso sehen, auch meine VorgängerInnen haben das so gesehen –, die Justiz aus dem politischen Streit herauszuhalten. Das ist für ihre Autorität, für ihre Anerkennung und damit auch für die Rechtsstaatlichkeit als solche wichtig. Es geht um die Akzep­tanz und die Autorität der Justiz, sie muss gefördert und aufrechterhalten werden.

Ja, und ich stehe auch zur Formulierung, dass Sensibilität für politische Implikationen im Zuge der Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten notwendig ist. Richter, Staatsanwälte und überhaupt alle Bediensteten in der Justiz haben eine sehr wichtige Funktion, denn die Qualität der Justiz auf allen Ebenen lebt von ihren Bediensteten; daher ist es wichtig, auf allen Ebenen darauf zu achten, dass nicht unnötig Emotionen geschürt werden und auf Befindlichkeiten Rücksicht genommen wird, wo sie berück­sichtigungswürdig sind. Das ist im Prinzip das Einmaleins der Diplomatie.

In der Justiz geht es auch darum, wenn da und dort nötig, klare Entscheidungen zu treffen. Sie sind von unabhängigen Richtern zu treffen und müssen auch entsprechend respektiert und anerkannt werden. Die Qualität dieser Entscheidungen – und das ist meine zweite Aufgabe – hängt auch davon ab, welches Wissen man bei diesen so wichtigen Entscheidungsträgern voraussetzen kann. Für unsere Justiz ist es nicht neu, und ich bekenne mich dazu: Wir haben seit jeher ein entsprechendes Ausbil­dungs­programm für Zeitgeschichte.

Das Curriculum Zeitgeschichte wurde bereits mehrfach abgehalten. Im Jahr 2016, also im Vorjahr, haben wir der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz – die Veranstaltungsreihe wurde von dieser inhaltlich gestaltet – den Auftrag erteilt, die Themenbereiche zu erweitern. Wir waren sozusagen schon dran, insofern liegt der vorliegende Antrag auf der Linie dessen, was wir ohnehin schon in Arbeit haben.

Mittlerweile – das darf ich Ihnen berichten – ist es gelungen, dieses Curriculum aus­zubauen und um aktuelle Themenschwerpunkte zu erweitern. Dazu gehören zum Beispiel die Flüchtlingsbewegung und ihre Folgen sowie Themen der neueren Ge­schichte wie der Jugoslawienkrieg und seine Aufarbeitung und Ähnliches mehr. Im Rahmen von zwei dreitägigen Modulen werden sich in Zukunft alle Richter­amts­anwärter und -anwärterinnen mit diesem sehr wichtigen Themenbereich befassen müssen. Wir hatten das also ohnehin schon geplant und setzen es jetzt auch um. Insofern ist dieser Antrag auch für uns, wenn Sie so wollen, Rückenwind und eine Bestätigung, dass das, was wir diesbezüglich tun, richtig ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 70

Ich darf bei dieser Gelegenheit sagen, dass im Festsaal des Justizministeriums am 7. Juni dieses Jahres eine ganztägige Auftaktveranstaltung stattfinden wird. Es sind alle herzlich eingeladen, daran teilzunehmen, um den Start des Curriculums Justiz und Zeitgeschichte in einem geeigneten Rahmen erfolgen zu lassen. Dieser Auftakt wird dem aktuellen Themenbereich Hate Crimes gewidmet sein. Das ist ein Feld, mit dem alle Richter und Staatsanwälte schon jetzt zu tun haben.

Ich kann nur sagen: Die Beschäftigung mit Zeitgeschichte ist nach unserer festen Überzeugung einfach notwendig, um die Qualität von Entscheidungen in bestmöglicher Art und Weise zu sichern.

Ich sage Ihnen ganz offen: Ich stehe heute noch ein wenig unter dem Eindruck dessen, dass ich gestern in Engerau – das ist ein Stadtteil von Bratislava – gemeinsam mit der Justizministerkollegin aus der Slowakei und dem Justizministerkollegen aus Ungarn eine Gedenktafel enthüllt habe, die an das Massaker von Engerau erinnern soll. Dort gab es ein Lager für jüdische Mitbürger aus Ungarn, welches knapp vor Kriegsende aufgelöst wurde. Es gab dort Massenerschießungen und furchtbarste Dinge. Es gab dann die zeitgeschichtlich interessanten und berühmten Engerau-Prozesse hier in Wien.

Für mich war es ein sehr starkes Erlebnis, zu sehen, dass sich drei Justizminister – aus der Slowakei, aus Ungarn und aus Österreich, die bei Gott nicht immer derselben Meinung sind – in der Notwendigkeit dieser Art von Erinnerungskultur verbunden fühlen und darin einig sind. Gerade der Fall Engerau hat gezeigt, wie wichtig es ist, zu verstehen, welche Mechanismen dazu führen konnten, dass zuvor völlig unauffällige Mitbürger zu Massenmördern wurden, und was da tatsächlich passiert sein musste. Das ist für das Verständnis der Geschichte und für die Erinnerungskultur wesentlich. Ich bin daher froh darüber, dass wir auch im Bereich der Justiz in diesem Themenbereich sehr viel tun, was wir auch fortsetzen werden.

Ich kann Ihnen eine weitere, aus meiner Sicht und offen gesprochen, sehr erfreuliche Ankündigung machen: Gerade die Engerau-Prozesse, wie überhaupt die Prozesse der Nachkriegszeit, haben gezeigt, wie wichtig auch die justizielle Aufarbeitung dunkler Kapitel der eigenen Geschichte ist, um damit letztlich in irgendeiner Form klarkommen zu können. Dazu gehört, dass auch die Justiz ihren Beitrag leistet und dokumentiert, wo sie sehr erfolgreich war und wo es vielleicht Defizite gab.

Wir haben die diesjährige Landesausstellung in Pöggstall in Niederösterreich unter dem Motto „Alles was Recht ist“ dem Thema des Rechts gewidmet. Erstmals besteht die Chance auf Nachnutzung eines Teils des Schlosses. Am Ende dieser Landes­ausstellung wird in diesen Räumlichkeiten eine Dauerausstellung zum Thema Justiz­geschichte und Aufarbeitung der NS-Zeit durch die Justiz zu gestalten sein: Wo hat es gut funktioniert? Wo hat es Defizite gegeben? – So etwas gab es noch nie. Das ist die erste Chance, die wir auch wahrnehmen wollen.

Ich darf auch anfügen: Es wird daran nicht nur die Forschungsstelle Nachkriegsjustiz beteiligt sein, sondern auch einige höchst engagierte Richterinnen und Richter, die sich diesem Thema widmen. Der Präsident des Landesgerichts Wien Mag. Friedrich Forsthuber und Gerichtsvorsteher Dr. Oliver Scheiber sind einige derjenigen, die sich sehr engagieren. Vielleicht ist auch das ein Zeichen für die Qualität der Justiz.

Ich bin mit Richtern nicht immer einer Meinung, das geht auch gar nicht, aber ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich bin auf unsere Richter, die sich auch in diesem Bereich engagieren – nicht nur dort, aber speziell dort –, wirklich stolz. Ich bin auch stolz darauf, was die Richtervereinigung unter Präsident Mag. Werner Zinkl an Informa­tionen im Zusammenhang mit der Türkei beschafft hat; sie waren auf europäischer Ebene sehr wichtig, und wir werden sie nun ebenfalls verwerten und haben den Tag


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des Rechts Mitte Mai dem Thema Situation in der Türkei unter rechtstaatlichen Ge­sichtspunkten gewidmet. All das könnte es ohne das engagierte Eintreten von Ange­hörigen der Justiz, auf die ich wirklich stolz bin, nicht geben.

Solange es so ist, glaube ich, kann man beruhigt sein, was die Qualität und Unab­hängigkeit der Justiz betrifft. Die Beschäftigung mit der Erinnerungskultur, eine best­mögliche und auch historische Ausbildung, ist, glaube ich, ein wichtiger Beitrag dazu, dass es so bleibt. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

12.10


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


12.10.58

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Einer meiner Vorredner hat gefragt, warum SPÖ und ÖVP mitstimmen. – Sie haben das selbst begründet. Ich denke, es ist ein Grundkonsens zwischen SPÖ, ÖVP, NEOS und Grünen, dass die Verbrecher jene waren, die in den KZs Menschen in die Gaskammern geschickt haben, die das befohlen haben, und nicht jene, die befreit wurden – und das ist sehr gut für diese Republik. Das ist ein wichtiger demokratischer Grundkonsens, dieser Antrag trägt diesen Geist.

Wenn man sagt, dass das Lehren von historisch unbestrittenen Tatsachen ein Um­erziehen ist, dann sagt man implizit, es sei anders gewesen, dann gibt man implizit dem Geist des Artikels recht und sagt: Da wird eine Umerziehung entgegen histori­schen Tatsachen vorgenommen. – Das ist nicht der Fall, es gibt diesen Grundkonsens, der absolut unbestritten ist.

Wenn man das dann mit der scheinbaren Sorge um die Unabhängigkeit der Rechts­prechung tarnt, wird es besonders skurril. – Das Verbotsgesetz ist nach dem Buch­staben des Gesetzes anzuwenden. Da geht es eben genau darum, dass das Relativieren und Gutheißen von NS-Verbrechen zu bewerten ist, und dafür braucht man historisches Wissen und muss auf dem Stand der wissenschaftlichen Forschung sein; entweder man beurteilt einen Sachverhalt oder zieht ein zeitgeschichtliches Gutachten bei.

Ich glaube nicht – das möchte ich dazusagen –, dass diese Staatsanwältin irgendeine Sympathie zu diesem Artikel empfindet, sondern – und das ist der Kern dieses Problems –, dass die Sensibilität bei der Begründung gefehlt hat, wobei ich jetzt nicht darauf eingehen will, ob die Einstellung gerechtfertigt war oder nicht. Das ist für die Republik unangenehm, es entsteht nämlich der Eindruck, dass die Justiz in einer Art und Weise argumentiert, die zeithistorisch nicht auf dem aktuellen Stand ist. Genau das ist der Punkt, genau das soll dieser Antrag insofern ändern, als es die zeitgeschichtliche Schulung für Richterinnen und Richter geben soll, damit sie diese Aufgabe auch mit der nötigen Verantwortung erfüllen und in der öffentlichen Debatte nicht der Eindruck entsteht, dass die Justiz Positionen vertritt, die zeithistorischem Wissen entgegenstehen.

Ich möchte aber noch einen Punkt ansprechen, der in der Rede des Abgeordneten Haider Thema war, jenes Mannes, der an einer Linzer Schule interveniert hat: Wir alle sind Politikerinnen und Politiker, wir alle haben Kinder, und ich nehme an, es wird ÖVP-Politikern, SPÖ-Politikern und Grünen-Politikern so gehen, dass die Kinder manchmal etwas erzählen, was Lehrer in der Schule gesagt haben oder hätten. Man wird sich wundern und finden, dass das der Position der eigenen Partei nicht entspricht. Mir geht es als Vater auch so.


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Ich habe Dinge über die Grünen gehört, bei denen ich mich frage, wie ein Lehrer so etwas sagen kann. Ich würde aber nie auf die Idee kommen, in einer Schule anzurufen und zu intervenieren. Das ist für mich ein absolutes Tabu. Es gibt dafür zuständige Organe, die so etwas, wenn tatsächlich eine völlig unangemessene politische Inter­vention gegeben wäre, kontrollieren müssen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Dass man sich als Politiker anmaßt, dahin gehend zu intervenieren, was an einer Schule gelehrt werden darf und was nicht, ist untragbar. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Wenn man sich anschaut, wogegen der Herr Haider interveniert hat, muss man sagen: Das Erste, was er behauptet, es wäre nur über Rechtsextremismus geredet worden, ist schon einmal falsch. Es war Extremismus insgesamt Thema, es waren Dschihadismus und Rechtsextremismus Thema. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das stört die FPÖ offensichtlich schon, die in einem einzigen Punkt vorgekommen ist, nämlich insofern, als der Vortragende gesagt hat, dass das deutschnationale Burschen­schaf­termilieu die FPÖ speist (Abg. Neubauer: Was ist die Qualifikation ...?!), das heißt, dass sie dort ihre Funktionärinnen und Funktionäre rekrutiert.

Genau das ist der Fall, wenn man hier in die Reihen schaut. Ich habe es jetzt nicht im Kopf, aber ein Drittel oder die Hälfte dieser Herren sind aktive deutschnationale Burschenschafter und stolz darauf. Nichts anderes ist dort gesagt worden – nur will man nicht, dass das es den Jungen erzählt wird, denn für diese Szene gibt es dann wenig Verständnis. – Darüber wollt ihr nicht reden, und daher interveniert ihr! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Intervenieren kennt man aus Regimen wie jenen von Erdoğan, Orbán und so weiter. (Abg. Neubauer: Unglaublich! Unglaublich! – Weitere Rufe bei der FPÖ: Unglaublich!) Das wollen wir hier in Österreich nicht, und daher glaube ich, dass die gute politische Tradition, dass sich Parteien aus dem Unterricht heraushalten, richtig ist.

Ihr habt eine eigene Plattform eingerichtet, auf der Interventionen im schulischen Zusammenhang angezeigt werden können. Es gibt bereits eine erste Meldung: Der Abgeordnete Haider wurde gemeldet, habe ich gelesen, weil er politisch interveniert hat und den Unterrichtsgegenstand beeinflussen wollte. Ich hoffe, dass ihr das ordent­lich bearbeitet. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.16


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haider. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


12.16.08

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Mein besonderer Gruß gilt der Defamation League in der fünften Reihe des grünen Blocks! Der Geiferer, der Hauptobergesinnungsinspektor Walser, Schuldirektor Walser, fleischgewordene ...

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, bevor das jetzt heftig wird ... (Heiterkeit bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP. – Abg. Stefan: Das freie Wort!)

 


Abgeordneter Mag. Roman Haider (fortsetzend): Sie sehen ja meine Mimik nicht! – Ja, da ärgert er sich: Da hat sich doch tatsächlich ein Schüler erdreistet, seinen Vater darüber zu informieren, dass in der Schule bei einem von Schülern aller achten Klas­sen im Rahmen des Philosophie- und Psychologieunterrichts verpflichtend zu besuchenden Vortrag, für den noch dazu Geld verlangt worden ist, was rechtswidrig ist – das nur nebenbei –, ein Mann, ein grüner Parteiaktivist, extremer Linksausleger,


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getarnt als unabhängiger Experte, über die „extremistische Herausforderung“ – so war der Titel – gesprochen hat.

Bei diesem Vortrag ist es um alles gegangen, nur nicht – reden wir darüber, worum es nicht gegangen ist! – um Linksextremismus, weil dieser Herr das ja ausblendet. Es ist in diesem Vortrag um alles gegangen, was rechts von ihm ist – also da können sich sehr viele angesprochen fühlen.

Der Schüler hat seinen Vater informiert, und der Vater hat einmal nachgeschaut – man kann das ja ganz schnell recherchieren –, was das für ein Kerl ist, der da als Experte einen Vortrag hält. (Abg. Stefan: Das verhehlt er auch nicht!) Er schreibt, und das verhehlt er auf seiner eigenen Homepage auch gar nicht, in diversen kommunistischen Blättern; in der „Volksstimme“ und dergleichen hat er seine Kolumnen. (Ah-Rufe bei der FPÖ.) Er schreibt zum Beispiel auch in der Zeitschrift „analyse & kritik“, das ist die Zeitschrift der Interventionistischen Linken, die vom deutschen Verfassungsschutz so tituliert wird – das zitiere ich jetzt –: Die IL funktioniert als Scharnier zwischen militanten Gruppierungen und nicht gewaltorientierten Linksextremisten. – Zitatende.

So ein Experte, dessen Expertentum sich übrigens nicht in wissenschaftlichen Leis­tungen manifestiert, sondern in einer abgeschlossenen Buchhändlerlehre, was ja ehrenhaft ist ... (Ruf: Schau dir den Schulz in Deutschland an!) – Ja gut, lassen wir das mit dem Schulz in Deutschland, er ist auch Buchhändler. Was diesen Herrn als Extremisten ausweist, das hat er selbst in seinen Publikationen bewiesen, was ihn allerdings als Experten ausweist, ist wirklich mehr als fraglich (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach), das haben wir auch in einer parlamentarischen Anfrage zum Thema gemacht.

Da hat also der Schüler den Vater nicht nur über den seltsamen Umstand, dass da ein selbsternannter Experte einen Vortrag hält, informiert, er hat ihn auch darüber informiert, dass in diesem Vortrag nur über die sogenannte Gefahr von rechts gesprochen worden ist.

Der Vater, der Elternvertreter an dieser Schule ist und somit auch im Schulgemein­schaftsausschuss sitzt, hat den Direktor angerufen und hat ihn informiert, was da gerade in der Schule abgeht. Dieser hat sich den verantwortlichen Lehrer holen lassen und ihn gefragt, ob er weiß, wen er da eingeladen hat. Der Lehrer ist aus allen Wolken gefallen und hat das einzig Richtige gemacht: Er hat diesen grünen Brunnenvergifter sofort nach Hause geschickt. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Schenk.)

Leider war der Vortrag schon vorbei, es war nur noch die Diskussion am Laufen, und die hat der Lehrer dann vorzeitig beendet. Da hat der Lehrer also etwas sehr Vernünftiges getan, er hat aus seinem Fehler gelernt und die Konsequenz daraus gezogen. Sehen Sie, Herr Walser, es gibt also durchaus auch Lehrer, die Vernunft und Berufsethik höher einschätzen als ideologische Verblendung – immerhin ein positives Signal in dieser Angelegenheit! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Wir werden uns ganz genau anschauen, wie dieser Herr Rammerstorfer den wider­rechtlich eingehobenen finanziellen Beitrag versteuert hat und ob er auch der Beleg­pflicht nachgekommen ist.

Zum Ende meiner Rede darf ich noch ein kleines Bonmot zu Ihrem Parteifreund zum Besten geben, weil Sie ja gerade selbst so viel mit ihren eigenen Parteifreunden zu tun haben. Ich zitiere hier einen Beitrag Ihres Parteifreundes Rammerstorfer, den er über Sie schreibt und den die Zeitung, in der er dauernd schreibt, über Sie, über die Grünen, veröffentlicht hat: Sicher ist nicht jeder Grüne schon ein hartgesottener und bewusster Faschist, aber potenziell tendiert er in diese Richtung. – Zitatende. (Ironische Heiterkeit


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und Beifall bei der FPÖ und Boah-Ruf der Abg. Schimanek.) Das ist ein Zitat aus der Zeitschrift der KPÖ Oberösterreich, in der Ihr Parteifreund Rammerstorfer genau zu der Zeit, als das geschrieben worden ist, eine Kolumne verfasst hat. – Also weiterhin viel Spaß mit diesem Parteifreund! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

12.21


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


12.21.58

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Es ist erfreulich, dass Kollege Haider in der Lage ist, darauf hinzuweisen, dass die Grünen eine offene Partei sind (ironische Heiterkeit bei der FPÖ), dass die Grünen mit vielen kommunizieren, dass die Grünen in Zeitschriften publizieren – wir sind begehrte Artikelschreiber in diversen Zeitschriften. Ich weiß nicht genau, was Sie damit meinen, dass Kollege Rammerstorfer in der Zeitschrift, in der Zeitschrift und in der Zeitschrift etwas veröffentlicht. (Zwischenruf des Abg. Haider.)

Sie, Herr Kollege Haider, gehen am Kern der Geschichte vorbei. Sie haben persönlich einen Schuldirektor dazu aufgefordert, einen Vortrag abzubrechen (Abg. Schimanek: Nein, er hat nur ...!), der zeitgeschichtliche Themen behandelt. Warum sagen Sie nicht, dass das, was Sie unter parteifreier Schule verstehen, eine Schule ist, die von der FPÖ dominiert wird (heftiger Widerspruch bei der FPÖ) und von der FPÖ parteipolitisch in Anspruch genommen wird? (Ironische Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das ist doch ganz offenkundig! Ihr Kollege Rosenkranz hat im Unterrichtsausschuss behauptet, Sie seien Obmann des Elternvereins. (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.) Das ist nicht ganz richtig, Herr Kollege. Sie sind Kassier dieses Eltern­vereins, und als Kassier kennen Sie offensichtlich das Schulunterrichtsgesetz nicht ganz genau. Es gibt sehr wohl sehr viele Vorträge, für die Schülerinnen und Schüler ihren Beitrag leisten, das ist keine Frage.

Herr Kollege, worum es in dieser Sache geht, das ist der unerträgliche parteipolitische Druck (Ruf bei der FPÖ: Hör’n S’ auf ...! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), den Sie auf Schülerinnen und Schüler ausüben. (Abg. Schimanek – die Hände über dem Kopf zusammenschlagend –: Na, bitte, was ...! – Zwischenruf des Abg. Haider.) Und Sie können sicher sein: Gegen diesen Druck (anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ) wer­den sich die demokratischen Parteien in Österreich in gebührender Form zur Wehr setzen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eines kann ich Ihnen sicher sagen: Aus der österreichischen Schule, die ihrem Auftrag nachkommt, machen Sie keine blaue Schule! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ihnen wird es nicht gelingen, mit Ihren Einschüchterungsmethoden die österreichischen Lehrerin­nen und Lehrer davon abzuhalten, dass sie auch künftig kritisch aufklären, in ihren Stunden und an ihren Schulen kritische Diskussionen zulassen. Darauf können Sie Gift nehmen! (Beifall bei den Grünen.)

12.24


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster ist Herr Klubobmann Strache zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.24.38

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Also das ist schon eine etwas skurrile Diskussion hier im Hohen Haus, denn ich dachte immer, dass wir uns einig


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darüber sein sollten, dass parteipolitische Agitation an Schulen grundsätzlich nichts verloren hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Leider müssen wir aber feststellen, dass das in der Realität nicht der Fall ist, was durch viele Meldungen aus Schulen quer durch ganz Österreich belegt ist. Eltern wenden sich an uns und schildern uns von Berichten ihrer Kinder, dass sie in ihrer Schule erleben müssen, dass offenbar immer wieder sogenannte Experten Vorträge halten. Ein Vortrag eines sogenannten Experten aus Oberösterreich war ja jetzt hier auch Thema. Dieser sogenannte unabhängige Experte hat in über 70 Schulen als grüner Parteifunktionär parteipolitische Agitation betrieben; und dann werden die Schüler noch in rechtswidriger Weise gezwungen, 3 € dafür zu bezahlen. – So etwas hat an keiner Schule etwas verloren! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Team Stronach. – Zwischenruf des Abg. Walser.)

Stellen Sie sich vor, das wäre ein freiheitlicher Funktionär gewesen: Was für ein Theater würden Sie zu Recht hier zum Besten geben! Und genau darum geht es! Das sind ja keine Einzelfälle, das hat Methode! (Zwischenrufe bei den Grünen.) Wir erleben, dass parteipolitische Agitation an österreichischen Schulen methodisch statt­findet. Unsere Kinder müssen sich dort anhören, wie man demokratische Parteien, die in diesem Haus vertreten sind, dort bezeichnet, da wird teilweise mit strafrechtlich relevanten Begrifflichkeiten herumgeworfen. – Das hat an Schulen nichts verloren! Und genau darum geht es! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Team Stronach.)

Wenn dann ein Schüler in dieser Situation den Mut und den Charakter hat, seinen Vater, der Elternvertreter ist, anzurufen und ihm zu sagen, dass so etwas nicht möglich sein kann, dann hat der gewählte Elternvertreter die Verpflichtung, tätig zu werden und solche parteipolitischen Agitationen an der Schule zu melden (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Team Stronach) und den Direktor auch darauf aufmerksam zu machen, dass er die Verantwortung dafür trägt und auch eine Beur­teilung zu treffen hat. (Abg. Steinhauser: Ganz im Geist von Erdoğan!) Genau das ist von ihm gemäß seiner Verantwortung auch gemacht worden (Abg. Steinhauser: ... Erdoğan!), und das erwarte ich von allen Eltern, gleich welcher Couleur, nämlich genauso ihre Verantwortung als Elternvertreter zu leben. Und genau darum geht es!

Da muss man schon auch eines sagen: Wenn der Schriftsteller Misik, der ja auch Berater von Bundkanzler Kern ist, auf der Seite von Landesrat Ackerl, dem ehemaligen roten Landesrat in Oberösterreich, sinngemäß schreibt: Na ja, dieser Schüler, der da diese Ungeheuerlichkeit der parteipolitischen Agitation aufgezeigt hat, gehört eigentlich behandelt, wie man es zu unserer Zeit gemacht hat, nach dem Motto: Mobbing, Druck ausüben und vielleicht noch ein paar Watschen mit auf den Weg geben! (Abg. Walter Rosenkranz: Unerhört! Gesindel!), dann muss ich sagen: Das ist unerhört, denn genau das ist faschistisches Gedankengut, das an Schulen nichts verloren hat und mit dem man Andersdenkende nicht in solcher Art und Weise konfrontieren sollte. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Team Stronach.)

Diese besondere Verantwortung an unseren Schulen gilt es, wieder hervorzuheben: dass Direktoren und Lehrer die Verantwortung dafür haben, dass eben keine Partei – keine Partei! –, gleich welche, parteipolitische Agitation an Schulen betreiben kann. Und genau diese Verantwortung haben wir: solche Dinge aufzuzeigen, abzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass das nicht stattfinden kann – zum Schutz unserer Kinder! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Walser: ... Erdoğan!)

Und genau das ist es, was Sie stört! (Abg. Walser: AKP Österreich!) Genau das ist es, was Sie stört, weil Sie genau in diesen Bereichen seit Jahren ungehindert tätig ge­wesen sind. Das wird abzustellen sein, Herr Walser, denn das hat mit Demokratie


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nichts zu tun. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Team Stronach.)

12.28

12.28.38

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu einigen Abstimmungen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1504 der Beilagen.

Wer stimmt diesem Gesetzentwurf zu? – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung:

Wer stimmt dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zu? – Das ist wiederum Ein­stimmigkeit.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5, die dem Ausschussbericht 1532 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend die flächendeckende Umsetzung der Pflichtkurse in Justizgeschichte für angehende RichterInnen und Staatsan­wäl­tInnen.

Wer stimmt dem zu? – Das ist die Mehrheit und somit angenommen. (E 195.)

12.29.436. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1513 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Pauschalreisen und verbundene Reise­leistungen (Pauschalreisegesetz – PRG) erlassen wird sowie das Kon­sumentenschutzgesetz, das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz und das Ver­braucherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden (1533 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Es gibt keine mündliche Berichterstattung.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte.

 


12.30.22

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Pauschalreisegesetz – das ist die Umsetzung einer Richtlinie, die ziemlich exakt erfolgt ist, aber das muss ja noch nicht heißen, dass wir hier in Österreich damit glücklich sind, denn wenn eine Richtlinie etwas nicht Sinnvolles vorgibt, dann sollte man sich in erster Linie einmal dagegen wehren und das nicht schlicht und einfach zur Kenntnis nehmen und diese Richtlinie umsetzen.

Was ist an diesem Gesetz positiv? – Es gab bis jetzt eine Möglichkeit der Über­kom­pensation. Das heißt: Wenn zum Beispiel bei einer Reise der Flug mehrere Stunden verspätet war, hat man Ansprüche gehabt, und zwar einerseits gegenüber dem Reiseveranstalter und andererseits aufgrund der Fluggastrechte-Verordnung. Das ist jetzt klargestellt: Es gibt keine Überkompensation mehr. – So weit, so positiv.

Negativ ist allerdings, dass diese Richtlinie jetzt noch einen Evaluierungshorizont von etwa drei Jahren hat. Das heißt, dass es da möglicherweise wiederum zu Änderungen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 77

kommt. Wir beschließen aber heute hier ein Gesetz, das für die Reiseveranstalter Konsequenzen hat – und dann muss dieses Gesetz möglicherweise in wenigen Jahren schon wieder geändert werden; wahrscheinlich noch dazu, bevor es höchstgerichtliche Entscheidungen gibt. Insofern ist das ein bisschen eine schlechte Situation für die Reiseveranstalter, weil sie da keine große Rechtssicherheit haben.

Was ist aber das Wesentliche an diesem Gesetz? – Für die großen Reiseveranstalter hat sich dadurch nichts geändert. Für die – beispielsweise für TUI, Verkehrsbüro-Ruefa – ist der Status quo unverändert geblieben, für die ändert sich dadurch nichts. Die kleinen Reisebüros werden dadurch allerdings massive Probleme bekommen, und es ist davon auszugehen, dass sie schlicht und einfach früher oder später das Hand­tuch werfen werden, weil sie aufgrund dieses Gesetzes stark erweiterte Haftungen haben.

Es geht insbesondere darum, dass der Begriff der Pauschalreise jetzt neu definiert ist. Eine Pauschalreise kann sich jetzt auch so ergeben, dass nicht schon im Voraus festgelegte Verbindungen von mehreren Reiseleistungen zusammenkommen, sondern sich das dann eben erst später ergibt, und wenn dann so eine Pauschalreise vorliegt, dann hat der Reiseveranstalter eine erweiterte Haftung. Das beginnt einmal mit der Aufklärung darüber und setzt sich weiter fort, und so kann es passieren, dass es zu einer Pauschalreise kommt, mit der der Reiseveranstalter – das kleine Reisebüro – nicht gerechnet hat und daher vielleicht die Aufklärung nicht entsprechend vorge­nommen hat, und dann haftet er voll dafür. Daher ist davon auszugehen, dass kleine Reisebüros da schlicht und einfach nicht mehr mitkommen und dann unter die Räder kommen.

Das ist Inhalt dieses Gesetzes, das ist Inhalt der Richtlinie. Es wird schon so sein, dass sich die großen Reiseveranstalter da auf EU-Ebene durchgesetzt haben. Tatsache ist aber, dass die kleinen Reisebüros in Österreich dadurch unter die Räder kommen.

Es ist jetzt auch der Abschluss einer Insolvenzversicherung verpflichtend und einiges andere mehr, was einen großen Aufwand, einen bürokratischen Aufwand und auch einen großen finanziellen Aufwand zur Folge hat, das alles, wie gesagt, mit dem großen Risiko der Haftung, sodass die kleinen Reiseveranstalter da an den Rand gedrängt werden.

Wir von der FPÖ haben mit diesem Gesetz keine Freude, denn wir sind sehr froh über jeden Unternehmer, den es gibt, gerade auch über die Kleinunternehmer, von denen viele als Reiseveranstalter beziehungsweise als Reisebüro tätig sind – bis jetzt, sage ich dazu –, und daher lehnen wir dieses Gesetz ab. (Beifall bei der FPÖ.)

12.33


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Himmelbauer. – Bitte.

 


12.33.59

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Kollege Stefan hat es schon ange­sprochen: Tagesordnungspunkt 6 beschäftigt sich mit der Umsetzung einer EU-Richt­linie zum Thema Pauschalreisen. Es geht dabei um verschiedene Reiseleistungen, die in Kombination zu einem Pauschalpreis angeboten werden. Diese Richtlinie bringt im Hinblick auf Konsumentenschutz größere Sicherheit und schafft mehr Vertrauen. Gleichzeitig – das wurde schon angesprochen – bedeutet das aber für die Anbieter mehr Auflagen in Bezug auf Informationspflichten und zusätzliche Haftungsverpflich­tungen.

Gerade Österreich gilt als Tourismusland, nicht zuletzt aufgrund der Vielfalt, die wir in Österreich haben, die auch jedem Gast das Seine bietet. Auch in meiner Heimatregion,


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dem Weinviertel, wurde nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sehr viel in die touris­tische Entwicklung der Region investiert, wobei wir uns vor allem dem sanften Touris­mus verschrieben haben, einem Tourismus im Einklang mit der Natur, und ich weiß aus den diesbezüglichen Erfahrungen in dieser Region, welche Bedeutung der Tourismus hat. Er hat große Bedeutung für die Anbieter, für die Tourismusbranche, aber in weiterer Folge natürlich auch für Handwerksbetriebe, für den Bäcker, für den Fleischer, für den Winzer. Das schafft auch Arbeitsplätze in der Region und generiert regionale Wertschöpfung.

Österreich hat sich aus diesem Grund – und auch deshalb, weil viele Regionen in Österreich davon betroffen sind – in den Verhandlungen zu dieser Richtlinie, die ja ganze sieben Jahre gedauert haben, immer wieder eingebracht. Das österreichische Parlament hat mit einem Entschließungsantrag die Regierung unterstützt, und Staats­sekretär Mahrer hat viele wichtige Punkte daraus eingebracht, die darauf ausgerichtet waren, vor allem die Auflagen für unsere Tourismusbetriebe zu minimieren. Das ist in einigen Teilen gelungen, beispielsweise konnte eine Wertschwelle von 25 Prozent durchgesetzt werden, die ausschlaggebend dafür ist, ob eine Reise überhaupt als Pauschalreise gilt. Wir haben diese Richtlinie dennoch abgelehnt, müssen aber heute unserer Verpflichtung natürlich nachkommen und diese Richtlinie umsetzen. – An dieser Stelle ein Danke an das Ministerium, das sich bei der Umsetzung sehr klar an diese Richtlinie gehalten und Abstand davon genommen hat, durch Erweiterungen Golden Plating zu betreiben!

Im Ausschuss habe ich noch einen Punkt betreffend die Präzisierung oder die Inter­pretation einer Passage angebracht, in der es um die zusammengefasste Zahlung von getrennt in Rechnung gestellten Leistungen geht. Ich habe nach dem Ausschuss auch das Gespräch mit dem Vertreter des Ministeriums gesucht, um zu klären, wie das interpretiert werden soll, und möchte hier dezidiert klarstellen: Wenn verschiedene Reiseleistungen bezogen werden, also beispielsweise ein Flug gebucht wird und dann separat noch ein Hotel ausgewählt wird und es über diese Buchungen getrennte Vertragsabschlüsse gibt, die auch getrennt in Rechnung gestellt werden, diese aber einfachheitshalber zusammen gezahlt werden, dann gilt das noch nicht als Pauschal­reise.

Das ist in unserem Sinne und auch im Interesse der Tourismusbranche, denn es gewährt dieser Rechtssicherheit, was für diese wichtig ist, und ermöglicht ihr auch eine praxisgerechte Vorgehensweise. (Beifall bei der ÖVP.)

12.37


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.

 


12.37.27

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister Brandstetter! Zur Debatte steht hier jetzt das Pauschalreisegesetz, das nur teilweise umgesetzt wird. Kollege Stefan hat vorhin erläutert, worum es dabei geht. Dazugesagt werden muss, dass es dabei nicht nur um die Reisebranche geht, sondern auch um die Hotelbranche, und in dieser Hinsicht muss ich die Ausführungen der Kollegin Him­melbauer ein bisschen korrigieren. So gesehen haben Sie, Frau Kollegin, das nicht genau durchgelesen. Ich verstehe das auch, weil es ein unübersichtliches Gesetz beziehungsweise eine unübersichtliche Richtlinie ist, insofern birgt diese Richtlinie auch eine Gefahr in sich.

Woher kommt diese Pauschalreise-Richtlinie denn eigentlich? – Sie kommt aus Großbritannien, das war eine Intervention von dort. Das Dumme ist allerdings, dass die Briten aufgrund des Brexit nicht mehr in der EU sind. Es betrifft eigentlich nur die großen Reisebüro-Unternehmen auf dieser Welt. Und wer da natürlich draufzahlt, das


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 79

ist der Hotelier. Die Struktur in der Ferienhotellerie ist meistens so aufgebaut, dass auch sie Pauschalen anbietet, und was braucht der Hotelier dazu? – Er braucht dazu einen neuen Gewerbeschein, weil man nach dieser Pauschalreise-Richtlinie das auch anbieten muss.

Ich denke, dass ein übertriebener Konsumentenschutz – und das ist klar ein übertrie­bener Konsumentenschutz – die Konsumenten in einer Art und Weise entmündigt, dass es der Gesamtwirtschaft schadet. Wir brauchen also im Endeffekt keine Um­setzung in dieser Form, denn die Umsetzung dieser Richtlinie wird negative Auswir­kungen auf den österreichischen Hotelsektor haben.

Die ÖVP spricht ja immer davon, allerdings nur, wenn es um Themen wie Land­wirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raumes geht, aber wir alle beklagen das Bäckersterben, das Wirtesterben, das Metzgersterben, und bald wird es auch ein Hoteliersterben geben, weil es niemanden mehr interessiert, weil die Haftungsfragen so diffizil geworden sind, weil die Umsetzung so schwierig ist, nämlich insofern, als kleine Hotels den Gästeansprüchen nicht mehr gerecht werden können. Das heißt, die Rundumbetreuung kann nicht mehr gewährleistet werden, weil die Hoteliers jetzt plötzlich mit denselben Auflagen wie die Reiseveranstalter TUI und Co konfrontiert sind, nämlich mit Informationspflichten, Rücktrittsrechten, Insolvenzabsicherung und Schadenersatz bei entgangenen Urlaubsfreuden, und das auch ohne Verschulden.

Da wünsche ich allen viel Spaß! Wenn man jetzt einmal schlecht drauf ist und der Urlaub – vielleicht weil man mit seiner Partnerin, mit seinem Partner gestritten hat – ein schlechter ist beziehungsweise sozusagen eine entgangene Urlaubsfreude ist und man das irgendwie argumentieren kann, weil diese Pauschale auch in den Haftungsfragen nicht so gewirkt hat, dann wird das entsprechend schwierig sein.

Kollege Stefan hat ja auch den Punkt mit der dreijährigen Übergangszeit erwähnt. Es steht auch wörtlich drinnen: „Die Richtlinienbestimmungen, die den Insolvenzschutz und die Insolvenzabsicherung betreffen, fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz und sollen im Rahmen eines anderen Vorhabens umgesetzt werden.“  

Also man kauft da die Katze im Sack. Es ist schwer, jetzt darüber zu urteilen, wie das dann hinsichtlich Konsumentenschutz und vom Herrn Vizekanzler in der Folge umge­setzt werden wird.

Ich muss ganz ehrlich sagen, mit großem Bauchweh – mit großem Bauchweh! – wer­den wir dem zustimmen. Den Teil der Richtlinie, der von Bundesminister Stöger und Vizekanzler Mitterlehner nachverhandelt wird, werden wir aber nicht akzeptieren, wenn er nicht absolut an der unteren Grenze dieser Richtlinie liegt.

Beschweren wir uns nicht über das Aussterben der Metzger, Wirte und Hoteliers – wenn wir das umsetzen, dann sind wir alle selbst schuld daran! – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Auer.)

12.41


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


12.41.45

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich kann entgegen den Meinungen meiner Vorredner aus Konsumentenschutzsicht nur sagen, dass dieses Gesetz positiv und im Sinne der Konsumenten ist.

Das Pauschalreisegesetz, das aus der Richtlinie entstanden ist, hat sich ganz einfach an den Umstand angepasst, dass viele Menschen ihre Reisen nicht mehr im Reise-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 80

büro, sondern oft schon online im Internet buchen. Da kennen wir alle daraus ent­stehenden Problematiken. Das Gesetz soll Rechtssicherheit für Konsumenten, aber letztendlich auch Rechtssicherheit für Unternehmer bringen. Während die alte Pau­schalreise-Richtlinie aus dem Jahr 1990 im Konsumentenschutzgesetz verankert war, hat man diese jetzt komplett herausgelöst und dieses eigene Regelwerk aus der Richtlinie gemacht.

Ich möchte ein paar positive Aspekte hervorheben, und zwar einheitlichere euro­pä­ische Regeln, die für Reisen, die man entweder im Reisebüro oder im Internet bucht, gelten. KonsumentInnen sind geschützt, wenn AnbieterInnen in Konkurs gehen; das war bis dato gar nicht der Fall. Haftungen für alle Leistungen, die im Pauschalpaket enthalten sind, werden verbessert.

Wir alle kennen solche Reisen, die man einzeln zusammengestückelt hat, bei denen man im Vorfeld keine Sicherheit hatte. Jetzt gelten diese Reisebausteine zusam­mengestellt als Pauschalreise, somit gibt es auch diese Sicherheit. Die Kunden und Kundinnen haben einen einheitlichen Ansprechpartner, sie brauchen sich nicht an fünf verschiedene Stellen zu wenden. Die Stornobedingungen für diese einzelnen Reise­bausteine sind besser.

Also ich denke, im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten und Menschen, die gerne reisen, sind das ein positiver Aspekt und ein gutes Gesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

12.43


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


12.44.14

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! TOP 6: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen erlassen wird. Es geht um einheitliche europäische Standards für Pauschalreisen – eine EU-Richtlinie, haben wir gehört. Die Umsetzung hat spätestens bis 1. Jänner 2018 zu erfolgen.

Kollege Stefan und auch Sepp Schellhorn haben es angesprochen: Meiner Meinung nach müssen wir sehr aufpassen, dass dabei die kleinen Reisebüros nicht unter die Räder kommen. Da hängt sehr viel zusammen: die ganze Vermietung, Gastronomie und Hotellerie. Diesbezüglich muss man schon sehr auf der Hut sein, dass diese kleinen Reisebüros nicht ganz verschwinden, die ja auch Arbeitsplätze schaffen und Arbeitsplätze sichern. Das sollten wir schon im Hinterkopf haben.

Ich habe mir auch die Stellungnahme der Bundesarbeitskammer sehr genau ange­sehen. Ich darf hier ein paar Sätze daraus zitieren: 

„Aus Sicht der BAK sollte das bestehende Verbraucherschutzniveau im Reiserecht durch die Umsetzung dieser neuen Richtlinie – wo dies möglich ist – nicht herabgesetzt werden. So sollen Gewährleistungsansprüche wie bisher durch das Unterlassen einer Mängelrüge nicht geschmälert werden. Ein Unterlassen der Mängelrüge soll weiterhin nur im Bereich des Schadenersatzes berücksichtigt werden können.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Gesetz regelt aber viel mehr als Pauschalreisen. Meiner Meinung nach ist der Vorschlag, wie auch die Bundesarbeits­kammer hier schreibt, dass das Gesetz zum Beispiel in Reisevertragsgesetz um­benannt werden sollte, gut, weil eben in diesem Gesetz viel mehr verpackt ist als nur die Pauschalreisen. Deshalb, glaube ich, könnte man bei nächster Gelegenheit über­legen, ob man dieses Gesetz nicht zusätzlich ändert. – Danke schön. (Beifall der Abg. Barbara Rosenkranz.)

12.46



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 81

Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Aslan. – Bitte.

 


12.46.21

Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Pauschalreise-Richtlinien müssen immer wieder überarbeitet werden, weil sie sich auch immer wieder an die Rahmen­bedingungen unserer Zeit anpassen müssen, zum Beispiel an die Entwicklung des Onlineverkaufs von Reiseleistungen. Es ist auch an der Zeit, dass sich unser Pau­schalreisegesetz ändert. Die vorgeschlagene Änderung stärkt aber, wie behauptet wurde, den Konsumentenschutz nicht ganz.

Neu im Vergleich zur bisherigen Pauschalreise-Richtlinie ist vor allem die Einführung der sogenannten verbundenen Reiseleistungen. Von einer solchen verbundenen Reise­leistung ist auszugehen, wenn ein Flug online gebucht wird und dann über eine Verlinkung bei einer Mietwagenfirma ein Mietauto gemietet wird. Liegt eine verbundene Reiseleistung vor, muss das Unternehmen lediglich bekannt geben, dass eben kein umfassender Schutz nach dem Pauschalreisegesetz vorliegt. Es kommt bei dieser Reiseleistung noch dazu, dass jeder Leistungserbringer nur für die Erbringung der im Reisevertrag vereinbarten Reiseleistung haftet.

De facto besteht das Problem, dass das Pauschalreisegesetz nicht wirklich der Lebensrealität der Konsumentinnen und Konsumenten entsprechen dürfte, weil viele Menschen die Reise ja bis auf den Flug vor Ort organisieren. Wenn da irgendwelche Reisemängel auftreten, können natürlich massive Rechtsschutzdefizite im Hinblick auf die Durchsetzung möglicher Schadenersatzansprüche entstehen. Da stellt sich natürlich berechtigterweise die Frage, gegen wen der Anspruch geltend gemacht werden kann oder wo überhaupt der Gerichtsstand sein wird.

Im Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz gibt es eine Regelung, die Konsumentinnen und Konsumenten im Internet vor überstürzten Kaufentscheidungen schützt, deswegen ist es für mich und für uns nicht nachvollziehbar, warum es hier solche Rücktrittsrechte für Reiseleistungen einfach nicht gibt.

Im Grunde genommen begrüßen wir natürlich die Änderung, die heute beschlossen wird, aber ich wünsche mir weiterhin eine Stärkung des Konsumentenschutzes und hoffe, dass wir auch gemeinsam daran arbeiten werden. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen.)

12.49


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Herr Bundesminister Dr. Brandstetter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.49.08

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Inhaltlich wurde alles gesagt, vielleicht noch zwei Hinweise:

Wir haben uns bewusst für ein eigenes Gesetz in Form dieses Pauschalreisegesetzes entschieden, weil der Einbau dieser Regelungen, die nichts anderes als eine schlanke Umsetzung einer EU-Richtlinie sind, in das Konsumentenschutzgesetz dort noch mehr Unübersichtlichkeit gebracht hätte. So ist es, glaube ich, formal besser.

Der zweite Punkt ist: Die heutige Verabschiedung dieses Gesetzes erfolgt mehr als neun Monate vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist – das heißt, wir waren auch da wieder sehr schnell –; und sie erfolgt deutlich mehr als ein Jahr vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, damit alle Beteiligten ausreichend Gelegenheit und Zeit haben, sich auf diese Neuerungen einzustellen. Das gilt vor allem auch für unsere Tourismusbetriebe.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 82

Sie brauchen diese Zeit, um sich auf diese Vorgaben einzustellen. Darauf wollte ich noch hinweisen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.50


Präsident Karlheinz Kopf|: Danke, Herr Bundesminister.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Troch. – Bitte.

 


12.50.12

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Nationalrat diskutiert und entscheidet heute über ein neues Pauschalreisegesetz. Was bedeutet das für die Reisenden? Was bedeutet das für die Reisebürobranche und was bringt das neue Pauschalreisegesetz im Vergleich zu den bisherigen Bestimmungen über Pauschalreisen?

Klarer geregelt – und das ist schon das entscheidende Stichwort –, klarer geregelt wird zum Beispiel der Rücktritt vor Reisebeginn. Hier heißt es wörtlich: „[...] wenn [...] unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten“, dann Rücktritt von der Reise, ohne Entschädigung zahlen zu müssen. Das wird nun klar definiert: Kriegs­handlungen, Terrorismus, Gefährdung der Gesundheit, Naturkatastrophen wie Erd­beben, Hochwasser oder Witterung, die verhindern, dass das Reiseziel entsprechend den Bestimmungen erreicht werden kann.

Allerdings – und hier ist das Gesetz sowohl konsumentenfreundlich als auch wirt­schaftsfreundlich –: Diese Bestimmungen gelten nicht nur für die Konsumenten, diese Bestimmungen gelten auch für die Reisebüros, die ihrerseits unter solchen Umständen Reisen absagen können, ohne Entschädigung leisten zu müssen. Das heißt, das Gesetz spricht da unter dem Titel der quasi höheren Gewalt klar eine Konsu­men­tenfreundlichkeit wie auch eine Wirtschaftsfreundlichkeit aus. Das finde ich gut.

Neu ist die Informationspflicht; da ist ja das Stichwort „Vorvertragliche Informationen“. Es wird diesbezüglich ein Standardinformationsblatt geben, in dem folgende Punkte ganz klar dem Konsumenten, dem Reisenden mitgeteilt werden müssen: Das sind im Wesentlichen die Reiseleitung, der Gesamtpreis, die Zahlungsmodalitäten, allfällige Mindestteilnehmerzahlen und Informationen über das Rücktrittsrecht des Reisenden.

Ich glaube, das sind ganz wesentliche Informationen. Die Branche erledigt das ja jetzt schon ordnungsgemäß, aber jetzt müssen es per Gesetz alle machen – und das ist gut so.

Das neue Pauschalreisegesetz schafft mehr Klarheit, es stärkt den Konsumen­ten­schutz. Und da Pauschalreisen ja oft Auslandsreisen sind oder auch für Ausländer in Österreich angeboten werden, ist es einfach korrekt und wünschenswert, dass es eine EU-weite klare Regelung gibt.

In diesem Sinne ist das Gesetz sehr gut, wenn auch eine klare Gratwanderung zwischen Wirtschaftsfreundlichkeit und Konsumentenschutz. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.53


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


12.53.11

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Urlaubsplanung hat sich durch das Internet sehr stark verändert. Früher war das Reisebüro Dienstleister für alle UrlaubsplanerInnen,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 83

heute ist es das Internet. Die Abgrenzung zu den Pauschalreisen hat sich auch gänzlich verändert.

Früher war es relativ klar: Mit dem Betreten des Reisebüros hat man eine Firma mit der Gesamtorganisation der Reise beauftragt. Im Internet stellt sich die Situation anders dar. Mit den Click-Through-Buchungen wechselt man die Seiten, und es werden auch wichtige Daten wie Name, Mail-Adresse, Bankdaten und so weiter an die verschie­denen Anbieter weitergeleitet. So hat man scheinbar einen abgeschlossenen Vertrag, der aber mit verschiedenen Vertragspartnern abgeschlossen ist, und sollte es Prob­leme geben, ist es später für die Rechtsanwälte relativ schwierig, das aufzulösen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

In diesem Sinne ist eine einheitliche Richtlinie im Pauschalreisegesetz, die das umsetzt, sehr positiv. Es wurde schon genannt: Es gibt Informationspflichten, eine Änderung des Vertrags ist möglich, die Rechtsfolgen sind geklärt. Trotz all dieser Verbesserungen im Konsumentenschutz hat es auch Bedenken der österreichischen Hotellerie gegeben. Diese wurden aus unserer Sicht berücksichtigt. Da, denke ich, ist unserem Staatssekretär Mahrer zu danken, der auf EU-Ebene hervorragend ver­handelt hat und die Wertgrenze für touristische Leistungen mit 25 Prozent herausver­handeln konnte.

In diesem Sinne ist es ein guter Tag für die österreichischen KonsumentInnen und für alle, die ihren wohlverdienten Urlaub antreten wollen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.55

12.55.17

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1513 der Beilagen.

Wer stimmt diesem Gesetzentwurf zu? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer stimmt dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zu? – Das ist wie­derum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenom­men.

12.55.487. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1470 d.B.): Zweites Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (1536 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1459 d.B.): Erklä­rung der Republik Österreich über die Annahme der Beitritte Albaniens, Andorras, Armeniens, Marokkos, der Russischen Föderation, der Seychellen, Singapurs zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (1534 d.B.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 84

9. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1476 d.B.): Erklä­rung der Republik Österreich über die Annahme der Beitritte Kasachstans, Perus und der Republik Korea zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (1535 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nun kommen wir zu den Punkten 7 bis 9 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es wird keine mündliche Berichterstattung gewünscht.

Es liegen dazu nur zwei Wortmeldungen vor, dann erfolgt wieder eine Abstimmung, meine Damen und Herren!

Erster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Vetter. – Bitte.

 


12.56.58

Abgeordneter Dr. Georg Vetter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wir besprechen unter diesen drei Tagesordnungspunkten zwei, die mit dem Zivilrecht zusammenhängen, und einen, der mit dem Strafrecht zusammenhängt. Ich habe das eher ungern, wenn das vermengt wird.

Ich konzentriere mich auf das strafrechtliche Übereinkommen, das Zweite Zusatz­protokoll zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen. Dieses Zusatzprotokoll übernimmt weitgehend Regelungen, die bereits auf Ebene der Europäischen Union in den Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union getroffen worden sind, und ergänzt – no na, wenn es das Zweite Zusatzprotokoll ist – das Erste Zusatzprotokoll.

Im Wesentlichen handelt es sich um folgende Regelungen: Rechtshilfeleistungen auch bei Verwaltungsübertretungen hinsichtlich des unmittelbaren Behördenverkehrs zwi­schen den für die Stellung und für die Erledigung von Rechtshilfeersuchen zuständigen Behörden; Informationsaustausch; Vernehmung von Zeugen, Sachverständigen und Beschuldigten per Videokonferenz; Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen per Telefonkonferenz; Vorschriften zur Einrichtung und zum Einsatz gemeinsamer Ermittlungsgruppen; wechselseitige Unterstützung der Vertragsstaaten durch den Einsatz verdeckter Ermittler; Durchführung kontrollierter Lieferungen von Verbotswaren und grenzüberschreitende Observation.

Da wir innerhalb der Europäischen Union diese Regelungen bereits umgesetzt haben, brauchen wir keine zusätzlichen technischen Maßnahmen zu setzen, daher entstehen uns durch dieses Zusatzprotokoll auch keine zusätzlichen Kosten, die wir tragen müssen. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Prinzipiell – wenn ich da ein paar Überlegungen anschließen darf – geht es ja hier um das strafrechtliche Zusammenwachsen Europas. Ich erinnere mich an einen be­rühmten Fall aus der Zeit, in der wir noch nicht in der Europäischen Union waren, an einen Mord, der nicht in Österreich begangen wurde, sondern im Indischen Ozean. Damals gab es sechs Tote und sechs Mal versuchten Mord. Der unmittelbare Täter ist in Österreich zu lebenslanger Haft verurteilt worden, aber sein Komplize ist nach Deutschland gegangen – er war Deutscher – und hat dort eine viel geringere Strafe bekommen.

Ähnlich war der Fall betreffend eine Bank im Südosten Österreichs, als derjenige, der die Bank ausgeräumt hat – auch ein Deutscher –, nach Deutschland gegangen ist und eine relativ geringe Strafe bekommen hat, aber der Bankdirektor hier in Österreich fast die Höchststrafe bekommen hat.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 85

Mit dem Zugang zu Europa, mit diesem Zusammenwachsen müssen wir auch darauf achten, dass strafrechtlich nicht Rosinen gepickt werden können, dass sich dann nicht jeder das Land aussuchen kann, in dem er die geringste Strafe bekommt.

Wir haben in Europa verschiedenste Maßnahmen gesetzt – Sie werden sich vielleicht an den Europäischen Haftbefehl erinnern, den es gibt –, damit da auf unserem Kon­tinent eine gewisse Vereinheitlichung erreicht wird. Vielleicht ist es auch für Sie ein Ärgernis, wenn jemand die Straßenverkehrsordnung in Österreich nicht einhält, einfach deshalb, weil er denkt, ihm werde ohnehin nichts passieren, weil sein Fahrzeug ein ausländisches Kennzeichen hat. Zu einem gemeinsamen Europa gehört auch ein harmonisierter Zugang hinsichtlich des Strafrechts, sei es das justizielle Strafrecht oder das Verwaltungsstrafrecht.

Dazu gibt es eine Menge an Abkommen, in diesem Zusammenhang hat das Justiz­ministerium eine Menge gemacht, und dazu gehört auch diese Bestimmung, die wir heute beschließen.

Aber einen kleinen Wermutstropfen möchte ich schon noch bringen, da sich das Justizministerium so sehr um eine Vereinheitlichung in diesen Strafrechtssachen bemüht: Uns wurde unlängst eine in diesem Haus ziemlich populäre Strafanzeige zur Kenntnis gebracht – zumindest theoretisch, weil sie ja geheim gehalten wird –, nämlich jene, die das Verteidigungsministerium unlängst erstattet hat, und in dieser Strafan­zeige wird auf ein Strafverfahren Bezug genommen, das es in München gegen die angezeigten Personen gibt. Und wenn es ein Strafverfahren bei einer anderen Staats­anwaltschaft gibt, kommt einem als Jurist gleich immer die Konzentrations­maxime in den Kopf.

Wir haben im Zusammenhang mit TTIP und CETA über Monate Diskussionen darüber geführt, warum diese Schiedsgerichte angezweifelt werden, und viele haben beteuert, dass sie Vertrauen in die staatlichen Gerichte auch der anderen beteiligten Länder haben. Das müsste eigentlich insbesondere auch dann der Fall sein, wenn wir von Staatsanwaltschaften in Österreich und Deutschland reden. Der Punkt ist also: In Wirklichkeit hätte man aus Gründen der Konzentrationsmaxime die Staatsanwaltschaft in München einschalten können, wenn wir so viel Vertrauen haben.

Ich ende ja meistens mit einem Cicero-Zitat. Cicero hat gesagt: „Ein Brief errötet nicht.“ – Vielleicht würde er heute sagen: Eine Strafanzeige errötet nicht. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Berlakovich gelangt zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.03.02

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Ich möchte zum Thema grenzüberschreitende Kindes­entführung Stellung nehmen. Man spricht immer dann davon, wenn ein Elternteil das Kind gegen den Willen des anderen Elternteiles entführt, außer Landes bringt bezie­hungsweise dann auch in diesem Land festhält. Das ist eine schlimme Sache, weil sie am stärksten die Kinder trifft, die dann unter Umständen depressiv werden, emotionale Gemütsschwankungen haben, sozusagen Schaden fürs Leben nehmen, und das gilt es zu verhindern.

60 derartige Fälle kommen jährlich in Österreich vor, und in erster Linie geht es daher darum, Kinder zu schützen; Kinder vor negativen Folgen zu schützen, vor Krankheit zu schützen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 86

Es gibt diesbezüglich ein internationales Abkommen, das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung. Das ist ein multila­teraler Vertrag, den Österreich und auch viele andere unterzeichnet haben, und heute geht es darum, dass zehn weitere Staaten ebenfalls Mitglied werden; und nur dann, wenn der betreffende Staat Mitglied ist und somit diese Regelung mit Leben erfüllt wird, können Kinder, die dorthin entführt werden, wieder nach Hause geholt werden.

Die häufigsten Ursachen solcher Kindesentführungen sind, dass im Fall einer Tren­nung, einer Scheidung versucht wird, Vorteilsnahme zu machen, oder dass dem ande­ren Elternteil geschadet werden soll beziehungsweise das Besuchsrecht verweigert werden soll. Es gibt also eine Vielzahl von Gründen, die aber letztendlich alle darin münden, dass das Kind massiv betroffen ist.

Das Haager Übereinkommen soll da ansetzen und die Interessen der Kinder wahren und sicherstellen, dass die Kinder zurückkommen und in der gewohnten Umgebung aufwachsen können, eben eine normale Entwicklung nehmen können. Das ist die Intention dieses Übereinkommens, und daher muss man das unterstützen.

Es ist wichtig, dass dieses Abkommen ausgebaut wird. Manche Kritiker sagen, dieses Abkommen wäre zahnlos, weil keine Sanktionen damit verbunden sind. Trotzdem ist festzuhalten, dass es damit einen internationalen juristischen, zwischenstaatlichen Rahmen gibt, dessen Wirkung immer davon abhängt, wie stark ein Staat da ansetzt, um Kinder zu schützen.

Wir sind jedenfalls dafür und begrüßen die Erweiterung dieses Abkommens. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.05

13.05.27

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Justiz­aus­schusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Zweites Zusatzprotokoll zum Euro­päischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, in 1470 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Justiz­aus­schusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Erklärung der Republik Österreich über die Annahme der Beitritte Albaniens, Andorras, Armeniens, Marokkos, der Russischen Föderation, der Seychellen, Singapurs zum Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, in 1459 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Justizaus­schusses, dem Abschluss des Staatsvertrages: Erklärung der Republik Österreich über die Annahme der Beitritte Kasachstans, Perus und der Republik Korea zum Überein­kom­men über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, in 1476 der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 87

Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.

13.07.1510. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2017/A der Abgeordneten Mag. Elisabeth Grossmann, Brigitte Jank, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Prüfungs­taxengesetz geändert werden (1580 d.B.)

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.07.40

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Berufsreifeprüfung, die heuer ihr 20-jähriges Jubiläum feiert, ist eine große Errungenschaft in der Erwach­senenbildung. Es wurde ein zweiter Bildungsweg aufgemacht, insbesondere für Menschen, die einen Lehrberuf erlernt haben oder sonst irgendwie frühzeitig ins Berufsleben eingestiegen sind. Diese haben nun einen gleichberechtigten Zugang zu höherer Bildung.

Es ist mir auch wichtig, zu betonen, dass die Berufsreifeprüfung keine Matura zweiter Klasse ist! Deshalb werden auch alle Weiterentwicklungen der Reifeprüfung insge­samt, wie Kompetenzorientierung und Standardisierung, auch auf die Berufsreife­prüfung ausgerollt. Der heutige Initiativantrag soll eben letzte diesbezügliche Anpas­sungen zeitgerecht ermöglichen.

Es geht konkret um die Möglichkeit einer mündlichen Kompensationsprüfung in Mathe­matik, wo es sonst nur einen viereinhalbstündigen schriftlichen Teil gibt – im Gegen­satz zu den Sprachen –, und um eine Erweiterung der möglichen Prüfungsorte, diese sollen also nicht nur Schulstandorte sein können, sondern auch andere geeignete Orte, um nicht irgendwelche Engpässe und damit zeitliche Verzögerungen entstehen zu lassen. Weiters werden auch noch redaktionelle Anpassungen vorgenommen und natürlich auch eine Anpassung der Prüfungstaxen.

Insgesamt ist es sehr, sehr wichtig, dass wir ein durchlässiges Bildungssystem haben, keine Bildungssackgassen. Gerade mit der Berufsreifeprüfung, aber auch mit Lehre mit Matura ist uns das sehr gut gelungen. Das leistet auch einen Beitrag zur Aufwertung der Lehre.

In diesem Sinne ersuche ich Sie um Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Jank. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.10.03

Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Kollegin hat es schon ausgeführt: Der heute vorliegende Antrag und die zu beschließende Änderung im Be-


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rufsreifeprüfungsgesetz – ich hoffe auf die Beschlussfassung – schaffen Fairness, weil es natürlich keinen Grund dafür gibt, dass im Rahmen der Berufsreifeprüfung keine Möglichkeit vorgesehen ist, nach einer negativen Beurteilung bei der schriftlichen Mathematikprüfung eine mündliche Kompensationsprüfung abzulegen, so, wie das alle anderen Maturanten auch machen können. Wenn wir das heute beschließen, hat auch jeder Lehrling, Berufstätige oder auch Collegestudent die Möglichkeit, sich nach einer negativen Beurteilung des schriftlichen Teils diesen auf ein Genügend oder ein Befrie­digend auszubessern.

Mit der vorliegenden Änderung des Berufsreifeprüfungsgesetzes werden die Regelun­gen der unterschiedlichen Reifeprüfungen vereinheitlicht, wie das Kollegin Grossmann schon ausgeführt hat.

Ich begrüße auch, dass mehr Flexibilität ins System kommt. Um Engpässe zu ver­meiden, wird beispielsweise nicht mehr gesetzlich geregelt, wo die Prüfung abgehalten wird. Das kann am Schulstandort sein, das kann aber auch an einer anderen Örtlichkeit sein. – Aus meiner Sicht ist das ein kleiner Schritt zu mehr Autonomie im Schulwesen. Entscheidungen werden an der Schule getroffen und nicht mehr auf Punkt und Beistrich gesetzlich geregelt.

Wir geben Freiraum – genauso wie auch mit dem Autonomiepaket aus der Bildungs­reform, das derzeit in Begutachtung ist –, zum Beispiel bei der Lehrerbestellung. Künftig wird es – sofern das Autonomiepaket in der vorliegenden Form beschlossen wird, was ich sehr hoffe – möglich sein, sich als Lehrer direkt an einer Schule zu bewerben. Dann kann das Bewerbungsgespräch direkt zwischen Schulleiter und Bewerber geführt werden, um entscheiden zu können: Passt dieser Lehrer gut in das System hinein? Bringt er Kompetenzen und vielleicht Vorkenntnisse mit, die zu Schwerpunktsetzungen der eigenen Schule exzellent beitragen?

Wir schaffen aber auch pädagogischen Freiraum, damit vor Ort entschieden werden kann, in welchen Gegenständen oder welchen Lernphasen abweichende Klassen­größen sinnvoll sind. Die finanziellen Ressourcen für die Schulen sind aber davon unab­hängig gesichert. Das ist nämlich eine der großen Sorgen, die ich in der der­zeitigen Diskussion immer wieder zu hören bekomme.

Das Kontingent an Lehrpersonal wird auch weiterhin so berechnet wie heute, und das gute Betreuungsverhältnis von einer Lehrkraft zu zehn Schülern bleibt erhalten. Damit liegen wir – jetzt schon und auch zukünftig – deutlich besser, als das im OECD-Schnitt der Fall ist.

Noch etwas zum pädagogischen Freiraum: Pädagogischer Freiraum bedeutet auch, vor Ort entscheiden zu können, wie lange beispielsweise eine Unterrichtseinheit dauert. Die 50-Minuten-Stunde weicht einer Individualisierung und Differenzierung des Unterrichts. Die Unterrichtsstruktur wird flexibel und projektorientierter. Dadurch kann besser auf die Bedürfnisse einer Gruppe – jede Schulklasse hat SchülerInnen mit unterschiedlichen Begabungen – reagiert werden.

Mir ist bewusst, dass sehr viele LehrerInnen Sorge haben, insbesondere auch deshalb, weil, so glaube ich – bedingt durch den großen Umfang des in Begutachtung ge­schickten Pakets –, noch nicht überall klar ist, was tatsächlich im Gesetzestext steht. Diese Sorgen werden selbstverständlich ernst genommen, aber ich vertraue auch in Zukunft – wie schon in der Vergangenheit – auf die Lehrerinnen und Lehrer, auf die DirektorInnen und in Zukunft auch auf die ClusterleiterInnen, ich vertraue darauf, dass sie das Beste für unsere Kinder umsetzen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.13



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 89

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.13.49

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Zurück zum Thema, zum Berufsreifeprüfungs­gesetz – es geht jetzt nicht um die zukünftig zu beschließende Schulautonomie.

Wir begrüßen die heute hier zu beschließende Änderung, die notwendig ist. Wir sind seit der Einführung des Berufsreifeprüfungsgesetzes im Jahr 1997 sehr für diese zusätzliche Möglichkeit, die Matura nachzuholen. Es gibt ja auch unterschiedliche Möglichkeiten, wie Berufsmatura, Lehre mit Matura oder auch Lehre nach der Matura – diese Formen sind unbedingt notwendig, sind wichtig, auch deshalb, weil lebenslanges Lernen eine Grundvoraussetzung für Aus- und Weiterbildung ist. Speziell die Lehre mit Matura oder überhaupt die Möglichkeit, nach der Lehre die Matura nachzuholen, erscheint uns als wahnsinnig wichtig. Und das war immer auch eine Kernforderung von uns, von der Freiheitlichen Partei, deren Umsetzung wir mit vielen Initiativen und mit Nachdruck immer wieder gefordert haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Deswegen ist es recht und billig und es ist auch notwendig, dass es die Möglichkeit gibt, dass nach nicht erfolgtem positivem Abschluss der Mathematikprüfung eine münd­liche Prüfung – so wie im Regelschulwesen – abgelegt werden kann. Selbst­verständlich stimmen wir dieser notwendigen Änderung zu, die auch Fairness in Richtung Zentralmatura bringt.

Was wir nicht verstehen – und das muss ich schon sagen –, ist der Einwurf der Grünen. Wir scheinen uns überhaupt in schulpolitischen Auseinandersetzungen sehr zu unterscheiden, also nicht nur, was die politikfreie Schule anlangt. Wir wollen keine ideologisierte linke Schule wie Sie, sehr geehrter Herr Dr. Walser, sondern wir wollen eine politikfreie Schule mit Objektivität, in der man den Schülern unterschiedliche politische Standpunkte fair und gerecht beibringt (Beifall bei der FPÖ) und nicht Gehirnwäsche betreibt, wie Sie sich das vorstellen und an Schulen betreiben. Das kommt für uns nicht infrage.

Ihren populistischen Ansatz, Mathematik zukünftig bei der Matura als Wahlfach vorzusehen, weil – Begründung der grünen Partei – in Mathematik in der Vergan­gen­heit so viele Schüler durchgefallen sind, kann ich nicht ernst nehmen, denn das kann es wohl nicht sein. Matura kommt aus dem Lateinischen, nämlich von maturitas, das heißt die Reife. Und man wird im Rahmen der Matura seine Reife wohl auch weiterhin in den zentralen Gegenständen Deutsch, Mathematik und Fremdsprache unter Beweis stellen. Die Matura ist ein Wert an sich und die Matura kann nicht so nebenbei erworben werden, weil damit nur eine Nivellierung unseres Schulwesens, unserer Schule nach unten erfolgen würde. Das wollen wir nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben jetzt schon massiven Aufholbedarf in der Schule – die aktuellen Statistiken zeigen das. Nahezu jeder zweite Schüler kann nach Abschluss von acht Schuljahren kaum vollständig Deutsch, und das ist bedenklich. Wir haben da massiven Auf­holbedarf, und deswegen kann es nicht sein, dass die Konsequenz daraus die Um­setzung Ihres Vorschlags, des Vorschlags der Grünen, ist, nämlich dass man mit der Leistung nach unten fährt und bei all jenen Fächern, bei denen es höhere Durchfall­quoten gibt, einfach sagt: Wir machen das zum Wahlfach, damit möglichst alle die Matura mit möglichst wenig Aufwand bestehen! Damit würden nämlich die Voraus­setzungen für die Zukunft für uns in Österreich noch schlechter, denn aufbauen kann man in einer Bildungsgesellschaft nur auf Bildung und nicht auf Unbildung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 90

Die Bildung ist zu beweisen, und dieser Beweis ist bei der Matura, sprich bei der Reifeprüfung, zu erbringen – im Sinne von maturitas, von Reife –, da wird die Reife klar festgestellt.

Viele von uns haben maturiert, und es ist toll, eine Matura zu haben. Es ist auch toll, die Matura im Rahmen eines zweiten Bildungsweges, Lehre mit Matura und so weiter, nachzuholen. Das wollen wir beibehalten, dafür steht die Freiheitliche Partei. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Frau Minister! Sie haben im Unterrichtsausschuss kundgetan, dass ungefähr 10 000 Personen an den Vorbereitungskursen teilnehmen; die Hälfte davon macht Lehre mit Matura. Was wir aber nicht genau wissen, ist die Absolventenzahl. Wir schätzen, es sind in etwa 2 500 Absolventen. Wir würden bitten, diesbezüglich zu­künftig besseres Zahlenmaterial zu bekommen. Vor allem würde uns interessieren, wieso bei 10 000 Teilnehmern nur in etwa 2 500 tatsächlich die Matura machen. Was sind die Gründe dafür? Wieso ist die Drop-out-Quote so hoch? Darüber hätten wir gerne zusätzliche Informationen.

Von den NEOS wird es den Antrag geben, den Qualitätsrahmen für Elementar­päda­gogik, den Sie ja selbst auch im Regierungsprogramm angekündigt haben, endlich umzusetzen. Wir werden dieser Initiative selbstverständlich zustimmen, das ist klar. Von einer Ankündigungspolitik hat niemand etwas. Vor allem interessiert uns im Zu­sam­menhang mit dem Qualitätsrahmen für Elementarpädagogik die Frage: Wie schaut es denn mit den verpflichtenden Deutschkenntnissen aus, mit der Feststellung der Sprachkenntnisse in den Kindergärten? Das ist ein wichtiger Punkt, weil aus unserer Sicht die Einschulung ins Regelschulwesen nur dann erfolgen kann, wenn aus­reichende Deutschkenntnisse vorliegen. Deswegen ist aus unserer Sicht dieser Qualitätsrahmen für die Elementarpädagogik notwendig und richtig.

Weiters interessiert uns, wie weit Sie in der Umsetzung Ihrer Ankündigung „Deutsch vor Regelunterricht“ sind – das haben die Regierungsparteien bei der Regierungs­klausur im Jahr 2015 angekündigt. Das ist das Schlagwort, das umzusetzen ist. Auch da sind Sie uns noch die Antwort schuldig.

Also viele Baustellen, viele fehlende Antworten – wir bitten um die Antworten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


13.20.07

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin Ham­merschmid! Hohes Haus! Herr Kollege Hauser, in einem sind wir uns einig: Das österreichische Bildungssystem hat viele Baustellen. Die Lösungen, die wir anbieten, unterscheiden sich jedoch deutlich von den Ihren.

Kommen wir aber zum vorliegenden Gesetz oder zum zur Abstimmung stehenden Gesetz: Da werden „letzte Anpassungen“ – das war die charmante Formulierung der Kollegin Grossmann – vorgenommen. Man kann es auch anders betiteln: Es ist ein Korrekturgesetz. Es ist ein Korrekturgesetz, mit dem man das auszumerzen versucht, was man beschlossen hat, denn mit den Bestimmungen, die das Gesetz enthält, hätte die Matura insbesondere an berufsbildenden höheren Schulen eigentlich gar nicht mehr durchgeführt werden können. Von daher, glaube ich, liegt es auf der Hand, dass jeder vernünftig denkende Mensch diesem Gesetz hier zustimmen muss.

Lassen Sie mich aber zu diesem Thema auch ein paar grundsätzliche Worte verlieren: Betroffen von diesem Gesetz ist vor allem der berufsbildende Bereich, betroffen sind


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 91

vor allem Handelsakademien, HTLs und so weiter. Ich habe vor zwei Wochen die Gelegenheit gehabt, mit einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus dem berufs­bildenden Schulwesen eine Diskussion zu führen, und die haben auf eine dramatische Situation hingewiesen, Frau Ministerin.

Wir haben auch die Neuorganisation der Oberstufe beschlossen, und diese neue Oberstufe, diese modulare Oberstufe, die wir ja eigentlich wollten, macht so, wie sie beschlossen worden ist, nicht nur wenig Sinn, sondern erzeugt auch Riesenprobleme – auch da wird es ein Korrekturgesetz brauchen. Was wir mit diesem Gesetz erreicht haben, ist, dass Schülerinnen und Schüler künftig mehr Prüfungen haben und nicht weniger, dass Schülerinnen und Schüler weniger Chancen haben und nicht mehr, weil die negativ beurteilten Semestermodule am Schluss nachgeholt werden müssen.

Wir diskutieren heute zwar über die Zentralmatura, ein Riesenproblem entsteht hier aber vor allem im berufsbildenden mittleren Schulwesen, bei welchem wir zwei-, drei- und teilweise vierjährige Schultypen haben und bei denen am Schluss diese Prüfungen kumulieren. Da kommt alles zusammen. Es betrifft die schwächsten Schülerinnen und Schüler, diejenigen, die eh schon Probleme haben, und die sollen jetzt am Schluss alle negativen Arbeiten des ersten, zweiten und dritten Schuljahres nachholen?! – Das wird sich nicht ausgehen. Besonders problematisch daran ist, dass für diejenigen die Schul­karriere beendet ist, da gibt es keinen Ausweg mehr. Also da haben wir dringenden Handlungsbedarf. Da müssen wir alles tun, um dieses Problem zu beseitigen.

Kollege Hauser, weil Sie unsere Diskussion zur Zentralmatura hier angesprochen haben: Bitte verwechseln Sie nicht Äpfel mit Birnen! Reden Sie mit Schülerinnen und Schülern, reden Sie mit Maturantinnen und Maturanten und auch mit den betroffenen Lehrerinnen und Lehrern! Die werden Ihnen sagen, dass wir gerade im Fach Mathe­matik dringenden Handlungsbedarf haben. Nun heißt das nicht – das möchte ich ausdrücklich feststellen –, dass wir gegen Mathematik sind. Ich halte Mathematik für unverzichtbar, das ist überhaupt keine Frage, aber wir müssen dringend im Fach Mathematik didaktisch nachlegen. Lehrerinnen und Lehrer müssen da besser auf die derzeitigen Erfordernisse vorbereitet werden. Wir müssen sicherstellen, dass Mathe­matik nicht zum Horrorfach für viele Schülerinnen und Schüler wird. Das ist der zentrale Punkt!, und das unterscheidet uns ganz klar von Ihrem Ansatz. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hauser: ... Wahlfach!)

Ich darf Ihnen dazu sagen: Wir sind für eine Leistungsschule! Wir sind für eine Schule, in der Kinder gefordert und gefördert werden, weil Kinder und Jugendliche das wollen! Die wollen Leistung erbringen, aber wir müssen ihnen die Chance dazu geben. Ihre Antwort darauf ist glasklar: Wir wollen das Schulsystem aus der Mitte des 19. Jahr­hunderts im 21. Jahrhundert fortführen! – Das ist Ihre Antwort! (Zwischenruf des Abg. Hauser.) Das ist legitim, Teile der ÖVP sehen das auch so. – Wir Grünen sehen das anders!

Wir weisen darauf hin, dass es im 21. Jahrhundert Dinge wie den Computer gibt, dass es das Internet gibt. Wir müssen im 21. Jahrhundert auf diese Entwicklungen reagie­ren. Wir brauchen nicht einfach ausgebildete Hilfsarbeiter, die einfache Tätigkeiten in den Fabriken verrichten, sondern wir brauchen Schülerinnen und Schüler, die nach absol­vierter Schulpflicht im Team arbeiten können, die demokratische Prozesse erlernt haben, die kritisch denken können und die auf die Erfordernisse der Zeit eingehen kön­nen. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen blauem 19. Jahrhundert in der Bildungspolitik und modernem 21. Jahrhundert bei den Grünen! (Beifall bei den Grünen.)

13.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Klubobmann Mag. Dr. Strolz gelangt nun zu Wort. – Bitte, Herr Klubobmann.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 92

13.25.44

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir verhandeln gerade ein kleines Reparaturpaket im Bereich der Berufsreifeprüfung, der Reifeprüfung und der Vorbereitungen darauf, im Bereich der Kollegs für Berufstätige und der Vor­bereitungslehrgänge.

Wir gehen bei diesen Maßnahmen als NEOS natürlich mit. Das ist in Ordnung: Diese Reparaturen sind zu machen! Wir halten das Instrument der Berufsreifeprüfung für sehr wichtig, auch im Sinne der Durchlässigkeit unseres Bildungssystems – kein Ab­schluss ohne Anschluss. Wir sollten gerade Lehrlingen Bildungswege eröffnen und hier schauen, dass wir auf Höhe der Zeit die Dinge weiterentwickeln.

Einverstanden bin ich dann nicht, wenn Sie als Regierungsfraktionen versuchen, diese Reparaturgesetze als Erfolg zu verkaufen, denn es ist eine Reparatur, das heißt, man hat davor etwas versäumt. Es ist okay, dass man es nachholt, aber Erfolg ist es dann keiner. Das wäre, wie wenn man Sand in die Augen streuen würde.

Geplant wäre gewesen – wenn Sie aufrichtig sind, geben Sie das zu –, dass man diese Reparatur ins Schulautonomiepaket hineinnimmt. Warum passiert das nicht? – Weil Sie mit dem Schulautonomiepaket nicht in die Gänge kommen. Sie haben es am 17. November 2015 verkündet, und jetzt haben wir März 2017, und es ist immer noch nicht über die Kante, ein Fünftel davon ist über die Kante, der Rest ist immer noch nicht umgesetzt, obwohl es vor über eineinhalb Jahren verkündet wurde. (Abg. Walser – auf seine Armbanduhr weisend –: ... sehr spät!)

Das heißt, Sie kommen hier nicht in dem Tempo weiter, wie Sie weiterkommen sollten – für die Kinder, für die Jugendlichen, für die Eltern und auch für die Lehre­rinnen und Lehrer. Jetzt haben wir gerade diese Woche erfahren, dass ein Fünftel der Jugendlichen nach dem Pflichtschulabschluss große Probleme mit den einfachsten Texten hat. Nach acht Jahren Pflichtschule können sie nicht sinnerfassend lesen. Das ist eine Tragödie für diese Kinder! Sie werden Dauerkunden des AMS sein, sie werden sich schwertun, auf eigenen Beinen zu stehen und einen Job zu finden. Deswegen darf man hier nicht weiter blockieren und sich Zeit lassen, sondern man muss hier rasch in die Gänge kommen.

Vor allem dürfen Sie sich, Frau Ministerin, diese Reformen auch nicht verwässern lassen – weder verzögern, noch verwässern! Sie lassen sie sich aber verwässern. Das sehen wir, wenn es um die Umsetzung der Forderung geht: Nehmen wir die Bildungs­politik raus aus der Parteipolitik! Das ist offensichtlich nicht möglich, denn auch im neuen Paket ist vorgesehen, dass sich der Landeshauptmann zum Chef der neuen Bildungsbehörde machen kann.

Wir halten das für grundfalsch, weil die Landeshauptleute dann Machtpolitik machen werden. Die werden nicht fragen, was die Bewerber besonders gut für die Führungs­position auszeichnet, sondern ob sie das richtige Parteibuch haben. (Beifall des Abg. Loacker.) Sie spielen da also weiter dasselbe Spiel, und das ist nicht in Ordnung. Dagegen werden wir weiter protestieren!

Sie bringen auch im Bereich Elementarpädagogik, also im Kindergartenbereich, nichts weiter. Sie haben im November 2015 versprochen, dass man auch für diesen Bereich gemeinsame Qualitätsstandards für ganz Österreich schaffen wird. Aber es sieht immer noch wie Kraut und Rüben aus, jeder macht, was er will, und das besonders in Wien. Es ist offensichtlich, dass da ganz viel schiefläuft.

Außerdem haben Sie sich im Regierungsprogramm das Ziel vorgegeben, dass Sie bis zum Jahr 2016 für ganz Österreich gemeinsame Qualitätsstandards einführen – auch


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 93

2016 ist vorbei, und Sie haben die Ausfahrt nicht rechtzeitig geschafft. Sie haben dieses Ziel nicht erfüllt, und deswegen ist es, glaube ich, richtig, hier auch gemeinsam eine Fristerstreckung zu beantragen, weil dieses Ziel so wichtig ist.

Da Sie im letzten Unterrichtsausschuss unsere Vorschläge, die wir eins zu eins im Originalton aus dem Plan A vom Herrn Bundeskanzler Kern übernommen haben, abgelehnt haben beziehungsweise vertagt haben – Sie, die SPÖ, Ihre eigenen Vorschläge! – bringen wir jetzt im Originalton Ihre Vorschläge aus dem Regierungs­programm ein. Wir möchten Sie bei Ihren Vorhaben unterstützen. Wir glauben aller­dings, dass Sie auch aufrichtig sein sollten und sagen sollten: Ja, die Frist haben wir versäumt, setzen wir uns eine neue Frist! Das wäre ein Beweis dafür, dass Sie es auch ernst meinen.

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Um­setzung einer Maßnahme aus dem Arbeitsprogramm der Regierung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich zu ihren eigenen Zielen zu bekennen und dafür Sorge zu tragen, dass das Ziel ‚Qualitätsvolle Kinderbetreuung und elementare Bildung ‘(Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013 – 2018, S 40.) aus ihrem eigenen Arbeitsprogramm – trotz teilweise bereits abgelaufener Fristen – umfassend umgesetzt wird. Dazu soll die Frist für die dahingehende Maßnahme ‚Schaffung eines bundesweiten Qualitätsrahmens bis 2016‘ auf das Jahr 2017 ver­längert werden.“

*****

Das ist die Einladung. Machen wir hier ernsthafte Politik! Wir wollen hier konkret mitarbeiten, wenn Sie gute Ideen haben, greifen wir die auch auf. Wenn Sie diesen Antrag ablehnen, dann weiß ich auch nicht, welches Verständnis von Politik Sie dann haben, dann ist wirklich Hopfen und Malz verloren. (Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Lugar.) Und dann gibt es, glaube ich, nur noch Kopfschütteln seitens der Bürge­rinnen und Bürger. (Beifall des Abg. Loacker.)

13.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Matthias Strolz, Kollegin und Kollegen betreffend Umsetzung einer Maßnahme aus dem Arbeitsprogramm der Regierung

eingebracht im Zuge der Debatte über  den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2017/A der Abgeordneten Mag. Elisabeth Grossmann, Brigitte Jank, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsreifeprüfungs­gesetz und das Prüfungstaxengesetz geändert werden (1580 d.B.) – TOP 10


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 94

Im Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013 – 2018 finden sich einige wichtige und richtige Maßnahmen, die auch durch NEOS unterstützt und einge­fordert werden. Aus dem Bereich Bildung betrifft das beispielsweise die Forderung nach einem einheitlichen Bundesrahmenplan für elementare Bildungseinrichtungen.

Das Ziel: “Qualitätsvolle Kinderbetreuung und elementare Bildung“ wurde von der Bundesregierung in ihrem Arbeitsprogramm 2013-2018 mit vier Schwerpunkten hinterlegt. Einer davon lautet: “Schaffung eines bundesweiten Qualitätsrahmens bis 2016“. NEOS unterstützt dieses Anliegen, das auch insgesamt auf sehr breiten Kon­sens stößt. Linie statt Kompetenzwirrwarr muss das Motto sein! Dafür brauchen wir klare und österreichweit einheitliche Qualitätsstandards, die vom Bund zentral vorzu­geben sind. Diese Standards müssen sich an den Bedürfnissen der verschiedenen Altersgruppen und nicht an finanziellen Erwägungen orientieren. (https://partei.neos.eu/klub/elementarpaedagogik.pdf, S 10.)

Darüber wird nun seit Jahren gesprochen, eine Lösung ist aber auch nach dem Jahr 2016 weiterhin nicht in Sicht. Angebot und Qualität der Kinderbetreuung sind immer noch von Wohnsitz und Landesgrenzen abhängig. Die Regierung ist hier also säumig. Da zu diesem Ziel bereits ein gemeinsames Bekenntnis der Bundesregierung besteht, soll für die Umsetzung dieses wichtigen Anliegens also lediglich die dahingehende Frist um ein Jahr ausgedehnt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich zu ihren eigenen Zielen zu bekennen und dafür Sorge zu tragen, dass das Ziel ‚Qualitätsvolle Kinderbetreuung und elementare Bildung ‘(Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013 – 2018, S 40.) aus ihrem eigenen Arbeitsprogramm – trotz teilweise bereits abgelaufener Fristen – umfassend umgesetzt wird. Dazu soll die Frist für die dahingehende Maßnahme ‚Schaffung eines bundesweiten Qualitätsrahmens bis 2016‘ auf das Jahr 2017 ver­längert werden.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Hammerschmid. – Bitte.

 


13.31.10

Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Hohen Hauses! Ich möchte wieder auf das eigentliche Thema von heute zurückkommen, die Berufsreifeprüfung. Sie feiert dieses Jahr ihr 20-jährige Jubiläum, denn sie wurde im Jahr 1997 eingeführt und gesetzlich verankert, und sie war ein wesentlicher Fortschritt für die Erwachsenenbildung.

Wir reden immer von lebenslangem Lernen, deshalb müssen wir auch an jene denken, die sich im Laufe ihres Lebens weiterentwickeln wollen und zusätzliche Ausbil­dungs­wege einschlagen, um für die Berufswelt besser qualifiziert zu sein oder auch um in neue Berufsfelder einzusteigen. Die Berufsreifeprüfung ist ein ganz, ganz wesentlicher Schritt, dass es den jungen Menschen, den Erwachsenen auch entsprechend ermög­licht wird und somit die Durchlässigkeit unseres Bildungswesens gegeben ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 95

Ich darf ein paar Zahlen nennen: Seit dem Jahr 1997 haben insgesamt 40 000 Men­schen mit der Berufsreifeprüfung die Matura nachgeholt, jedes Jahr treten in etwa 3 000 bis 3 500 Prüflinge an. Und schaut man, wie sich die Zahlen an den Univer­sitäten, an den Fachhochschulen, an den Pädagogischen Hochschulen entwickeln, wie viele Menschen, die dort studieren, eine Berufsreifeprüfung gemacht haben, dann sieht man, dass das mittlerweile 2,84 Prozent sind – mit steigender Tendenz. Das heißt, das Ziel, das wir da erreichen wollten, nämlich vermehrt jene, die eine Berufsausbildung gemacht haben, die sich weiterentwickelt haben, die eine Berufsreifeprüfung nach­gemacht haben, in die tertiäre Ausbildung zu bekommen, gelingt immer stärker.

Die Lehre mit Matura war ja heute schon mehrfach Thema. Das ist ein weiterer Weg, ein zusätzlicher Weg, um in Richtung weiterer Ausbildungsmöglichkeiten zu kommen. Bei der Lehre mit Matura, damit die Zahlen korrekt sind, haben wir bereits in etwa 10 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, und wir haben bis jetzt 5 276 Absolventen, also viel mehr als meine Vorredner hier berichtet haben.

Worum geht es heute und jetzt bei dieser Gesetzesnovellierung oder vielmehr Anpas­sung? Es geht jetzt wirklich darum, Chancengleichheit zur standardisierten Reife­prüfung herzustellen, dahin gehend, dass es bis dato für Mathematik nicht möglich war, eine Kompensationsprüfung durchzuführen. Das heißt, das soll hier nachgeholt werden, damit das wirklich – wie bei der normalen Reifeprüfung – auf Augenhöhe und auch fair gestaltet ist. Ich muss auch betonen, dass das nur in Mathematik notwendig ist, denn in Deutsch, in Englisch und auch in den anderen Fremdsprachen gibt es die Möglichkeit, und im Fachbereich geht es um eine Klausurarbeit, die auch mündlich präsentiert und diskutiert werden muss.

Das Gesetz behandelt auch, dass alternative Prüfungsorte zum Einsatz kommen können, denn wir erwarten mit der standardisierten Berufsreifeprüfung heuer einen relativ großen Andrang. Wir müssen dafür sorgen, dass wir adäquate Räumlichkeiten haben, um diese Prüfungen auch gut durchführen zu können. Es ist eine Anpassung der Prüfungstaxen und der Inkrafttretungsbestimmungen geplant.  Das ist im Wesent­lichen das, worum es heute geht.

Ja, es ist korrekt, das hätte im Autonomiepaket integriert sein sollen. Da haben wir, wie Sie alle wissen, einen sehr intensiven Diskussionsprozess, eine sehr, sehr große Ge­set­zesnovellierung hinter uns. Wir sind jetzt mit dem Autonomiepaket in Begutachtung gegangen, die sechs Wochen läuft, also es sind jetzt noch fünf Wochen. Wir haben aber einen sehr konkreten Fahrplan, um das Autonomiepaket in voller Breite umzu­setzen.

Von den Themen, die Kollege Strolz aus dem Plan A und aus dem aktuellen Regie­rungsübereinkommen genannt hat, ist vieles – das meiste eigentlich – in diesem Autonomiepaket verwoben. (Zwischenruf des Abg. Strolz.) Der Kindergarten läuft parallel, das ist ganz klar. Da befindet sich meine Kollegin Karmasin ja mit dem Bil­dungs­kompass in der Erprobung, und wir arbeiten intensiv.

Gerade mir ist es ein sehr persönliches Anliegen, dass wir hier zu Bildungsstandards kommen, welche beispielsweise ganz klar definieren, mit welchen Sprachkompetenzen unsere Kinder aus dem Kindergarten kommen, damit einfach der Einstieg in die und der Übergang zur Volksschule besser gelingt und dann vor allem die sprachlichen Defizite hoffentlich kein Thema mehr sein werden, zumindest nicht in der Breite, wie sie es jetzt sind. Das heißt, die Sprachförderung im Kindergarten, der Spracherwerb wird mir ein zentrales Anliegen sein, auch was die Definition der Bildungsstandards betrifft. Da sind wir auf einem sehr guten Weg, wie ich meine. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.35



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 96

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. – Bitte.

 


13.35.59

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Hohes Haus! Die Berufsreifeprüfung ist – und da sind wir uns ja alle hier im Hohen Haus einig – eine sehr große, wichtige und richtige Errungenschaft in der Erwachsenenbildung.

Diese Form des Nachholens von Bildungsabschlüssen bietet Lernenden mit beruflicher Erfahrung und Qualifikation im zweiten Bildungsweg Chancengleichheit und den Zugang zu höherer Bildung – einen Zugang zu Hochschulen, zu Fachhochschulen, aber auch zu Universitäten, Akademien und Kollegs.

Ich bin der Meinung, dass junge Menschen oft zu früh in die Situation kommen, sich für eine bestimmte Ausbildungsrichtung entscheiden zu müssen. Oft wird diese Entschei­dung gar nicht von ihnen selbst getroffen, sondern von den Eltern und teilweise auch in Abhängigkeit vom sozialen Umfeld, weshalb es den großen Wunsch von jungen Menschen gibt, sich ab einem gewissen Alter zu verändern und doch auch die Matura nachzuholen. Einige Tausend Absolventinnen und Absolventen jährlich sind der Beweis dafür, dass viele Menschen lebensbegleitendes Lernen als Chance sehen und sich auch höher qualifizieren.

Die aktuellen Änderungen betreffen vier Punkte: das Prüfungsgebiet Mathematik, die Prüfungsorte, die Prüfungstaxen, aber auch die redaktionelle Klarstellung der Inkraft­tretungsbestimmungen. Ich gehe darauf aber nicht näher ein, das hat vorhin bereits die Frau Ministerin getan.

Zum Abschluss möchte ich betonen, dass es für mich sehr, sehr wichtig und wesentlich ist, dass die österreichische Berufsreifeprüfung keinesfalls als Matura zweiter Klasse angesehen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Herr Abgeordneter El Habbassi zu Wort. – Bitte.

 


13.38.02

Abgeordneter Asdin El Habbassi, BA (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Was wir heute mit diesem Abän­derungsantrag bewirken, ist – es ist ohnehin vorhin schon angeführt worden –, die Berufsreifeprüfung für Berufstätige im Fach Mathematik an die Zentralmatura, wie sie alle anderen haben, anzugleichen, und das ist ein ganz, ganz wichtiger Faktor.

Die Frau Ministerin hat die Zahlen bereits genannt: Über 40 000 Menschen haben sich in Österreich in den letzten 20 Jahren dafür entschieden, mit der Berufsreifeprüfung die Matura nachzuholen, quasi mit der Berufserfahrung auch eine Matura zu absolvieren.

Ich möchte hier auch ein Beispiel aus Salzburg bringen: Mittlerweile ist in Salzburg die Berufsreifeprüfung der beliebteste alternative Weg zur Matura, denn seit 2004 hat sich die Zahl der Abschlüsse verdreifacht und ist somit die am stärksten gewachsene Form der Reifeprüfung. Es ist gerade deshalb so wichtig und eine gute Sache, weil es eines der Erfolgsprojekte in Österreich ist, quasi die Berufsausbildung auch mit einer weiteren Bildung und damit auch mit der Möglichkeit, später studieren zu können, zu verbinden.

Und: Lieber Kollege Strolz, bevor wir immer alles schlechtreden, sollten wir die positiven Dinge doch einfach bewerten. (Abg. Strolz: Ich war sehr positiv ...!) Wir haben hier eine Änderung umgesetzt, die dringend notwendig ist, nämlich die gleiche


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 97

Behandlung der Reifeprüfung, egal, ob es die einer AHS, die einer BHS oder die Berufsreifeprüfung ist, und das ist eine gute Sache, die, glaube ich, auch positiv zu bewerten ist. – Besten Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf aber noch bekannt geben, dass derzeit zu wenige Mandatare im Saal sind, sodass wir ordnungsgemäß abstimmen könnten.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte, Frau Abge­ordnete.

 


13.40.03

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Mit den Anpassungen zur teilzentralen Berufsreifeprüfung versuchen wir hier und heute, in diesem Bildungsbereich auch mehr Chancenge­rechtigkeit zu erzielen. Unsere Bildungsinstitutionen sollen einen höchstmöglichen Grad an Durchlässigkeit gewährleisten, und das aus einem ganz einfachen Grund: Sack­gassen sind nicht nur persönlich, für die betroffene Person selbst eine Katastrophe, sondern hemmen auch die Entwicklung von ganz Österreich.

Die Berufsreifeprüfung schlägt dabei eine entsprechende Brücke, eine Brücke hin zu Universitäten, eine Brücke hin zu Fachhochschulen, und wie die Evaluierungen zeigen, auch mit großem Erfolg. Eine Studie der Universität Innsbruck nennt die Ergebnisse ermutigend. Studierende, die diesen Weg einschlagen und diese Berufsreifeprüfung absolviert haben, erreichen genauso wie alle anderen Studierenden ihre Ziele und bringen beste Ergebnisse. Die vorausgegangene Berufserfahrung, die diese Personen mitbringen, führt zu großer Organisationsfähigkeit, und die Quote von Studien­ab­brecherInnen – das ist heute auch schon öfters erwähnt worden – ist geringer als beim Rest der Studierenden.

Zudem sind Berufsmatura- und Studienberechtigungsprüfung zwei zentrale Mecha­nismen, um dem wohl bekanntesten Problem, nämlich dem Problem der vererbten Bildung, auch entgegenwirken zu können. Jene Studierenden, die diesen Weg ein­schlagen, haben im Vergleich zu jenen, die die Matura an einer AHS oder einer BHS absolvieren, doppelt so häufig Eltern, die, was ihre Ausbildung betrifft, maximal einen Pflichtschulabschluss haben.

Ich möchte hier noch anmerken, dass diese Studierenden aber natürlich ein höheres Durchschnittsalter haben, die Stipendiengrenze jedoch bei 35 Jahren liegt. Deshalb ist mein Ansinnen: Wenn wir schon von lebenslangem Lernen reden, dann müssen wir auch davon abgehen, das Alter als Bezugsgröße heranzuziehen. Und nicht nur das Alter muss angepasst werden, sondern in gewisser Weise – und das ist an den Wis­sen­schaftsbereich gerichtet – auch der Topf der Stipendien selbst, denn es kann nicht sein, dass Studierende hervorragende Leistungen bringen und dann vor leeren Leistungsstipendientöpfen stehen.

Mit dem vorliegenden Berufsreifeprüfungsgesetz nehmen wir eine Berichtigung vor, nämlich dass zukünftig die Prüfung in Mathematik nicht nur schriftlich absolviert werden kann, sondern auch mündlich kompensiert werden kann.

Es ist unsere Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, das Bildungssystem aus unnötigen Korsetts zu befreien, denn es darf nie zu spät sein, sich weiterbilden zu können und zu dürfen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 98

13.42.44

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Um nicht eine Diskussion darüber zu entfachen, wie eine tatsächliche Berichtigung auszuschauen hat, nur eine Feststellung meinerseits: Herr Dr. Walser, Sie haben in Ihrem Redebeitrag festgestellt, dass die Grünen nicht für die Abschaffung der Mathematikmatura sind.

Ich habe mich in meiner Rede auf die Aussage Ihres Kollegen Julian Schmid bezogen, der in einem Ö1-Interview Folgendes festgestellt hat: Jeder Maturant sollte zukünftig selbst entscheiden können, ob er in Mathematik maturiert oder nicht. (Abg. Yılmaz: Und was heißt das? – Zwischenruf der Abg. Gusenbauer-Jäger.) – Das heißt Mathe­matik als Wahlfach: Das kann es aus unserer Sicht nicht geben. Wir sind für Kernkompetenzen, Mathematik ist eine Kernkompetenz, und sie soll weiterhin Teil der Matura sein. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn man jetzt vonseiten der Grünen einfach hergeht und feststellt: Die Durch­fallquote in Mathematik ist zu groß, gehen wir den einfachen Weg! Dann werden wir halt die Mathematikmatura nur noch auf freiwilliger Basis abhalten und sonst überhaupt nicht mehr!, dann ist das kein Weg in der Bildungspolitik, den wir als Freiheitliche Partei beschreiten wollen.

Selbstverständlich sind wir dafür, didaktische Verbesserungen auch im Rahmen des Mathematikunterrichts zu machen – Didaktik muss immer besser werden –, aber der einfache Weg in der Bildungspolitik kann nicht der sein, einfach auf ein wichtiges Fach zu verzichten, wenn die Durchfallquoten hoch sind. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Öllinger: Das war ein Schattenboxen! – Abg. Fekter: Nein, die Grünen haben keine einheitliche Linie!)

 


13.44.15

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Die Grünen haben sehr wohl eine einheitliche Linie. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Fekter. – Abg. Rädler: Pilz!) Es liegt ein bisschen an Ihrer Lesekompetenz. Ich darf Ihnen die Linie der Grünen sehr gerne vorlesen: „Die Zentralmatura als solche ist in den zentralen Fächern wie Deutsch, Englisch oder Mathematik sinnvoll.“

Das ist ganz klar; dass eine Diskussion aufgrund der Probleme, die das Fach Mathe­matik bereitet, entstanden ist, dass es da im Internet Initiativen gibt, dass sehr viele Jugendliche darauf drängen, dass das abgeschafft wird, ist richtig. Die grüne Linie in diesem Fall aber anzweifeln zu wollen – bitte, das ist sehr vermessen. (Zwischenruf des Abg. Rasinger.) Wir waren die Vorkämpfer für eine vernünftige Zentralmatura, und wir kämpfen auch jetzt darum, dass es die notwendigen Adaptierungen gibt.

Da würde mich eben interessieren, dass die Freiheitlichen auch ein bisschen ins Detail gehen und ein bisschen an den Schulen nachfragen, wo es denn Probleme gibt. Von diesen hören wir nämlich. Wir reden mit den Betroffenen, und zwar mit allen Betrof­fenen. Und da wären die Probleme, die wir zu lösen haben – und das sagt mir zum Beispiel ein Direktor einer Handelsakademie –: Warum haben wir das denn nicht durchgeführt, was wir versprochen haben, eine einheitliche zentrale Matura in all diesen Fächern, in Deutsch, Mathematik und Englisch sowie in den anderen Sprach­fächern? Warum tun wir das nicht? Warum sind wir inzwischen so weit, dass an der Handelsakademie eine andere sogenannte Zentralmatura gemacht wird als an den AHS?


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Das sind die Probleme, und darüber sollten wir uns Gedanken machen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hauser und Kassegger. – Abg. Fekter: Das Niveau in der AHS ...!) Da müssen wir auf jene Punkte eingehen, die wir Grüne von Anfang an kritisiert haben und zu denen wir gesagt haben ... (Abg. Belakowitsch-Jenewein: ... runternivel­lieren!) – Nein, da geht es nicht ums Runternivellieren, Frau Kollegin, sondern darum, Standards festzulegen. Und diese Diskussion müssen wir führen. Diese Diskussion ist eine inhaltliche, und da tun sich die Freiheitlichen verdammt schwer. Das habe ich in der Vergangenheit festgestellt. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Fekter.)

13.46

13.46.34

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1580 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung einer Maßnahme aus dem Arbeitsprogramm der Regierung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Das glaub’ ich jetzt nicht, oder?)

13.47.3211. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1512 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechten­stein über Gleichwertigkeiten im Bereich der Reifezeugnisse und des Hoch­schulwesens (1581 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.47.53

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich darf als regionaler Abgeordneter kurz zu einem Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein Stellung nehmen, das sich auf die Gleichwertigkeiten im Bereich des Reifezeugnisses und des Hoch­schulwesens bezieht.

Seit 1. Dezember 1997 gibt es bereits ein solches Abkommen. Wie wir alle wissen, hat sich in der Zwischenzeit in der Hochschullandschaft unserer beiden Vertragsstaaten


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 100

einiges geändert, und deshalb ist der Wortlaut dieses Abkommens mehr als nur anpas­sungsfähig und -würdig und -bedürftig. Daher machen wir heute diesen Schritt, und ich weiß aufgrund zahlreicher Kontakte, auch mit Studenten aus dreierlei Ländern in dieser Region – Vorarlberg, Schweiz und Liechtenstein –, dass es ein lang gehegter Wunsch ist, diese Vereinfachungen durchzuführen.

Wichtige Teile des Abkommens sind: erstens die gegenseitige Anerkennung der Reifezeugnisse, zweitens sind die Studiengebühren beziehungsweise Hochschultaxen gleich geregelt wie für eigene StaatsbürgerInnen. Drittens basiert die Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen auf dem ECTS, viertens beinhaltet es die Aner­kennung von Studienabschlüssen bei weiterführenden Studien und schlussendlich die Berechtigung, den akademischen Grad im jeweiligen anderen Staat führen zu dürfen.

Im Ausschuss hat Kollegin Fekter darauf hingewiesen, dass künftig auch Berufs­reifeprüfungen in eine solche Regelung miteinbezogen werden sollten. Ich bin der Meinung, diese Anregung ist nicht nur richtig, sondern auch wichtig. Es wäre wichtig, dass man diese in Zukunft auch mitberücksichtigt. Überall dort, wo es möglich ist, sollte man das auch tatsächlich umsetzen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.50.01

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Kollege Mayer hat die Details dieses Übereinkommens mit Liechtenstein schon ausgeführt. Wir begrüßen das selbstverständlich auch. Es besteht eine gute nachbarschaftliche Zusammenarbeit. Hauptsächlich wird es Liech­tensteiner Studentinnen und Studenten betreffen, die dann relativ unkompliziert in Innsbruck studieren können. Innsbruck ist ja sozusagen die Hauptuniversität für die Liechtensteiner. Das ist gut so.

Es hätte aber unseren Studenten und Maturanten der berufsbildenden höheren Schu­len wesentlich mehr geholfen, wenn man auch die Berufsberechtigungen mitverhandelt hätte. Es ist ja so, dass in den berufsbildenden höheren Schulen mit der Matura – denken Sie an die HTLs oder an die Handelsakademien oder auch an die touristischen Schulen! – auch Berufsberechtigungen automatisch miterworben werden und diese integrativer Bestandteil der Reifezeugnisse sind. Dabei geht es nicht nur um den Hochschulzugang, sondern auch darum, welche Berufe man wo ausüben darf. Das hätte mitverhandelt gehört. Dass man das nicht getan hat, Frau Ministerin, ist ein Riesenmanko! Wir werden trotzdem zustimmen.

Zu sagen, dass Liechtenstein und die Schweiz nicht am NQR, am Nationalen Qualifi­kationsrahmen, teilnehmen, widerspricht ein bisschen dem, was in Ihrem Vorblatt steht, nämlich: „Für die Regelungen des Abkommens bestehen keine Vorgaben des Unionsrechts.“ – Wenn das stimmt, was Sie ins Vorblatt hineinschreiben, dann hätten Sie die Möglichkeit gehabt, das individuell zu verhandeln, und dann hätten Sie für unsere Studenten auch etwas herausverhandelt. Jetzt nützt es nämlich hauptsächlich den Liechtensteinern, denn so viele Universitäten gibt es in Liechtenstein nicht, an die unsere Studenten gehen könnten, aber die Berufsberechtigungen hätten ihnen geholfen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 101

13.52.29

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Frau Kollegin Fekter, aus der ostösterreichischen oder in Ihrem Fall der ober­österreichischen Sicht mag das so sein, dass Sie das kleine Liechtenstein ein bisschen unterschätzen. (Abg. Fekter: Nein, ich schätze das sehr!)

Ich darf darauf hinweisen, dass das kleine Liechtenstein drei Hochschulen hat, eine Universität und eine hochschulähnliche Einrichtung. Ich darf Sie daran erinnern, dass die österreichischen Studierenden allein an der Universität in Liechtenstein 40 Prozent der Gesamtzahl der Studierenden ausmachen, also einen deutlich höheren Anteil haben als beispielsweise die Schweizerinnen und Schweizer oder die Liechten­steinerInnen selbst. Also es betrifft sehr wohl auch unsere Studierenden, und deshalb bin ich als Vorarlberger Abgeordneter sehr froh (Zwischenruf der Abg. Fekter), dass wir dieses Abkommen hier umsetzen.

Ich unterstütze Sie aber in Ihrem Antrag und in Ihrer Initiative, das berufsbildende Schulwesen mitzustärken. Ich halte das für sehr wichtig. Was mich ein bisschen irritiert, ist, dass Sie das im Ausschuss eingebracht haben und jetzt im Plenum ein­bringen – in meinen Augen wäre es durchaus sinnvoll gewesen, das vielleicht im Vor­feld abzuklären, denn sie sind ja – nehme ich an – in einer harmonischen Koalitionsehe mit der SPÖ.

Ich würde meine dringende Bitte an Sie richten, solche Dinge vielleicht im Vorfeld zu klären, dann könnten wir alle heute ein Gesetz beschließen, mit dem wir alle zufrieden sind, und zwar uneingeschränkt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gusenbauer-Jäger. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.54.16

Abgeordnete Marianne Gusenbauer-Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Das heutige Abkommen zwischen Österreich und Liechtenstein mag so sein, dass es keine besondere quantitative Bedeutung hat, aber sagen wir, vielleicht eine sehr lebensfreundliche Bedeutung. Was meine ich damit? – Es geht darum, dass zwei Nachbarstaaten zusammenkommen und beschließen, dass sie Prüfungen wie Reifezeugnisse und das Hochschulwesen gleichsetzen und gegenseitig anerkennen.

Die wichtigsten Inhalte des Abkommens sind: die gegenseitige Anerkennung der Reife­zeugnisse; Studiengebühren beziehungsweise Hochschultaxen sind gleich wie für eigene StaatsbürgerInnen geregelt; weiters gelten die Anerkennung von Studien­ab­schlüssen bei weiterführenden Studien und die Berechtigung, den akademischen Grad im jeweiligen anderen Staat zu führen.

Das ist durchaus unspektakulär, aber sehr wirkungsvoll, und zwar vor allem für jene Betroffene, die in das Nachbarland gehen, dort arbeiten oder studieren wollen. Ihnen erspart man mühsame Wege, bis die gegenseitige Anerkennung vollzogen ist. Es profitieren davon auch Arbeitgeber, die Schulen, die Hochschulen und die Verwaltung.

Wie gesagt: Das Abkommen zwischen Österreich und Liechtenstein ist ein lebens­freundliches Abkommen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Auer.)

13.55

13.55.55

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 102

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 1512 der Beilagen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

13.56.2812. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1515 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird (1544 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1115/A(E) der Abgeord­neten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 2. Tierhal­teverordnung, Kastration von Katzen (1545 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2002/A(E) der Abgeord­neten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme der Wachtelhaltung in die 1. Tierhaltungsverordnung“ (1546 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zu den Punkten 12 bis 14 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Riemer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.57.17

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Frau Bundesminister! Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Tierschutz ist ein hoch emotionales Thema, das viele bewegt, viele Bereiche bewegt – denken wir einmal an die kleinstrukturierte Land­wirtschaft –, das die Tierschützer bewegt, das viele Konsumenten bewegt, Tierärzte bewegt, letztendlich die Tiere auch bewegt. Und eine Stimme für die Tiere sind wir Tierschutzsprecher im Parlament.

Wenn man das Thema heute betrachtet, dann kann man erkennen, dass es oft auch einen religiösen Hintergrund hat. Wer heute die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ aufge­schlagen hat, hat gelesen, dass es einen Krieg zwischen den Hindus und den Moslems gibt, weil irgendein Moslem irrtümlicherweise vermeintlich eine Kuh ge­schlach­tet hat. Jetzt fürchtet man natürlich, dass es deshalb blutige Auseinander­set­zungen gibt. Wir haben auch aus Deutschland gehört, dass ein Moslem in der Nähe von einer Speckjause nicht mehr essen kann. Also man sieht, auch in rituellen Bereichen hat der Tierschutz natürlich eine große Auswirkung.

Wenn man das Tierschutzgesetz betrachtet, dann merkt man eines sofort: Es gibt sehr, sehr viele Richtigstellungen und Klarstellungen gegenüber der letzten Fassung. Das bedeutet, das letzte Mal war die Kritik durchaus angebracht, vieles war nicht ordentlich dargelegt. Und so ist es auch mit dem neuen Tierschutzgesetz. Einige Punkte sind positiv, einige Punkte sind verschwommen und gehörten eigentlich noch einer näheren Betrachtung unterzogen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 103

Gehen wir einmal davon aus, dass alle das Gemeinsame wollen: das Tierwohl. Ich lese hier einige Zitate vor, die uns das Gefühl dafür geben. Da gibt es ein altes deutsches Sprichwort, das besagt: „Solange Menschen denken, dass Tiere nicht fühlen, müssen Tiere fühlen, dass Menschen nicht denken.“ – Oder: Jedem Leben der gleiche Wert, nach Albert Schweitzer. Oder auch unser Präsident Schultes (Abg. Scherak – erheitert –: Unser Präsident!): „Tierwohl – Höhere Standards und Billigpreise sind ein Widerspruch“; ein großer Tierschützer, ich nehme das auch an. Er sagt weiter: Alles, was wir hier verändern, schadet „den Tieren, den Bauern und den Konsumenten“. – Da sind wir der Wahrheit schon einen Schritt näher. Oder die Tierschutzkommission, die meint: Tiere sind fühlende Lebewesen.

Aber auch in der Strategie 2030 der steirischen Landwirtschaftskammer sagt deren Direktor, Tierwohl ist etwas Wesentliches. „Tierwohl-Maßnahmen bis hin zu Anpas­sungen an den Klimawandel“ müssen im Rahmen dieser Strategie berücksichtigt werden. Eine der Grundfragen lautet: „Was muss in der Tierhaltung und im Pflan­zen­bau geändert werden?“

Tierwohl ist also bis 2030 ein wesentlicher Bestandteil der Strategie der steirischen Landwirtschaftskammer.

Im Artikel 13 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, eines der Gründungsverträge, steht: „Bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Union in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Binnenmarkt, Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt tragen die Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung;“

Wenden wir uns einmal Positivem zu: Ich denke da an die klare Regelung der Rechts­persönlichkeit der Fachstelle für tiergerechte Tierhaltung und Tierschutz und die Schaffung der Möglichkeit, ihr weitere Aufgaben zu übertragen, an eine verbesserte Rechtsstellung der Tierschutzombudspersonen, an die Klarstellung, dass der recht­mäßige Einsatz von Diensthunden und die erforderliche Ausbildung dazu keine Tier­quälerei darstellen oder dass das Führen von Hunden an der Leine oder das Anbinden im Rahmen von rechtskonformen Ausbildungsmaßnahmen keine verbotene Anbinde­haltung ist.

Positiv und eine Verbesserung ist auch die Klarstellung, dass das Auswildern von Fasanen – es sind in Österreich jährlich circa 100 000 Stück –, wenn die Tiere in freier Wildbahn überlebensfähig sind, gestattet ist. Das ist auch eine Regelung, die endlich umgesetzt wurde.

Eine weitere Verbesserung betrifft die Halsbänder der Hunde.

Nicht gut ist hingegen zum Beispiel die Situation der Streunerkatzen. Das wurde voriges Jahr hoch emotional und sehr ausgiebig diskutiert. Das Chippen et cetera oder dass man sagt, dass die Anpaarung erlaubt ist, wenn das Muttertier registriert ist, das ist natürlich ein Wildwuchs und für alle Leute, die sich mit Streunerkatzen herumärgern oder ihr Geld in diesem Zusammenhang einsetzen, ein Schlag ins Gesicht.

Wir gehen davon aus, dass es circa ein- bis eineinhalb Millionen Katzen in Haushalten gibt, und man rechnet, dass es ungefähr die gleiche Anzahl an Streunerkatzen gibt. Wirft jedes Muttertier, sagen wir, vier Junge zweimal im Jahr, so sind das, wenn zwei davon überleben, vier Stück; so kommt man dann natürlich auf mindestens eine Million Streunerkatzen. Mit diesem Gesetz hat man der Entwicklung Vorschub geleistet, dass in Wirklichkeit das Katzenelend verlängert wird, und das ist für viele Katzenschützer – ungefähr 20 000 Katzen werden pro Jahr von ehrenamtlichen Mitarbeitern kastriert – natürlich etwas Furchtbares. – Das sind schon einmal wesentliche Punkte dazu.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 104

Fassen wir zusammen: Dieses Tierschutzgesetz hilft weder der kleinstrukturierten Land­wirtschaft, noch berücksichtigt es die Ärgernisse vieler Tierärzte. Es gibt berech­tigte Einsprüche. Es kommt vielen Tierschützern in wesentlichen Punkten nicht ent­gegen, und von den Tieren reden wir sowieso nicht, diese haben ja keine Stimme – ihre Stimme sind wir. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.– Herr Steinbichler, du kannst dann über Palmöl reden, da bist du ein profunder Kenner, aber jetzt bist du nicht am Wort.

Ich kann nur eines sagen: Dieses Tierschutzgesetz gehört repariert, um den Bauern, den Tierschützern, den Tierärzten und den Tieren entgegenzukommen.

Deshalb ist meine Meinung: Liebe SPÖ und ÖVP, zurück an den Start! Setzen wir uns noch einmal zusammen, versuchen wir, Wesentliches im Sinne aller noch zu ver­bessern! Dann können wir im Sinne von Mahatma Gandhi gut leben: „Je hilfloser ein Lebewesen ist, desto größer ist sein Anspruch auf menschlichen Schutz vor mensch­licher Grausamkeit.“

Wir lehnen dieses Gesetz in dieser Form überzeugt ab, weil es nicht prägnant genug ist und weil es nach der Beschlussfassung viele Diskussionen auslösen wird.

Dem Antrag von Frau Abgeordneter Brunner bezüglich Katzenkastration stimmen wir zu, auch dem gemeinsamen Antrag, aber natürlich auch dem Antrag von Kollegin Weigerstorfer bezüglich Wachtelhaltung.

Danke für die Aufmerksamkeit, und ich bitte um eine Stimme für die Tiere. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Brunner und Weigerstorfer.)

14.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kucher. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.05.34

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Riemer, zurück an den Start kann nicht der richtige Weg sein. Sie haben soeben in Ihren Ausführungen auch viele positive Punkte angeführt, die Sie persönlich begrüßen. Die heute diskutierte Initiative ist das Ergebnis von monatelangen Beratungen, in die bewusst viele Menschen, die sich im Bereich des Tierschutzes einsetzen, ganz intensiv einbezogen wurden.

Der Umgang mit Tieren ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, und deswegen ist es nicht nur richtig und wichtig gewesen, dass wir Anfang des letzten Jahres die Strafbestimmungen für Tierquälerei deutlich verschärft haben, sondern auch, dass wir seit Einführung des bundesweiten Tierschutzgesetzes in Österreich dieses mehrmals weiterentwickelt und immer wieder Schritt für Schritt verbessert haben.

Das wird auch mit der heutigen Novelle des Tierschutzgesetzes so passieren. Ich darf etwa die Stärkung der Tierschutzombudspersonen, das Verbot von Würgehalsbändern bei Hunden – das halte ich persönlich für sehr, sehr wichtig – oder auch das Verbot, Tiere über das Internet abzugeben beziehungsweise zu verkaufen, wenn sie nicht von professionellen Züchtern oder von Tierschutzvereinen kommen, anführen.

Ganz persönlich sage ich auch dazu, dass Tierschutz natürlich nie weit genug gehen kann, aber es ist gelungen, einen gemeinsamen Weg, einen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Interessenlagen zu finden, die von Menschen, die sich mit ganzer Kraft für den Tierschutz einsetzen, bis hin zur Wirtschaft, zur Landwirtschaft und zu vielen NGOs reichen. Das war ein gemeinsamer Prozess.

Ich darf ganz herzlich vor allem der leider viel zu früh verstorbenen ehemaligen Gesund­heitsministerin Sabine Oberhauser, aber auch unserem Tierschutzsprecher


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Dietmar Keck und vielen, vielen Menschen, die sich sehr für dieses Gesetz eingesetzt haben, Danke sagen. Es ist gelungen, in gemeinsamen Verhandlungen noch viele kritische Punkte zu entschärfen.

Ich darf auch den Antrag der Kollegin Weigerstorfer erwähnen, die sich mit der artgerechten Haltung von Wachteln beschäftigt hat. Wir werden dem selbstverständlich zustimmen.

Eine Klarstellung vielleicht noch zum Antrag von Frau Kollegin Brunner: Wir haben selbstverständlich nie in Abrede gestellt, dass es auch in Zukunft eine Kastrations­pflicht für Katzen geben wird, wir haben nur den Begriff der Zucht näher definiert. Bereits seit April letzten Jahres gilt, dass Katzen, die regelmäßigen Zugang ins Freie haben, kastriert werden müssen, wenn sie nicht zur Zucht verwendet werden. – Das nur zu diesem Punkt.

Es sind viele, viele wichtige Schritte, die wir heute gemeinsam gehen. Ich darf Sie alle dazu einladen, im Sinne des Tierschutzes in Österreich diesen Weg mitzugehen. Viele weitere Schritte werden natürlich in Zukunft noch folgen müssen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Brunner. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


14.08.14

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte be­tonen, dass dieses Gesetz sehr viel Beteiligung, sehr viel Engagement ausgelöst hat. Es gab in der Begutachtung 642 Stellungnahmen, und das zeigt, finde ich, schon, wie groß das Interesse in der Bevölkerung – von NGOs und auch von Einzelpersonen – am Tierschutz und am Tierwohl ist. Ich möchte mich bei allen, die da involviert waren, bedanken.

Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, dass ich auch die positiven Dinge in diesem Gesetz sehe; mein Vorredner hat sie bereits angesprochen. Ich sehe vor allem das Verbot des Auswilderns von nicht lebensfähigen Tieren für die Jagd als positiv; das geht auf die Begutachtung zurück. Da sieht man, dass eine Begutachtung, wenn man sich einbringt, doch einen Sinn haben kann und dass sich Engagement auszahlt.

Das Verbot von Zughalsbändern bei Hunden wurde schon angesprochen, das sehen wir auch positiv, genauso wie die Einschränkungen beim Verkauf von Tieren sowie das Verbot des Tätowierens von Tieren aus ästhetischen Gründen.

Trotzdem hat dieses Gesetz noch Schwachstellen, und deswegen haben wir Grünen einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Christiane Brunner und weiterer Abge­ord­neter zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage: Bun­desgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird, eingebracht. Dieser Abände­rungsantrag liegt Ihnen vor. Ich werde ihn jetzt insoweit erläutern, als ich die Punkte anspreche, bei denen es uns noch nicht weit genug geht, weil das ja auch die Gründe sind, weswegen wir heute nicht zustimmen werden.

Zum einen geht es darum, dass Hunde und Katzen immer noch im Zoofachhandel verkauft werden können. Es ist einfach so, dass diese dort nicht artgerecht gehalten werden und dass das auch zu Impulskäufen führt. Da gab es schon einmal bessere Regelungen, und da geht uns dieses Gesetz noch nicht weit genug.

Genauso gibt es Ausnahmemöglichkeiten für Tierquälerei bei Diensthunden. Das sehen wir auch kritisch. Da sollte es, finde ich, keinen Freibrief geben.


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Ebenso gibt es Ausnahmemöglichkeiten über Verordnungen bei Kastrationen, Stich­wort Ferkelkastration. Aus unserer Sicht muss klar geregelt werden, dass Eingriffe, die zu erheblichen Schmerzen führen, eben nur unter Schmerzausschaltung und Schmerz­behandlung durchgeführt werden dürfen. Das ist in diesem Gesetz noch nicht ent­halten.

Die Katzenkastration wurde schon angesprochen. Dazu gibt es von mir schon seit Längerem einen Antrag, der jetzt im Ausschuss abgelehnt wurde. Dabei ging es, wie auch von meinem Vorredner angesprochen, um die Definition der Zucht. Ich habe eine genauere Definition beantragt, und zusätzlich war in unserem Antrag enthalten, dass es auch Programme zur Unterstützung der Katzenhalterinnen und Katzenhalter geben soll. Dazu gab es auch eine sehr emotionale Diskussion. Wir erhalten, ich weiß nicht, Hunderte Mails zu diesem Thema, und auch der Großteil der Stellungnahmen hat sich auf dieses Thema bezogen.

Es gab andere Einschätzungen von VertreterInnen der Bauernschaft, würde ich einmal sagen. Es geht uns nicht darum, dass es auf dem Bauernhof keine Katzen mehr geben soll, aber dass eben klar geregelt werden soll – wie gesagt, unser Antrag hätte auch Unterstützungsprogramme vorgesehen –, was als Zucht definiert wird und was nicht. Die Definition, die jetzt drinnen ist, lautet: eine „nicht verhinderte Anpaarung“. – Ich meine, dann ist alles Zucht. Deswegen geht uns dieser Begriff einfach nicht weit ge­nug.

Vielleicht überlegen Sie es sich noch und stimmen meinem Antrag heute hier zu. Der Abänderungsantrag zum Gesetz liegt vor.

Das waren unsere Zusatzvorschläge, denn, wie gesagt, so wie das Tierschutzgesetz jetzt vorliegt, gibt es darin zwar positive Dinge, als Gesamtpaket ist es aber aus Tier­schutzsicht alles andere als ausreichend.

Zu berücksichtigen ist auch noch, und das wäre mein Appell an Sie, Frau Ministerin, dass die Tierhalteverordnung auch in Begutachtung war und da eher Verschlechte­rungen drohen – Stichwort wiederum Katzenkastration, Enthornungen und so weiter. Ich ersuche Sie dringend, die vielen Stellungnahmen ernst zu nehmen und einen weiteren Schritt in Richtung mehr Tierschutz zu machen und nicht zu Verschlechte­rungen beizutragen.

Wichtig ist mir auch noch mein Antrag aus dem Ausschuss zum Kükenschreddern. Ich glaube, wir alle kennen diese Bilder. (Abg. Steinbichler: Ja, natürlich!) Das ist wirklich etwas Grausames, dass männliche Küken einfach geschreddert werden. Ich habe vernommen, dass es schon Diskussionsbereitschaft gibt.

Auch hier mein Appell: Nehmen wir uns bis zum nächsten Mal vor, das grausame Töten von Küken mit dem Tierschutzgesetz zu beenden.

Das Tierschutzgesetz war in seiner ursprünglichen Fassung ein Schritt zu mehr Tier­schutz – wiederholen wir das und tragen wir zu einer weiteren Verbesserung des Tierschutzes in Österreich bei! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt. Er wurde in den Eckpunkten erläutert, ist somit ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 107

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde

zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1515 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird (1544 d.B.)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird, in der Fassung des Berichtes des Gesundheitsausschusses (1544 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. In Ziffer 5 entfallen in § 4 Z 14 lit b die Worte:  „oder nicht verhinderte“

2. Ziffer 9 lautet:

„9. § 5 Abs. 3 Z4 lautet:

‚4. Maßnahmen, unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit, bei Einsätzen von Dienst­hunden, die im Einklang mit dem Waffengebrauchsgesetz 1969, BGBl. Nr.149/1969, oder dem Militärbefugnisgesetz - MBG, BGBl I Nr. 86/2000, stehen oder Maßnahmen durch besonders geschulte Personen zur erforderlichen Ausbildung für solche Ein­sätze.’“

3. In Ziffer 10 entfällt in § 7 Abs. 3 die Wortfolge: „soweit nicht durch Verordnung gemäß § 24 Abs 1 Z 1 anderes bestimmt ist,“

4. Ziffer 14b. lautet:

„14b. § 16 Abs. 4 lautet:

‚(4)Rindern sind geeignete Bewegungsmöglichkeiten oder geeigneter Auslauf oder Weidegang an mindestens 90 Tagen im Jahr zu gewähren, soweit dem nicht zwin­gende rechtliche oder technische Gründe entgegenstehen. Solche technischen Gründe sind:

1. das Nicht-Vorhandensein von geeigneten Weideflächen oder Auslaufflächen,

2. Sicherheitsaspekte für Menschen und Tiere, insbesondere beim Ein- und Austreiben der Tiere sowie

3. in begründeten Einzelfällen, zeitlich befristet, bauliche Gegebenheiten.‘“

5. In Ziffer 26 entfallen in § 31 Abs. 5 die Worte:

„In Zoofachgeschäften dürfen Hunde und Katzen zum Zwecke des Verkaufes nur dann gehalten werden, wenn dafür eine behördliche Bewilligung vorliegt. Voraussetzung für die Erteilung dieser Bewilligung ist, dass für diese Zoofachhandlungen ein Betreu­ungsvertrag mit einem Tierarzt besteht. Dieser Tierarzt ist im Rahmen des Bewilli­gungsverfahrens der Behörde namhaft zu machen und hat den in der Verordnung angeführten Kriterien zu entsprechen. Nähere Anforderungen, die diese Zoofach­handlungen hinsichtlich der Haltung von Hunden und Katzen zu erfüllen haben, besondere Aufzeichnungspflichten sowie die Aufgaben und Pflichten des Betreuungs­tierarztes sind durch Verordnung der Bundesministerin/des Bundesministers für Gesundheit und Frauen nach Einholung der Stellungnahme des Tierschutzrates zu regeln.“


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 108

6. Ziffer 29 entfällt.

7. Ziffer 37 entfällt.

Begründung

Aus Tierschutzsicht sind in der vorgeschlagenen Novellierung durchaus positive Ent­wicklungen zu bemerken. Allerdings bleiben diese Entwicklungen hinter den Erwar­tungen zurück.

Beispielsweise ist unerlässlich, dass die Anpaarung GEZIELT bleibt und der beste­hende Gesetzeswortlaut beibehalten wird.

Die Ausbildung und der Einsatz von Diensthunden haben nach dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und damit tierschutzkonform zu erfolgen.

Auch bei Eingriffen im Nutztierbereich soll nicht vom grundsätzlichen Gebot der wirk­samen Betäubung und postoperativen Schmerzausschaltung abgegangen werden.

Mit der Novelle des Tierschutzgesetzes im Jahr 2008 wurde der zuvor verbotene Verkauf von Hunden und Katzen in Zoofachhandlungen wieder eingeführt. Begründet wurde dies damit, den Handel mit Welpen in kontrollierbare Bahnen bringen zu wollen. Die Entwicklung seit 2009 zeigt aber deutlich, dass dies nicht gelungen ist. Unabhängig von dem Verfehlen der Zielsetzung, gibt es zahlreiche weitere Gründe, die aus Tierschutzsicht gegen den Verkauf in Zoofachhandlungen sprechen. Tiere sind keine Ware. Die Anschaffung eines Hundes, dessen Lebensdauer im Schnitt 10 Jahre und länger dauert, sollte niemals im Rahmen eines Einkaufstages erfolgen.

Bis dato hat § 44 Abs. 17 eine Übergangsfrist für das durch die TSchG-Nov BGBl I 2008/35 gefasste Verbot von Qualzüchtungen (§ 5 Abs 2 Z 1) normiert. Die neue Fassung des Abs 17 würde diese Übergangsfrist außer Kraft setzen und das Qual­zuchtverbot einer dauerhaften Relativierung unterziehen.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


14.13.43

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben schon gehört, mit der vorlie­genden Gesetzesnovelle gehen langjährige Verhandlungen zu Ende. Es sind viele Organisationen und Experten einbezogen worden, was sehr wichtig ist, da es unter­schiedliche Meinungen gibt. Ich denke, es ist dabei eine gewissenhafte und praxis­orien­tierte Lösung herausgekommen.

Ich als Bäuerin weiß sehr wohl, dass wir eine sehr hohe Verantwortung gegenüber den Tieren haben. Tierwohl ist uns ganz besonders wichtig. Daher ist es auch wichtig, dass die Erfahrungen der Tierhalter in dieses Gesetz eingeflossen sind.

Wir haben auch schon gehört, dieses Gesetz ist eine Weiterentwicklung und eine positive Neuregelung von gewissen Punkten. So wurden Standards beim Handel von Tieren im Internet, die Enthornung, die Dressur von Hunden oder die Auswilderung von gezüchteten Wildtieren geregelt, um nur einige zu nennen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 109

Wir haben schon seit zehn Jahren ein sehr strenges Tierschutzgesetz, da hinken uns die anderen Länder hinterher. Dadurch haben natürlich unsere Bauern und Bäuerinnen Probleme in dem Sinn, dass Produkte mit geringeren Standards auf den Markt drän­gen. Daher ist es uns besonders wichtig, dass in Zukunft eine entsprechende Her­kunfts­bezeichnung geschaffen wird, die auch funktioniert, damit man den Tierschutz sichtbar macht und unsere Konsumenten unsere Produkte bewusst einkaufen können. Die ehrliche Kennzeichnung von Qualitätsprodukten aus der heimischen Produktion bedeutet daher auch ein Weiterentwickeln des Tierwohls.

Bis jetzt war die Präzisierung der Haltung von Rindern in einer Verordnung geregelt. Das steht jetzt im Gesetz, auch mit zusätzlicher Meldepflicht von Ausnahme­regelun­gen. So darf ich folgenden Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Keck, Eßl, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Gesundheitsausschusses 1544 d.B. über die Regierungs­vorla­ge 1515 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. Punkt 14b lautet:

14b § 16 Abs. 4 lautet:

„(4) Rindern sind geeignete Bewegungsmöglichkeiten oder geeigneter Auslauf oder Weidegang an mindestens 90 Tagen im Jahr zu gewähren, soweit dem nicht zwin­gende rechtliche oder technische Gründe entgegenstehen. Solche Gründe sind:

1. das Nicht-Vorhandensein von geeigneten Weideflächen oder Auslaufflächen,

2. bauliche oder sonstige technische Gegebenheiten am Betrieb oder in einem beste­henden Ortsverband,

3. das Vorliegen öffentlich rechtlicher oder privatrechtlicher Beschränkungen oder

4. Sicherheitsaspekte für Menschen und Tiere, insbesondere beim Ein- und Austreiben der Tiere.“

2. Nach Punkt 14b wird folgender Punkt 14c eingefügt:

14c § 16 Abs. 4a lautet:

„(4a) Für die Inanspruchnahme der in Abs. 4 genannten Ausnahme gilt Folgendes:

1. Die Haltung von Rindern in zum In-Kraft-Tretens-Zeitpunkt dieses Bundesgesetzes bestehenden Anlagen unter Gegebenheiten, die als zwingende rechtliche oder tech­nische Gründe anzusehen sind, die der Gewährung geeigneter Bewegungs­mög­lichkeiten oder geeigneten Auslaufes oder Weideganges an mindestens 90 Tagen im Jahr entgegenstehen, ist der Behörde vom Halter bis zum 31. Dezember 2019 zu melden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 110

2. Tritt bei Anlagen, die bisher die Bewegungsmöglichkeiten in ausreichendem Aus­maß bieten ein Grund gemäß Abs. 4 Z 1 – 4 auf, so ist die Inanspruchnahme der Ausnahme der Behörde binnen vier Wochen nach Eintritt des Ereignisses zu melden. Gleiches gilt auch für den Umbau oder Neubau von Anlagen gemäß Z 1, der aufgrund höherer Gewalt erforderlich wird.“

*****

In diesem Sinne sind wir für guten Tierschutz, denn er bringt wirklich etwas für Tier und Mensch. (Beifall bei der ÖVP.)

14.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Keck, Eßl, Auer, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Gesundheitsausschusses 1544 der Beilagen über die Regierungs­vorlage 1515 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

1. Punkt 14b lautet:

14b § 16 Abs. 4 lautet:

„(4) Rindern sind geeignete Bewegungsmöglichkeiten oder geeigneter Auslauf oder Weidegang an mindestens 90 Tagen im Jahr zu gewähren, soweit dem nicht zwin­gende rechtliche oder technische Gründe entgegenstehen. Solche Gründe sind:

1. das Nicht-Vorhandensein von geeigneten Weideflächen oder Auslaufflächen,

2. bauliche oder sonstige technische Gegebenheiten am Betrieb oder in einem beste­henden Ortsverband,

3. das Vorliegen öffentlich rechtlicher oder privatrechtlicher Beschränkungen oder

4. Sicherheitsaspekte für Menschen und Tiere, insbesondere beim Ein- und Austreiben der Tiere.“

2. Nach Punkt 14b wird folgender Punkt 14c eingefügt:

14c § 16 Abs. 4a lautet:

„(4a) Für die Inanspruchnahme der in Abs. 4 genannten Ausnahme gilt Folgendes:

1. Die Haltung von Rindern in zum In-Kraft-Tretens-Zeitpunkt dieses Bundesgesetzes bestehenden Anlagen unter Gegebenheiten, die als zwingende rechtliche oder technische Gründe anzusehen sind, die der Gewährung geeigneter Bewegungs­mög­lichkeiten oder geeigneten Auslaufes oder Weideganges an mindestens 90 Tagen im Jahr entgegenstehen, ist der Behörde vom Halter bis zum 31. Dezember 2019 zu melden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 111

2. Tritt bei Anlagen, die bisher die Bewegungsmöglichkeiten in ausreichendem Aus­maß bieten ein Grund gemäß Abs. 4 Z 1 – 4 auf, so ist die Inanspruchnahme der Ausnahme der Behörde binnen vier Wochen nach Eintritt des Ereignisses zu melden. Gleiches gilt auch für den Umbau oder Neubau von Anlagen gemäß Z 1, der aufgrund höherer Gewalt erforderlich wird.“

Begründung:

Tierhaltungen, bei denen auf Grund der im § 16 Abs. 4 genannten Ausnahmegründe eine dauernde Anbindehaltung erfolgt, sind der Behörde zu melden, um sicherzu­stellen, dass die entsprechenden Betriebe bei der Behörde bekannt sind.

Auch Betriebe, die grundsätzlich die erforderliche Bewegungsfreiheit durch Auslauf oder Weidegang gewähren, bei denen aber durch Eintritt eines obgenannten Grundes für einen bestimmten Zeitraum eine entsprechende Bewegungsmöglichkeit nicht ge­boten werden kann, haben dies der Behörde zu melden.  Derartige Situationen sind beispielsweise durch Eintritt von Naturereignissen oder Unfällen, ebenso wie bei temporären Baumaßnahmen denkbar.

Bei der Beurteilung des Vorhandenseins geeigneter Weideflächen sind nicht allein die Verfügungsrechte über vorhandene Grundstücke entscheidend, sondern sind die tatsächlichen Lagen, die verkehrsmäßigen Gegebenheiten und die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Erreichbarkeit bzw. Betreuung im Hinblick auf die Nutzung der Tiere in Betracht zu ziehen. Hiebei ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass das Wohlbefinden der Tiere nicht durch häufige Transporte beeinträchtigt wird.

Bei den in Abs. 4 Z 3 genannten öffentlich rechtlichen oder privatrechtlichen Beschrän­kungen handelt es etwa um Raumordnung (Flächenwidmung), UVP oder nachbar­rechtliche Beschränkungen.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Weigerstorfer gelangt nun zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


14.18.37

Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (STRONACH): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich möchte gerne mit § 2 eines Bundesverfassungsgesetzes beginnen. Da steht geschrieben: „Die Republik Österreich [...] bekennt sich zum Tierschutz.“

Wir haben dazu schon unterschiedliche Ansätze gehört, was widerspiegelt, dass Tierschutz offensichtlich mehrere Betrachtungsmöglichkeiten zulässt, da man da immer wieder unterschiedliche Ansätze sieht. Der eine sieht es eher aus Sicht der Tierhalter, vor allem bei Nutztieren, der andere sieht es emotional – viele haben Katzen und Hunde zu Hause. Ich gestehe, es ist nicht nur ein Kopfthema, sondern auch ein sehr emotionales Thema. „Allen Leuten recht getan ist eine Kunst, die niemand kann.“

Ich möchte aber trotzdem zu bedenken geben, dass wir als Menschen Tieren zwar übergeordnet sind, dass es aber leider teilweise im Gesetz juristisch betrachtet nach wie vor so ist, dass Tiere als Sache gehandelt werden.

Nichtsdestotrotz haben wir die Verpflichtung, sie als Mitgeschöpfe zu respektieren und ihnen gegenüber keinesfalls grausam zu sein. Wir müssen Tiere vor jedem unnötigen Leid bewahren.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 112

Damit komme ich wieder darauf zurück, dass das ein Spagat ist; dessen sind wir uns alle bewusst. Ich weiß, in vielen Klubs wurde sehr emotional diskutiert, ich möchte nur Folgendes in den Raum stellen: Jetzt hat man hier mit diesem Abänderungsantrag einfach versucht, der Kritik ein bisschen den Wind aus den Segeln zu nehmen. 650 Stel­lungnahmen sind eingetroffen, und in wenigen Tagen wurden 30 000 Unter­schriften gesammelt, die zeigen, dass die Tiere sehr wohl eine sehr starke Lobby hinter sich haben.

Ich möchte an dieser Stelle wirklich noch einmal dazusagen, dass man da natürlich immer wieder Graubereiche beachten muss. Was mir persönlich fernliegt, ist, jetzt irgendeinem Bauern seine Existenz zu nehmen, nichtdestotrotz: Sehen wir es doch als Nische, die wir als Österreicher, die auch unsere österreichischen Bauern nutzen können! Wir waren im Tierschutz wahnsinnig lange Vorreiter, aber davon haben wir uns schon lange entfernt. Auch dieser Abänderungsantrag, mit dem man hier ein bisschen gegenzusteuern versucht, ist zwar an der Oberfläche sehr schön, aber wenn man ihn genauer liest, sieht man, dass er leider nach wie vor sehr schwammig ist und sich viele Schlupflöcher darin finden.

Ich möchte als Beispiel die Katzenkastration näher betrachten. Man muss sich Folgen­des vorstellen: Ein Katzenpaar kann zweimal im Jahr Nachwuchs bekommen. Nun rechnet man pro Wurf in etwa mit drei Katzen, die dann auch tatsächlich überleben. Kalkuliert man das auf zehn Jahre, sind das 80 Millionen Katzen. Da muss einfach etwas getan werden! Sie sterben, verhungern, es ist wirklich mühsam im Winter. Jeder Bauer soll seine Katze, die er auch wirklich lieb hat, haben, aber wenn Tiere teilweise leider frei herumlaufen, so ist das Tierquälerei, das kann man nicht schönreden! Es tut mir leid, das kann man nicht schönreden. (Beifall beim Team Stronach sowie der Abgeordneten Riemer und Brunner.)

Nun hat man eine Lösung gefunden, und zwar ist es in der neuen Verordnung so, dass man diese Kastrationspflicht, die in der Praxis ohnedies nicht wirklich geklappt hat – denn klarerweise hat jeder gesagt: das ist nicht meine Katze, also muss ich sie auch nicht kastrieren lassen! –, dadurch ersetzt, dass man die Bauernhofkatzen chippt. – Ich muss Ihnen ehrlich sagen, meiner Ansicht nach ist ein Chip kein Verhütungsmittel! Und wenn die Katzen gechippt sind, dann dürfen sie hinaus – und die Streunerkatzen darf man kastrieren?! – Das ist in der Praxis derart schwammig!

Warum schaffen wir nicht klare Regeln, die allen Seiten helfen, den Bauern genauso wie den Tieren? Ich verstehe es nicht! Es tut mir wirklich leid, das ist inakzeptabel.

Einige Vorredner haben es schon angesprochen: Da finden sich sehr, sehr viele sehr, sehr schwammige Begriffe, zum Beispiel beim Qualzuchtverbot – da gibt es extreme Aufweichungen! –, und auch beim grundsätzlichen Bekenntnis zur Schmerzaus­schal­tung beziehungsweise Betäubung wurde alles wieder relativiert. Das heißt, man darf die Ferkel nach wie vor ohne Betäubung kastrieren. Das finde ich echt nicht super! (Abg. Prinz: Schmerzlinderung!)

Ebenso kritisieren möchte ich, dass wir es nicht geschafft haben, die Tierhaltever­ordnung durchzudiskutieren. Das finde ich wirklich schade, denn es gibt von diversen Fraktionen wirklich gute Ansätze, die man einfach hätte mitnehmen können.

Alles in allem stimme ich dem persönlich nicht zu. Lassen Sie mich aber noch etwas dazu sagen: Natürlich muss man das alles immer als etwas Rundes, etwas Gesamtes sehen. Ich als Tierschutzsprecher werde meine Stimme den Tieren geben. – Ich weiß, wir haben auch in unserer Fraktion einige, die ihre Stimme den Bauern geben. Das ist legitim. Wir haben Gott sei Dank keinen Klubzwang, das heißt, bei uns kann jeder abstimmen, wie er will: Meine Stimme gehört den Tieren. (Zwischenruf des Abg. Lipitsch.) Ich weiß, Leo Steinbichler hat sich auch noch zu Wort gemeldet, er wird hier


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 113

seine Argumente vorbringen. Wie sich die anderen entscheiden, wird sich weisen, aber ich als Tierschutzsprecher werde weiterhin meine Stimme den Tieren geben.

Weil Kollege Loacker gerade aufsteht: Ich frage mich, warum du überhaupt Tier­schutzsprecher bist, denn deine Aussagen im Ausschuss waren ein Wahnsinn! Sei bitte Wirtschaftssprecher, denn mit Tieren hast du gar nichts zu tun – aber du wirst das gleich selbst beweisen. – Danke schön. (Beifall beim Team Stronach sowie der Abg. Brunner.)

14.25

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun der angesprochene Herr Mag. Loacker.  – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.25.13

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich bedanke mich bei Kollegin Weigerstorfer für die Anmoderation! (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Im Ausschuss ist es unter anderem darum gegangen, dass man die Regelungen für die Tierzucht nicht ad infinitum anspannen kann, weil sonst diejenigen, die in Öster­reich Tierzucht betreiben, im internationalen Wettbewerb nicht mehr konkurrenzfähig sind. (Abg. Weigerstorfer: Im Gegenteil!) Dann finden halt die Tierzüchter ihr Geschäft nicht mehr hier, sondern woanders, und wir importieren das Fleisch aus anderen Ländern. Das kann man wollen.

Wir finden, dass die Novelle des Tierschutzgesetzes ein Schritt in die richtige Richtung ist. Das ist jetzt nicht super und es ist nicht epochal (Beifall der Abg. Weigerstorfer), aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Deswegen begrüßen wir diese Novelle, sehen aber natürlich noch Potenzial für weitere Verbesserung. (Abg. Lopatka: Sehr gut!) – Ich bin fast bereit, meine Meinung zu revidieren, wenn Klubobmann Lopatka lobende Worte hereinruft. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Warum?)

Ich möchte noch einen Satz auf den Antrag der Kollegin Brunner betreffend die streunenden Katzen verwenden – mit Streunern kennt sich Klubobmann Lopatka aus. Bei den streunenden Katzen verlangen Sie eine Kastration. – Jetzt ist es allerdings so, dass sich die streunenden Katzen nicht selbst beim Tierarzt melden und sagen: Miau, ich würde mich gerne kastrieren lassen! (Ruf bei der ÖVP: Wer will das schon?)

Ich frage mich, wie Sie sich das vorstellen: dass die Beamten der Bezirkshaupt­mannschaft um die Bauernhöfe schleichen und schauen, ob das Katzerl kastriert ist, und wenn nicht, dann herausfinden, wer dafür verantwortlich sein könnte, dass diese streunende Katze nicht kastriert ist?! – Sie haben eine Vorstellung davon; ich kann es mir schwer vorstellen.

Ich halte das für ein Gesetz, das nichts brächte, wenn es beschlossen würde, und deshalb sind wir dagegen. Wir können die streunenden Katzen nicht zu Tode regu­lieren; das wird nicht funktionieren. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS. – Ruf bei der ÖVP: Na bitte!)

14.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr. Rendi-Wagner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


14.27.29

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit der Einführung des bundesweiten Tierschutzgesetzes hat sich die Bedeutung des Tier­schutzes und des Themas generell gesellschaftspolitisch grundlegend geändert. Auch


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 114

die Bedingungen in der Nutztierhaltung und in der Landwirtschaft haben sich geändert, daher war es nach acht Jahren wirklich nötig und fällig, eine Novelle des Tierschutz­gesetzes umzusetzen. Genau darüber diskutieren wir, und ich freue mich auch des­wegen sehr, weil diese vorliegende Novelle noch über weite Strecken mit meiner Vorgängerin Sabine Oberhauser sehr eng abgestimmt wurde und sie immer hinter den Punkten gestanden ist.

Warum ist diese Novellierung notwendig? – Sie ist deswegen notwendig, weil es viele Veränderungen gegeben hat, und klar ist – das ist in den bisherigen Beiträgen ja zum Ausdruck gekommen –, dass das ein hochemotionales Thema ist. Tierschutz lässt niemanden – oder zumindest die wenigsten – kalt, von daher kann Tierschutz nie weit genug gehen.

Das heißt, auch die vorliegende Novelle wird immer wieder auch Kritiker auf den Plan rufen, wenngleich der Vorschlag, den wir hier heute diskutieren, ein Vorschlag ist, der so intensiv, gut und konstruktiv mit allen Interessenvertretern, die es in diesem Feld gibt, abgestimmt wurde – und das zwei Jahre lang – wie kaum ein anderer zuvor. Es waren sehr konstruktive Gespräche, und aus meiner Sicht ist das Ergebnis daraus ein gutes Produkt und ein guter Kompromiss, der im Sinne eines Interessenausgleiches gefunden wurde, weil klar ist, dass es da natürlich verschiedene Interessenlagen gibt, die es zu berücksichtigen gilt. Das steht außer Zweifel.

Auch im Rahmen der Begutachtung des Entwurfs – auch das wurde schon erwähnt – ist es zu vielen Stellungnahmen gekommen, was einmal mehr die hohe gesell­schaftliche Bedeutung dieses Themas unterstreicht, und ich kann wirklich mit Stolz sagen, dass eine Großzahl dieser Meldungen und Vorschläge, die im Rahmen der Begutachtung eingegangen sind, von uns noch in diese Novelle übernommen wurden.

Was mich darüber hinaus freut, ist, dass zum einen in Form von vor kurzer Zeit eingegangenen Abänderungsanträgen zu dem schon erwähnten Verbot des Auswil­derns von Wildtieren, die nicht überlebensfähig sind, aber zum anderen auch im Bereich des Rinderanbindeverbots bei den Verhandlungen, die bis gestern bezie­hungs­weise bis vor wenigen Tagen intensiv geführt wurden, eine Einigung gefunden wurde, die hier gleichfalls noch Eingang gefunden hat. Ich finde, auch das ist ein wirklicher Erfolg der vorliegenden Novelle. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte jetzt auf die Details der Novelle nicht zu genau eingehen. Vieles wurde schon erwähnt, und es freut mich, dass das hier auch so intensiv diskutiert wurde. Abschließend kann ich sagen, dass ich denke, dass mit dieser Novelle des öster­reichischen Tierschutzgesetzes ein wirklich guter und vor allem fortschrittlicher Kom­promiss zwischen dem Erwarteten und dem Machbaren getroffen wurde, und genau darauf kommt es an – im Sinne der Tiere und im Sinne des Tierschutzes in Österreich! Ich freue mich über Ihre Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Steinbichler: Wolfgang, lass die Sau raus! ... Freilandhaltung!)

 


14.31.04

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Danke, Frau Bundes­minis­terin, dass Sie kurz Stellung genommen haben. Wenn ich mich an die Diskus­sionen erinnere, die wir 1999 geführt haben – meine erste Rede in diesem Haus war zu einem bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz , sehe ich daran, dass die Mühlen tatsächlich langsam mahlen, aber es gibt da auch eine gewisse Bewegung. Das ist einer intensiven Debatte zu danken, die von allen möglichen Kreisen befeuert wird: von


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 115

den Tierschutzorganisationen bis hin zu den Vermarktern, von den Konsumentinnen und Konsumenten bis hin zu auch bäuerlichen Qualitätsproduzenten und -produktions­betrieben.

Bei dieser Gelegenheit sei darauf verwiesen, dass Tierschutz und bäuerliche Tier­haltung per se nicht im Widerspruch zueinander stehen. Ein gutes Beispiel dafür ist der biologische Landbau. Das ist einer der Vorreiter als landwirtschaftliche Produk­tions­methode, in denen der Tierschutz sehr weitreichend – nicht in allen Punkten, aber sehr weitreichend – umgesetzt ist und auch Trendsetter in diese Richtung ist.

Das wird ja auch belohnt, und zwar wird Tierschutz in zweierlei Hinsicht belohnt: Er wird vom Konsumenten belohnt – der wünscht sich mehr Tierschutz – und auch von den Tieren, denn sie liefern einfach eine bessere Leistung. Auch in einer Tierhaltung ist es wichtig, dass sich Tiere wohlfühlen. Tierwohl ist auch die Basis einer Nutz­tier­haltung, daran kommen wir nicht vorbei. Jeder, der eine Ausbildung in diesem Bereich hat, der sich ernsthaft mit Nutztierethologie und mit anderen Dingen beschäftigt, wird draufkommen, dass der Tierschutz eine ganz wichtige Angelegenheit ist, bei der wir gute Diskussionen brauchen, bei der wir auch das Zuhören brauchen.

Das ist oft gar nicht so einfach, weil der Blick ein anderer ist, wenn ich im Stall sozu­sagen mit der Kuh tagtäglich meinen Austausch habe oder wenn ich über die Weide laufe, weil ich Wanderer bin, und da ist eine Kuhherde. Das sind zwei Dinge, die ganz verschieden sind! Die Blickwinkel sind ganz unterschiedlich: Menschen aus dem urbanen Raum haben heute vielleicht gar keine Ahnung mehr von Distanzgefühl und wissen, wenn sie mit ihrem Hund unterwegs sind, oft nicht, dass auch ein Tier einmal plötzlich erschrecken kann. Genauso wie der Mensch erschrecken kann, kann ein Tier erschrecken, und dann kann es leider passieren, dass eine Kuh plötzlich rabiat wird – diese Fälle haben wir auch schon gehabt. Ich erwähne das in aller Kürze.

Ich möchte darauf hinweisen, dass ich betreffend einen Punkt überzeugt bin: Die Zertifizierung von Stalleinrichtungen ist ein richtiger Schritt. Das ist eine Forderung aus dem Jahr 1999, die wir endlich umsetzen: eine Zertifizierung von Stalleinrichtungen, wenn sie tiergerecht sind – übrigens würde ich mir das dann auch bei Lebensmitteln erwarten. Ist die Stalleinrichtung tiergerecht? – Passt! Dann weiß der Bauer, wenn er etwas neu einrichtet, wenn er etwas baut: Ja, das entspricht dem Standard, das ist gute Praxis, das ist tiergerecht! Dann kann er das mit gutem Gewissen machen.

Ich möchte sagen, dass wir in zweiter Lesung einigen Teilen zustimmen.

Abschließend ein letzter Punkt: Bei den Ausnahmen bei dieser schwierigen Frage betreffend Weidehaltung und Auslauf von Rindern haben wir in zwei Punkten Über­einstimmung mit der Regierungsvorlage, und in einem Punkt, Kollege Auer, nicht. Wir halten es nicht für klug, diese behördlichen Meldesysteme einzuführen, wie das dein Abänderungsantrag jetzt vorschlägt. Wichtiger ist, dass wir klarmachen, dass das nur einzelbetrieblich und befristet sein kann, denn es geht hier nicht darum, die Anbin­dehaltung zu verbieten, sondern um die ständige Anbindung ohne irgendeine Form von Auslauf oder Weidehaltung. Das halten wir für notwendig. Das ist in diesem Bereich umsetzbar, das ist verhältnismäßig und das ist auch zumutbar.

In diesem Sinne: Das Glas ist ein bisschen voll. Wir werden in zweiter Lesung einigem zustimmen, aber in dritter Lesung unsere Ablehnung signalisieren, weil es noch viele Punkte gibt, die wir verbessern können. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Keck. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 116

14.35.13

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte zu Beginn meines Redebeitrages einige Gäste begrüßen, die die Sitzung von der Galerie aus mitverfolgen: einerseits die Schüler und Schülerinnen sowie die Päda­gogen und Pädagoginnen der Klasse 4R und der Klasse 4G des BG/BRG Neunkirchen im Namen unseres Nationalratsabgeordneten Hans Hechtl, andererseits im Namen unserer Abgeordneten Königsberger-Ludwig die Gäste aus Bischofstetten. (Allge­meiner Beifall.)

Meine Damen und Herren, Österreich hat über 8 Millionen Tierschützerinnen und Tierschützer. Kein einziger Österreicher und keine einzige Österreicherin würde von sich sagen, er oder sie ist Tierquäler – alle sagen, sie sind Tierschützer. Und wenn man ein Gesetz macht, hat man eine Prämisse vor sich: Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann – insbesondere bei so vielen.

Lassen Sie mich anführen – in einigen Punktationen ist es heute schon erwähnt wor­den –, was wir mit diesem Tierschutzgesetz umsetzen.

Es gibt zum Beispiel ein Verbot von Hundehalsbändern mit Zugmechanismen, durch die das Atmen für die Hunde erschwert werden könnte, weil es mit sogenannten Würgehalsbändern immer möglich war, die Hunde zu würgen.

Wir haben ein Verbot des Aussetzens gezüchteter Wildtiere, die nicht überlebensfähig sind – eine massive Forderung von Tierschutzorganisationen.

Wir haben ein Verbot des Internethandels für Privatpersonen, weil da sehr, sehr viel Missbrauch mit Hundewelpen und jungen Katzen betrieben wurde.

Wir haben die tierschutzqualifizierten Hundetrainer und die Institutionen, die diese prüfen, nun im Gesetz verankert.

Wir haben mittels des heutigen Abänderungsantrags die Rinderanbindehaltung klarer geregelt.

Wir haben eine neue und sehr gute Definition von Tierheimen, Tierpensionen, Tier­asylen und Gnadenhöfen formuliert, weil es notwendig und wichtig ist, sie per Gesetz richtig zu definieren, sodass es keine Probleme gibt, wenn diese Tiere aufnehmen.

Wir haben eine bessere Definition von Zucht gemacht, indem wir eine Formulierung der Organisation Vier Pfoten und der Tierschutzombudspersonen, die das machen, herangezogen haben – ich gehe nachher noch im Detail darauf ein.

Wir haben eine Streichung der Erlaubnis von Korallenhalsbändern bei Diensthunden vorgenommen.

Wir haben die Zuziehung von Hilfspersonen, die zukünftig für eine Betäubung heran­gezogen werden dürfen, und die Regelung betreffend Art und Nachweis der Sach­kunde in dieses Gesetz aufgenommen.

Wir haben ein Verbot des Färbens und Tätowierens aus kommerziellen oder ästhe­tischen Gründen in dieses Gesetz aufgenommen.

Wir haben den Internethandel mit Tieren grundsätzlich besser geregelt.

Wir haben geregelt, dass es keine Abgabe von Tieren an Jugendliche unter 16 Jahren geben wird.

Wir haben klargestellt, was keine Anbindehaltung von Hunden ist, denn unter diesem Titel wurden zum Beispiel Hundebesitzer angezeigt, wenn sie mit ihrem Hund an der Leine spazieren gegangen sind, weil irgendjemand geglaubt hat, das sei eine Anbin­dehaltung. Auch das wurde jetzt klar geregelt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 117

Wir haben eine neue und klare Regelung der Rechtspersönlichkeit der Fachstelle für tiergerechte Haltung und Tierschutz gemacht sowie die Möglichkeit, ihr weitere Auf­gaben zu übertragen, geschaffen, zum Beispiel, dass sie die Kontaktstelle für Tier­schutz bei Schlachtung und Tierschutz beim Transport wird.

Wir haben eine Aufnahme der Chip-Pflicht für unkastrierte Katzen mit Freigang und auch die Registrierung in einer Datenbank geregelt.

Wir haben klargestellt, dass nicht nur gewerbliche, sondern alle wirtschaftlichen Tier­hal­tungen einer Bewilligung bedürfen.

Wir haben eine Regelung und Meldepflicht für Einrichtungen, welche Tiere aufnehmen, weitergeben oder vermitteln, in dieses Gesetz aufgenommen.

Und was ganz wichtig ist: Wir haben eine Verbesserung der Rechtsstellung der Tierschutzombudspersonen durch die Möglichkeit der Revisionserhebung beim Ver­waltungsgerichtshof und Akteneinsicht bei den Strafgerichten bei Tierschutzvergehen erreicht.

Damit möchte ich zu meinen Vorrednern kommen: Das erste Problem, das hier dis­kutiert wurde, war jenes der Streunerkatzen. – Josef Riemer, du weißt, ich schätze dich. Du hast diese Problematik eingebracht, und ich frage mich, ob das, was wir im Gesetz geregelt haben, wirklich angekommen ist.

Was sagt dieses Gesetz aus? – Das Gesetz sagt ganz klar aus, dass Katzen mit Freigang kastriert werden müssen, auch die Katzen in bäuerlicher Haltung. Dort hat es aber das Problem gegeben, dass nicht zuordenbar war – das ist hier schon gesagt worden –, welche Katze in bäuerlicher Haltung ist und welche Katze nicht, welche Katze der Bauer, weil er weiterhin Katzen haben will, für eine Vermehrung verwenden kann und welche nicht.

Jetzt haben wir ganz klar geregelt, dass Katzen, die freigehen (Abg. Lugar: Mit Fußfessel!), kastriert werden müssen. Wenn der Landwirt will, dass die Katzen Nach­wuchs bekommen, muss er sie chippen und registrieren lassen – damit gehören sie ganz klar ihm. Alle anderen, die als Streunerkatzen definiert sind, können weiterhin von den Organisationen, von den Behörden – oder wer auch immer das macht – einge­fangen und kastriert werden. Wir haben also ganz klar geregelt, wo Katzen zuordenbar sind. – Das zu dem Thema Streunerkatzen.

Jetzt zu dem Abänderungsantrag der Kollegin Brunner. – Kollegin Brunner! Dienst­hundeführern Tierquälerei zu unterstellen, weil wir diese Änderung in das Gesetz auf­genommen haben, das erachte ich als sehr, sehr schlecht. Etwas anderes will ich jetzt nicht sagen. Was bezweckt dieser Antrag? (Zwischenruf der Abg. Brunner.) – Sie können sich dann das Protokoll Ihrer Rede durchlesen! – Nur eines dazu: Diensthunde müssen im Einsatz manchmal oder oft Gruppierungen wie zum Beispiel Hooligans gegenübergestellt werden, die nicht sehr harmlos mit den Tieren umgehen. Die Diensthunde werden mit Steinen beworfen, bei solchen Einsätzen auch getreten und vieles mehr. Da dürfte man aufgrund des bestehenden Tierschutzgesetzes die Dienst­hunde gar nicht einsetzen, denn der § 5 des Tierschutzgesetzes sagt aus: Wer einem Tier Schmerzen zufügt – und das würde passieren, wenn ein Diensthundeführer seinen Diensthund im Dienst einsetzt und dieser von irgendeinem Rabiaten geschlagen, getreten oder sonst irgendetwas wird –, macht sich strafbar! Nur diesen Punkt haben wir bei den Diensthundeführern herausgenommen, weil wir nicht der Meinung sind, dass Diensthundeführer, die ihren Hund im Dienst einsetzen, Tierquäler sind. Dass sie deshalb nicht belangt werden können, ist der Grund dafür, dass wir das gemacht haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 118

Meine Damen und Herren! Das Nächste ist diese nicht verhinderte Anpaarung, die immer bei der Definition von Zucht kommt. Ich habe hier einen Brief von Vier Pfoten, und ich lese jetzt vor, was uns die zur „Zucht“ vorgeschlagen haben. Da steht: Zucht: vom Menschen kontrollierte Fortpflanzung von Tieren durch gezielte oder nicht verhinderte Anpaarung oder das Heranziehen eines bestimmten Tieres zum Decken oder durch Anwendung anderer Techniken der Reproduktionsmedizin. – Zack, bumm, das haben wir in das Gesetz aufgenommen, das haben wir gemacht, und wir haben auch Stellungnahmen von Ländern eingearbeitet.

Ich nehme hier nur die Stellungnahme des Landes Oberösterreich heraus, in der es heißt: „In der vorgeschlagenen Definition von Zucht sind Züchter, welche größere Gruppen von Tieren halten, nicht berücksichtigt, da eine gezielte Anpaarung hier nicht möglich ist (Reptilienzüchter mit [...] Schildkröten in einem Freilandgehege; Vögelzüchter [...])“ – Die würden sonst gegen das Tierschutzgesetz verstoßen und müssten strafrechtlich belangt werden. Daher haben wir das mit der gezielten Anpaarung ganz klar drinnen.

Ich denke, meine Damen und Herren, da ist über Monate ein Gesetz verhandelt worden, das dem österreichischen Tierschutz wirklich zugutekommt. Und ich möchte zum Abschluss meiner Rede einem wirklich danken, und zwar Kollegen Auer von der ÖVP: Lieber Jakob! Ich kann nur sagen, ohne dein sehr intensives Mitwirken in den letzten Wochen wären wir nicht so weit gekommen, wie wir jetzt gekommen sind. Daher auch von unserer Seite ein recht herzliches Dankeschön.

Ich bitte wirklich alle Fraktionen hier in diesem Raum, diesem Tierschutzgesetz zuzu­stimmen, denn es bringt wirklich viele gute Neuerungen zum Wohle der Tiere. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.43.00

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Reden wir übers Leben, bringen wir ein bisschen bäuerliche Idylle herein! (Der Redner stellt eine Tafel vor sich auf das Rednerpult, auf der ein Nest mit jungen Schwalben abgebildet ist.)

Aber vorweg darf ich der Frau Minister für Ihren wichtigen Job ein kleines Geschenk überreichen: eine Linzer Torte aus Oberlaa. Die ist leider noch mit Palmöl gemacht, da ist noch Regenwald drinnen, aber wenn Sie weiter gut arbeiten, dann, davon bin ich überzeugt, kriegen Sie als Nächstes eine von Leo Jindrak. Der hat das Palmöl herausgetan und die gute Butter hineingetan. So wird wirklich etwas für die heimischen Arbeitsplätze, für die Gesundheit und unsere Kulturlandschaft gemacht. – Alles Liebe, Frau Minister! (Beifall beim Team Stronach. – Der Redner übergibt Ministerin Rendi-Wagner die Linzer Torte.)

So, reden wir übers Leben! Ich habe in der letzten Zeit sehr viele interessante Mails bekommen, ich habe Leserbriefe gelesen und muss sagen, bei manchen merkt man, sie meinen es wirklich gut. Das ist aber oftmals aufgrund der fehlenden Praxis schwierig einzuschätzen. Da kommen Tipps und Empfehlungen, wo man sagt, mit den Leuten müssen wir reden. Ich bin total dafür, weil ich glaube, das Gespräch ist das Wichtigste. Und das ist so ein Beispiel: die armen Schwalben. Wir haben Gott sei Dank am Samstag die erste bei uns zu Hause im Kuhstall begrüßen dürfen, im ältesten Stall, den wir haben. Die sind wahrscheinlich so konservativ, die fliegen in den alten Anbin-


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destall. Im modernen Laufstall haben wir noch keine, aber da kommen auch welche. Aber: Diese Schwalben werden im Süden nach wie vor gegessen, sind dort eine Spezialität. Wer vorgestern in den Himmel geschaut hat, hat gesehen: Der war kariert vor lauter Flugzeugen. Diese Schwärme, die jetzt kommen, müssen da erst einmal durchkommen. Das macht nichts, das sehen wir nicht, die werden von den Düsen schnell faschiert.

Freunde, wenn wir Tierschutz so breit diskutieren, dann diskutieren wir ihn! Jeder von uns kann etwas dazu beitragen, und – ich glaube, das ist das ganz Wesentliche; deshalb habe ich meinen Debattenbeitrag mit dieser Linzer Torte mit Palmöl eröffnet – je besser wir uns verstehen, umso besser werden wir zusammenarbeiten können. Wir haben gestern hier dieses Milchreduktionsprogramm diskutiert. Das ist das größte Milchkuhschlachtungsprogramm Europas, das wir jemals gehabt haben. Das ist das größte Regenwaldrodungsprogramm, das wir jemals gehabt haben, das größte Orang-Utan-Schlachtungsprogramm und das größte Flüchtlingsprogramm, das Massen von Wirtschaftsflüchtlingen erzeugt, die zu uns nach Europa kommen werden – damit wir uns im Klaren darüber sind, welche Auswirkungen wir mit unserem Tun im täglichen Leben hervorrufen.

Wenn ich an die Diskussion betreffend Laufstall/Anbindestall denke, dann sei es mir nach 47 Jahren Praxis gestattet, meine Erfahrungen hier einzubringen. Wir haben beide Haltungssysteme, und ich bedanke mich bei der §-7-Kommission, dass wir nach Salzburg gefahren sind und uns zwei Betriebe angeschaut haben: einen hypermo­der­nen, mit einer wahnsinnigen Investitionssumme industrialisiert, wo die Kühe roboter­gerecht gemacht werden, und einen ganz konservativen Betrieb in der Bergbau­ernzone 2 mit Anbindehaltung. Wenn ich eine Kuh wäre, dann wüsste ich, in welchen Stall ich einziehen würde. (Beifall beim Team Stronach, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Pirklhuber und Doppler.)

Das darf ich einmal in aller Deutlichkeit sagen, und ich traue mir zu, zu bewerten, wie es einer Kuh geht. Ich habe mir die Zeit genommen, das Tierschutzgesetz zu lesen. Vielleicht darf ich vorausschicken: Bei den Menschen sind wir weiter. Ich bin froh, dass wir bei diversen Schwimmwettbewerben und Laufwettbewerben, bei denen ich mit­mache, eine Kinderklasse, eine Jugendklasse, eine allgemeine Klasse und eine Altersklasse haben. Im Laufstall haben wir das nicht. Da haben wir die Hierarchie, da haben wir alles beisammen in einer Gruppe – und dann fragt euch einmal, wie es der Altersklasse mit der Jugendklasse dort geht! Darüber redet aber niemand hier.

Ich bin dagegen, dass man aus wirtschaftlichen Überlegungen eine Gruppe von Bauern denunziert, die noch eine traditionelle Haltungsform haben, die ganz besonders bei uns in Österreich in den Bergbauerngebieten, in den kleinen Betrieben gepflogen wird. Ich komme ganz zum Schluss noch zu einer Geschichte, die zeigt, wie stark die Bindung der Familie zu den Tieren ist. Die Leute haben keine Hauskatzen oder Stubenkatzen, die haben mit den Tieren im Stall eine sehr enge Verbindung. Und wir müssen auch zwischen Nutztieren und Haustieren unterscheiden. Ich glaube, da haben wir einen großen Handlungsbedarf.

Im § 13 Tierschutzgesetz sind die Grundsätze der Tierhaltung verankert. Im Absatz 3 heißt es: „Tiere sind so zu halten, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört werden und ihre Anpassungsfähigkeit nicht überfordert wird.“ – Unsere älteste Kuh ist 17 Jahre alt geworden. Im Laufstall hätte die Probleme mit der Hierarchie gehabt. (Der Redner stellt eine Tafel vor sich auf das Rednerpult, die einen Tier­transporter zeigt.)

Wenn man immer sagt, wir haben ja so goldene Voraussetzungen, dann müssen wir darüber reden, was das heißt. Wir wissen es beim Geflügel: Wir haben längst keine


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Ernährungssouveränität mehr. Wir verschärfen bei uns die Haltungsbedingungen, und die Importe aus China und aus dem osteuropäischen Raum steigen massivst an. Die Brathendln, die wir heute beim Musikfest und beim Feuerwehrfest essen (Abg. Pirklhuber: Brasilien!) – danke!, Brasilien und Argentinien bei den Rindern –, haben mit Österreich nur so viel zu tun, dass sie in Österreich gegessen werden, Kolleginnen und Kollegen! Da geht Wertschöpfung verloren, da geht Tierschutz verloren, und da geht auch gepflegte Kulturlandschaft verloren.

Wenn ich auf das Bild hier verweisen darf: Wenn das die Qualitätsproduktion ist, wenn aus ausländischen Rindern mit Falschkennzeichnung vielleicht österreichische Pro­dukte erzeugt werden, dann muss ich sagen: Das sind die Zustände, die wir verursachen. (Der Redner stellt eine weitere Tafel vor sich auf das Rednerpult, auf dem ein Foto einer brasilianischen Rinderfarm zu sehen ist.)

Dasselbe Problem haben wir natürlich bei den – danke, Kollege Pirklhuber! – bra­silianischen Haltungsformen. Diese Träumer, die da immer von den großen grünen Weiden und von den glücklichen Rindern dort reden, die werden ein Riesenproblem kriegen, wenn sie das ihren Gästen im Speisesaal und auf der Terrasse suggerieren. Wenn sie rausschauen, sehen sie die österreichischen grünen Wiesen mit den glücklichen Rindern – und auf dem Teller haben sie das Steak, das von Tieren aus einer Massentierhaltung stammt, die mit gentechnisch erzeugten Hormonen behandelt wurden. Kolleginnen und Kollegen, das wollen wir nicht erzeugen! (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Pirklhuber.)

Ich habe vielleicht noch ergänzend dazu eine fachliche Zahl. Es ist eine ältere Statistik, nicht die neueste, die neuen Zahlen sind noch schlimmer. Es geht um das durch­schnittliche Laktationsalter von Kühen in Deutschland, das ist das Lebensalter plus zwei Jahre dazu, das sind die Abkalbezeiten. Wir liegen bei den registrierten Kühen in Deutschland bei 2,03 Kälbern bei den deutschen Holstein-Rindern, bei 2,17 bei den Schwarzbunten, bei 2,21 beim Fleckvieh und bei 2,61 beim Braunvieh. Kolleginnen und Kollegen, das sind die Fakten!

Dann schauen wir uns die Daten der Zuchtverbände an: Da gibt es zum Teil in diesen alten, verpönten Anbindeställen Kühe mit 13, 14, 15 Laktationen – damit wir wissen, was die Praxis aussagt –; also so verkehrt kann es nicht sein.

Ich habe noch ein kleines Beispiel für die ganz glücklichen Tiere. Wir alle wollen einen guten Salat. Ich habe jetzt selbst von der Jägerei auf die Gärtnerei umgestellt. Wenn man nicht Zeit hat, in der Früh ein händisches Schneckenprogramm zu machen, dann kann man sie mit Schneckenkorn füttern. (Der Redner hält eine Packung Schnecken­korn in die Höhe.) Da gibt es hochintelligentes Schneckenkorn, das sogar den Igel, den Hund und die Katze schont. Es sollte eigentlich auch für den Menschen unbedenklich sein, aber ich möchte Gemüse, das frei von Chemie ist. Da müssen wir uns überlegen, was wir mit den Schnecken machen – ist auch ein Tier, aber ohne Stimme. Das ist ja das Gleiche wie das, was man jetzt beim Fischotter sieht: Alle wollten den Fischotter aussetzen, alle haben ein Fischotter-Förderungsprogramm gefordert – und jetzt muss sogar Volksanwalt Kräuter als Vertreter der Fischer die Seiten wechseln, weil ein Fischotter pro Tag rund 1,5 Kilogramm Fisch braucht. Der macht sich eine Gaudi, und wenn er gut aufgelegt ist, tötet er die zehnfache Menge, weil er ein Lustmörder ist.

Wir können aber gleich einen Schritt weitergehen, und da sind wir bei der Katzen­kastration. Überall, wo der Mensch in den Naturkreislauf eingreift, erzeugt er ein Prob­lem. Wir halten unsere Katzen daheim auf dem Bauernhof nicht, weil uns fad ist oder weil wir Milch aus Gaudi verfüttern wollen, sondern die halten uns das Betriebsgelände frei von Ratten und Mäusen. (Beifall beim Team Stronach sowie der Abgeordneten Pirklhuber und Doppler.)


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So, jetzt fangen wir an, die Katzen zu kastrieren, wunderbar – ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn es Tierärzte gibt, die sich nicht mehr mit Großtieren beschäftigen wollen, sondern nur mehr mit Kleintieren –; dann müssen wir aber als zweiten Schritt die Ratten und Mäuse kastrieren, oder wir bekommen folgendes Problem: Wir müssen die Ratten und Mäuse mit Gift behandeln (eine Packung Rattengift in die Höhe haltend), die dann von den kastrierten Katzen gefressen werden, was dazu führt, dass ihnen das Strychnin die Lunge lähmt, das heißt, es geht mit ihnen Richtung Himmelfahrt. Das sind die Probleme, mit denen wir uns beschäftigen müssen.

Wir müssen das viel breiter sehen, genauso wie eingangs das Beispiel mit den Schwalben im Kuhstall. Wir brauchen kein BirdLife, sondern wir brauchen Ställe. Jeden Tag sperren zehn Bauern zu, und das sind zehn Brutstätten für Schwalben weniger. Das ist das Entscheidende. Oder der Sperling: Der Sperling ist ein ganz wertvoller Fliegenbekämpfer bei uns, der rennt in der Früh auf der warmen Melkleitung herum und pickt sich die Fliegen herunter. Wir haben im Vorjahr kein einziges chemisches Fliegenbekämpfungsmittel einsetzen müssen, weil die Schwalben und die Sperlinge diese Arbeit erledigt haben. Das kann ich Ihnen aus der Praxis sagen.

Abschließen möchte ich mit diesem Bild. (Der Redner stellt eine Kinderzeichnung vor sich auf das Rednerpult, auf der, versehen mit Begleittext, die Kuh Litauen dargestellt ist.) Da geht es jetzt um die persönliche Tierbetreuung und um die vorhin schon angesprochene Bindung zu den Tieren. Das ist ein Bild von meinem Enkel Alois, das er vor zwei Jahren gezeichnet hat. Jetzt ist er neun, heute hätte er keine Rechts­chreibfehler mehr im Text gemacht. Er hat damals „Khu“ statt „Kuh“ geschrieben, dafür hat er „Ohrmarke“ ohne H geschrieben. Das ist die Litauen, das war seine Lieb­lingskuh, sie ist wegen eines Beckenbruchs verendet. Er hat zu der Zeichnung dazugeschrieben – und das hat uns alle sehr berührt –: „Meine Khu Litauen. Sie war meine Lieblingskhu und meine brafste Khu. Sie war so eine schöne Khu. Ihre Ormarke wa 0040. Sie hat 8 Kälber bkomen. Sie war 10 Jahre bei ihrem Tot. Bei ihrem Tot habe ich ser geweint.“ – Denken wir das einmal von der praktischen Seite an! – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

14.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.54.00

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist so, wie es bereits ausgeführt wurde: Tierschutzdebatten oder -diskussionen wecken sehr schnell Emotionen, die sehr oft, und das bedaure ich, zur Hetze werden. Ich bedaure dies, zumal gerade in der bäuerlichen Welt der Tierschutz bei der Nutztierhaltung einen sehr hohen und nicht nur einen wirtschaftlichen Stellenwert hat. Außerdem hilft das gegenseitige Beschuldigen niemandem.

Ich bedanke mich auch bei Kollegen Keck und bei Kollegen Eßl und vor allem auch bei den Fachstellen, bei den Experten, mit denen es ja konstruktive Gespräche gab, und ich behaupte, dass diese Novelle, diese Änderungen im Tierschutzgesetz eine ver­nünftige Balance zwischen Tier- und Menschenschutz darstellen. In einem gebe ich Kollegen Steinbichler nämlich recht: dass sehr oft von der Theorie ausgehend beurteilt wird, wie in der Praxis zu handeln wäre, und bedauerlicherweise sehr oft von jenen die Direktiven ausgehen, die noch nie eine Kuh im Stall, noch nie ein Tier betreut haben. (Beifall bei ÖVP und Team Stronach sowie des Abg. Doppler.)

Meine Damen und Herren! Was nützen den Tierhaltern Regelungen, die sie dann nicht umsetzen können? Welche Auswirkungen hat es für die Gesellschaft, vor allem auch


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für kleine bäuerliche Betriebe in den Bergregionen, wenn sie ihren Hof aufgeben müssen, weil sie keinen neuen Laufstall bauen können?

Apropos Laufstall: Dieser ist noch lange keine Garantie fürs Tierwohl. Ich habe mir einen Laufstall mit 200 Kühen angesehen, mit EU-Mitteln gefördert – Gott sei Dank nicht in Österreich, denn sonst hätte ich diesen Bauern auf der Stelle angezeigt. Eine derartige quälerische Tierhaltung, weil die Klauenpflege nicht gemacht wurde, habe ich noch nie gesehen. Da lobe ich mir einen alten Anbindestall, wenn der Tierhalter die Betreuung der Tiere ordnungsgemäß macht. (Beifall bei ÖVP und Team Stronach sowie des Abg. Doppler.)

Ich achte wirklich das Engagement für den Tierschutz, aber vor Übertreibungen warne ich. Wenn nur der Tierschutz gesehen wird und die betreuende Person, der Tierhalter nichts mehr zählt, dann sage ich ganz klar: So nicht! Und wenn ein gewisser Herr Balluch in einer Presseaussendung höhnisch fragte, ob sich denn die Bauern vor den Rindern fürchten würden, dann sage ich: Nein, wir Bauern fürchten uns nicht, aber Gefahren gibt es bei der Tierhaltung.

Ich darf darauf hinweisen, dass es in den letzten Jahren im Schnitt über 500 zum Teil durchaus dramatische Unfälle gegeben hat und in jedem Jahr zwei Todesfälle. Derartige Arbeitsunfälle sind nicht gerade lustig, denn eine Kuh mit 600 Kilo erdrückt relativ schnell einen Menschen, das sollte man auch einmal sagen.

Meine Damen und Herren! Ich zeige Ihnen hier ein Bild von zwei netten Kindern. Das sind nicht meine Enkel, das sind keine Verwandten von mir; aber diese beiden Kinder weinen um ihre Mutter, eine Bäuerin, die mit 33 Jahren von einer Kuh erdrückt wurde. Wenn man dann fragt, ob sich denn die Bauern vor den Tieren fürchten, dann weise ich das auf das Schärfste zurück. (Beifall bei ÖVP und Team Stronach sowie des Abg. Doppler.)

Ich lese ja auch ganz begeistert in einer Zeitung, dass es wiederum gelungen sei, einen Stier von der Anbindehaltung zu befreien. – Na gratuliere! Meine Damen und Herren, fragen Sie einmal einen Kollegen – und da könnte man durchaus auch Kolle­gen Steinbichler fragen, der lange Zeit Tiertransporte durchgeführt hat –, wie einfach es ist, aus einer Maststallbox eine Lkw-Fuhre Tiere zu verladen und zum Schlachthaus zu verbringen. Ich würde gerne einen dieser sogenannten Experten einladen, einmal eine Woche lang derartige Transporte durchzuführen und mit Tieren umzugehen – und dann schaue ich mir an, ob auch in Zukunft noch so gescheite Meldungen geäußert werden. (Beifall bei ÖVP und Team Stronach sowie des Abg. Doppler.)

2016 wurden in Österreich 631 000 Rinder geschlachtet, damit der Sonntagsbraten, der Rinderbraten für die Gäste, aber auch für die Österreicherinnen und Österreicher gesichert ist – und das ist 631 000 Mal eine unter Umständen gefährliche Situation. Übrigens wurden auch 5,4 Millionen Schweine geschlachtet, denn der Schweinsbraten darf ja auch nicht fehlen.

Dann gibt es noch die Haftungsfrage: Ich glaube, es ist von Kollegen Pirklhuber angesprochen worden, dass in Tirol eine Haftungsfrage zu klären ist, weil eine Urlau­berin bedauerlicherweise zu Tode gekommen ist, weil eine Mutterkuh aus Instinkt ihr Kalb geschützt hat und diese Urlauberin mit ihrem Hund und ihrem Ehegatten bedau­erlicherweise unvorsichtig die Alm gequert hat. Nun sieht sich dieser Bauer mit einer Schadenersatzforderung in Höhe von 359 905 € konfrontiert. Wie in dieser Haftungs­frage letztlich entschieden wird, weiß man noch nicht.

Meine Damen und Herren! Ich möchte ausdrücklich festhalten: Romantik und Idealis­mus alleine sind zu wenig. Mit diesem Tierschutzgesetz ist ungeheuer viel an Ver­besserung gelungen, aber Tierschutz wäre dann am besten möglich, wenn auch das


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Produkt beim Bauern/bei der Bäuerin selbst etwas kostet. (Abg. Pirklhuber: Da sind wir dabei!)

Ich habe hier eine kleine Münze, eine ganz kleine Münze (diese in die Höhe haltend): 20 Cent. Um eine solche 20-Cent-Münze müsste jeder Bauer/jede Bäuerin für den in hervorragender Qualität produzierten Liter Milch mehr bekommen (Abg. Pirklhuber: Das ist eine Forderung der IG-Milch!) – dann könnten sich alle, meine Damen und Herren, jenen Tierschutz bestellen, den sie sich wünschen.

Insgesamt behaupte ich: Die kleinen bäuerlichen Familien müssen auch noch leben! Von der Werbung allein, die immer unter Hinweis auf die kleinen bäuerlichen Betriebe und auf das Alpenland Österreich gemacht wird, können sie es nicht. Sie brauchen auch entsprechende Produktpreise. Es wird nicht möglich sein, dass man uns erklärt, mit bis zu 20 Kühen sei man nicht lebensfähig und mit 40 Kühen sei man ein Groß­betrieb. Das wird nicht funktionieren.

Wir brauchen vernünftige Rahmenbedingungen! Mit diesem Tierschutzgesetz ist es letztlich gelungen, diese sicherzustellen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich bedanke mich für die zeitliche Punktlandung.

Damit kann ich jetzt die Verhandlung über die Punkte 12 bis 14 der Tagesordnung unterbrechen, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.01.41Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Finanzen betreffend „Stopp der heimlichen Steuererhö­hung – Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger jetzt!“ (12600/J)

 


Präsidentin Doris Bures (den Vorsitz übernehmend): Wir gelangen nun zur dring­lichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 12600/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Die kalte Progression bezeichnet eine versteckte jährliche Steuererhöhung. Sie ent­steht, weil die Einkommen zwar Jahr für Jahr steigen, die Steuerstufen aber nicht an die Inflation angepasst werden. Somit erhöhen sich der Durchschnittssteuersatz und die Steuerschuld stärker als die Inflation. D.h. die kalte Progression betrifft also alle Lohnsteuerpflichtigen und, entgegen der gängige Auffassung, nicht nur jene, die aufgrund der Inflationsabgeltung in die nächst höhere Steuerstufe rutschen. Wenn der Bruttolohn steigt, steigt auch der Durchschnittssteuersatz – jener Anteil des Ein­kom­mens, der an den Finanzminister geht, nimmt also zu.

In Österreich sind die einkommensbezogenen Abgaben in Steuern und Sozial­versicherung (SV) zu unterteilen. Entscheidend ist dabei, dass bei der Berechnung des versteuerbaren Einkommens die Beiträge zur Sozialversicherung (SV) vom Bruttolohn abgezogen werden. Dabei werden Aufwertungsfaktoren angepasst (geregelt im Allge-


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meinen Sozialversicherungsgesetz § 108). Die Freibetragsgrenze, Absetzbeträge und Steuertarifeckwerte im Steuersystem werden jedoch nicht angepasst.

Die kalte Progression entsteht sobald das zu versteuernde Einkommen einer Person an die Inflation angepasst wird und in der Folge zumindest den ersten Grenzsteuersatz von 25 Prozent überschreitet.

Illegitime Steuerbelastungsverteilung

Durch die kalte Progression verändert sich nicht nur die Steuerbelastung, sondern auch deren Verteilung. Das kann zu einer einkommensbezogenen Steuerverteilung führen, die in dieser Form niemals vom Gesetzgeber legitimiert wurde. Wissenschaftler des Münchner ifo Institutes fassen dies in einem Papier so zusammen: "Durch das Hineinrutschen in höhere Grenzsteuersätze kommt es zu einer Stauchung der gesell­schaftlichen Steuerlastverteilung und somit zu einer Abweichung von den ursprünglich vom Gesetzgeber intendierten Verteilungswirkungen des Steuersystems. Diese Ände­rungen der Steuerlastverteilung sind zudem nicht explizit demokratisch legiti­miert."(Quelle: Fuest, Clemens, Björn Kauder, Luisa Lorenz, Martin Mosler, Niklas Potrafke und Florian Dorn, Heimliche Steuererhöhungen – Belastungswirkungen der Kalten Progression und Entlastungswirkungen eines Einkommensteuertarifs auf Rädern, ifo Forschungsberichte 76, ifo Institut, 2016) Forscher des selbigen Instituts ziehen in einem aktuellen Papier zur kalten Progression folgende Schlussfolgerung: "Das Phänomen der (...) Kalten Progression jedoch muss als »Irrtum« des Steuer­systems aufgefasst werden. Die Kalte Progression schwächt die Verteilungswirkungen des Steuersystems und führt zu einer Ausweitung der Steuerquote, die sich der demokratischen Kontrolle entzieht. Es ist deshalb wünschenswert, die Kalte Progression zu beseitigen." (Quelle: Dorn, Florian; Clemens Fuest; Björn Kauder; Luisa Lorenz; Martin Mosler und Niklas Potrafke, "Steuererhöhungen durch die Hintertür – fiskalische Aufkommenswirkungen der Kalten Progression", ifo Schnelldienst 70 (02), 2017, 51-58)

Bei der Verteilung der Last geht es aber nicht nur um die Verteilung zwischen den verschiedenen Einkommensklassen, sondern um die Aufteilung von erwirtschafteten Erträgen zwischen privat und öffentlich. Die zusätzlichen Mittel, welche an die öffentliche Hand gehen, sind auch aus ökonomischer Sicht problematisch – vor allem vor dem Hintergrund der zweithöchsten Abgabenbelastung auf den Faktor Arbeit in ganz Europa. Es mangelt dem mit der kalten Progression verbundenen Anstieg der Steuerquote an Rechtfertigung. Auch aus ökonomischer Sicht ist es nicht schlüssig, warum eine schleichende Steuererhöhung im Sinne der Bürger_innen wäre, ohne dass der Gesetzgeber darlegt, dass die Nachfrage nach öffentlichen Gütern schneller steigt als die Nachfrage nach privaten Gütern – nur eine solche Nachfrageverschiebung würde eine Erhöhung der Steuerbelastung rechtfertigen.

D.h. eine Diskussion über eine Belastungsverteilung steht dem Gesetzgeber in jeder Form zu, diese sollte aber unabhängig von einer illegitimen, automatisierten Zusatz­belastung stattfinden. Fakt ist jedenfalls: Durch die kalte Progression kommt es zu einer Steuererhöhung, welche nicht vom Parlament beschlossen werden muss und welche somit nur selten das Ergebnis einer öffentlichen politischen Debatte ist. Diese Debatte ist aber dringend zu führen.

Mögliche negative Lenkungseffekte

Durch die immer größer werdende Steuerbelastung sinkt auch der Arbeitsanreiz, vor allem in den unteren Einkommensklassen. Denn nur wenn der Unterschied zwischen dem arbeitsfreien Einkommen und dem Nettoeinkommen groß genug ist, wird der Anreiz zu arbeiten groß genug sein. Mit derselben Argumentation rechtfertigt Kanzler Kern auch seine Forderung nach einer Erhöhung des Mindestlohns. Konkret ist in


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dessen "Plan A" zu lesen: "Mit einem Mindestlohn von 1.500 Euro wird auch gleich der Abstand zu arbeitsfreiem Einkommen größer. (...) Weil uns Arbeit das wert sein muss und weil sich Arbeit lohnen muss." Auch die Sozialdemokratie erkennt also an, dass sich der Unterschied zwischen arbeitsfreiem Einkommen und Arbeitseinkommen vergrößern soll und nicht verkleinern, wie es durch die kalte Progression passieren kann.

Das ist aber nicht nur bei unteren Einkommen entscheidend. Bei größer werdender Steuerbelastung auf den Faktor Arbeit sinkt der Arbeitsanreiz auch bei höheren Steuerklassen. Diese Erkenntnis ist auch dem BMF bekannt. Dieses bewarb die Steuerreform auch wegen der Arbeitsanreize, wie im Budgetbericht von 2016 zu lesen ist: "... die erhöhten Arbeitsanreize durch Senkung der Steuerbelastung heben auch nachhaltig Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit an. Diese Effekte haben auch die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Gutachten bestätigt."

Aussagen von Regierungsmitgliedern und Koalitionsparteien

Dass die kalte Progression ungerecht ist, sagen auch die Finanzminister und Mitglieder der Kanzlerpartei – schon seit Jahren:

„Die kalte Progression ist ungerecht“ und „Nach jetzigem Plan könnte es 2016 soweit sein“, sagte der wahlkämpfende damalige Vizekanzler und ÖVP-Chef Michael Spindel­egger am 23.8.2013 in den Vorarlberger Nachrichten.

"Wenn die absolute Mehrheit mir die Möglichkeit gäbe, das alleine zu entscheiden, würde ich den 1.1.2015 anpeilen." BK Faymann 6.5.2014 (zu Steuerentlastung, aber auch KP)

Diese "schleichende Steuererhöhung", wie Schelling die kalte Progression bezeich­nete, soll ab 2017 der Vergangenheit angehören – bekamen wir am 20.7 2015 vom Finanzminister zu hören. 400 Millionen Euro Entlastung soll die automatische Anpas­sung der Tarifstufen bringen – pro Jahr. "Das ist die Untergrenze, der Umfang kann je nach Modell und durch kumulierte Effekte auch höher sein.“ BM Schelling 20.7.2015

"Wir sind jederzeit zu konstruktiven Gesprächen mit der ÖVP bereit, um hier Nägel mit Köpfen zu machen", reagierte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid. Einen Automatismus sollte es nur für den Fall geben, dass keine politische Einigung erreicht werden kann. Dann sollte eine vorher gesetzlich festgesetzte Lösung in Kraft treten. 20.7.2015

„Meine Wunschvorstellung wäre, dass die kalte Progression ab 2018 abgeschafft ist. Man muss das wie bei der Steuerreform machen: klare Ziele, klare Terminvorgaben – dann wird geliefert.“ Das hörten wir von BM Schelling am 22.6.2016.

Am 22.1.2017 schlug BM Schelling vor, alle Tarifstufen der Lohnsteuer von 11.000 Euro beginnend bis ganz hinauf zu 90.000 Euro um die Inflationsrate anzupassen, sobald diese sich um fünf Prozent erhöht hat. „Das dauert im Regelfall drei Jahre, und durch die Erhöhung des Tarifsatzes um fünf Prozent wird die kalte Progression abgefedert“, erklärte BM Schelling weiter.

Aktueller Stand: Vorschläge der Regierung

Noch im Juli 2015 hoffte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) auf eine Einigung mit dem Koalitionspartner 2016 und auf ein Inkrafttreten 2017. Im Oktober 2015 sprach er bereits von einer Abschaffung der kalten Progression „2017 oder 2018“, weil die Steuerreform bis dahin wirke. Im Oktober 2016 hieß es „2018 oder 2019“.

Der jetzige Vorschlag, der aus dem Arbeitsprogramm ersichtlich ist, sieht folgenden Vorschlag vor: Startend mit 2019 werden "ab 5% aufgelaufener Inflation (...) die ersten


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beiden Tarifstufen von 11.000 Euro und 18.000 Euro automatisch indexiert. Damit werden rund 80% der kalten Progression automatisch ausgeglichen und alle Steuer­zahlerInnen automatisch entlastet." Dazu ist zu sagen, dass eine aufgelaufene Inflation von 5% beginnend mit 2019 wohl erst im Jahr 2021 erreicht werden wird. Des Weiteren soll die Politik über breitere Entlastungsmaßnahmen auf Basis eines Progressions­berichts entscheiden. Der Progressionsbericht wird vom BMF veröffentlicht – ebenfalls ab 5% aufgelaufener Inflation – und ermittelt insbesondere das steuerliche Mehr­aufkommen aus der kalten Progression sowie die Wirkung der kalten Progression im Verlauf des Einkommenssteuertarifs, samt Beispielen zu den Auswirkungen der kalten Progression auf die unterschiedlichen Einkommensgruppen, unter Berücksichtigung des jeweiligen Warenkorbes.

Hinzu kommt, dass aus den Meldungen von BM Schelling hervorgeht, dass das Finanz­ministerium mit 400 Mio Euro pro Jahr an kalter Progression rechnete, die eigentlichen Kosten dürften für das Jahr 2017 sogar niedriger sein, da die Inflation für das Jahr 2016 unter den Erwartungen blieb – 0,9% waren es letztlich, man rechnete aber mit knapp unter 2%. Das wiederum bedeutet, dass die Abgeltung wesentlich billiger gewesen wäre, als zunächst angenommen. Trotz der vielen Ankündigungen und trotz bester Voraussetzungen konnte sich die Regierungskoalition bisher auf keine Lösung einigen. Dem zufolge stellt sich die Frage, inwieweit die Bundesregierung sowie auch die Landeshauptleute, die von den Mehreinnahmen profitieren, bereits mit den zusätzlichen Mitteln rechnen und diesen Zustand auf Kosten der Steuer­zahler_innen bewusst verlängern wollen.

Aus der Anfragebeantwortung mit der Geschäftszahl 10934/AB ist ersichtlich, dass BM Schelling vorschlägt, als Grundlage den Verbraucherpreis-Index zu verwenden. "Dass dies nicht nur einfach, sondern auch sachgerecht ist, zeigen zahlreiche internationale Vorbilder", so BM Schelling in seiner Beantwortung. Aus der Anfragebeantwortung geht weiter hervor, dass eine Abgeltung bei der 5% Marke etwa 1,1 Mrd  kosten würde. Damit ist aber klar, dass die geschätzten 800 Mio Euro, welche die Steuerzahler_innen bereits in den Jahren 2017 und 2018 zu viel gezahlt haben werden, niemals ausge­glichen werden soll.

Die Regierungsparteien zeigen sich in der Sache bis zuletzt uneinig. Eine komplette Abschaffung der kalten Progression scheint in weite Ferne zu rücken. Auch hinsichtlich einer teilweisen Entlastung von der schleichenden Steuererhöhung ab 2019 bzw. ab 2021 oder gar erst 2022 (nach Auflaufen der 5% Inflation) wird weiter gestritten. Aus der APA-Meldung von 18.3.2017 wird ersichtlich, dass der Bundesminister für Finan­zen plane, auch ohne die Zustimmung des Koalitionspartners per Erlass eine Entlas­tung für die oberen Steuertarife auf Basis des Progressionsberichtes festzulegen. Es stellt sich aber die Frage, wie dies geschehen soll, da der Progressionsbericht ja in die nächste Legislaturperiode fällt.

Entwicklung des Budgets

Im Budgetbericht von 2017 liest man: "Die Lohn- und Gehaltssumme wird 2017 etwas schwächer wachsen als 2016, daher ist mit einem leichten Rückgang der Dynamik der Lohnsteuerbasis und der Sozialversicherungsbeitragsgrundlagen zu rechnen." Gleich­zeitig steigt das Lohnsteueraufkommen aber um etwa 3,6% von 2016 auf 2017, wäh­rend im Budgetbericht auch erwähnt wird, dass die Steigerung sogar noch abgemildert ist. Genauer liest man  hier im Budgetbericht: "Der Anstieg gegenüber dem BVA 2016 (24,8 Mrd. €) ist noch durch die teilweise verzögerte Wirkung der Steuerreform 2015/16 abgemindert, da, aufgrund der Fälligkeit der Lohnsteuer, das Aufkommen im Jänner 2016 noch entsprechend der alten Rechtslage vereinnahmt wurde."


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Vergleich mit anderen Ländern

Wie so oft, könnten auch hier Schweden und die Schweiz als Vorbild dienen. Wie wird dort mit der kalten Progression umgegangen?

Schweiz: In der Schweiz passt man einen Gutteil der Tarife und sonstigen Steuer­ab­züge automatisch jährlich an die Preisentwicklung an. Absatz- und Freibeträge werden nicht angepasst, daher kann man zwar nicht von einer vollständigen Abgeltung sprechen, wenngleich diese Vorgangsweise zirka 90% der kalten Progression abgilt.

Schweden: In Schweden wird nicht nur die kalte Progression eliminiert, sondern auch die Steuerbelastung, gemessen am Gesamteinkommen, konstant gehalten – also auch bei Real-Einkommenssteigerungen wird das Gesamtsteueraufkommen aus dem Faktor Arbeit nicht erhöht (siehe unten).

Eine Abgeltung der kalten Progression ist weit verbreitet. Sie findet in vielen Ländern längst statt. Allein in Europa haben Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, UK, Niederlande, Schweden, Schweiz, Norwegen und Spanien Gesetze erlassen, welche die kalte Progression abgelten. Dadurch gibt es auch verschiedene Maßnahmen bzw. Modelle, die zur Anwendung kommen können.

Der Think-tank Agenda Austria beispielsweise nennt in seinem Papier zur kalten Progression fünf verschiedene Modelle der inflationären Anpassung:

Das Basismodell:

Es gibt keine Anpassung der Steuer

Es gibt eine Anpassung der SV-Grenzen mit Aufwertungszahl (in Österreich 2,17 p.a.)

Es gibt keine Periodizität

Anwendung: aktuell in Österreich

Das Richtwertmodell

Es gibt eine Anpassung der Steuer, wenn die kumulierte Inflation seit der letzten Anpassung größer als 5% ist (in Mexico sind es 10%, aber die Inflation ist generell höher, daher dauert eine Anpassung wiederum nicht so lange)

Es gibt eine Anpassung der SV-Grenzen mit Aufwertungszahl

Periodizität: unregelmäßig, je nach Höhe der Inflation

Anwendung: sinngemäß wie in Mexiko; in der Tendenz geht der Vorschlag der Regierung in diese Richtung (allerdings mit Diskriminierung höherer Steuerstufen)

Inflationsmodell:

Es gibt eine Anpassung der Steuer an die Inflation

Es gibt eine Anpassung der SV-Grenzen mit Aufwertungszahl

Periodizität: jährlich

Anwendung: sinngemäß wie in der Schweiz

Fixmodell:

Es gibt eine Anpassung der Steuer um einen fixen Prozentsatz pro Jahr

Es gibt eine Anpassung der SV-Grenzen mit Aufwertungszahl

Periodizität: jährlich

Anwendung: sinngemäß wie in Spanien


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Nominallohnmodell:

Es gibt eine Anpassung der Steuer um die Reallohnentwicklung über die Inflation hinaus

Es gibt eine Anpassung der SV-Grenzen mit Aufwertungszahl

Periodizität: jährlich

Anwendung: sinngemäß wie in Schweden

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen nachstehende

Dringliche Anfrage

Die Höhe der kalten Progression

1. Wie hoch sind die erwarteten, durch die kalte Progression entstehenden Mehrein­nahmen des Bundes in den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020, 2021?

2. Wie hoch ist der Anteil der Steigerungen der Einnahmen durch einkommens­bezogene Steuern, welcher nicht auf die kalte Progression zurückzuführen ist in den Jahren 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018? (inflations­bereinigt)

3. Wie hoch werden die kumulierten Mehreinnahmen für das Budget geschätzt, welche durch die kalte Progression entstanden sein werden, wenn die Regierung die kalte Pro­gres­sion – gemäß den Vorgaben des Arbeitsprogramms – erst ab 2019 und nach einer aufgelaufenen Inflation von 5% abgilt?

4. Wie hoch waren die kumulierten Mehreinnahmen durch die kalte Progression zwischen 2009 und 2016? (Basisjahr 2009)

5. Wie hoch wird die Belastung der Steuerzahler_innen durch die kalte Progression geschätzt, die ab 2016 bis 2021 nicht abgegolten wird?

6. Wie hoch werden die Einnahmen durch die kalte Progression geschätzt, welche zwischen der ersten Abgeltung nach 2019 und der nächsten Abgeltung entstehen?

7. In welchem Ausmaß steigen die Einnahmen der Bundesländer durch die Mehr­einnahmen durch die kalte Progression – in den Jahren 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018?

8. In welchem Ausmaß steigen die Einnahmen der Gemeinden durch die Mehrein­nahmen durch die kalte Progression?

9. Warum steigt das Lohnsteueraufkommen von 2016 auf 2017, obwohl im Budgetbericht festgehalten wird: "Die Lohn- und Gehaltssumme wird 2017 etwas schwächer wachsen als 2016, daher ist mit einem leichten Rückgang der Dynamik der Lohnsteuerbasis (zu rechnen).“? Steht die Erwartung eines steigenden Lohnsteuer­aufkommens mit der kalten Progression in Zusammenhang?

10. Wie hoch werden die Kosten geschätzt, welche durch die verringerten Arbeits­anreize entstehen, welche sich in den Jahren 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018 durch die kalte Progression ergeben?

Prozess/Legitimierung der kalten Progression

11. Können Sie bestätigen, dass eine Abgeltung der kalten Progression erst nach einer aufgelaufenen Inflation von 5% ab dem Jahr 2019 und nur für die unteren beiden Steuertarife fix verankert werden soll?


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12. Wie sieht der aktuelle Verhandlungsstand zur Abgeltung der kalten Progression aus?

13. Bis wann erwarten Sie eine Einigung der Regierungsparteien?

14. Mit welchen Interessensvertretungen waren Sie im Austausch und welche Positionen vertreten diese in Bezug auf die kalte Progression?

15. Wie wird eine Verteilung hin zur öffentlichen Hand, ohne entsprechende Legitimie­rung ökonomischer (z.B. größere Nachfrage nach öffentlichen Gütern als nach privaten) oder rechtlicher/legislativer Natur (Beschluss durch Gesetzgeber) gerecht­fertigt?

16. Wie beurteilen Sie die Möglichkeit, eventuelle Steuerstruktur-Reformen über alter­native, legitimierte Formen der Einnahmen, abseits der kalten Progression, zu finanzieren?

a. Durch eine ausgabenseitige Konsolidierung? (inklusive Vorschläge)

b. Durch Mehreinnahmen der einkommensbezogenen Steuern, welche über die kalte Progression hinausgehen?

c. Durch eine Inflationsindexierung in speziellen Verbrauchssteuern, die auf eine Einheit des Verbrauches von bestimmten Gütern (z. B. Mineralöl, Alkohol) bezogen sind? (inklusive Vorschläge)

Andere Modelle

17. Wie beurteilen Sie das Schweizer Modell aus budgetrelevanter Sicht?

a. Wie hoch wäre die Differenz der einkommensbezogenen Budgeteinnahmen in den Jahren 2018, 2019, 2020 und 2021, wenn man dieses Modell mit 1.1.2018 einführen würde?

18. Wie beurteilen Sie das Schwedische Modell aus budgetrelevanter Sicht?

a. Wie hoch wäre die Differenz der einkommensbezogenen Budgeteinnahmen in den Jahren 2018, 2019, 2020 und 2021, wenn man dieses Modell mit 1.1.2018 einführen würde?

19. Welche Erfahrungen können aus anderen Modellen gewonnen werden?

20. Wie bewerten Sie das Richtwertmodell – das das Steuersystem erst nach einem erreichten Wert der Inflation anpasst – im Vergleich zu anderen Modellen?

21. Wie bewerten Sie das Inflationsmodell – wie es oben beschrieben wird – im Ver­gleich zu anderen Modellen?

22. Wie bewerten Sie das Fixmodell – wie es oben beschrieben wird – im Vergleich zu anderen Modellen?

23. Wie bewerten Sie das Nominallohnmodell – wie es oben beschrieben wird – im Vergleich zu anderen Modellen?

Zum Progressionsbericht

24. Welchen Einfluss hat die Aufwertung der Sozialversicherung mit der Aufwer­tungszahl (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz § 108) auf die Ermittlung der abzugeltenden oberen Tarife auf Basis des Progressionsberichts?

25. Wie erfolgt die Erstellung des sogenannten Progressionsberichts?

26. Welche Expert_innen werden für den Progressionsbericht herangezogen?


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27. Anhand welcher Parameter planen Sie die Abgeltung der kalten Progression auf Basis des Progressionsberichts?

28. Zur Ankündigung, per Erlass auch ohne die Zustimmung des Koalitionspartners eine Entlastung für die oberen Steuertarife auf Basis des Progressionsberichtes festzulegen: Wie soll hier vorgegangen werden, auch vor dem Hintergrund, dass die erstmalige Abgeltung sowie der Progressionsbericht nicht mehr in diese Legislatur­periode fallen?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gem. §93 Abs. 2 GOG verlangt.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Ich begrüße Herrn Bundesminister Schelling in unseren Reihen und erteile Herrn Klubobmann Mag. Dr. Strolz zur Begründung der Anfrage das Wort. Ihre Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte, Herr Klubobmann. (Abg. Matznetter: Hat der Vavrik das auch unterschrieben? – Ruf: Nein, das war der Alm!)

 


15.02.16

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Nachbarn und der steigt unbemerkt und immer wieder heimlich durchs Fenster und lässt Dinge mitgehen (Bundesminister Schelling: Das ist eine strafbare Handlung!): heute ein Bügeleisen (Bundesminister Schelling: Das ist eine strafbare Handlung!), morgen ein Flat-TV-Gerät (Abg. Jarolim: Übermorgen den Vavrik! – Heiterkeit), übermorgen den Toaster. Stellen Sie sich vor, Sie stellen dann diesen Nachbarn und sagen: He! Du entwendest, ohne mich zu fragen, laufend Dinge aus meinem Haushalt! – Wäre das in Ordnung? (Abg. Fekter: Die sind ja von uns gekommen, Herr Strolz!)

Ich glaube, jeder in diesem Land würde sagen ... (Abg. Lopatka: Das war ja eine Leihgabe!) – Ich bitte, die Zurufe einzudämmen. Ich kann gerne warten, bis im Saal wieder Ruhe ist. Auch der Herr Lopatka wird sich einkriegen. (Der Redner lässt einige Sekunden verstreichen. – Abg. Lopatka: Jetzt ist es relativ ruhig!)

Es ist ein ernstes Phänomen. Sehr geehrte Damen und Herren, Sie müssen sich vorstellen, das, was die Regierung hier macht – und das ist so ein ähnliches Phä­nomen wie jenes, das ich eben geschildert habe –, diese schleichende Steuer­erhöhung – es ist eine schleichende Steuererhöhung, der Finanzminister selbst hat es so genannt –, ist das kalte Inkassobüro der SPÖ/ÖVP-Regierung. Sie werden nicht gefragt, meine Damen und Herren, Sie werden jährlich um mehr Geld ausgesackelt als im Jahr davor.

Diese kalte Progression ist natürlich nicht okay. Sie kostet eine große Stange Geld. Wenn man es auf einen Haushalt herunterbricht: Eine Familie, die 4 200 € brutto monatlich verdient, wird in den nächsten vier Jahren 2 300 € einbüßen. Das heißt, zu all den Steuern, die diese Menschen zahlen – wir haben bereits die zweithöchste Steuer- und Abgabenbelastung in Europa auf den Faktor Arbeit –, zusätzlich zu diesen Belastungen, die sie als Teil der Bevölkerung zu tragen haben, nimmt ihnen die Bundesregierung in den nächsten vier Jahren heimlich, still und leise noch 2 300 € aus der Tasche. Das ist viel Geld, das den Menschen fehlt! Die Menschen merken ja, dass ihnen das Geld zum Leben fehlt!

4 Prozent Inflationssteigerung gab es allein im Bereich Wohnen! In Richtung SPÖ ein Appell an das soziale Gewissen: Heute kann sich ein junges Paar, auch wenn es sich um Doppelverdiener handelt, eine gute Wohnung oft nicht mehr leisten. Der Traum


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vom Eigenheim geht sich nicht aus! – Sie grinsen dazu nur und sackeln die Leute noch zusätzlich aus, in einem Ausmaß von 2 300 € in den nächsten vier Jahren.

Wenn ich, Herr Matznetter, auf einen Pensionisten, auf eine Pensionistin schaue: 1 200 € Pension! Das ist nicht fürstlich. Vielleicht können Sie sich das nicht vorstellen, aber viele Menschen in Österreich müssen von so einem Betrag leben. Die werden in den nächsten vier Jahren durch Ihre schleichende Steuererhöhung, durch die kalte Progression um weitere 700 € ausgesackelt!

Da stellen sich dann Fragen wie: Geht sich eine Reparatur des Autos aus oder geht sich das nicht aus? (Abg. Matznetter: Bei 1 300 sicher nicht, Herr Kollege!) – Das sind ganz reale Fragen, die die Menschen sich stellen müssen, weil wir natürlich in vielen Branchen stagnierende Reallöhne, die Arbeiter sogar sinkende Reallöhne haben – in manchen Branchen haben wir noch steigende.

Aber wir haben natürlich viele Probleme, Herr Finanzminister – Sie wissen es selbst –, und deswegen fordere ich natürlich, dass die schleichende Steuererhöhung sofort beendet wird. Ich werde Ihnen jetzt das Phänomen genauer erläutern und Ihnen auch belegen, dass Sie von diesem Plan schon seit vielen Jahren reden und seine Umset­zung versprechen, aber dieses Versprechen nie halten. Sie versprechen – und Sie halten nicht.

Worum geht es bei diesem Phänomen kalte Progression, heimliche Steuererhöhung? – Es kommt deswegen zustande, weil die Einkommen – vor allem aufgrund der Inflation – jährlich steigen, aber die Steuerstufen von der ÖVP/SPÖ-Regierung nicht angepasst werden. Damit erhöht sich für Sie, werte Bürgerinnen und Bürger, der Durch­schnittssteuersatz jedes Jahr automatisch.

Es kommt hinzu, Herr Finanzminister – und das sollte Sie natürlich auch beschäftigen, auch die Sozialdemokratie, so sie ein waches soziales Gewissen hat –, dass sich durch die heimliche Steuererhöhung die Steuerverteilung in unserem progressiven Steuersystem verschiebt, und zwar nicht auf Basis einer Diskussion durch den Ge­setzgeber, Herr Finanzminister, sondern durch die heimliche Steuererhöhung. Das heißt, es kommt zu einer Steuerverteilungsverschiebung, ohne dass der Gesetzgeber diese legitimiert hätte.

Das Münchner ifo Institut zitiert Folgendes:

„Durch das Hineinrutschen in höhere Grenzsteuersätze kommt es zu einer Stauchung der gesellschaftlichen Steuerlastverteilung und somit zu einer Abweichung von den ursprünglich vom Gesetzgeber intendierten Verteilungswirkungen des Steuersystems.“

„Die kalte Progression [...] führt zu einer Ausweitung der Steuerquote,“ – also wir alle zahlen jedes Jahr mehr – „die sich der demokratischen Kontrolle entzieht.“

(Die Mikrofonanlage im Saal fällt für kurze Zeit aus. – Abg. Lopatka – in Richtung des am Rednerpult stehenden Abg. Strolz –: Zu laut gebrüllt! Das ist heute kein guter Tag für die NEOS! – Abg. Lugar: Du solltest es noch einmal versuchen! Nie aufgeben! – Weitere Zwischenrufe. – Nachdem die Funktionsfähigkeit der Mikrofonanlage wieder­hergestellt ist, setzt der Redner seine Ausführungen fort:) Ja, was ein kurzes Stoß­gebet des Herrn Lopatka alles bewirkt, nicht? – Das ist hilfreich, dass der Strom wieder da ist.

Sie drehen mit der kalten Progression der Bevölkerung immer wieder den Strom ab. Sie greifen im großen Stil in die Haushaltskasse. Und, wie gesagt, das passiert, ohne dass wir es hier debattieren.

Problematisch ist auch die Aufteilung der erwirtschafteten Beträge zwischen der privaten und der öffentlichen Hand, weil die kalte Progression – auch das sollte Sie,


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liebe Sozialdemokraten, beschäftigen, so Sie ein soziales Gewissen haben – dazu führt, dass natürlich mehr Mittel zur öffentlichen Hand fließen – und weg von der privaten Hand. Das ist natürlich auch sehr bedenklich! Wenn wir nämlich sagen, die Nachfrage nach öffentlichen Gütern steigt und der Handlungsspielraum der Privat­personen sinkt, dann sollten wir das auf Basis einer politischen Debatte entscheiden. Die gibt es aber nicht! Sie entscheiden das (der Redner ist ab jetzt durch die Tonanlage mit erhöhter Lautstärke zu hören) still, heimlich und leise, indem Sie einsteigen. – Wir haben hier grobe Schwankungen, Frau Präsidentin. Ist das möglich?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann, ich steuere es nicht, aber wir haben offensichtlich ein Problem mit der Lautsprecheranlage. (Abg. Brosz – in Anspielung auf die konstant hohe Lautstärke, in der der Redner seine Ausführungen tätigt –: Das merkt man aber gar nicht! – Heiterkeit.) – Wir hören Sie jetzt gut.

 


Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (fortsetzend): Ich glaube, dass das rot-schwarze Machtkartell einfach ein schlechtes Gewissen hat und an allen Hebeln der Macht sitzt und heute Manipulationsversuche unternimmt. Oder wie muss ich das deuten? Herr Lopatka, als Meister der Intrige, sind Sie da wieder dahinter? Auch hier? (Abg. Wöginger: Das Haus ist sanierungsbedürftig ...!) – Okay, das Haus ist sanie­rungsbedürftig. Ihr Haus? Oder welches? – Ach, dieses Haus. Okay.

Mögliche negative Lenkungseffekte – kommen wir damit zurück zum Thema –: Ein ganz wichtiger Punkt ist uns NEOS auch folgender: Die kalte Progression, Herr Finanzminister, führt auch dazu, dass die Arbeitsanreize vor allem bei niederen Einkommen sinken. Das heißt, es ist und wird dadurch jährlich attraktiver, zu sagen: Na ja, dann gehe ich halt nicht hackeln und richte mir das irgendwie anders ein. – Sie wissen, dass das ein Problem ist. Sie kennen auch unsere Vorschläge zur Umge­staltung der Mindestsicherung. Arbeiten muss sich lohnen! Wer arbeiten geht, muss auch mehr in der Geldtasche haben. Der Punkt ist: Durch die kalte Progression hat er oder sie jedes Jahr weniger in der Kasse. (Abg. Schieder: Das stimmt nicht!) Auch deswegen müssen wir sie natürlich abstellen.

Andreas Schieder, schüttelst du den Kopf? (Abg. Schieder: Weil es nicht stimmt!) – Ihr wisst gar nicht, was ihr in euren eigenen Plänen drinnen habt. Selbst im Plan A bestätigt die SPÖ, dass es da ein Problem gibt. „Weil uns Arbeit“ – ich zitiere – „das wert sein muss und weil sich Arbeit lohnen muss“, sagt der Herr Kern. Kennen Sie den? (Abg. Schieder: Ja!) – Eben. Also Sie vergessen immer, was Sie selbst in Sonntagsreden erzählen. Es geht euch in der Europafrage so, es geht euch in der Freihandelsfrage so. Ihr erzählt in Sonntagsreden immer Dinge, und wenn es konkret wird, haltet ihr sie nicht ein. Auf euch ist kein Verlass. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Schieder: Der Applaus ist weniger geworden als früher!)

Der Meister der Intrige sitzt hier (in Richtung des Abg. Lopatka weisend), der Meister des Zickzacks sitzt dort (in Richtung des Abg. Schieder weisend). Also das ist einfach nicht gut.

Im Folgenden einige Aussagen von Regierungsmitgliedern – zur Erinnerung für den Herrn Lopatka und für den Herrn Schieder, als Erinnerungsstützen; so verschaukeln Sie das Volk! –:

2013 ein gewisser Herr Spindelegger – Sie erinnern sich –: „Die kalte Progression ist ungerecht“, und nach „jetzigem Plan“ könnte es 2016 so weit sein, dass wir sie ab­schaffen. – 2016 ist längst vorbei. Die ÖVP hat hier versagt.

Bundeskanzler Faymann – Sie erinnern sich, auch weit unten in der Geschichts­straße –: „Wenn die absolute Mehrheit mir die Möglichkeit gäbe, das alleine zu ent-


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scheiden, würde ich den 1.1.2015 anpeilen.“ – Ein Versprechen der Sozialde­mokratie – nicht eingelöst. (Abg. Krainer: Das hat er über die Steuerreform gesagt!)

Dann kommt der Herr Schelling und sagt, diese „schleichende Steuererhöhung“, wie Herr Schelling die kalte Progression bezeichnete – der Herr Schelling hat zugegeben, meine Damen und Herren, dass es eine schleichende Steuererhöhung ist –, soll ab 2017 der Vergangenheit angehören. – Das war noch im Juli 2015 der Plan des Herrn Finanzministers. Nicht eingelöst, nicht gehalten wurde auch dieses Versprechen. 400 Millionen € Entlastungen haben Sie versprochen.

„Wir sind jederzeit zu konstruktiven Gesprächen mit der ÖVP bereit, um hier Nägel mit Köpfen zu machen“, hat der damalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid im Juli 2015 verlautbart. – Sie erinnern sich an ihn? Den habt ihr einmal gehabt. Also, natürlich kommen und gehen die Leute; jeder macht Versprechen, keiner hält sie ein. Das ist das Problem. Deswegen haben wir die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik. Deswegen erleben wir diese rasant steigende Steuer- und Abgabenbelas­tung. Noch einmal: Es ist die zweithöchste in Europa – und jedes Jahr greifen Sie den Leuten tiefer in die Geldtasche, sodass ihnen die Luft zum Atmen zunehmend fehlt.

„Meine Wunschvorstellung“, sagt dann Schelling im Juni 2016, „wäre, dass die kalte Progression ab 2018 abgeschafft ist.“ – Auch dieses Versprechen wird er nicht halten. (Bundesminister Schelling: Geh, hör’n S’ auf! Hellsehen ...!) Auch das wird er nicht halten. – Ich bin kein Hellseher, ich zitiere, Herr Minister. Ich zitiere Sie persönlich!

Und dann noch eines, Herr Finanzminister Schelling: Im Juli 2015 „hoffte“ Finanz­minister Hans Jörg Schelling, sinnierend in seinem Weingarten wahrscheinlich, „auf eine Einigung mit dem Koalitionspartner 2016 und auf ein Inkrafttreten 2017“. – Nicht eingehalten, liebe ÖVP! Versprochen – nicht eingehalten.

Im Oktober 2015 hat er dann schon weiche Knie gekriegt, sprach bereits von einer Abschaffung der kalten Progression 2017 und 2018. – Liebe ÖVP: Nicht eingehalten!

Und so macht ihr Regierungspolitik seit 30 Jahren, und das ist die Tragik! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling und Zwischenrufe der Abgeordneten Lopatka und Fekter.) Seit 30 Jahren versprechen, versprechen, versprechen und nicht halten. – Und wenn Sie hier hereinsingen, Herr Lopatka und Frau Fekter, wird Ihnen das gar nichts nützen, denn die Menschen durchschauen das, dass Sie Ankündigungsweltmeister und Umsetzungszwerge sind.

So, schauen wir uns den jetzigen Vorschlag der Bundesregierung an. Was hat sie zuletzt verkündet? Erstens: nichts Gemeinsames. Sie haben einmal mehr gestritten. Ihr streitet doch jeden Tag (Abg. Neubauer: Das tut ihr auch!), und die Leute haben dieses Hickhack satt. Und jetzt kommt der Vorschlag des Finanzministers, in dem er sagt: Okay, schaffen wir die kalte Progression mit 2019 ab. – Es ist einmal mehr ein Versprechen, meine Damen und Herren. Sie können sichergehen – das ist quasi das Gesetz der Serie der gebrochenen Versprechen –, es wird auch diesmal nicht ein­gehalten werden.

Und wenn man Ihren Vorschlag anschaut, dann ist der natürlich halbseiden, dann ist der völlig daneben. (Bundesminister Schelling: „Halbseiden“ ist eine Beleidigung!) Sie werden nämlich, Herr Schelling, die Leute nicht entlasten. Erstens wird das nämlich erst sehr spät erfolgen – nicht 2019, sondern frühestens 2021, wahrscheinlich 2022; bis dahin werden die Leute Milliarden zusätzlich brennen –, und Sie werden nicht alle entlasten. Und da kommt dann die SPÖ – das ist auch zum Verzweifeln – und sagt, wir entlasten nur die unteren zwei Steuerstufen, denn die Großverdiener ab 25 000 € jährlich, die wollen wir nicht entlasten.


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Da frage ich: Wo wohnt denn ihr?! – Ja, teilweise in gestützten Gemeindewohnungen, das ist ein Problem, aber eines kann ich euch sagen: Jemand, der 25 000 € pro Jahr verdient, ist kein Großverdiener. Sie können in der Diskussion doch nicht so tun, als wäre das ein Großverdiener, und sagen: Progressionsstufen ab 25 000 €, die lassen wir weg. – Das ist der Mittelstand, den Sie damit einmal mehr ausquetschen! 20 Pro­zent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zahlen 80 Prozent des Aufkommens, und die quetschen Sie zusätzlich aus! Und die ÖVP macht hier einmal mehr den Mittäter und lässt den Mittelstand im Stich, so wie es aussieht. Das ist doch ein Armutszeugnis, und das zeigt, dass Sie vom echten Leben wenig Ahnung haben! (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Schenk.)

Herr Minister! 25 000 € Jahreseinkommen – dividieren Sie das einmal durch zwölf (Abg. Hagen: Durch 14!) und berücksichtigen Sie dann noch die doppelten Gehälter! Da kommen Sie herunter auf Beträge – das sind keine großen Gehälter mehr. Da kommen Sie auf irgendwo weit unter 2 000 €. (Abg. Wöginger: 1 850!) – Ja, 1 850 €. Und dann sagen Sie, das sind die Großverdiener, liebe SPÖ?! Geht es euch eigentlich noch?! Habt ihr eine Ahnung, wie hart das ist? Und dann steigt ihr heimlich ein und nehmt diesen Leuten jeden Tag noch mehr aus der Geldtasche. – Das ist nicht okay!

Viele Länder zeigen, dass das nicht okay und nicht notwendig ist. Ganz viele Länder in Europa und auch weltweit haben diesen heimlichen Griff in die Taschen der Menschen abgeschafft, weil sie sagen, es ist ungerecht, es ist illegitim, es ist nicht okay. Und das ist ja das Problem: So wie wir den Nachbarn beim heimlichen Einsteigen und beim Bügeleisen-Klauen erwischt haben, so haben Sie auch zugegeben, dass Sie die Leute damit heimlich kalt enteignen. Und dann sagen Sie: Tut mir leid, aber die nächsten fünf Jahre muss ich Sie leider weiter heimlich enteignen! – Das ist das Problem: dass Sie den Missstand erkannt haben, zugegeben haben und sagen, ich brauche aber noch fünf Jahre! (Beifall bei den NEOS.)

Das ist das Problem, Andreas Schieder! Das versteht ihr nicht. Ihr braucht noch fünf Jahre und setzt die heimliche Steuererhöhung fort!

Jetzt sage ich einmal, wenn ihr gescheite Sachen damit finanzieren würdet, dann wäre das allemal gekauft. Nur, Herr Lopatka, was finanziert ihr damit? – Zum Beispiel Luxuspensionisten, denen gebt ihr einen Pensionshunderter drauf! Pensionisten, die 30 000 € pro Monat 14 Mal im Jahr kriegen, denen gebt ihr, SPÖ und ÖVP, einen Pensionshunderter drauf! Da greift sich doch jeder in der Republik an den Schädel! Ja, natürlich: Jeder, der ein Gespür für das echte Leben hat, kann das nicht nachvoll­ziehen. Für den Herrn Schieder hingegen ist das völlig normal: Oh, 30 000 € Luxus­pension pro Monat?! Das müssen wir erhöhen! (Abg. Schieder: Das hat überhaupt niemand gesagt!) – Ja, aber so schaut es offensichtlich aus, wenn für Sie das alles in Ordnung ist.

Oder, Parteienförderung: Wir haben die höchste Parteienförderung Europas, meine Damen und Herren! Und sie wird immer und überall erhöht, jedes Jahr – und Sie stimmen alle mit. (Abg. Neubauer: Zahlt es zurück!) Die ÖVP stimmt überall mit. (Abg. Neubauer: Gebt es den Pensionisten! Zahlt es zurück!) Es gibt aber ein Bundesland, das sie nicht erhöht hat, und das ist Vorarlberg. Warum? Warum hat Vorarlberg heuer nicht erhöht? – Weil die NEOS im Landtag sitzen und weil die ÖVP zur SPÖ, zur FPÖ und zu den Grünen gesagt hat: Dann schlagen die NEOS wieder medial so einen Radau. Lassen wir das heuer lieber! – Ihr habt natürlich ein schlechtes Gewissen gehabt. Deswegen wurde sie in Vorarlberg nicht erhöht.

In Wien wart ihr unverschämt – Rot, Grün, Blau, Schwarz, allesamt! NEOS ist, als erste Kraft der Zweiten Republik, den Weg gegangen, auf Steuergeld zu verzichten. (Abg. Lopatka: Lächerlich! Ihr nehmt jeden Cent! Ihr kassiert jeden Cent! Jeden Cent kas-


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siert ihr ein!) Wir verzichten jährlich auf 166 000 € Akademieförderung, weil ich das für ein Muster struktureller Korruption halte, was da läuft, und das machen wir nicht mit! (Abg. Schieder: Weil die NEOS nicht im Landtag sind!) Und das ist ganz klar, das werden wir auch in Zukunft nicht mitmachen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Schieder: Ich versteh’ die Logik nicht!) – Die Logik, Herr Schieder, ist – noch einmal –: Sie machen schleichende Steuererhöhung. Jedes Jahr nehmen Sie den Menschen mehr Geld aus der Tasche. Wenn Sie das für sinnvolle Dinge machen, dann sage ich: Machen wir es, bitte, machen wir es! – Aber: Sie finanzieren damit Luxuspensionen. (Abg. Schieder: Greifen Sie sich bitte an den Kopf, wenn Sie so reden!) Sie finanzieren damit die Erhöhung der Parteienförderung. (Abg. Schieder: Greifen Sie sich bitte an den Kopf!) Sie finanzieren damit die Verlängerung der Luxuspensionen in Wien – Rot-Grün verlängert diese bis 2042. Der Rechnungshof rechnet vor: 350 Mil­lionen € kostet es Sie, liebe Damen und Herren! Während bei ASVG-Pensionen die Durchschnittspension für Frauen 860 € beträgt, werden Luxuspensionen in Wien für Beamte bis 2042 verlängert – auf Ihre Kosten!

Das ist nicht okay, und Sie haben eine Möglichkeit, das abzustellen, indem Sie beim nächsten Mal anders wählen. Es gibt eine Möglichkeit! Man kann diese Missstände abstellen, aber man muss dafür mit aufrechtem Gang sein Wahlrecht nutzen. (Beifall bei den NEOS.)

Die Schweiz hat beispielsweise vorgezeigt, dass es auch anders geht, die Schweiz hat die kalte Progression abgeschafft. Schweden, Herr Finanzminister, geht sogar einen Schritt weiter, und das ist der Weg, den ich vorschlage. Die nehmen die Realein­kommen her. Das heißt, wenn das Einkommen über Inflation steigt – und das ist ja zum Glück durch Produktivitätszugewinn der Fall, dass nämlich Arbeitgeber auch mehr vom Gewinn und vom Produktivitätszugewinn weitergeben, dass oft die Gehälter auch über Inflation steigen; das sollte auch die SPÖ interessieren –, dann, sagt Schweden, halten wir anteilig die Steuerbelastung gleich.

Die machen nicht nur die Entlastung über Abschaffung der kalten Progression, sie gehen sogar noch einen Schritt weiter – und das schaffen dort Sozialdemokraten! Die schaffen dort auch eine Pensionsreform im Übrigen, aber Sie sind weit davon entfernt.

Ich habe Ihnen verschiedene Modelle aufgezeigt, Herr Minister. Ich habe das Gefühl, Sie wollen es auch deswegen nicht machen, sondern die Menschen weiter belasten, weil Sie einmal mehr auch vor den Landesfürsten in die Knie gehen, denn die Lan­desfürsten – und das ist eine der Fragen, die ich Ihnen hier in dieser Dringlichen Anfrage heute schriftlich stelle – profitieren natürlich auch von dieser Geschichte ganz massiv. (Abg. Fekter: Zu einem Drittel!) Von jeder Steuererhöhung werden zu einem Drittel die Fürsten der Finsternis mitbedient und sackeln das ein. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

15.21


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann! Sie haben Glück, denn auch ich habe jetzt wieder ein Mikrofon. Ich würde Sie ersuchen, auch wenn es eine sehr hitzige Debatte ist, sich in der Ausdrucksweise zu mäßigen. Ich erteile Ihnen noch keinen Ordnungsruf. Ich gebe Ihnen aufgrund der technischen Probleme, die wir hatten, jetzt auch 1 Minute mehr Redezeit und bitte Sie, wieder zur Sache zu sprechen. (Bun­desminister Schelling: Großzügig!)

 


Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (fortsetzend): Jawohl. Sehr großzügig, Frau Präsidentin! Ich werde die Nachspielzeit gut nutzen und Ihnen noch einen Punkt mitgeben, liebe SPÖ/ÖVP. Jetzt werden viele von Ihnen sagen: Wir könnten diese kalte Progression sofort abschaffen, aber wir wissen nicht, wie wir das gegenfinan­zieren. Herr Finanzminister, wie können wir das gegenfinanzieren? – Wir haben die Transparenzdatenbank. Sie ist seit mehreren Jahren verpflichtend gesetzlich geregelt.


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Ich bin der Meinung, wir sollten diesen Landesfürsten – die sich nicht daran halten und sich weigern, ihre Förderungen transparent zu machen, damit sie weiter Doppelför­de­rungen, Dreifachförderungen bekommen, deswegen Fürsten der Dunkelheit – 50 Millio­nen € vom Finanzausgleich abziehen, Herr Minister! (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Wenn Sie das machen, können Sie die Menschen heuer bezie­hungs­weise nächstes Jahr schon entlasten. Das ist mein Vorschlag zur Güte. – Bitte folgen Sie diesem! (Beifall bei den NEOS.)

15.23


Präsidentin Doris Bures: Zur Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage hat sich nun Herr Bundesminister Dr. Schelling zu Wort gemeldet. Herr Bundesminister, Ihre Rede­zeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Minister.

 


15.23.31

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling|: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Woran erkennt man, dass Frühling ist? – Die NEOS wachen auf. (Allgemeine Heiterkeit. – Abg. Strolz: Schöne Krawatte!) Es ist ein bisschen spät, jetzt mit diesem Thema zu kommen. Ich freue mich über diese Dringliche Anfrage, wobei es nicht normal ist, dass man mit Dringlichen Anfragen unbedingt eine Freude hat, aber ich freue mich, denn so können wir vielleicht einiges zu diesem Thema klarstellen und auch darstellen, mit welchen Themenverfehlungen Sie jetzt argumentiert haben.

Natürlich ist die Bandbreite sehr nett, und ich möchte auch darauf hinweisen: In meinem Bekanntenkreis kenne ich keine Leute, die dem Nachbarn ein Bügeleisen klauen; aber vielleicht leben Sie in dieser Welt, das mag durchaus sein. Ich gehe davon aus, dass wir – und das werde ich anhand der Zahlen noch einmal nach­wei­sen – durch verschiedenste Maßnahmen sehr wohl den Effekt der kalten Progression über die Steuerreformen weggebracht haben.

Herr Loacker schüttelt den Kopf. – Natürlich rechnet man in einer Sparkasse anders als im Bund, das ist logisch, aber man kann das sehr schön darstellen. Ich mache noch darauf aufmerksam, und das möchte ich schon auch klarstellen, Herr Klubobmann Strolz: Wir haben und ich habe termingerecht, wie zugesagt, das Modell eingeliefert und jetzt ist es in der politischen Verhandlung. Wenn also behauptet wird, wir hätten zwar gesagt, dass wir das bringen würden, hätten es aber nicht gebracht, dann muss ich sagen: Das Modell liegt vor und ist im Rahmen der Koalition in Verhandlung.

Wann habe ich denn das angekündigt? – Ich habe unmittelbar mit den Maßnah­men 2015/2016, mit Beginn der Steuerreform 2016 angekündigt, dass die kalte Pro­gression abgeschafft wird. Seither habe ich immer wieder darauf hingewiesen, dass wir das angehen und dass wir das umsetzen müssen. Ich habe aber auch darauf hinge­wiesen, dass wir durch die enorme Tarifentlastung, die wir 2016 gemacht haben, Luft bekommen haben. Natürlich ist auch im Regierungsprogramm vereinbart, dass wir das im ersten Halbjahr dieses Jahres erledigen werden, und das wird auch so kommen.

Wie schaut denn das Modell, das aktuell vorliegt, aus? – Es ist eine automatische Anpassung. Das ist der große Unterschied, wenn man zum Beispiel Deutschland betrachtet. Wir haben die Möglichkeit, die Anpassung auszusetzen, sofern es eine Wirtschaftskrise gibt, und wir haben eine Anpassung festgelegt, die dann eingreift, wenn der zusammengerechnete Wert mindestens 5 Prozent erreicht. Sollte der Wert allerdings dann 6 Prozent oder 6,5 Prozent betragen, wird natürlich mit diesem Wert angepasst und nicht mit 5 Prozent. Also nehmen Sie einfach die Situation, wir sammeln drei Jahre die Inflation, drei Jahre à 2 Prozent sind 6 Prozent, dann wird nach dem dritten Jahr der Tarif um 6 Prozent angepasst.


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Warum Sie, Herr Klubobmann, hier auch in der Begründung nicht richtig liegen, wird dann vielleicht Kollege Matznetter, der schon einen Zwischenruf gemacht hat, noch einmal darstellen. Bei den Einkommensklassen, die Sie genannt haben, tritt die kalte Progression gar nicht in Kraft; denn auch wenn ich die unterste Tarifstufe zu 100 Pro­zent über diesen Wert anpasse, dann wächst ja jeder mit hinein. (Abg. Strolz: Klar!) Und daher tritt bei einem Wert von 1 200 € vermutlich eine Steuerprogression von ein paar Euro ein. (Abg. Strolz: Aber die Entlastung ist degressiv, das verstehen Sie auch!) – Natürlich, und ich komme gleich darauf zurück.

Das Arbeitsprogramm der Bundesregierung hat daher gesagt, wir gehen dieses Thema kalte Progression an. Wir verhandeln derzeit diesen Kompromissvorschlag. Übrigens rechnet sich die 100-prozentige Anpassung der ersten beiden Stufen auf alle Stufen durch, sofern man das progressive Steuersystem richtig verstanden hat. (Abg. Strolz: Ab der dritten Steuerstufe!)

Die Anpassung darüber hängt am Progressionsbericht. Das heißt, zuerst greift die auto­matische Anpassung, und der Rest wird auch verteilt, aber nach einem Progres­sionsbericht, in dem von Experten festgelegt wird – ich komme auf den Punkt Pro­gressionsbericht noch zurück –, ob es eine Steuerstufe gibt, in der die Progression besonders hart durchgeschlagen hat. Das macht übrigens auch Deutschland mit diesem Progressionsbericht. Wir haben festgelegt, dass wir etwa 80 Prozent auto­matisch und 20 Prozent über diesen Progressionsbericht machen wollen.

Ich halte noch einmal ausdrücklich fest – und dabei bleibe ich, ich habe nie etwas anderes gesagt –: Die kalte Progression ist ein Geschenk der Bürgerinnen und Bürger an den Staat und kein Geschenk der Bundesregierung an die Bürger zurück. (Beifall bei der ÖVP.) Daher leistet dieser jetzt vorliegende Entwurf genau das: dass nämlich dort, wo der Inflationszuschlag greift, diese kalte Progression nicht mehr eintritt.

Ich gehe davon aus, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Komplexität der Fragen von Ihnen allen inhaliert wurde, dass Sie in der Zwischenzeit alle wissen, was ein Basismodell, ein Inflationsmodell und ein Richtwertmodell ist, daher werde ich bei der Beantwortung der Fragen auf die Fragestellung selbst nicht eingehen.

Nun komme ich zur Beantwortung Ihrer Fragen.

Zu Frage 2:

Die Frage zielt auf einkommensbezogene Steuern ab. Da aber auch, Herr Klubobmann Strolz, die Körperschaftsteuer eine solche Steuer ist, gehe ich davon aus, dass Sie nur einkommensbezogene Steuern außerhalb der Körperschaftsteuer gesehen haben, denn die Körperschaftsteuer ist aufgrund der Sätze nicht von der kalten Progression umfasst.

Wenn man nun die Lohn- und Einkommensteuer ausschließlich anspricht – betrachtet man nur diese Sphäre –, so ist zu sagen, dass der Anteil des Mehraufkommens, der auf die kalte Progression zurückgeht, gegenüber den jeweiligen Vorjahren naturgemäß sehr stark von der Inflation abhängig ist.

Das heißt, der Anteil, der der kalten Progression überhängt – also das normale Resi­duum –, bewegt sich in den letzten Jahren zwischen 40 Prozent und 90 Prozent. So hoch ist der Split, nämlich je nach Abhängigkeit, je nachdem, wie die jeweilige Rate zur Anwendung kommt.

Zu Frage 4:

Das kumulierte Mehraufkommen durch die kalte Progression zwischen den Steuer­reformen 2009 und 2016 – und jetzt kommt der Punkt, den ich angekündigt habe – beläuft sich in Summe auf eine Größenordnung von etwa 10 Milliarden Euro.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 138

Mit der Steuerreform 2009 wurde im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer eine jährliche Entlastung von 3 Milliarden € umgesetzt, und mit der Steuerreform 2016 wurde zudem mit einem Volumen von über 5 Milliarden € jährlich und nicht kumulie­rend entlastet. Damit ist klar, dass es jedenfalls zu einer Überkompensation der kalten Progression in diesen Jahren durch die zwei Stufen der Steuerreform gekommen ist.

Wenn Sie also hier behaupten, man hätte – ich kenne jetzt den Ausdruck nicht mehr ganz genau, den Sie da immer verwenden – den anderen in die Tasche gegriffen, dann mag das temporär aus Ihrer Sicht stimmen, aber nicht durch die Umsetzung der beiden Steuerreformstufen; denn die haben dazu geführt, dass die Steuerreform die kalte Progression überkompensiert.

Zu Frage 6:

Schätzungen bezüglich zukünftig zu erwartender Steuereinnahmen mit oder ohne kalter Progression sind klarerweise mit Unsicherheit behaftet. Dies gilt ebenso für die Inflationsprognosen. Aus aktueller Sicht ist schlicht noch nicht verantwortungsvoll ab­schätzbar, wann genau die übernächste Tarifanpassung stattfinden würde, geschweige denn wie die damit in Verbindung stehenden Aufkommenseffekte sein werden.

Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, dass wir hohe Schwankungsbreiten haben. Ich erinnere daran, dass wir eine Inflationsrate von 0,8 Prozent hatten, jetzt haben wir eine Inflationsrate von 1,8 Prozent, und in dieser Schwankungsbreite bewegt sich das. Daher ist das heute seriös nicht beantwortbar.

Zu den Fragen 7 und 8:

Bezogen auf die 200 Millionen € pro Prozentpunkt Inflation pro Jahr ergeben sich daraus Mehreinnahmen für die Länder von rund 42 Millionen Euro und für die Ge­meinden von rund 24 Millionen Euro.

Zu Frage 9:

Ich sehe hier keinen Widerspruch im Budgetbericht, denn auch ein schwächeres Wachstum bedeutet einen Zuwachs gegenüber dem Ausgangspunkt. Im Regelfall liegen auch die Lohnabschlüsse über der Inflationsentwicklung, daher wird auch bei einem leichten Rückgang der Dynamik ein Mehr an Lohnsteuer gegenüber dem Vorjahr überbleiben.

Was zudem den Zusammenhang von Lohnsteueraufkommen und kalter Progression betrifft: Die kalte Progression tritt im Bereich der Lohnsteuer immer erst dann auf, wenn die Lohn- und Gehaltssumme steigt und gleichzeitig eine Preissteigerung vorliegt.

Ein schwächeres Wachstum der Lohn- und Gehaltssumme zieht daher unter gleich­bleibenden Rahmenbedingungen sowohl ein relativ schwächeres Wachstum des entsprechenden Steueraufkommens als auch, sofern eine Inflation vorliegt, die kalte Progression nach sich.

Zu Frage 10:

In der Anfrage wird leider nicht angeführt, welche Art von Kosten gemeint sind. Im Folgenden wird angenommen, dass eine Verminderung des Bruttoinlandsproduktes gemeint ist. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es in den Jahren 2009 und 2016 die von mir jeweils schon zitierten massiven Entlastungen beim Steuertarif gegeben hat. Diese hatten auch den Zweck, der kalten Progression entgegenzuwirken. Die Steuer­reform 2015/2016 ging sogar weit über die Kompensation der kalten Progression hinaus.

Insgesamt ist also zu sagen, dass durch die erfolgten Entlastungen in den Jahren 2009 und 2016 nicht davon auszugehen ist, dass die kalte Progression sich kumuliert nega-


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tiv auf die Arbeitsanreize ausgewirkt hat. Empirische Evidenz für den Zusammenhang zwischen kalter Progression und Arbeitsanreizen haben wir jedenfalls keine.

Zu den Fragen 11 bis 16:

Zunächst möchte ich auf Ihre Frage, wodurch das legitimiert ist, antworten: durch die Beschlüsse, die Sie hier im Parlament fassen, denn Steuergesetze werden ja von Ihnen beschlossen. Unsere Handlungen basieren also auf dieser jetzt gültigen gesetz­lichen Grundlage.

Ich denke auch, dass die mit der Steuerreform 2016 beschlossene Tarifentlastung wirtschaftlich notwendig war. Das bedeutet aber nicht, dass sich eine wirtschaftliche Notwendigkeit im Laufe der Zeit nicht wieder stellt. Eben deshalb bin ich dafür, dass Maßnahmen gegen die kalte Progression ergriffen werden. Ich habe mit Expertinnen und Experten die Vor- und Nachteile verschiedener Modelle diskutiert.

Ich habe auch schon einleitend festgehalten, dass ich grundsätzlich für die auto­matische lineare Anpassung und Entlastung der Steuertarifstufen eintrete. Im Rahmen des Arbeitsprogramms der Bundesregierung wurde nun ein Kompromissvorschlag ausgearbeitet. Eckpunkte des Arbeitsprogramms der Bundesregierung sind bekannt.

Alles Weitere ist derzeit Gegenstand der Verhandlungen. Zu Ihrer Frage, wie lange das noch dauern wird, muss ich sagen: Das hängt nicht alleine von mir ab. Mein Vorschlag liegt seit einigen Wochen als Gesetzestext und Entwurf auf dem Tisch, und wir hatten bereits letzte Woche wieder eine Gesprächsrunde mit dem Ziel, dieses Problem zu lösen und ins Parlament einzuliefern.

Was die laufenden Verhandlungen mit dem Koalitionspartner betrifft, ist es derzeit geplant, dass wir das Ende April in die Begutachtung versenden können. Es könnte daher aus meiner Sicht sehr schnell gehen, und das könnte, wenn die Begutachtung entsprechend verläuft, noch im ersten Halbjahr im Nationalrat beschlossen werden.

Bei der Finanzierung einer solchen Maßnahme bleibe ich bei meinem Grundprinzip, dass wir keine neuen Steuern brauchen. Ich trete daher wie bisher für eine ausgaben­seitige Konsolidierung ein. Die Details dazu werden im Rahmen des Bundesfinanz­gesetzes und des Bundesfinanzrahmengesetzes im Herbst vorgestellt.

Zu den Fragen 17 bis 23:

Selbstverständlich haben wir die von Ihnen angeführten Modelle auf ihre Vor- und Nachteile hin analysiert. Auf Basis der Erfahrung dieser Analyse haben wir ein Modell entworfen, das unserem System, jedenfalls nach unserem Dafürhalten, am besten geeig­net erscheint.

Dies basiert auch auf Erfahrungen in anderen Bereichen, zum Beispiel, explizit ange­führt, bei Mietverträgen, bei denen es solche Sammelklauseln gibt, dass die Miete erst verändert wird, wenn eine bestimmte Schwelle in der Inflation übersprungen wird. Zudem ist die Intention des Modells, dass es zu einer spürbaren Entlastung kommt. Dies ist nur bei einer Anpassung gewährleistet, die nicht jährlich erfolgt. Nehmen Sie noch einmal das Beispiel der letzten Inflation: 0,8 Prozent angepasst auf 11 000 €. Da können Sie sich relativ schnell ausrechnen: Das wird niemand merken. Bei 5 Prozent oder 6 Prozent wird das aber sofort entsprechend schlagend.

Lassen Sie mich daher kurz noch einen Überblick über die angesprochenen Modelle in der Schweiz und in Schweden geben. Auch die Schweiz weist ein progressives Steuersystem auf und hebt sowohl lokale, kantonale als auch Bundessteuern ein. Seit 2011 werden die Tarife und Steuerabzüge zum Großteil automatisch an die Preisentwicklung, sprich an den Landesindex der Konsumentenpreise angepasst.


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Dies gilt sowohl auf Bundesebene als auch weitestgehend auf kantonaler Ebene. Die jährliche Anpassung auf Bundesebene erfolgt automatisch und ist verfassungsrechtlich verankert. Auf lokaler Ebene erfolgt die Anpassung zumeist ebenfalls jährlich und auto­matisch, de facto ist die Anpassung in vielen Kantonen aber unterschiedlich.

Warum greift das Modell bei uns nicht? – Weil wir keine Steuern auf der lokalen Ebene haben. Zum ebenfalls zitierten schwedischen Modell: Die schwedische Einkommen­steuer wird ebenfalls sowohl auf lokaler Ebene als auch auf Bundesebene eingehoben. Auch das ist also ein Modell, das bei uns nicht greifen würde. Anders als in der Schweiz – das ist schon zitiert worden – gibt es da eine Anpassung über die Preisent­wicklung hinaus im Bereich der Reallohnsteigerungen.

Nun noch zu den einzelnen Modellen: Das Inflationsmodell sieht üblicherweise eine jährliche Anpassung vor. Das hat aus meiner Sicht den Nachteil, dass das aufwendig ist, weil eine jährliche Anpassung und eine Umstellung der Tarifstufen damit verbunden sind.

Beim Fixmodell erfolgt die Anpassung um einen fixen Prozentsatz. Der Nachteil aus meiner Sicht ist, dass das einer ökonomischen Grundlage entbehrt. Beim Nominal­lohn­modell, dieses entspricht dem schwedischen Modell, erfolgt die Anpassung im Ausmaß der Inflation plus 2 Prozent. Nachteil: Es fehlt die Grundlage, um über die Inflation hinaus anzupassen. Auf weitere Details der Modelle einzugehen, würde, glaube ich, den Rahmen dieser Dringlichen Anfrage sprengen, aber sie werden sicher noch zu diskutieren sein.

Zu den Fragen 24 bis 28:

Wie bereits mehrmals dargestellt, ist die genaue Ausgestaltung – dazu gehört auch der Progressionsbericht – Gegenstand der derzeit laufenden Verhandlungen. Die Eckpunkte des Berichtes sind: Ausgangspunkt für den Progressionsbericht betreffend die Tarifstufen 3 bis 6 sollen insbesondere die letztverfügbaren Konsumerhebungen der Statistik Austria und die letztverfügbaren Daten aus der EU-Statistik über Einkom­men und Lebensbedingungen der Statistik Austria sein.

Dabei ist es mir wichtig, auch externe Experten in diesen Progressionsbericht einzube­ziehen. Ich schlage deshalb auch in der Vorlage vor, dass ein Wirtschaftsforschungs­institut damit beauftragt wird, diese Werte zu errechnen.

Die Entlastung der oberen Tarifstufen auf Basis des Progressionsberichtes ist im Wege einer Verordnung, gerne auch mit Befassung des Ministerrates, festzulegen. Es ist nicht erlassmäßig gedacht, aber es soll ein Bericht vorgelegt werden, der dann be­schlossen wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch in diesem Bereich eine Entlastung rasch und unbürokratisch erfolgt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Vorwurf von Klubobmann Strolz, wir hätten etwas zugesagt und nicht geliefert (Zwischenruf des Abg. Strolz), geht hiemit ins Leere. Wir haben das Modell ordnungsgemäß geliefert. Sie können sich nur auf das berufen, was ich zugesagt habe. Ich habe gesagt, das Modell wird eingeliefert. Wir haben im Rahmen des Regierungsprogramms festgelegt, dass wir das durchführen. Verunsichern Sie daher die Menschen nicht! Diese Regierung hat sich das Projekt vorgenommen, es ist eindeutig festgelegt, dass wir das Projekt abarbeiten.

Daher noch einmal herzlichen Dank für die Möglichkeit, diese Position im Rahmen einer Dringlichen Anfrage darzustellen. Ich habe schon eingangs erwähnt: Manchmal ist es nicht so angenehm. Heute war es wunderbar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

15.39



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 141

Präsidentin Doris Bures: Wir gehen nun in die Debatte ein. Ich mache darauf auf­merksam, dass der Geschäftsordnung nach kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Hable. – Bitte.

 


15.40.04

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Geschätzte Bürgerinnen und Bürger! Kalte Progres­sion ist das Thema der Dringlichen Anfrage der Fraktion von NEOS. Das klingt nach einem technischen, sehr theoretischen Begriff. Das ist auch so – aber einer, der sehr praktische Auswirkungen auf uns alle hat, auf alle Steuerzahler.

Es ist nichts anderes als eine heimliche, schleichende Steuererhöhung, eine ständige schleichende Steuererhöhung, die deswegen geschieht, weil die Einkommen zwar jedes Jahr an die Inflation angepasst werden – also jedenfalls mindestens an die Inflation –, aber die Steuertarife nicht mit angepasst werden. Das bedeutet, dass jeder Steuerzahler, jede Steuerzahlerin ganz automatisch, auch unabhängig davon, ob man in die nächste Steuerstufe gerät, ganz automatisch jedes Jahr prozentuell mehr an Steuern bezahlt.

Das bedeutet natürlich, dass jede Einkommenserhöhung – so gut sie für jeden Unter­nehmer, für jeden Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin wäre – in erster Linie dem Staatshaushalt nützt, aber nicht den Bürgern, die dieses Einkommen auch erwirt­schaften. Da darf sich natürlich niemand darüber wundern, dass wir Jahr für Jahr Steigerungen in den Bruttolöhnen sehen, aber oftmals bei den Nettolöhnen wenig bis nichts davon übrigbleibt.

An konkreten Zahlen festgemacht: Für das Jahr 2017 bedeutet das rund 400 Mil­lionen € mehr an Steuerbelastung. Das wird jedes Jahr mehr. Dieser Effekt wird jedes Jahr größer und kumuliert sich bis ins Jahr 2021 auf 6 Milliarden € – 6 Milliarden €!

Jetzt sagen Sie, Herr Finanzminister, das wäre ja kein Problem, denn es hätte eben erst die ganz große Steuerreform gegeben, und das wäre alles kompensiert worden. Da haben Sie offensichtlich vergessen, Herr Bundesfinanzminister, dass Sie mit dieser sogenannten Steuerreform auch ein Gegenfinanzierungskonzept mit auf den Weg geschickt haben. Das wäre ja in Ordnung, wenn diese Steuerentlastung durch Strukturreformen, durch Senkungen auf der Ausgabenseite gegenfinanziert worden wäre – aber genau das ist eben nicht passiert!

Diese sogenannte Steuerreform ist zum Großteil durch Steuererhöhungen auf der anderen Seite gegenfinanziert worden. Das Motto war: Auf der linken Seite reinstecken und auf der rechten Seite wieder rausziehen! Das ist keine „massive Entlastung“, Herr Finanzminister, wie Sie sie eben bezeichnet haben, sondern das ist in Wirklichkeit überhaupt keine Entlastung.

Jetzt haben Sie angekündigt, dass ab 2018, ab 2019 diese Abschaffung der schleichen­den Steuererhöhung kommen soll, auch versehen mit einer 5-Prozent-Hürde. Na ja, das folgt auch wieder dem Motto: mit möglichst vielen komplexen Modellen die Zuhörer, die Steuerzahler zu verwirren. (Zwischenbemerkung von Bun­des­minister Schelling.)

Schauen wir uns doch einmal an, was das bedeutet. Sie haben behauptet: Wenn man dann, wenn die Inflation 5 Prozent übersteigt, stufenweise anpasst, dann wäre das Thema der kalten Progression, der schleichenden Steuererhöhungen gelöst. Dann wäre das kompensiert. – Aber genau das ist eben nicht der Fall, Herr Finanzminister! Wenn Sie das nur alle paar Jahre machen, wenn Sie die Inflation steigen lassen, wenn Sie die kalte Progression, diese schleichende Steuererhöhung, Jahr für Jahr wirken


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lassen und eben nur dann anpassen, wenn diese Schwelle von 5 Prozent erreicht ist, dann mildern Sie vielleicht den Effekt der schleichenden Steuererhöhung, aber Sie sind weit davon entfernt, ihn abzuschaffen!

In konkreten Zahlen bedeutet das, wenn es so eine 5-Prozent-Schwelle gibt, dass der Effekt bis 2021 von 6 Milliarden € auf 4 Milliarden € sinkt. Ja, es ist weniger, es ist eine Abmilderung, aber Sie können doch nicht ernsthaft behaupten, dass durch so ein Modell diese schleichende Steuererhöhung abgeschafft werden würde.

Sie haben auch gesagt – das war sehr amüsant, Herr Finanzminister –, das wäre eine Themenverfehlung. Die NEOS hätten mit dem Thema der schleichenden Steuerer­höhung eine Themenverfehlung gemacht, weil das Thema ja schon längst erledigt wäre. Sie haben gesagt, das Thema ist in Verhandlung.

Also das ist offenbar das Motto der Bundesregierung: Man braucht nur etwas in Verhandlung zu nehmen, dann wäre es ja schon gelöst. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.) – Es ist also kein Wunder, dass die Probleme dieses Landes nie gelöst werden, wenn Sie immer glauben, Hauptsache, Sie verhandeln darüber mit der SPÖ, denn damit wäre dann das Thema schon erledigt und vom Tisch. Das ist es natürlich noch lange nicht!

Ihr Modell sagt, es kommt vielleicht ab 2019 – wir wissen, dass mindestens eine Natio­nal­ratswahl dazwischen liegt, der Ausgang ist also ungewiss –, und dann mit einer 5-Prozent-Schwelle, das heißt, frühestens erst ab 2021. Ich wiederhole: Der Effekt bis dahin sind 6 Milliarden € an Mehrbelastung für die Steuerzahler!

Dass es natürlich auch anders geht – unser Klubobmann Matthias Strolz hat es ja schon erwähnt –, zeigen die Schweiz und Schweden. Dort ist das schon längst umgesetzt. Die Schweiz hat eine jährliche Anpassung an die Inflation. Schweden geht sogar noch weiter, dort passen sie jährlich nicht nur an die Inflation, sondern auch an den Reallohnzuwachs an. Und man staune: Das sind Länder, die es schaffen, jedes Jahr Budgetüberschüsse abzuliefern! Die kommen, obwohl sie diese schleichende Steuererhöhung abgeschafft haben, mit dem Steuergeld aus.

Das zeigt ja auch das grundsätzliche Problem. Das zeigt, warum Sie so unwillig sind, diese schleichende Steuererhöhung wirklich endgültig abzuschaffen. Es fehlt an den Strukturreformen, es fehlt an den ausgabenseitigen Strukturreformen! Obwohl Sie, Herr Finanzminister, immer wieder davon reden, dass wir ein Ausgabenproblem haben – wo­bei wir uns ja durchwegs einig sind –, kommen einfach keine Maßnahmen, die die­ses Problem an der Wurzel packen und lösen. Es wird nur weiter in die Zukunft verschoben.

Unser Motto ist: Wir würden das Rad nicht neu erfinden! Es gibt Vorbilder wie die Schweiz und Schweden; das ist machbar. Es ist möglich, das Budget auch mit dieser Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung nachhaltig im Ausgleich oder auch im Plus zu halten, so wie es diese beiden Länder vorbildhaft vorzeigen.

Es gibt keinen Grund, diese schleichende Steuererhöhung nicht abzuschaffen. Es gibt vor allem keinen Grund, sie jetzt nicht abzuschaffen. Das ist genau unsere Forderung: Wir brauchen Entlastung, und wir brauchen sie jetzt! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

15.47


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Schieder. – Bitte.

 


15.47.30

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Strolz war ja heute bei seiner


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Einleitung extrem aufgeregt. Das kann ich angesichts des Tages und der Ereignisse, die sich in seiner Fraktion beziehungsweise nicht mehr in seiner Fraktion abgespielt haben, durchaus nachvollziehen. Deswegen ist es, glaube ich, aber kein Grund, jetzt zum Thema kalte Progression gleich alles hineinzupacken, was einem da in dem ganzen politischen Leben irgendwie eingefallen ist, und hier so eine Dramashow abzuziehen, die weder vom Thema her gerechtfertigt noch an sich richtig ist.

Vielleicht liegt es aber auch an dem ... (Abg. Strolz: Natürlich ist alles egal!) – Nein, vielleicht liegt es an deinem Anstecker (Abg. Strolz: Leute aussackeln! Alles egal!), den du am Revers hast. Es ist der Strolz-Anstecker am Revers nämlich eine leere Sprechblase. (Abg. Strolz: Leute aussackeln, alles egal!) Das ist das, was ihr im Knopfloch tragt, und so ist auch eure Politik: eine leere rosa Sprechblase! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Loacker: Haben Sie sachliche Argumente auch?) – Na, schau es dir an! Es steht nichts drinnen. Schaut auf euer Sakko: Es steht nichts drinnen in eurem Symbol! (Abg. Kogler: Das ist genau das ...!) Es ist eine leere ... (Zwischenruf des Abg. Strolz.) – Nein, das ist ja keine Mode! Das ist doch eine leere Sprechblase, das ist keine Mode. (Abg. Strolz: Sehr sachlich!)

Aber zurück zum Thema kalte Progression, das ja insofern ein interessantes Thema ist: Man muss es nur sachlich diskutieren, denn der Inflationseffekt, der da drinsteckt, ist natürlich in Zeiten niedriger Inflation durchaus geringer als in Zeiten hoher Inflation.

Zweitens: In der Lehre wird ja als kalte Progression eigentlich jener Effekt bezeichnet, wenn man durch Lohnzuwächse von einer Steuerprogressionsgruppe in die nächste hinaufhüpft. Das ist eigentlich die klassische kalte Progression. Was hier heute diskutiert worden ist, ist vielmehr ein Inflationseffekt.

Drittens muss ich auch eines richtigstellen, weil Kollege Hable gesagt hat, die Einkom­men werden jedes Jahr angepasst. – Nein! Die Einkommen werden jedes Jahr deshalb erhöht, weil die Gewerkschaften mit den Wirtschaftskammern Lohnverhandlungen führen. Das ist keine Anpassung, sondern das ist ein Kampf, eine Diskussion, eine politische Auseinandersetzung um den Anteil – nicht der Inflation übrigens, sondern – am Produktivitätszuwachs, um den gerechten Anteil! (Beifall bei der SPÖ.)

Weiterer Punkt: Die Regierung hat in ihrem Regierungsprogramm vom Anfang dieses Jahres das Problem beantwortet. Es geht eigentlich nur mehr um die technische Ausarbeitung, denn die Antwort ist: Ab 5 Prozent der aufgelaufenen Inflation, also der kumulierten Inflation, werden die ersten beiden Tarifstufen um genau diesen aufge­laufenen Wert automatisch indexiert.

Das hat einen großen Vorteil: Es sind 80 Prozent des gesamten Volumens, es sind 80 Prozent des gesamten Geldvolumens; und es sind 100 Prozent aller Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen, die davon profitieren. Das ist ein Modell, das erstens einmal sicherstellt, dass alle Lohnsteuerpflichtigen davon profitieren. Und zweitens: Was ist mit den restlichen 20 Prozent? – Diese behält man sich für Maßnahmen auf, und man entscheidet das zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Diskussion dann stattfindet, wie man sie wirtschafts- und steuerpolitisch entlastend einsetzen kann.

Das halte ich für eine durchaus vernünftige Maßnahme, denn sie stellt sicher, dass die Mittelschicht in unserem Land entlastet wird. Alle anderen Modelle, von denen ich gehört habe, haben eine falsche Verteilungswirkung, nämlich sehr oft eine Verteilungs­wirkung von der Mittelschicht zu den ganz hohen Einkommen. Das halte ich für sozial nicht gerechtfertigt und übrigens auch nicht für leistungsgerecht, denn leistungsgerecht ist es dann, wenn die Mittelschicht entlastet wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strolz: 25 000 €! Ab dort wird es degressiv!)


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Letzter Punkt, weil in der Diskussion von manchen auch eingebracht worden ist, man könnte eine Tarifanpassung auch über Verordnungen regeln: Davor möchte ich aus Sicht des Parlaments dringend warnen, denn ein Urrecht des Parlamentarismus seit Anbeginn der Parlamente auf unserem Kontinent, angefangen von Westminster bis hierher, war immer die Auseinandersetzung zur Erlangung der Budgethoheit. Daher ist auch die Budgethoheit des österreichischen Nationalrates – das heißt, dass das Parla­ment entscheidet; nicht eine Verordnung, nicht der Ministerrat, sondern das Parlament, der österreichische Nationalrat entscheidet, welche Steuer- und Progressionsstufen es gibt – ein Kernbestandteil unseres Parlamentarismus! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf hier den Verfassungsrechtler Walter Berka zitieren, der gesagt hat, in der Ent­wicklungsgeschichte des Parlamentarismus sei der Budgethoheit der Volksvertretung von Anfang an eine besonders hohe Bedeutung zugekommen. Durch diese aus dem Steuerbewilligungsrecht hervorgegangene Kompetenz könne das Parlament den Staats­haushalt entscheidend mitgestalten und damit Einfluss auf das wichtigste politische Steuerungsinstrument im modernen Staat nehmen. (Zwischenruf des Abg. Hable.) Das sei zu der demokratiepolitischen Diskussion über den Vorschlag, Tarifanpassungen per Verordnung zu regeln, gesagt.

Ich halte es für notwendig, dass wir das Modell umsetzen, dass 80 Prozent des Volu­mens zur Stärkung der Mittelschicht in unserem Land automatisch durch die Abschaf­fung der kalten Progression bei Erreichen der 5-Prozent-Hürde entlastet werden; das halte ich für richtig. Ich halte aber nichts davon, dass man es per Verordnung macht, sondern immer per Gesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

15.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.

 


15.53.07

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine Herren Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin ja eigentlich froh darüber, dass wir das Thema kalte Progression heute hier dringlich diskutieren, weil es um eine ganz wichtige Entlastungsmaßnahme für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler geht.

Eingangs sei aber gesagt: Herr Kollege Strolz, ich bin froh darüber, dass ich eine andere Nachbarschaft habe als du! Bei mir steigt Gott sei Dank niemand aus und ein und holt sich Bügeleisen oder Pullover. Es ist dies aus meiner Sicht auch ein etwas schlechter Vergleich, um die kalte Progression erklären zu können.

Was ist diese kalte Progression eigentlich? (Abg. Strolz: ... das erste Mal ver­standen!) – Es ist ein durchaus sperriger Begriff, aber es geht um die jährlichen Lohn- und Gehaltsanpassungen. Man wächst mit diesem zusätzlichen Lohn – ich sage jetzt einmal, bei 2 000 € sind es 30 € Lohnerhöhung oder Gehaltserhöhung (Abg. Kogler: ... Partei der sozialen Kälte!) – in die jeweils nächsthöhere Steuerstufe hinein. Bei 2 000 € ist das die dritte Stufe, dann zahlt man 35 Prozent Lohnsteuer für diese 30 €, und man hat sozusagen keinen Durchschnittssteuersatz. Man müsste auch von diesen 30 € einen Teil steuerfrei haben und einen Teil mit 25 Prozent versteuert bekommen, aber das ist nicht der Fall. Und das ist eigentlich die kalte Progression, weil der Durchschnittssteuersatz für die Lohn- und Gehaltserhöhungen zu hoch ist.

Das habe ich jetzt einmal mit relativ einfachen Worten zu erklären versucht (Zwischenruf des Abg. Steinbichler), und das ist das, was sich natürlich im Laufe der Jahre zusammensammelt und den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern sozusagen weggenommen wird. (Abg. Steinbichler: Wer nimmt es weg?) Das ist ziemlich viel, wenn man das kumuliert sieht, auch bei dementsprechenden Anpassungen im Lohn- und Gehaltsbereich, und das wollen wir abschaffen. (Abg. Strolz: Ihr greift hinein!)


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Herr Kollege Strolz (Abg. Strolz: Ihr greift hinein!), du müsstest ja an und für sich das überarbeitete Regierungsprogramm gelesen haben. Anscheinend liest du andere Dinge, aber das nicht. Auf Seite 4 ist der dritte Punkt die Abschaffung der kalten Pro­gression. (Abg. Strolz: Vor Jahren schon versprochen!) Das steht da drinnen, es ist vereinbart, und Herr Finanzminister Schelling hat seinen Vorschlag bereits übermittelt. (Zwischenruf der Abg. Tamandl.) Er hat das Modell an unseren Koalitionspartner übergeben, und wir sind eben in einer Koalition mit der SPÖ, das ist so.

Du kannst das ja noch gar nicht beurteilen, du bist drei Jahre im Hohen Haus; eigentlich hast du es eh uns zu verdanken, dass du politisch überhaupt aktiv bist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Steinbichler.) Du bist nämlich bei uns in die Lehre gegangen, wenn man das so sagen darf. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abge­ordneten von ÖVP und NEOS.) Du bist seit drei Jahren in diesem Haus und bist Oppositionspolitiker – das ist in Ordnung, das ist okay –, aber du warst noch nie in einer Regierung, lieber Kollege Strolz! Wir sind seit 30 Jahren in einer Regierung, und dass es den Menschen in diesem Lande gut geht, dazu hat die ÖVP den wesentlichen Beitrag geleistet; das möchte ich auch einmal erwähnen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kogler: Wollen Sie sagen: Wäre die ÖVP nicht gewesen, würde es die NEOS nicht geben?) – Herr Kollege Kogler, hör zu!

Zum Modell des Finanzministers: Ich habe das jetzt mitgebracht, denn ich kann mir vorstellen, dass es nicht ganz einfach ist, das für die Zuseherinnen und Zuseher zu erklären. (Der Redner hält eine Tafel mit den Aufschriften „Abschaffung der kalten Progression“ und „Wir bleiben dran!“ in die Höhe.) Was wollen wir? – Es wird von diesen 80 Prozent gesprochen. Wir entlasten automatisch bei 5 Prozent Inflation die beiden unteren Stufen; da sprechen wir von einem Einkommen von bis zu 18 000 €.

Meine Damen und Herren! Wenn man über 1 850 € brutto pro Monat verdient, dann ist der Teil, der darüber geht, nicht mehr vollständig abgegolten. Das wollen wir nicht! Wir sind auch die Vertreter des Mittelstands, jener Menschen, die hart arbeiten, die ihre Leistung erbringen und die die meisten Steuern bezahlen. (Beifall bei der ÖVP.) Daher ist es wichtig, dass man auch die oberen Stufen wenigstens mit 4 Prozent abgilt – das sind genau diese 80 Prozent –, weil sich da natürlich in der Summe schon Folgendes ergibt: Das sind nicht mehr 228 € pro Jahr, sondern es sind dann 314, 458 oder 530 € pro Jahr, je nachdem, in welcher Steuerstufe man sich befindet.

Darum geht es uns von der ÖVP. Finanzminister Schelling hat meine vollste Unter­stützung, dieses Modell zur Umsetzung zu bringen. Ich kann nur an alle hier im Hohen Haus appellieren, dass wir das Modell umsetzen, denn dann sind 80 Prozent auto­matisch entlastet. Das haben sich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verdient, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Steinbichler: Anzahn!)

Ich versuche auch noch zu begründen, warum es uns so wichtig ist, dass diese 80 Prozent fix automatisch entlastet werden. Da gibt es zwei Punkte. Der erste ist: Was ich persönlich, ehrlich gesagt, nicht mehr haben möchte, ist, dass wir nach fünf, sechs Jahren eine Steuerreform einleiten müssen, weil sich eben die kalte Progression nie­der­schlägt, mit einem Volumen, wie wir es zuletzt gemacht haben – und die Steuer­reform wirkt ja! –, von 5 Milliarden €, das aber natürlich auch gegenzufinanzieren ist. Das ist schwierig, das ist eine Herausforderung. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.– Die Wirkung ist da, Kollege Steinbichler! Wir haben in etwa ein halbes Prozent zu­sätzliches Wachstum durch diese 5 Milliarden €, das kannst auch du nicht abstreiten. Du hast doch so viel wirtschaftliches Grundverständnis, dass du verstehen wirst (Abg. Tamandl: Nein!), dass diese 5 Milliarden € in die Kaufkraft gegangen sind! Daher wächst unsere Wirtschaft, das ist doch ein Vorteil! (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 146

Worum es uns geht, ist, dass wir einerseits nicht alle paar Jahre in diese Steuer­reformdiskussion sozusagen gedrängt werden und letzten Endes dann auch gegen­finanzieren müssen. Und das Zweite ist, dass damit der Großteil automatisch ent­lastet wird.

Der Progressionsbericht ist in Ordnung, wenn die darüber liegenden Summen, die da noch verteilt werden, dazu dienen, ein besonderes Signal zu setzen, dass man sagt: Okay, es gibt besondere Herausforderungen, besondere Merkmale bei den einzelnen Gruppen, beim Vergleich der Warenkörbe. Aber eine generelle Umverteilung vom Mittelstand nach unten wollen wir nicht mehr, meine Damen und Herren. Der Mittel­stand zahlt die meisten Lohn- und Einkommensteuern, das muss man auch einmal sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ganz zum Schluss bringe ich noch ein Beispiel: 1 500 € brutto, netto 1 200 €: 44 € Lohnsteuer pro Monat. Wenn man das Doppelte verdient, 3 000 brutto, bezahlt man 440 € Lohnsteuer im Monat. Man verdient das Doppelte und bezahlt das Zehnfache an Lohnsteuer! (Abg. Fekter: Ist ja ungerecht!) Meine Damen und Herren, da können wir nicht hergehen und sagen, wir entlasten diese beiden Fälle nach dem gleichen Muster. Das geht nicht.

Daher ist dieses Modell von Finanzminister Schelling aus meiner Sicht umzusetzen. Es ist ein gutes Modell, es ist ein nachhaltiges Modell. Die schleichende Steuererhöhung wird damit abgeschafft, das hat die vollste Unterstützung unseres Klubs. Ich appelliere an alle Abgeordneten, dieses Modell zur Umsetzung zu bringen, im Sinne unserer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Fekter: Bravo!)

16.00


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter DDr. Fuchs zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.00.17

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Um die kalte Pro­gression abzuschaffen, müsste man eigentlich nur einen Absatz in Paragraph 33 des Einkommensteuergesetzes ergänzen. Die Bundesregierung ist aber nicht einmal in der Lage, sich auf die Formulierung eines einzigen Absatzes zu einigen. Wenn sich Rot und Schwarz aber nicht einmal auf einen Absatz einigen können, wie will man sich dann bei den großen Reformvorhaben einigen, bei denen man ganze Gesetze ändern beziehungsweise neu beschließen muss? (Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.)

Das Beste für die Republik Österreich wäre sicher, wenn die Bundesregierung endlich den Weg für Neuwahlen frei machen würde. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Tamandl: Dann gibt’s keinen Untersuchungsausschuss!)

Man braucht sich nur die Zeitungsberichte der letzten sieben Tage durchzulesen, ich darf die „Presse“ vom 23. März 2017 zitieren: „Krainer forderte von Schelling via Aus­sendung ‚Handschlagqualität‘ und eine ‚ordentliche Gesetzesvorlage‘. ‚Wir erwarten uns, dass der Finanzminister sich an das hält, was die Koalition in der Regierung und im Parlament vereinbart hat‘, so der SP-Finanzsprecher. Schelling-Sprecherin Michaela Berger betont dagegen, dass das Finanzministerium seinen Part bereits erledigt und den Entwurf am 8. März dem Kanzleramt übermittelt habe: ‚Der Herr Krainer ist offen­bar desinformiert.‘“ – Die sitzen aber gemeinsam in einer Koalition!

„Einen anderen Entwurf werde es bis zum Verhandlungstermin mit Kanzleramts­minister Thomas Drozda [...] kommende Woche nicht geben.“ – Das war also Montag, der 27. März.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 147

Was ist bei diesem Verhandlungstermin am 27. März zwischen dem Finanzminister und dem Kanzleramtsminister herausgekommen? (Bundesminister Schelling: Das können wir Ihnen sagen, Herr Fuchs!) – Nichts, absolut nichts! Die SPÖ fordert vom Finanzminister „Handschlagqualität“ und eine „ordentliche Gesetzesvorlage“ – die wir uns eigentlich auch endlich wünschen –, und die ÖVP wirft dem SPÖ-Finanzsprecher vor, dass er „desinformiert“ ist. (Ruf bei der FPÖ: Stimmt doch!) Das ist der katastrophale Arbeitsstil dieser Bundesregierung! (Beifall bei der FPÖ.)

In Wirklichkeit ist sich die Bundesregierung nur über eines einig: Man will ein Placebogesetz zur Abschaffung der kalten Progression, die man in Wirklichkeit aber gar nicht zur Gänze abschaffen möchte. Die ÖVP möchte eine Inflationshürde von 5 Prozent einführen, das genaue Ausmaß der Entlastung soll dann aufgrund eines Progressionsberichts festgelegt werden. Zu guter Letzt kann die Valorisierung bei schlechter Wirtschaftslage überhaupt ausgesetzt werden. Die SPÖ will wiederum nur die ersten zwei Tarifstufen valorisieren.

Im internationalen Vergleich sind wir mit einer Abgabenquote von 44,4 Prozent im Jahr 2015 im Spitzenfeld der Höchststeuerländer. Das bedeutet bei einem öster­reichischen Durchschnittsgehalt, dass im Jahr 2015 fast jeder zweite Euro an den Staat geflossen ist. Die Steuerreform 2015/2016 hat da nicht viel Positives bewirkt, die Abgabenquote beträgt immer noch katastrophale 43 Prozent. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.)

Österreich gehört damit zu den wenigen EU-Ländern, denen die EU-Kommission so wie in den Vorjahren auch für 2017 und 2018 Reallohnverluste prophezeit, und der Herr Finanzminister will dagegen nichts machen. Nur die Abschaffung der kalten Progression kann den Mittelstand dauerhaft und real entlasten, aber nicht neue Steuern, wie zum Beispiel die SPÖ-Maschinensteuer oder die vom ÖVP-Umwelt­minister kürzlich ins Spiel gebrachte Steuererhöhung auf Diesel. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Brunner.)

Durch die Steuerreform 2015/2016 – da muss ich den Finanzminister korrigieren – werden den Steuerzahlern jene Milliarden zurückgegeben, die man ihnen bereits genommen hat. (Bundesminister Schelling: Falsch gerechnet!) – Das ist, glaube ich, Ihre falsche Rechnung. (Bundesminister Schelling: Na, Sie sind der Steuerberater!) Seit 2009 hat man den Steuerpflichtigen 10 Milliarden € weggenommen (Abg. Fekter: Davor Milliarden ...!), wie der Herr Finanzminister heute gesagt hat, und das gibt man ihnen jetzt offenbar zurück. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling. – Zwischenruf der Abg. Fekter.) Das heißt, das ist nur eine Teilrückzahlung des Betrags, den man ihnen bereits weggenommen hat. Und Herr Klubobmann Schieder verwechselt das sogar noch mit der Budgethoheit. Das ist ja lächerlich! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die kalte Progression greift nicht erst 2019, sondern bereits seit 2016 und muss daher sofort abgeschafft werden. (Abg. Krainer: Nein, seit 1945 greift die!) – Mittlerweile hat es ein paar Steuerreformen gegeben, aber das haben Sie offenbar nicht mitbekom­men, Herr Krainer, aber Ihre Partei ist ja erst seit kurzer Zeit in der Regierung. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.)

Die kalte Progression schlägt aber nicht nur beim Einkommensteuertarif zu, sondern auch – und das wird immer wieder unterschätzt – bei der Kapitalertragsteuer auf die Sparbuchzinsen. In Wirklichkeit kassiert der Herr Finanzminister hier Steuern auf Zinsen, die man real gar nicht bekommt. Zieht man nämlich von den Zinsen die Infla­tionsrate ab, bleibt real überhaupt nichts übrig. Das Geld wird also weniger, und der Finanzminister kassiert trotzdem Steuern. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.) Das ist eine Enteignung der fleißigen Sparer und eine Scheingewinn­be-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 148

steuerung, die genauso abgeschafft werden muss wie die kalte Progression. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Herr Finanzminister, Sie sind nicht für die Zinsen, aber für die Kapitalertragsteuer verantwortlich. Die Kapitalertragsteuer auf Zinsen hat im Jahr 2016 immerhin rund 1,1 Milliarden € betragen.

Österreichs Sparer wurden seit 2010 in Summe um 48 Milliarden € ärmer. Diese gewaltige Summe ergibt sich zum einen aus dem Kaufkraftverlust durch die Inflation, der rund 20 Milliarden € beträgt. Dazu muss man noch die vorenthaltenen Zinsen addieren, die in etwa 28 Milliarden € ausmachen.

Das heißt, Österreichs Sparer werden von dieser Regierung vierfach abgezockt: Wir haben die kalte Progression beim Einkommensteuertarif; wir haben Steuern auf Zin­sen, die es real gar nicht gibt; wir haben einen Kaufkraftverlust durch die Inflation; und letztlich haben wir einen Kaufkraftverlust durch vorenthaltene Zinsen. All das muss ein Ende haben, und daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMag. DDr. Hubert Fuchs, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der kalten Progression

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Finanzminister wird ersucht, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die kalte Progression abschafft. Dabei sind die Steuer-Tarifstufen des § 33 Abs. 1 EStG 1988 an die Inflation zu kop­peln und künftig per Verordnungsweg einmal jährlich zu erhöhen. Die Verordnung ist spätestens bis 30. Juni eines jeden Kalenderjahres im Bundesgesetzblatt kundzu­machen und gilt für die jeweiligen Tarifstufen ab 1. Jänner des Folgejahres der Kund­machung.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

16.07


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten DDr. Hubert Fuchs, Mag. Roman Haider und weiterer Abgeordneter

betreffend Abschaffung der kalten Progression

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stopp der heimlichen Steuer­erhöhung – Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger jetzt“

in der 173. Sitzung des Nationalrates am 31.3.2017

Die bisher fixen Steuer-Tarifstufen im Einkommensteuergesetz (EStG 1988) bringen dem Finanzminister auf Grund der „kalten Progression“ jedes Jahr ein Körberlgeld in Milliardenhöhe. Viele Steuerzahler bekommen nämlich jährlich eine Lohnerhöhung, die


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sich an der Teuerungsrate orientiert. Das bedeutet zwar nominell einen höheren Lohn, aber real nur den Erhalt der Kaufkraft. Ohne also real mehr zu verdienen, rutschen viele Steuerzahler in die nächsthöhere Steuerklasse und zahlen somit mehr Steuern. Unterm Strich bedeutet das weniger Kaufkraft für den Einzelnen und Mehreinnahmen beim Finanzminister. Dies ist eine Enteignung des Steuerzahlers bzw. eine jährliche Steuererhöhung ohne Gesetzesbeschluss.

Diese Ungerechtigkeit muss beendet werden. Die Steuer-Tarifstufen sind daher an die Inflation zu koppeln und automatisch zu valorisieren.

Auch die sogenannte Steuerreform 2015/2016 ändert nichts an der Notwendigkeit, die kalte Progression mit sofortiger Wirkung abzuschaffen. Durch die Steuerreform 2015/2016 werden nämlich den Steuerzahlern seit 1.1.2016 jene Milliarden Euro teil­weise zurückgegeben, die man ihnen seit 2009 durch die kalte Progression bereits weggenommen hat. Im Übrigen führen Lohnerhöhungen im Jahr 2016 sowie in den Folgejahren dazu, dass die kalte Progression bereits wieder zuschlägt und die durch die Steuerreform erzielten Effekte spätestens 2019 wieder weg sind.

Der Bundesminister für Finanzen soll demnach mit sofortiger Wirkung gesetzlich ermächtigt werden, zur Abgeltung der Inflation die Tarifstufen des § 33 Abs. 1 EStG 1988 einmal jährlich im Verordnungsweg zu erhöhen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Finanzminister wird ersucht, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die kalte Progression abschafft. Dabei sind die Steuer-Tarifstufen des § 33 Abs. 1 EStG 1988 an die Inflation zu koppeln und künftig per Verordnungsweg einmal jährlich zu erhöhen. Die Verordnung ist spätestens bis 30. Juni eines jeden Kalenderjahres im Bundesgesetzblatt kundzumachen und gilt für die jeweiligen Tarifstufen ab 1. Jänner des Folgejahres der Kundmachung.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Mag. Rossmann zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.08.09

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Finanz­minister! Hohes Haus! Herr Kollege Krainer ist gerade nicht da (Ruf bei der SPÖ: Er ist geflüchtet vor dir! – Abg. Kassegger: Ist ja nicht sein Ausschuss!), aber die kalte Progression wirkt in Wirklichkeit seit der Einführung eines progressiven Steuertarifs, und einen progressiven Steuertarif haben wir in Österreich seit Ende des 19. Jahr­hunderts. Ich darf daran erinnern, dass Eugen Böhm von Bawerk jener Finanzminister war, der das progressive Steuersystem in Österreich eingeführt hat. Dieses pro­gres­sive Steuersystem führt natürlich zu Verzerrungen durch Inflationssteigerungen, darauf wurde schon hingewiesen. Diese Verzerrungen waren unter Umständen nicht beab­sichtigt, das ist schon richtig. Das System führt aber auch zu Verzerrungen im Bereich des Transfersystems.

Nachdem ich mir jetzt die Ausführungen von einzelnen Abgeordneten der NEOS angehört habe, bin ich mir nicht sicher, ob es den NEOS nur darum geht, die infla-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 150

tionsbedingten Effekte der tatsächlichen kalten Progression abzugelten. Ich habe da ein bisschen herausgehört, dass es auch darum geht, die realen Effekte von pro­gressiven Steuersystemen abzugelten. – Das kann es ja nicht sein, da würden wir uns ja von einem progressiven Steuertarif verabschieden! (Abg. Strolz: Nein, nein! Das haben wir sogar in unserem Programm!) Das wäre sozusagen ein Abschied vom Leistungsfähigkeitsprinzip, und das kann offensichtlich nicht gemeint sein. – Na gut.

In einem Punkt bin ich Ihnen dankbar, Herr Finanzminister, nämlich dass Sie darauf hingewiesen haben, dass die Steuerreform 2015/2016 in Summe zu einer Überkom­pensation jener zusätzlichen Belastungen geführt hat, die sich seit 2009 aus der kalten Progression ergeben haben. Die Verteilung, auf die ich später noch zu sprechen kommen werde, ist eine andere Sache.

Das kann man ganz einfach feststellen, indem man sich die gesamte Lohnsteuerquote anschaut: Ja, die war Ende 2015 sehr hoch, sie ist auch seit 2009 stetig gewachsen, war eine der höchsten. Sie ist aber im Jahr 2016 dramatisch gesunken. Das Ganze kann man einem Wifo-Monatsbericht von Mai 2015 entnehmen, da ist eine schöne Kurve drinnen. Man sieht, dass die Lohnsteuerquote 2016 unter dem Niveau vom Ende der 1990er-Jahre liegt. Das heißt, dass diese Lohnsteuerentlastung in Höhe von jährlich 5 Milliarden € – der Finanzminister hat es gesagt – in der Tat zu einer Über­kompensation führt.

Das ist wichtig, weil in Österreich auch Studien Furore gemacht haben, die sagen, dass es diese Überkompensation nicht gebe, sondern dass die kalte Progression der letzten Jahre durch diese Steuerentlastung nur zum Teil abgegolten worden sei. Auch von einigen Oppositionsparteien, auch von den NEOS wird das immer wieder behaup­tet. Diese Studie, von der ich spreche – man findet sie auch in der Kurzstudie des Budgetdienstes, dem ich den Auftrag gegeben habe, alle österreichischen Studien in Österreich zusammenzufassen –, diese Studie ist wenig plausibel, das steht auch im erwähnten Monatsbericht. Herr Finanzminister, daher bin ich ganz bei Ihnen, wenn Sie auf die Überkompensation hinweisen.

Das ist aber jetzt noch keine Antwort auf die Frage, ob man die kalte Progression tatsächlich abgelten soll oder nicht. – Ja, natürlich soll man die kalte Progression abgelten! Das ist ja keine Frage. Dafür gibt es verschiedene Begründungen. Es gibt eine makroökonomische Begründung: Die Entwicklung der real verfügbaren Einkom­men soll möglichst stetig erfolgen. Das macht durchaus Sinn.

Es ist aber auch so, dass die kalte Progression verteilungspolitische Konsequenzen hat. Da möchte ich Ihnen schon widersprechen, Herr Finanzminister: Sie haben heute im „Morgenjournal“ gesagt, die kalte Progression eigne sich nicht für verteilungs­politische Maßnahmen. – Die kalte Progression per se hat aber verteilungspolitische Konsequenzen, und daher muss auch die Beseitigung der kalten Progression etwas sein, das mit Verteilungspolitik zu tun hat. Das ist doch ganz klar. (Beifall bei den Grünen.)

Daher stellt sich für mich schon die Frage, wie die kalte Progression tatsächlich be­seitigt werden soll. Ich möchte damit beginnen, dass Sie, Herr Finanzminister, ja ur­sprünglich ein anderes Modell vorgeschlagen haben, nämlich dass ab einer Schranke von 5 Prozent die durchschnittliche Inflationsrate herangezogen werden soll, um die kalte Progression abzugelten.

Es gibt aber eine Studie des Ineq-Instituts, das sich mit Ungleichheiten von Steuern und Steuersystemen beschäftigt. Dieses Institut hat uns klipp und klar vorgerechnet, dass aufgrund der Tatsache, dass untere Einkommen einen ganz anderen Warenkorb und eine ganz andere Ausgabenstruktur haben als obere Einkommen, die durch­schnittliche Inflationsrate für die Abgeltung der kalten Progression nicht geeignet ist.


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Warum ist sie nicht geeignet? – Na ja, die unteren Einkommen sind in der Tat stärker durch jene Preistreiber betroffen, die wir Monat für Monat in der Inflationsentwicklung sehen: die Preise für Nahrungsmittel, die Preise für Wohnen und die Preise für Energie. Nun sind es einmal die unteren Einkommensempfänger, die von diesen Aus­gaben relativ stärker belastet sind als die oberen Einkommensempfänger; die haben nämlich eine ganz andere Ausgabenstruktur, die haben beispielsweise deutlich höhere Ausgaben für Freizeit, Kultur, Mobilität und andere Dinge.

Schauen wir uns die Vergangenheit seit 2009 an: Wenn man die durchschnittliche Inflationsrate als Maßstab für die Abgeltung nähme, so würde das dazu führen, dass die untere Einkommenshälfte unterkompensiert und die obere Einkommenshälfte überkompensiert würde – und das kann es ja nicht sein, dass man durch die Abgeltung der kalten Progression eine Umverteilung von unten nach oben macht und die Schere zwischen Arm und Reich ... (Bundesminister Schelling: Nur wenn Sie die Transfers nicht mitrechnen!) – Lassen wir einmal die Transfers außen vor! (Bundesminister Schelling: Wieso?!) – Ich komme noch darauf zurück. Im Übrigen ist es ja so, dass die Transfers ja auch von der Inflationsrate betroffen sind. Wenn nämlich die Transfers nicht an die steigenden Preise angepasst werden, bedeutet das natürlich, dass die Transfers an die unteren Einkommen, die Sie immer meinen, immer weniger wert werden. Da müsste man dann auch darüber reden, dass wir nicht nur die kalte Pro­gression im Steuersystem abgelten, sondern auch bei den Transfers eine auto­matische Anpassung machen; dann könnte ich Ihnen folgen, Herr Finanzminister, aber sonst kann ich das leider nicht. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.)

So kommt es zu einer Auseinanderentwicklung der Schere zwischen oberen Ein­kommen und unteren Einkommen, und das vor dem Hintergrund, dass wir eine Steuer­entlastung haben, bei der 80 Prozent dieser 5 Milliarden € an die obere Einkom­menshälfte und nur 20 Prozent an die untere Einkommenshälfte gegangen sind. Das habe ich ja vorher gemeint. (Bundesminister Schelling: Weil die untere gar keine Lohnsteuer zahlt!– Ich komme gleich darauf zurück. – Eine Überkompensation ist ja gut und schön, aber man muss sich auch genau anschauen, welche Einkommen überkompensiert werden. Das ist doch die entscheidende Frage.

Die unteren Einkommen zahlen keine Lohn- und Einkommensteuer: Das ist ja schön und gut, Herr Finanzminister, ich hätte aber schon gerne eine Gesamtbetrachtung. Die unteren Einkommen zahlen natürlich wie alle anderen auch Verbrauchsteuern und Sozialversicherungsbeiträge (Abg. Kogler: Relativ höher!), und die Sozialversiche­rungsbeiträge und die Verbrauchsteuern belasten die unteren Einkommen relativ stär­ker als die oberen. An dieser Tatsache kommen Sie nicht vorbei. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Tamandl.)

Unser Steuersystem ist ja im Wesentlichen proportional, das zeigt doch die Ver­teilungsstudie des Wirtschaftsforschungsinstituts. Das sollten Sie sich einmal an­schauen, bevor Sie sich hier herausstellen und etwas behaupten, das nicht stimmt! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kogler: Das ist eine Frage der Volksschul­mathe­matik! – Abg. Tamandl: Ich bin voll dafür, dass wir uns die Sozialabgaben anschauen!)

Schauen Sie sich einmal anhand des Einkommensberichts an, wie die Entwicklung der Einkommen gewesen ist! Die unteren Einkommen bleiben real deutlich hinter den oberen Einkommen zurück, und das muss man bei der Gestaltung eines Steuer- und Transfersystems und bei der kalten Progression natürlich berücksichtigen. Nur so kann man zu einer Lösung kommen, die in der Tat verteilungsgerecht ist, und das wollen wir ja. Das wollen wir insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass eben die unteren Einkommen in ihrer realen Entwicklung so stark zurückgeblieben sind. Werfen Sie bitte einen Blick in den Einkommensbericht, der uns vor wenigen Monaten zugestellt wurde!


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Eines vielleicht noch, Herr Finanzminister: Ich bin schon entschieden dagegen, das im Verordnungswege zu regeln. Das muss und kann nur eine Materie des Parlaments bleiben. Sorry, da bin ich ganz bei Herrn Kollegen Schieder.

Sie sagen, dass Ihr Modell, das Sie dargestellt haben – für das ja einiges spricht – 1,1 Milliarden € kosten wird; das haben Sie mir in einer Anfragebeantwortung geschrieben. Ich möchte Sie aber schon fragen: Wie wollen Sie diese 1,1 Milliarden € gegenfinanzieren? – Sie sagen, Sie wollen es ausschließlich über die Ausgabenseite machen. Ich will das schon ganz genau wissen, denn es kann natürlich leicht sein, dass Kürzungen auf der Ausgabenseite dazu führen, dass frischweg wieder jene Einkommen belastet werden, die man eigentlich auch entlasten wollte, nämlich die unteren. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Tamandl.)

16.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte. (Bundesminister Schelling: Was haben wir heute, Bananen oder Orangen? – Abg. Steinbichler – auf dem Weg zum Rednerpult –: Wirst es gleich sehen!)

 


16.18.39

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Die Frage des Ministers war, ob wir heute Bananen haben, ich werde das gleich beantworten. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Überschrift: „Arbeiter verlieren, Beamte gewinnen“, auf der drei Grafiken zu sehen sind, auf das Rednerpult. – Abg. Kogler: Einkommensbananen!)

Frau Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Wir verlegen die Früchtediskussion nach vorne: Sehr geehrter Herr Minister, du hast eine Anfragebeantwortung an die ober­österreichische Landwirtschaftskammer, an Präsident Reisecker betreffend die Wiedereinführung des Agrardiesels geschickt – 25 Länder in Europa haben ihn, das ist auch Geld, das in deiner Wirtschaftskasse fehlt. In dieser Beantwortung findet sich irgendwie die Beschuldigung, dass die Bauern den Agrardiesel nicht bräuchten, weil sie mit Heizöl fahren – jetzt hätte ich bald gesagt: mit Palmöl fahren. Daher möchte ich dir im Gegensatz zur Gesundheitsministerin eine Zitrone überreichen. (Der Redner überreicht Bundesminister Schelling eine Zitrone. – Beifall der Abg. Schenk. – Bundesminister Schelling: Die kommt aber nicht aus österreichischem Anbau!)

Der zweite Minister, dem ich nach der gestrigen Diskussion auch eine überreichen wollte, weil er nicht besser beraten hat, ist Minister Rupprechter. Ich lege sie (eine weitere Zitrone auf der Regierungsbank ablegend) auf seinen Platz. (Beifall der Abg. Schenk. – Abg. Tamandl: Ich hoffe, die ist nicht gespritzt!) Das gehört einfach dazu, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, und wenn wir es schaffen, Zitronen in Österreich zur Lebensmittelverwertung und nicht nur als Zierbaum zu züchten, dann bekommen Sie auch eine österreichische.

Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt schon gute Beiträge gehört. Ich denke besonders an jenen des Herrn Kollegen Rossmann, der – wenn ich anschließen darf – das heruntergebrochen hat, was ich an und für sich auch mit dieser Tafel (auf die Tafel auf dem Rednerpult verweisend) zum Ausdruck bringen möchte: den Kaufkraftverlust, das Auseinanderklaffen, den Hinweis darauf, dass die Arbeitnehmer 17 Prozent Kaufkraftverlust haben hinnehmen müssen. Da kann man schon fragen, was das mit der kalten Progression zu tun hat.

Ich möchte den Bogen schließen: Kollege Wöginger hat gesagt, das ist ein ganz eigenes Thema, was Kollege Strolz da mit den versäumten Reformen dieser Bun­desregierung angesprochen hat, aber das ist genau der Ausfluss, das Ergebnis dieser Versäumnisse. Und, Kollege Wöginger, es ist die Regierung! Es ist die Regierung, aber


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Sie betreiben immer Sippenhaftung. Geht es nach Ihnen, ist es nämlich immer das ganze Parlament. Ihr wisst genau, wie in den Ausschüssen gestimmt wird, ihr wisst genau, wie hier herinnen gestimmt wird. Die gleiche Diskussion hatten wir schon gestern im Zusammenhang mit dem Agrarbericht. Wenn etwas schiefgeht, wenn sich eine Schieflage ergibt, dann ist immer vom Parlament die Rede. – Nein! Die Regierung hat die Zügel in der Hand, und die Regierung hat die Vorschläge auch umzusetzen.

Sie betreiben Ankündigungspolitik vor den Wahlen, das wissen wir. Es gibt immer ein super Wahlprogramm. Gestern sei gestern gewesen, Sie könnten nichts dafür, meinen Sie jedes Mal, in der nächsten Periode würden Sie es viel besser machen. Wir wissen beziehungsweise zeigt das das Ergebnis: Es wird von Periode zu Periode schlechter. Wir bekommen eine Zweiklassengesellschaft. Wir diskutieren hier über ein sehr hohes Niveau, die Bevölkerung draußen versteht aber immer weniger und sucht nach einem Zusammenhang zwischen dem, worüber wir reden, und der Realität.

Ich denke, der wesentliche Ansatz – und jetzt komme ich wieder auf Kollegen Rossmann zu sprechen – ist, dass man den Klein- und Mittelverdiener mehr verdienen lässt. Warum? – Weil der regional investiert, weil der regional ausgibt. Er hat wahr­scheinlich ohnehin nicht die Chance, dass er in Urlaub fährt, aber er will sich ein bisschen etwas leisten und investiert das bisschen, das er bekommt, und zwar in der Region. Das hilft der regionalen Wirtschaft, das hilft den Klein- und Mittelunternehmen, und das möchte ich in dieser Diskussion ganz besonders erwähnen.

Das Thema Industrie 4.0 ist natürlich wichtig, ich habe es gestern schon gesagt, das ist klar, aber 70 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeiten in KMUs und EPUs. Das wird völlig unterschätzt, auch aus Sicht der Umwelt, auch aus Sicht der zusätzlichen Kosten. Jemand, der in seiner Heimatgemeinde oder im näheren Umkreis einen Arbeitsplatz hat, braucht nicht zwei Pkws, braucht nicht doppelt Kfz-Steuer zu zahlen, braucht nicht zwei Autos zu unterhalten.

Ich habe schon letztes Mal gesagt, Kolleginnen und Kollegen von der zweiten Regie­rungspartei, wir müssen bei der Diskussion über eine Arbeitszeitverkürzung endlich einmal mitberücksichtigen, welch lange Wege zur Arbeit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitunter haben. Das ist auch Zeit, die für Freizeit fehlt, das ist auch Zeit, die für Familienzeit fehlt, das ist auch wertvolle Zeit, die für Erholung fehlt. Deshalb, glaube ich, müssen wir die Diskussion fair ansetzen und völlig neu aufbauen, sonst wird das nicht nur im Lebensmittelbereich, sondern im medizinischen Bereich oder auch, wie wir gestern gehört haben, bei den Wohnungen, die nämlich nicht mehr leistbar sind, zu einer Zweiklassengesellschaft führen.

In diesem Zusammenhang darf ich übrigens noch etwas festhalten, was ich gestern nicht gesagt habe: Es sind viele Sozialwohnungen zu Tarifen blockiert, die auf dem Markt nicht freigegeben werden, und zwar besonders im Wiener zentralen und urbanen Raum, das muss man auch in aller Deutlichkeit sagen.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, einen Punkt, den der KTM-Chef Pierer immer erwähnt. Stefan Pierer sagt, wir reden angesichts der hohen Steuerbelastung in Österreich nicht mehr von Lohnnebenkosten, sondern bereits von Lohnhauptkosten. Da ist meiner Meinung nach anzusetzen: Dieses Geld muss in die Taschen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Die Körperschaftsteuer wurde auch angesprochen, und auch da, Herr Minister, ist Handlungsbedarf gegeben! Wir haben gestern gehört, dass auch einige gemeinnützige Wohnbauträger von der Körperschaftsteuer befreit sind, obwohl sie von der Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen dafür weit weg sind. Ich denke, das verstärkt das Problem am Wohnungsmarkt.


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Einen Punkt möchte ich auch noch erwähnen, nämlich die fehlenden Strukturen. – Deutschland zehrt immer noch von der Agenda 2010, mit deren Einführung damals Kanzler Schröder unter Mitwirkung des Sozialökonomen Wiegard zeitgerecht reagiert hat. Deutschland profitiert immer noch von diesen Strukturreformen, die damals einge­leitet worden sind.

Eine Bitte, Herr Minister – für dich ganz persönlich auch etwas, womit du dein Budget aufbessern kannst; ich kann es einfach nicht verschweigen, obwohl wir gestern gesehen haben, wie vehement es vermieden wird, dieses Thema anzusprechen –, weil bisher ja so viele von Überschüssen im Lebensmittelbereich gesprochen haben: Bediene dich des Instruments der Steuer – ich glaube, du bist dafür geeignet – für Palmöl, für Palmfett! Es bedroht unseren ländlichen Raum enorm, es verursacht Unsummen an Gesundheitskosten und auch an Kosten im Asylantenbereich, weil die Leute aus ihrer Heimat vertrieben werden. Mit einer Steuer darauf kannst du wirklich eingreifen, kannst du einen Spielraum dafür schaffen, dass regionale Produkte, gesunde Produkte statt der Substitute aus dem Regenwald verwendet werden. Dann haben wir für die Erhaltung von Arbeitsplätzen, für das Klima, für die Umwelt und ganz besonders für unsere Gesundheit etwas getan. Darum bitte ich. (Beifall der Abg. Schenk. – Bundesminister Schelling: Einsamer Applaus! – Abg. Schenk: Es zählt die Qualität und nicht die Quantität!)

16.26


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.

 


16.26.13

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Finanz­minister! Der Klubobmann der SPÖ hat vorhin von der Sprechblase der NEOS gesprochen. Wenn ich jetzt die Sprechblase der Regierungsparteien und der Regie­rung selbst füllen müsste, dann würde das folgendermaßen lauten: Gags, Gags, und Gags. Etwas anderes kann es nämlich nicht sein, wenn man im Zuge einer Lohn­steuerreform davon ausgeht, dass man die Kosten durch die kalte Progression ohnehin spätestens 2019 wieder eingenommen hat. Das zeigt, dass Sie es nicht ernst meinen.

Lieber Herr Finanzminister! Sie sagen, das sei ein Geschenk der Steuerzahler an Sie. Da frage ich schon: Wie viele freiwillige Geschenke gibt es? – Das ist auch kein Geschenk, sondern es ist ein Bankraub ohne Pistole. Das ist es, wie so oft: über die Hintertür hinein. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist kein Geschenk, und wenn Sie von Geschenken der Steuerzahler an Sie reden, dann ist das unfair, wenn man bedenkt, dass der Staat noch nie so viel eingenommen hat, dass der Staat noch nie so viele Möglichkeiten gehabt hat, sparsamer zu wirtschaften und diese kalte Progression endlich abzuschaffen. Pröll hat es getan, Spindelegger hat es getan, und jetzt sind Sie es, der angekündigt hat, das bis spätestens 2016 umzusetzen – und heute erklären Sie uns, darüber werde verhandelt. Welchen Schluss zieht der gelernte Österreicher daraus? – Wenn es in Verhandlung ist, ist es noch lange nicht durch!

Wir glauben auch nicht mehr daran, dass Sie das durchsetzen können. Wenn nämlich die Arbeiterkammer, die Gewerkschaft und Sie zunächst einmal diese 5-Prozent-Hürde vorsehen, dann wird diese Maßnahme ohnehin erst im Jahr 2021 schlagend. Das ist, wie gesagt, ein Bankraub ohne Pistole, und ich muss einfach sagen, ich finde es unfair, wenn Sie dann von Geschenken des Steuerzahlers an Sie sprechen.

Hören Sie einmal auf mit Geschenken an die Landeshauptleute, mit Geschenken an andere Fraktionen, hören Sie auf mit Dingen wie den höchsten Parteiförderungen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 155

dieser Welt! Hören Sie auf damit, denn das sind Geschenke, die Sie ohne die Zustimmung der Steuerzahler verteilen! Das ist der Punkt.

Folgendes möchte ich noch einmal erwähnen, weil Herr Kollege Schieder davon gesprochen hat, dass die Gehälter irgendwie von der Kammer und der Gewerkschaft gemacht werden. Diesbezüglich habe ich als Unternehmer ein bisschen ein anderes Gefühl. Worauf will ich hinaus? – Die Masse jener, die immer mehr ausgepresst werden, wird immer kleiner, und das ist der Mittelstand, das sind die Steuerzahler, das sind jene, die mich als Unternehmer betreffen; als Unternehmer, nicht als Politiker, das muss ich vorausschicken, bevor mir wieder irgendetwas angedichtet wird. Es betrifft mich als Unternehmer, es betrifft meine gut verdienenden Mitarbeiter, die draufzahlen.

Ich finde es besonders schändlich, Herr Minister, wenn man dann von Geschenken der Steuerzahler an Sie spricht. (Beifall bei den NEOS.) Nehmen Sie diese Geschenke einfach nicht an! Es befiehlt Ihnen ja niemand, diese Geschenke anzunehmen. (Bun­desminister Schelling: Sie haben nicht zugehört!) – Doch, ich habe sehr gut zugehört. (Bundesminister Schelling: Das glaube ich nicht!)

Lassen Sie mich auch noch etwas dazu sagen, dass Sie ja etwas budgetiert haben! Sie haben auch bei der letzten Steuerreform budgetiert, dass durch die Betrugsbe­kämpfung 800 bis 900 Millionen € hereinkommen werden. Wir wissen mittlerweile, dass es maximal 200 Millionen € sind. (Bundesminister Schelling: Vom Herrn Schneider oder von wem wissen Sie das?) – Vom Plenardienst (Abg. Krainer: Budgetdienst!), und das wissen Sie auch. Der hat es berechnet, und ich glaube nicht, dass Professor Schneider als Sündenbock herangezogen werden kann. Ich schaue mir das alles genau an, denn wie damals die Unternehmer drangsaliert wurden, wie damals die Unternehmer ins falsche Licht gerückt wurden, weil im kollektiven Verfahren alle als Betrüger hingestellt wurden, das geht nicht! – Und Sie sprechen von Geschenken?!

Lassen Sie mich zu guter Letzt noch sagen – weil ich glaube, dass das auch etwas mit Rückgrat zu tun hat, wie man agiert, was man macht, was ein Politiker macht –, ich glaube, in dieser Causa hat die Politik, haben die Regierenden wenig Rückgrat bewiesen, eher das Rückgrat eines Gartenschlauchs (ein Stück Gartenschlauch in die Höhe haltend), indem sie sich winden, wie es nur geht.

Wenn wir von Politikverdrossenheit sprechen, wenn wir davon sprechen, dass diese Politik niemand mehr ernst nimmt, dass sich viele von dieser Politik abwenden, weil wir Versprechungen brechen oder nicht einhalten, weil wir Haltungen über Bord werfen und weil wir am Sessel kleben, dann möchte ich auch meine persönliche Meinung über dich, lieber Christoph Vavrik – und das ist meine persönliche Meinung –, kundtun: Das (neuerlich das Stück Gartenschlauch in die Höhe haltend) ist dein Rückgrat – ein Rück­grat, wendig wie ein Gartenschlauch. So, wie du hier agierst, sollte man es nicht machen. Du hast den Platz gewechselt, das ist schön für dich, aber das ist eine Haltung, die zeigt, wie leicht man vergisst, für wen man ins Parlament eingezogen ist, und wie leicht man auch in ein anderes Lager wechseln kann. (Abg. Tamandl: Wo kommst denn du her, Herr Kollege?) Dass natürlich dieser Schlauch (das Stück Gartenschlauch abermals in die Höhe haltend) im Lagerhaus, also auf der schwarzen Seite, gekauft wird, ist ganz klar, aber er gehört dir. Und ich finde, das ist unanständig. Das ist unanständig! (Abg. Fekter: Du warst auch einmal bei der ÖVP!)

Mit dieser Praxis muss endlich gebrochen werden! Man muss wissen, wofür man ge­wählt worden ist, für welche Fraktion man gewählt worden ist, und man muss den An­stand haben, zurückzutreten, sein Mandat zurückzulegen, seinen Platz freizumachen und sich nicht von anderen einkaufen zu lassen. Euch (in Richtung ÖVP) wählt sowieso bald niemand mehr! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

16.32



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 156

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Vogl. – Bitte.

 


16.32.15

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Mathematik ist eben oft nicht ganz einfach! In dieser Dringlichen wird nach dem Entlastungsvolumen gefragt, und als Antwort ist gekom­men, es waren einmal 3 und einmal 5 Milliarden €, und auf die Frage nach der Belas­tung durch die kalte Progression folgte die Antwort: 10 Milliarden €. Na ja, das kann man schon ein bisschen verwechseln: Das eine ist die Gesamtbelastung durch die kalte Progression, und das andere ist die Entlastung pro Jahr. Wenn wir uns jetzt die Jahre 2016 und 2017 anschauen, werden wir sehen, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler 10 Milliarden € weniger Lohnsteuer zahlen. Das ist das, was durch die kalte Progression über den gesamten Zeitraum entstanden ist.

Daran erkennt man aber auch den Erfolg der Steuerreform 2016, die wir gemeinsam mit der Bundesregierung beschlossen haben. (Abg. Weninger: So einfach wäre es!) Jetzt haben wir gemeinsam mit der Bundesregierung beschlossen, dass wir einen weiteren Schritt gehen, einen weiteren Schritt machen, um für mehr Steuergerech­tigkeit zu sorgen, indem wir nämlich bei der kalten Progression einen ersten Schritt in Richtung Erleichterung setzen. Ja – und das ist ja in der Diskussion schon heraus­gekommen –, in einer großen Koalition ist es natürlich klar, dass es unterschiedliche Ansätze gibt, wie man dieses Ziel erreicht, aber ich denke, dass der Kompromiss, der gefunden worden ist, nämlich bei den unteren Einkommen anzufangen, ein sehr guter ist.

Ich darf das jetzt vielleicht einmal ein bisschen erklären, und in diesem Fall, lieber Leo, rede jetzt ich einmal von der Praxis! Wenn wir, die Gewerkschaften, Jahr für Jahr für die Menschen in unserem Land antreten, um dafür zu sorgen, dass sie angesichts dessen, dass sie mehr erwirtschaftet haben, auch mehr Einkommen haben, dann spielen dabei mehrere Faktoren eine Rolle.

Es ist schon angeklungen – Kollege Rossmann hat es angesprochen –, die Inflation ist nicht für jeden gleich, Inflation ist etwas sehr Subjektives. Darum gibt es ja auch immer die Diskussionen rund um die Erhöhung der Pensionen. Es gibt einen Miniwarenkorb, es gibt einen Mikrowarenkorb. Die Güter des täglichen Bedarfs haben eine andere Preisentwicklung als andere Produkte, deshalb ist es sehr wichtig, darauf zu schauen, wie die Belastungen in diesem Land tatsächlich verteilt sind, und das ist die Aufgabe, die die Gewerkschaft hat. Es ist für uns Gewerkschafter auch keine leichte Aufgabe, einfach anzutreten und für jeden 2 Prozent zu fordern. Was bedeutet denn 1 Prozent Erhöhung, wenn jemand 1 000 € verdient? – 1 Prozent Erhöhung bei einem Einkom­men von 1 000 € bedeutet 10 € mehr pro Monat. (Abg. Steinbichler: Was tut die Gewerkschaft dagegen?) Was bedeutet das für jemanden, der 4 000 € verdient? – Das heißt 40 € mehr pro Monat. In unserem Fall sind es 80 € mehr. Also einfach für jeden das Gleiche zu fordern heißt nicht, dass wir jeden gleich behandeln und dass das fair und gerecht ist. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Genau!)

Deshalb müssen auch wir Gewerkschafter uns immer der Herausforderung stellen, für ein gerechtes Einkommenssystem zu sorgen. Wie schaffen wir es, dass die unteren Einkommen mitgezogen werden? – Indem wir Sockelbeträge einziehen, indem wir höhere prozentuelle Abschlüsse in den unteren Bereichen anstreben und nach oben hin einen Deckel einführen. Das heißt, es ist die Aufgabe der Gewerkschaft, dies­bezüglich für Gerechtigkeit zu sorgen.

Im Zusammenhang mit einem progressiven Steuersystem haben wir gesagt, eine Progression ist fair, jeder kann unterschiedlich viel tragen. Wir haben ein System fest-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 157

gelegt, von dem wir glauben, dass es fair ist. Wenn wir jetzt aber glauben, ein pro­gressives Steuersystem mit einem linearen Erhöhungsansatz gerecht und fair gestalten zu können, dann ist zu sagen, das ist ein Trugschluss. Das führt zu einem unfairen System, weil es unterschiedliche Auswirkungen gibt. Jeder von uns ist von dem Effekt der kalten Progression unterschiedlich betroffen, und jetzt mit dem Lineal drüberzufahren und zu sagen, lineare Erhöhung bringe Gerechtigkeit, ist der falsche Ansatz.

Die Umsetzung des Arbeitsprogramms, so wie wir es beschlossen haben, nämlich bei den unteren beiden Einkommensstufen zu erhöhen, bringt einen fairen Ausgleich über alle Steuerstufen. (Abg. Fekter: Nein, das stimmt nicht! Der Mittelstand zahlt ja überproportional wieder!) Es geht um einen fairen Ausgleich über alle Steuerstufen. Damit werden alle gleichermaßen entlastet – in dem Umfang, in dem sie sozusagen sonst mehr zahlen würden.

Frau Fekter, Sie haben vollkommen recht! (Abg. Fekter: Sie schröpfen ja wieder die Falschen, nämlich den Mittelstand!) – Frau Fekter, als ehemalige Finanzministerin sollten Sie wissen, dass wir die Menschen nicht schröpfen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Fekter: Aber wie! Aber wie!) Es geht darum, dass die Menschen einen fairen Anteil an der Finanzierung unseres gesamten Staates leisten sollen. Es geht darum, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass die Aufgaben des Staates wahrgenommen werden können, und dazu muss jeder das beitragen, was er leisten kann. Wir sind unter­schiedlich leistungsfähig, und deshalb haben wir dieses progressive System. Wir reden nicht von einem Schröpfen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. (Neuerliche Zwischenrufe der Abg. Fekter.)

Frau Fekter! Am Ende des Tages wird uns eines nicht erspart bleiben, am Ende des Tages werden wir trotz allem eines machen müssen: Wir werden auch in Zukunft nicht um eine Lohnsteuerreform herumkommen. (Abg. Fekter: Das ist ungerecht!) Und bei dieser Lohnsteuerreform wird es ganz, ganz wichtig sein, zu schauen, wo die Belas­tungen tatsächlich liegen und wo es daher notwendig ist, zu entlasten. Mit einem rein linearen Ansatz werden wir keine Lösung finden. (Abg. Fekter: Sie wollen nur umver­teilen! Das interessiert Sie! Es interessiert Sie nicht, dass der Mittelstand ausgesaugt wird!) Der Vorschlag für die unteren beiden Einkommen-/Lohnsteuerstufen, der auf dem Tisch liegt, der gemeinsam beschlossen und abgestimmt worden ist, ist fair und gerecht und wird von uns natürlich unterstützt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schopf: Frau Fekter, Sie hätten es damals machen können! – Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Fekter: Habe ich eh gemacht! 3,3 Milliarden von den Schweizern zurückgeholt! 3,3 Milliarden! Da ist das locker finanziert!)

16.37


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Groiß. – Bitte.

 


16.38.01

Abgeordneter Ing. Mag. Werner Groiß (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Koalitionspartner! Liebe Opposition! Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen! Wir behandeln jetzt eine Dringliche Anfrage zum Thema kalte Progression, eingebracht von den NEOS, und ich beginne mit der Frage: Warum haben Sie heute diese Dringliche Anfrage gestellt? – Das Thema wird offen diskutiert, unser Finanzminister steht dazu. Er hat das mehrfach angekündigt, er hat sein Projekt dargestellt, es ist öffentlich, ebenso bekannt ist die Meinung des Koalitionspartners dazu, und es ist derzeit in der Spiegelung. Jeder kennt alle Fakten, wie mit dieser kalten Progression umgegangen werden soll, daher verstehe ich die Dringlichkeit dieser Anfrage nicht, aber wir stellen uns natürlich gerne der Diskussion. (Abg. Strolz: Es soll ja eine Deadline geben bis


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Ende April, und die droht nicht eingehalten zu werden! Das ist die Dringlichkeit! – Abg. Steinbichler: Der Osterhase muss die bringen!)

Die NEOS schreiben, wenn ich das richtig lese, von der Angst vor einer „illegitimen Steuerbelastungsverteilung“. Ihr schreibt von einer „illegitimen Steuerbelastungs­ver­teilung“. (Abg. Strolz: Ja!) Eigentlich ist das ein interessanter Begriff, denn durch eine wachsende Wirtschaft, durch wachsende Einkommen, durch wachsende Löhne kommt es automatisch jedes Jahr zu einer Verschiebung, wenn in all unseren Gesetzen fixe Werte stehen. Das als illegitim zu bezeichnen finde ich ein bisschen anmaßend, wenn man das vielleicht so sagen darf.

Wir haben heute das Thema kalte Progression zu diskutieren, und wir sind einer Meinung, dass wir sie verhindern und abschaffen müssen. Wir, unser Finanzminister, unser Klub, sind da einer Meinung. Wir sind auch einer Meinung, dass wir das möglichst allen Menschen zukommen lassen sollten.

Ich darf an Kollegen Vogl anschließen: Wir haben uns überlegt, wie die Progres­sionsstufen sein sollen, damit die Verteilung und das Tragen der Steuerlast gerecht ist. Und was hat sich in der Zwischenzeit geändert? Dass die höheren Stufen weniger als die niedrigeren entlastet werden müssen, das verstehe ich nicht ganz. Wir sind aber in einer Koalition, und in einer Koalition sind Kompromisse zu suchen. (Abg. Steinbichler: Darum prüfe, wer sich ewig bindet! – Abg. Fekter: Ewig nicht!)

Die Kompromisse hat der Herr Minister, glaube ich, nach bestem Wissen und Gewis­sen miteinzubeziehen versucht, damit wir sagen können: Okay, beim oberen Teil ein bisschen weniger, trotzdem muss es einen Automatismus geben, damit man den oberen Teil, den Mittelstand nicht ganz aus der Verantwortung lässt. Dieser Kompro­miss­vorschlag ist einer, zu dem wir im Prinzip stehen können.

Wenn wir heute über dieses Thema reden, dann sollten wir nicht nur über die Tat­sachen reden, die schon auf dem Tisch liegen. Da hätte ich mir von den NEOS ein bisschen mehr erwartet. Ich hätte mir erwartet, dass sie aufzeigen, was noch alles von kalter Progression betroffen ist. Wo schlägt sie noch zu? – Sie schlägt in vielen anderen Punkten genauso zu: sei es, dass es bei geringwertigen Wirtschaftsgütern seit vielen Jahren keine Anpassung gab, sei es, dass die Mitarbeiterbeteiligung und die Kfz-Luxustangente gleichgeblieben ist (Ruf beim Team Stronach: Wohnbau!) oder dass die Gutscheine für Essen und die Kilometergelder nicht angepasst wurden. (Abg. Steinbichler: Wir wollten nur wissen, ob es die Regierung weiß! Sie wissen es eh nicht!)

Das wäre ein schöner Beitrag, da könnten Sie sagen: Warum regelt ihr das bei der kalten Progression nicht mit? (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Das wäre eine Unterstützung für den Wirtschaftsstandort gewesen. Das könnten die NEOS im Prinzip einbringen. Das hätte einen Neuerungswert in der Diskussion um die kalte Progression gehabt; diesen habe ich von euch vermisst. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Unser Finanzminister steht für Automatismus, er hat das nicht nur einmal eingebracht. Wir haben es in anderen Bereichen gesehen. Er steht dafür, dass wir das Pensions­antrittsalter entsprechend dem Lebenserwartungsindex erhöhen; auch das ist ein Automatismus, genauso wie bei der kalten Progression, der gehört hinein. Und wenn man etwas nicht will, dann sollte man etwas dagegen sagen. Unserem Finanzminister vorzuwerfen, er würde etwas dagegen machen, ist ein bisschen hanebüchen, wenn ich das so sagen darf.

Der Nationalrat hat diese Gesetze, die hier vorliegen, in der Vergangenheit beschlos­sen, daher verwahre ich mich eindeutig gegen den Vorwurf der „illegitimen Steuer­belas­tungsverteilung“. Wir haben es in der Hand, das neu zu machen, wir haben es in


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der Hand, die Ziele so zu definieren, dass auch der Mittelstand und die kleinen Ein­kommen etwas von der Abschaffung der kalten Progression haben. Wir müssen das diskutieren. Wir müssen noch viele im Nationalrat davon überzeugen, das so verträg­lich zu machen, damit wir eine breite Zustimmung haben. Dazu lade ich Sie gerne ein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.43


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haider. – Bitte.

 


16.43.12

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Die kalte Progression ist ein leidiges Thema, das schon längst erledigt sein sollte – ist es nur halt leider nicht. Auf der anderen Seite ist es auch ein Sittenbild dieser Koalitionsregierung: Mit großem Getöse ist vor zwei Jahren die letzte Steuerreform vorgestellt worden, und da war schon jedem klar, dass deren Auswirkungen zeitlich nur sehr begrenzt sein werden. An das heißeste Eisen, eben die kalte Progression, haben sich SPÖ und ÖVP damals nicht herangetraut. Das ist bei dieser Regierung aber wenig verwunderlich.

Die kalte Progression wird die Auswirkungen dieser Einkommensteuererleichterung von vor zwei Jahren spätestens im Jahr 2019 völlig aufgefressen haben. „Die größte Steuerreform in der Geschichte der Zweiten Republik“ – Zitat des damaligen Kanzlers Faymann – hat also gerade einmal eine Wirkungsdauer von drei Jahren. Das nenne ich nicht wirklich einen großen Wurf. (Beifall bei der FPÖ.)

Um zumindest ein bisschen Reformwillen vorzutäuschen, führen SPÖ und ÖVP seit 2015 Gespräche über das Ende der kalten Progression. Respekt! Eineinhalb Jahre, und es passiert nichts, es passiert gar nichts! Sie werden verstehen, warum ich vorhin vom Sittenbild dieser Koalition gesprochen habe. Das ist symptomatisch: Ankündi­gungen, Versprechen, medial sehr schön inszenierte Auftritte der Regierungsmit­glie­der – da sind Sie Kaiser. Aber beim Umsetzen, wenn es darum geht, einmal wirklich etwas zu beschließen, hapert es leider. Spindoktoren machen halt keine Reformen. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt liegt endlich einmal ein Vorschlag des Finanzministers auf dem Tisch – das ist zumindest ein kleiner Fortschritt –, aber offensichtlich ist diese Koalition wieder einmal nicht in der Lage, selbst diesen kleinen Fortschritt umzusetzen, wie man an der Dis­kussion zwischen Rot und Schwarz – und gerade wieder symptomatisch zwischen den Kollegen Vogl und Fekter – sehen kann. Es geht wieder nichts weiter!

Dass für uns Freiheitliche auch dieser Vorschlag des Finanzministers nicht wirklich akzeptabel ist, hat einen einfachen Grund: Die kalte Progression wird dadurch nicht abgeschafft. Die Abschaffung findet nicht statt. (Beifall bei der FPÖ.) Erst wenn eine kumulierte Inflationsrate von 5 Prozent erreicht ist, soll ein Teil der Steuerstufen – also nicht einmal alle – angepasst werden.

Schauen wir uns die letzten vier Jahre an, da hatten wir im Schnitt eine Inflation von 1,3 Prozent. Das heißt, es wird fünf Jahre dauern, bis sich nach diesem Vorschlag bei der kalten Progression wirklich etwas tut. Wenn also die Reform mit 1. Jänner 2018 in Kraft tritt (Abg. Krainer: Vier Jahre!) – mehr als fünf, mein lieber Freund! (Abg. Krainer: Rechnen ist nicht Ihre Stärke!) –, wird sich 2022 erstmals etwas ändern.

Dann brauchen wir uns nur anzuschauen, wie viel der Staat in den fünf oder vier Jahren davor – von 2009 bis 2013 – durch die kalte Progression zu viel kassiert hat. Das sind 5,6 Milliarden €! Allein im Jahr 2014 waren es 2,65 Milliarden € an Mehreinnahmen für den Staat. Da sind wir auf über 8 Milliarden € in diesem Zeitraum,


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und diese 8 Milliarden wollt ihr mit diesem Vorschlag offensichtlich weiterhin kassieren, bis ihr endlich einmal bereit seid, auch nur irgendetwas in dieser Sache zu tun. Dafür werdet ihr unsere Unterstützung auf gar keinen Fall bekommen!

Es wäre ja so einfach, Kollege Fuchs hat es vorgerechnet: Ein Satz im Einkom­mensteuergesetz sollte geändert werden, dann könnte man die kalte Progression sofort abschaffen, aber so ein Automatismus – der wunderbar funktioniert – ist ja nicht vorgesehen. Bei der Erhöhung des Preises der Vignette zum Beispiel ist er vorge­sehen, da funktioniert der Automatismus ganz toll.

Die Kammern, also Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer – weil wir es ja mit ÖVP und SPÖ zu tun haben –, berechnen ihre Mitgliedsbeiträge natürlich von den Brutto­löhnen, und damit steigen die Beiträge – ganz im Gegensatz zur kalten Progression – immer ganz ordentlich. Rot und Schwarz wissen halt ganz genau, wie man an das hart verdiente Geld der Bürger herankommt. Da funktioniert jeder Automatismus, nur umgekehrt funktioniert offensichtlich gar nichts. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krainer: Voodoomathematik! – Abg. Loacker: Es ist ein gutes Zeichen, wenn Krainer zwischenruft! – Abg. Krainer: Ich hoffe nur, dass ihr das selber nicht glaubt!)

16.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


16.48.32

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die Frage der Behandlung oder – aus dieser Perspektive, wenn man so will – Bekämpfung der sogenannten kalten Progression ist nur Teil – so möchte ich es jetzt anlegen – einer größeren Debatte über Gerechtigkeit im Steuersystem. Zur kalten Progression nur so viel: Wenn wir einmal ein Steuersystem gefunden hätten – in dem Fall natürlich ein Lohn- und Einkommensteuersystem –, das von einer stabilen Mehrheit als richtig und gerecht betrachtet werden würde, dann wäre die Abschaffung der kalten Progression jedenfalls sinnvoll, weil ja die Stufengrenzen der Einkommen, die Tarife et cetera dahin gehend angepasst werden müssen, dass die Inflation einfach eingepreist ist. Das ist ja der Grundgedanke.

Wenn man der Meinung ist, dass das Steuersystem im Lohn- und Einkommen­steuer­bereich eigentlich gar nicht noch dem Optimum entspricht, dann hat man jedes Mal, wenn die Einnahmen für den Staat und den Finanzminister – wie man gerne ein bisschen degoutant sagt – steigen, je nach Sichtweise und Gerechtigkeitsvorstellung eine zusätzliche Möglichkeit, bei der nächsten Reform – bei der dann auf einmal die eine oder andere Milliarde mehr zur Verfügung steht – zu manövrieren.

Das ist ja nicht illegitim, und so war es ja bis jetzt immer auch. In der Zugangsweise ist ja das grundsätzlich nicht der Weltuntergang, wenn wir uns davon nächste Steuer­reformen erhoffen dürfen, bei der die Manövriermasse, die dadurch entsteht, für etwas Gescheiteres eingesetzt wird. Wenn es da eine gewisse Blockade gibt, wäre das eine legitime Begründung, aber ich bin ja nicht der finanzpolitische und gerechtigkeits­politische Mediator dieser Koalition. Nur wenn die Debatte so hin- und hergeht, ist es ja manchmal reizvoll – jetzt ist ja offensichtlich, wie wir sagen, der Dampf draußen –, sich das kurz zu leisten.

Jetzt zur Gerechtigkeitsfrage schlechthin: Wenn der ganzen Debatte, wie sie hier geführt wird, ein seriöser Sinn zugesprochen werden soll, dann brauchen wir eine übergeordnete Sichtweise. Da gäbe es, natürlich wieder je nach Standpunkt – ist ja klar –, genug zu betrachten und abzuleiten; deshalb auch der grüne Vorschlag, in den Kollege Rossmann sehr viel investiert hat.


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Wenn ich der Meinung bin, das Gebilde, wie die Progression verläuft, steht sowieso noch nicht richtig, kann man natürlich, wenn man die kalte Progression abschaffen will – die Manövriermassen verschwinden ja zukünftig –, anlässlich dieser Revision schauen, dass man die Tarife näher dorthin bringt, wo man sie haben will. Deshalb gibt es ja auch die Vorschläge: unten mehr – auch da ist das drinnen, das will ich gar nicht absprechen – und oben weniger, und wie das halt alles verlaufen ist. Ich will mich da gar nicht mehr weiter vertiefen, aber insgesamt habe ich schon ein Faible dafür, dass diese Betrachtungsweise die zutreffendere ist, denn – und da kommen wir zur Grund­frage –: Gehen wir einmal durch, was im Lohn- und Einkommensektor und auch steuerlich ... (Abg. Tamandl: Man muss alles sehen!) – Das ist natürlich ein berech­tigter Zwischenruf, man muss alles sehen; aber dann wirklich alles, auch die Trans­fersysteme, wie die Ökonomen gerne sagen, also die Sozialleistungen und alles an­dere. Schauen wir uns das an!

Nun zur Entwicklung der Bruttolöhne ohne steuerliche Korrekturen: Diese Daten sind nicht nur von den einzelnen Wirtschaftsinstituten; wir kriegen sie von der Statistik Austria hier ins Haus, zusammengefasst in den Rechnungshofberichten. Wenn man die analysiert, dann wird man draufkommen – das ist ja an anderer Stelle immer die Grundlage der Debatte –, dass die Bruttolohnentwicklung bei den unteren Einkommen, bei den unteren 10 Prozent seit 20 Jahren schon, aber mittlerweile schon bei fast einem Drittel, stagniert beziehungsweise zurückgeht, wenn wir sie inflationsbereinigen und auf Vollzeitäquivalente umlegen, sonst macht das ja wenig Sinn.

Das ist natürlich eine Entwicklung, die nicht günstig ist, wenn man überhaupt schon meint, dass die primäre Verteilungssituation nicht gut ist. Man darf das auch ideolo­gisch ganz anders betrachten, das ist aber nicht meine Aufgabe; das müssen die Leute, die das vertreten, selber sagen. Ich finde, das ist in hohem Maße ungerecht. Ein unregulierter Markt erzeugt das eben. Im Übrigen ist es so: Wenn wir überhaupt keine korrigierenden Eingriffe über Steuern und Progression oder über Transfersysteme hätten, hat das – um das zu begreifen, muss man kein Marxist sein – einen tenden­ziellen Bias nach unten; gerade so weit, wie der alte Marx schon gesagt hat, bis das Subsistenzniveau erreicht wird.

In politisch gescheiten Unternehmerkreisen wird das eh schon anders gesehen. Es gab im 20. Jahrhundert auch eine Bewegung, dass auch Liberalere, aber auch Unter­nehmervertreter gesagt haben, das müsse viel mehr sein, damit sich das Lohnniveau ein bisschen hebt, die müssen viel mehr haben, dann gibt es nämlich eher sozialen Frieden. Grundsätzlich, rein analytisch, kann das aber immer weiter nach unten gehen, das ist halt das Machtverhältnis. Ich bekämpfe nicht die Marktwirtschaft, das sind halt kapitalistische Machtverhältnisse – deshalb gibt es ja Eingriffe über das Steuersystem, deshalb gibt es ja Sozialtransfers.

Auch wenn das derart schräg ist und immer schräger wird, ist das, jedenfalls aus den Blickwinkeln, die ich hier vermuten würde – wir vertreten das ja offensiv, wir sind ja da mit den Sozialdemokraten in einem gewissen Wettkampf darüber, was überhaupt das gerechtere System ist; dort wird nämlich sehr oft links geblinkt und rechts abgebogen, das sieht man ja öfter, das wird auch unter dem neuen Kanzler nicht viel besser werden, nur dass er es halt auf noch höherem schauspielerischem Niveau schafft als seine Vorgänger –, ist das grundsätzlich die Zugangsweise. (Abg. Rädler: Ui! Inszenierung! 95 Prozent Inszenierung! – Abg. Krainer: Wir halten unsere Jugend­orga­nisation seit 120 Jahren aus!)

Jetzt können wir betreffend das Steuersystem Folgendes festhalten: Es bleibt im Wesentlichen nur die Lohn- und Einkommensteuer, bei der man diese Progression hineinlegen kann. Das gesamte Steuersystem wirkt eben nicht umverteilend, erst die Sozialabgaben – das ja, und das darf man ruhig mit anschauen –, aber das Steuer-


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system für sich nicht. Das muss man einfach einmal erkennen, weil nämlich im ganzen System durchaus ein hoher Anteil an Verbrauchsteuern et cetera, et cetera drinnen liegt, und das, obwohl – das wird ja immer eingeworfen bei der Lohn- und Einkom­mensteuer, das ist ja richtig – die Unteren eh schon nichts mehr zahlen, weil es – aber stellt euch vor, das wäre anders! – dort ja sonst erst recht wieder in die falsche Richtung verteilen würde. Wenn man die Sozialabgaben einberechnet, sind wir erst recht dort.

Man muss das Steuer- und Abgabensystem gerade in Österreich – wo beides zusam­men zugegeben tatsächlich ein sehr, sehr hohes Niveau erreicht, was auch die ent­sprechende Abgabenquote erzeugt – gemeinsam betrachten. Trotz dieser gemein­samen Betrachtung verhält es sich einfach proportional, wenn man so will. Ob du viel oder wenig verdienst, du zahlst, gemessen an deinem Einkommen, ziemlich gleich viel an Abgaben und Steuern. (Abg. Rossmann: So ist es!)

Gerade wenn man bei den Sozialabgaben etwas machen möchte und dort natürlich kompensieren muss, damit die Leistungen entsprechend gezahlt werden können, wenn man stärker umverteilend eingreifen will, wird man sich auch da etwas überlegen müssen. Entweder steuert man die Sozialabgaben anders an, damit dort auch eine Progression drinnen ist – dort ist nämlich keine drinnen, dort passiert sogar das Gegenteil durch die Konstruktion, das ist regressiv –, oder man muss da mehr machen. Es ist selbstverständlich, finde ich, dass man entlang der Debatte über die kalte Progression dann darauf kommt.

Nächster Punkt: Der Einkommensteil der Lohneinkünfte ist nicht rasend gewachsen, die Steuerbelastung aber verhältnismäßig schon. Wenn man auf die großen Brocken schaut, darauf, wie viel Einkommen aus, wie man sagt, Kapitaleinkommen generiert wird – aus allen möglichen Dingen, aus den Arbeitseinkommen, auch aus selb­ständiger Arbeit, das ist aber nicht der Punkt, da zahlst du ja auch Einkommensteuer –, dann sieht man, dass das zurückgeht, aber die steuerliche Belastung und die Abgabenbelastung nicht im gleichen Ausmaß, manchmal nehmen sie sogar noch zu.

Jetzt hat es sich wieder ein bisschen angenähert, aber im Prinzip haben wir doch das Problem, dass – und das muss man sich erst recht anschauen – die unterschiedlichen Einkommensarten völlig unterschiedlich behandelt werden. Ich meine, wie viele Menschen mit geringem Arbeitseinkommen haben denn schon so satte Sparbücher oder Aktiendepots, dass es ihnen hilft, dass diese mit nur 25 Prozent besteuert werden? Wie viele, bitte? Wie erklären Sie, dass Kapitaleinkünfte, auch wenn man ganz, ganz viele hat, immer nur mit 25 Prozent belastet sind, während, wenn man – und an dieser Stelle verteidige ich einmal die Besserverdiener – 100 000, 200 000 € brutto im Jahr verdient, der größere Teil schon längst im höchsten Steuersatz ist, der dann aber, Sie wissen es, mit 50 Prozent doppelt so hoch ist. (Zwischenruf des Abg. Vetter. – Abg. Krainer: 43,6 Prozent ist er!) – Ja, am Schluss sind es, wenn du ein unselbständiges Einkommen hast, mit dem 13. und 14. Gehalt 43 Komma irgend­etwas. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Im System gibt es Diskrepanzen, und irgendwann werden uns diese vielfachen Diskrepanzen bei den individuellen Einkommen, die nicht ausreichend korrigiert wer­den, aber auch die Ungleichbehandlung von Kapitaleinkommen und Lohneinkommen so richtig auf den Schädel fallen. Also: Gerechtigkeit muss man einfach angehen und nicht plaudern, auch wenn man unterschiedliche Vorstellungen davon hat. (Beifall bei Grünen.)

16.59


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 163

16.59.27

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Die kalte Progression, die unheimliche, heimliche, schleichende Steuererhöhung: Wie oft haben wir darüber schon diskutiert, auch in den letzten Jahren? Die kalte Progression ist evident, sie stellt ein großes Problem dar, und seit Jahren wird von allen Seiten versprochen, diese kalte Progres­sion abzuschaffen, Maßnahmen zu setzen, die der kalten Progression entgegenwirken. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Der Staat nimmt durch diese kalte Progression sehr viel Geld ein, das haben wir heute schon gehört. Dem durchschnittlichen Arbeitnehmer bleibt von einer Lohnerhöhung nichts übrig, weil er in eine höhere Steuerklasse fällt und die kalte Progression diese Lohnerhöhung quasi wegfrisst.

Der Herr Minister hat heute in der Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage den Eindruck vermittelt, dass alles in Ordnung sei, dass das ja nicht so schlimm und kein Problem sei, und er hat an Klubobmann Strolz appelliert, er solle die Menschen nicht verunsichern. Warum verunsichert Klubobmann Strolz die Menschen? Weil er hier die Probleme anspricht, weil er hier klar sagt, was Sache ist – und das durchaus pointiert? Man muss es ja so sagen, damit es auch verstanden wird! Wenn jemand die Menschen verunsichert, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Bundesminister, dann sind das Sie mit Ihrem Regierungspartner.

Ich möchte das auch mit einigen Beispielen belegen, ich möchte aus der „Presse“ der vergangenen Woche zitieren, weil auch noch einmal aufgezeigt werden soll, wie hier mit Problemen umgegangen wird. Die Probleme werden von Ihnen weiter prolongiert, und es wird nur gestritten. Sie machen nicht das, wofür Sie eigentlich gewählt sind, nämlich für die Österreicherinnen und Österreicher, für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu arbeiten und die bestmögliche Arbeit zu leisten. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich spreche Ihnen Ihr Engagement ja nicht ab, etwas zu tun, nur ist es sicher nicht zielführend, wenn Sie die Öffentlichkeit, die Menschen weiter verunsichern und es einen Schlagabtausch nach dem anderen gibt. „Schlagabtausch um kalte Progres­sion“ – ich zitiere hier aus der „Presse“ vom 25. März 2017 –:

„Im Vorfeld des Gesprächs richteten sich SPÖ und ÖVP bereits Unhöflichkeiten aus. ‚Was ist das Wort und die Unterschrift des Finanzministers wert‘, fragte SPÖ-Finanz­sprecher Jan Krainer. Schelling solle einen Entwurf vorlegen, der der Vereinbarung der Regierungsparteien entspreche, nämlich nur die ersten zwei Stufen anzupassen. ‚Jeder, der halbwegs sinnerfassend lesen kann, wird erkennen, dass das beim Vor­schlag von Schelling nicht der Fall ist.‘ ÖVP-Budgetsprecherin Gabriele Tamandl schoß zurück, dass Krainer ‚Desinformation‘ und ‚Fehlinformationen‘ verbreite, weil er offenbar nicht in die Verhandlungen eingebunden sei.“ – Sie attestiert ihm auch Erin­nerungslücken im Zusammenhang mit diesem Entwurf, den der Herr Finanzminister am 8. März vorgelegt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Probleme sollten Sie intern klären und regeln und nicht in der Öffentlichkeit austragen und so weiter zu einer Verunsicherung der Österreicherinnen und Österreicher beitragen. Das ist nicht der richtige Weg. (Beifall beim Team Stronach.)

Ich möchte abschließend noch etwas zitieren, weil ja auch immer die Gegen­finan­zierung angesprochen wird: Wie soll denn das finanziert werden? Auf der einen Seite kommen Steuererhöhungen, auf der anderen Seite sind die Vorschläge besser, es sollen alle Stufen entlastet werden. Das finde ich persönlich auch besser, es soll nicht


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 164

wieder ein Auseinanderdividieren und ein Klassendenken, eine Zweiklassengesell­schaft geben, wie es mein Kollege Steinbichler auch schon angesprochen hat.

Ich möchte etwas zitieren, das schon etwas zurückliegt, in der „Presse“ vom 20. Juli 2015 schreibt Norbert Rief den Artikel „An der kalten Progression werden wir Schelling messen“. Ich möchte nur einen Satz daraus zitieren:

„Der Staat gibt jährlich 172 Milliarden Euro aus. Bei dieser Summe wird man wohl irgendwo 0,3 Prozent finden, um die Abschaffung der kalten Progression zu finan­zieren.“

Ich glaube, das wäre ein guter Ansatz. Vielleicht kommt ja doch noch etwas heraus. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

17.04


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Mag. Loacker gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


17.04.32

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich höre Ihnen immer sehr gerne zu. Ich weiß zwar, dass ich Ihnen auf die Nerven gehe, umgekehrt ist das aber gar nicht der Fall, das, was Sie sagen, gefällt mir sehr gut. (Bundesminister Schelling: Gute Selbsterkenntnis!) – Ja, ich meine, ich bin ja so weit reflektiert, dass ich schon merke, dass ich Ihnen auf den Zeiger gehe, aber das ist ja das gute Recht eines Oppositionsabgeordneten. (Abg. Rädler: Bleiben Sie bei den NEOS? – Abg. Kogler: Die Frage muss sein: Wen kauft ihr als Nächsten ein?) – Herr Kollege Rädler, bevor ich in Ihrem Parlamentsklub sitze, hacke ich mir die Hand ab! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.) In dieses Asylheim für verhaltensauffällige Politikflüchtlinge werde ich mich nicht begeben! (Neuerlicher Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Ich bin ja auch noch da, Gerald! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Zurück zum Herrn Bundesminister, dem ich auch gerne zugehört habe, als er über die Pensionsreform damals gesprochen hat, aber da haben die eigenen Leute seine Pläne zerschossen: Pensionsautomatismus – zerschossen von den eigenen Leuten; An­gleichung des Frauenpensionsalters – zerschossen von den eigenen Leuten; Pen­sionsharmonisierung – zerschossen von den eigenen Leuten. Dann sind Sie in die Verhandlungen mit der SPÖ gegangen, und dann ist natürlich herausgekommen, was die SPÖ wollte, aber die hat wenigstens einen Plan gehabt, die ÖVP hatte keinen.

Sie haben heute über Ihre Pläne zur kalten Progression gesagt, Sie haben Ihren Vorschlag „eingeliefert“, Sie haben das Wort „eingeliefert“ mehrfach verwendet. Bei mir als Gesundheitssprecher ist natürlich sofort das Spital vor dem geistigen Auge gewesen. Sie haben es „eingeliefert“, und die SPÖ wird das dort zu Tode operieren. Die SPÖ hat nämlich folgenden Zugang zur kalten Progression: Wir müssen vorsichtig sein mit der kalten Progression, denn da profitieren ja die kleinen Einkommen nicht so wie die großen, denn die kriegen ja da nichts zurück.

Also: Nettoeinkommen ist das, was Ihnen der Staat gnädigerweise nicht wegbesteuert, und dafür, liebe Bürgerinnen und Bürger, haben Sie dankbar zu sein; dafür, dass Ihnen am Schluss noch etwas übrigbleibt und dass Ihnen die Staatskrake nicht alles weggenommen hat, denn das würde sie eigentlich gerne machen. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist eine Verteilungsdebatte, das sehen die Roten richtig, aber es ist keine Ver­teilungsdebatte zwischen Bürgern unterschiedlicher Einkommensgruppen, sondern es ist eine Verteilungsdebatte zwischen den Bürgern und dem Staat. Und das, was Sie machen, ist: Sie verteilen ständig Geld von den Bürgern zum Staat, und immer noch


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 165

mehr und immer noch mehr. Jetzt werden Sie sagen: Über Umverteilung kommt es ja zurück. – Aber halt nur ein Teil davon! Damit heute einer gnädig einen Hunderter von den Regierenden bekommt, mit irgendeiner Förderung oder einem Transfer, muss man vorher den Bürgern 130 € oder 150 € aus der Tasche gezogen haben. So funktioniert Ihre Sozialpolitik und Ihre Umverteilung.

Und alle paar Jahre kommt dann ein Finanzminister und macht die größte Steuer­reform aller Zeiten. Das hat Karl-Heinz Grasser 2004 gesagt, das hat Josef Pröll 2008 gesagt, und das haben Sie uns 2015 gesagt: die größte Steuerreform aller Zeiten. (Bundesminister Schelling: Ich habe das nicht gesagt! – Abg. Krainer: 2008 war Molterer und nicht Pröll! Aber das ist ja nicht so wichtig!) Und immer ist damit eine Gegenfinanzierung verbunden, und es wird den Leuten unterschlagen, dass die kalte Progression alles wegfrisst, was Sie auf der Lohn- und Einkommensteuerseite an Entlastung gegeben haben. Diese Gegenfinanzierungen – die Immobilienertragsteuer, die höhere Umsatzsteuer, die höhere Kapitalertragsteuer und so Nebensächlichkeiten wie die Sektsteuer – bleiben ja alle weiter aufrecht, während die kalte Progression wieder wegzufressen beginnt. Wenn die nächste Korrektur der Lohn- und Einkom­mensteuer kommt, kommt wieder eine Gegenfinanzierung, auf die nicht von der Ein­kommensteuer betroffenen Steuersätze kommt wieder etwas drauf, und das Auspres­sen des Steuerzahlers wird immer, immer weiter getrieben, mit kurzzeitigen Entlas­tungen einzig und allein auf der Lohn- und Einkommensteuerseite. Das ist nämlich dieser Raub, von dem meine Kollegen vorher schon gesprochen haben.

Weil die Kollegen der Sozialdemokraten mit den Lohnerhöhungen kommen: Das ist ja das Grundkonzept des rot-schwarzen Machtkartells. Da muss man sich fragen, wer aller bei einer KV-Erhöhung mitverdient. Da verdient ja nicht nur der Finanzminister, sondern es reibt sich bei jeder KV-Erhöhung der Sozialminister die Hände, weil sein Pensionsloch ein bisschen kleingeschrumpft wird; es reiben sich die Krankenkassen die Hände; es reibt sich die Arbeiterkammer die Hände, weil wieder Geld in die übervollen Tresore der Arbeiterkammer gespült wird; und es reibt sich die Wirtschafts­kammer die Hände, weil die KU2 hinaufgeht. Die Roten und Schwarzen auf ihren Sitzen verdienen immer mit, wenn es irgendwo eine Gehaltserhöhung gibt, und den kleinen Steuerzahlern bleibt immer weniger, und dafür sind Sie verantwortlich, Herr Minister. Sie halten die schönsten Reden, und jetzt wünsche ich mir einmal die schönsten Erfolge bei dem, was Sie da ins „Spital“ eingeliefert haben. – Danke. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Krainer: Raub ist eigentlich ein strafrechtlicher Vorwurf!)

17.09


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Greiner. – Bitte.

 


17.09.46

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Lieber Kollege Loacker! KV-Verhandlungen sind nicht dazu da, dass irgendjemand verdient, diese Verhandlungen sind dazu da, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die ihre Steuern abführen, entsprechend zu ermöglichen, von ihrem Lohn auch leben zu können. Bedenken Sie das bitte bei Ihren zukünftigen Ausführungen! (Beifall bei der SPÖ.)

Werfen wir einen Blick zurück in die Jahre 2015 und 2016: Die Bundesregierung hat eine Steuerreform umgesetzt. Welche Auswirkungen hatte sie? – Jeder Einzelne hat netto mehr zum Konsumieren bekommen, die Kaufkraft wurde gestärkt, das Wachstum spürbar gesteigert. Einkommen- und Lohnsteuer wurden signifikant entlastet. Der Budgetdienst hat festgehalten, dass die aufgelaufene kalte Progression kompensiert – wir haben es heute schon gehört –, sogar überkompensiert ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 166

Was tun wir in Zukunft gegen die kalte Progression? – Im Regierungsprogramm ist Folgendes verankert und auch mit Ihrer Unterschrift versehen, Herr Bundesminister: Die ersten beiden Tarifstufen, die ja für alle Einkommen gelten, werden automatisch indexiert. 80 Prozent des Volumens der kalten Progression werden dadurch aus­geglichen, dass die ersten zwei Steuerstufen indexiert werden, das heißt, es profitieren alle.

Schauen wir uns die Inflation an: Die Inflation wirkt sich auf die Einkommensgruppen ja unterschiedlich aus. Ich ziehe da auch eine Studie der WU heran. Die Inflation wirkt in den oberen Einkommensgruppen geringer, wesentlich stärker betroffen sind die mittle­ren und unteren Einkommen. Jetzt haben wir gehört, dass 80 Prozent in die automatische Abgeltung gehen. Was passiert aber mit den restlichen 20 Prozent? – Da muss die Politik entscheiden, wie und wen sie steuerlich unterstützt. Wie entscheidet sie? – Auf Basis des Progressionsberichtes, den das Bundesministerium für Finanzen erstellt. Dieser Bericht zeigt, wie unterschiedlich sich die kalte Progression in den verschiedenen Einkommensgruppen unter Berücksichtigung des Warenkorbs auswirkt. Aufgrund dieser Daten und Fakten ist dann zu entscheiden, wie mittlere und untere Einkommen gerecht besteuert werden.

Schauen wir uns einmal an, wer denn verstärkt im mittleren und unteren Einkom­menssegment arbeitet! Wir haben vor Kurzem hier den Einkommensbericht debattiert und diskutiert und haben gesehen, dass es vor allem Frauen sind, die in diesem Segment arbeiten. Erlauben Sie mir, dass ich ein Beispiel bringe: Eine Alleinerzieherin, teilzeitbeschäftigt, ein Kind, Verdienst in etwa 1 100 € pro Monat. Die Steuerreform, die wir gemacht haben, hat es ermöglicht, dass das Kind dieser alleinerziehenden Frau auf Schulskikurs mitfahren konnte. Wie schaut das jetzt aus? – Da sind wir wieder bei dieser 20-Prozent-Frage. Wer braucht sie? Wen unterstützen wir? – Wir von der SPÖ setzen uns ganz entschieden dafür ein, dass dieser Alleinerzieherin kein Nachteil entsteht und dass sie steuerlich gerecht behandelt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Zusammenfassend darf ich festhalten: Der Progressionsbericht liefert Fakten. Die Regierung hat sich darauf verständigt, auf dieser Basis gerechte Steuermaßnahmen zu setzen. Die Umsetzung im Ministerrat ist für kommenden April vorgesehen, Maßnah­men sollten ab 2019 greifen. Meine Damen und Herren, dieser Fahrplan ist vereinbart und sollte unter allen Bedingungen zeitlich und vor allem auch inhaltlich eingehalten werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.13


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

 


17.13.57

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Herr Kollege Loacker, das mit den Verhaltensauffälligkeiten ist interessant. Ich kann mich erinnern: Die NEOS sind einmal eingezogen, wollten andere Politik machen, wollten wertschätzend sein, wollten sich von allen anderen abheben, und jetzt sind sie nur mehr verhaltensauffällig. (Abg. Lugar: Das wollte die ÖVP eh nie!) Das hat man heute bei der Begründung der Dringlichen Anfrage durch euren Klubobmann gesehen. Ich finde das schade, denn dieses Thema ist ein sehr wichtiges Thema.

Man kann bei diesem Thema zwei Philosophien haben: Die eine Philosophie ist, dass man alle paar Jahre eine Steuerreform macht, 5 Milliarden € in die Hand nimmt, und um diese 5 Milliarden € zu finanzieren, streitet man um die Gegenfinanzierung, und jeder versucht, den anderen mit Ideen zu übertreffen, wie man neue Steuern einführen kann. Was kam beispielsweise, als wir eine Steuerreform so wie diese im Jahr 2015 für das Jahr 2016 gemacht haben, auf den Tisch? – Es kamen Umverteilungsphantasien


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 167

auf den Tisch, es kamen Vermögensteuer, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer auf den Tisch, die wir ganz einfach ablehnen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Aber die schwir­ren ja noch immer herum!) Wir wollen uns nicht alle paar Jahre bei einer Steuerreform um die Gegenfinanzierung streiten oder darüber diskutieren müssen, und wir wollen keinesfalls noch mehr Umverteilung von oben nach unten. Das brauchen wir nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Oh, noch mehr! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Greiner, ich schätze dich sehr, aber die Alleinerzieherin mit 1 100 € wird sowieso mit dem Konzept von der untersten Steuerstufe entlastet. Die kalte Progression wird bei ihr nicht schlagend, und sie hat keinen Nachteil davon, wenn in den anderen Steuerklassen auch die Inflation angepasst wird. Diese Argumentation kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Wir reden beim Mittelstand nicht von jemandem, der 1 200 € verdient, sondern Kollege Wöginger hat das heute schon gesagt: Wenn es nach euren Ideen geht, würden wir bei einem Bruttoeinkommen von 1 890 € nicht automatisch anpassen. Also bitte, wenn das bis hinauf auf 2 000, 2 500 € brutto nicht der Mittelstand ist, dann weiß ich nicht! Ich glaube, das ist das, was uns in dieser ganzen Argumentation entzweit, und das ist eigentlich nicht notwendig, denn wir sollten diejenigen besonders entlasten, die am allermeisten in den Steuertopf einzahlen, und das sind diejenigen, die genau diesen Mittelstand abbilden. (Beifall bei der ÖVP.)

Was mir aber in dieser ganzen Diskussion abgeht, ist beispielsweise das, was heute auch von Bruno Rossmann und Werner Kogler angesprochen worden ist: Es geht auch um die Sozialabgaben. Jemand, der 425,70 € als geringfügig Beschäftigter verdient, zahlt keine Krankenversicherung, er zahlt keine Pensionsversicherung, er zahlt selbst keine Unfallversicherung, er zahlt keine Sozialversicherung. Kaum verdient er 450 € brutto, zahlt er 18,12 Prozent Sozialversicherung. Also wenn das nicht ungerecht ist, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn nicht auch einmal ein progressiver Sozialversicherungstarif kommen sollte, der Herr Finanzminister hat das in seiner … (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Na servus!) – Frau Kollegin Belakowitsch, das mag sein! Wir können aber nicht immer jammern und sagen: Die Teilzeitkräfte, die wenig verdienen, zahlen ach so viel Steuer. Das ist ein Wahnsinn, und niemand macht sich Gedanken darüber, dass die eigentlich viel zu viel Sozialversicherungsbeitrage bezahlen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Stimmt! Das sagen wir ja eh immer wieder!) Der Herr Finanzminister hat das in seiner Rede im Jänner auch dankenswerterweise aufgegriffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade darüber sollten wir auch einmal reden, wenn wir über Steuern und kalte Progression reden. Ich habe gesagt, dass es zwei Philosophien gibt. Die eine ist, die kalte Progression einzudämmen, abzuschaffen, was auch immer. Ich bin der Meinung, dass man das nicht nur den untersten Stufen überlassen sollte, sondern man sollte das so, wie der Herr Finanzminister das vorgelegt hat und wie er das auch vorhat, durchführen, denn dann wäre auch bei den oberen Stufen mehr steuerliche Entlastung oder mehr Abmilderung der kalten Progression vorhanden.

Wir würden uns in Bezug auf Tarifreformen diese Steuerreformdiskussionen in 3-, 4-, 5-Jahres-Schritten ersparen. Wir haben in den letzten Jahren, nämlich im Jahr 2009 und auch im Jahr 2015, keine Steuerreform im herkömmlichen und richtigen Sinn gemacht, sondern wir haben an der Lohnsteuer- oder Einkommensteuertarifschraube gedreht. Wir haben aber weder Strukturreformen im Steuersystem, noch eine Ökolo­gisie­rung gemacht, noch haben wir sonst irgendetwas gemacht. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Richtig! Das sagen wir immer!) Ich weiß den Herrn Finanzminister dabei auf meiner Seite und unterstütze ihn auch voll.


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Solange wir das Thema kalte Progression nicht endlich geregelt haben, werden wir bei jeder Steuerreform um die Gegenfinanzierung streiten, wir werden jedes Mal Umver­teilungsphantasien haben und wir werden jedes Mal die Erbschaft- und Schen­kungsteuer und Vermögensteuer auf dem Tisch haben. Das wird es mit uns nicht geben. In diesem Sinne, Herr Finanzminister: vollste Unterstützung!

Abschließend würde ich mir noch wünschen, dass man sich vielleicht doch noch überlegt, ob die Bemessung für die Inflationsanpassung nicht doch in einem früheren Jahr stattfinden kann, denn wenn man bedenkt, dass Steuerreformen nach fünf Jahren verpuffen, glaube ich, dass man vielleicht ein bisschen früher ansetzen kann. Ich habe heute bei der Beantwortung der Fragen ohnehin ein bisschen etwas dahin gehend herausgehört. Meine Unterstützung haben Sie, Herr Finanzminister, und die meiner Fraktion. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.19


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Themessl. – Bitte.

 


17.20.02

Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Tamandl! Ich weiß nicht, sind Sie schon im Wahlkampf? Sie kritisieren hier Sachen, die wir immer wieder aufzeigen. Soweit ich mich erinnern kann, stellt Ihre Partei die Hälfte dieser Bundesregierung. Sie sollten es hier nicht kritisieren, sondern Sie – die Regierungsfraktionen und die Bundesregierung – sind dazu aufgefordert, das zu lösen. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf der Abg. Tamandl.) Wenn Sie mit Ihrem Regierungspartner Probleme haben, dann können Sie das ja intern im stillen Kämmerlein ausdiskutieren (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Tamandl Zwischenruf der Abg. Schittenhelm), aber es freut mich, dass Sie hier die Arbeit der Opposition mitmachen, das kann uns nur weiterhelfen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Thema muss ich eines richtigstellen: Herr Kollege Strolz, Sie haben in Ihrer Begründung angeführt, die kalte Progression entstehe, sobald das zu versteuernde Einkommen an die Inflation angepasst wird. Das stimmt so nicht, Herr Kollege Schieder hat es Ihnen auch gesagt. Es gibt in dem Sinn keine einheitliche Inflations­anpassung, keine einheitliche gesetzliche Lohnerhöhung. Das ist Sache der Gewerk­schaftsvertreter der einzelnen Branchen und der Arbeitgebervertreter, deswegen gibt es auch in den einzelnen Branchen unterschiedliche Lohnerhöhungen. Das ist so, das ist jedes Jahr dasselbe, es beginnt meistens mit den Metallerverhandlungen, Sie kennen das.

Ich möchte auf dieses Thema kurz eingehen, weil es natürlich auch dazu beiträgt, den Kaufkraftverlust der Leute von Jahr zu Jahr zu erhöhen, und nicht nur die kalte Progression. Sie haben insofern recht, dass bei den Lohn- und Gehaltsverhandlungen und auch bei den Pensionserhöhungen die Inflationsrate immer als Latte herge­nommen wird, um zu sagen: Okay, die Inflationsrate muss auf alle Fälle abgegolten werden. Ich sage Ihnen schon seit Jahren – und es wundert mich eigentlich, dass Sie seitens der Gewerkschaft und seitens der Pensionistenvertreter noch nicht draufge­kommen sind –, dass Sie da eigentlich vollkommen falsch liegen.

Im heurigen Jahr war die Erhöhung für die Pensionisten 0,8 Prozent. Die offizielle Inflationsrate in Österreich liegt bei 0,9 Prozent im Jahr 2016. Der Pensionisten­preisindex, also die Preisinflation für den Warenkorb des Pensionisten – der sich ein bisschen anders zusammensetzt, was Sie nie dazusagen –, liegt bei 1,2 Prozent. Die Pensionistenvertreter von Rot und Schwarz stellen sich hin und sagen: Wir haben die Inflation abgegolten! Das stimmt hinten und vorne nicht. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Lugar.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 169

Ich sage Ihnen auch warum: Die Lohnerhöhungen und die Pensionserhöhungen sind brutto, meine Herren, die Inflation ist netto. Oder setzen Sie Ihren wöchentlichen Einkauf von der Steuer ab? (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.) Dann müssen Sie es mir sagen, dann habe ich etwas vergessen.

Die Nettoanpassung bei den Pensionisten liegt im Schnitt bei etwa 0,6 Prozent. Nimmt man den Pensionistenpreisindex her, der im letzten Jahr bei 1,2 Prozent gelegen ist, dann heißt das: Alle Pensionisten in Österreich – wir sprechen dabei von über 2,3 Mil­lionen – hatten im letzten Jahr einen Kaufkraftverlust von 0,6 Prozent. So geht das Jahr für Jahr, und so gesehen haben die Pensionisten seit Jahren einen ständigen Kaufkraftverlust. – Das zum einen.

Jetzt komme ich zum Thema kalte Progression: Herr Finanzminister, die Agenda Austria hat errechnet, dass Sie innerhalb einer Legislaturperiode, also in 5 Jahren, jedem Erwerbstätigen 1 000 € wegnehmen. Jetzt möchte ich das nicht wie Kollege Strolz mit einem Einbruchdiebstahl vergleichen, denn ein Einbruchdiebstahl ist eine ungesetzliche Tätigkeit. Sie begehen Jahr für Jahr einen gesetzlich gedeckten Dieb­stahl an den Erwerbstätigen. Das ist der Unterschied zum Einschleichdiebstahl (Abg. Vetter: Kein Diebstahl ist gesetzlich gedeckt!), aber es ändert nichts daran, dass den Leuten das Geld fehlt. (Bundesminister Schelling: ... Selbstanzeige?!)

Die Agenda Austria errechnet weiter, dass Sie im Jahr 2017 allein durch die kalte Progression bei den Arbeitern und Pensionisten mit Mehreinnahmen von 400 Millio­nen € rechnen und sich darüber freuen können. Sie als zuständiger Finanzminister sind ja nicht der Einzige, der von dieser kalten Progression profitiert – mein Kollege Roman Haider hat das kurz gestreift –, sondern es profitieren natürlich auch die Kammern. Die Wirtschaftskammer berechnet die Kammerumlage 2 nach den Brutto­lohneinnahmen, das heißt also, das ist eine lohnsummenmäßige Erfassung. Natürlich werden auch die Mitgliedsbeiträge für die Arbeiterkammer an der Bruttolohnsumme berechnet.

Jetzt kann es aber passieren, dass der Arbeitnehmer zwar mehr Mitgliedsbeitrag an die Arbeiterkammer und der Unternehmer mehr an die Wirtschaftskammer zahlt, aber der Arbeitnehmer unterm Strich – wenn er Pech hat und in eine andere Steuergruppe fällt  weniger herausbekommt. (Zwischenruf des Abg. Krainer.) Das ist eine Tat­sache.

Wenn wir jetzt bei der Wirtschaftskammer bleiben: Allein in den letzten 5 Jahren hat die Wirtschaftskammer Österreich durch diese Lohnsteigerungen um 15 Millionen € mehr eingenommen. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.) In den letzten 10 Jahren sind die Einnahmen aus der Kammerumlage 2 aufgrund höherer Löhne – teilweise auch aufgrund höherer Beschäftigung, aber vor allen Dingen auf­grund höherer Löhne – um 30 Prozent gestiegen.

Es stellt sich ein gewisser Wirtschaftskammerpräsident Leitl hin, verkündet eine großartige Kammerreform und sagt allen Mitgliedern: Ich verlange in Zukunft bei der Kammerumlage 2 um 5 Prozent weniger. – Das heißt, dass er von den 30 Prozent, die er in den letzten Jahren weggenommen hat, 5 Prozent zurückgibt. Jetzt frage ich die Wirtschaftsbundvertreter der ÖVP – leider ist der Kollege Haubner nicht da –: Was soll das? Von einer Reform zu sprechen und dann 5 Prozent als Almosen weniger zu verlangen, hat mit einer Reform gar nichts zu tun. (Beifall bei der FPÖ.) Eine Reform ist ein Eingriff in generelle Strukturen, eine Änderung in den Abläufen.

Wenn die Bundesregierung in den nächsten Jahren so arbeitet, wie es die Kammer vorhat: Na dann, viel Vergnügen! (Beifall bei der FPÖ.)

17.26



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 170

Präsident Karlheinz Kopf: Herr Klubobmann Ing. Lugar gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


17.26.16

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Was die kalte Progression betrifft, haben wir eine ähnliche Situation wie bei diesem Umsiedelungsprogramm, über das wir im Moment gerade sprechen. Am Anfang, wir erinnern uns, war es so, dass die SPÖ gesagt hat: Alle rein!, und die ÖVP zumindest etwas auf der Bremse gestanden ist. Jetzt hat sich das plötzlich umgekehrt, jetzt will plötzlich die SPÖ eine Be­schränkung und die ÖVP sagt: Wir müssen alle reinlassen, die rein wollen! – Genau das Problem haben wir in dieser Regierung. (Abg. Fekter: Nicht alle! Nur 50!)

Das sehen wir auch bei der Frage: Wollen wir Gerechtigkeit für alle, die Lohn- und Einkommensteuer zahlen, herstellen? Es geht ja nicht darum, dass man ein Geschenk verteilt, sondern es geht darum, dass man Gerechtigkeit herstellt. (Zwischenruf des Abg. Krainer.) Ich weiß, dass die SPÖ das früher genauso gesehen hat, aber weil die ÖVP jetzt anderer Meinung ist, muss man nun natürlich querschießen.

Für all jene, die nicht verstanden haben, worum es hier geht (Abg. Krainer: Da sind aber Sie ...!): Es geht darum, dass über viele, viele, viele Jahre eine Ungerechtigkeit entstanden ist, von der viele gar nicht gewusst haben, dass sie existiert. Und zwar: Der Staat hat eine Extrasteuer erhoben, ohne dass der Bürger das bemerkt hat.

Dem Bürger wurde auf der einen Seite die Inflation abgegolten, damit die Kaufkraft erhalten bleibt. Das ist ja genau das Problem der Inflationsabgeltung. Wenn man ein Gehalt bezieht, kann man sich einen gewissen Lebensstandard leisten. Steigt die Inflation jedes Jahr an, sinkt der Lebensstandard zwangsläufig, man kann sich mit dem gleichen Geld viel weniger kaufen. Bekommt man eine Gehaltserhöhung, knabbert der Staat mit, er profitiert von dieser Gehaltserhöhung, und zwar ungerechtfertigt. Man kann sich also im Endeffekt weniger leisten, denn die Inflation wird nicht ausge­glichen. – Das ist das Problem!

Sie sagen: Ja, das mag schon sein, das ist eine Extrasteuer, ich kassiere im Jahr ungefähr 2,4 Milliarden € an Extraeinnahmen, wir brauchen das einfach, der Staat ist marod, wir können nicht wirtschaften, was sollen wir tun?!

Sie haben jetzt gerade Schwachsinn geredet – ich weiß nicht, ob Sie auch einen Ordnungsruf bekommen können. Ich kann Ihnen nur eines sagen, Herr Minister: Sie kassieren im Moment 2,4 Milliarden € durch den Umstand, dass die Zinsen abartig niedrig sind. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.) Sie sparen 2,4 Mil­liarden € im Budget, und wenn die Zinsen nicht so wären, wie sie sind, wie würden Sie denn diese 2,4 Milliarden € finanzieren? Es wäre nur fair, den Bürgern diese 2,4 Milliarden € zurückzugeben, denn die Bürger verlieren diese 2,4 Milliarden € tat­sächlich. Das ist ein Nullsummenspiel.

Der Bürger verliert durch seine Spareinlagen, der Bürger hat ja einen Verlust. Alle Bürger, die da draußen Spareinlagen haben, haben einen realen Verlust, weil sie auf der Bank 0 Prozent Zinsen bekommen, aber die Inflation tatsächlich mit 2 Prozent oder sogar noch mehr zuschlägt. Davon profitieren Sie mit 2,4 Milliarden €.

Der Chef der Nationalbank hat es Ihnen heute vorgerechnet: In Summe werden Sie in den nächsten Jahren 52 Milliarden € daran verdienen. Sie verdienen in Wirklichkeit am Leid der Menschen, die Geld auf der Bank haben, mit diesem Geld ihre Pension auffetten wollen und dann nach einigen Jahren draufkommen, dass ihr Geld auf der Bank nur mehr die Hälfte von dem ursprünglich Wert hat. Das ist das Problem!

Sie wollen das nicht zurückgeben, und genau das ist der Skandal! Das Geld steht Ihnen gar nicht zu, und die SPÖ macht auch da noch die Mauer.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 171

Diese 2,4 Milliarden € und diese 52 Milliarden € sparen Sie sich wirklich durch eine Ungerechtigkeit, nämlich dadurch, dass die Zinsen auf der Bank erstmals in der Geschichte Österreichs unter der Inflationsrate liegen.

Das ist eine Ungerechtigkeit. Das ist eine tatsächliche Enteignung der Bürger, und da sind wir genau bei der Umverteilung, die die SPÖ will. Die SPÖ sagt, wir dürfen nur die unteren Einkommensbezieher begünstigen und die oberen nicht. Das trifft die oberen doppelt. Warum? – Die oberen sind natürlich auch von der Inflation betroffen, aber die oberen Einkommensbezieher sind auch die, die mehr Geld auf der Bank haben, und dann sind sie doppelt betroffen. (Abg. Öllinger: Was ist in der Schweiz?)

Die oberen Einkommensbezieher – und da rede ich nicht von den Spitzengehältern, sondern ich rede vom Mittelstand, das sind die Menschen, die Geld auf der Bank haben, weil sie wissen, dass sie eines Tages die Pension auffetten müssen haben etwas gespart. Das inflationieren Sie ihnen weg und profitieren auf der anderen Seite davon, sind aber nicht bereit, das zurückzugeben. Das ist der Skandal! (Abg. Vetter: Ist er verantwortlich für die Inflation?) – Oi, die ÖVP! Natürlich nicht! Guter Einwand, selbst­verständlich ist der Finanzminister nicht – zumindest nicht direkt  für die Inflation ver­antwortlich, aber der Finanzminister profitiert von der Inflation doppelt durch die kalte Progression (Zwischenrufe bei der ÖVP) und durch die niedrigen Zinsen, die ihm ein Ein­kommen bringen, das er sich nicht verdient hat. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.)

Anstatt Reformen zu machen, anstatt endlich einmal bei den 2 Milliarden €, die er jedes Jahr ganz bereitwillig für Flüchtlinge ausgibt, etwas zu verändern, bereichert er sich auch noch zusätzlich mit den 2,4 Milliarden €, die ihm gar nicht zustehen!

Wenn es dann darum geht, Gerechtigkeit herzustellen, wenn es darum geht, den Menschen das Geld zurückzugeben, dann ist plötzlich Funkstille im Haus – und die SPÖ macht dabei die Mauer! Das ist die Ungerechtigkeit, und das muss abgestellt werden. Herr Minister, schaffen Sie endlich Gerechtigkeit! (Beifall der Abg. Schenk.)

17.32


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Mag. Alm gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


17.32.02

Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Wie Sie sich vorstellen können, war es bei uns im Parla­mentsklub heute etwas hektisch. Das hat natürlich einen Grund, und der ist die kalte Progression (Heiterkeit des Abg. Gerstl), das ist ein aufregendes Thema.

Die kalte Progression, das wissen Sie ja auch, ist demokratiepolitisch fragwürdig. Zu diesem Thema würde ich gerne noch etwas hinzufügen, das Ihnen vielleicht noch verborgen geblieben ist: Steuern sind prinzipiell demokratisch legitimiert. Hier in unserem Haus gibt es Abgeordnete wie Gerald Loacker oder Sepp Schellhorn, die gerne ein bisschen weniger Steuern hätten, und dann gibt es manche, vor allem bei der SPÖ, die gerne ein bisschen mehr hätten, aber das ist nur fair. (Abg. Krainer: Andere, nicht mehr!) Wir handeln das aus, wir akzeptieren das demokratisch und wir beschließen damit natürlich auch eine Steuerverteilung. Durch die kalte Progression verändert sich nicht nur die Steuerbelastung, sondern auch die Verteilung dieser Steuern, und das ist vom Gesetzgeber in dieser Form natürlich niemals legitimiert.

Das Münchner ifo Institut fasst das in einem Papier so zusammen:

„durch das Hineinrutschen in höhere Grenzsteuersätze“ kommt es „zu einer Stauchung der gesellschaftlichen Steuerlastverteilung und somit zu einer Abweichung von den ursprünglich vom Gesetzgeber intendierten Verteilungswirkungen des Steuersystems.


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Diese [...] Änderung der Steuerlastverteilung ist nicht explizit demokratisch legiti­miert.“ – So weit, so einfach.

Schlussfolgerung: Die kalte Progression schwächt die Verteilungswirkung des Steuer­systems und führt zu einer Ausweitung der Steuerquote, die sich der demokratischen Kontrolle entzieht. Deshalb ist es auch wünschenswert, die kalte Progression zu beseitigen. Damit wäre ich eigentlich schon fertig mit der kalten Progression.

Ich habe aber noch ein bisschen Restredezeit und erlaube mir, sie für eine Mitteilung in eigener Sache zu verwenden.

Das ist ja bis auf Weiteres meine letzte Rede in diesem Parlament, ich lege mit morgen, 31. März 2017, mein Mandat zurück. Für mich war das politische Engagement immer nur ein Mandat auf Zeit, und es endet heute, weil ich ab April einen neuen Job antrete, der mit diesem Mandat nicht vereinbar ist. (Ruf bei der FPÖ: Was ist denn das?)

Es war eine gute, spannende und lehrreiche Zeit, und deswegen möchte ich mich auch bedanken: zunächst einmal bei jenen, die es mir ermöglicht haben, dass ich dieses Mandat ausüben durfte. Dank gilt auch der Parlamentsdirektion für die Unterstützung bei dieser Arbeit, und dem Präsidium. Ich freue mich, dass Karl Kopf hier sitzt, mein Lieblingspräsident, der immer ein offenes Ohr hat und es manchmal auch zudrückt – das finde ich besonders gut. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

Ich werde oft gefragt: Wie ist es denn so im Parlament? – Das ist natürlich eine schwierige Frage, die ich meistens so beantworte: Erstens könnt ihr euch die ganzen Verschwörungstheorien aufzeichnen, alles was ihr in der Politik wahrnehmt, ist genauso, wie es sich darstellt. Das Zweite: Die Berichterstattung der Kollegen in den Medien über die Innenpolitik ist – na ja – mangelhaft und verbesserungswürdig und manchmal auch sehr selektiv. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Und die Kollegen, wie sind die so? – Die sind in aller Regel eigentlich recht nette Menschen. Deswegen möchte ich mich für das kollegiale Miteinander hier im Haus bedanken – bei allen Fraktionen, bei SPÖ und ÖVP, auch bei der FPÖ, dem Team Stronach und bei Wolfgang Zinggl (Heiterkeit Beifall bei den NEOS), womit natürlich die Grünen mitgemeint sind, keine Frage.

Nicht mitgemeint in diesem Dank ist – leider, muss ich sagen – Christoph Vavrik. Der Abgeordnete Christoph Vavrik von der ÖVP hat ja mit seinen homophoben Äuße­rungen letztes Jahr im November den Wertekonsens von NEOS verlassen, hat die Möglichkeit nicht genutzt, die ihm eingeräumt wurde, sein Mandat zu übergeben. Das ist ethisch verwerflich, und da würde ich den Präsidenten vielleicht doch bitten, die Ohren zuzuzwicken.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zwingen Sie mich bitte nicht dazu!

 


Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (fortsetzend): Hinterfotzigkeit hat einen Namen: Christoph Vavrik. Den einen ereilt der Ruf nach einem neuen Job, der andere findet keinen mehr und geht halt zur ÖVP. (Beifall bei den NEOS.)

Eigentlich wollte ich Danke sagen: Ich danke vor allem auch meinem Klub, dem besten Klub, den ich mir vorstellen kann. Ihr habt mir eine sehr gute Zeit ermöglicht, ich danke meinem Team, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Klub, meinen Homies aus der Kommunikation, Mike, Bence, Christoph, Theresia, Anna, Erwin und Armin.

Ich hinterlasse natürlich auch ein paar lose Enden, weil ich sozusagen mitten in meiner Tätigkeit wechsle, deswegen abschließend noch ein Ceterum censeo: Ich bin der Meinung, dass für die Wirtschaft alle Instrumente ausgebaut werden müssen, die es ermöglichen, privates Risikokapital in Unternehmen zu bringen, das dort arbeiten kann,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 173

egal ob über Crowd Investment oder direkte Beteiligung. Die entsprechenden Anträge sind eingebracht.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir eine Überwachungs-Gesamtrechnung brauchen, jede weitere Maßnahme, die sich Innenminister Sobotka überlegt, raubt uns ein Stück Freiheit und bringt kaum mehr Sicherheit. Nur durch eine Zusammenschau und Reevaluation kann das eingedämmt werden.

Stichwort Terror: Julian – er ist nicht hier –, ich weiß, was du im Dezember 2015 getan hast!

Außerdem bin ich der Meinung, dass Christian Kern mit seiner Idee des Moonshot beim Wort zu nehmen ist. Wir sollten endlich einmal einen Österreicher oder eine Österreicherin auf den Mond bringen. – Ein Antrag dazu ist eingebracht und ich melde mich freiwillig.

Weiters bin ich der Meinung, dass die neue Geschäftsführung der RTR nicht mit einer Person, die direkt aus dem ORF kommt, besetzt werden darf, da ist eine Cooling-off-Phase anzuwenden. Ein Antrag ist eingebracht, der ORF muss zu einem Public-Value-Medienhaus umgebaut werden.

Schlussendlich bin ich der Meinung, dass Weltanschauung und Religion Privatsache sind und die Gesetzgebung keine Rücksicht auf die Religion nehmen darf, denn wenn es keine Gesetze gibt, die Religion in irgendeiner Art und Weise zum Inhalt haben, dann gibt es weder Diskriminierung noch Privilegierung und niemand wird an der Ausübung seiner Überzeugung gehindert. Nur durch diese staatliche Nichteinmischung ist Glaubens- und Gewissens- und damit Religionsfreiheit gewährleistet. Laizität gehört in unser Bundes-Verfassungsgesetz. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ja, liebe Kollegen, das sind ein paar Dinge, um die ihr euch kümmern könnt, ich kann es euch natürlich nicht befehlen. Ich schließe mit dem großartigen Stranz Van Waldenberg: „Dreams are in your sleep.“ (Beifall bei den NEOS.)

17.38


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Alm! Zunächst vielen Dank für die verbalen Blumen.

Ich kann Ihnen, da mir dazu die Möglichkeiten fehlen, nicht versprechen, dass dieses Haus alle oder viele dieser Abschiedswünsche – oder wie immer ich sie bezeichnen soll – erfüllen wird. Ich bedanke mich auf jeden Fall auch von dieser Stelle aus – und ich denke, auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen zu sprechen – für Ihre Mitarbeit in diesem Hohen Haus, auch wenn sie, gemessen an meinen vielen Jahren, nicht allzu lange gedauert hat.

Ich persönlich habe das sehr geschätzt: den Widerspruch, den kultivierten Wider­spruch, manchmal mit der entsprechenden Pointe und dem entsprechenden Witz verbunden. Das belebt die parlamentarische Debatte. Wir alle gemeinsam sollten sehr darauf achten, dass wir sehr, sehr viel Respekt vor dem Andersdenkenden aufbringen. Insofern braucht es beides, Opposition und auch die Regierungsparteien, denn das macht letzten Endes das Parlament aus. Sie haben einen Beitrag dazu geleistet.

Vielen herzlichen Dank und alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.

 


17.40.34

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Auch von meiner Seite, Kollege Alm: Wir waren nicht immer einer Meinung – das muss man auch nicht sein –,


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aber jedenfalls waren Sie eine kreative, intellektuelle und fußballerische Bereicherung für dieses Haus, und insofern ein Danke für diese Zeit und für die Arbeit, die Sie hier geleistet haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und den NEOS.)

Zurück zur Debatte zur kalten Progression: Vielleicht sollten wir immer wieder ein paar Fakten in diese Diskussion bringen. Zum Beispiel: Was ist die kalte Progression? Woher kommt sie? Sie ist ja keine Erfindung von Finanzminister Schelling. Es gibt sie in Österreich zumindest seit 1945. Ist sie besonders hoch? – Wenn wir uns das seit 1945 anschauen, muss man einfach objektiv feststellen: Sie ist so niedrig wie noch nie! Die kalte Progression war in den Vierziger-, Fünfziger-, Sechziger-, Siebzigerjahren hoch, in den Achtzigern so mittel. Seit den Neunzigern ist sie gering, und in den Nullerjahren und jetzt auch in den Zehnerjahren ist sie die geringste seit 1945, aber die Aufregung darüber ist die höchste. Das sollte man sich manchmal ein bisschen selbstreflektorisch vor Augen halten. (Abg. Strolz: Die Steuerquote steigt!) – Ja, ich weiß, die Steuerquote, ich weiß. (Abg. Strolz: Das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt!)

Seit Jahren wird jedes Jahr erklärt, die Steuer- und Abgabenquote ist so hoch wie noch nie zuvor. Ein einfacher Blick in die Daten der Statistik Austria hingegen lehrt: Die höchste Steuer- und Abgabenquote hatten wir unter Finanzminister Grasser 2001, und die ist unerreicht. So viele Ideen haben ja nicht einmal die NEOS, dass wir die erreichen würden. Orientieren Sie sich ein bisschen an Fakten!

Es gibt verschiedene Arten, mit der kalten Progression umzugehen. Länder machen das auf verschiedene Art: alle paar Jahre, jedes Jahr, automatisch, halbautomatisch. Es gibt verschiedene Varianten. Die österreichische Variante war, dass wir alle paar Jahre eine Steuerreform machen und dabei auch die Steuerstruktur ändern, Steuer­ausnahmen ändern. Wenn Kollegin Tamandl sagt, wir haben eigentlich gar nichts gemacht, so ist das eigentlich gemein gegenüber dem Finanzminister, denn wir haben eine ganze Reihe von Ausnahmebestimmungen vereinheitlicht, von Sonderbestim­mungen gestrichen, und das war natürlich auch gut möglich, weil wir ein gewisses Volumen hatten. Es geht auch die andere Variante, nämlich dass man es jährlich macht. Das kann man ganz pragmatisch sehen. Es hat alles seine Vor- und es hat alles seine Nachteile.

Der Grund, warum wir als Fraktion ganz ehrlich für einen Automatismus gegen die kalte Progression sind, ist ein ganz einfacher, denn es gab eine Steuerreform, eine einzige, die nicht das Geld der Arbeitnehmer, das durch die kalte Progression rein­kommt, wieder an die Arbeitnehmer zurückgegeben hat, sondern mit diesem Geld die Körperschaftsteuersenkung finanziert hat. Man hat also Arbeitsgeld von Arbeitnehmern genommen und damit in Wirklichkeit Kapitaleinkommensbeziehern die Steuern gesenkt. Und das war wann? – Ah, als die Freiheitlichen in der Regierung waren. 2003, 2004 war der Beschluss. Deswegen sagen wir: Damit das in Zukunft nicht mehr passiert – dass Freiheitliche, wenn sie in der Regierung sitzen, das Geld der Arbeit­nehmer nehmen und damit dann Kapitaleinkommensbeziehern quasi Geld schenken, das also in diese Richtung umverteilen –, sind wir für einen Automatismus. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Da habe ich schon bessere Zweizeiler gehört. Da gab es einen Kollegen von der ÖVP, der war da ganz gut.

Zur aktuellen Diskussion, weil das öfters angesprochen wurde und ich auch zitiert wurde: Was ist jetzt das Problem? Wieso kommt das jetzt nicht, wieso liegt das noch nicht am Tisch und welche Auseinandersetzungen hat es da in den letzten Tagen gegeben? – Das ist relativ einfach. Es gibt ja eine Einigung der Regierung, wie die kalte Progression aussieht. Da gibt es ein Arbeitsprogramm der Bundesregierung vom


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Jänner 2017. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Das war im Jänner! Wir haben jetzt schon März!) Da gibt es Unterschriften: Schelling – die Unterschrift ist schon trocken, aber gerade erst trocken. Es haben alle Abgeordneten der Regierungsparteien mit ihrem Namen bestätigt: Ja, sie unterstützen das, was hier steht.

Es steht drinnen, dass man sich in der Regierung darauf geeinigt hat, wenn 5 Prozent erreicht sind, die zwei Stufen automatisch zu 100 Prozent anzuheben. Damit hat man in etwa 80 Prozent der kalten Progression automatisch quasi abgefedert, ausge­glichen – wie Sie es auch immer nennen. Zu den restlichen 20 Prozent gibt es einen Progressionsbericht, in dem man sich anschaut, wie die Inflation auf welche Einkommensgruppen wirkt. Dann soll die Politik entscheiden, wie sie die restlichen 20 Prozent in diesem Einkommensbereich verwendet. (In Richtung Regierungsbank:) Das haben Sie unterschrieben. Sie haben es ausverhandelt, Sie haben es unter­schrieben. (Bundesminister Schelling: Sie waren nicht dabei bei den Verhandlungen!) Wir alle hier haben zugestimmt.

Was Sie hier selbst als Modell vertreten haben, entspricht nicht dem, was ausgemacht ist, entspricht nicht dem, was Sie ausverhandelt haben, entspricht nicht dem, was Sie unterschrieben haben, und entspricht nicht dem, dem alle Abgeordneten der Regierungsfraktionen zugestimmt haben. Legen Sie das vor, was wir vereinbart haben, und wir können es morgen beschließen! Und ja, ich kann sinnerfassend lesen, das haben Sie richtig zitiert, und deswegen weiß ich, dass das, was Sie hier vorgelegt haben, dem nicht entspricht. Das ist ein Problem, ja, und es ist nicht gut, dass das so funktioniert, aber es wäre durchaus vernünftig. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Das ist die Aktion 2020!)

17.46


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Schmuckenschlager ist der nächste Redner. – Bitte.

 


17.46.57

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Also die Treue bei der Ausverhandlung und bei der Umsetzung sollten Sie einem gewissen Herrn Kurz – ah – einem gewissen Herrn Kern einmal nahelegen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), wenn es um das Relocation-Programm der Europäischen Union geht. Auch da könnte man darauf verweisen, was verhandelt wurde und was man dann macht, oder auch beim CETA-Programm, das er eigentlich auch einmal wortreich ausgeführt hat. Da sollte jeder letztendlich vor der eigenen Türe kehren.

Geschätzte Damen und Herren! Es ist schon eine fast schizophrene Art einer Fraktion, fast in jedem Redebeitrag den Finanzminister anzurotzen, ihn fast wie den Räuber­hauptmann Hotzenplotz ...

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, bitte befleißigen Sie sich einer anderen Ausdrucksweise.

 


Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (fortsetzend): ... und dann die Har­monie in diesem Haus hervorzuheben und wie toll das alles miteinander ist – da sollte man doch ein bisschen, sage ich einmal, geradliniger sein, aber vielleicht ist es ja auch keine Fraktion mehr, vielleicht sind es ja da und dort nur mehr Fragmente.

Geschätzte Damen und Herren, natürlich wird ein Finanzminister nie die allerhöchsten Sympathiewerte haben, aber er verursacht die kalte Progression nicht. Finanzminister Hans Jörg Schelling nimmt das in die Hand und setzt es um; wir haben es heute


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gehört. Das Programm und der Entwurf liegen vor. Es gibt in der Regierung noch Abstimmungsbedarf, aber es wird gehandelt, und damit bringen wir endlich eines zustande, und das ist wesentlich, nämlich die Entlastung der Bürger bei der kalten Progression. (Abg. Steinbichler: Das Budget wird frisiert!) Die zwei Schritte mit der automatischen Anpassung und mit dem Progressionsbericht sind wesentlich.

Bei der Steuerreform 2016 haben wir eine Entlastung von 5 Milliarden € zustande gebracht, haben aber sehen müssen, dass wir mit der Gegenfinanzierung natürlich erhebliche Schmerzen verursacht haben, und daher ist diese Automatisierung ganz wesentlich, um Arbeitseinkommen zu entlasten, aber nicht gleichzeitig wieder standort­schädigende Abgaben zu installieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben gestern mit der Senkung der Flugticketabgabe einen wesentlichen Beitrag für den Standort geleistet, und das wurde hier auch näher erläutert, und es ist wesentlich, diese Beispiele hervorzutun. Wir reden oft – und es ist ja gerade jetzt 60 Jahre Europäische Union – vom Interesse an einer Sozialunion. Vielleicht sollten wir daran denken, vorher noch eine Fiskalunion durchzusetzen, bevor wir die Sozialunion machen, denn inwiefern ist es denn gerechtfertigt, dass wir zum Beispiel einen Agrardiesel haben, wenn die österreichischen Bauern bei der Aussaat schon wissen, dass sie weniger verdienen werden als ihre Kollegen in Frankreich oder Deutschland? (Abg. Steinbichler: Das habt ihr ja selbst beschlossen!)

Was bringt eine solide Budgetpolitik, ein solides Einnahmen-und-Ausgaben-im-Ausgleich-Halten letztendlich? Wenn wir nach Wien blicken, wo eine rot-grüne Misswirtschaft permanent Abgaben erhöhen muss, um das Budget zu erhalten, dann sind das die wirklichen Angriffe auf die sozial Schwächsten, denn das trifft die untersten Schichten. Daher muss das zurückgestellt werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Sozialstaat lebt von der Leistungskraft der Bürger und nicht von der Um­ver­teilungsfantasie der Bürokraten. In dieser heutigen Dringlichen versteigen sich aber die NEOS fast komplett. In einer trumpschen Polemik wird gegen Parteien­unter­stützung gewettert. Was wünschen Sie sich denn für eine Politik? Politik, die letzt­endlich nur mehr von den Großfinanziers unterstützt wird, wo nur mehr Gönner, Reiche oder politische Zirkel bestimmen, wie das politische Feld in Österreich aussieht? – Das ist eine Gutsherrenmentalität, die Ihnen wirklich nicht zuträglich ist. Das ist faden­scheinig.

Sie wollten einmal eine Politik machen, die die Flügel hebt. Da sollten Sie sich lieber Rat vom österreichischen Skiflugweltmeister holen. Wissen Sie, was beim Skispringen das Wichtigste ist? – Den richtigen Moment für den Absprung zu erwischen. (Beifall bei der ÖVP.)

Man hat den Eindruck, die Zurückgebliebenen sind von sich selbst überholt worden und stehen jetzt in der Trotzecke. Die rosa Politik-Marketingblase ist geplatzt, denn für Marketing braucht man vor allem eines: ein entsprechendes Produkt. Das braucht aber auch eine Nachfrage, und vor allem der Bedarf muss gegeben sein. Diese Nachfrage ist ja bei Ihnen sogar intern schon unter die Wahrnehmungsschwelle gesunken. (Abg. Brunner: Wollen Sie vielleicht inhaltlich auch noch etwas sagen?) – Ja, die Grünen, das ist ja überhaupt fein. Sie sollten sich auch Gedanken über Ihre Zukunft machen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Es gibt keine einzige Fraktion, die so mit ihrer Jugend umgeht, wie Sie das tun. Auch das ist vielleicht etwas, worüber Sie mit sich selbst ein bisschen mehr diskutieren sollten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Das ist alles eine Politik der Marke: Für alles zu haben, für nichts zu gebrauchen. Ich empfehle Ihnen (ein Blatt mit der Aufschrift „#Nexit“ in die Höhe haltend) den Nexit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Cap: Freiheit für Grönland!)

17.52

17.52.13*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Schmuckenschlager! Für die zuvor von mir kritisierte Ausdrucksweise erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

*****

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


17.52.39

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Minister auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ehrlich gesagt wollte ich jetzt nicht mehr dazu sprechen, aber gerade die Beiträge der beiden letzten Redner haben mich schon ein bisschen herausgefordert. Letzten Endes geht es darum, dass wir eine Bundesregierung haben, einen Finanzminister haben, der angekündigt hat, dass er die kalte Progression abschaffen möchte. Wir haben das kritisiert, weil uns die Art und Weise nicht unbedingt praktikabel vorgekommen ist. Es ist das Wesen der Opposition, nicht immer alles zu loben, vielleicht Kritikpunkte anzu­führen, um auch die Regierungsparteien zum Nachdenken zu motivieren und Verbes­serungen in Ideen einbauen zu können.

Meine Damen und Herren an den Bildschirmen, noch gibt es ja offiziell eine Koalition zwischen diesen beiden Parteien, auch wenn man sich das nicht mehr so recht vor­stellen kann. Was man die ganze letzte Woche und dann vor allem am Wochenende im OTS-Bereich lesen konnte – Abgeordnete von SPÖ und ÖVP haben sich Freundlichkeiten ausgerichtet, die ich hier gar nicht zitieren darf, denn sonst würde ich sofort einen Ordnungsruf bekommen – ist jetzt auch hier in einer Art und Weise weitergegangen, die eigentlich für das gesamte Hohe Haus wirklich zum Schämen ist. Das muss ich jetzt schon einmal sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte aber auch inhaltlich noch etwas dazu sagen, und da fange ich jetzt mit Ihren Ausführungen an, Herr Kollege Krainer: Wissen Sie, Sie haben ein Trauma, es hat nämlich vor mittlerweile weit über zehn Jahren eine Regierungszusammensetzung gegeben, bei der die SPÖ in Opposition war. Offensichtlich haben Sie das bis heute nicht verwunden. Es tut mir wahnsinnig leid. Vielleicht sollten Sie irgendwann einmal darüber hinwegkommen, das würde ich Ihnen wirklich wünschen.

Sie kritisieren, es hätte damals Umverteilung von den Arbeitnehmern zum Großkapital gegeben. Wissen Sie, wann es die letzte ganz große Umverteilung von Arbeitnehmern zum Großkapital gegeben hat? – Das war vor etwa einem Jahr, als der ehemalige Sozialminister Hundstorfer als einen seiner letzten Akte, die er hier gesetzt hat, der Bank Austria ein Geschenk machen wollte und damit natürlich auch der Wiener Stadt­regierung, weil die noch die Haftungen für die alten Zentralsparkassen-Pensionisten hatte. Das war die Umverteilung! Den Mitarbeitern der Bank Austria wurde die Pension weggenommen, die sie sich erworben haben. Sie wurden ins ASVG übergeführt. Da wurde Geld verschoben, und das nicht einmal mehr in ein österreichisches Institut, wie es einst einmal die Bank Austria war. Nein, der italienische Mutterkonzern ist derjenige, der davon profitiert. Das heißt, die SPÖ, Ihr ehemaliger SPÖ-Sozialminister Hundstorfer, hat Geld der arbeitenden Bank-Austria-Mitarbeiter an einen italienischen Großkonzern, an ein italienisches Großkapital überführt. Das ist die Wahrheit, und die verschweigen


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Sie natürlich. Das sollten Sie auch einmal sagen! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Loacker: Und ihr habt dem zugestimmt!)

Eines sage ich schon: Natürlich ist die Abschaffung der kalten Progression notwendig, dazu stehen wir, und das haben wir immer gefordert, und zwar auf regelmäßige Art und Weise. Ich verstehe sogar – gesagt hat es, glaube ich, Kollegin Tamandl, die heute wirklich eine gute und sehr launige Rede gehalten hat; sie hat auch sehr vieles gesagt, das wir schon seit Jahren fordern –, dass sie abgeschafft werden muss, damit man sich die Streitereien alle paar Jahre und das Ping Pong hier erspart.

Interessanterweise hat das Kollege Krainer nicht so gesehen. Er diskutiert nämlich sehr gerne über die Umverteilung, nämlich eine Umverteilung von oben nach unten, von den Leistungsträgern zu jenen, die sich weigern, irgendetwas zu tun. Es ist ja gerade der Mittelstand, der heute schon so ausgepresst wird, dass ihm kaum noch Luft zum Atmen bleibt. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.– Herr Kollege Rossmann, Sie können gerne noch einmal herauskommen und Ihre Meinung dazu sagen, aber jetzt bin ich am Wort, bei allem Respekt.

Es ist der Mittelstand, der befürchten muss, dass er in eine sozial schwache Schicht abrutscht, dass er in die Armutsfalle gerät, weil es der Mittelstand ist, der sich gar nicht mehr rühren kann und kaum noch Luft zum Atmen hat. Daher gehört ja auch so dringend angesetzt, um die kalte Progression abzuschaffen.

Ein zweites Kapitel ist – und das wissen wir alle – das Problem mit den Sozial­versicherungen. Ja, da sind die Beiträge zu hoch, und sie können nicht gesenkt werden, denn wir haben ja die Paläste der Sozialversicherungen, und da sind Sie, meine Damen und Herren auch von der ÖVP, von der SPÖ sowieso, nicht bereit, den Hebel anzusetzen. Da wird nicht gespart, da wird nicht zusammengelegt, da wird keine Struktur verschlankt und vereinheitlicht. Da könnten wir ansetzen, da könnten wir sparen und dann könnten wir das auch den Menschen wieder zurückgeben und dann könnten wir die Sozialversicherungsbeiträge möglicherweise auch senken, und zwar so, dass es auch spürbar ist.

Dazu sind Sie beide nicht bereit. Daher ist diese Diskussion eine, die in Wirklichkeit am Grundthema immer vorbeigeht. Es muss an vielen Schrauben gedreht werden, um endlich Nachhaltigkeit im Bereich der Senkung der Lohnnebenkosten zu erreichen, damit sich die Wirtschaft auch wieder bewegen kann, damit sich die arbeitende Bevölkerung von dem, was sie verdient, auch wieder das Leben leisten kann. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

Es ist doch eine Schande, dass viele Menschen am Ende des Monats nicht mehr wissen, wie sie sich Brot und Milch leisten können. Das sind die Realitäten! Wenn Sie mir das nicht glauben, dann schauen Sie doch rein in die Diskonter, in denen kurz vor Ladenschluss die Leute stehen und warten, dass das Brot verbilligt wird – Menschen, die arbeiten!

Das ist etwas, bei dem wir doch nicht weiter zuschauen können, da ist Handlungs­bedarf gegeben. Und bitte hören Sie auf, zu streiten! Machen Sie entweder den Weg endlich frei für Neuwahlen oder setzen Sie sich zusammen, raufen Sie sich zusammen und arbeiten Sie für dieses Land und für diese Bevölkerung, denn dazu sind Sie eigentlich da! (Beifall bei der FPÖ.)

17.58


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte.

 


17.58.31

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Meine Vorrednerin hat schon einiges gesagt, aber ich würde es gerne noch einmal zusammenfassen, weil es wichtig ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 179

Was haben wir jetzt gesehen? – Wir haben gesehen, dass ein Abgeordneter, Herr Kai Jan Krainer, herausgekommen ist und den Minister vor laufender Kamera, vor allen Zusehern, vor dem ganzen Hohen Haus daran erinnern musste, was er unterschrieben hat. Und dann kommt jemand von der ÖVP heraus und bezeichnet das als Anrotzen des Ministers und zieht dann auch noch fest über die SPÖ her.

Das heißt, was wir hier erleben, ist das Gleiche, wie wenn jemand die Feuerwehr ruft, weil sein Haus in Flammen steht, und dann, wenn die Feuerwehr ankommt, muss er mitansehen, wie man sich streitet, wer den Schlauch ausrollen darf, welche Spritze verwendet wird und wo man überhaupt das Löschwasser herbekommt. Genau das ist das Problem!

Wir haben ein Riesenproblem in diesem Land. Wir haben es schon gehört. Der Mittel­stand löst sich auf. Wir haben internationale Probleme, die nach Europa und Österreich hereinschwappen. Wir haben einen Brexit, von dem wir nicht wissen, wie er sich auswirken wird. Wir haben internationale Konfrontationen an allen Ecken. Wir haben eine Eurokrise, die jetzt bald wieder ins Haus steht. Wir haben eine Wirtschaftskrise, die möglicherweise in einigen Jahren wieder zuschlagen wird. Bei all dem fallen wir wirtschaftlich immer weiter zurück. Das ist doch die Realität, und das müssen Sie ja auch sehen, Herr Minister.

Laut Rechnungshof gab es in den letzten Jahren stapelweise gute Vorschläge. Aber anstatt, dass Sie sich zusammensetzen und einfach einmal schauen, wo es Gemein­samkeiten gibt, erleben wir seit Monaten das permanente Zelebrieren von Unter­schiedlichkeiten. Es geht darum, dass die Regierung sich hinstellt und sagt, okay, da können wir uns einigen – möglicherweise beim Mittelstand, möglicherweise bei den Pensionisten –, anstatt immer das herauszuarbeiten, was einen trennt. Das ist das Problem, das wir hier erleben, und so verliert natürlich die Bevölkerung immer mehr das Zutrauen, dass diese Regierung überhaupt noch handlungsfähig ist.

So, wie in einer Ehekrise immer die Kinder leiden, leidet bei einer Staatskrise natürlich die Bevölkerung. Die Probleme bleiben ja, und wenn die Regierung nicht bereit ist, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, dann werden die Probleme eben nicht umgesetzt und nicht angegangen. Das ist das Problem. (Beifall beim Team Stronach.)

Schauen Sie, ich bin von der Opposition. Ich könnte mich darüber freuen, was Sie da aufführen, denn Sie machen in Wirklichkeit das Geschäft der Opposition. Ich freue mich aber deshalb nicht, weil ich ja auch Staatsbürger bin und auch Kinder habe. Letztlich geht es auch um meine Zukunft, es geht um die Zukunft meiner Kinder. Des­halb wünsche ich mir eine Regierung, die arbeitet. Es mag sein, dass die Opposition davon nicht profitiert, es mag sein, dass viele dann doch wieder die Regierung wählen, aber wir brauchen eine handlungsfähige Regierung in diesem Land!

Sie sollten es schaffen, sich zusammenzusetzen – aber nicht hier im Parlament bitte, sondern irgendwo im Kabinett. Setzen Sie sich zusammen, schauen Sie, wo es Gemeinsamkeiten gibt, und dann kommen Sie damit hierher ins Parlament! Sie werden sehen, Sie werden uns – oder zumindest einige von uns – sicher als Unterstützer haben. Aber dieses Schauspiel, das Sie hier abliefern, ist wirklich armselig.

Deshalb: Raufen Sie sich zusammen – bald! – oder treten Sie ab, machen Sie den Weg frei für Neuwahlen! Ich glaube, dass das die einzigen gangbaren Wege sind. Beenden Sie diese Ehekrise und hören Sie vor allem damit auf, diese Krise hier öffentlich zu zelebrieren! (Beifall beim Team Stronach.)

18.02

18.02.20

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 180

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten DDr. Fuchs, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der kalten Progression.

Wer stimmt diesem Antrag zu? – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

18.02.24Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 12 bis 14 der Tagesordnung wieder auf, mache gleich darauf aufmerksam, dass nur noch zwei Redner in dieser Debatte zu Wort gemeldet sind und dann wieder eine Abstimmung ansteht.

Erster dieser beiden Redner ist Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


18.02.55

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht jetzt wieder um die Änderung des Tierschutzgesetzes. Diese Novelle bringt eine Kennzeichnung von Zucht­katzen und ein Verbot von privaten Tierinseraten im Internet. Dazu sind im Vor­feld über 660 Stellungnahmen abgegeben worden.

Die wichtigsten Eckpunkte dieser Novelle sind die verpflichtende Kennzeichnung von Zuchtkatzen mit Mikrochips, die Beschränkung von privaten Tierinseraten im Internet und die verbesserte Rechtsstellung von Tierschutzombudspersonen. Privatpersonen dürfen in Zukunft keine Tiere mehr auf einer Internetplattform anbieten.

Ausnahmen gelten für die Landwirtschaft – das ist in jeder Hinsicht ein vollkommen richtiger Ansatz. Rindern soll zumindest 90 Tage ein Auslauf gewährt werden, wenn nicht zwingende Gründe, zum Beispiel Sicherheitsaspekte oder Nichtvorhandensein von Weideflächen, dagegenstehen.

Zur Anbindehaltung von Rindern, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist zu sagen, man kann den Bauern nicht von heute auf morgen vorschreiben, sie sollen alle ihre Ställe umbauen. Wer soll das bezahlen? – Wir haben heute aus dem letzten Grünen Bericht gehört, dass die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern in den vergangenen Jahren massiv zurückgegangen sind. Das Bauernsterben würde dadurch noch beschleunigt, vor allem, was die kleinen Betriebe und die Bergbauern betrifft. Viele Bauern haben ihre Rinder im Sommer sowieso auf der Weide oder auf der Alm, und vergleicht man die Anbindehaltung mit einem Laufstall, meine sehr geehrten Damen und Herren, so ist zu sagen, es liegen meist Welten dazwischen. Bei der Anbindehaltung hat der Bauer/die Bäuerin einen Bezug zum Rind, zur Kuh, zum Kalb, bei einem Laufstall ist dieser Bezug in dieser Form oft nicht mehr so gewährleistet.

Man sollte auch die Gefahr bei der Tierhaltung nicht außer Acht lassen. Es sind schon des Öfteren schwere Unfälle passiert, sogar Unfälle mit tödlichem Ausgang, wie Kollege Auer aufgezeigt hat. Und das wollen wir alle nicht. Es sollte schon den Bäuerinnen und Bauern überlassen werden, ob sie ihre Rinder im Laufstall oder in einer Anbindehaltung halten, denn der Bauer/die Bäuerin ist die beste Tierschützer/in. Dass das stimmt, meine sehr geehrten Damen und Herren, steht außer Frage. Wenn ein Bauer/eine Bäuerin eine Kuh, ein Kalb verkauft, gibt es oft große Tränen bei den Kindern, wird die beste Kuh, die Glockkuh verkauft, dann gibt es oft nicht nur Tränen bei den Kindern, sondern sogar beim Bauern und bei der Bäuerin, so sehr sind sie mit ihren Tieren verbunden, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, das kann man in keinster Weise in Abrede stellen.

Ich möchte aber eines noch betonen: Wenn wir uns heute schon für den Tierschutz aussprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann schaffen wir doch endlich


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 181

auch das Schächten ab, denn das Schächten ist Tierleid pur, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall des Abg. Neubauer.) Wenn Sie für den Tierschutz etwas übrig haben, Frau Kollegin Brunner, dann helfen Sie mit, endlich auch das Schächten abzuschaffen! Ich bitte Sie darum. – Danke schön.

18.06


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.

 


18.06.19

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Die Novelle zu diesem Gesetz ist das Ergebnis von monate-, ja jahrelangen Verhandlungen, in die die Wissenschaft miteingebunden worden ist, in die die Tierschutzorganisationen miteingebunden worden sind, bei denen Tierärzte und natürlich auch die Tierhalter dabei waren, und ich glaube, das ist ein gutes Ergebnis, das wir heute hier präsentieren können. In der öffentlichen Diskussion ist es großteils um Themenbereiche wie die Katzenkastration gegangen. Ich glaube, dass wir da mit der Kennzeichnung und mit der Meldepflicht für Zuchtkatzen eine praxisgerechte Lösung gefunden haben.

Es hat aber auch eine breite öffentliche Diskussion zum Thema Anbindehaltung gegeben. Es gibt da und dort Bestrebungen, diese Anbindehaltung generell zu ver­bieten. Als mir die Redakteurin einer Zeitung mit einer großen Auflage wörtlich gesagt hat, fortschrittliche Bauern, die 20 Kühe und mehr im Stall haben, hätten ohnehin alle einen Laufstall, lautete meine Antwort: Mehrheitlich handelt es sich aber um kleine Betriebe in Österreich. Dann sagte die Redakteurin: Sie werden mir recht darin geben, dass diese ohnehin nicht davon leben können, die machen das als Hobby. Sie sollen halt aufhören, wenn sie sich das Umstellen nicht leisten können. – So kann man die Sache natürlich nicht sehen. Man kann über Pro und Kontra diskutieren, über den Laufstall, in dem mehr Bewegungsfreiheit gegeben ist, und auf der anderen Seite über die Anbindehaltung, bei der der Bezug zum Tier vonseiten der Tierhalter, der Bäue­rinnen und der Bauern, noch wesentlich besser gegeben ist. Es gibt da und dort Vorteile wie Nachteile.

Jedenfalls steht für mich fest: Die Bauern können nicht alle zehn, zwanzig Jahre einen neuen Stall bauen. Ich will, dass es den Tieren und den Tierhaltern gut geht, und deshalb brauchen wir auch diese Ausnahmebestimmungen vom Verbot der dauernden Anbindehaltung. Wenn sich ein Betrieb zum Beispiel mitten im Ortsgebiet befindet, eine Straße vor und eine Straße hinter dem Hof, wenn die Weidemöglichkeit unter Umständen doch in weiterer Entfernung liegt und die Bäuerin unter Umständen allein zu Hause ist, dann ist das nicht zumutbar. Die familiäre Situation und auch die Sicherheit für die Bäuerin/für den Bauern sind in diese Überlegungen miteinzu­bezie­hen.

Und eines müssen wir auch noch sagen, weil dann oft so flapsig vom Zusperren die Rede ist: Hinter jedem bäuerlichen Betrieb steht ein menschliches, ein persönliches Schicksal. Da geht es um die Existenzgrundlage von bäuerlichen Familien. Das sollten wir uns vor Augen führen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe es schon erwähnt, ich will, die ÖVP will, dass es den Tieren und den Tier­haltern gut geht. Tierhaltekompetenz und auch Tierschutzkompetenz erwirbt man nicht hinter einem Schreibtisch, sondern im täglichen Umgang mit den Tieren, und die Bäuerinnen und Bauern machen das 365 Tage im Jahr. Deshalb brauchen wir dieses praxistaugliche Gesetz, das wir heute beschließen. Stimmen Sie zu! (Beifall bei der ÖVP.)

18.09

18.09.29

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 182

Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt wie immer über jeden Ausschussantrag getrennt.

Zunächst Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Entwurf betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Tierschutzgesetz geändert wird, in 1544 der Beilagen.

Hiezu liegen ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Keck, Eßl, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzent­wur­fes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungsantrag betreffend die Ziffern 5, 9 und 10 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit und somit abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen zum Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ziffer 14b.

Wer dazu seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist wiederum die Minderheit und somit abgelehnt.

Die Abgeordneten Keck, Eßl, Kolleginnen und Kollegen haben ebenfalls einen Abände­rungsantrag betreffend Ziffer 14b eingebracht.

Wer dazu seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen zum Zusatzantrag der Abgeordneten Keck, Eßl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einfügung einer neuen Ziffer 14c.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen zum Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Ziffern 26, 29 und 37.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit, dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 183

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Antrag des Gesund­heitsausschusses, seinen Bericht 1545 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer stimmt diesem zu? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Antrag des Gesund­heits­ausschusses, seinen Bericht 1546 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungs­antrages 2002/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Wer stimmt dem zu? – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1546 der Beila­gen angeschlossene Entschließung betreffend „Aufnahme der Wachtelhaltung in die 1. Tierhaltungsverordnung“. – Das ist eine einstimmige Annahme. (E 196.)

18.13.2015. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1520 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutz­gesetz geändert wird (1547 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Somit kommen wir zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Vogl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.13.48

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Es geht jetzt um die Umsetzung einer EU-Richtlinie, aber bevor ich darauf eingehe, lassen Sie mich noch ein Wort zur vorherigen Debatte sagen. Es wurde behauptet, dass der Vergleich der Bank Austria dazu geführt hat, dass den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in unserem Land ein Nachteil entstan­den ist, dass die Kreditanstalt in Italien das Geld bekommen hat. Ich darf dazu richtig­stellen: Das Geld ist nicht nach Italien geflossen, das Geld liegt im Sozialministerium, denn wir sind verantwortungsvoll, wenn es um das Geld des Steuerzahlers geht. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Ich glaube, Sie kennen sich nicht aus, Herr Kollege!) Das heißt, dieser Vergleich wurde bereits geschlossen.

Worum geht es bei diesem Konzept für diätetische Lebensmittel? – Bisherige Regelun­gen wurden aufgegeben, es gibt aber Nachfolgeregelungen, in denen weiterhin Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung, Getreidebeikost und andere Beikost, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Tagesrationen für eine gewichts­kontrollierende Ernährung geregelt bleiben. Wichtig ist, glaube ich, und das steht auch so in diesem Gesetz, dass Lebensmitteln keine Wirkungen oder Eigenschaften zuge­schrieben werden dürfen, die sie nicht haben. Das ist für uns Konsumentinnen und Konsumenten ganz wichtig.

Wir haben sowohl heute als auch gestern bereits Diskussionen gehabt, bei denen es um die Kennzeichnung von Lebensmitteln ging. Auch wir hier im Hohen Haus ver­suchen ja, eine Bewusstseinsbildung dafür herbeizuführen. Hier im Haus war heute den ganzen Tag lang eine Ausstellung mit Fairtrade-Produkten, die sehr gut besucht war. Man konnte sehr gut nachvollziehen, welche Erfolge in diesem Bereich bereits erzielt wurden. Ich darf nur sagen: 100 Prozent der Bananen, die ein Fairtrade-Güte-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 184

siegel tragen, sind Bioprodukte (Beifall des Abg. Pirklhuber), und bereits 20 Prozent aller Bananen im österreichischen Handel werden fair gehandelt. Immerhin ist das Gesamtvolumen an Produkten, die fair gehandelt werden, inzwischen auf 185 Millio­nen € gestiegen.

Wenn wir hier über diätetische Lebensmittel diskutieren, also besonders wertvolle Lebensmittel, dann ist auch zu sagen, dass wir in den letzten Wochen und Tagen verstärkt auch eine Diskussion über den Zuckerverbrauch in unserem Land verfolgen konnten. Wir haben uns ja ein Ziel gesetzt, und zwar wollen wir den Zuckerverbrauch pro Kopf in unserem Land auf 34,4 Kilogramm senken. Das ist vorerst einmal nicht sehr ambitioniert, das wissen wir, darum haben wir auch schon im Budgetierungs­prozess gesagt, dass wir eine weitere Evaluierung vornehmen wollen. Ziel muss es natürlich sein, die Schädlichkeit von Zucker bewusster zu machen. Ich glaube auch, dass wir genauere Methoden brauchen, wie wir den Zuckerverbrauch messen, denn die Auswirkungen von Zucker können sehr unterschiedlich sein. Dazu wird es bald eine Diskussion brauchen, denn im Herbst sollten wir mit den Wirkungszielen für das Budgetjahr 2018 diesen Zuckerverbrauch pro Kopf festlegen. Dann werden wir die Chance haben, gemeinsam neue Ziele festzulegen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.16


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Strasser. – Bitte.

 


18.16.45

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute wird die Gesetzeslage von Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz diskutiert. Ich darf dazu zwei Berichte bringen, einen aus der Europäischen Union und einen aus Österreich.

Seit 2014 arbeitet die Europäische Union daran, das Kontrollwesen zu reformieren. Die Basis für dieses Projekt war der Pferdefleischskandal. 2017 wird dieses Projekt abge­schlossen, und es gibt dann eine neue gesetzliche Situation, die von den Mitglied­staaten harmonisch abgearbeitet werden soll. Es wird einfacher, effizienter, und die Kontrollen sollen gemäß dem Motto: Vom Feld bis zum Teller!, intensiviert und ver­stärkt werden.

Wir leben in einer Zeit des Binnenmarktes, wir leben in einer Zeit der globalen Märkte. Aktueller denn je war der brasilianische Fleischskandal. Es ist wichtig, dass wir ein­heitliche und strenge Regeln bekommen, es ist wichtig, im Sinne des Konsumen­tenschutzes und im Sinne einer Wettbewerbsgleichheit in Europa harmonisiert vorzugehen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir gerade in diesem Bereich eine starke EU brauchen – im Sinne der Lebensmittelqualität, im Sinne der Wirtschaftskraft, im Sinne unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft. In diesem Sinne werden aktuell wichtige und richtige Schritte gesetzt.

Ein Projekt aus Österreich, das auch in diese Richtung geht, wurde von den Herren Bundesministern Rupprechter und Doskozil mit „Unser Heer isst regional“ auf den Weg gebracht. – Es sei ein großes Dankeschön dafür an diese zwei Mitglieder der Bundesregierung gesagt! Aktuell sind 72 Prozent des Einkaufs beim Bundesheer regional, und man wird versuchen, anhand des Bestbieterprinzips, das wir hier in diesem Haus vor einiger Zeit beschlossen haben, diese Quote noch zu erhöhen. Ich hoffe, dass beim Bundesheer bald 100 Prozent österreichische Lebensmittel genossen werden können.


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Dazu zwei Zitate, das erste von Bundesminister Rupprechter: „Das ist ein starkes Bekenntnis zur österreichischen Landwirtschaft“ und „sichert heimische Arbeits­plätze“. – Danke schön.

Das Zitat von Herrn Bundesminister Doskozil: „Oberstes Ziel muss sein, die Steuer­gelder der Österreicherinnen und Österreicher für die regionale Wertschätzung einzu­setzen.“ – Danke für diese Aussage, danke für dieses Projekt.

Auch der Dank von den Bäuerinnen und Bauern, von den Lebensmittelverarbeitern, aber auch von den Soldatinnen und Soldaten ist diesen beiden Bundesministern gewiss, denn abgesehen davon, dass sie ihren Dienst an der Heimat versehen, können unsere jungen Damen und Herren in den Kasernen jetzt auch kulinarisch die Vorzüge unserer Heimat genießen.

Die Lebensmittelsicherheit und der Verbraucherschutz sind ein hohes Gut, und es ist in den vergangenen Jahren sehr viel geschehen zur Sicherung der österreichischen Lebensmittel, zur Sicherung österreichischer Arbeitsplätze. Die Gesetzgebung in Österreich und auch in Europa ist auf dem richtigen Weg, und wir werden diesen Weg konsequent weitergehen. – Danke schön und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP.)

18.19


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.20.10

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Werte Kollegen! Ich möchte mich heute einem Thema widmen, das unserer Meinung nach sehr wichtig ist, und zwar der Lebensmittelverschwendung. Seit über sechs Jahren versuchen wir Freiheitlichen, Rot und Schwarz davon zu überzeugen, in diesem Bereich Maßnahmen zu setzen. Vielleicht ganz kurz ein paar Zahlen: In Österreich werden jährlich rund eine Million Tonnen an Lebensmitteln weggeschmissen – eine Million Tonnen. Damit man es versteht, etwas plastischer: Das sind circa 40 000 Lkw-Ladungen jährlich.

Von der Zuständigkeit her, Frau Ministerin, sind Sie in Letztverantwortung. Das ist natürlich eine Materie, die unter anderem auch den Landwirtschaftsminister betrifft, aber in letzter Konsequenz liegt das Lebensmittelrecht bei Ihnen. Ihre Vorgängerin, Frau Oberhauser, war da zwischendurch zwar gesprächsbereit, ist aber dann ebenfalls an diesem Stillstand der Bundesregierung gescheitert. Ich setze jetzt eine neue Hoffnung in Sie, dass Sie das pragmatisch lösen, denn es ist ja kein ideologisches Thema.

Ich habe heute und gestern verstanden, dass es zu vielen Themen sehr harte Dis­kussionen gab, aber in diesem Fall ist es im Prinzip die Bevölkerung in ganz Öster­reich, die nicht haben will, dass 40 000 Lkw-Ladungen an verwertbaren Lebensmitteln weggeschmissen werden. Das heißt, da haben wir eigentlich ideologisch keine Trennlinien, aber nicht einmal bei diesem pragmatischen Thema – sage ich einmal – schaffen wir oder in dem Fall die Regierenden eine Verringerung um zumindest einmal die Hälfte, obwohl es rechnerisch leicht möglich wäre.

Vielleicht ganz kurz: Im Prinzip sind diese eine Million Tonnen auf fünf Bereiche der Verschwendung aufgeteilt. Es fängt bei der Produktion, also in der Landwirtschaft, an, geht dann weiter zur eigentlichen Lebensmittelproduktion, dann zum Lebensmittel­handel, weiter zur Gastronomie und in letzter Konsequenz zum Konsumenten. Überall verlieren wir zwischen 15 und 20 Prozent der jeweiligen Gesamtsumme, aber vonseiten der Bundesregierung wird nichts unternommen. Zunächst wäre eine Daten­analyse durchzuführen: Wo findet der Verlust genau statt? Was sind die Ursachen? Es


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finden auch keine Maßnahmen statt, um diese Verluste in irgendeiner Form – entweder auf dem Acker oder in letzter Konsequenz beim Konsumenten – nachhaltig zu redu­zieren.

Das ist für mich erschütternd, wenn ich mir das vorstelle. Es gibt ganz einfache Beispiele, und ich erwähne eines davon immer wieder, auch im Ausschuss: Gastro­nomen bereiten ein Buffet für 50 oder 60 Leute vor, und dann wird die Veranstaltung kurzfristig abgesagt. Der Kunde bezahlt den Gastronomen natürlich. Jetzt steht alles essbereit da. Man könnte dieses Buffet für 50, 60 Leute durchaus sinnvoll verwenden, das darf der Gastronom aber nicht, weil ihn die Regeln, die unter anderem auch Sie machen, Frau Ministerin, daran hindern, diese Lebensmittel weiterzugeben.

Ich möchte in diesem Rahmen hier auch mit einem großen Missverständnis aufräu­men, das immer wieder entsteht, nämlich dass das Problem über Sozialmärkte gelöst würde. Nach Schätzungen wird gerade einmal 1 Prozent dieser einen Million Tonnen über die Ebene Sozialmärkte sinnvoll weiterverwendet.

Jetzt kann man sagen, man macht so weiter, aber was man in der heutigen Diskussion auch nicht vergessen sollte: Diese eine Million Tonnen an Lebensmitteln, die verloren gehen, sind auch in den Preisen der Lebensmittel eingepreist. Das heißt, wenn wir alle sagen, die Lebensmittelpreise sind zu hoch, die Leute können sich teilweise das Essen nicht mehr leisten, dann muss man auch einkalkulieren, dass die Kosten für diese eine Million Tonnen in den Preisen inkludiert sind. Man kann es nur billiger machen, wenn man auch die Verschwendung beendet. (Beifall bei der FPÖ.)

Das bedeutet eine ganz klare Ansage unsererseits: Wir müssen versuchen, und zwar ganz nachhaltig, die Bevölkerung aufzuklären, was gemacht werden kann, um diese Verschwendung zu verhindern. Was wir hier im Parlament machen sollten, wäre relativ einfach umzusetzen. Wir haben Vorschläge gemacht; unter anderem wären auch die strengen Regeln in Bezug auf Ablaufdatum oder Hygienerichtlinien aufzuweichen oder zu erleichtern.

Ein anderes Beispiel zeige ich dem Landwirtschaftsminister immer wieder auf: Früher wurde der Abfall im Kreislaufsystem zumindest an die Schweine verfüttert, aber auch das ist nicht mehr möglich. Jetzt wird an die Schweine gentechnisch verändertes Futtermittel aus Amerika verfüttert, aber das quasi regional erzeugte Lebensmittel kann nicht einmal im Kreislaufsystem an die Schweine verfüttert werden?! – Das ist einfach eine verrückte Welt.

Unser Vorwurf ganz konkret ist – ich sage es noch einmal –: Seit über sechs Jahren – in 14 Anträgen – versuchen wir, eine Veränderung zu erwirken, doch Rot und Schwarz schaffen es nicht, ganz pragmatisch eine Verbesserung zu erzielen! Das finde ich erschütternd. Frau Ministerin, ich hoffe, dass Sie ganz rasch und pragmatisch spürbare Maßnahmen setzen, um diese Unmenge der im Ausmaß von 40 000 Lkw-Ladungen weggeworfenen Lebensmittel tatsächlich zu reduzieren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.26


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.26.06

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte zunächst dem Kollegen Wurm etwas sagen. Herr Kollege Wurm, es ist tatsächlich möglich, wieder etwas an die Schweine zu verfüttern, diese Regelungen hat die EU gelockert, allerdings wäre dazu eine entsprechende Umsetzung in Österreich notwendig. Möglich wäre es wieder, aber es ist noch offen.


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Jetzt kurz zur Regierungsvorlage betreffend das Lebensmittelsicherheits- und Ver­braucherschutzgesetz: Wir werden sie mittragen. Im Wesentlichen geht es um Anpas­sungen an das EU-Recht, die damit vorgenommen werden.

Das Zweite betrifft Importregelungen für die biologischen Produkte aus Drittstaaten, die derzeit im Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz geregelt sind und in Zukunft im EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz geregelt werden sollen, und darauf möchte ich kurz eingehen.

Frau Bundesministerin, ich meine, Sie haben noch nicht viel Zeit gehabt, sich in der ganzen Breite einzuarbeiten, aber ich würde gerne auf Sie zukommen! Sie sind nämlich auch für den biologischen Landbau, für die gesamte Lebensmittelkenn­zeich­nungskette, von den geschützten geografischen Angaben bis hin zu den Regelungen im biologischen Landbau, zuständig. Es gibt dazu zwei Ausschüsse, nämlich den Beirat und den Kontrollausschuss nach EU-QuaDG. Ich nehme an, dass wir am 31. Mai diese Thematik im Ausschuss haben werden. Aus meiner persönlichen Sicht sind noch dringend einige Verbesserungen erforderlich; es gibt ja auch zahlreiche Stellungnahmen dazu.

Frau Bundesministerin! Zwei, drei Dinge, deren Beratung in Ihrem Ressort in der nächsten Zeit auch wichtig ist:

Erstens die Frage der Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen auf euro­päischer Ebene. – Sie wissen, dazu gibt es keine Mehrheiten auf EU-Ebene, die Mitgliedstaaten sind nach wie vor mehrheitlich nicht für die Zulassung, allerdings haben sie keine qualifizierte Mehrheit. Das ist nach wie vor unbefriedigend. Daher meine kurze Frage an Sie: Werden Sie auch weiterhin die Position der österreichischen Bevölkerung mittragen und keine Zulassung und keine Neuzulassung von Gentechnik­pflanzen in Europa als österreichische Position vertreten?

Das Zweite, das mir sehr wichtig ist: Wir haben bereits über die Zertifizierung von Stallsystemen im Rahmen des Tierschutzgesetzes gesprochen, wofür sie ja zuständig sind. Wir bräuchten auch eine bessere Regelung der Herkunftskennzeichnung. Es ist ganz einfach notwendig, dass Konsumenten, Betreiber in der Gastronomie und so weiter auch bei verarbeiteten Produkten mehr Chancen und mehr Rechtssicherheit haben, indem wir die regionale Herkunft in Verarbeitungsprodukten ausloben. (Beifall des Abg. Steinbichler.)

Ich weiß, das ist nicht leicht, aber es ist ein ganz zentrales Thema, worüber wir seit Jahren fast Konsens haben. Ich erinnere daran, Frau Bundesministerin, die Bürger­initiative „Faire Lebensmittel“, die das fordert, hatte die Zustimmung von allen Parteien hier im Haus, von allen! Alle sind wir aufgestanden. Diese Bürgerinitiative – Kollege Strasser erinnert sich – haben wir alle hier mitgetragen, und es wäre nur richtig, wenn wir daraus auch eine Initiative starten. Ich hoffe, dass wir im nächsten Gesund­heits­ausschuss darüber reden und vielleicht auch eine gemeinsame, parteiübergreifende Initiative von hier aus starten können. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

18.29


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.29.39

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Kollegin (in Richtung der nach Abg. Doppler zu Wort gemeldeten Abg. Fichtinger, die bereits auf dem Weg zum Rednerpult war), ich hätte Ihnen gerne den Vortritt gelassen.


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Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht um eine Regierungsvorlage zu einem Gesetz, mit dem das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz geändert wird. Es handelt sich um eine sogenannte EU-Anpassung, das haben wir schon gehört. Die Sicherheit und die Kennzeichnung unserer Lebensmittel stehen regelmäßig im Fokus der Öffentlichkeit. Kontrollen und Transparenz sind wichtig für die Sicherheit unserer Lebensmittel. Sehr wichtig ist auch eine korrekte Kennzeichnung, Herr Kollege Pirklhuber, da bin ich ganz bei dir! Das ist ein maßgeblicher, wichtiger Faktor.

Einen wichtigen Beitrag dazu leistet der jährlich erscheinende Lebensmittelsicher­heitsbericht. Sein Erscheinen ist im Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher­schutz­gesetz festgeschrieben. Inhaltliche Schwerpunkte sind die Ergebnisse des Nationalen Kontrollplans, also von Betriebskontrollen und Probenziehungen. Kontrolliert werden und wurden alle Betriebe entlang der Lebensmittelerzeugung. Das, Herr Kollege, hast du, glaube ich, gemeint, das ist ein ganz wichtiger Faktor. Die häufigsten Bean­standungen waren Kennzeichnungsmängel und irreführende Angaben, die, wie ich glaube, auch Kollege Pirklhuber angesprochen hat.

Darauf muss man auch in Zukunft schauen, denn die Sicherheit der Lebensmittel ist ein wichtiger Faktor. Mit der Sicherheit der Lebensmittel darf man auch nicht spaßen, auf die Sicherheit und vor allem auf die Kennzeichnung muss auch in Zukunft sehr genau geachtet werden. – Danke schön. (Beifall des Abg. Pirklhuber und bei Abge­ord­neten des Teams Stronach.)

18.31


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fichtinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.31.38

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Doppler hat eigentlich schon erklärt, worauf diese Novelle abzielt. Konkret wird das Konzept der diätetischen Lebensmittel gestrichen, geregelt bleiben hingegen jene unter dem Sammelbegriff „Lebensmittel für spezielle Gruppen“, wie Säuglingsanfangs- und Folgenahrung, Getreidebeikost, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Tagesrationen für eine gewichtskontrollierende Ernährung. Das ist natürlich wichtig, dass das geregelt ist, damit das, was auf den Markt kommt, auch wirklich so ist, wie es verkauft wird und auch sein soll.

Vielleicht noch einmal ganz kurz auf den Beitrag des Kollegen Wurm zurückkommend: Wir sprechen jetzt schon sehr, sehr lange darüber. (Abg. Peter Wurm: Sechs Jahre, Frau Kollegin, sechs Jahre!) – Gut, so lange bin ich noch nicht im Parlament, trotzdem kann ich sagen: Es stimmt, die Verschwendung ist ein großes Problem. Man kann daher nicht einfach auf die SOMA-Märkte und auch diese Team-Österreich-Tafel-Projekte verweisen, obwohl es gute Projekte sind, die inzwischen ein großes Netz auch über Österreich gespannt haben. Das ist sicherlich nicht die endgültige Lösung, aber ich muss sagen, eine Lösung, wie es tatsächlich geregelt werden könnte, hat der Kollege Wurm bis jetzt auch nicht vorgeschlagen. (Abg. Peter Wurm – der Rednerin ein Schriftstück überreichend –: ... da drinnen! Ich geb’s Ihnen zum Nachlesen!) – Okay. Es ist auf jeden Fall sehr wichtig, dass es eine Lösung gibt und dass immer wieder daran gearbeitet wird.

Zu Kollegen Pirklhuber kann ich nur sagen: Vollkommen richtig, wir sind alle aufge­fordert – wir hier herinnen und auch die Zuseher vor den Fernsehgeräten –, regional einzukaufen. Das würde schon sehr viel lösen, denn dann kauft man nicht so viel ein. Das ist nämlich leider das Problem.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 189

Noch einmal auf das Thema zurückkommend: Ich glaube, es ist unser allgemeines Ansinnen, die Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich so gut wie möglich zu informieren, zu schützen und die Bürger bei ihren Einkäufen weiter selbständig ent­scheiden zu lassen. Ich glaube, das muss unser aller Ansinnen sein, denn gerade mit Qualitätsprodukten wird sehr viel Schindluder getrieben. Ich glaube, da müssen wir am Ball bleiben, damit die Menschen immer gut informiert sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.33


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Steinbichler stellt eine Tafel, auf der ein Vieh­transporter zu sehen ist, auf das Rednerpult. – Rufe bei der SPÖ: Palmöl nicht vergessen! Das Taferl haben wir schon einmal gesehen, glaube ich! Was ist das? – Abg. Steinbichler: Nebulos wie die Lebensmittelkennzeichnung!)

 


18.34.17

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Das war jetzt ein höchst interessanter Beitrag von Frau Kollegin Fichtinger. Zuerst zu fragen: Wie lange diskutieren wir das Thema noch?, und dann zur Opposition zu sagen: Ihr habt ja nicht einmal einen Vorschlag! – Na ja, wenn alles in den Ausschüssen vertagt wird?! Ich komme dann zu einem konkreten Punkt, da kannst du dann gleich beweisen, wie ehrlich ihr das meint.

Ich möchte Folgendes sagen: Der Chef der Bürgerinitiative „Faire Lebensmittel“ hat sich gestern die Parlamentsdiskussion angehört. Er bedankt sich auch für die breite Unterstützung in allen Redebeiträgen von allen Fraktionen, er hat sich dann aber ein bisschen über das Abstimmungsverhalten gewundert. Es weiß, glaube ich, jede Frak­tion, wie sie gestimmt hat. Deshalb sage ich: An den Taten werden wir Sie messen!, und wir wollen unseren Beitrag leisten, Frau Minister! Auf eine gute Zusammenarbeit in Zukunft! Ich denke, das ist das Wichtigste.

Kollege Doppler hat gesagt, es handelt sich um eine EU-Anpassung. Ich bin der Meinung, lieber Kollege Rupert, wir sollten in der EU Vorbild sein.

Dieses wertvolle Österreich, dieses wertvolle rot-weiß-rote Zeichen, das weltweit be­kannt ist, glaube ich, sollte genügen, dass wir es auch mit Inhalt ausfüllen: Wo Öster­reich draufsteht, muss Österreich drin sein! Meine Haltung zum Thema Lebens­mittelsicherheit habe ich immer schon aufgezeigt.

Und natürlich, Herr Kollege (in Richtung SPÖ), muss das Palmöl zur Sprache kommen, das ist ja ganz klar. Wenn die EU und Österreich im selben Ausmaß zweitgrößter Importeur der Welt – nach Indien – von Palmöl sind, dann ist das nicht nur schändlich – ich bedanke mich an dieser Stelle beim VKI für die neue Zeitung, in der er sich wieder mit der Zertifizierung und mit dem Thema Landraub beschäftigt hat, wenn auch nur mit dem Thema Landraub im Osten und noch gar nicht mit jenem im Regenwald, wo die Zahlen noch viel schrecklicher wären –, sondern dann sollten wir das auch wesentlich ehrlicher meinen, weil es da um brutalste menschliche Schicksale geht. Es kann nicht sein, dass die Caritas jetzt Briefe ausschickt, wir sollen den Welthunger einbremsen und sollten spenden. – Wir sollten ihn nicht verursachen, das wäre einmal das Wich­tigste! Wir sollten die Themen, die Probleme an ihren Wurzeln packen, dann haben wir Aussicht auf Erfolg. (Beifall beim Team Stronach.)

Ein ganz wesentlicher Punkt, der angesprochen worden ist, ist jener mit den Speise­resten. – Jawohl, sofort wieder umsetzen, wenn es die Möglichkeit gibt! Ich bedanke mich bei den Schulschwestern in Vöcklabruck, die immer gesagt haben: Was für un-


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sere Senioren und für unsere Kindergartenkinder zu Mittag gesund und regional gekocht wird, das dürfen doch wohl auch unsere Schweine um 14 Uhr am Nachmittag zum Fressen bekommen, dann brauchen wir es nicht in die Biotonne zu leeren beziehungsweise nicht in die Biogasanlage zu fahren. Somit ist es im Nahrungs­kreislauf sofort wieder sinnvoll umgesetzt. Wir müssen viel mehr Richtung nachhaltiger Kreislaufwirtschaft denken.

Ich darf noch die Systemgastronomie in Sachen Herkunftskennzeichnung ansprechen: Diese Sauerei muss aufhören, dass sich Möbelwirtshäuser, Supermarktwirtshäuser mit 1,99-€-, 2,99-€-Schnitzelaktionen die Kunden ins Geschäft holen! Wenn, dann sollen sie es mit ordentlicher Auslobung und Herkunftskennzeichnung machen, dann schauen wir einmal, wie sich das Verhältnis im fairen Konkurrenzwettbewerb mit den Wirten verhält.

Vielleicht noch zum Thema nachhaltig – das muss ich wiederholen –: Wenn im kom­menden Wahlkampf – und da sind wir ja mittendrin, das haben wir heute schon bei den Diskussionen zu mehreren Tagesordnungspunkten herausgehört – das Wort Nach­haltigkeit wieder missbraucht wird – und eine Partei ist bereits wieder gefährdet –, dann schaut euch bitte einmal an, wie viele wertvolle nachhaltige Ideen in den 30 Jahren ökosozialer Marktwirtschaft von euch selbst versenkt wurden! – Wertvollste Ideen! Ich werde einige davon im Wahlkampf aufgreifen, da sind brauchbare Dinge dabei. Aber ich glaube, dieses Wort nachhaltig ist zu wichtig – es hat mit meinen Enkerln zu tun, es ist ein essenzielles, wichtiges Fundament für zukünftige Ent­schei­dungen –, es ist zu wertvoll, als dass man es für Wahlkampfprogramme missbraucht.

Deshalb verschreiben wir uns dem Thema Nachhaltigkeit und einer ganz klaren Kenn­zeichnung der Lebensmittel. Ich gebe zu bedenken – wir haben es gestern gesagt –: Im Ennshafen wurden im vorigen Jahr 240 000 Container umgesetzt, und – und deswegen habe ich auch diese Tafel mit dem Lastwagen (auf die genannte Tafel verweisend) mitgenommen, Frau Minister – solch eine Fuhre Rinder wird durch die Schlachtung im österreichischen Schlachthof zum österreichischen Qualitätsprodukt! Wir importieren, lieber Georg, 2,2 Millionen Lebendschweine aus dem Osten und aus Holland, Dänemark und Norddeutschland nach Österreich, plus 120 000 Rinder. (Abg. Pirklhuber: 520 000 sind es insgesamt!)

Ich frage, ob es gerechtfertigt ist, dass diese Tiere dann im Schlachthaus den AT-Stempel bekommen? – Das ist der entscheidende Punkt: Auf einem ausländischen Rind, auf einem ausländischen Schweineschlachtkörper hat das AT-Zeichen, das österreichische Länderkürzel, nichts verloren! (Beifall beim Team Stronach.)

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kenn­zeichnung von Fleisch mittels AT-Stempel“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle erforderlichen Maßnahmen zu veran­lassen, die sicherstellen, dass ausschließlich Qualitätsfleisch österreichischer Her­kunft – sprich (Frisch-) Fleisch von Nutztieren, die in Österreich geboren, in Österreich aufgewachsen und in Österreich geschlachtet/zerlegt/verpackt wurden – mit dem AT-Stempel versehen wird. Bei Tieren, die im Ausland geboren und aufgewachsen sind, aber in Österreich geschlachtet wurden, soll die Genusstauglichkeit“ – und das ist der


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Knackpunkt: die Genusstauglichkeit! – „mit einem Stempel des Herkunftslandes zertifiziert werden.“

*****

Meine Damen und Herren, bringen wir doch Klarheit in diesen komplett verwirrenden Markt! Ich glaube, es ist dann allen gedient, aber insbesondere unseren Enkerln, der Umwelt, der Gesundheit und den Arbeitsplätzen. Wir bitten um Unterstützung! (Beifall beim Team Stronach.)

18.40


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Steinbichler eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kennzeichnung von Fleisch mittels AT-Stempel“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 15: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1520 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittel­sicherheits- und das Verbraucherschutzgesetz geändert wird (1547 d.B.) in der Nationalratssitzung vom 30.03.2017

Das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz regelt u.a. die Anfor­derungen an Lebensmittel und gilt auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Ver­triebs­stufen. Ziel dieses Gesetzes ist der Gesundheitsschutz der Konsumentinnen und Konsumenten und der Schutz vor Täuschung.

Die gemäß der europäischen und nationalen gesetzlichen Vorgaben in Österreich durch­geführten Fleischkontrollen und Bestätigungsvermerke mittels „Genusstauglich­keitsstempel“ stiften unter Produzenten und Konsumenten in immer vermehrtem Maße Verwirrung und Unmut. Nicht zuletzt aufgrund des Umstandes, dass mit der „AT-Genusstauglichkeitsauslobung“ die tatsächliche Herkunft des Fleisches oft verschleiert wird, da der Stempel mit den Initialen „AT“ eine österreichische Herkunft suggeriert, die in der Praxis oft nicht gegeben ist.

Es erhalten bekanntlich alle geschlachteten Nutztiere an den heimischen Schlacht­höfen, auch wenn sie aus dem Ausland stammen, die gleiche Klassifizierung mit dem so genannten AT-Stempel (Genusstauglichkeitsstempel).

Dieser Umstand ist im hohen Maße dazu geeignet, bei vielen Lebensmitteln tierischen Ursprungs bzw. bei weiterverarbeiteten Lebensmitteln (speziell Convenience-Waren) den Konsumentinnen und Konsumenten eine durchgehende Herkunft aus Österreich zu suggerieren, die tatsächlich sehr oft gar nicht gegeben ist und nur auf einer inner­halb Österreichs erfolgten Schlachtung des Tieres oder auch einer Endfer­ti­gung/Ab­packung beruht.

Über bleiben bei dieser „amtlichen Täuschung“ die irritierten und verunsicherten Kon­sumenten.

Es muss endlich gelingen, die Konsumenten von der tatsächlichen Landesherkunft der lebensmittelliefernden Nutztiere zu informieren, die „Verösterreichisierung“ ausländi­scher Grundstoffe samt Quasi-Auslobung als österreichische Qualität muss endlich aufhören.


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Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle erforderlichen Maßnahmen zu veran­lassen, die sicherstellen, dass ausschließlich Qualitätsfleisch österreichischer Herkunft – sprich (Frisch-) Fleisch von Nutztieren, die in Österreich geboren, in Österreich aufgewachsen und in Österreich geschlachtet/zerlegt/verpackt wurden – mit dem AT-Stempel versehen wird. Bei Tieren, die im Ausland geboren und aufgewachsen sind, aber in Österreich geschlachtet wurden, soll die Genusstauglichkeit mit einem Stempel des Herkunftslandes zertifiziert werden.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Frau Bundesministerin Dr. Rendi-Wagner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


18.41.05

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf mich beim Kol­legen Steinbichler offiziell hier für die gute Linzer Torte bedanken; die ist bereits ver­nichtet. Hier bleibt kein Lebensmittelabfall zurück, das kann ich Ihnen versichern. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Loacker. – Zwischenrufe des Abg. Steinbichler.) – Nein, nein, aber Spaß beiseite!

Lebensmittelabfall ist zweifelsohne ein wichtiges Thema. Die Zuständigkeit, die mir und meinem Ressort in diesem Kontext zukommt, ist vor allem die Frage der Mindest­haltbarkeit beziehungsweise des Mindesthaltbarkeitsdatums. Das ist für uns auch ein wichtiges Thema. Wir bringen uns da auf EU-Ebene schon seit langer Zeit ganz aktiv ein, sind auch Mitglied einer europäischen Arbeitsgruppe, die sich damit intensiv befasst, und sind in dieser Gruppe auch sehr stark vertreten. Diese Gruppe arbeitet derzeit auch an einem europäischen Leitfaden. Also wir haben dieses Thema am Radar, wir sehen dessen Wichtigkeit, und im Rahmen unserer Zuständigkeit bear­beiten wir das auch.

Ein zweites wichtiges Thema – und das wurde auch vom Kollegen Pirklhuber hier ganz kurz angeschnitten – ist die Gentechnikfreiheit. Das ist mir auch ein ganz wichtiges Anliegen. Es steht außer Zweifel, dass ich in diesem Bereich den Kurs meiner Vorgänger und Vorgängerinnen auf jeden Fall fortsetzen werde, nach dem Motto: Keine Gentechnik auf unseren Feldern! Dieser Kurs wird fortgesetzt und auch nicht geändert, das kann ich Ihnen hier und heute zusichern. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Pirklhuber und Dietrich.)

Und sonst freue ich mich über eine breite Zustimmung zum vorliegenden LMSVG. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.42

18.42.39

 


Präsident Karlheinz Kopf: Danke, Frau Bundesministerin.

Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1520 der Beilagen.

Wer stimmt diesem Gesetzentwurf zu? – Das ist einstimmig angenommen.


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Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer stimmt diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zu? – Das ist wiederum Einstimmigkeit.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kennzeichnung von Fleisch mittels AT-Stempel“.

Wer stimmt diesem Antrag zu? – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist somit abge­lehnt.

18.43.2516. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1518 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitsberuferegister-Gesetz, das Gesund­heits- und Krankenpflegegesetz und das MTD-Gesetz geändert werden (GBRG-Novelle 2017) (1548 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


18.43.48

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht jetzt hier um das Gesetz, mit dem das MTD-Gesetz geändert werden soll, also um die gehobenen Gesund­heitsberufe. Das ist ein Gesetz, das eine sehr lange Geschichte hat. Begonnen hat das Ganze unter Gesundheitsminister Stöger, der dieses Gesetz eigentlich von Anfang an vermurkst hat. Viele Jahre, bevor es uns erstmals überhaupt hier vorgelegen ist, haben sich bereits die Berufsgruppen intern viel Arbeit angetan, haben auch im Sinne einer Qualitätssicherung für die Patienten, um die Patientensicherheit zu gewährleisten, eine Liste aufgelegt, in die sich die Mitglieder dieser Berufsgruppen auch eingetragen haben.

Es war ein sehr langer Prozess, bis der Entwurf endlich in Gesetzesform gegossen werden konnte. Offensichtlich waren damals auch schon die Parteiinteressen sehr viel wichtiger. Man hat nämlich dann eine Teilung gemacht: Die Registrierung der Angestellten in diesen Berufsgruppen erfolgte bei der Arbeiterkammer, die der Selb­ständigen bei der Gesundheit Österreich GmbH. Allein schon diese Teilung zeigt, dass man diese Registrierung absichtlich in zwei unterschiedlichen Bereichen gemacht hat. Meines Erachtens geschah das fast schon mutwillig, aber das ist in Österreich offensichtlich so notwendig, denn wenn man in dieser Bundesregierung einen gemein­samen Beschluss fasst, dann geht man her und zerpflückt und zerteilt alles, damit alle Bereiche ein bisschen etwas davon haben.

Dann ist ganz lange nichts passiert, und voriges Jahr wurde das noch einmal auf­geschlagen, und jetzt haben wir es schon wieder auf der Tagesordnung. Aber auch jetzt sind die Berufsgruppen eigentlich nicht sehr glücklich. Warum? Und worum geht es jetzt? – Jetzt geht es nicht nur um sprachliche, begriffliche Anpassungen – das ist für uns völlig in Ordnung –, sondern es geht letztlich um die Überarbeitung der Daten und auch um eine Verlängerung der Fristen für die Registrierung.

Wie ich eingangs erwähnt habe, gibt es all diese Daten seit Langem bei den Berufs­gruppen selbst. Es ist aber nicht möglich, dass da eine Online-Anmeldung erfolgt oder dass man das übermittelt. Das heißt, die ganze Arbeit, die diese Berufsgruppen über


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Jahre geleistet haben, wird jetzt eigentlich links liegen gelassen. Man versucht jetzt wiederum, da ein bisschen herumzudoktern.

Ich sage Ihnen ehrlich: Dem können wir unsere Zustimmung nicht geben! Ich glaube, man hätte diesen Berufsgruppen, die über viele Jahre engagiert waren, die Möglichkeit geben sollen, sich selbst zu verwalten. Da schwingt aber immer die Angst mit, man könnte vielleicht einen neuen freien Berufsstand schaffen. Offensichtlich ergreift dann vor allem die SPÖ immer die Panik, denn sie denkt, freie Berufe seien etwas ganz Schlimmes, so etwas müsse abgeschafft werden. Das ist das Problem, und deshalb wird da jetzt permanent herumgedoktert.

Wir geben diesem Gesetz unsere Zustimmung nicht – vor allem aber deswegen, weil die Berufsgruppen dieses Gesetz massiv kritisieren! (Beifall bei der FPÖ.)

18.46


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hechtl. – Bitte.

 


18.46.51

Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Das Gesundheitsberuferegister-Gesetz wurde 2016 beschlossen, nunmehr haben wir eine weitere Änderung dieses Gesetzes auf der Tagesordnung. Damit wird dieses Gesund­heitsberuferegister-Gesetz verbessert, vereinfacht, und auch gewisse Klarstellungen werden getroffen. Zum Beispiel werden auch die hohen Standards, die dieses Gesetz mit sich bringt, beibehalten beziehungsweise damit bestätigt. Es tritt aber auch eine gewisse Patientensicherheit ein, und das ist für uns sehr wichtig.

Mit der Onlineregistrierung wird, wie schon gesagt wurde, eine gewisse Vereinfachung in die Registrierung einkehren beziehungsweise kommt mit der Datenübernahme eine Verwaltungsvereinfachung.

Ein wesentlicher Erfolg ist auch, dass es gelungen ist – und dafür ein Danke auch an die Verhandler –, dass die Registrierung nun gebührenfrei ist. Das zu erreichen war nicht einfach, wie wir wissen, dem gingen harte Verhandlungen mit dem Finanzminister voraus. Gratulation Ihnen, Frau Bundesministerin, und Ihrem Team, dass dies gelun­gen ist. Das erspart auch Kosten.

Zur Klarstellung dessen, was jetzt in dieses Gesetz eingeflossen ist: Es ist jetzt fix geregelt, dass die unselbständig Erwerbstätigen bei der Arbeiterkammer registriert sind und die selbständig Erwerbstätigen bei der Gesundheit Österreich GmbH. Es steckt keine Mutwilligkeit dahinter, Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein, sondern es hat Sinn, dass wir die Registrierung bei den jeweiligen Unselbständigen-Interessen­vertre­tungen machen. Das bringt eine wesentliche Vereinfachung mit sich und erspart auch Wege. Das ist natürlich eine große Verantwortung für die Arbeiterkammer bezie­hungs­weise für die Gesundheit Österreich GmbH.

Meine Damen und Herren! Pflege ist für uns wichtig, sie wird in der Zukunft immer wichtiger werden. Wir stellen uns dieser Verantwortung, das ist auch in der Zukunft eine große Herausforderung.

Frau Ministerin, Sie sind mit dem heutigen Tag 23 Tage im Amt. Sie haben Ihre fach­liche und Ihre persönliche Kompetenz unter Beweis gestellt und bewiesen, dass Sie dieses Geschäft, wenn man es so sagen kann, auch verstehen und auch mit Herz bei dieser Ihrer Arbeit sind. Ich möchte Ihnen für die Zukunft alles Gute wünschen. Wir stehen an Ihrer Seite! (Beifall bei der SPÖ.)

18.49


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Weigerstorfer. – Bitte.

 



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18.49.08

Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (STRONACH): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrtes Hohes Haus! Das schlagende Argument bei diesem Gesundheitsberufe­register-Gesetz ist, dass man hier versucht, Verwaltungseinsparungen vorzunehmen. Wir sehen das leider ein bisschen anders: Wir meinen, dass ein zusätzliches Bürokratiemonster aufgebaut wird. Und das sagen nicht wir alleine, sondern die betroffenen Berufsgruppen sind da eigentlich ähnlicher Meinung.

Man hat da leider wieder eine typisch österreichische Lösung mit den bekannten Begleiterscheinungen, wie eben einer Doppelstruktur und einem Plus an Verwaltung, gewählt, und das Ganze ist unter Verwaltungseinsparung gecovert. Es tut uns leid, aber wir können das nicht erkennen.

Fraglich ist ebenso, warum die Registrierung, wenn man von diesem Gesetz sowieso über­zeugt ist, nach hinten verschoben ist, wo doch auch der Dachverband der gehobenen medizinisch-technischen Dienste Österreichs eigentlich bereits seit 2014 über ein mehrfach, sogar von Datenexperten gelobtes Onlineregistrierungssystem ver­fügt. Ich verstehe daher nicht, warum man nicht sagt: Schauen wir noch einmal genau und warten noch ein bisschen ab!

Daten sind auch ein Thema, wo wir ein bisschen den Finger in die Wunde legen wollen. Konkret geht es um Datensicherheit. Ich habe hier einen O-Ton, da werden die Daten an die Arbeiterkammer, an die Gesundheit Österreich GmbH und an den Hauptverband geschickt, und da steht, wo sie dann aufbereitet werden. Mit dem Begriff aufbereitet kann ich, muss ich ehrlich sagen, nicht allzu viel anfangen. Da frage ich mich: Wie werden meine persönlichen Daten aufbereitet? Auch dazu gibt es einige kritische Stellungnahmen von Datenschutzexperten.

Wie gesagt: ein nicht optimal gelöstes Gesetz! Im Sinne der betroffenen Berufsgruppen hätte man da, glaube ich, eine eindeutig bessere Lösung finden können. Deshalb können wir dieses Mal leider nicht mitgehen. (Beifall beim Team Stronach.)

18.51


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Durchschlag. – Bitte.

 


18.51.47

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ein Sprichwort sagt ja, aller guten Dinge sind drei. Wir diskutieren, wie schon mehrfach gehört, dieses Gesundheitsberuferegister-Gesetz heute zum dritten Mal. Und vielleicht für die Zuseherinnen und Zuseher zum besseren Verständnis: Die Registrierung der Gesundheitsberufe – in diesem Fall handelt es sich um die Angehörigen der Pflegeberufe und des gehobenen medi­zinischen Dienstes – bedeutet, dass systematisch alle Berufsangehörigen an einer zentralen Stelle erfasst werden und dadurch auch gesichert wird, dass diese Berufs­angehörigen eine Ausbildung haben, die den österreichischen Gesetzen entspricht.

Das hat für die Patientinnen und Patienten den Vorteil, dass sie sicher sein können, qualitativ hochwertig behandelt zu werden. Und für die Politik hat es den Vorteil, in der Gesundheitspolitik bei der Ausbildung der Gesundheitsberufe genauer steuern zu können. – So weit, so gut.

Die Registrierung der Gesundheitsberufe entspricht also den Interessen der Patien­tinnen und Patienten, der Berufsverbände und der Politik.

Ich möchte aber zwei Punkte herausgreifen, die ich jetzt etwas näher beleuchten werde. Beide betreffen die Übermittlung der erforderlichen Daten an die Registrie­rungsbehörden. Wir haben ja gestern das Deregulierungsgesetz beschlossen, in dem wir festgelegt haben, dass alle Bürgerinnen und Bürger einen Rechtsanspruch auf


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elektronische Abwicklung ihrer Anliegen mit den Ämtern haben. Das ist eine sehr sinnvolle Maßnahme, die quasi die Realität abbildet. Es können zum Teil heikle Materien, wie beispielsweise Finanzdaten, schon über FinanzOnline abgewickelt wer­den. Da erscheint es einem ziemlich selbstverständlich, dass bei einer Maßnahme wie bei der Registrierung der Gesundheitsberufe – und da geht es um wesentlich weniger heikle Daten, wo niemand auf die Idee kommt, dass man dazu persönlich erscheinen muss; das wurde in den Verhandlungen nicht immer so gesehen, ich bin daher sehr froh, dass das schlussendlich klargestellt werden konnte – die Onlineregistrierung der Regelfall sein soll, womit wir, wie bei anderen Bereichen, auch mit diesem Gesetz im 21. Jahrhundert angekommen sind.

Der zweite Punkt betrifft den Vorgang der Bestandsregistrierung selbst, also die Erfas­sung aller jetzt tätigen Berufsangehörigen, und da sprechen wir von einer Gruppe von mehr als 100 000 Personen. Die Registrierung wird, wie schon erwähnt worden ist, für alle kostenfrei erfolgen. Sie sollte aber natürlich so einfach wie möglich gehandhabt werden. Die Möglichkeit des Überspielens von bereits vorhandenen Datensätzen durch die Berufsverbände würde so eine einfache Handhabung und Erleichterung darstellen, und zwar für die Berufsangehörigen auf der einen Seite, aber auch für die Regis­trierungsbehörden auf der anderen Seite.

MTD Austria, der Dachverband der gehobenen medizinisch-technischen Dienste Öster­reichs – er ist schon erwähnt worden –, hat bereits vor mehreren Jahren zum Zwecke der Registrierung die MTD-Register GmbH gegründet. Diese Daten­über­mittlung könnte die Arbeit der Behörden wesentlich erleichtern, insbesondere im Bereich der freiberuflichen Therapeutinnen und Therapeuten.

Ich möchte dazu Folgendes erklären: MTD ist ein freiwilliger Berufsverband, er wird nicht aus Steuergeld gefördert, die Einrichtung der elektronischen Voraussetzung für diese Onlineregistrierung ist also ausschließlich auf Kosten der Berufsangehörigen gegangen. Ich plädiere sehr dafür, diesen Weg der Datenübermittlung zu gehen, weil das wirklich eine Vereinfachung darstellen würde. Über einen Kostenersatz, der auch im Gesetz vorgesehen werden kann, sollte man fairerweise mit den Berufsverbänden verhandeln. Das würde ich noch sehr gerne anregen.

Alles in allem halte ich diese Änderung für eine weitere Verbesserung des Gesetzes. Das sehen im Übrigen auch sehr viele der Berufsangehörigen, mit denen ich in regem Austausch stehe, so.

Wir von der ÖVP werden dieser Gesetzesänderung gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

18.55

Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


18.55.36

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Debatte steht jetzt hier das Gesundheitsberuferegister-Gesetz. Der Start dieses Gesetzes wird um ein halbes Jahr verschoben.

Im vergangenen Jahr wurde hier im Parlament die Errichtung eines Berufsregisters für Gesundheit und Krankenpflege sowie für den gehobenen medizinisch-technischen Dienst beschlossen, und, Frau Minister, ich bekomme von den betroffenen Fachkräften immer wieder die gleichen Anfragen, warum da schon wieder zwei verschiedene Stel­len zuständig sind: für unselbständig Beschäftigte die Arbeiterkammer, für Selb­ständige die Gesundheit Österreich GmbH. Über diese Entwicklung sind viele Betroffene nicht erfreut beziehungsweise nicht glücklich. Man spricht immer wieder von


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einer Reduzierung des Verwaltungsaufwandes, schafft aber gleichzeitig wieder zwei verschiedene Einrichtungen für den gleichen Zweck. Das ist für die Betroffenen schwer zu verstehen.

Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen uns bei allen, die im Pflegebereich tätig sind, einmal ganz herzlich bedanken – aber auch bei den Familien­mitgliedern der Betroffenen –, denn diese Menschen leisten Großartiges, und dafür gebührt ihnen großer Dank – auch von uns hier im Parlament! – Danke. (Beifall der Abg. Dietrich.)

18.57


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


18.57.07

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Frau Ministerin! Sicher ist es so, wie es Frau Abgeordnete Belakowitsch-Jenewein gesagt hat: dass es am Anfang, bei der Entstehung dieses Gesetzes, bei der Vor­bereitung dieses Gesetzes viel Unruhe und Aufregung bei den betroffenen Berufs­verbänden gegeben hat, weil man wirklich nicht genau gewusst hat, wohin die Reise gehen soll, und es eine Zeit lang gedauert hat, bis es soweit war. Meinem Empfinden nach gibt es aber jetzt bei den Berufsverbänden eine relativ große Akzeptanz für dieses Gesetz; das darf man auch nicht übersehen. Es ist auch so, wie es Frau Kollegin Durchschlag gesagt hat: Das Gesetz nützt den Versicherten, also denen, die auf Leistungen zugreifen wollen, und es nützt auch denen, die über dieses Gesetz registriert werden.

Zu diesem Gesetz beziehungsweise zu dem, was jetzt geändert wird, haben wir aber schon den Einwand: Das dauert wieder! Warum es diese Verzögerung gibt, warum das später in Kraft treten soll, ist nicht ganz einsichtig. Aber wir haben schon im Ausschuss diesem Gesetz zugestimmt – das wurde leider nicht richtig registriert –, daher werden wir natürlich auch hier im Plenum diesem Gesetz zustimmen.

Es ist einiges auf den Weg gebracht worden, und es soll auch so sein, Frau Kollegin Durchschlag, dass man weiter über die Kostenabgeltung für jene Berufsverbände, die da schon Vorarbeiten geleistet haben, reden soll. Das soll uns recht sein.

In diesem Sinne: Wir stimmen dieser Änderung zu beziehungsweise – als Anmerkung fürs Protokoll – haben wir auch im Ausschuss zugestimmt! (Beifall bei den Grünen.)

18.59


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


18.59.08

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Das Gesetz setzt wichtige Schritte dahin gehend, bei den Gesundheitsberufen die Kompetenzen auszuweiten: dass nämlich die in diesen Berufen Beschäftigten mehr Aufgaben übernehmen dürfen. Es ist hoch an der Zeit, dass das geschieht, da hinkt nämlich Österreich im internationalen Vergleich etwas nach.

Eigentümlich mutet es an, dass die Registrierung der Selbständigen bei der GÖG und jene der Unselbständigen bei der Arbeiterkammer erfolgt. Dieses Aufteilen einer Berufsgruppe auf zwei Registrierungspunkte hinterlässt schon ein bisschen den Eindruck eines „Teile und herrsche“.

Im Gesundheitsausschuss sind wir es gewöhnt, dass die Ärzte und die Ärztepolitik den Ton angeben, aber wenn es einmal um eine nichtärztliche Berufsgruppe geht, dann wird diese bei der Registrierung gleich auf zwei Organisationen aufgeteilt. Die Gesund-


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heitsberufe selbst haben mit der Registrierung bei der Arbeiterkammer überhaupt keine Freude, weil sie zu Recht einwenden und fragen: Welche Gesundheitskompetenz gibt es bei der Arbeiterkammer? Diese kann ja die Gesundheitsberufe gar nicht beurteilen.

Wir haben gestern im Zuge des Deregulierungspakets auch beschlossen, dass Unter­nehmen online angemeldet werden können – in diesem Gesetz steht jetzt jedoch, dass die Anmeldung eigenhändig unterschrieben, „persönlich oder im Rahmen eines Online­verfahrens mittels elektronischer Signatur“ erfolgen kann. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Da haben die Vertreter der Gesundheitsberufe – einige von Ihnen werden das Schrei­ben auch bekommen haben – eingewendet, sie fürchten, dass sie von der Arbeiter­kammer bürokratisiert werden und dann doch persönlich antanzen müssen, obwohl die Alternative des Onlineverfahrens vorgesehen ist. Wir werden da ein gestrenges Auge darauf haben, ob die unterbeschäftigten Mitarbeiter in der überbesetzten Arbeiter­kammer ihre großzügig bemessene Arbeitszeit dazu nützen, die Angehörigen der Gesundheitsberufe zu schikanieren. (Zwischenrufe des Abg. Schopf.)

Wir hätten jedenfalls einen größeren Schwerpunkt auf die elektronische Übermittlung gelegt und hoffen, dass sich diese Teilung in Selbständige und Unselbständige noch aufheben lässt. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

19.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


19.01.35

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, beim Gesundheits­berufe­register-Gesetz geht es in erster Linie darum, die Qualitätssicherung umzusetzen – die Qualitätssicherung nämlich für die betroffenen Berufe, für die Menschen, die in diesen Berufsgruppen arbeiten. Ich bin davon überzeugt, die Registrierung bedeutet auch eine Aufwertung des Berufes, weil man ja die entsprechenden Qualifikationen nachweisen muss. Daher wird ganz sicher der Berufsstand aufgewertet. Alle, die registriert sind, erhalten dann einen Berufsausweis für fünf Jahre; das wird ganz sicher zur Qualitäts­sicherung beitragen.

Zum anderen – das wurde auch schon angesprochen – soll das Gesetz auch dazu beitragen, dass die Patienten die Sicherheit haben, dass sie auch nur von wirklich gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Gesundheitsberufen versorgt werden. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Teil dieses Gesundheitsberuferegister-Gesetzes.

Die Registrierung bei der Arbeiterkammer oder bei der GÖG finde ich persönlich nicht so abwegig wie Herr Kollege Loacker, weil ich schon denke, das ist eine Trennung zwischen Selbständigen und unselbständigen DienstnehmerInnen, und da ist auch eine unterschiedliche Registrierung durchaus legitim, wenn ich das so sagen darf.

Betreffend Onlineregistrierung gibt es Bedenken, dass man speziell auch in diesem Bereich Dokumentensicherheit braucht und dass ein unterschriebenes Dokument oder eine Onlinesignatur dafür garantieren, dass Dokumentensicherheit gegeben ist. Ge­rade im Hinblick auf die Qualitätssicherung und auf die Patientensicherheit ist das aus unserer Sicht schon ein ganz wichtiger Bestandteil.

Im Grunde genommen ist dies ein Gesetz, das vor allem die Sicherheit für PatientInnen und die in Gesundheitsberufen Tätigen im Blickfeld hat. Das wird mit diesem Gesetz


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heute sicher wieder ein Stückchen weiter umgesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.03.30

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Ja, mit diesem Gesetz bringen wir ein bisschen Licht in eine Art Blackbox, denn bisher weiß niemand genau, wie viele Absolventen eigentlich die betreffenden Berufe ausüben. Ich glaube, es ist schon einmal ganz interessant, die Zahlen festzuhalten: Wir schätzen, dass in Österreich so circa 100 000 Leute im Ge­sundheitsbereich tätig sind, 80 000 in der Pflege, der Rest im gehobenen medizinisch-technischen Dienst.

Wir wissen aber gar nicht genau, wie die Leistungsdichte ist. Wir wissen zwar ziemlich genau, dass es 115 Millionen e-card-Kontakte bei Fachärzten und Hausärzten gibt, 65 Millionen davon bei Hausärzten, wir wissen, dass es etwa 2,8 Millionen Spitals­aufenthalte sind, wir wissen, dass es 15 Millionen Ambulanzkontakte gibt, aber wir wissen relativ wenig darüber, was Logopäden leisten – und sie leisten viel –, was MTAs leisten, was Physiotherapeuten leisten. Ich glaube, es ist wichtig, sie einmal vor den Vorhang zu holen und ihnen Danke zu sagen, denn sie sind ein Teil der öster­reichischen Gesundheitsversorgung; ein sehr, sehr wichtiger Teil, denn ohne sie wären wir nicht dort, wo wir sind. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Ich wiederhole es gerne einmal, zweimal, dreimal, ewig: Das österreichische Gesund­heitswesen gehört zu den besten der Welt. Ich würde mich nicht trauen zu sagen, wo wir genau liegen, aber wir sind sicher besser, als manche uns beschreiben; ich würde uns so um Platz zwei bis vier einordnen – ich glaube, wir sind sehr gut –, bei den Kosten um Platz zehn, also wir sind effizient.

Gestern konnte zum Beispiel auch die Einigung betreffend MR- und Kern­spinto­mo­graphien erzielt werden. Es ist natürlich sehr wichtig, dass wir an der Spitze mitspielen, dass es auch Zugang zu den Leistungen gibt, und zwar für alle – unabhängig von Alter und Einkommen.

In diesem Sinne, glaube ich, ist das heutige Gesetz sehr, sehr wichtig. Wenn wir mehr über diese Berufe wissen, mehr in der Qualität, in der Fortbildung ordnen können, dann können wir auch besser planen – und planen heißt letztendlich auch, die Leistung dorthin zu bringen, wo sie hingehört, nämlich zum Bürger. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.06

19.06.04

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1548 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein klares Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

19.06.48 17. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1467 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird (1549 d.B.)

18. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2033/A der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1550 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2008/A(E) der Abge­ordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung des Gesundheitswesens aus einem Topf (1551 d.B.)

20. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1954/A(E) der Abgeord­neten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenver­sicherung (1552 d.B.)

21. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1981/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (1553 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 17 bis 21 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte, Frau Abgeord­nete.

 


19.08.10

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minis­ter! Sehr geehrte Damen und Herren, hier im Saal und vor den Bildschirmen! Es ist jetzt für mich als Erstrednerin ein bisschen schwierig, weil nämlich ein Vertreter von einer der beiden Regierungsparteien dann nach mir einen gesamtändernden Abän­derungsantrag zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz einbringen wird. Vor wenigen Stunden, als die Gesundheitsdebatte schon mitten im Laufen war, unter­brochen von einer dringlichen Debatte hier im Plenum, haben wir erfahren, dass sich die beiden Regierungsparteien darauf geeinigt haben, hier einen gesamtändernden


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Abänderungsantrag einzubringen. Das haben wir aber, meine Damen und Herren, nicht von den Mitgliedern der Regierungsparteien erfahren, nein, sondern von Ver­tretern der betroffenen Berufsgruppen und der pharmazeutischen Industrie, die uns geschrieben haben. Den Abänderungsantrag haben wir dann erst auf Nachfrage be­kommen.

Diese Vorgehensweise ist eigentlich unerhört. Ich habe schon einiges hier erlebt, aber so schlimm war es noch nie! Das ist wirklich kein Umgang mit der Opposition, die das dann innerhalb kürzester Zeit durchlesen sollte und vor allem auch noch bewerten sollte, wie die Auswirkungen sein werden.

Der Hintergrund dieser Geschichte ist ja nicht, dass man sagt, na ja, da ist jetzt etwas ganz Wichtiges hineingekommen – nein, da gab es schon sehr, sehr lange Verhand­lungen, nämlich zwischen dem Hauptverband und der pharmazeutischen Industrie. Da ging es um bestimmte Preisgestaltungen bei Medikamenten; das ist traditionell immer ein gewisser Streitpunkt. Die Industrie möchte Geld verdienen, das ist legitim, der Hauptverband möchte nicht so viel zahlen, das ist auch legitim. Und man könnte sich eigentlich erwarten, dass es in einer zivilisierten Demokratie möglich ist, dass diese beiden Verhandlungspartner am Tisch sitzen und auch ein Ergebnis zustande brin­gen – nicht so in Österreich!

Das ist schon etwas bemerkenswert, denn erst vor einem Jahr wurde dieser Pharma-Rahmenvertrag mit der Industrie abgeschlossen. Da war dann auch offensichtlich die Welt in Ordnung, aber wenige Monate später hat man der Pharmaindustrie wieder etwas abpressen wollen – das sage ich jetzt absichtlich so. Die Pharmaindustrie ist sicherlich ein Industriezweig, der gute Umsätze macht, auch in Österreich oder vor allem gerade in Österreich, aber eine gewisse Rechtssicherheit hat auch die Phar­maindustrie verdient. Da kann man nicht einfach vom Hauptverband her dreinfahren, irgendwelche Verträge beschneiden, die noch vor einem Jahr ausverhandelt worden sind, und sagen, das hat jetzt alles keine Gültigkeit mehr.

Man hat schon den Eindruck – und dieser Eindruck verfestigt sich immer mehr –, dass der Hauptverband eigentlich der Staat im Staat ist (Beifall bei der FPÖ, des Abg. Loacker und bei Abgeordneten des Teams Stronach), derjenige, der überhaupt bestimmt, was im Gesundheitssystem passieren soll – dieser Hauptverband in Person des Herrn Probst, mit Hilfe auch aus Ihrem Ministerium, Frau Minister; da gibt es so Sektionschefs, die eigentlich nichts anderes im Sinn haben, als dass sie den Ärztestand weghaben möchten und das Gesundheitssystem ändern wollen. Das ist Ihnen vollkommen egal.

Eines sage ich Ihnen: Es wird wahrscheinlich irgendwann keinen Hausarzt mehr geben, wenn wir so weitermachen. Es wird nicht einmal mehr ein Gangbett für jeden Patienten geben. Eines wird es aber weiterhin geben: Es wird den Hauptverband geben, den Palazzo Prozzo, in dem der Generalsekretär oder wer auch immer sitzt. Den wird es auch weiterhin geben (Beifall bei FPÖ, NEOS und Team Stronach), mit allen Privilegien, die dieser Hauptverband nämlich hat.

Man versucht, überall zu sparen, man versucht, bei den Patienten zu sparen, man versucht, bei den Ärzten zu sparen, man versucht, bei der Industrie einzusparen. Nur eines geht man nie an: Das Sparen bei sich selber, das Sparen im Hauptverband, das Sparen bei den Sozialversicherungen! Da wird nicht hingegriffen (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Dietrich), denn da hängen Sie beide mit Ihren Politpensionären und mit den Personen, die Sie unterbringen müssen, drinnen, und es werden ja immer mehr. Sie hängen ja nur deswegen noch aneinander, weil Sie wissen, Sie müssen wieder ein paar Leute mehr in diesen Sozialversicherungsgebilden versorgen. Das ist auch einer der Gründe dafür, warum da nichts angegriffen wird und nichts geändert werden soll.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 202

Wenn der Sozialminister jetzt hergeht und irgendeine dubiose Studie bei einem Institut in London in Auftrag gibt, mit dem er jedes Jahr im Sommer zusammenarbeitet, das den Hauptverband ohnehin immer berät – na, was wird bei dieser Studie heraus­kommen? – Das, was sich der Herr Sozialminister wünscht.

Da gehört hineingeschnitten. Das muss endlich einmal angegangen werden. Das ist eine Parallelstruktur, ein Parallelministerium, das sämtliche Gesetze, die im Sozial­ministerium gemacht werden, wenn es ihm nicht passt, einfach wegkegelt.

Meine Damen und Herren! Das ist unerträglich. Wir werden diesem Gesetz nicht zustimmen, erstens inhaltlich nicht, aber ich sage Ihnen auch, selbst wenn es das beste Gesetz der Welt wäre, täte ich mir schwer, dem zuzustimmen, denn die Vor­gehensweise, die Sie hier heute an den Tag gelegt haben, ist wirklich ein Tiefpunkt des Parlamentarismus. Mitten in die Gesundheitsdebatte mit einem gesamtändernden Abänderungsantrag hereinzustolzieren, uns diesen hinzuknallen und zu sagen, so, jetzt habt ihr ihn, nehmt ihn oder nehmt ihn nicht, schaut, wie ihr damit weiterkommt – das ist kein Umgang und das ist keine Art. Und da kann man sich auch gar keine Zustimmung erwarten. (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

Daher werden wir diesem Abänderungsantrag auch nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ.)

19.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Spindelberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.13.25

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein, da sieht man wieder einmal, dass es Ihnen nicht um Inhalte geht, sondern einfach darum, wie ich es das letzte Mal schon gesagt habe, dass Sie eigentlich eine Phobie vor den Sozialversicherungsträgern haben.

Ich möchte das ein bisschen anders darstellen. Wenn ich heute einen gesamt­än­dernden Abänderungsantrag einbringe, dann muss ich dazusagen, gut Ding braucht eben Weile und vielleicht gute Nerven auch noch, denn es hat uns Nerven gekostet. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein. – Abg. Neubauer: ... ganz schlecht!)

Ich gebe Ihnen ja in einem recht: Fast 14 Monate haben der Hauptverband und die Pharmaindustrie verhandelt. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Das ist ja keine Art!) Worum geht es eigentlich bei dem Ganzen? – Wir haben in Österreich bei innovativen Medikamenten sehr hohe Kosten (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Gestern haben Sie das nicht gewusst? Auf den letzten Drücker!), und diese Verhandlungsrunden der letzten Monate waren leider nicht von Erfolg gekrönt, weshalb wir von der Politik die Verhandlungsrunden an uns gezogen haben. Ich habe es bis heute selbst nicht ge­glaubt, dass wir doch noch eine Einigung erzielen können. Wir haben also bis zur letzten Minute verhandelt.

Ich kann Ihnen beim besten Willen keinen Abänderungsantrag in die Hand drücken, der vorher noch nicht einmal ausverhandelt war. Da bitte ich schon auch um Ver­ständnis. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Was hätten Sie denn gemacht, wenn ...?)

Warum war die Lösung für uns insgesamt so wichtig? – Das liegt einfach darin, dass es oberste Priorität – und ich glaube, da sind wir uns alle einig – sein muss (Abg. Belakowitsch-Jenewein: ... Sie den Hauptverband stärken!), dass kranke Menschen in Österreich mit hochwertigen Medikamenten versorgt werden. Da sind wir Gott sei Dank eines der ersten Länder, in dem die Medikamente auf den Markt kommen. (Beifall der Abg. Heinisch-Hosek. – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Fürs Protokoll: Nur eine Abgeordnete ...!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 203

Die Krankenkassen in Österreich – um auch das zu sagen – haben im Vorjahr – damit wir wissen, wovon wir reden – 3,5 Milliarden € für Medikamente ausgegeben. Jetzt liegt es auf der Hand, dass die Medikamente in Österreich auch zu ökonomisch vernünf­tigen Preisen angeboten werden müssen, damit die finanzielle Situation der Kran­kenkassen nicht aus dem Ruder läuft. Das war und ist nach wie vor eine riesige Herausforderung.

Und wenn man weiß, dass die Kosten für hochpreisige Medikamente in den letzten sechs Jahren um 140 Prozent gestiegen sind, dann kann man erahnen, um welche Summen es bei diesen Verhandlungsrunden gegangen ist. Daher gibt es ja diesen sogenannten Erstattungskodex, in dem festgelegt wird, welcher Preis von den Krankenkassen für die jeweiligen Medikamente zu zahlen ist. – So weit, so gut, aber jetzt kommt es: Seit einiger Zeit wehren sich einige Pharmariesen, die noch dazu Jahr für Jahr Milliardengewinne erzielen, massiv dagegen, dass ihre hochpreisigen Medi­kamente, mit denen jährliche Umsätze von mehr als 750 000 € erzielt werden, in Österreich in den Erstattungskostenkodex aufgenommen werden.

Warum sie das tun, liegt auch auf der Hand: weil sie dadurch für ihre Produkte Preise verlangen können, die jenseits von Gut und Böse sind und die durch nichts gerecht­fertigt sind. Das ist das wahre Gesicht der Pharmaindustrie. Viele von euch haben ja heute auch Mails von den Pharmaverbänden erhalten, in denen davon die Rede ist, dass das falsches Sparen bei den Medikamenten sei. Das sei ungesund, so haben sie es formuliert.

Wenn wir eine erstklassige Medizin für alle wollen, dann müssen wir an der bisherigen Preispolitik festhalten. Da muss ich Herrn Huber von der Pharmig sagen, ich sehe das auch so, weil wir in allen Verhandlungsrunden gesagt haben, was wir erzielen wollen. Wir wollen eine transparente, nachvollziehbare Preisgestaltung haben, die sowohl für den von Ihnen kritisierten Hauptverband als auch für die Pharmaindustrie Rechts­sicherheit gewährleistet und die darüber hinaus auch die Finanzierbarkeit sicherstellt.

Was spricht daher dagegen, wenn künftig die im Gesundheitsministerium eingerichtete Preiskommission einerseits feststellt, wie hoch beim gleichen Medikament der EU-Durchschnittspreis ist, und diesen Preis andererseits auch noch alle eineinhalb Jahre evaluiert? – Das ist ja nur fair, denke ich.

Jetzt geht es aber weiter: Gerade das will die Pharmaindustrie aber überhaupt nicht akzeptieren, weil sich – so ihre Argumentation – Österreich als viertreichstes Land in der Europäischen Union höhere Preise als die Durchschnittspreise in der Europäischen Union leisten könnte. Das finde ich, ehrlich gesagt, fies, genauso wie den Umstand, dass diese Pharmariesen gewisse Länder in der Europäischen Union mit wichtigen Medikamenten gar nicht versorgen. Da geht es nur ums Abcashen und nicht um die Versorgung der kranken Menschen.

Daher finde ich es gut, dass es uns heute Nachtmittag, also wirklich auf den letzten Drücker, doch noch gelungen ist, dafür Sorge zu tragen, dass ein vertretbarer Kom­promiss gefunden wird. Ganz ehrlich: Mit einem fairen EU-Durchschnittspreis, der von der Preiskommission alle eineinhalb Jahre zu evaluieren ist, werden die Pharmariesen auch in Zukunft nicht am Hungertuch nagen.

Abschließend erlauben Sie mir auch noch, einigen Personen, die am Zustande­kom­men dieses Abänderungsantrags wesentlich beteiligt waren und deren Einsatz letzt­endlich heute von Erfolg gekrönt wird, Dank für das Engagement zu sagen, das sie in den letzten Tagen, Wochen und Monaten an den Tag gelegt haben. Weil ich gerade dort hinüberschaue: Danke an Sektionschef Clemens Auer (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Welch Überraschung!), an Nina Pfeffer und an Eva Wildfellner, die uns mit ihrem Know-how Tag und Nacht zur Seite gestanden sind. Danke auch – ich glaube,


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Erwin (in Richtung des Abg. Rasinger), das darf ich auch in deinem Namen sagen – an unsere Klubmitarbeiterin Gabi Kotzegger und an Philipp Hartig. Ihr wart einfach spitze!

Und last but not least auch dir Danke, Erwin, denn ich weiß, was du klubintern mitgemacht hast. Danke! Da kann man wieder einmal sagen: Die Hartnäckigkeit hat sich in diesem Fall ausgezahlt. (Beifall bei der SPÖ.)

19.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der gesamtändernde Abänderungsantrag wurde ord­nungsgemäß eingebracht, ist ausreichend unterstützt und steht somit mit in Ver­hand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger und Kolleginnen und Kolle­gen

zum Bericht des Gesundheitsausschusses 1550 der Beilagen über den Antrag 2033/A der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes

Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2017, wird wie folgt geändert:

1. Im § 227a Abs. 8 zweiter Satz wird nach dem Ausdruck „§ 76b Abs. 4“ der Ausdruck „in der am 31. Dezember 2014 geltenden Fassung“ eingefügt.

2. § 351c Abs. 6 lautet:

„(6) Die Preiskommission (§ 9 Abs. 3 des Preisgesetzes 1992, BGBl. Nr. 145/1992) ermittelt für Zwecke der Preisfestsetzung einer Arzneispezialität im Rahmen des roten und gelben Bereiches des Erstattungskodex aus den Preisen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union unter Berücksichtigung der in den jeweiligen Mitgliedstaaten gewährten gesetzlichen Rabatte den EU-Durchschnittspreis. Dieser Preis ist von der Preiskommission sechs Monate nach Antragstellung nach Abs. 1 auf Basis der Meldungen der vertriebsberechtigten Unternehmen unter Beiziehung der Gesundheit Österreich GmbH zu ermitteln. Nach der erstmaligen Preisfeststellung hat die Preis­kommission nach 18 Monaten sowie nach weiteren 24 Monaten neuerlich einen EU-Durchschnittspreis festzustellen. Darüber hinaus kann die Preiskommission nach weiteren 18 Monaten neuerlich einen EU-Durchschnittspreis feststellen. Die Preiskom­mission hat den jeweils ermittelten Preis dem Hauptverband mitzuteilen. Das Bundes­ministerium für Gesundheit und Frauen hat die Vorgehensweise der Preiskommission für die Preisermittlung im Internet zu veröffentlichen.“

3. § 351c Abs. 7 Z 2 lautet:

„2. So lange ein EU-Durchschnittspreis nicht festgestellt wurde, ist vorläufig der vom vertriebsberechtigten Unternehmen gemeldete Preis heranzuziehen. Wird durch die


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Preiskommission festgestellt, dass der vorläufige österreichische Erstattungspreis über dem ermittelten EU-Durchschnittspreis liegt, so hat das vertriebsberechtigte Unter­nehmen den Differenzbetrag innerhalb von sechs Monaten ab begründeter Auffor­derung an die Sozialversicherungsträger zurückzuzahlen.“

4. Im § 351c wird nach dem Abs. 9 folgender Abs. 9a eingefügt:

„(9a) Sonderbestimmungen für nicht im Erstattungskodex angeführte Arznei­spe­zia­litäten:

1. Der Preis der Arzneispezialität, sofern für diese in den vorangegangenen zwölf Mo­naten ein Umsatz über 750 000 € auf der Basis des Fabriksabgabepreises (maschi­nelle Heilmittelabrechnung) erzielt wurde, darf den EU-Durchschnittspreis nicht über­schreiten. Bei der Umsatzermittlung sind die für Rechnung der Krankenversiche­rungs­träger erzielten Umsätze aller Wirkstoffstärken und Packungsgrößen der Arznei­spezialität, die nicht in den Erstattungskodex aufgenommen sind, zusammenzu­rech­nen. Sobald diese Umsatzschwelle überschritten wurde, hat der Hauptverband der Preiskommission diesen Umstand unverzüglich mitzuteilen. Innerhalb von acht Wochen nach dieser Mitteilung hat die Preiskommission einen EU-Durchschnittspreis festzustellen; Abs. 6 ist mit Ausnahme der im zweiten Satz genannten Frist anzu­wenden.

2. So lange ein EU-Durchschnittspreis nicht festgestellt wurde, ist vorläufig der vom vertriebsberechtigten Unternehmen gemeldete Preis heranzuziehen. Wird durch die Preiskommission festgestellt, dass der vorläufige österreichische Erstattungspreis über dem ermittelten EU-Durchschnittspreis liegt, so hat das vertriebsberechtigte Unter­nehmen ab dem Zeitpunkt der Umsatzschwellenüberschreitung nach Z 1 den Diffe­renzbetrag innerhalb von sechs Monaten ab begründeter Aufforderung an die Sozial­versicherungsträger zurückzuzahlen.

3. Die Z 1 und 2 gelten nicht für Arzneispezialitäten, die auf der vom Hauptverband gemäß § 351c Abs. 2 erstellten Liste aufgeführt sind.“

5. § 351c Abs. 10 lautet:

„(10) Liegt für eine Arzneispezialität ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt vor, so gilt zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit Folgendes:

1. Vereinbart der Hauptverband bei Vorliegen eines Generikums

a) mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine Preis­reduk­tion von 30%, so verbleibt die Arzneispezialität weiter im Erstattungskodex.

b) mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen für ein Generikum einen Preis, der um 28,6% unter dem abgesenkten Preis des Originalprodukts liegt, so ist dieses in den Erstattungskodex aufzunehmen. Alle weiteren Generika werden vom Hauptverband in den Erstattungskodex aufgenommen, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum ersten Generikum besteht. Dieser Preisunterschied liegt jedenfalls dann vor, wenn

– für das zweite Generikum ein Preis vereinbart wird, der um 18% unter dem Preis des ersten Generikums und

– für das dritte Generikum ein Preis vereinbart wird, der um 15% unter dem Preis des zweiten Generikums

liegt.

2. Vereinbart der Hauptverband bei Vorliegen eines Biosimilars

a) mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine Preis­reduk-


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tion von 30%, so verbleibt die Arzneispezialität weiter im Erstattungskodex.

b) mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen für ein Biosimilar einen Preis, der um 11,4% unter dem abgesenkten Preis des Originalprodukts liegt, so ist dieses in den Erstattungskodex aufzunehmen. Alle weiteren Biosimilars werden vom Hauptverband in den Erstattungskodex aufgenommen, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum ersten Biosimilar besteht. Dieser Preisunterschied liegt jedenfalls dann vor, wenn

– für das zweite Biosimilar ein Preis vereinbart wird, der um 15% unter dem Preis des ersten Biosimilars und

– für das dritte Biosimilar ein Preis vereinbart wird, der um 10% unter dem Preis des zweiten Biosimilars

liegt.

3. Sobald durch ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt eine dritte Preisreduktion erfolgt, hat der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Ori­ginal­produkts sowie der wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukte eine neuerliche Preis­reduktion auf den Preis des dritten Generikums oder des dritten Biosimilars zu vereinbaren. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.

4. Der Hauptverband kann bei ausgewählten Indikationsgruppen zur Förderung der Verfügbarkeit eines wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukts abweichende Regelungen zur Anwendung bringen.

5. Ist abzusehen, dass bei einer Arzneispezialität trotz rechtlicher Möglichkeit in Öster­reich kein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt vorliegen wird und der Hauptverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen ab diesem Zeitpunkt keine Preisreduktion vereinbaren kann, so kann der Hauptverband ein Jahr davor den Wirkstoff oder die Wirkstoffklasse auf Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausschrei­ben.“

6. Im § 351c werden nach dem Abs. 10 folgende Abs. 11 bis 13 angefügt:

„(11) Sind für eine Arzneispezialität im grünen Bereich wirkstoffgleiche Arznei­spezialitäten (auf der 5. Ebene des ATC-Codes) im Erstattungskodex angeführt, so hat der Hauptverband für Arzneispezialitäten, die die im § 351c Abs. 10 Z 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 145/2003 vorgesehenen Preisreduktionen bereits durchlaufen haben, ein Preisband festzulegen, wobei der Höchstpreis der wirkstoff­gleichen Arzneispezialitäten 30% über dem Preis der günstigsten Arzneispezialität desselben Wirkstoffs liegen darf. Der günstigste Preis ist, abgestellt auf die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform und Wirkstoffstärke, mit Stichtag 1. Februar 2017 zu ermitteln. Das Preisband ist vom Hauptverband bis 30. Juni 2017 nach vor­heriger Anhörung der Wirtschaftskammer im Internet zu veröffentlichen. Die vertriebs­berechtigten Unternehmen haben die Preise für wirkstoffgleiche Arzneispezialitäten längstens bis 1. Oktober 2017 innerhalb des Preisbandes entsprechend zu senken. Nimmt das vertriebsberechtigte Unternehmen diese Preissenkung nicht fristgerecht vor, sind die Arzneispezialitäten vom Hauptverband mit schriftlicher Entscheidung aus dem Erstattungskodex zu streichen, wobei einer Beschwerde abweichend vom § 351h Abs. 3 aufschiebende Wirkung im Ausmaß von 90 Tagen ab Einbringung der Be­schwerde zukommt. Das Preisband berechtigt nicht zu einer Preiserhöhung nach § 351e Abs. 2.

(12) Abs. 11 ist auch auf jene Arzneispezialitäten anzuwenden, die nach § 609 Abs. 13 aus dem Heilmittelverzeichnis in den Erstattungskodex überführt wurden. Dies gilt auch dann, wenn die im § 351c Abs. 10 Z 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I


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Nr. 145/2003 vorgesehenen Preisreduktionen nicht durchgeführt wurden.

(13) Im Jahr 2019 ist das in Abs. 11 und 12 vorgesehene Verfahren zu den Stichtagen 1. Februar 2019, 30. Juni 2019 und 1. Oktober 2019 erneut durchzuführen.“

7. Im § 420 Abs. 3 wird der Ausdruck „im Abs. 2 lit. b und c“ durch den Ausdruck „im Abs. 2 Z 2 und 3“ ersetzt.

8. Im § 423 Abs. 1 Z 3 wird der Ausdruck „§ 420 Abs. 2 lit. a bis c“ durch den Ausdruck „§ 420 Abs. 2 Z 1 bis 3“ ersetzt.

9. Nach § 704 wird folgender § 705 samt Überschrift angefügt:

„Schlussbestimmung zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/2017

§ 705. (1) Es treten in Kraft:

1. rückwirkend mit 1. Jänner 2015 § 227a Abs. 8 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017;

2. rückwirkend mit 1. Jänner 2016 die §§ 420 Abs. 3 und 423 Abs. 1 Z 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017;

3. mit 1. Mai 2017 die §§ 351c Abs. 6, Abs. 7 Z 2, Abs. 10 bis 13 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017;

4. mit 1. Jänner 2018 § 351c Abs. 9a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017.

(2) § 351c Abs. 6, 7 Z 2 und 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017 sind auf Verfahren anzuwenden, in denen die Antragstellung durch das vertriebsberechtigte Unternehmen oder die Einleitung des Verfahrens durch den Hauptverband nach dem 1. April 2017 erfolgt.

(3) § 351c Abs. 10 tritt mit 31. Dezember 2021 außer Kraft. § 351c Abs. 10 in der am 30. April 2017 geltenden Fassung tritt mit 1. Jänner 2022 in Kraft. Für Verfahren, in denen die Antragstellung durch das vertriebsberechtigte Unternehmen oder die Einleitung des Verfahrens durch den Hauptverband vor dem 1. Jänner 2022 erfolgt, ist § 351c Abs. 10 in der am 31. Dezember 2021 geltenden Fassung weiterhin anzu­wenden.

(4) Sofern die Preise für die vom § 351c Abs. 11 und 12 erfassten Arzneispezialitäten bis 1. Oktober 2017 beziehungsweise für die vom § 351c Abs. 13 erfassten Arznei­spezialitäten bis 1. Oktober 2019 innerhalb des Preisbandes gesenkt werden, sind Streichungen für diese Arzneispezialitäten nach § 351f Abs. 1 aus gesundheits­ökonomischen Gründen bis 1. Oktober 2020 ausgeschlossen.“

Begründung

Zu Z 1 (§ 227a Abs. 8 ASVG):

Auf ErzieherInnen von Wahl- oder Pflegekindern, die vor dem 1. Jänner 1955 geboren sind, ist die Ersatzzeitenregelung des § 227a ASVG weiterhin anzuwenden (vgl. § 617 Abs. 3 ASVG).

Nach § 227a Abs. 8 ASVG sind für jeden einschlägigen Ersatzmonat aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen 22,8 % des Betrages nach § 76b Abs. 4 ASVG zu entrichten.

Da § 76b Abs. 4 ASVG (im Zuge der Anhebung der Beitragsgrundlage für Selbst-


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versicherte nach § 18a ASVG) im Rahmen des Sozialversicherungs-Anpas­sungs­gesetzes, BGBl. I Nr. 2/2015, mit 1. Jänner 2015 aufgehoben wurde, geht die dyna­mische Verweisung im § 227a Abs. 8 ASVG ins Leere.

Es soll daher klargestellt werden, dass die Verweisung auf § 76b Abs. 4 ASVG statisch zu verstehen ist.

Demgemäß beläuft sich die einschlägige Beitragsgrundlage im Jahr 2015 auf 37,84 €, im Jahr 2016 auf 38,75 € und im Jahr 2017 auf 39,68 €.

In den §§ 116a Abs. 8 GSVG und 107a Abs. 8 BSVG wird auf die Beitragsgrundlage nach § 227a Abs. 8 ASVG verwiesen; eine entsprechende Anpassung im Parallelrecht erübrigt sich daher.

Zu Z 2 und 3 (§ 351c Abs. 6 und 7 Z 2 ASVG):

In der Bestimmung zur Preiskommission wird festgelegt, wann ein erstmaliger EU-Durchschnittspreis festzustellen ist, dass nach 18 Monaten sowie nach weiteren 24 Monaten eine neuerliche Feststellung zu erfolgen hat, sowie nach weiteren 18 Monaten allenfalls eine neuerliche Feststellung erfolgen kann, und geregelt, dass bei der Ermittlung des EU-Durchschnittspreises die in den jeweiligen Mitgliedsstaaten auf Basis eines Gesetzes oder einer Verordnung gewährten Rabatte zu berücksichtigen sind.

Nähere Bestimmungen über die Vorgehensweise der Preiskommission für die Preis­ermittlung sind – wie bisher – in der Verfahrensordnung der Preiskommission zu regeln. Die Preiskommission hat – wie bisher – die ermittelten Ergebnisse dem Haupt­verband und den Unternehmen zu melden.

Im Abs. 7 entfällt die sechsmonatige Preisevaluierung; hinsichtlich der einmaligen Rückzahlungsverpflichtung findet im Vergleich zum geltenden Recht keine Änderung statt.

Zu Z 4 (§ 351c Abs. 9a ASVG):

Durch die vorgeschlagene Änderung wird eine gesetzliche Grundlage für die Preis­festsetzung für zwar im Warenverzeichnis des Österreichischen Apotheker-Verlages gelistete, jedoch nicht im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten geschaffen. Für nicht im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten werden zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit Sonderbestimmungen hinsichtlich der Verrechnung der auf Kosten der sozialen Krankenversicherung abge­gebenen Produkte festgelegt.

Für die Ermittlung der Umsatzschwelle sind die Umsätze aller Wirkstoffstärken und Packungsgrößen einer Arzneispezialität zu berücksichtigen, sofern diese auf Kosten der sozialen Krankenversicherung abgegeben wurden. Der Hauptverband ist ver­pflich­tet, die Überschreitung der Umsatzschwelle umgehend an die Preiskommission zu melden.

Zu Z 5 (§ 351c Abs. 10 ASVG):

Die Bestimmungen über die Aufnahme von wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten in den grünen und gelben Bereich des Erstattungskodex werden neu formuliert.

Für den Bereich der Generika wird eine hinsichtlich der Preisgestaltung geänderte Regelung getroffen; zudem erfolgt eine Regelung der Biosimilars, somit von Nach­folgeprodukten von Biopharmazeutika, im Bereich des ASVG.

Bei den Generika ergibt sich gegenüber der bisherigen Rechtslage für das erste Generikum ein Preisunterschied von 50% (bisher 48%) zum ursprünglichen Preis des


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Originalprodukts, darüber hinaus werden die notwendigen Preisunterschiede für die weiteren Generika gesetzlich festgelegt. In Summe ergibt sich für das dritte Generikum ein regulatorischer Preisunterschied von 65% gegenüber dem Originalprodukt.

Für die Biosimilars wurden ähnliche Regelungen aufgenommen, wobei sich aufgrund der dafür festgelegten Prozentsätze ein regulatorischer Preisunterschied von insge­samt 52,5% gegenüber dem Originalprodukt ergibt.

Zu Z 6 (§ 351c Abs. 11 bis 13 ASVG):

Durch die vorgeschlagene Neuregelung soll in den Jahren 2017 und 2019 ein Preis­band für wirkstoffgleiche Medikamente festgelegt werden, um nach wie vor bestehende Preisunterschiede zwischen wirkstoffgleichen Arzneispezialitäten zu verringern.

Zu Z 7 und 8 (§§ 420 Abs. 3 und 423 Abs. 1 Z 3 ASVG):

§ 420 Abs. 2 ASVG ist seit dem Zeitpunkt der Neufassung des § 420 ASVG mit dem BGBl. I Nr. 20/1994 und somit auch in der geltenden Fassung in Ziffern unterteilt. Die mit dem BGBl. I Nr. 162/2015 vorgenommene Änderung der Verweise in den §§ 420 Abs. 3 und 423 Abs. 1 Z 3 ASVG bedarf daher einer redaktionellen Berichtigung.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.20.04

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Frau Bundesministerin, ich hätte Ihnen einen besseren Einstand gewünscht, denn dass mit der Trägerrakete hier ein gesamtändernder Abänderungsantrag abgeworfen wurde, der sehr kurzfristig, sehr knapp gekommen ist – eigentlich so knapp, dass man wirklich verzweifeln möchte –, das ist nicht einzusehen.

Das ist eine österreichische Untugend. Entweder man schafft einen Sachzwang, dem man sich dann nicht mehr entziehen kann oder soll, oder – und das zählt nicht zu den österreichischen Tugenden – man diskutiert das ausführlich. Ich hätte mir gewünscht, und zwar nicht in Bezug auf diesen Antrag, sondern auf die Probleme des Gesund­heitswesens, dass wir das ausführlicher und öffentlich diskutieren können, damit die Leute bestimmte Entscheidungen verstehen können.

Ich bringe Ihnen Beispiele dafür. Mit „Wie viel darf die Gesundheit kosten?“ hat die „Zeit“ einen Beitrag übertitelt, in dem es um die Einführung neuer Medikamente gegan­gen ist, in diesem Fall um das neue Hepatitis-C-Medikament Sovaldi.

Einige von Ihnen oder von uns hier wissen schon, was es damit auf sich hat: Eine Pille Sovaldi kostete damals, 2014, 700 € – ich kenne die aktuellen Kosten in Österreich nicht –, und wenn man diese Therapie macht, kostet sie insgesamt 60 000 €.

Sie können sich ausrechnen, wie viele Menschen an dieser Therapie und an anderen wichtigen Therapien teilnehmen können, denn es geht nicht nur um eine Hepatitis-C-Therapie, sondern auch um Krebstherapien, aber auch, um das nächste Beispiel zu nennen, um eine Therapie gegen Makuladegeneration – das war ein wunderbares Beispiel, wie das damals mit dem Medikament Avastin gelaufen ist –, und wann es dann von den 3,5 Milliarden €, die Kollege Spindelberger erwähnt hat, keinen Cent mehr für andere, ganz notwendige Therapien gibt.

Wir haben im Gesundheitswesen Entscheidungen zu treffen, die nicht einfach sind. Ich will da jetzt nicht eine Gruppe – die Pharmaindustrie – besonders vorführen, aber Fak-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 210

tum ist – und das muss auch gesagt werden –: Die Pharmaindustrie weiß sehr wohl sehr genau, wie viel sie in welchem Land verlangen kann. So werden von ihr auch die Kosten berechnet.

Eine Hepatitis-C-Therapie kostet in Österreich meinetwegen 60 000 €, in Deutschland 80 000 € – das traut man sich durchaus so zu berechnen und zu verlangen –, und eine solche Therapie in einem anderen Land, etwa in Rumänien, kostet entsprechend weniger.

Wir sind gefordert, diesbezüglich weiterzudenken. Interessant ist in diesem Zusam­menhang ja auch, dass es riesige Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern gibt, etwa in Bezug auf die gemittelten Pro-Kopf-Ausgaben für Medikamente: Dänemark hat sehr niedrige Kosten, und andere Länder, in denen es sehr viele Pharmakonzerne gibt – wie Österreich, Deutschland, die Schweiz et cetera –, haben sehr hohe Kosten.

Es gibt also ganz offensichtlich einen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Pharmakonzernen und auch dem Umstand – das soll man auch nicht ver­schweigen –, dass Menschen davon leben, in diesem Bereich zu arbeiten, und hohen Pharmakosten.

Mit all dem müssen wir umgehen, und auf der anderen Seite haben wir aber auch die Versicherten, die kranken Menschen, die – und das kann ich Ihnen sagen, weil es mir mein Onkologe erzählt hat – mittlerweile selbstverständlich auch ihre Medikamente einfordern.

Man kann heute mit modernen Methoden etwa seinen Krebs sehr genau analysieren lassen und kann dann zu seinem Onkologen oder in sein Krankenhaus gehen und sagen: Dieses Medikament hilft mir! – Der Arzt muss dann aber sagen: Tut mir leid, aber wenn ich fünf Menschen in meinem Krankenhaus dieses Medikament ver­schreibe, dann haben wir im Bereich onkologische Therapien überhaupt kein Budget mehr für Medikamente! – Es ist so.

Das kann man fortsetzen, für welche Bereiche auch immer. Das heißt, da sind knallharte Entscheidungen zu treffen, die nicht einfach sind.

In diesem Sinne – und nur in diesem Sinne, sage ich – ist natürlich alles zu tun, damit wir eine möglichst optimale Versorgung der kranken Menschen mit Medikamenten, die für sie passen, sicherstellen können.

Ich weiß, das geschieht, indem man in erster Linie sozusagen die allgemeinen, die billigen Medikamente verschreibt, und wenn diese nicht mehr wirken, dann kommt die second line, und dann kommt vielleicht noch in dritter Linie das Medikament, das die höchste Wirkung hat, das aber, wenn man es in erster Linie verschreiben würde, unbezahlbar wäre.

Das sind Entscheidungen, die für kranke Menschen nur schwer einsehbar sind, aber es ist so. Und daher wünsche ich mir da, ehrlich gesagt, eine offenere Debatte.

Ich habe zu Beginn meiner Rede die Frau Bundesministerin dafür kritisiert, dass dieses Paket auf diese Weise gekommen ist. Das ist die österreichische Art: Wir nudeln alles zusammen, es wird sozusagen ein maximaler Entscheidungsdruck aufgebaut, und dann – zack! – kommt irgendwie eine Einigung zustande. Ob die Menschen diese verstanden haben, ist jedoch eine andere Frage, denn von dem, was Sie und Sie, was wir alle hier über dieses Gesetz wissen, wissen die Leute draußen wenig, wenn sie dann aber von einer Krankheit betroffen sind, möchten sie aber natürlich optimal versorgt werden, überhaupt keine Frage.

Das heißt, das alles ist wirklich nicht so einfach, und wir sind eigentlich gefordert, in diesem Bereich für mehr Offenheit und Transparenz zu sorgen. Diese würde ich mir


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wünschen, denn daran hängt sehr viel, das Vertrauen in unser Gesundheitssystem, aber natürlich auch das Vertrauen in die Politik insgesamt.

Und eigentlich neige ich dem in Österreich nicht so gebräuchlichen Modell zu, dass man solche Entscheidungen gründlich diskutiert, öffentlich diskutiert und dass man den Leuten klarmacht, worum es geht.

Ich bin schon am Ende meiner Redezeit angelangt. Ich hätte zu den angesprochenen Punkten noch einiges zu sagen, etwa auch zu dem, was sowohl wir als auch die NEOS – das ist ein ähnlicher Antrag – als Antrag eingebracht haben, was im Aus­schuss abgelehnt wurde: zur Finanzierung aus einer Hand im Gesundheitssystem. Ich kann dazu nur sagen, ich habe hier ein wunderbares Zitat von Herrn Schelling: Er hat sich damals, als er noch Präsident des Hauptverbandes war, für die Finanzierung aus einer Hand ausgesprochen. Seis drum: Es geht mir darum, zu zeigen, wie Ideen im Gesundheitsbereich entstehen und wie schnell sie wieder vergehen oder versenkt werden. Das ist nicht gut, wir sollten uns mehr Zeit für die Debatte nehmen.

In diesem Sinne: Wir werden zustimmen, aber nicht leichten Herzens. (Beifall bei den Grünen.)

19.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

 


19.28.13

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Lieber Kollege Öllinger, du solltest nicht mit Bauchweh zustimmen, du solltest aus vollem Herzen zustimmen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Belakowitsch-Jenewein: So wie du! – Abg. Brosz: Eine praktisch saubere Vorgangsweise, oder?) – Moment!

Zu der von dir eingeforderten Offenheit, Kollege Öllinger, zu der ich mich voll bekenne, kommt auch Fairness. Und die Fairness gebietet es, dass ich auch sage: Es war sehr, sehr spät, aber es war komplex. Es wurde 14 Monate lang verhandelt, und wir wollten das Ganze nicht scheitern lassen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Und wir müssen es in ein paar Minuten verstehen! – Abg. Loacker: Die Selbstaufgabe des Parlaments ist das!)

Es wäre anders schöner gewesen, das sage ich: Mea culpa! – ich bin ja ein Teil dieses späten Antrages –, aber das ist, und das möchte ich schon auch sagen, ein wichtiger Antrag, und ich bin froh, dass er jetzt fertig geworden ist. Es ist das übrigens der zweite Erfolg der Frau Ministerin, denn die Kernspintomographie-Regelung ist auch ein toller Erfolg, finde ich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das Ganze folgt einem Muster, das du zu Recht einforderst, das ich als Meidlinger Hausarzt auch zu Recht einfordere und das ich in jedes Regierungsprogramm hinein­gebracht habe: eine hochqualitative Versorgung, unabhängig von Alter und Einkom­men.

Ich muss ganz ehrlich sagen, ich kenne die Systeme der Welt wirklich sehr, sehr gut, das ist mein Job. In der Ausgabe des „Spiegel“ von letzter Woche war zu lesen, unter welch großem Druck die Charité ökonomisiert wird – das ist kein privates Spital, das ist das größte Unispital Deutschlands – und unter welch großem Druck die Ärzte dort stehen. Im Vergleich dazu, muss ich sagen, ist der Druck, den wir in Österreich aushalten müssen, noch – noch! – gering.

Ich denke, das hat einen hohen Wert. Und wem verdanken wir diesen hohen Wert? – Auch Leuten, die schauen, dass das System am Laufen gehalten wird (Abg. Öllinger:


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Keine Frage!), und das ist halt nun einmal der Hauptverband, der nicht auf unendlichen Ressourcen sitzt (Abg. Öllinger: Ich habe nichts gesagt!), und das ist auch das Gesundheitsministerium, das da vermittelnd tätig sein muss.

Wir haben uns wirklich bemüht, diesen österreichischen Erfolgsweg fortzusetzen. Ich glaube daher, es ist ein bisschen unfair, lieber Kollege Spindelberger, wenn du vom wahren Gesicht und vom Abcashen sprichst. Man muss sagen: Grosso modo ist die österreichische Pharmawirtschaft ein sehr guter Partner. Und die Menschen in Österreich werden mit sehr, sehr guten Medikamenten versorgt, das muss ich einmal öffentlich sagen. Die medizinischen Erfolge der Pharmaindustrie sind beachtlich – Sovaldi, das bei Hepatitis C eingesetzt wird, wurde genannt, man könnte aber auch von den Erfolgen in Bezug auf Aids reden. In der Zeit, als Aids erstmals ausgebrochen ist, ist auch Freddie Mercury von Queen gestorben. Das hat mir sehr wehgetan, denn der ist praktisch eingegangen, wie man so sagt. Und heute schluckt man eine Tablette, und diese Krankheit ist wie ein Haustier, sie wird in manchen Kreisen praktisch nicht mehr ernst genommen.

Es ist auch ein enormer Erfolg, muss ich sagen, dass man Hepatitis C mit einer Tablette heilt, in sechs Wochen oder acht Wochen. Ich war im AKH auf der Leber­station, damals sind dort die Leute irgendwann an Leberzirrhose, an Leberkrebs ge­storben.

Und wenn man sich geschichtlich interessiert, kommt man drauf, dass Kaiser Karl zum Beispiel an einer normalen Lungenentzündung gestorben ist – übrigens auch Maria Theresia und andere. Heute nimmt man dagegen fünf Tage lang ein Antibiotikum, das 10 € kostet.

Also ich glaube, man sollte da die Kirche im Dorf lassen. Das Ziel, das wir erreichen wollten, ist: den Standort sichern, die Forschung sichern, die Ausgabenobergrenzen einhalten, einen EU-Schnitt erreichen, Planbarkeit für die Industrie erreichen. – Wir haben sehr, sehr lange verhandelt, und vor uns hat die Pharmawirtschaft schon 14 Monate lang mit dem Hauptverband verhandelt.

Ich bleibe bei meinem Lieblingsspruch von Schopenhauer: „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ – Und da hat uns die Pharmaindustrie in der Vergangenheit sehr geholfen, es haben aber auch der Hauptverband und die Kranken­kassen sehr verantwortungsvoll gehandelt, und dafür möchte ich ihnen danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


19.33.15

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ja, dieses Gesetz, das in letzter Minute hier ins Plenum herein­geschleudert worden ist, kennen im Detail nur die beiden Erwins – Erwin Spindelberger und Erwin Rasinger –, und sie wissen, warum sie das so gemacht haben: weil beim Patienten gespart wird. Deswegen ist diese Regelung nicht in Begutachtung gegangen und auch nicht in den Ausschuss gekommen, deswegen war sie online nicht abrufbar – sie wird jetzt einfach beschlossen. Gespart wird beim Patienten, und das ist Ihnen zu Recht peinlich und durfte vorher nicht an die Öffentlichkeit kommen.

Wie funktioniert das? – Erwin Spindelberger hat schon auf die böse pharmazeutische Industrie hingedroschen. In Wirklichkeit schaut es so aus, dass Medikamen­ten­innovationen natürlich etwas kosten, aber dem Patienten auch etwas bringen. Kollege Öllinger hat gesagt, das Medikament Sovaldi für Leberpatienten hat in der Volltherapie


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einen sehr hohen fünfstelligen Betrag gekostet, er hat aber nicht dazugesagt, dass die bis dahin angewendete Therapie, die konventionelle, endend mit einer Lebertrans­plantation, mindestens 50 Prozent mehr gekostet hat als die Behandlung mit dem neuen Medikament. Nur: Die Medikamentenkosten fallen bei der Sozialversicherung an, die Spitalskosten für die Transplantation trägt jedoch der Spitalsträger. Und des­wegen ist es dem Hauptverband und Herrn Dr. Probst schnurzpiepegal, wenn jemand eine Lebertransplantation hat, denn sie müssen es nicht zahlen.

Und so schaut es auch aus: Teure Medikamente, Innovationen kommen jetzt in Öster­reich später auf den Markt. Warum? – Es gibt in Europa die Referenzpreissysteme. Die Franzosen errechnen ihren Medikamentenpreis mittels Mischberechnung aus dem österreichischen, deutschen und holländischen Preis. Die Holländer berechnen das ebenfalls auf diese Art. Und natürlich lässt sich ein Unternehmen den Preis für den großen Markt Frankreich nicht dadurch kaputt schießen, dass es in Österreich zu einem niedrigen Preis anbieten muss. Dann bietet es das entsprechende Medikament in Österreich lieber nicht an, bekommt aber in Frankreich einen besseren Preis dafür – und die österreichischen Patienten bekommen neue Medikamente später, weil Sie dieses Gesetz einführen.

Warum kann ich sagen, dass teure Medikamente das Leben verlängern und gut für die Patienten sind? – Schauen wir uns das anhand der Krebserkrankungen an – es geht bei diesen Innovationen oft um onkologische Präparate –: Wie viele Krebspatienten leben nach fünf Jahren noch? – Da liegt Österreich ganz weit vorne: 61 Prozent der Krebspatienten leben nach fünf Jahren noch. In Polen und in Bulgarien leben 40 Pro­zent nach fünf Jahren noch. Die Österreicher geben aber auch pro Bürger im Jahr 200 € für onkologische Medikamente aus, die Polen und die Bulgarien nur 50 €. – Wenn man kein Geld dafür ausgibt, dann hat man diese lebensverlängernden Medika­menteninnovationen einfach nicht!

Wir wollen ja – Rasinger, Spindelberger – das beste Gesundheitssystem der Welt haben, aber mit einer Durchschnittspreisfestsetzung bekommt man, wenn man nur den Durchschnitt zahlt, nur den Durchschnitt; dann bekommt man nicht das Beste für das beste System der Welt. Und da sparen Sie beim Patienten!

Der Hauptverband kann sich fette Strukturen leisten, eine nicht funktionierende ITSV unterhalten, 18 Krankenversicherungsträger auf Bundesebene, 15 Krankenfürsorge­an­stalten der Länder und Gemeinden, Zusatzpensionen in den Kassen, Geld für homöo­pathische Präparate, für all das haben wir Geld, aber für die Patienten haben wir nichts, bei denen wird gespart.

Zur bösen pharmazeutischen Industrie, die sich angeblich dumm und dämlich verdient, wie den Ausführungen des Kollegen Spindelberger zu entnehmen war: Vergangenes Jahr wurde ein Rahmen-Pharmavertrag abgeschlossen  Kollegin Belakowitsch-Jenewein hat es erwähnt , und da hat man mit der Pharmaindustrie ausgemacht: Die Kosten für Medikamente dürfen im Jahr maximal um 3 Prozent steigen. 2016 sind sie um 2,9 Prozent gestiegen. Wenn man die Rabatte abzieht, die verrechnet werden, dann sind es 2,0 Prozent, also deutlich unter dem, was letztes Jahre vereinbart worden ist – und trotzdem fährt man jetzt noch mit einer gesetzlichen Regelung hinein. Dass die Kosten für die ärztliche Versorgung stärker gestiegen sind, dass die Verwal­tungskosten in der Sozialversicherung stärker gestiegen sind als die Kosten für Heil­mittel, das wird geflissentlich verschwiegen, weil es ja total super ist, wenn man sich an der bösen pharmazeutischen Industrie abputzen kann, die da auch noch abcasht.

Was da kommt, ist der Gesundheitssozialismus: Eine Preiskommission – die KPdSU hätte es nicht schöner erfinden können – macht eine amtliche Preisfestsetzung, und Kollege Spindelberger entscheidet dann, welcher Preis vernünftig ist. (Ironische Heiter-


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keit des Abg. Rasinger.) Es wird staatlich festgesetzt, was vernünftig ist, weil die Sozialdemokratie weiß, was für die Menschen gut ist und was da vernünftigerweise gemacht werden soll.

Gespart wird beim Patienten! – Dass Sie sich nicht genieren und sich bei den Patienten entschuldigen, sondern sich hier herstellen und das auch noch loben, das finde ich himmeltraurig. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

19.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesminister Dr. Rendi-Wagner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesminister.

 


19.38.20

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei all der geäußerten Kritik, vor allem die Kurzfristigkeit des Antrags betreffend – wir alle können nachvoll­ziehen, dass das aus Ihrer Sicht nicht das ideale Vorgehen ist; es ist nicht meine Auf­gabe, das zu bewerten –, muss ich sagen: Mir ist dieses Thema sehr wichtig, und ich möchte daher auf die Bedeutung dieses Antrags aus Sicht der Gesundheits­ministerin eingehen.

Der Zugang zu innovativen, modernen und sicheren leistbaren Arzneimitteln bezie­hungsweise Medikamenten ist eine große Frage der gesundheitlichen Chancenge­rechtigkeit in einem Land und ein Schlüsselfaktor in einem funktionierenden, qualitativ hochstehenden öffentlichen Gesundheitssystem.

Das ist keine Selbstverständlichkeit – Kollege Loacker hat es erwähnt, es gibt Länder in Europa, in denen man keinen solchen Zugang zu modernen, innovativen Arznei­mitteln wie in Österreich hat, dort schaut die Situation ganz anders aus. Und es ist auch keine Selbstverständlichkeit, wenn man sich die Entwicklungen und die Trends anschaut, vor allem betreffend die Preise und die Forschung im Bereich der phar­mazeutischen Industrie. Das ist gut so. Wir brauchen neue Medikamente innovativerer Natur, aber das ist mit Preissteigerungen verbunden, wie wir bei Sovaldi das erste Mal erleben konnten. Und das wird nicht das letzte Erlebnis dieser Art gewesen sein, sondern der Trend geht weiter, und zwar in eine Richtung, bei der wir zukünftig sicher mit Preisen zu rechnen haben, von denen wir jetzt noch gar nichts ahnen.

Das heißt, es ist keine Selbstverständlichkeit, und es ist eine große Verantwortung, die wir hier tragen, und wir müssen alles tun, um sicherzustellen, dass sich die Menschen in diesem Land auf dieses Gesundheitssystem verlassen können. Damit bin ich vor zwei Wochen auch hier im Parlament gestanden und habe gesagt: Ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Rasinger.)

Aus diesem Grund ist es unser aller Aufgabe – deswegen auch die Einigung hin­sicht­lich dieses Antrags und dieser heutige Beschluss zu diesem Antrag, der von wirklich enormer Wichtigkeit ist, aus der Logik der Sicherstellung, der Verlässlichkeit heraus, auf der dieses System beruht. Es gab in den letzten Monaten – und es wurde erwähnt, wie lang diese Gespräche dauerten – wirklich lange, intensive und durchaus sehr bemühte Verhandlungsrunden, zuerst zwischen der Pharmawirtschaft und der Sozial­versicherung und dann letztlich auf anderer Ebene, auf parlamentarischer Ebene. Diese Gespräche waren wichtig und richtig und zum Teil auch mit Beteiligung meines Hauses damals schon im Gange.

Mit der heutigen Regelung soll – und ich kann es nicht oft genug betonen – eine Absicherung unseres Gesundheitssystems weiter sichergestellt beziehungsweise gewährleistet werden. Es ist aber auch klar – und das müssen wir hier auch sagen –, dass natürlich auch die Hersteller und die Industrie ein gutes Umfeld brauchen. Sie


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brauchen vor allem Planbarkeit – das muss man ihnen zugestehen – für ihre Entwick­lungen und für die Rechtssicherheit, die sie in diesem Kontext benötigen. Mit dem heutigen Beschluss wird auch das mit bedacht, mit garantiert und geregelt, genau diese Planbarkeit, die die Hersteller im Kontext der Preisentwicklung und Preisregelung benötigen.

Die Gespräche, die bis vor wenigen Stunden hier im Haus auf parlamentarischer Ebene stattgefunden haben, haben deshalb eine so wichtige und nachhaltige Bedeu­tung. Ich möchte hier auch meinen ganz persönlichen Dank den Verhandlern und meinem Haus sowie allen voran Erwin Spindelberger und Erwin Rasinger ausdrücken, die wirklich Großartiges geleistet haben, um diese Einigung letztlich zustande zu bringen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Ich dachte, das ist ein Initiativantrag, was hat das mit Ihrem Haus zu tun?!) Ich hoffe im Sinne der Versorgungssicherheit mit inno­vativen, modernen Arzneimitteln auch in der Zukunft für die Menschen in Österreich auf eine breite Zustimmung zu diesem Antrag. (Beifall bei der SPÖ.)

19.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Heinisch-Hosek. – Bitte.

 


19.42.35

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Ich möchte mich absichtlich wiederholen, denn auch wenn die Opposition teil­weise ein bisschen beleidigt tut (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Was heißt „belei­digt“?), so stimmt sie dann hoffentlich doch zu. Einige jammern und wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass es jetzt nach 14 Monaten, in denen keine Einigung möglich war, Abgeordnete dieses Hauses gemeinsam mit MitarbeiterInnen der Klubs und der Ressorts zustande gebracht haben, dass wir heute für die Patientinnen und Patienten diesen gesamtändernden Abänderungsantrag beschließen können. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Sie finden das in Ordnung! Im Sozialismus macht man das so ... drüberfahren!) Da wir jetzt nicht noch einen Monat bis zur nächsten Plenarsitzung warten müssen, sollten Sie eigentlich, im Sinne derer, die hier die bestmögliche Versorgung in Österreich brauchen, nämlich der Patientinnen und Patienten, froh sein. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Belakowitsch-Jenewein: Unheimlich, ...!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich verstehe es nicht, ich kann es nicht nachvollziehen. Da sitzen Ärztinnen und Ärzte herinnen und beklagen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein), dass wir nicht über eine Sache gesprochen haben, die gut für die Patientinnen und Patienten ist. (Abg. Karlsböck: Darum geht es ja gar nicht! Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.) Wir wollen trans­parent sein, wir wollen diese Preisregelung heute im Sinne der Patientinnen und Patienten beschließen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Sie behaupten ...! Wir können das gar nicht überprüfen in der Zeit!) Wenn Sie nicht dabei sind, sind Sie nicht zum Wohle der Patientinnen und Patienten hier, das kann ich Ihnen auch sagen! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.) Wenn etwas besser statt schlechter wird, verstehe ich überhaupt nicht, warum man jammert. Ich verstehe nicht, warum man gegen eine Sache ist, die dieses Parlament lösen kann und heute mit diesem Beschluss auch lösen wird, warum man gegen so eine Versorgung, gegen diesen Erstattungskodex ist.

In Wirklichkeit geht es um hochpreisige Medikamente und um ein Gesundheitssystem, in dem alle Menschen so bedient werden, dass sie unabhängig von ihrem finanziellen Hintergrund und ihrem Bildungshintergrund eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, traue ich mich zu behaupten, genießen können.

Da geht es nicht nur um die Primärversorgung, die wir ausbauen werden, da geht es auch um die Gesundheitsversorgung im Allgemeinen, um die Bundesgesundheitsziele,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 216

die seit vielen Jahren in vielen Novellen verabschiedet wurden, und um ein Gesund­heitssystem, das sich in einem Dreieck zwischen den Sozialversicherungsträgern, dem Bund und den Ländern weiterentwickelt, und es geht da nicht nur schrittweise, sondern mit Siebenmeilenstiefeln einiges weiter. – Vielen herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der SPÖ.)

19.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Dr. Karlsböck ist als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.45.21

Abgeordneter Dr. Andreas F. Karlsböck (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Herr Kollege Spindelberger (Abg. Heinisch-Hosek: Sie sind Arzt!), es ist die Vorgangsweise! Wir können den Inhalt bis dato gar nicht beurteilen (Abg. Heinisch-Hosek: Wir reden ja auch darüber!), vielleicht ist es gut. Sie sagen jetzt, es ist gut – ich weiß das nicht. Ich habe mich nicht einlesen können. Während der Debatte kommt ein angeblich so wichtiges Dokument auf die Tagesordnung, das ist einfach eine schlechte politische parlamentarische Usance. – Das ist der erste Punkt. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: ... Zeit für die Patienten!)

Der zweiter Punkt – es ist jetzt schon etwas dazu gesagt worden, ich möchte das nur als Schlagwort sagen –: Die Rechtssicherheit in einem Bereich hat auch für die Pharmawirtschaft zu gelten! Den Übergang von einer sogenannten marktwirt­schaft­lichen Situation in ein immer mehr planwirtschaftliches System bei der Medikamen­tenbewirtschaftung soll Ihnen jemand von der ÖVP von der Wirtschaftskammer erklären, wobei jetzt niemand da sitzt, obwohl das Thema so wichtig ist. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Loacker und Dietrich.) Trotzdem muss gesagt werden, dass das ein wirklich bedenklicher Vorgang ist. Das passt aber ins Bild hinein, denn das ist die eine Geschichte, die jetzt passiert ist.

Die zweite Geschichte, die uns auch ein bisschen aufstößt, ist auch ein vermeintlicher Erfolg, so wird es zumindest verkauft, nämlich die Wartezeiten bei MRT und CT. Ja, es ist ein Erfolg, wenn man die Überschrift liest, nur wenn man ein bisschen ins Detail geht, wird man merken, dass es ganz anders ist, als es uns verkauft wird, weil diese ganze Thematik und all die Paragrafen erst mit 1. Jänner 2018 in Kraft treten werden und uns bis dato niemand sagt, was in der Zwischenzeit passieren wird. (Beifall des Abg. Franz.) Vielleicht wird sich die Wartezeit abbauen, vielleicht auch nicht. Wir müssen keine Argumente austauschen, warum die Wartezeiten in diesem Bereich so katastrophal sind, nicht nur in der akuten Versorgung, sondern auch in der Nachsorge und vieles mehr. Also bis dato gibt es da keinen Erfolg, der Erfolg wird sich vielleicht ab 1. Jänner 2018 einstellen.

In diesem Sinne bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Computertomografie(CT)- oder Magnetresonanztomografie(MRT)-Unter­suchun­gen für Sozialversicherte

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen wird aufgefordert, entsprechende aufsichtsrechtliche, finanzielle und weitere legistische Maßnahmen im Zusammenhang mit dem ASVG einzuleiten, um ab dem 1. Juli 2017 dafür Sorge zu tragen, dass die österreichischen Sozialversicherungsträger gemeinsam mit dem Fachausschuss Bild-


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gebende Diagnostik der Wirtschaftskammer und der Ärztekammer eine umgehende Sanierung der Missstände bei der Versorgung betreffend bildgebende Untersuchun­gen, d.h. Computertomographie(CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT), vorneh­men. Auf dieser Grundlage soll dann ab dem 1. Juli 2017 umgesetzt werden, dass jede Patientin und jeder Patient einen MR-Untersuchungstermin innerhalb von 20 Arbeits­tagen und einen CT-Termin innerhalb von 10 Arbeitstagen angeboten bekommt. Akutfälle sollen darüber hinaus unmittelbar, d.h. unter Verkürzung dieser Zeitspannen jederzeit vorgereiht und damit befundet werden können.“

*****

Ich komme jetzt zu einem dritten Punkt, der sehr gut in diese ganze Geschichte hinein­passt, die wir heute besprechen. Dieser Antrag, den Sie in diesem Schnell­siede­verfahren eingebracht haben, diese Geschichte über CT- und MRT-Missstände bis heute, hat ja damit zu tun, dass die Krankenkassen offensichtlich zu wenig Geld haben und natürlich auch dafür Sorge tragen müssen, dass das Geld richtig verwendet wird.

Ich möchte hier einen Missstand zur Kenntnis bringen und Ihnen dazu eine Frage stellen: Mir ist immer wieder zu Ohren gekommen, dass in mehreren Bundesländern, Wien, Niederösterreich, Ungerechtigkeiten im Rahmen der medizinischen Versorgung passieren, die keinem heimischen Krankenbeitrags- und Steuerzahler zu erklären sind.

Kurzes Beispiel: In der Zahnmedizin ist es so, dass die Kosten für notwendige Ver­sorgungen, zum Beispiel Klammerzahnkronen, normalerweise unterschiedlich von den Krankenkassen bezahlt werden, im Normalfall aber 50 : 50 – 50 Prozent sind Selbst­behalt, 50 Prozent zahlt die Krankenkasse.

Jetzt wissen wir, dass in diesem System momentan sehr viele Flüchtlinge und Asylanten sind. Die Krankenkasse rät nun den Ärzten, nachdem die Ärzte nachgefragt haben, wie das denn vergütet wird, die sogenannten Nichtversicherten in dem Fall in Krankenkassenambulatorien zu schicken, weil sie dort gratis behandelt werden. Na ja, so weit, so gut, es stellt sich nun aber die Frage, ob die Versicherten, denn im Allge­meinen können dort nur 5 Prozent behandelt werden, ob die restlichen 95 Prozent der Versicherten damit einverstanden wären.

Unser Zugang ist, dass man das ja noch diskutieren könnte, wenn auch Österreicher, die es sich nicht leisten können, in diesen Genuss kommen, aber leider ist das nicht der Fall – das heißt, gratis werden nur Flüchtlinge versorgt. Die Solidargemeinschaft der Beitragszahler zahlt, die anderen nicht. Wenn das stimmt, Frau Bundesminister, handelt es sich um eine doppelte Ungerechtigkeit, weil die armen Staatsbürger, die armen Österreicherinnen und Österreicher gegenüber Asylanten benachteiligt werden, während zugleich die Zahnambulatorien der Kassen gegenüber niedergelassenen Ärzten – das muss auch einmal gesagt werden – wieder einmal bevorzugt werden. Das kann so nicht mehr weitergehen!

Frau Minister, deswegen haben wir Ihnen ja, als Sie Ihr Amt angetreten haben, gesagt, dass wir Ihnen im Vorfeld einmal zutrauen, dass Sie abseits dieses Systems einen frischen Wind hereinlassen werden. Wir hoffen immer noch darauf, weil die Zeit bis dato zu kurz war, aber diese drei Dinge, die wir hier heute vorgelegt bekommen haben und auch besprechen, vermitteln momentan leider ein anderes Bild. Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

19.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 218

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Dr. Andreas Karlsböck und weiterer Abgeordneter

betreffend Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT)-Unter­suchungen für Sozialversicherte

eingebracht in der 173. Sitzung des Nationalrats am 30.03. 2017 im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 18: Bericht des Gesundheitsausschusses über den An­trag 2033/A der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz geändert wird (1550 d.B.)

Seit Jahren nehmen die Probleme bei der Versorgung der Sozialversicherten betref­fend bildgebende Untersuchungen, d.h. Computertomographie(CT) oder Magnetre­sonanz­tomografie (MRT) zu. Bereits im vergangenen Sommer kündigte die damalige Gesundheitsministerin Dr. Sabine Oberhauser an, dass auf der Grundlage der gel­tenden Regelungen des ASVG und unter Einbindung des Hauptverbandes der Sozial­versicherungen, der Wirtschaftskammer und der Ärztekammer entsprechende organi­sato­rische, finanzielle aber auch weitere legistische Maßnahmen gesetzt werden sollen.

Auch die neue Gesundheitsministerin möchte hier entsprechende Reformen angehen, wie den Medien zu entnehmen ist:

Wien (APA) - Die neue Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) erneuert ihre Kritik an zu langen Patientenwartezeiten bei Magnetresonanz- und Computer­tomografieuntersuchungen. In der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“ forderte Rendi-Wagner eine „signifikante Verkürzung“ der Wartezeit auf maximal vier Wochen.

Für akute Fälle brauche es sogar noch schnellere Untersuchungstermine, so Rendi-Wagner. Entscheidend müsse die medizinische Notwendigkeit und nicht die Geldbörse sein. Mit den Krankenkassen werde derzeit über entsprechende Schritte verhandelt, erklärte die Ministerin, die sich auch für mehr Transparenz bei der Terminfindung aus­sprach. So sei etwa vorstellbar, dass MRT- und CT-Institute ihre Wartelisten im Internet veröffentlichen. (Tiroler Tageszeitung, Sa, 25.03.2017)

Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, dass entsprechende aufsichtsrechtliche und weitere legistische Maßnahmen im Zusammenhang mit dem ASVG eingeleitet werden, um dafür Sorge zu tragen, dass die österreichischen Sozialversicherungsträger gemeinsam mit dem Fachausschuss Bildgebende Diagnostik der Wirtschaftskammer und der Ärztekammer eine umgehende Sanierung der Missstände bei der Versorgung betreffend bildgebende Untersuchungen, d.h. Computertomographie(CT) oder Magnet­resonanztomografie (MRT), vornehmen.

Durch die jetzt erzielte Einigung zwischen den Sozialpartnern und dem Hauptverband soll erst ab Jänner 2018 jeder Patientin und jedem Patienten einen MR-Unter­suchungstermin innerhalb von 20 Arbeitstagen und einen CT-Termin innerhalb von 10 Arbeitstagen angeboten bekommen. Die bestehende Obergrenze der Ausgaben für CT- und MR- Untersuchungen soll aufgehoben werden, ohne dafür eine ent­sprechende bindende Finanzierungszusage durch den Hauptverband abzugeben. Gleichzeitig vertröstet man die Patienten und Radiologen mit dem Abschluss eines neuen Gesamtvertrags ab 2019, sodass bis dorthin totale Rechtsunsicherheit in die­sem Bereich herrscht.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 219

Somit besteht in diesem sensiblen Bereich weiterhin ein Provisorium. Die Versor­gungslücke für das Jahr 2017 bleibt ohne tatsächliche Gegensteuerung bestehen. Ein neuer Gesamtvertrag zwischen Wirtschaftskammer, Ärztekammer und Hauptverband, der insgesamt und ab sofort die Abgeltung der MRT- und CT-Leistungen auf den Bedarf abgestimmt geregelt hätte, wurde auf die lange Bank geschoben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen wird aufgefordert, entsprechende aufsichtsrechtliche, finanzielle und weitere legistische Maßnahmen im Zusammenhang mit dem ASVG einzuleiten, um ab dem 1. Juli 2017 dafür Sorge zu tragen, dass die österreichischen Sozialversicherungsträger gemeinsam mit dem Fachausschuss Bildgebende Diagnostik der Wirtschaftskammer und der Ärztekammer eine umge­hende Sanierung der Missstände bei der Versorgung betreffend bildgebende Unter­suchungen, d.h. Computertomographie(CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT), vornehmen. Auf dieser Grundlage soll dann ab dem 1. Juli 2017 umgesetzt werden, dass jede Patientin und jeder Patient einen MR-Untersuchungstermin innerhalb von 20 Arbeitstagen und einen CT-Termin innerhalb von 10 Arbeitstagen angeboten bekommt. Akutfälle sollen darüber hinaus unmittelbar, d.h. unter Verkürzung dieser Zeitspannen jederzeit vorgereiht und damit befundet werden können.„

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


19.51.33

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da mehrere Tagesordnungspunkte gemeinsam verhandelt werden, möchte ich ein paar Worte zum Apothekerkam­mer­gesetz sagen, denn Paracelsus sagte schon, nur die Dosis macht das Gift. Die Apo­theken sind der einzige Wirtschaftsbetrieb alltäglicher Güter, der seinen Patienten nicht immer das verkauft, was diese wollen, auch wenn sie mehr bezahlen würden. Das ist auch eine sehr große Verantwortung in Bezug auf die sichere Abgabe von Arzneien, die da in den Händen der Pharmazeuten liegt, und da hat sich das bestehende System an sich sehr, sehr gut bewährt.

Jetzt sollen aber doch einige Änderungen in diesem Apothekerkammergesetz vor­genommen werden, vor allem was das Ausbildungsjahr der Uni-AbsolventInnen betrifft. Zurzeit ist nur ein Aspirant für Apotheken vorgesehen, in Zukunft wird auch die Aus­bildung eines zweiten Aspiranten möglich sein, wenn die Arbeitsmarktlage es zulässt, wobei aber immer das Ausbildungsjahr im Vordergrund steht und auch eine gute Vorbereitung auf die Aspirantenprüfung gegeben sein muss.

Die Funktion des Disziplinaranwaltes erfährt eine Änderung, und zwar gibt es dann keine unbefristete Funktionsperiode mehr, sondern es wird alle fünf Jahre gewählt, mit der Möglichkeit einer Wiederbestellung.

Es ist ein Bündel von Maßnahmen, das mit dieser Änderung beschlossen wird. Es sind sinnvolle Maßnahmen, und im Vorfeld konnte dazu auch parteiübergreifend Konsens erzielt werden. Ich bitte Sie um Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.53



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 220

Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lasar. – Bitte.

 


19.53.25

Abgeordneter David Lasar (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Man könnte jetzt eigentlich sagen, dass wir dort, wo Rot regiert, vor allem in Wien, in der Gesundheitspolitik nichts als Chaos haben, warum wir auch schon seit Jahren fordern, dass in diesem Bereich die Finanzierung aus einer Hand beziehungsweise aus einem Topf erfolgt. Ich kann jetzt auch ganz kurz begründen, warum: Schauen Sie sich einmal die Gesundheitspolitik alleine in Wien an, dann sehen Sie, warum das nicht funktioniert: Uns fehlen in Wien über 300 Hausärzte, wir haben überfüllte Ambulanzen, wir haben schon fast keinen niedergelassenen Arzt mehr. Das Einzige, was Sie jetzt in Wien tun wollen, ist, diese sogenannten PHCs zu imple­mentieren, obwohl Sie ganz genau wissen, dass diese PHCs ja gar niemand will.

Ein PHC gibt es auf der Mariahilfer Straße. (Abg. Öllinger: Das ist überlaufen!) – Ja. Und wo ist das zweite PHC? – Das ist beim SMZ Ost in der Donaustadt, und das will einfach niemand. Dort subventionieren Sie – drei Mal haben Sie es schon ausge­schrieben –, man bekommt 220 000 € im Jahr, und niemand nimmt es. Das hat es in Wien überhaupt noch nicht gegeben, dass jemand eine Subvention nicht nimmt. Es gibt in diesem Bereich ein Chaos. Schauen Sie sich das an! Anstatt zu finanzieren, möchten Sie jetzt PHCs implementieren, und zwar nicht nur in Wien, sondern überall.

Und was ist das Üble daran? – Das Üble daran ist, dass so der Hausarzt sukzessive aussterben wird. Da können Sie sagen und tun, was Sie wollen, so wird es passieren. Sie wissen ganz genau: Ein PHC mit drei Ärzten bedeutet das Aus für drei Hausärzte oder drei niedergelassene Ärzte. Wien braucht unbedingt ein Minimum an 300 nie­dergelassenen Ärzten. Warum? (Abg. Yılmaz: Herr Lasar, ...!) – Das stimmt schon! Sagen Sie nicht immer Nein! Das ganze Chaos haben ja Sie verursacht, und Sie sagen noch immer Nein. Sie wissen ganz genau, dass das stimmt. (Abg. Yılmaz: Ich weiß ganz genau ...!) Warum brauchen wir das? Hätten wir heute mehr Hausärzte, und die Ärzte könnten auch Ärzte anstellen, dann würde man die Ambulanzen damit entlasten. Wenn Hausärzte Ärzte anstellen können, dann heißt das nichts anderes, als dass man auch die Öffnungszeiten ausdehnen könnte, also bis 20 Uhr oder 21 Uhr von Montag bis Samstag. Das könnte man auch individuell bestimmen. Was würde dann passieren? – Man würde damit natürlich die Ambulanzen, die ja am teuersten sind, entlasten, und das wäre ein Riesenvorteil.

Aber was machen Sie? – Sie sind auch nicht alleine schuld, ich sage nur, das mit den PHCs ist der Eckpunkt. Das kann man den Patienten einfach nicht zumuten, nicht in Österreich und vor allem nicht in Wien. Wien ist eine Weltstadt, damit argumentieren die Sozialisten ja immer. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Es leben bald über 2 Millionen Menschen hier. Und was ist das Problem? – Wir haben ein Gesundheitssystem, das maximal 1 Million bis 1,2 Millionen Menschen trägt. Sie haben hier kein Gesund­heitssystem mehr, und wenn Sie so weiterwurschteln, werden Sie noch ein größeres Problem haben – denken Sie nur an das Krankenhaus Nord (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Yılmaz), das wird überhaupt nicht mehr fertig. Das ist aber auch nicht Ihr Problem, Frau Bundesminister, das ist ein reines Wiener-Chaos-Problem.

Ich sage es Ihnen noch einmal: bitte keine PHCs! Werten Sie den Hausarzt auf! Sprechen Sie mit den Kassen, das wäre einmal ganz, ganz wichtig! (Abg. Heinisch-Hosek: Wir machen beides!) – Gar nichts machen Sie in Wien! (Abg. Heinisch-Hosek: Na freilich!) – Frau ehemalige Minister, nichts machen Sie, sonst hätten Sie nicht so ein Chaos (Abg. Heinisch-Hosek: ... auf Schiene!), dass Kinder oft in den Ambulanzen in der Donaustadt 20 Stunden warten müssen. Das ist Ihre Gesund­heitspolitik in Wien. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist Ihre Politik, und noch immer sehen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 221

Sie es nicht ein. Das ist ja das Problem bei Ihnen, Sie wollen es nicht sehen. Das ist das Problem, das Sie in Wien haben. Jetzt haben Sie die Stadträtin schon rausge­schmissen, den Janßen haben Sie rausgeschmissen (Abg. Heinisch-Hosek: Hängen Sie sich nicht so rein!), jetzt kommt die neue Stadträtin dazu, die kennt sich mit dem Problem überhaupt nicht aus. (Abg. Heinisch-Hosek: Die Gesundheitsreform ist auf dem besten Weg!) – Ja, aber es stimmt! Hören Sie bitte mit Ihrer Schönrederei auf!

Ich kann nur eines sagen, Frau Bundesminister: Finanzierung aus einer Hand und die Kassen zusammenlegen, das wäre ein Anfang, damit man eine wirklich effiziente Gesundheitspolitik, vor allem für die Patienten, machen kann. Alles andere können Sie vergessen! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Franz.)

19.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


19.58.10

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit)|: Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Zum Tagesordnungspunkt Finanzierung des Gesundheits­we­sens aus einer Hand, aus einem Topf: Das ist absolut zu unterstützen. Dieser Antrag der Grünen kam ja auch schon von mir, vom Team Stronach und von der FPÖ, und darüber wurde bereits mehrfach im Hohen Haus debattiert.

Warum ist dieser Antrag so berechtigt? – Wir haben dazu heute schon einiges gehört. Für die Bürger ist es wichtig, zu wissen, dass wir nichts wissen. Es ist nichts so intransparent in Österreich wie das Gesundheitssystem beziehungsweise seine Finanzierung. (Beifall des Abg. Doppler.)

Es gibt über 4 000 Finanzströme, und es hat ein Sektionschef im Gesundheits­minis­terium vor einigen Jahren einmal das Bonmot geprägt: In Österreich gibt es nur drei Leute, die sich damit wirklich auskennen, die da durchblicken und genau wissen, wer wem wann warum welches Geld zahlt. – Also die Finanzierung aus einer Hand ist wirklich eines der großen Themen unserer Zeit, und das sollten wir endlich in Angriff nehmen.

Damit wir wissen, von welchen Summen wir überhaupt reden: Die Gesamtausgaben betragen derzeit 35 Milliarden €, das sind 11 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, davon werden 27 Milliarden € öffentlich bezahlt, sprich über den Steuerzahler. Derselbe Steuer­zahler zahlt aber noch 8 Milliarden € private Finanzierung dazu! In diesen 8 Milliarden € sind vor allem die Selbstbehalte der diversen Kassen drin, auch von der Gebietskrankenkasse, bei der es ja angeblich keinen gibt, aber denken Sie daran: Der Selbstbehalt für alle ist die Rezeptgebühr! Es gibt also massive Selbstbehalte. Der Herr Bundeskanzler hat unlängst in seinem Plan A versprochen, die Selbstbehalte abzuschaffen. Wie er das machen möchte, hat er allerdings bis heute nicht erklärt. 

8 Milliarden € zahlen die Österreicher dazu. Krankenhäuser alleine kosten 12 Milliar­den €. Im Gegensatz dazu ist die Investition für die Vorsorge extrem gering. Wir haben 550 Millionen € für die Vorsorge – 550 Millionen €, im Vergleich zu 35 Milliarden € Gesamtbudget. Also dass da einiges im Argen liegt, kann man schon allein an diesen paar Zahlen ermessen.

Wir haben auch ein sehr merkwürdiges Dogma im Gesundheitssystem, das nennt sich: Sparen, sparen, sparen. Als Arzt verstehe ich das überhaupt nicht, und als Patient noch viel weniger. Wie kann ein Gesundheitssystem mit dem Motto Sparen überhaupt gut funktionieren? – Auch wenn wir noch immer ein gutes haben – und das haben wir mit dem österreichischen Gesundheitssystem, bei aller Kritik, es kommt noch immer gut beim Patienten an –, haben wir dort allerdings das Motto und das Dogma: Sparen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 222

Das kann nicht für alle Zeiten gut gehen, denn bei Patienten, die krank sind, kann die oberste Prämisse nicht Einsparen lauten. Man muss doch in einem Gesundheits­system hergehen und fragen: Was ist sinnvoll? Was kommt beim Patienten gut an? Was nützt dem Patienten?

Und wer weiß neben dem Patienten am allerbesten, was hilft? – Natürlich die Ärzte­schaft! Wo ist die Ärzteschaft am geringsten vertreten? – In den diversen Gremien im österreichischen Gesundheitssystem! Da ist die Forderung zu stellen, viel mehr tätige Ärzte hineinzubringen (Abg. Öllinger – auf Bundesministerin Rendi-Wagner deutend –: Da! Sie ist eh da!), den Ärzten viel mehr Möglichkeiten zu eröffnen, mitzureden, den in der Praxis tätigen Ärzten, die Patienten tagtäglich behandeln, nicht nur dem Kollegen Rasinger und Dr. Karlsböck und mir, sondern wir brauchen in den Gremien viel mehr Ärzte, die tätig sind, ihr Know-how und ihre Expertise einbringen und mitentscheiden.

Dieses Sparen hat noch eine merkwürdige Facette: Wir wissen – es wurde kurz vom Kollegen Karlsböck angesprochen –, dass wir heute 2,5 Milliarden € pro Jahr für die Migration zur Verfügung haben – 2,5 Milliarden € pro Jahr! –, und gleichzeitig erklären wir den Patienten: Ihr müsst auf der Warteliste drei Monate auf eine CT-Untersuchung warten, ihr müsst auf der Warteliste ein Jahr auf einen Schilddrüsenultraschall-Kontroll­termin warten, denn ihr seid durch Wartelisten rationiert und bekommt diverse Medika­mente nicht.

Wie kann man das dem österreichischen Patienten, dem österreichischen Beitrags- und Steuerzahler, jemals klarmachen? – Da erwarte ich mir einmal ein klares State­ment der Regierung. Da muss man sich hinstellen und sagen: Okay, uns ist die Migration wichtiger als die Gesundheit der österreichischen Patienten! – Wenn das die Meinung der Regierung ist, dann muss sie das auch vertreten und nicht hintenherum komische Deals ausmachen, die dem Patienten letztendlich nicht zugutekommen, weil eine Benachteiligung der Österreicher und Österreicherinnen vorherrscht. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Doppler.)

Wir müssen uns überhaupt einmal auf die Ergebnisse der Studie gefasst machen, die der Sozialminister in Auftrag gegeben hat. Es läuft ja gerade eine große Studie, die herausfinden soll, wie sich die Zusammenlegung beziehungsweise die Konzentration der Krankenversicherungsträger auf den österreichischen Patienten auswirken könnte. Ich weiß jetzt nicht konkret, wann das Ergebnis vorliegen wird, das werden wir aber alle mit Spannung erwarten, und ich glaube, daraus kann man endlich die Hand­lungsanleitungen ableiten, wie wir mit dem österreichischen Gesundheitssystem umge­hen können und müssen.

Ich setze darauf große Hoffnungen, auch wenn da viel Kritik geäußert wurde, weil die London School of Economics die Durchführung dieser Studie übernommen hat. Das macht nichts, das können sich ruhig einmal unabhängige Ausländer anschauen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Die sind ja nicht unabhängig!) Wir sind aber sehr gespannt, wann diese Daten endlich an die Öffentlichkeit kommen, und vor allem sind wir ge­spannt, was wir dann mit diesen Daten machen, denn wir müssen uns schon über­legen, ganz ins Grundsätzliche zu gehen: Wie finanzieren wir das österreichische Gesundheitssystem? Machen wir das über Steuern, oder machen wir es weiter über Beiträge? Oder bleiben wir bei einem Mixsystem, wie wir es jetzt haben? – Jetzt gibt es Beiträge eher im ambulanten Bereich, Steuern eher im stationären Bereich, und daraus resultiert ein Mischsystem.

Meine Damen und Herren! Das ist eine ganz wichtige, essenzielle Frage, und ich weiß nicht, ob diese von Engländern ausreichend behandelt wird, die ja davon ausgehen, dass es ein rein steuerfinanziertes Gesundheitssystem gibt; in England ist das so. (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 223

Man muss sich diese Grundsatzfragen stellen und diesbezüglich endlich einmal zum Kern vordringen, um eine wirkliche Neuerung zustande zu bringen. – Ich danke schön.

20.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.04.05

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Minister, ja, ich möchte Ihnen Ihr Bestreben nicht abstreiten, bezüglich dessen, was Sie sagen und was Sie in der letzten Sitzung gesagt haben, was die MRI- und die CT-Unter­suchungen betrifft. Es ist kein leichter Weg, das steht außer Frage, aber die Bemü­hungen sind vorhanden, und wir setzen natürlich die Hoffnungen in Sie, und ich bedanke mich im Voraus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme auch Stellung zu TOP 19 betref­fend die Finanzierung des Gesundheitswesens aus einem Topf. Dieser Entschließungs­antrag hat schon etwas Wahres an sich.

Das österreichische Gesundheitswesen ist total zersplittert und teilweise schwer krank. Das Gesundheitswesen müsste dringend behandelt werden. Für den ambulanten Bereich ist großteils und grundsätzlich die Sozialversicherung zuständig – das hat Kollege Dr. Franz bereits angesprochen –, für den stationären Bereich sind es die Bundesländer, und da wird der Ball zwischen den einzelnen Sektoren immer hin- und hergespielt.

Es ist aber auch bemerkenswert, dass in Österreich nicht medizinische Kriterien ent­scheiden, wo die Behandlung erfolgt, sondern die komplexe, für Patienten meist un­durch­­schaubare und nicht nachvollziehbare Finanzierungsstruktur des Gesundheits­systems. Besonders chronisch kranke Menschen leiden an diesem Kompetenzdschungel.

Solange es für die Sozialversicherung ein Vorteil ist, die Behandlungskosten dem Land zu übertragen und umgekehrt, wird es keine Besserung geben. Man sollte auch nicht vergessen, dass das Problem auch vom Rechnungshof schon aufgezeigt worden ist. Wir brauchen in Österreich eine Kompetenzbereinigung im Gesundheitswesen, das wäre dringend notwendig. – Danke schön.

20.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schmid. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.06.10

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Gesetzliche Krankenversicherung für Insassen von Haftanstalten: Bereits mehrfach wurden Krankenhausaufenthalte von Häftlingen vom Rechnungshof dahin gehend kritisiert, dass durch das Justizministerium die Behandlungskosten laut Privatversichertentarifen an Krankenanstalten refundiert wurden beziehungsweise werden. Dieses Faktum ist als Missstand zu bezeichnen, dessen Abschaffung dringend erforderlich ist.

Von Bedeutung für eine Bemessung von Refundierungen sind geleistete Beiträge in der Höhe von über 80 Millionen € bei gleichbleibenden Zahlen an Insassen bezie­hungsweise Krankenhausaufenthalten im Jahre 2015. Aus den bekannten Zahlen ist abzuleiten, dass es dringend erforderlich ist, arbeitende Häftlinge in die Sozialver­sicherung einzubinden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 224

Untragbar ist der Umstand, dass der Steuerzahler für Genesungskosten von in Haft befindlichen Personen aufzukommen hat. Die Möglichkeit einer geringfügigen Be­schäftigung umfasst bereits eine Unfall- und Krankenversicherung, welche zu einer Entlastung des Steuerzahlers führt.

Eine Besserstellung von Häftlingen gegenüber den Leistungen der Sozialver­siche­rungsträger erscheint nicht nachvollziehbar, sodass eine Änderung dringend erfor­derlich ist. – Danke. (Ruf bei der SPÖ: Bitte sehr!)

20.07

20.07.45

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich erkenne keinen Wunsch der Berichterstatter auf ein Schlusswort.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird, samt Titel und Eingang in 1467 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein klares Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird, in 1550 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Spindelberger, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen einen gesamtändernden Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher sogleich über den vorliegenden Gesetzentwurf in der Fassung des gesamtändernden Abänderungsantrages abstimmen lassen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den vorliegenden Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1550 der Beilagen in der Fassung des gesamtändernden Abän­derungsantrages der Abgeordneten Spindelberger, Dr. Rasinger, Kolleginnen und Kollegen aussprechen, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich ange­nommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Computer­tomo­gra­fie(CT)- oder Magnetresonanztomografie(MRT)-Untersuchungen für Sozialversicherte.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1551 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 225

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Gesund­heitsausschusses, seinen Bericht 1552 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1553 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

20.10.5122. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vor­lage (1469 d.B.): Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweize­rischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüber­schreitende polizeiliche Zusammenarbeit (1571 d.B.)

23. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vorlage (1471 d.B.): Vereinbarung zwischen der Regierung der Republik Österreich, der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft sowie der Regierung des Fürstentums Liechtenstein über die Durchführung von Arti­kel 13 Abs. 1 lit. c und Kapitel VI des Vertrages zwischen der Republik Öster­reich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechten­stein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit (1572 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zu den Punkten 22 und 23 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.11.54

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Vorarlberg ist nicht nur ein wunderschönes Bundesland – und ich hoffe, dass möglichst viele von Ihnen es auch schon kennenlernen konnten –, es ist auch sehr vorteilhaft gelegen, im Dreiländereck Deutschland–Schweiz–Österreich und neben, natürlich nicht zu vergessen, dem Fürstentum Liechtenstein.

Dieser grenzüberschreitende Wirtschaftsraum ist im europäischen Vergleich ein sehr erfolgreicher und auch absolut aufstrebender, und er bringt auch mit sich, dass wir einen regen Austausch an Arbeitskräften, Kaufkraft und Wirtschaftskraft haben.

Vorarlberg profitiert derzeit immens von einer Zuwanderung an Kaufkraft aus der Schweiz und aus dem Fürstentum Liechtenstein. Schweizer und Liechtensteiner kommen zu uns, um günstig einzukaufen, Urlaub zu machen und auch ganz einfach die hohe Qualität unserer Gastronomie zu genießen. Wenn ein so grenzüber­schreitender Wirtschaftsraum gegeben ist, dann hat man aber natürlich auch mit Herausforderungen im Bereich der Delikte zu kämpfen – auch eine steigende Krimi­nalität ist durchaus zu spüren.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 226

Deswegen ist es wichtig, dass wir mit dem vorliegenden Polizeikooperationsvertrag eine Anpassung des bestehenden Vertrages von 1999 vornehmen. In diesem Polizei­kooperationsvertrag sind höhere Anforderungen an polizeiliche Zusammenarbeit vor­gesehen beziehungsweise ist es auch nötig, auf die Schengenbeteiligung der Schweiz, die Schengen 2008 beigetreten ist, und Liechtensteins, das 2011 beigetreten ist, zu reagieren.

Eine der wichtigsten Neuerungen in diesem Vertrag ist, dass verdeckte Ermittlungen zum Zwecke der Verhinderung auslieferungsfähiger Straftaten von erheblicher Bedeu­tung erleichtert werden. Auch das Einschreiten im grenznahen Bereich auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates ohne vorige Zustimmung bei unmittelbarer erheblicher Gefahr für Leib, Leben und Eigentum wird deutlich verbessert. Das gilt auch für die Zusammenarbeit beim Zeugen- und Opferschutz, für die Unterstützung bei Rückführungen, bei der polizeilichen Durchbeförderung und auch bei der Übergabe von Personen an der Staatsgrenze.

Die Zusammenarbeit bei der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten wird ebenfalls verbessert. Dazu war es aber notwendig, dass auch eine Durch­führungsvereinbarung für diesen Bereich getroffen wurde. Diese wurde am 10. Sep­tember 2015 unterzeichnet. Leider wurde sie dann aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken des Bundeskanzleramtes etwas verzögert, doch diese Bedenken konnten inzwischen ausgeräumt werden. Dazu kann man sagen, dass von den rund fünf Millionen Geschwindigkeitsübertretungen in Österreich rund eine Million von Lenkern mit ausländischer Kraftfahrzeugzulassung begangen werden. Deshalb ist es not­wendig, dass man auch eine entsprechende Nachverfolgbarkeit möglich macht. Ver­kehrssicherheit erfordert eben eine Strafverfolgung von Ausländern sowie von inlän­dischen Autorasern.

Der Polizeikooperationsvertrag enthält unter anderem Bestimmungen zur grenzüber­schreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten, also automatisiertem Kraftfahrzeugzu­lassungsdatentausch, Ausforschung und Vernehmung des Lenkers, Übersendung und Zustellung amtlicher Schriftstücke und auch zur Vollstreckungshilfe.

Alles in allem ist das ein wichtiger Vertrag, der die Sicherheit im Dreiländereck verbessern wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.15.32

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie wir schon gehört haben, besteht bereits seit 1999 ein Vertrag mit Liechtenstein und der Schweiz zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Sicherheits- und Zollbehörden zwischen den drei Ländern.

Das Übereinkommen war damals, vor 18 Jahren, wegweisend und Vorbild für ein gleichlautendes Abkommen mit Deutschland. Auch europaweit hat das trilaterale Abkommen Schule gemacht. 2005 unterzeichneten elf Staaten den sogenannten Prümer Vertrag, manchmal auch Schengen-III-Vertrag genannt. Dieser Vertrag soll die grenzüberschreitende Verhinderung und Verfolgung von Straftaten verbessern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wie die tagtägliche Praxis zeigt, ist der Vertragstext von 1999 nach wie vor eine sehr gute Grundlage für eine enge poli­zei­liche, grenzpolizeiliche Zusammenarbeit zur Gefahrenabwehr und Kriminalitäts­be-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 227

kämp­fung. Trotzdem, sehr geehrte Damen und Herren, ist es nach 18 Jahren an der Zeit, den Vertrag zu überarbeiten und zu modernisieren.

So haben sich zum Beispiel mit dem Beitritt der Schweiz und Liechtensteins zum Schengenraum in den Jahren 2008 beziehungsweise 2011 die Rahmenbedingungen für die grenzübergreifende Arbeit erheblich geändert. Außerdem hat sich in der Praxis gezeigt, dass alle drei Länder nunmehr eine Erweiterung und Konkretisierung der Befugnisse in einigen Bereichen für sinnvoll halten. Besonders betrifft dies Bereiche wie den Zeugen- und Opferschutz; was mir auch besonders wichtig ist, ist der Bereich der Verkehrsregelungen sowie der Verstöße gegen die Straßenverkehrsvorschriften und das Eingreifen in Notfällen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Nach fast zwei Jahrzehnten kann diese trilaterale grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden aus der Schweiz, Liechtenstein und Österreich zu Recht als Erfolg bezeichnet werden. Und mit der Aktualisierung und Weiterentwicklung der entsprechenden Verträge ist der Weg für die erfolgreiche polizeiliche Zusammenarbeit auch für die nächsten Jahre und Jahrzehnte, wie ich meine, gesichert. (Beifall bei der SPÖ.)

20.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lintl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


20.18.20

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der hier zur Debatte stehende Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit findet natürlich unsere Zustimmung.

Die wichtigsten Neuerungen in diesem trilateralen Vertrag sind, dass verdeckte Ermitt­lungen zum Zwecke der Verhinderung auslieferungsfähiger Straftaten von erheblicher Bedeutung möglich sein sollen. Zeugen- und Opferschutz, Unterstützung bei Rück­führungen, polizeiliche Durchbeförderung, Übergabe von Personen an der Staats­grenze und Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Vor­schriften des Straßenverkehrs sind wichtig.

Laut Informationen aus der Exekutive erleichtern solche Abkommen die Arbeit der Polizei, und das ist vor allem in Zeiten von Kriminaltourismus und einem Ansturm von Migranten ganz wichtig, da diese Arbeit dadurch immer komplexer wird und nur durch eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit sinnvoll lösbar ist.

Meine Fraktion stimmt daher diesem Abkommen gerne zu. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

20.19

20.19.42

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 22: Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluss des Staatsvertrages: Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 228

in 1469 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Ge­nehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 23: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluss des Staatsvertrages: Ver­einbarung zwischen der Regierung der Republik Österreich, der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft sowie der Regierung des Fürstentums Liechten­stein über die Durchführung von Art. 13 Abs. 1 lit. c und Kapitel VI des Vertrages zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit, in 1471 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

20.21.0924. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1148/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausstieg aus den Verträgen betreffend das Schubhaftgefängnis Vordernberg (1540 d.B.)

25. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 213/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend öffentlich-rechtlichem Rechtsschutz gleichwertigen Rechtsschutz bei der Auslagerung von Sicherheitsaufgaben an Private (1541 d.B.)

26. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 2018/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maß­nahmen zur grundrechtlichen Sensibilisierung des Innenministers (1542 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zu den Punkten 24 bis 26 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Ing. Klinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.22.08

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuhörer und Zuseher! Wir sprechen zu den Tagesordnungspunkten 24, 25 und 26, wobei ich gleich vorausschicken möchte, dass wir dem negativen Ausschussbericht zu Tagesordnungspunkt 24 natürlich zustim­men beziehungsweise die Tagesordnungspunkte 25 und 26 ablehnen werden.

Die Gesamtproblematik, die darin besprochen wird, betrachtend, ist das in einem sehr großen Zusammenhang mit den immer wieder auftretenden Menschenrechts­proble­men zu sehen. Diese Menschenrechtsprobleme resultieren für mich aus zwei ganz großen Grundproblematiken:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 229

Erstens, dass wir auf dieser Welt in den armen Regionen eine ganz gewaltige Über­bevölkerung haben, und zweitens, dass diese arme Bevölkerung zum Teil auf schänd­lichste Weise ausgenützt wird und ihr Versprechungen gemacht werden, die niemand auf dieser Welt einhalten kann. Man braucht sich nur die Entwicklungen von Afgha­nistan über Afrika bis Libyen anzusehen: Das ist eine traurige Geschichte in unserem jetzigen Zeitabschnitt.

Ich bin da wieder einmal beim Kollegen Matznetter, der gestern gesagt hat, in 20 Jahren werden unsere Kinder nicht mehr darüber sprechen, dass jemand aus Syrien zu uns gekommen ist. Wir sollten uns den Fremden gegenüber nett verhalten, damit diese später nicht fremdenfeindlich sind. – Ich frage mich: Was hat Kollege Matznetter damit gemeint? Hat er da die Republik bereits selbst aufgegeben?

Ich habe in der Fragestunde den Herrn Innenminister gefragt, ob er dafür einstehen kann, dass die Grundwerte, die Verfassungsrechte, die Staatsgrundgesetze einge­halten werden müssen, um hier in Österreich dauernd eine Bleibe zu bekommen, oder ob es darüber hinaus eine Möglichkeit gibt, diese Staatsgrundgesetze zu unter­wandern. Ich bin der Meinung, dass wir in Österreich diesbezüglich einer ganz großen Gefährdung entgegengehen.

Ich bin nicht der Meinung, so wie Sie von den Grünen in Ihrem Antrag schreiben, dass der Herr Innenminister aufgefordert werden sollte, „durch Studium von Fachliteratur und Teilnahme an Schulungen oder Beiziehung von ExpertInnen“ seine Kenntnisse in der Sache zu verbessern. Es ist meines Erachtens nicht notwendig, so vorzugehen.

Eines muss aber schon klargestellt werden: Sie haben gesagt, dass die Religions­freiheit das höchste Staatsgrundgesetz für Sie ist. Dem kann ich absolut nicht zustim­men, da in Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes ganz klar geregelt ist: „(...) jeder Volksstamm hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache“.

Jetzt müssen wir unterscheiden: Im Islam haben wir zwei Gegebenheiten: die religiöse Gegebenheit und die politische Gegebenheit. In der politischen Gegebenheit sind wir weit von unseren Verfassungsgesetzen entfernt, und wir müssen aufpassen, dass jene extremen Muslime, die nicht bereit sind, unsere Verfassungsgesetze einzuhalten, nicht auch noch die Staatsbürgerschaft bekommen. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.)

Sehr geehrter Herr Innenminister! In diesem Fall gilt es die Menschenrechte für uns Österreicher zu wahren, damit wir nämlich nicht von anderen übervolkt werden (Zwischenruf des Abg. El Habbassi), die unsere Werte, die lange von uns erarbeitet werden mussten und viel Blut, Schweiß und Tränen gekostet haben, nicht anerkennen. Unsere Demokratie muss uns ein Heiligtum sein! Wir sehen, was in der Türkei passiert, und das will ich nicht nach Österreich projiziert haben. Wenn wir da nicht wirklich Handlungen setzen, die dazu angetan sind, dann, glaube ich, wird in Zukunft mein Spruch nicht mehr gelten, der da heißt: Heimat ist dort, wo ich zu Hause bin, und dort, wo ich zu Hause bin, soll auch meine Heimat bleiben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Yılmaz.)

20.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kirchgatterer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.26.56

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Auf meinen Vorgänger könnte man die ganze Redezeit verwenden. (Abg. Jarolim: Nein, ich glaube, das ist viel zu schade!) Ich werde mich ganz begrenzt nur auf einen Tagesordnungspunkt, und zwar auf den Tagesord-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 230

nungspunkt 26, beziehen, in dem der Herr Innenminister von den Grünen belehrt wird. Das ist nicht unsere Art und auch nicht unser Stil, und wir lehnen den Antrag ab.

Sehr wohl sind wir für eine inhaltliche Diskussion, umso mehr, als es uns ein wichtiges und leidenschaftliches Anliegen ist. Dazu laden wir auch unseren Koalitionspartner, die Oppositionsparteien, jeden Abgeordneten hier im Haus ein, um die parlamentarische Kontrolle im menschenrechtssensiblen Bereich, zum Beispiel bei den Geheimdiensten, zu stärken.

Bisher wird diese sehr wichtige Arbeit von einem Teil des Innenausschusses geleistet. Die Ergänzung mit Kolleginnen und Kollegen des Justizausschusses und des Ver­fassungsausschusses würde sicher eine positive Weiterentwicklung bedeuten. Diese würden andere Perspektiven auf menschenrechtsrelevante Fragen eröffnen und eine neue Qualität ermöglichen, auf die man auch weiter aufbauen kann, so wie es im Jahr 2012 durch die Verlagerung des Menschenrechtsbeirates vom Innenministerium zur Volksanwaltschaft gelungen ist und wie es mit den unangemeldeten Menschen­rechtskontrollen durch die Volksanwaltschaft laufend gelingt.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Ruhe war zu Zeiten Metternichs die erste Bürgerpflicht, doch heute, denke ich, bringt uns eine lebendige Demokratie nach vorne. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser ist  zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.29.18

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst vielleicht noch einen Satz zu Ihnen, Herr Abgeordneter Klinger: Ob Sie von der Übervolkung oder von der Umvolkung sprechen, es ist immer das Gleiche. Sie wissen genau, dass Sie damit bewusst provozieren und dass Sie bewusst historisch belastete Begriffe verwenden. (Zwischenruf des Abg. Klinger.) – Es sollte Ihnen bekannt sein, dass der Begriff Umvolkung historisch belastet ist, und weil Sie diesen Begriff nicht verwenden wollen, reden Sie von Übervolkung.

Diese Diktion hat im österreichischen Parlament nichts verloren, das sei Ihnen gesagt! (Beifall bei Grünen, SPÖ, ÖVP, NEOS und Team Stronach.)

Ich möchte zu zwei Anträgen sprechen: Der eine Antrag beschäftigt sich mit Herrn Innenminister Sobotka, wir haben im Menschenrechtsausschuss schon darüber dis­kutiert. Der Herr Innenminister zeichnet sich dadurch aus – ich sage es jetzt einmal freundlich –, dass er ein sehr impulsiver Ideengeber ist oder, anders formuliert, dass er sehr schnell mit einer Idee da ist, die sich nachher sehr schnell als verfassungswidrig herausstellt. (Ruf bei der ÖVP: Na, na, na!) Es gibt eine Vielzahl an Beispielen.

Wir haben schon in mehreren Ausschusssitzungen darüber diskutiert, ich habe aber noch nie eine Erklärung dafür bekommen, warum diese Idee mit der Verfassung vereinbar sein soll. Wir werden es aber heute wieder durchspielen, und dann wird es sich auch erklären, warum wir diesen Antrag stellen, der übrigens ein konstruktiver Antrag ist. Warum er konstruktiv ist, werde ich dann noch erklären.

Das erste Beispiel eines Vorschlags: Vom Herrn Innenminister kam der Vorschlag: elektronische Fußfesseln für Dschihadisten. Jetzt muss man wissen, wenn ein dringender Tatverdacht vorliegt, dann gibt es die U-Haft, da brauche ich keine elektronische Fußfessel. Präventivhaft wäre menschenrechtswidrig, das ist der Punkt.

Wenn die Person in Haft ist, dann ist sie in Haft. Sie könnte früher entlassen werden, wobei ich nicht weiß, ob der Herr Innenminister gefordert hat, dass Dschihadisten


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 231

früher aus der Haft entlassen werden. Dazu kann ich ihm sagen, dann braucht es die elektronische Fußfessel nicht, diese hat die Justiz bereits. Wenn aber ein Dschihadist einmal seine Haft verbüßt hat, gibt es auch keine elektronische Fußfessel mehr, denn das wäre wieder menschenrechtswidrig. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt, der auch immer wieder kommt: der Zugriff auf gespeicherte Bilddaten, also auf die Videoüberwachung von Unternehmen im öffentlichen Nahbereich. Dabei geht es um die ASFINAG-Kameras. Ja, die ASFINAG-Kameras speichern mit, aber sie speichern zu einem einzigen Zweck mit, nämlich um Verkehrssünder ausfindig zu machen. Es gibt ein Urteil im Zusammenhang mit dem Kaisermühlentunnel, das relativ klar besagt: Die ASFINAG darf speichern. Überschreitet jemand die Geschwindigkeit, so wird er abgestraft, aber für alle anderen ist zu löschen! Das heißt, es darf weder der Innenminister noch sonst jemand auf diese Daten zugreifen, weil die ASFINAG verfassungsrechtlich verpflichtet ist, diese Daten zu löschen. (Abg. Rädler: Gibt’s was zu verbergen?) – Es gibt natürlich etwas zu verbergen, nämlich die Privatsphäre! Die Privatsphäre ist ein Grundrecht, das jeder Bürger und jede Bürgerin in diesem Staat genießt, egal, ob sie etwas gemacht haben oder nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)

Dritter Punkt: Der Herr Innenminister will an den Grenzen anlasslos die Kfz-Kenn­zeichen erfassen. Der Verfassungsgerichtshof hat aber gesagt, die anlasslose Mas­sen­überwachung ist verfassungswidrig. Es ist wieder ein Problem des Herrn Innen­minis­ters, weil er einen verfassungswidrigen Vorschlag macht.

Nun haben wir einen konstruktiven Vorschlag gemacht, nämlich dass der Herr Innenminister, wenn er impulsive Ideen hat, sich vorher kundig machen soll, wie es um die Grund- und Verfassungsrechte steht, und sich allenfalls Rat und Tat zur Seite holt. Konstruktiv ist das deshalb, weil wir auch einen Misstrauensantrag hätten stellen können, aber das finde ich ein bisschen einfach. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rädler und Sieber.)

Versuchen wir einmal diesen Weg, ich glaube, es würde der Verfassung und den Grundrechten guttun und Ihre Kompetenz durchaus stärken, Herr Innenminister!

Mich fragen manchmal Leute: Wie ist das mit dem Herrn Innenminister, weiß er das nicht oder ignoriert er das? – Ich kann es bis heute nicht beantworten.

Letzter Punkt: Es kommt noch ein Antrag zum Schubhaftzentrum Vordernberg zur Abstimmung. Das Schubhaftzentrum Vordernberg ist ein Millionengrab. Pro Monat gehen 400 000 € an eine private Sicherheitsfirma. Diese ist zuständig für die Führung dieses Zentrums, für die Verpflegung, für das Putzen, egal, wie viele Insassen in diesem Zentrum gerade sitzen – in den letzten Jahren waren das immer sehr, sehr wenige.

Daher stellen wir den Antrag, dass dieser Vertrag gekündigt und neu aufgesetzt wird. Wir sind damit nicht allein, auch der Rechnungshof hat bereits diesen Vertrag mit dem privaten Dienstleister in der Luft zerrissen und übt scharfe Kritik sowohl bei der Projektplanung, bei der Vergabe als auch bei der Risikoeinschätzung dieses Schub­haftzentrums. Daher beantragen wir, dass dieser Vertrag gekündigt und neu verhandelt wird. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Scherak.)

20.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Vetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.34.22

Abgeordneter Dr. Georg Vetter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Diesen aufgelegten Elfmeter der Grünen nehmen wir natürlich gerne auf, denn unsere Beur­tei-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 232

lung des Innenministers ist eine ganz andere. Er ist ein feinsinniger und kultivierter Mensch und einer, der gleichzeitig mit beiden Beinen in der Realität steht. (Beifall bei der ÖVP.) Und das ist gerade in einer Zeit, in der wir innenpolitisch und außenpolitisch schwierige Zeiten durchleben, für dieses Land ganz besonders wichtig. Er ist einer, der absolut die Balance hält. (Zwischenruf der Abg. Moser.)

Das, was die Grünen hier machen, ist, über den Umweg der Stillosigkeit die politische Auseinandersetzung mit einem ausgezeichneten Innenminister zu führen. (Abg. Moser: Wir haben innovativ ...!) Wenn Sie öfters Fußball schauen, dann gibt es dazwi­schen die Einschaltung: Respekt, und das erwarten wir auch von den Grünen, denn auf diese Art zeigen Sie eine Respektlosigkeit gegenüber einem ausgezeichneten Minister. Das zeigt viel mehr den Neid der Besitzlosen als alles andere. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Lichtenecker und Moser.)

Sie sollten sich überlegen, die inhaltliche Auseinandersetzung zu führen. Führen wir die inhaltliche Auseinandersetzung! (Abg. Steinhauser: Ich habe drei Beispiele gebracht! Drei Beispiele!) Wenn Sie der Ansicht sind, dass ein Gesetz verfas­sungs­widrig ist, dann führen wir hier die Auseinandersetzung auf jeder einzelnen Ebene, aber versuchen Sie nicht, den politischen Gegner in einem totalitären Anspruch, in einem Absolutheitsanspruch zu erziehen! (Abg. Steinhauser: Drei Beispiele!) Das ist nicht der Stil, den wir führen. Wir führen ihn über den Respekt und die inhaltliche Aus­einandersetzung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.36

20.36.04*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Dr. Moser, für die Scheibenwischer­bewegung erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Heiterkeit bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

*****

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.36.18

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Herr Innenminister! Herr Kollege Vetter, das hat auch schon einmal anders geklungen, als du noch in Opposition saßt, aber so schnell geht das. Es waren, glaube ich, sogar dem Innen­minister diese übertriebenen Lob- und Liebesbekundungen ein bisschen peinlich. (Zwischenruf des Abg. Vetter.) Unabhängig davon, ob man diese teilt, war es einiger­maßen befremdlich, vor allem wenn du die inhaltliche Auseinandersetzung einmahnst und inhaltlich nichts sagst, sondern nur deine Liebe zum Innenminister gestehst. (Beifall bei den NEOS.) Das freut mich für Sie beide, es war einigermaßen komisch – aber es ist ein interessanter Tag heute, das muss man schon dazusagen.

Wir diskutieren zwei Anträge, die sich mit dem Schubhaftzentrum Vordernberg be­schäftigen. Das ist quasi der letzte Nachlass der damaligen Innenministerin Fekter, der von der Opposition – nicht von der gesamten Opposition – schon lange aus zwei be­stimmten Gründen kritisiert wurde. Einerseits, weil es ein Millionengrab der Sonder­klasse ist; Kollege Steinhauser hat es schon gesagt. 400 000 €, das muss man sich einmal überlegen, 400 000 € wirft die Republik Österreich jedes Monat zum Fenster hinaus, unabhängig davon, ob dort irgendjemand betreut wird, ob dort Schubhäftlinge sind, das ist völlig egal. 400 000 € werden zum Fenster hinausgeschmissen!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 233

Der Rechnungshof hat das Ganze in einem Prüfbericht noch einmal zutage gefördert, und es interessiert Sie immer noch nicht, dass man da entsprechend nachverhandelt.

Die Grünen haben dazu einen Antrag gestellt, dem wir so auch nicht zustimmen, weil wir nicht der Meinung sind, dass man überhaupt keine privaten Dienstleister in so einem Schubhaftzentrum haben darf. Es gibt sicher Sachen, die man mit privaten Dienstleistern machen kann. Wir haben einen ähnlichen Antrag im Innenausschuss, da werden wir sicher noch einmal darüber diskutieren, und ich bin gespannt, ob es Ihnen dann weiterhin egal sein wird, dass wir 400 000 € jedes Monat zum Fenster hinaus­werfen. Mich würde das einigermaßen irritieren; wieso Sie das nicht stört, ist nicht nachvollziehbar. (Abg. Rädler: Zur Sache!) – Bitte, Herr Kollege Rädler? (Abg. Rädler: Zur Sache!) – Zur Sache? Herr Kollege Rädler, dass Sie schon wieder nicht mitbe­kommen, worüber wir hier jetzt reden, das ist Ihr eigenes Problem! (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von FPÖ, Grünen und Team Stronach.)

Dem Kollegen Rädler sind also 400 000 €, die jedes Monat zum Fenster hinaus­geworfen werden, wurscht. Ich weiß nicht, wie Sie das als Bürgermeister machen, ob Sie da auch Geld verbrennen, weil es ohnehin egal ist. Es ist nicht Ihr Geld, und die 400 000 € sind auch nicht Ihr Geld, es ist das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Sie werfen es gerne zum Fenster hinaus, ich bin der Meinung, dass man sparsam sein sollte, aber bitte.

Die zweite große Problematik beim Schubhaftzentrum Vordernberg ist eben ... (Bun­desminister Sobotka: Es ist voll!) – Ja, momentan ist es voll, Herr Innenminister; aber Sie wissen schon, dass es auch andere Zeiten gab und dass wir extrem viel Geld zum Fenster hinausgeschmissen haben, oder? Sie kennen die früheren Belegzahlen! (Bundesminister Sobotka: Jetzt ist es voll!) Das ändert aber nichts daran, dass ein Vertrag mit 33-jährigem Kündigungsverzicht abgeschlossen wurde, durch den, ganz gleich wie viele Leute dort einsitzen, jedenfalls 400 000 € im Monat ausgegeben wer­den. Dass man darüber wohl diskutieren muss, liegt auf der Hand.

Das zweite Problem sind die privaten Sicherheitsdienste, nämlich wenn sie im quasi hoheitlichen Bereich tätig sind. Das ist in der Umschreibung einigermaßen komplex zu lesen, diese private Sicherheitsfirma G4S übernimmt auch Aufgaben, bei deren Erfül­lung Fehlverhalten, das quasi eine Menschenrechtsverletzung nach sich zieht, pas­sieren kann.

Wieso ist das problematisch? – Weil man gegen die private Sicherheitsdienstfirma natürlich nicht mit einem öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz vorgehen kann. Normaler­weise ist es so, dass man, wenn ein Polizist ein Fehlverhalten an den Tag legt, eine Menschenrechtsverletzung begeht, öffentlich-rechtlich dagegen vorgehen kann. Das kann man bei einer privaten Sicherheitsfirma nicht. Deswegen fordern wir schon lange, dass man das gesetzlich vorsieht.

Ich kann mich erinnern, als mir die Kollegin Fekter einmal im Menschenrechts­aus­schuss gesagt hat, das braucht man alles nicht, das ist alles schon gegeben, war ich einigermaßen verwundert und habe mir gedacht: Vielleicht glaubt sie nur mir nicht. Mittlerweile gibt es einen Bericht der Volksanwaltschaft, der genau das Gleiche kritisiert, indem er sagt, wenn wir schon solche Aufgaben an private Sicherheitsfirmen auslagern, dann muss gewährleistet sein, dass der gleiche Rechtsschutz vorhanden ist, wie wenn die Polizei oder die Justizwache oder irgendeine öffentliche Behörde diese Tätigkeiten machen würde.

Jetzt könnten wir sagen, Kollege Vetter ist davon nicht überzeugt – im Ausschuss hat er irgendwie herumgeschwurbelt, wieso er das nicht mag –, Frau Kollegin Fekter ist aber, als wir hier den Volksanwaltschaftsbericht diskutiert haben, hier heraußen ge-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 234

stan­den und hat gesagt: Ah, auch die Volksanwaltschaft sieht dieses Problem! – Ich zitiere jetzt wörtlich; Sie hat Folgendes gesagt: 

„Die Einbindung privater Sicherheitskräfte wird von der Volksanwaltschaft grundsätzlich positiv gesehen, aber sie regt an, dass wir diesbezüglich ein eigenes Sicherheitsgesetz machen sollen. Ich begrüße das. Wir kennen das vom Flughafen, von dortigen Sicherheitsdiensten – auch da haben wir ein eigenes Gesetz –, und ich kenne es auch von der Justizagentur, wo die Justizwache im Hinblick auf den unterschiedlichen Ein­satz mit Privaten ebenfalls ein eigenes Gesetz hat. Das heißt, das ist ein Auftrag an den Gesetzgeber, und wir werden sehen, dass wir ihn ehestmöglich umsetzen.“

Jetzt gibt es den Antrag, dass wir das ehestmöglich umsetzen – und die ÖVP ist dage­gen. Das ist einigermaßen irritierend, wenn die Volksanwaltschaft etwas vor­schlägt und es diesbezügliche Vorschläge der Opposition gibt. Sie wollen also weiter­hin nicht, dass es einen gleichwertigen öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz gibt, wenn private Sicher­heitsfirmen beauftragt werden und Menschenrechtsverletzungen bege­hen. Sie umgehen damit grundlegende Verfahrensgarantien, die in der Menschenrechts­kon­vention gewährleistet sind.

Das machen normalerweise nur Länder wie Ungarn oder Polen. Dass sich Österreich da mit einreiht, liegt einerseits an der ÖVP, die das Problem nicht versteht, andererseits an der SPÖ, die da offensichtlich auch nicht mitmachen will. Ich halte es für eine Schande, und es ist zutiefst beschämend, dass – obwohl die ÖVP das Problem offensichtlich schon erkannt hat und die Volksanwaltschaft hier einen Bericht eingebracht hat und ein Problem sieht – hier trotzdem nicht zugestimmt wird. (Beifall bei den NEOS.)

20.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. – Bitte.

 


20.42.03

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minis­ter! Ich beziehe mich in meiner zweiminütigen Rede auf den Tagesordnungspunkt 24 betreffend Schubhaftzentrum beziehungsweise Anhaltezentrum Vordernberg.

Nach Rücksprache mit Bürgermeister Walter Hubner, mit dem ich ja auch als Abge­ordnete aus der Region in sehr engem Kontakt stehe, kann ich Folgendes aus seiner Sichtweise wiedergeben, um auch eventuelle Ungereimtheiten, aber auch Unklarheiten aus dem Weg zu räumen. – Ich zitiere:

Das Anhaltezentrum Vordernberg erfüllt voll und ganz die Vorgaben des Schub­haftvollzuges und ist ein europäisches Vorzeigeprojekt. (Abg. Rädler – in Richtung Abg. Scherak –: Na?) Die Volksanwaltschaft und der Menschenrechtsbeirat statten dem Zentrum immer wieder Besuche ab, und auch internationale Delegationen zeigen sich von diesem Modell positiv beeindruckt. (Abg. Rädler: Kollege Scherak, na?)

Die immer wieder kolportierten Auslastungszahlen waren eine seinerzeitige Moment­auf­nahme – die Auslastung liegt zwischen 70 und 90 Prozent.

Durch den Vertrag mit der Marktgemeinde Vordernberg und die damit im Zusam­men­hang stehende Beauftragung eines privaten Unternehmens durch die Gemeinde wer­den bestens ausgebildete Polizisten bei einer doch angespannten Personalsituation nicht für nicht hoheitliche Aufgaben gebunden. – Der Bürgermeister stellt sich auch die Frage, ob zum Beispiel ein Polizist den Shop betreiben soll.

Dass es bei der europaweiten Ausschreibung durch die Marktgemeinde Vordernberg keinen weiteren Bewerber für die Erbringung der nicht hoheitlichen Aufgaben gab, kann weder der Gemeinde noch dem Ministerium angelastet werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 235

Es finden im Anhaltezentrum laufend Jours fixes statt, bei denen kurzfristige und un­büro­kratische Adaptierungen und weitere Verbesserungen besprochen und umgesetzt werden.

Das Anhaltezentrum genießt bei den Bürgerinnen und Bürgern eine sehr hohe Akzep­tanz, weil die vom Bürgermeister im Rahmen einer Volksabstimmung ins Treffen geführten positiven Effekte für die Gemeinde eingetreten sind. Die Arbeitsplätze, die durch das private Unternehmen entstanden, sind regional von sehr großer Bedeutung.

Die Vordernberger Bevölkerung mit ihrem Bürgermeister hat diese andauernden, auf Unwahrheiten basierenden Diskussionen satt und will einfach in Ruhe und ohne unqualifizierte Zurufe von außen ihre durch den Vertrag mit dem Bundesministerium für Inneres übernommenen Aufgaben im Interesse der Republik erfüllen. – Zitatende. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Rädler: Das war überzeugend, Kollege Scherak! – Abg. Scherak: Absolut! – Abg. Rädler: Man muss ja nur recherchieren! – Abg. Scherak: Ja, genau! Das machen Sie besonders gerne!)

20.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lintl zu Wort. – Bitte.

 


20.44.35

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beziehe mich auf den Antrag der Grünen betreffend Maßnahmen zur grundrechtlichen Sensibilisierung des Innenminis­ters. – Ich finde schon allein den Ausdruck respektlos, das zeigt jedoch die moralische Überheblichkeit der Grünen, die uns allen aber sowieso bekannt ist. (Beifall bei der FPÖ.) Solche Ausdrücke gehören an den Biertisch und sind der Würde dieses Hauses nicht zuträglich. (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ. – Abg. Scherak: Sensibilisierung?)

Aber eines ist zweifellos festzuhalten, nämlich dass Menschen- und Grundrechte auch für die österreichischen Frauen und Männer gelten: Sie haben ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, Schutz der Privatsphäre, Schutz des Eigentums und alle anderen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte, insbesondere das Recht auf Sicherheit gemäß Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Diese Rechte sind jedoch seit der Massenimmigration vermehrt bedroht; wir hören täglich von Übergriffen durch kriminelle Flüchtlinge.

Ihr Vorschlag, Herr Minister, die Asylhöchstzahl zu halbieren, stellt keine ausreichende Maßnahme dar. Wir brauchen eine Nullobergrenze und eine rigorose Abschiebepolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

Finanzielle Anreize als Rückkehrhilfe locken noch mehr Wirtschaftsflüchtlinge an, die sich diese Spezialprämie abholen wollen. Sie wird ein zusätzlicher Anreiz sein, nach Österreich zu kommen.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einhaltung des Artikel 5 EMRK als wesentlicher Grundsatz der Amtsführung des Bundesministers für Inneres

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 236

„Die Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Innenminister, werden aufge­for­dert von Überlegungen, die eine ,Rückkehrerprämie‘ für insbesondere abgelehnte Asylwerber zum Inhalt haben, Abstand zu nehmen.

Darüber hinaus sollen bestehende Vereinbarungen auf EU-Ebene, die eine Umver­teilung von Flüchtlingen nach Österreich zum Inhalt haben, unverzüglich gekündigt werden.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

20.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Lintl und weiterer Abgeordneter betreffend Einhaltung des Arti­kel 5 EMRK als wesentlicher Grundsatz der Amtsführung des Bundesministers für Inneres

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Menschen­rechte über den Antrag 2018/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur grundrechtlichen Sensibilisierung des Innen­ministers (1542 d.B.) (Top 26)

Im September 2015 wurde ein zweiteiliger EU-Umverteilungsmechanismus beschlos­sen, der vorsah, dass aus Italien 39.600 und aus Griechenland 66.400 Flüchtlinge von den anderen Mitgliedstaaten übernommen werden. 462 Flüchtlinge hätte Österreich übernehmen müssen.

Dem Bundesminister für Inneres Sobotka war und ist das gute Verhältnis zu Italien offenbar wichtiger als das ständig steigende Sicherheitsbedürfnis der Österreicher auf Grund der Tatsachen und Realitäten der Migration nach Österreich. Der Kurier berich­tete am 28.03.2017 Online folgendes: “Begonnen hat alles beim Treffen der Innen­minister zum Thema Migration in Rom. Innenminister Sobotka sagt seinem italieni­schen Amtskollegen zu, knapp 2000 Asylwerber im Rahmen des EU-Relocation­pro­gramms von Italien nach Österreich holen. Als erster Schritt kommen 50 Minderjährige. "Mir war ein gutes Verhältnis zu Italien wichtig. 2000 Flüchtlinge sind so viele, wie in einem Monat illegal nach Österreich kommen", versucht Sobotka zu relativieren.“ Worauf Verteidigungsminister zurecht konterte:“ Das zählt für Doskozil nicht. Der Verteidigungsminister will keine Asylwerber aus Italien übernehmen. Seine Argumen­tationslinie: Österreich hatte 2016 36.000 Asylverfahren, Italien rund 120.000. Bei der Bevölkerungszahl betrage das Verhältnis zwischen Österreich und Italien 1:7, bei den Asylverfahren dagegen 1:3. Das ist der Start für das heftige Scharmützel.“

Auch Bundeskanzler Kern kritisiert massiv das Vorgehen des Bundesministern für Inneres:“ Der Blick auf die Statistik zeige aber, dass Italien in den Jahren 2015 und 2016 "weitaus weniger Belastung" stemmen musste als Österreich. Kern legt am Rande einer Diskussion zum 60-jährigen Jubiläum der EU noch ein Schauferl nach: Die ÖVP sei schuld, dass die Verlängerung der Ausnahmeregelung versäumt wurde.“


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 237

Österreich hat noch immer und wird noch mehrere Jahre mit den aus Gesetzes- und EU-Rechtsbrüchen der Bundesregierung betreffend die unkontrollierte „Flücht­lingschleu­sung“ nach Deutschland und die unkontrollierte Zuwanderung. 

Mit einer Rückkehrhilfe in Form einer „Spezialprämie“ von 1000 Euro will der Bun­desminister für Inneres Wolfgang Sobotka 1000 Flüchtlinge zur freiwilligen Rückkehr in ihre Heimatländer bewegen. Ein solches Anreizsystem ist nicht geeignet den Flüchtlingsstrom über das Mittelmeer mit seinen leidvollen Auswirkungen auf die Betroffenen Einhalt zu gebieten.

So eine Prämie veranlasst zwar einige illegale Migranten oder Asylwerber, die aus anderen Gründen keine Aussicht auf Asyl haben, in ihre Heimat zurückzukehren, doch werden diese über die großzügige Zuwendung des Österreichischen Staates in ihrer Heimat berichten. Die Folge wird sein, dass die Rückkehrhilfe als Magnet für weiter steigende Migration nach Österreich wirken wird. 

Genau diese Auswirkung macht es Österreich schwer, jenen Menschen zu helfen, die Hilfe benötigen. Asylsuchende, die keine Chance auf Asyl haben und/oder illegal in Österreich sind, sind abzuschieben oder ohne Geldzuwendungen zur freiwilligen Rückkehr zu bewegen. 

Zudem stellt sich die Frage, ob die überschießende Verwendung budgetärer Mittel, insbesondere für den „Rückkehr-Tausender“, anstatt der Verwendung dieser Mittel für Sicherheitsaufgaben mit dem Artikel 5 EMRK, nämlich dem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Sicherheit, in Einklang zu bringen ist.

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Innenminister, werden aufge­fordert von Überlegungen, die eine "Rückkehrerprämie" für insbesondere abgelehnte Asylwerber zum Inhalt haben, Abstand zu nehmen.

Darüber hinaus sollen bestehende Vereinbarungen auf EU-Ebene, die eine Umvertei­lung von Flüchtlingen nach Österreich zum Inhalt haben, unverzüglich gekündigt werden.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ofenauer zu Wort. – Bitte.

 


20.47.11

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Innenminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es ist die wichtigste Aufgabe des Innenministers, für Sicherheit zu sorgen und sich darum zu kümmern, dass Bedrohungen nicht entstehen und Gefahren entschärft werden – und all das unter genauer Beachtung der Grund- und Menschenrechte. Unser Innen­minister Wolfgang Sobotka macht das in hervorragender Art und Weise. Er ist der beste Innenminister, den wir haben, und keiner in der Regierung kann ihm in dieser Hinsicht das Wasser reichen. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 238

Dieser Antrag der Grünen zum Thema Grundrechtsensibilisierung ... (Abg. Weninger: Das ist eine halbherzige Verteidigung!) – Was heißt da „halbherzig“? Das ist überhaupt nicht halbherzig! (Abg. Weninger: Wir haben ja nur den einen!)

Dieser Antrag der Grünen ist ungeheuerlich, denn dabei handelt es sich nicht um einen konstruktiven Debattenbeitrag, sondern um ein Abkanzeln in einer anmaßenden Art und Weise. Darin zeigt sich jedoch, wie intolerant die Grünen mit anderen Meinungen und mit Vorschlägen, die überhaupt erst zu debattieren sind, umgehen.

Überhaupt stellen die Grünen immer wieder Behauptungen ohne nähere Begründung auf und ohne auf andere Rechtsmeinungen dazu einzugehen – und die gibt es auch, und die unterstützen auch durchaus die Ansicht unseres Innenministers. (Zwischenruf der Abg. Windbüchler-Souschill.)

Es entspricht jedoch generell dem Zugang der Grünen, Aussagen zu verdrehen, übersteigert darzustellen, dann sprichwörtlich mit Kanonen auf Spatzen zu schießen und Dinge in eine bestimmte Richtung zu interpretieren. (Zwischenrufe der Abge­ordneten Steinhauser und Windbüchler-Souschill.) – Sie spielen sich auch immer als Retter der Menschheit auf, als Moralapostel, als Gouvernanten der Nation, mit erhobenem Zeigefinger – scheinbar so tolerant, nur wenn dann etwas oder jemand nicht ins Bild passt, dann sieht man diese Einstellung, dass man den anderen mit Verboten, mit Geboten und Beschränkungen seine eigene Meinung aufdrücken will.

Da wird angepatzt, da werden Dinge verdreht, übersteigert dargestellt und Res­pekt­losigkeiten wie diese verbreitet – wie auch dieser Antrag, der mit einer kritischen Diskussion, wie sie in entwickelten parlamentarischen Demokratien üblich ist, nichts zu tun hat. Richtig wäre es gewesen, diesen Antrag mit dem Ausdruck des Bedauerns und einer Entschuldigung zurückzuziehen. (Beifall bei der ÖVP. – Bravoruf des Abg. Rädler.)

20.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Weninger zu Wort. – Bitte. (Abg. Scherak: Hannes, sag du dem Minister, dass er der beste Innenminister ist!)

 


20.49.21

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber „einzi­ger Innenminister“! Der Antrag der Grünen verlangt ein Nachsitzen des Innen­ministers im Bereich der Grund- und Menschenrechte. – Ich glaube, das macht wenig Sinn. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen. – Abg. Steinhauser: Das ist richtig!)

Herr Innenminister, ich brauche ja die Huldigungen meiner Vorredner nicht zu wieder­holen, aber ich schätze Sie als einen Menschen, der hochgebildet ist, der genau weiß, was er formuliert, und sicher keinen Mangel an Bildung hat. Einige Aussagen Ihrerseits haben in den letzten Wochen und Monaten jedoch dazu beigetragen, dass die politi­sche Spannung, die in diesem Land ohnehin vorhanden ist, bewusst angeheizt statt beruhigt wurde. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Ich bin deshalb bei der Kritik, die im Antrag formuliert ist, aber ich halte die Auffor­derung an einen Minister durch einen Nationalratsbeschluss zum Nachsitzen, sich Bücher zu kaufen oder in Schulungen zu gehen, wirklich nicht für angemessen. (Zwischenruf des Abg. Steinhauser.) – Das steht wortwörtlich im Beschlusstext eures Antrages. (Abg. Lichtenecker: Seit es Digitalbücher gibt, ...!)

Vielmehr, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir einen politischen Kon­sens in diesem Land: Menschenrechte, Bürgerrechte, Grundrechte dürfen nicht zum Spielball politischer Diskussionen werden. Wir müssen die Zivilcourage und politische Wachsamkeit in allen Bereichen unserer Gesellschaft fördern und für null Toleranz


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 239

gegen menschenrechtswidrige Äußerungen, Vorschläge und Handlungen, egal, in welchem politischen Bereich, einstehen.

In diesem Sinne werden wir diesem Antrag nicht zustimmen, aber trotzdem die politi­sche Debatte mit dem Innenminister weiterführen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rädler: Ah, da schau her! Öl ins Feuer gießen!)

20.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Schmid zu Wort. – Bitte.

 


20.51.36

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Innen­minister! Grundrechtliche Sensibilisierung des Innenministers – die Flüchtlingswelle mit Bezug auf die von Merkel und Faymann ausgerufene Willkommenskultur erfordert Maßnahmen zur Erhaltung der inneren Sicherheit.

Wenngleich die Vorstellungen des Innenministers dem Grunde nach nachvollziehbar erscheinen, ist eine Übersensibilisierung als Besprechungsgrundlage durchaus not­wen­dig. Eine Problemstellung, von welcher ein Großteil der Bevölkerung auf unter­schiedliche Art betroffen ist, ist einer gemeinschaftlichen Lösung zuzuführen. Erfah­rungs­gemäß stellen diverse Lösungen Kompromisse dar, sodass Besprechungsgrundlagen höher anzusetzen sind.

Das Maß des Erträglichen ist als erreicht zu bezeichnen, sodass Maßnahmen der öffentlichen Sicherheit entsprechend zu straffen sind, wobei darauf zu verweisen ist, dass der Sicherheitsgedanke der Europäischen Union seiner Verpflichtung in keiner Weise gerecht wird. Die Demonstration pro Erdoğan hat klar zum Ausdruck gebracht, mit welcher Macht Parallelgesellschaften in der Lage sind, trotz kurzfristiger Vorbereitung für Unsicherheit zu sorgen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass der Gesetzgeber zur Wahrung der inneren Sicher­heit zu Maßnahmen greift, welche einigen Gruppen nicht passen. Kommt es nun im Rahmen einer Demonstration zu Personen- und/oder Sachschäden, ist es als selbst­verständlich zu betrachten, dass die Verantwortung beim Organisator liegt bezie­hungs­weise ein daraus resultierender Schadenersatz durch den Organisator zu erbrin­gen ist. In diesem Zusammenhang ist seitens der verantwortlichen Verwaltungsorgane darauf zu achten, dass allfällige Gegendemos vermieden werden beziehungsweise eine Konfrontation unterschiedlicher Interessengruppen von vornherein vermieden wird.

Die seit geraumer Zeit wieder aktive Grenzüberwachung für den Transport- und Reiseverkehr ergibt wiederholt Aufgriffe, sodass deren Notwendigkeit als gegeben erscheint. Ist nun angedacht, Binnengrenzübergänge mittels Video zu überwachen, ist diesem Vorgang grundsätzlich zuzustimmen. Über die Dauer der Datensicherung ist zu diskutieren, wobei auf einen Zeitraum von sechs Monaten, ähnlich der Datenspeiche­rung von Telefonaten, zu verweisen ist. Die Überwachung sensibler Geräte hat sich bereits positiv entwickelt und findet weitreichend Zustimmung.

Die Flüchtlingswelle wie auch deren rechtliche Erkennung beziehungsweise daten­mäßige Erfassung wird noch lange nicht als bewältigt zu bezeichnen sein. Die erfor­derlichen Mittel und Ressourcen wie auch der Faktor Kosten sind als ausgeschöpft zu bezeichnen, sodass eine weitreichende Reduktion aufzunehmender Flüchtlinge not­wen­dig erscheint, wobei insbesondere Wirtschaftsflüchtlinge – und diese stellen eine deutliche Mehrheit dar – nicht aufzunehmen sind.

Dem Sicherheitsbedürfnis der heimischen Bevölkerung ist seitens des Gesetzgebers nachzukommen. – Danke.

20.55



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 240

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Yılmaz. – Bitte.

 


20.55.24

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Schönen guten Abend, Herr Präsident, Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Ausführungen beziehen sich auf den Entschließungsantrag des Kollegen Scherak, der diesen in seiner Rede ja so umschrieben hat, dass die Bundesregierung dem Nationalrat einen Gesetzentwurf vorle­gen solle, demzufolge bei der Auslagerung von Sicherheitsaufgaben an Private ein Rechtsschutz vorgesehen wird, der einem öffentlich-rechtlichen Rechtsmittel gleichwertig ist.

Jetzt sagt aber das Innenministerium, diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben keine hoheitlichen Aufgaben; im Gegenteil, sie sorgen für Beschäftigung in der Freizeit, betreiben dort einen Shop, eine Küche und dergleichen. Auch ich habe mit dem Bür­germeister gesprochen, der fast jeden Tag dort ist, und der hat gesagt, das sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Region, die haben weder einen Pfefferspray noch sonst etwas und sind nicht das, was man unter Sicherheitspersonal, also Securitys, versteht. So sind diese Damen und Herren, die dort mitarbeiten, überhaupt nicht ausgestattet. – Das glaube ich auch. Dort gibt es Kinder, und diese Mitar­bei­terinnen und Mitarbeiter sorgen für Medikamente und für all das, was die Menschen dort sonst brauchen.

Ich kenne dich wirklich als einen Sachpolitiker, mit dem man sehr gerne diskutiert (Abg. Rädler: Wen?) – Abgeordneten Scherak! (Abg. Rädler: Nein!) – ja, doch!; das ist nun einmal meine Meinung –, aber auf der anderen Seite kann man nicht alles gegen Geld aufrechnen. Wenn uns das, wie Sie sagen, 400 000 € kostet, dann ist das natürlich viel Geld, aber um den Rechtsstaat in unserem Land auch durchsetzen zu können, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, brauchen wir das. Ich brauche kein Anhaltezentrum, ich brauche kein Schubhaftzentrum, aber ich kann es mir nicht aussuchen – wir alle können das nicht –, wir haben es.

Ich sage Ihnen, ich würde mir wünschen, alle diese Zentren wären so ausgestattet wie Vordernberg. Das klingt zwar ein bisschen zynisch, aber dort sind die Menschen menschlich untergebracht. Das beruhigt mich, und nicht alles kann man mit Geld aufwiegen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte. (Ruf: Und, keine Tafel?)

 


20.58.08

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Entschuldigt, dass ich aufgrund von Zeitman­gel keine Tafel mithabe, aber es gäbe sehr, sehr viele, und ein Bild sagt mehr als tausend Worte.

Zurück zum vorliegenden Thema: Ich denke, wir können das nicht an einem Fall festmachen, das ist viel zu einfach! Man hat auch an den vorangegangenen Debatten­beiträgen der Kolleginnen und Kollegen gehört, wie sehr ihnen dieses Thema unter den Nägeln brennt. Das wird ja schöngeredet, wie alles von dieser Regierung gut­geredet und schöngeredet wird. (Abg. Obernosterer: Red nicht so viel!)

Herr Minister, kehren wir doch zurück zur Realität! Setzen Sie sich wieder einmal an einen Stammtisch und hören Sie sich auch die Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger an! Ich habe gesagt, es kann doch nicht sein, dass wir unseren Kindern in Österreich (Zwischenrufe der Abgeordneten Hammer und Rädler) – ja, Herr Bürgermeister – die Zahnspange bei Schweregrad 1, 2, 3 nicht bezahlen, aber


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 241

Zuwanderern, die drei Meter vor der Grenze den Pass wegwerfen und damit keine Identität haben, die e-card geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen schon auf unsere Bürger zuerst schauen und auf die Kosten, die da verursacht werden. Das muss einmal in aller Deutlichkeit festgehalten werden! (Beifall beim Team Stronach.)

Ich darf etwas von unserer Reise nach Berlin erzählen – auch Kollege Lopatka war mit. Wir waren unter der Leitung von Hans Hechtl dort und haben uns solche Lager ange­schaut. Wenn hier jemand von menschengerechter Unterbringung spricht, dann sage ich Ihnen, weil wir heute am Vormittag hier Diskussionen über den Tierschutz geführt haben: Ich würde in solchen Hallen, ohne Fenster, mit miserabelsten Luft- und Klima­bedingungen, mit miserabelsten hygienischen Bedingungen, keine Tiere halten. Ich bin erschüttert herausgegangen. Frau Moser hat mir noch Bilder gemacht. Eine meiner Lieblingsplatten ist „A Mensch möcht’ i bleib’n“, und dort ist der Mensch eine Nummer: 122, 124, 126. Es gibt keine Türen – Decken –, weil sie sich sonst einsperren würden. Also wenn das jemand schönreden will, dann ist er nicht ernst zu nehmen. Und die härteste Auskunft war, es gibt 100 solche Hallen in Berlin. 100! Damit wir uns auch einmal eine Vorstellung von der Menge machen können! – Unbewältigbar! (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Und was erleben wir in Österreich? – In Braunau gibt es das leerstehende Zelt. Es stehen viele Unterkünfte leer, weil man sagt, man muss sich diese als Reserve behalten. Und: 150 000 Aufgriffe von Illegalen im Jahr 2016. 150 000 Aufgriffe von Illegalen! Da sehen wir, was los ist. Das kann so nicht sein! Man kann in der Regierung nicht eine Obergrenze diskutieren, wenn man nicht einmal weiß, wie viele hier sind und um welche Art von Flüchtlingen es sich handelt: Sind es Kriegsflüchtlinge? Sind es Wirtschaftsflüchtlinge? Sind es Klimaflüchtlinge? Und immer wird mit den Kriegsbildern gearbeitet. Also da haben wir ein ganz, ganz massives Defizit. (Beifall beim Team Stronach.) – Danke.

Zum Kollegen Vetter: Lieber Georg! Ich habe mich heute am Vormittag schon gewun­dert, dass du beim Justizminister so ordentlich und brav und sittsam warst. Du hast das jetzt noch einmal wiederholt. Du wirst wahrscheinlich bei deiner neuen Mutterpartei eine großartige Karriere machen: als Ausbildungsleiter für Neuankömmlinge. Dazu wirst du großartig geeignet sein. Nach dem alten Rezept der ÖVP: Bei der Hofübergabe 2008 hat Josef Pröll von Willi Molterer das Motto übernommen: „Hände falten, Gosch’n halten!“ (Heiterkeit bei Team Stronach, SPÖ und NEOS.) Du prak­tizierst das wirklich hervorragend. Ich bin zufrieden mit dir. (Beifall beim Team Stronach.)

Herr Minister! Wir haben ja damals einen großartigen Flüchtlingskoordinator bekom­men, der hat unbedingt eingesetzt werden müssen, weil die Probleme so groß waren. Die Probleme waren unbewältigbar, und da hat Christian Konrad in die Bresche springen müssen. Ich weiß zwar nicht, was herausgekommen ist. Noch dubioser sind die Umstände jetzt nach der Präsentation des Buches von Schabhüttl, vom pen­sionierten Leiter des Flüchtlingslagers Traiskirchen. Ich glaube, dass dieses Buch eingezogen werden würde, wenn die darin enthaltenen Vorwürfe an den Haaren herbeigezogen wären. Deshalb, glaube ich, müssen wir das einmal relativieren: Was hier schöngeredet wird, ist in Wirklichkeit viel, viel ärger, als wir glauben. Und die Ängste und Sorgen der Bevölkerung sind berechtigt.

Ein Letztes sei mir noch erlaubt zu sagen, Herr Minister. Ich habe extra auf die Be­sprechung einer Anfragebeantwortung verzichtet. Es hat bei der Welser Messe, bei der Volksfesteröffnung einen Eklat gegeben, und du hast die Anfrage dazu äußerst unzureichend beantwortet. Die Bauern wollten auf ihre schwierige Einkommens-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 242

situation, auf die äußerst existenzgefährdende Situation im Rahmen einer Protestkund­gebung aufmerksam machen. Dieser Protest wurde, obwohl er zeitgerecht und in gesetzlicher Frist angemeldet wurde, verhindert. Und was leider noch dazukommt: Von einem führenden Polizisten, der noch dazu Parteifunktionär ist, wurden Bauernvertreter als Bauerndodeln beschimpft. Ich glaube, hier hast du Handlungsbedarf. Solche Aktionen müssen geahndet werden. Das hat kein Berufsstand, schon gar nicht einer mit so fleißigen Angehörigen, verdient.

In diesem Sinne, Herr Minister: Es liegt sehr viel Arbeit vor uns. Ich denke, wir sollten uns vom Wahlkampf lösen und uns der Sacharbeit und der Lösung der Probleme an den Wurzeln widmen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

21.04


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Maurer. – Bitte. (Abg. Rädler: Ein Wort zu den Jungen Grünen!)

 


21.04.11

Abgeordnete Sigrid Maurer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Minister! Ich möchte gerne noch ein paar Worte zur Würde dieses Hauses sagen.

Wir haben Regeln für die Bewahrung der Würde dieses Hauses. Diese umfassen zum Beispiel eine lange Liste an Schimpfwörtern oder auch Gesten, die ordnungsrufwürdig sind. (Abg. Hagen: Da gibt es auch eine Liste mit Personen, die Hausverbot haben! Waren Sie da nicht auch drauf?) Allerdings haben wir oft eine Verletzung der Würde des Hauses, was die politische Debatte betrifft. (Abg. Hagen: Sie haben selbst hier Hausverbot gehabt und reden von der Würde des Hauses?!)

Kollege Steinhauser hat seinen Antrag auf Schulung des Ministers in Verfassung und den dort garantierten Grund- und Menschenrechten inhaltlich begründet. Er hat drei Beispiele genannt, wo es vorgekommen ist, dass der Minister entgegen den Verfas­sungsbestimmungen, entgegen den Menschenrechten argumentiert hat. Und es hat auch die entsprechende Antwort gegeben. (Abg. Pfurtscheller: Wozu werden dann Gesetze debattiert im Ausschuss, wenn vorher schon ...?) – Frau Kollegin, wir können Gesetze im Ausschuss diskutieren ... (Weiterer Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.) – Hören Sie mir vielleicht zu, was ich zu sagen habe, dann können Sie weiterschreien! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hafenecker: Sehr autoritär!)

Kollege Steinhauser hat inhaltlich begründet, warum dieser Antrag eingebracht wurde. Wir sind in einer Situation, in der die öffentliche Debatte extrem aufgeheizt ist, in der wir mit Phänomenen wie Fake News, extrem populistischen Debatten, Hasspostings zu kämpfen haben. Und da ist es unsere Aufgabe als Abgeordnete und auch die Aufgabe von Politikerinnen und Politikern in der Regierung, seriös, faktenbezogen und auf Basis allgemein anerkannter Grundsätze wie zum Beispiel der Menschenrechte und der Verfassung zu argumentieren. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.)

Ich frage Sie: Wie soll sich die Bevölkerung in einer politischen Debatte noch orien­tieren können, wenn nicht einmal die höchsten Repräsentantinnen und Repräsentanten und die Regierung die Verfassung und die Menschenrechte ausreichend achten? Wir sind hier mit einem Verfall politischer Kultur, den ich für gefährlich erachte, konfrontiert. (Abg. Rädler: Eingeleitet von den Grünen! – Abg. Pfurtscheller: Da gehört ihr dazu!) Aus diesem Grund unterstütze ich diesen Antrag des Kollegen Steinhauser voll und ganz. Und ich glaube, es täte uns allen gut, uns in all diesen Debatten etwas mehr auf die Fakten und auf unsere rechtliche Basis zu besinnen und wieder ein bisschen seriöser zu diskutieren. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Lugar: Da müssen die Grünen aber anfangen damit!)

21.06

21.06.37


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 243

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 24: Antrag des Aus­schusses für Menschenrechte, seinen Bericht 1540 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Kenntnisnahme zustimmen, um ein ent­sprechen­des Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 25: Antrag des Aus­schus­ses für Menschenrechte, seinen Bericht 1541 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 26: Antrag des Aus­schusses für Menschenrechte, seinen Bericht 1542 der Beilagen zur Kenntnis zu neh­men.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist ebenfalls mit Mehr­heit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Lintl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einhaltung des Artikel 5 EMRK als wesentlicher Grundsatz der Amtsführung des Bundesministers für Inneres.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.

21.08.3327. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 2026/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Franz Kirchgatterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Barrierefreier Zugang zu Informationen“ (1543 d.B.)

Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zum 27. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Kirchgatterer. – Bitte.

 


21.09.05

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um einen sehr sachlichen, aber sehr wich­tigen Antrag. In der Tat sollen überall im Bereich der Bundesverwaltung Infor­mations­blätter, Informationsbroschüren, Formulare, Internetinfos leichter lesbar werden, kun­denorientierter und kundenfreundlicher gestaltet werden. Das erwarten auch die Bürger mit Recht und das entspricht dem Bürgerservice, das heute üblich sein sollte. Vieler­orts geschieht dies zum Teil auch schon sehr vorbildlich, andere hinken nach. Natürlich gilt das nicht nur für den Bund, sondern auch für die Länder, für die Städte, für die Gemeinden, die ebenso dazu aufgerufen sind.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 244

Meine Damen und Herren! Die UN-Konvention verpflichtet uns dazu. Die österreichi­sche Volksanwaltschaft hat in den letzten Jahren die mangelnde Verständlichkeit von Infoblättern festgestellt und kritisiert und ein Umdenken gefordert. Damit wird vielen geholfen, nicht zuletzt der Verwaltung selbst, weil sie weniger Beratungstätigkeit für den einzelnen Bürger/die einzelne Bürgerin aufwenden muss, weil er/sie selbständig agieren kann.

Dieser Antrag wurde im Menschenrechtsausschuss einstimmig beschlossen. Ich be­dan­ke mich für die breite Zustimmung, für den breiten Konsens. Dem Herrn Bundes­minister ein Danke für die, wie ich hoffe, rasche, zeitnahe und umfassende Umsetzung und Durchführung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.10


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Pfurtscheller. – Bitte.

 


21.11.00

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Kollegen und Kolle­ginnen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Heute Vormittag haben wir das neue Erwachsenenschutz-Gesetz debattiert und anschließend beschlossen, und alle haben sich sehr gefreut. Das Motiv für die Ausarbeitung dieses Gesetzes war ja unter ande­rem, behinderten Menschen, aber auch älteren Menschen, dementen Menschen größtmögliche Selbstbestimmung zu ermöglichen und sicherzustellen.

In Rahmen der Debatte hat uns Herr Bundesminister Brandstetter auch erzählt, dass es doch viele Menschen gibt, gerade auch ältere Menschen, die sich oft überfordert fühlen. Er hat uns da von älteren Menschen berichtet, die ihn schon des Öfteren gebe­ten haben, sie zum Beispiel am Fahrkartenautomaten zu unterstützen, weil sie sich nicht ausgekannt haben. Und genau in diese Richtung geht jetzt auch unser Ent­schließungsantrag, in dem wir die Schaffung eines barrierefreien Zugangs zu Infor­mationen fordern, in dem wir eben dieses Thema aufgreifen und versuchen, ein Stück weit zu einer Lösung beizutragen.

Es gibt eine OECD-Studie aus den Jahren 2011/2012, leider keine neuere, die auf­zeigt, dass es in Österreich rund 960 000 Erwachsene gibt, die nicht gut lesen können, die nicht sinnerfassend lesen können beziehungsweise Probleme beim Lesen von komplexeren Texten haben. Das sind circa 15 Prozent der erwachsenen Bevölkerung, die nur kurze Texte zu bekannten Themen verstehen können. Diese Zahl an Menschen setzt sich aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen zusammen. Es handelt sich zum Beispiel um Menschen mit Lernbehinderung, um Menschen mit niedriger Schulbildung, um Menschen mit nicht deutscher Muttersprache, Menschen mit Sehbehinderung, mit Hörbehinderung und auch mit motorischer Behinderung.

Es geht also nicht nur um Menschen mit Behinderung, es geht auch um Migranten und Migrantinnen, um Asylwerber und Asylwerberinnen, die unsere Sprache gar nicht oder nicht gut verstehen. Gerade diese Menschen haben aber sehr oft mit Behörden zu tun und natürlich auch mit dem Innenministerium. Deshalb sehen wir es als sehr wichtig an, dass wichtige Informationen der Behörde in der Leichter-Lesen-Version zur Verfügung gestellt werden, weil das sicher einen guten und wesentlichen Beitrag zur selbständigen Informationssuche für alle Menschen leistet.

Es gibt ja schon Unterlagen in der Leichter-Lesen-Version, es sind aber nur einige wenige; zum Beispiel gibt es eine Information über die Aufgaben des Bundes­krimi­nalamtes. Ich habe mir das angeschaut und muss sagen, das ist wirklich sehr gut verständlich und nachvollziehbar, dass das für Menschen, die sich mit dem Lesen schwertun, leicht lesbar ist. Aber gerade im Bereich der Verwaltung gibt es zahlreiche Informationsblätter, Broschüren, Formulare, die man braucht und die Betroffene auch


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 245

über ihre Rechte und Pflichten belehren. Und es ist besonders wichtig, dass diese Unterlagen in leicht lesbarer Form vorgelegt werden, so können Missverständnisse möglichst gleich von vornherein vermieden werden.

Ich möchte mich abschließend auch bei allen Fraktionen für die Zustimmung zu unse­rem Antrag bedanken. Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.14


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Jarmer. – Bitte.

 


21.15.05

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch einen Gebärden­sprachdolmetscher): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute den Entschließungsantrag betreffend „Barrierefreier Zugang zu Informationen“, das heißt, es geht um die Leichter-Lesen-Version, und dazu möchte ich ein paar Worte an Sie richten.

Man möchte mit dieser Entschließung auf die Umsetzung der Leichter-Lesen-Version und auf den barrierefreien Zugang zu Informationen hinwirken und sich dem widmen, man möchte den Menschen dadurch eine barrierefreie Kommunikation ermöglichen. Ich möchte erwähnen, dass die UN-Konvention im Artikel 9 sagt, dass alle Vertrags­staaten verpflichtet sind, für eine barrierefreie Kommunikation zu sorgen. Wir sind wieder einmal an einem Punkt, wo wir darüber diskutieren, ob wir das machen sollen, können, wollen. Eine Verpflichtung dazu gibt es!

Österreich hat den Nationalen Aktionsplan mit 250 Maßnahmen erstellt, und in diesen 250 Maßnahmen kommen auch andere Formen der Kommunikation vor. Es wird beispielsweise gesagt, dass man sich definitiv stärker auf die Leichter-Lesen-Version in Texten konzentrieren muss, aber nicht nur in einem Ministerium, sondern in allen. Eine Analyse hat ergeben, dass sich bis dato nur sechs Ministerien mit der Thematik Leichter-Lesen-Version auseinandergesetzt haben, also nur sechs Ministerien diesbezügliche Initiativen ergriffen haben. Fakt ist, dass alle Ministerien dazu verpflichtet sind, für einen barrierefreien Zugang zu Informationen zu sorgen, und das auch umsetzen müs­sen.

Die VorrednerInnen haben bereits gesagt, dass die Leichter-Lesen-Version, also die leichtere Verständlichkeit von Texten, nicht nur für Menschen mit Lernbeeinträch­tigun­gen förderlich ist, sondern für alle Menschen. Aber oftmals wird die Leichter-Lesen-Version nicht als professionell angesehen, sondern man möchte sich mit seiner kompli­zierten Sprache nach außen hin als professionell verkaufen. Dennoch ist es so, dass eine leicht verständliche Sprache, eine leichte Verständlichkeit für jeden zielführend ist.

Die Barrierefreiheit, die barrierefreie Kommunikation beschränkt sich ja nicht nur auf die Leichter-Lesen-Version, sondern wir sprechen hier auch von der Brailleschrift, von taktiler Kommunikation, von verschiedensten Gebärdensprachen – ein Bereich ist die Leichter-Lesen-Version. Und das, über das wir heute hier abstimmen und dem wir auch zustimmen werden, ist ein kleiner Aspekt der Vielfalt von barrierefreier Kom­munikation, zu der wir uns bekennen, und dieses Bekenntnis dazu ist sehr, sehr wich­tig. Ich denke, es ist ein guter Schritt, dass wir uns dorthin bewegen, aber ich muss dazusagen, das ist ein sehr, sehr kleiner Schritt. Es müsste eine sehr breite Einsicht dafür geben, dass barrierefreie Kommunikation für jeden von Vorteil ist. – Danke sehr. Gute Nacht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 246

21.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


21.18.19

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Auf einen barrierefreien Zugang zielt die gemeinsame Entschließung von SPÖ und ÖVP ab. Österreich hat sich ja im Rahmen der UN-Behindertenrechtskonvention dazu ver­pflichtet, für Menschen mit Leseschwächen Maßnahmen zu setzen. In der Begleit­gruppe zum Nationalen Aktionsplan hat man vor mehreren Jahren schon eine Unter­arbeitsgruppe eingerichtet, die im November 2013 einen Maßnahmenplan vorgelegt hat. Da wurden 48 Maßnahmen angeführt, die als „vordringlich“ erschienen sind, unter anderen die Maßnahme 78: „Aufbau des entsprechenden Fachwissens für Leichter-Lesen-Versionen und Ausbau des Angebotes der entsprechenden Publikationen nach gleichen Standards“. – Das war im Jahr 2013.

Inzwischen gibt es eine Zwischenbilanz zu diesem Nationalen Aktionsplan und dessen Umsetzungen. Und wie man da in der Bundesregierung vorgeht, sieht man an einem konkreten Beispiel. Maßnahme 97 – „teilweise umgesetzt“ – war: „Schaffung von Ange­boten für lernbehinderte Menschen (z.B. Literatur oder Theaterstücke in Leichter-Lesen-Version) [...] – Bund und Länder“. Und das Sozialministerium sagt „teilweise umgesetzt“, weil: „Die Herausgabe eines Kriminalromans in Leichter Sprache (,Die Erbschaft‘) wurde im Jahr 2013 finanziell gefördert.“

Sie sehen also eine Maßnahme als teilweise erfüllt an, weil Sie ein einziges Buch in Leichter-Lesen-Sprache herausgebracht haben. Das ist der Maßstab, den diese Bun­des­regierung für sich selbst setzt.

Ja wenn Sie Behindertenpolitik so machen, geht nichts weiter. Ich hoffe, dass mit diesem Antrag der Sache mehr Schwung verliehen wird. Wirklich glauben tue ich es Rot und Schwarz leider noch nicht. (Beifall bei den NEOS.)

21.20


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. – Bitte.

 


21.20.22

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Wir beschließen heute, dass das Innenministerium verstärkt leicht ver­ständliche Texte, Informationen zur Verfügung stellen soll. Das unterstütze ich in voller Länge und Breite, denn es geht auch um die Umsetzung der UN-Konvention. Meine Kollegin Elisabeth Pfurtscheller hat schon das Erwachsenenschutz-Gesetz, das wir heute beschlossen haben, erwähnt. Was sie nicht gesagt hat, ist, dass dieses Gesetz auch in leicht verständliche Sprache übersetzt wird. Und es ist gar nicht so einfach, ein Gesetz in leicht nachvollziehbarer Form auch inhaltlich prägnant darzustellen.

Wie funktioniert leicht verständliche Sprache? – Sie funktioniert, indem sie mit lern­behinderten Menschen entsteht. Im besten Fall schreiben lernbehinderte Men­schen selbst die Informationen. Und es gibt das Kuratorium für Journalistenausbildung, das eine App entwickelt hat, nämlich news.rechtleicht.at – das kann man gratis auf das Handy herunterladen. Das wird vom Unterrichtsministerium gefördert, und da gibt es leicht verständliche Nachrichten, die man sich bürgernah direkt auf das Handy senden lassen kann. Das sind nicht Informationen und Nachrichten für behinderte Menschen, sondern für jedermann, einfach für Bürger, die an der Gesellschaft teilnehmen wollen.

Auch im Innenministerium ist es ja nicht so, Herr Kollege Loacker, dass noch nichts geschehen ist, im Gegenteil, es wird sehr viel getan. Dafür möchte ich auch dem Innenminister danken. Es gibt im Ministerium eine eigene Beauftragte für leicht ver­ständliche Sprache, und man arbeitet sehr strikt daran, das auch entsprechend um­zusetzen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 247

Ich finde das wichtig, denn der Zugang zu Informationen, zu gleichberechtigter Teil­habe ist auch eine Frage der Menschenwürde, die auch in der Verfassung verankert werden müsste. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.23


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Dr. Troch. – Bitte.

 


21.24.40

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Barrierefreiheit hat viele Gesichter. Wenn wir Begriffe wie Demo­kratie und Republik ernst nehmen, dann gilt es, dafür Sorge zu tragen, dass im Bereich der Barrierefreiheit möglichst viel umgesetzt wird, um eine Teilhabe von möglichst vielen Menschen an Demokratie und Republik sicherzustellen, im Idealfall eine Teil­habe ohne Barrieren.

Dabei haben Verwaltung, Politik, Behörden eine Bringschuld. Konkret geht es hier um Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen, es geht um Maßnahmen für Menschen mit Lern- und Leseschwierigkeiten, es geht um Maßnahmen für Menschen mit geringen Sprachkenntnissen. Die Leichte Sprache ist hier auch eine Methode: be­kannte Begriffe statt Fremdwörter, einfache Sätze – wobei es hier um keine Nivel­lierung geht, sondern es geht einfach darum, einen zusätzlichen, einfachen sprach­lichen Kommunikationskanal zu eröffnen.

Unser Antrag betreffend „Barrierefreier Zugang zu Informationen“ ist da ein ganz guter, konstruktiver Weg, frischer Wind – da bin ich bei Ihnen. Im österreichischen Parlament ist diesbezüglich allerdings schon einiges geschehen, diesen frischen Wind gibt es ja bei uns schon. Ich verweise da auf die Website, ich verweise auf diese Broschüre (eine in Leichter Sprache verfasste Broschüre des österreichischen Parlaments in die Höhe haltend). Es geht hier genau um die einfache Sprache, es geht um Zusatztools wie Vorleseservice und Gebärdensprache. Ich finde es toll, dass dieser Weg hier im Parlament seit zwei Jahren von der Präsidentin, von der Parlamentsdirektion voll unterstützt wird. Wir gehen hier in eine gute Richtung, und dieser Weg ist auch voll zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Auer.)

21.26

21.26.54

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir nun zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1543 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Barrierefreier Zugang zu Infor­mationen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen. (E 197.)

21.27.4228. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie über die Regierungsvorlage (1460 d.B.): Bundesgesetz über die Marktüberwachung von Funkanlagen (Funkanlagen-Marktüberwachungs-Gesetz – FmaG 2016) (1573 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 28. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 248

21.28.08

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Damen und Herren! Das Funkanlagen-Marktüberwachungs-Ge­setz ist letztendlich nichts anderes als die Umsetzung einer EU-Richtlinie. Es geht dabei im Wesentlichen darum, bei der Nutzung von Funkfrequenzen Gefahren für die Gesundheit und Funkstörungen zu vermeiden. Letztendlich geht es darum, dass Änderungen an der Software, welche die Funkparameter verändern, durch technische Sperren faktisch verhindert werden.

Die Frage ist jetzt: Wie wird das Gesetz umgesetzt? Es hat, so wie es vorliegt, natürlich durchaus auch seine Vorteile, jedoch glauben wir, dass einige Probleme auftauchen werden, und es gibt Nachteile, die bereits jetzt auf dem Tisch liegen. Daher werden wir das nicht unterstützen. Ich werde einige dieser Nachteile anführen:

Der Erste ist, dass die notwendigen Konformitätsbewertungen letztendlich zulasten von alternativer Software und von unabhängigen Softwareanbietern gehen werden. Das heißt natürlich auch, dass es für Start-ups in diesem Bereich zu einer entsprechenden Benachteiligung kommen kann.

Eine weitere negative Folge ist unserer Meinung nach natürlich, dass die Einschrän­kung im Hinblick auf die Alternativsoftware innovationshemmend ist, weshalb sie in dieser Form auch abzulehnen ist.

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist noch, dass auch Projekte mit Open-Source-Nut­zungen in Zukunft dadurch gefährdet werden.

Dies sind für uns ausreichend Gründe, diese Materie nicht mitzutragen. (Beifall bei den Grünen.)

21.29


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Vogl zu Wort. – Bitte.

 


21.30.33

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Wir diskutieren jetzt über das Funkanlagen-Marktüberwachungs-Gesetz. Worum geht es dabei? – Es geht darum, dass wir die Funkanlagen europaweit einheitlich regeln. Wichtig ist bei dieser Regelung vor allem auch eine Nachvollziehbarkeit der Handels­kette, das heißt, dass bei Produkten, die aus Übersee nach Europa kommen, für Kon­sumentinnen und Konsumenten nachvollziehbar ist: An wen können sie sich wenden? Wer ist verantwortlich für die Konformität dieser Produkte? Hier liegt auch eine Verantwortung beim Importeur.

Ich möchte mich beim Ministerium sehr herzlich bedanken, wo man sich auch mit den Anregungen, die im Begutachtungsverfahren eingelangt sind, wirklich intensiv auseinandergesetzt hat, auch mit jenen Gruppen, die diese Initiativen eingebracht haben. Es hat ja auch im Ausschuss noch einmal eine Abänderung und eine Ausschussfeststellung gegeben, gerade was die Warneinrichtungen betrifft.

Kollegin Lichtenecker! Ich verstehe nicht ganz, warum ihr diesem Antrag nicht zustimmen könnt. Worum geht es? – Natürlich um das Thema, dass es, wenn heute Funkanlagen betrieben werden – und die Zahl von Funkanlagen wird immer größer –, nicht sein kann, dass User die Funkfrequenz und die Signalstärke manipulieren.

Es ist wichtig, dass Funkanlagen auf die Signalstärken in Europa abgestimmt sind, damit die Benutzer solcher Anlagen sich nicht gegenseitig stören. Und natürlich haben wir jetzt noch eine interne Diskussion, und die haben wir auch im Ausschuss ganz intensiv geführt, dass aufgrund der Größe dieser Chips und aufgrund der Kosten-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 249

situation manche die Vermutung haben: Aha, wenn da eine Sperre der Manipulation erfolgt, dann wird es auch nicht mehr möglich sein, in Zukunft eine andere Software aufzuspielen.

Wir haben ganz klar auch noch in den Erläuterungen geregelt, dass dieses Gesetz eindeutig nicht sagt, dass eine alternative Software auf diese Chips nicht aufgespielt werden kann. Und diese Diskussion, die in der Community jetzt losgetreten wurde, führt auch dazu, dass es immer mehr Chiphersteller, namhafte Chiphersteller, gibt, die sagen, sie werden auch in Zukunft für die User die Möglichkeit anbieten, Open-Source-Anwendungen zu nutzen, weil es einmal eine andere Bedienoberfläche gibt, weil es Verbesserungen im System gibt, weil wir natürlich die Erfahrung haben, dass solche Anwendungen sehr rasch veralten und Updates aufgespielt werden müssen. Das heißt, das Ziel, auch dieser Hersteller, namhafter Hersteller, ist es, weiterhin dafür Sorge zu tragen, dass es diese Möglichkeit gibt.

Wir können natürlich in den Markt nicht eingreifen, wir können nur die Rahmen­bedin­gungen schaffen. Die Rahmenbedingungen geben es vor, dass in Zukunft weiterhin die Möglichkeit besteht, und man sieht auch, wenn man die Diskussion in der Community verfolgt, dass dieses Angebot tatsächlich geschaffen wird. Das ist ja nicht nur ein Phä­nomen, das Europa betrifft, dieses Phänomen betrifft genauso die USA. Darum bin ich mir auch sicher, dass wir hier gemeinsam etwas schaffen werden und dass man letztendlich dann auch sieht, dass wir hier wirklich praxistaugliche Anwendungen schaffen.

Es gibt ja auch Ausnahmen in diesem Gesetz, damit Sie, wenn Sie heute auf Messen eine neue, innovative Funkanlage präsentieren wollen, diese dort in Betrieb nehmen können, auch wenn sie noch nicht diesen Richtlinien entspricht. Also auch dafür ist gesorgt worden, dass diese Maßnahme auch in der Praxis umsetzbar ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.33


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Himmelbauer. – Bitte.

 


21.33.43

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde schon angesprochen, dass es sich hier um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handelt, bei der auch Hersteller und Inverkehrbringer von Funkanlagen einbezogen werden.

Wenn man sich ein bisschen umgesehen hat, vor allem bei der Vorbereitung im Aus­schuss sowie jetzt für das Plenum, wurde einem bewusst, wie viele Gerätschaften eigentlich unter diese neue Richtlinie fallen. Das beginnt beim Mobiltelefon, das betrifft einen Bewegungssensor, den Autoschlüssel, der per Funk das Auto aufsperrt oder zuschließt, oder, wie vom Herrn Minister heute auch in einer APA-Meldung the­matisiert, eine WLAN-Puppe oder ferngesteuerte Spielzeuge. All das betrifft diese Richt­linie, und natürlich noch vieles mehr.

Worum geht es? – Es geht darum, eine einheitliche Regelung für diese Anlagen zu schaffen. Das betrifft die Einhaltung von Normen, es betrifft aber gleichzeitig auch die Notifizierung dieser Hard- und Software, und es betrifft natürlich auch im Sinne des Konsumentenschutzes, aber gleichermaßen auch im Sinne eines fairen Wettbewerbs ein einheitliches Beschwerdeverfahren sowie auch die Möglichkeit, die dem zustän­digen Minister eingeräumt wird, Warnungen auszusprechen, beispielsweise bei Rück­rufaktionen oder auch bei Verkaufsbeschränkungen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 250

Ich möchte mich auch auf die Stellungnahmen, die eingebracht worden sind, beziehen. Klar ist, es handelt sich hier um eine Richtlinie, die es umzusetzen gilt; gleichermaßen ist das, was hier erfolgt, aber auch sinnhaft.

Die Befürchtung, die in den Stellungnahmen geäußert worden ist, geht vor allem dahin, dass, wie Kollegin Lichtenecker schon angesprochen hat, der Einsatz von Open-Source-Software, der Einsatz von frei zugänglicher Software im Bereich diverser Geräte erschwert wird, und betrifft gerade bei Internetprovidern auch das Thema WLAN-Router.

Aus meiner Sicht ist das durchaus ein wichtiges Thema. Die Open-Source-Community, die Open-Source-Software bietet enorme Potenziale auf dem freien Markt. Sie ist Träger von Innovation, und auch in Österreich hat diese Community ein wahnsinniges Potenzial. Kollege Vogl hat aber schon ausgeführt, dass das sowohl in der EU-Richt­linie als auch bei unserem Gesetzestext in den Erläuterungen aufgenommen worden ist.

Ein Wunsch, der sich darüber hinaus noch ergeben hat, ist, dass man im Zuge der Erlassung von Verordnungen, zu denen der Herr Minister ermächtigt wird, auch die Open-Source-Community berücksichtigt und natürlich den Wunsch, beispielsweise bei der Konformitätsbewertung diese auch zu ermöglichen, beispielsweise bei Open-Source-Software in Zusammenhang mit einem bestimmten Gerät. Da darf ich auch die Bitte an den Herrn Minister richten, dass das bei der Erlassung von Verordnungen berücksichtigt wird.

Ein weiterer Aspekt, den Kollege Kucher und ich auch im Ausschuss eingebracht haben, und zwar mit einem Abänderungsantrag beziehungsweise mit einer Aus­schussfeststellung, betrifft die grenzüberschreitende Nutzung von beispielsweise Mobilfunk- und Datenverträgen.

EU-rechtlich sind die Provider verpflichtet, den Nutzer, die Nutzerin darüber zu informieren, wenn das Datenvolumen überschritten wird oder wenn es zu Mehrkosten kommt. Ist man also beispielsweise mit dem Tablet unterwegs, ergibt sich das Prob­lem, dass die SMS-Funktion nicht freigeschaltet wird. Und um sicherzustellen, dass nicht nur die Provider, sondern genauso auch die Gerätehersteller in die Haftung genommen werden, haben wir diesen Abänderungsantrag eingebracht, um zu präzi­sieren, dass diese Funktion auch gewährleistet werden muss.

Es handelt sich also um ein gutes Gesetz, und ich bitte um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Feichtinger.)

21.37


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek. – Bitte.

 


21.37.52

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine Damen und Herren! Ja, die Umsetzung dieser EU-Richtlinie ist durch­aus wichtig und gut für unseren Staat. Es fängt an bei der Grundlage, bei der Nor­mierung und Standardisierung dieser Funkanlagen.

Kollegin Himmelbauer hat schon erklärt, unter Funkanlagen hat man sich nicht das vorzustellen, was man so standardmäßig unter Funkanlagen versteht, sondern wahrscheinlich das, was heute bei Vollbesetzung des Plenums mindestens 180 mal zwei Mal vorhanden gewesen wäre – das heißt Mobiltelefon, möglicherweise Tablets, Laptops und sonstige Anlagen und die dazugehörigen Drucker, Verbindungsgeräte und so weiter; also all das, was wir im täglichen Leben verwenden, wo wir nicht mehr


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 251

darüber nachdenken, ob das jetzt irgendwie genormt ist oder nicht, und nicht mehr darüber nachdenken, wie sicher es ist.

Genau da muss und soll dieses Gesetz, inklusive des im Ausschuss angenommenen Abänderungsantrages in Richtung Konsumentenschutz, einsetzen, das natürlich – und daran denkt man als Konsument und als Laie auch gar nicht mehr – gefährliche Produkte ausschließen soll.

Wo gibt es doch noch ein bisschen, sagen wir einmal, Kritikpunkte oder Punkte, wo man sagt: Schauen wir, wie sich die Zukunft entwickelt!? – Die Internetprovider haben in ihren ersten Stellungnahmen – das hat die Kollegin von den Grünen schon er­wähnt – gesagt: Na ja, Software-Updates und Ähnliches und das Thema Routerzwang und so weiter sind darin zu berücksichtigen.

Ich sage aber nur eines: Das Ganze ist Teil einer Philosophie oder einer Möglichkeit, einen Monopolisten ausbilden zu lassen, und genau das haben wir im ganzen Sektor, vom Telekommunikationsgesetz angefangen. Wir haben in Österreich vom alten Monopol der Post- und Telegraphenverwaltung ausgehend eine Marktliberalisierung durchgeführt. Danach waren wir ein Musterbeispiel, und zwar nicht nur in Europa. Ich kann mich an die Reisen mit der Kollegin Bayr nach Südamerika erinnern, wo wir gefragt wurden, wie wir das so toll gemacht haben. Von dieser Mustersituation kommen wir aber seit nicht ganz zehn Jahren immer mehr weg.

Wir bilden wieder ein Monopol, nämlich A1 aus, und ich frage mich, warum wir das machen. A1 ist nicht mehr die österreichische Firma, das ist nicht vergleichbar mit den ÖBB oder sonst jemandem, sondern das ist eine private Firma, die einem Mexikaner gehört, auch wenn Österreicher dort arbeiten. Ich frage mich, warum wir – teilweise gnadenlos – vonseiten der Gesetzgebung, der Verordnungen und so weiter dieser Firma die Monopolbildung begünstigen.

Ich finde das nicht gut, wenngleich ich in Summe dieses Gesetz doch noch gut finde. Wir müssen aber auf die Punkte, die von den Internetprovidern und den ganzen Fachbereichen als Kritikpunkte eingebracht wurden, aufpassen. Es ist wichtig, dass man, wenn sich herausstellt, dass es nicht so gut war, wie wir es jetzt annehmen, rasch nachschärft. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

21.41


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Mag. Leichtfried zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

 


21.41.25

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Jörg Leichtfried: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Ich kann es relativ kurz machen. Es ging darum, eben eine Richtlinie der Europäischen Union umzusetzen, und wir waren da in sehr, sehr engen Grenzen beim Gesetzesvorschlag, weil die Richtlinie – das ist fast ungewöhnlich – relativ detailgetreu und detailgenau war. Ich denke, das ist nicht so schlecht gelungen und wollte noch auf etwas eingehen, das mehrmals angesprochen wurde.

Wir haben die Kritik aufgenommen, die insbesondere den Einsatz von alternativer Open-Source-Software betrifft. Es gibt da zwei Anwendungsgebiete: Auf der einen Seite war es im alten Recht teilweise möglich, bei den Frequenzen Open Source zu verwenden. Das ist natürlich nicht optimal, weil das schon einer gewissen Stabilität bedarf. Auf der anderen Seite sind aber all die anderen Anwendungsfälle jetzt auch für Open Source offen, weil wir natürlich erkannt haben, dass Open-Source-Software oft effizienter und praktischer ist als die herkömmlich installierte.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 252

Ich darf mich da auch bei denen, die das aufgezeigt und angemerkt haben, herzlich bedanken, weil das für uns natürlich eine wichtige Frage war. Ich werde auch im weite­ren Prozedere die Anregungen, wenn es da Probleme gibt, auf jeden Fall aufnehmen, um möglichst effiziente Gesetzgebung auch für die, die Open Source verwenden wollen, betreiben zu können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.43

21.43.03

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1573 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Damit kommen wir sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem auch in dritter Lesung ihre Zustimmung ge­ben, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung mit Mehr­heit angenommen.

21.43.4629. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie über den Antrag 677/A(E) der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rahmenbedingungen für soziale Innovationen (1574 d.B.)

30. Punkt

Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie über den Antrag 1597/A(E) der Abgeordneten Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Entpolitisierung der Entscheidungsprozesse bei der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) (1575 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 29 und 30 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


21.44.56

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist wirklich sehr, sehr erfreulich, dass wir heute zu einer gemeinsamen Vorgangsweise, zu einer breit getragenen Vor­gangsweise in Bezug auf soziale Innovationen kommen.

Warum ist das klug, warum ist das zukunftsweisend? – Das ist damit zusammen­hän­gend, dass für viele der großen Herausforderungen, die uns bevorstehen, wie etwa Klimawindel, sichere Energieversorgung, Gesundheitsversorgung, demografischer Wan­­del, Migrationsbewegungen, nicht nur technische Innovationen die Lösung sein werden, sondern sehr wohl auch ökologische und soziale Innovationen. Genau das ist jetzt eine Stoßrichtung dieses Antrages, der hier in einer erweiterten Form zur Abstim­mung kommen wird.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 253

Was ist das Ziel? – Das Ziel ist, dass genau diesen sozialen Innovationen zum Durch­bruch verholfen wird, nämlich mit einer Stärkung der finanziellen Ressourcenaus­stat­tung, indem wir selbstverständlich auch dafür einstehen, dass auf EU-Ebene diese Förderschienen für soziale Innovationen forciert werden und dass in der Open Inno­vation Strategie für Österreich der entsprechende Fokus unterstrichen wird und dass da unterstützt wird.

Was sind soziale Innovationen? – Das war eine Debatte, die auch im Ausschuss geführt wurde. Ja, es sind letztendlich neue Wege, neue Organisationsformen, neue Prozesse, die gegangen werden, die durchgeführt werden, die umgesetzt werden, um die entsprechenden Ziele zu erreichen und um die Probleme, die großen Heraus­forderungen auch tatsächlich lösen zu können.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel: die OTELOs, die wir in ganz Österreich haben, die offe­nen Technologielabors, die letztendlich allen zugänglich sind, wo gemeinsam in verschiedenen Konstruktionen gewisse Projekte durchgeführt werden können, wo Visionen, Ziele realisiert werden. Ein weiteres Beispiel sind die Wege, die jetzt mit den Energiegenossenschaften gegangen werden, wo sich die Leute zusammentun, um einen entsprechenden Beitrag zur Energiewende zu leisten. Auch das ist eine Form der sozialen Innovation und daher sehr begrüßenswert.

Ich möchte jetzt noch kurz auf den Antrag der Kollegin Gamon eingehen, in dem es um das Thema Entpolitisierung der Entscheidungsgremien geht. Wenn ich auch nicht wortwörtlich jeden Punkt dieses Antrages unterstreichen würde, so bin ich doch davon überzeugt, dass wir im Jahr 2017 selbstverständlich überdenken müssen, wie wir effiziente zukunftsorientierte Gremien und Beiräte gestalten.

Ich bin sehr wohl davon überzeugt, dass es auch bei den Sozialpartnern und in den Interessenvertretungen forschungskompetente Expertinnen und Experten gibt, aber letztendlich, so wie manche Beiräte besetzt sind, muss da natürlich darüber nachge­dacht werden, ob man das in dieser Form nicht gänzlich anders aufsetzt. Daher werden wir den Antrag der NEOS in dieser Form unterstützen. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

21.48


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Kucher zu Wort. – Bitte.

 


21.48.45

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf gleich an die Ausführungen der Kollegin Lichtenecker anschließen und grundsätzlich zur Arbeit im FIT-Ausschuss sagen: Ich glaube, wir als Parlament können stolz darauf sein, dass wir – nachdem die Open Innovation Strategie österreichweit mit Leben erfüllt wurde, die ja vom Parlament ausgegangen ist und beschlossen wurde – diesen Weg auch im Bereich der sozialen Innovationen weiter fortsetzen wollen.

Worum geht es? – Es geht in Wirklichkeit auch um die großen Fragen der Zukunft, die uns alle beschäftigen: Wie werden Robotik und Digitalisierung unsere Arbeitswelt, unser Zusammenleben verändern? Was können wir dazu beitragen, damit es keine Gewinner und Verlierer dieser Entwicklung gibt, sondern möglichst alle Menschen auch in Zukunft wirklich faire Chancen haben? Wie gehen wir mit dem Klimawandel um? Wie können wir eine sichere, saubere Energieversorgung gewährleisten, aber auch Luft, Wasser und unsere Lebensqualität auch in Zukunft erhalten? Wie sieht es im Gesundheitsbereich und in der Pflege aus? – Auf all diese Fragen und viele mehr


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 254

möchten wir auch mit dem Ansatz von Open Innovation und vor allem auch mit sozi­alen Innovationen antworten.

Es geht darum, dass wir gemeinsam das Innovationssystem in Österreich öffnen, es für Beteiligung öffnen und auf die Stärke Österreichs setzen, nämlich auf viele, viele Menschen, die bereit sind, sich mit ihren Ideen, mit ihrer Erfahrung, mit ihrer Expertise auch hinsichtlich der Lösungen einzubringen. Das können kleine Projekte sein, die aufgrund von konkreten Problemstellungen in Gemeinden entwickelt werden, es können aber auch größere wirtschaftliche Lösungen sein, die weltweit zum Einsatz kommen.

Kollegin Lichtenecker hat die OTELOs angesprochen, ich darf dazu sagen: Es geht um Dorfservices, bei denen Menschen bereit sind, in ihrer Freizeit ehrenamtlich älteren Menschen bei Einkäufen, bei Alltagstätigkeiten oder Arztbesuchen zur Verfügung zu stehen. Es können aber auch Schulklassen sein, die in gemeinsamen Projekten Ener­giesparmöglichkeiten für ganze Gemeinden entwickeln. Es können auch Initiativen gegen die Lebensmittelverschwendung sein. Ich glaube, wir alle kennen in Österreich viele, viele Beispiele, die von Menschen mit viel Engagement entwickelt und umgesetzt werden.

Damit das Ganze in Zukunft noch besser funktioniert, ist es wichtig, dass wir diese Liste zusammentragen, dass wir Best-Practice-Beispiele finden, dass wir Problem­stellungen und Lösungen gemeinsam sammeln und vor allem auch voneinander lernen. Man muss in vielen Bereichen das Rad nicht immer neu erfinden. In vielen Bereichen geht es aber auch um völlig neue Zugänge und Lösungen, die wir für unsere Gesellschaft entwickeln wollen.

Was im Kleinen möglich ist und schon längst passiert, passiert natürlich auch im Großen. Ich darf auf die Erfolgsgeschichte der Mikrokredite in Entwicklungsländern hin­weisen, deren Entwickler mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Ich darf Sie alle daher einladen, gemeinsam dafür zu sorgen, wirklich alles dafür zu tun und alles daran zu setzen, dass aus dem technologischen Fortschritt auch ein sozialer und gesell­schaft­licher Fortschritt wird. Mit dieser heutigen Initiative werden wir auch von öster­reichischer Seite einen wichtigen Schritt dafür setzen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.51


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Gamon zu Wort. – Bitte.

 


21.51.49

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zuerst über den Antrag der Grünen sprechen. Ich finde es toll, dass wir die beschlossene Open Innovation Strategie jetzt auch in konkrete Ziele gießen, und ich freue mich auch darüber, dass wir das bald auch im FIT-Ausschuss gemeinsam ausarbeiten können.

Das ist ein gutes Zeichen dafür, dass unser Ausschuss unter anderem dank unserer großartigen Vorsitzenden auch wirklich ein Beispiel dafür ist, wie Parlamentarismus hier auch gut funktionieren kann. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie des Abg. Kucher.) Ich glaube, dass sich andere Ausschüsse da ein Scheibchen abschneiden und schauen könnten, wie das bei uns im FIT-Ausschuss funktioniert.

Es hat aber dann doch noch eine Debatte gegeben, die ein wenig entgleist ist, traue ich mich zu sagen, nämlich zu meinem Antrag zur Entpolitisierung des FFG-Beirates. Unser Parteivorsitzender sagt immer, Politik ist der Ort, wo wir uns ausmachen, wie wir


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 255

miteinander leben. – Ja, aber Politik ist nicht der Ort, wo über Förderungen für angewandte Forschung entschieden werden sollte.

Die FFG ist eine international renommierte Organisation, die ihre Professionalität immer wieder beweist und exzellente Arbeit leistet, aber in der Struktur der FFG gibt es einfach einen Schönheitsfehler: Der Beirat für Basisprogramme ist zur Hälfte mit Vertretern der Sozialpartner besetzt: Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, ÖGB, Gewerkschaft für Privatangestellte, Landwirtschaftskammer und so weiter. Ich möchte jetzt alle Argumente, die Kollege Klug direkt nach mir vorbringen wird, schon im Vorhinein entkräften, damit Sie eine gute Entscheidungsgrundlage haben.

Derartige Politiknähe ist international einfach unüblich und deshalb unserer Meinung nach auch zu ändern. Dies nicht deshalb, weil wir glauben, dass Politik in der FFG grundsätzlich nichts verloren hat. Die Republik gibt das Geld her und sitzt deshalb auch im Aufsichtsrat, das ist vollkommen okay. Auch nicht, weil wir glauben würden, dass die entsendeten Mitglieder im Beirat nicht auch ExpertInnen sein können – das ist nicht der Grund. Das muss geändert werden, weil es einfach nicht sein muss und weil man keine Zweifel daran lassen sollte, dass die Förderentscheidungen für alle Ansuchenden nachvollziehbar sind, und weil man auch internationale ExpertInnen in so ein Gremium hineinholen könnte.

Man könnte sich da etwa die Schweizer Kommission für Technologie und Innovation als Beispiel nehmen, wo die Entscheidungsgremien aus gewählten ExpertInnen zu­sam­mengesetzt sind. Da gibt es eine Website, wo man zum Beispiel alle Interes­senbindungen, wie die Schweizer sagen, für jede einzelne Person nachlesen kann. Egal, in welchem Aufsichtsrat sie sitzen, wo sie Vorstände sind, wo sie Mitglied sind, all das ist dort transparent nachvollziehbar. So wirkt es für niemanden unfair oder was auch immer, wenn jemand ein Ansuchen stellt und dieses abgelehnt wird beziehungs­weise diesem stattgegeben wird.

Aber warum machen wir es eigentlich so, dass wir die Sozialpartner hereinholen? – Nicht deshalb, weil es im Gesetz steht, denn im Gesetz steht nur, dass die Bestellung der Beiräte nach einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis erfolgen sollte. Das ist zurzeit nicht so, aber ich fand es sehr positiv, dass der Herr Minister im Ausschuss gesagt hat, dass er sich darum kümmern wird, dass das in Zukunft anders sein wird. Das ist wichtig, denn zumindest das steht im Gesetz.

Was wir aber ganz freiwillig, ohne gesetzliche Grundlage machen, ist, die Sozial­partnerquote zu erfüllen. Wo kann man nachlesen, warum das so ist? – Das ist nicht im Gesetz geregelt, sondern zum Beispiel in der internen Organisationsrichtlinie der FFG ist nachzulesen, dass der Wirtschaftskammer ein Vorschlagsrecht für die Mehrheit der Mitglieder einzuräumen ist.

Was kam dann im Ausschuss für ein Argument? – Der Beirat träfe gar keine Förder­entscheidungen, so stehe das nicht im Gesetz, sondern er sei nur beratend tätig. Nicht nur, dass auf der Website der FFG etwas anderes steht, sondern eben auch in diesen internen Organisationsrichtlinien der FFG können Sie nachlesen, auf Seite 5: „Eine fachliche Entscheidung ist die ausschließlich vom Bewertungsgremium“ – das ist der Beirat – „für Basisprogramme [...] vorzunehmende Förderungsempfehlung, an welche die Geschäftsführung der FFG grundsätzlich gebunden ist.“

Sie treffen also sehr wohl Förderentscheidungen, das steht so in der Organisa­tionsrichtlinie der FFG. Herr Klug, wenn das Ihrer Ansicht nach nicht so ist, kann ich diesen Text für Sie ausdrucken und ihn Ihnen hinlegen, damit Sie das nachlesen können.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 256

Es geht hier nicht darum, der FFG zu unterstellen, es würde politische Einflussnahme bei Förderentscheidungen geben, sondern es geht darum, niemandem jemals die Chance zu geben, das auch nur zu vermuten. Dafür ist so etwas da, dafür ist Ent­politisierung da, dafür ist Transparenz da. Es geht hier um Nachvollziehbarkeit, es geht um international übliche Standards, es geht darum, die exzellente Reputation der FFG auch auf Dauer abzusichern, und mir geht es auch ein bisschen ums Prinzip. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Lichtenecker.)

21.56


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Winzig zu Wort. – Bitte.

 


21.56.27

Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Lichtenecker, danke, dass Sie immer wieder das Projekt OTELO erwähnen, denn das ist in Vöckla­bruck aufgrund der Unterstützung durch die Bezirksstelle der Wirtschaftskammer entstanden, und wir sind sehr froh darüber. (Abg. Lichtenecker: Gut so, Frau Kollegin! Bravo!)

Zum Antrag der NEOS betreffend FFG-Beirat: Frau Kollegin Gamon, ich schätze Sie bei vielen Themenbereichen sehr, aber bei Ihren letzten beiden Anträgen, zu denen ich Sie sprechen gehört habe, waren das so subtile Unterstellungen, denen ich nichts abgewinnen kann. Das war im Unterrichtsausschuss, wo ich von Ihnen gehört habe, dass wir die Willkür der Bürgermeister bei Schulbauten beenden müssen, und auch hier, wo Sie den Mitarbeitern der Sozialpartner pauschal Parteipolitik unterstellen. (Zwi­schenrufe bei den NEOS. – Abg. Scherak: Überhaupt nicht!) – Das war im Ausschuss so. Ich bin auch der Meinung, dass die Sozialpartner zeitgemäß weiterentwickelt wer­den müssen, aber das ist hier auch nicht das Thema.

Ich möchte vor allem sagen, dass es sich bei den von der WKÖ entsandten Mitar­beitern um ausgesprochene Fachexperten handelt, die schon bei ihren Anstellungs­verfahren ein fünfstufiges Prozedere extern und intern durchmachen mussten, die alle eine akademische Ausbildung haben und die nicht Parteipolitik, sondern vor allem Interessenpolitik für alle Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrem Fokus haben. (Zwischenruf der Abg. Gamon.)

Ich schätze es auch, dass neben den Unternehmerinnen und Unternehmern, die auch in diesem Beirat sind, vor allem Fachexperten dabei sind, denn sie sind tagtäglich mit dieser Thematik konfrontiert und kennen auch die Anliegen und Probleme vieler Betrie­be beziehungsweise aller Betriebe ihrer Sparte. Ich glaube auch, dass Herr Mag. Mörk in seiner Funktion als Geschäftsführer der Bundessparte Industrie da sicherlich ein kompetenter Mann ist.

Darüber hinaus haben die Wirtschaftskammer-Mitarbeiter in so einem Beirat aber auch die Funktion, die Unternehmerinnen und Unternehmer zu servicieren; denn ein Unter­nehmer kennt sein Unternehmen, aber nicht die Breite der Branche, weiß vielleicht nicht, was gerade in der Organisation oder standortpolitisch wichtig ist. Außerdem hat der Herr Bundesminister ja bereits im Ausschuss gesagt, dass dieser Beirat wirklich nur eine Beratungsfunktion hat. Es geht also im Prinzip um nichts. Darum werden wir diesem Antrag auch nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.58


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Klug zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 257

21.59.08

Abgeordneter Mag. Gerald Klug (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Frau Kollegin Gamon, ich finde es super, dass Sie immer schon den Inhalt meiner Reden kennen. Auf der anderen Seite versuchen Sie immer auf eine sehr charmante Art, einen teilweise knallharten Antrag schönzureden. Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Trotz so vieler Gemeinsamkeiten, die es im FIT-Ausschuss gibt, können wir den Antrag in dieser Form nicht durchgehen lassen, auch wenn Sie das charmant präsentieren. Ich möchte das aber auch inhaltlich begründen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Salopp gesagt: Sozialpartner raus aus den Beiräten! – Eine derartige Forderung tragen wir politisch nicht mit! (Abg. Scherak: Das ist nicht charmant?)

Ich kann Ihnen das aber, in Anlehnung an Kollegin Winzig, auch gerne inhaltlich begründen; und zwar, wenn Sie sich das anschauen: Sie haben sich einen denkbar schlechten Beirat ausgesucht. Es geht um den Beirat für die Basisprogramme, und wenn Sie sich inhaltlich anschauen, was die Basisprogramme darstellen: Einzelpro­jekte, Unternehmen aller Größen und Unternehmen aller Branchen – das in einem Beirat unterzubringen, da wünsche ich Ihnen viel Erfolg!

Ich kann für die sozialdemokratische Fraktion nur sagen, wir sind froh darüber, dass wir Mag. Georg Kovarik, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft – wenn Sie so wollen, ein bisschen als Pendant –, für diese Aufgabe gewinnen konnten, der schon über 30 Jahre Erfahrung auf diesem Gebiet hat. Auf der anderen Seite möchte ich dazu sagen, dass Sie es immer ein bisschen untergehen lassen, dass auch durchaus erfolgreiche Unternehmer und Unternehmensberater vertreten sind.

Ich sage es noch einmal, auch wenn es Ihnen nicht so taugt: Es ist ausdrücklich gere­gelt – im Gesetz, ich sage es noch einmal –, der Beirat trifft eine Empfehlung und keine konkrete Vergabe. Die Geschäftsführung vergibt konkret und trifft auch letztlich die konkrete Entscheidung. § 10 Abs. 3: „Die Beiräte dienen der Beratung der Gesell­schaft (...).“ – Ich sage es noch einmal: Die Entscheidung trifft dann die Geschäfts­führung.

In diesem Zusammenhang sind Sie eine Antwort schuldig geblieben, die da lautet – ich bin nicht gegen Überlegungen, wie man zukünftig auch Beiratsstrukturen diskutieren kann, aber dann muss man einen Vorschlag bringen, wie man im Bereich der Basis­programme Beiratsberatung sinnvoll aufstellt und welche Personen drinnen sein sollen. Diese Antwort sind Sie schuldig geblieben.

Einen alleinigen Vorstoß, zufällig aus Ihrer Fraktion, der da wieder lautet: Sozialpartner raus!, können wir auch bei charmantem Vortragen nicht mittragen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Gamon.)

22.02


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Töchterle gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


22.02.10

Abgeordneter Dr. Karlheinz Töchterle (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Auch ich möchte mich zu beiden Anträgen kurz äußern. Zuerst kann ich nur wiederholen, dass es auch mich sehr freut, wenn es gelingt, ursprüngliche Anträge der Opposition nicht durch Vertagung zu schubladisieren, sondern zu einem gemeinsamen Antrag zu machen, sie dann auch hier dem Plenum vorzulegen und zu einer positiven Beschlussfassung zu führen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 258

In diesem Fall ist es besonders auch deswegen gut, weil die soziale Innovation natürlich ein weites Feld ist, wie bereits skizziert wurde. Mir fällt als Beispiel ein, dass es jetzt in Tirol Initiativen gibt, wie man die Wohnformen älterer Menschen neu orga­nisieren könnte, sodass neue soziale Wohnformen entstehen. Da gibt es konkrete Vorschläge aus der Bevölkerung. Das ist ein Beispiel dafür, wie Open Innovation und soziale Innovation ineinandergreifen können. – So viel zum ersten Antrag, den wir natürlich befürworten.

Zum zweiten Antrag, den wir ablehnen: Frau Gamon, es ist erstens festzuhalten – und das ist ein Moment, das noch nicht genannt wurde –, dass die FFG Anträge zur ange­wandten Forschung bearbeitet und fördert. Gerade dieser Anwendungsaspekt muss auch geprüft werden. Es kann nicht nur der wissenschaftliche Aspekt geprüft werden, der vor allem durch einen 30-köpfigen Beirat, also Experten technischer und wissen­schaftlicher Natur, geprüft wird, es muss auch der Anwendungsaspekt geprüft werden. Dafür scheinen mir die Vertreter der Sozialpartner, sowohl der Wirtschafts- wie der Arbeitnehmerseite, durchaus tauglich.

Es gibt mehrere Prüfungen der FFG über ihre Fördertätigkeit durch den Rechnungshof, durch das Bundeskanzleramt, ja sogar durch die Europäische Kommission, und nirgends wurde etwas beanstandet. Ich glaube, die FFG – Sie haben es ja selber konzediert – ist international sehr angesehen, arbeitet gut, und es gibt keinen Grund, an der Zusammensetzung, an der Entscheidung des Beirates und an seinen Empfeh­lungen sachlich irgendeinen Makel zu finden, Deswegen kann ich diesem Antrag nicht beitreten. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.04


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Scherak zu Wort. – Bitte.

 


22.04.46

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Was nicht neu ist, was wir vom Kollegen Klug gerade gehört haben, ist, dass die SPÖ dringend darauf bedacht ist, überall die Sozialpartnerschaft drinnen zu haben.

Was mir seit heute neu ist, ist, dass es bei der ÖVP ein Qualifikationskriterium ist, wenn man homophobe Äußerungen tätigt und die Adoption durch Homosexuelle mit der Sklaverei und dergleichen, Abartigkeit der Sklaverei, vergleicht.

Wir hatten das vom Kollegen Schultes beim letzten Mal schon, der herausgekommen ist und auf den Redebeitrag von Frau Kollegin Gamon gemeint hat, das sei eh char­mant, was sie sagt, und sie habe charmant vorgetragen. Ich verstehe es nicht ganz, wenn so etwas auch von der SPÖ kommt, dass immer dann, wenn junge Frauen hier vorne stehen – unabhängig davon, von welcher Fraktion –, ein Redebeitrag einmal unter anderem darauf reduziert wird, wie er vorgetragen wird, und das Wort charmant kommt.

Kollege Steinhauser hat vorhin dazwischengerufen, er wünsche sich, dass das über seinen Redebeitrag einmal gesagt wird. Ich wünsche es mir für meinen vielleicht auch einmal. Ich halte das für einigermaßen disqualifizierend. Ein Redebeitrag ist entweder inhaltlich gut oder schlecht, aber bei Frauen insbesondere darauf abzuzielen, wie dies geäußert ist und ob es charmant ist, halte ich für nicht sinnvoll. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Lugar: Das war jetzt wirklich sehr charmant! – Weitere Zwischenrufe.)

22.05


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Mag. Leichtfried zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 259

22.06.03

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Jörg Leichtfried: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich würde gerne zu beiden Anträgen kurz etwas anmerken.

Zum Ersten, glaube ich, ist hier große Einhelligkeit, dass insbesondere die soziale Dimension, der Mensch, wenn es darum geht, über neue Technologien nachzudenken, immer im Zentrum der Überlegungen stehen muss. Gerade, wenn wir über Industrie 4.0, über Digitalisierung, über derartige Entwicklungen sprechen, wird es immer darum gehen, darüber nachzudenken, dass diese Entwicklungen nicht zum Nachteil der großen Masse der Menschen sind, sondern zum Vorteil gereichen. Deshalb ist dieser Antrag meines Erachtens extrem wichtig.

Was den zweiten Antrag betrifft, so möchte ich etwas sagen, was ich im Ausschuss schon gesagt habe. Er trifft mich teilweise doch sehr, insbesondere, was die Frauen­quote im Beirat betrifft. Ich bin froh darüber, dass das angesprochen wurde, und möchte mich auch dafür entschuldigen, dass das bis jetzt noch nicht geändert wurde. Aber ich gebe Ihnen jetzt hier das Versprechen, dass wir das so schnell wie möglich ändern und die Frauenquote mit 30 Prozent raschest hergestellt wird, weil ich denke, dass das zeitgemäß und wichtig ist.

Was die Frage der sogenannten Entpolitisierung des Beirates betrifft, bin ich mit der Antragstellerin nicht ganz einer Meinung. Ich habe in den letzten Wochen selbst versucht, dieses Feedback zu bekommen, und habe mit sehr, sehr vielen Unterneh­mensvertretern diskutiert. Ich muss Ihnen sagen, kein einziges Mal ist die Anmerkung gekommen, dieser Beirat handle parteipolitisch.

Ich habe mich aber mit Institutionen unterhalten, die so einen gewissen partei­politi­schen Charakter haben könnten. Wissen Sie, was die gesagt haben? – Wir sind unzufrieden damit, wie da entschieden wird, da wird so sachlich entschieden. Können wir da nicht etwas machen? – Ich habe gesagt: Sicher nicht! Die entscheiden nämlich sehr, sehr gut und tun in der Regel genau das, was sie zu tun haben.

Aber dann geht es anscheinend nicht um die Sache, sondern es geht ums Prinzip. Wenn man jetzt über dieses Prinzip nachdenkt, dann muss man einmal darüber nach­denken: Gibt es Menschen, die keine Interessen haben? Gibt es die? – Ich kenne keinen Einzigen! Jeder hat irgendein Interesse dahinter, und jeder, der das hat, muss halt versuchen, wenn er in so einem Beirat ist, auf möglichst objektive Art und Weise damit umzugehen. Also zu glauben, wir finden ein paar, die vollkommen unabhängig sind: Die gibt es nicht!

Deshalb bin ich froh darüber, dass es uns gelungen ist, eine Mischung zu finden, wo Unternehmer/Unternehmerinnen drinnen sind, wo die Vertreter von gesetzlichen Interessenvertretungen drinnen sind. Das sind schließlich nicht irgendwelche Vereine, sondern das sind eben die gesetzlichen Interessenvertretungen, die die Arbeitnehmer vertreten, die die Wirtschaft vertreten, die andere vertreten.

Geschätzte Damen und Herren! Dieser Mix hat meines Erachtens dazu geführt, dass die FFG so gut arbeitet, wie sie gearbeitet hat. Deshalb sehe ich da keinen Grund, groß etwas zu ändern. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.09

22.09.28

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin beziehungsweise der Berichterstatter ein Schluss­wort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 260

Somit kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 29: über die dem Ausschussbericht 1574 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Rahmenbedingungen für soziale Innovationen. 

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 198.)

Damit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 30: Antrag des Aus­schusses für Forschung, Innovation und Technologie, seinen Bericht 1575 der Beila­gen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenso mit Mehrheit angenommen.

22.10.2931. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rech­nungs­hofes Reihe Bund 2017/1 (III-335/1577 d.B.)

32. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungs­hofes Reihe Bund 2017/4 (III-338/1578 d.B.)

33. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungs­hofes Reihe Bund 2017/9 (III-360/1579 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 31 bis 33 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße die Präsidentin des Rechnungshofes und erteile Frau Abgeordneter Mag. Becher als erster Rednerin das Wort. – Bitte.

 


22.11.31

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsi­dentin des Rechnungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche zum ersten Bericht der Reihe Bund 2017/1, zum U-Bahn-Ausbau. Ich denke, da muss man sagen, der U-Bahn-Ausbau in Wien ist verkehrspolitisch, aber auch stadtplanerisch eine Erfolgsgeschichte. Das vom Rechnungshof betrachtete Zahlenwerk ist auch in seiner Bedeutung richtig einzuordnen.

2015 wurden 550 Millionen Passagiere befördert, das sind 1,5 Millionen pro Tag. Der Umstieg vom Auto auf die U-Bahn hat hervorragend geklappt. Der Modal Split in Wien hat sich zu 39 Prozent auf den öffentlichen Verkehr und zu 27 Prozent auf den Pkw-Verkehr aufgeteilt, das ist gegenüber 1993 eine ganz tolle Verbesserung. Laut Smart-City-Strategie soll bis 2025 der motorisierte Individualverkehr noch auf 20 Prozent reduziert werden. Das sind natürlich Investitionen, die das Fahrverhalten der Men­schen auch sehr nachhaltig verändert haben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 261

Konkret hat der Rechnungshof die letzten Erweiterungen der U2 im Nordosten und der U1 im Süden betrachtet. Als Wohnbausprecherin meiner Fraktion ist das für mich auch besonders von Interesse, denn die U2 erschließt die Seestadt, eine Stadt in der Stadt, die im Vollausbau 20 000 Menschen beherbergen wird. Wenn die verkehrsmäßige Erschließung mit der Umfahrungsstraße passt, werden es auch ebenso viele Arbeits­plätze sein. Damit ist dies hier eine Stadt der kurzen Wege mit einer besonders hohen Energieeffizienz, die auch zukunftsweisend sein wird.

Der Bund unterstützt diese ökologisch sehr wertvolle und wichtige Entwicklung. Es ist klar, dass bei einem finanziellen Engagement, das zuletzt über 70 Millionen € pro Jahr ausgemacht hat, auch auf die zweckmäßige Verwendung der Mittel zu achten ist, auch wenn insgesamt beim Gesamtausbau ein hohes Einsparungspotenzial von 5 Prozent zu verzeichnen ist.

Eine neue rechtliche Basis wird vom Rechnungshof für die Vereinbarung gefordert. Hier wird eine 15a-Vereinbarung seitens der Stadt Wien auch präferiert. Ich begrüße es ausdrücklich, dass das Ministerium bereits eine Koordinationsgruppe eingerichtet hat, die klare Spielregeln definiert, sodass künftig auch ein noch klareres Regulativ vorliegen wird, so wie es auch der Rechnungshof fordert. Neue Transparenz, klare Abgrenzungen für die Kofinanzierung sorgen für hohe Standards in der Kontrolle und in der Vollziehung dieser wichtigen Investition. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 


22.14.47

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Präsident des Rech­nungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu dieser Stunde diskutieren wir ein für Tirol wichtiges Infrastrukturprojekt, den Brenner Basistunnel, ein Projekt, das über viele Jahre schon, ich sage hier, läuft, und die Unterinntaltrasse ist ja bereits in Betrieb. Es ist ein Projekt mit einer riesigen Dimension und von großer Bedeutung für Tirol, aber auch für Österreich und für Europa. Der Rechnungshof hat im vorliegenden Bericht die Kostenentwicklung, die Finanzierungsrisken, die Zeitpläne, die Zulauf­strecken und die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen hinterfragt und geprüft.

Das Projekt Brenner Basistunnel hat natürlich eine nationale Dimension, weil man auch im Wettbewerb mit anderen Infrastrukturprojekten steht. Aber es hat durchaus, sage ich hier, die Priorität, dass wir eine internationale Mitfinanzierung haben, um die wir derzeit auch kämpfen. Der Herr Bundesminister hat im Ausschuss betont, dass es jetzt auch darum geht, die Mittel bis 2020 aus Brüssel abzuholen und darüber hinaus nach 2020 die Mitfinanzierung aus der EU zu sichern. Derzeit sind es ja 411 Millionen €, welche in der Schwebe sind. Es wird jetzt davon abhängen, inwieweit man hier im Wettbewerb mit anderen Infrastrukturprojekten bestehen kann.

Die Hauptbaulose sind vergeben, man könnte also sagen, der Brenner Basistunnel ist auf Schiene. Dennoch ist es, glaube ich, wichtig, dass wir dieses Projekt mit viel Überblick, aber auch viel Transparenz über die Bühne bringen. Das steigert aus meiner Sicht die Akzeptanz.

Positiv ist – und das wird in diesem Rechnungshofbericht natürlich nicht mehr er­wähnt –, dass derzeit, was die Unterinntaltrasse betrifft, schon einige Effekte eintreten. Von zehn Lastzügen fahren neun unterirdisch, und damit wird hier Kapazität frei für den öffentlichen Personen- und Nahverkehr.

Insgesamt wird hier auch das Thema Verlagerung immer wieder eingefordert und zu Recht eingefordert. Wir können aber nur verlagern, wenn wir die Kapazitäten dafür haben. Die Schweiz hat derzeit – sie ist durchaus Vorbild für uns und muss auch Vor-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 262

bild für uns sein – 80 Prozent des Güterverkehrs auf der Bahn und 20 Prozent auf der Straße; in Österreich ist es ungefähr umgekehrt. Hier haben wir also noch unsere Haus­aufgaben zu machen. Wir müssen durchaus schon jetzt damit beginnen, diese Verkehrsverlagerung einzufordern, dass wir dann, wenn – ich sage hoffentlich, für uns alle – das Projekt pünktlich in Betrieb gehen kann, 2025/2026, hier aktive Verlage­rungspolitik betreiben können.

Ein wenig enttäuschend und aus unserer Sicht natürlich absolut nicht positiv ist derzeit die Diskussion um die Zuläufe. Einerseits gibt es aus Italien positive Signale, was den Zulauf betrifft. In Deutschland ist man gerade dabei, eine Trassenführung zu finden. Hier brauchen wir, glaube ich, durchaus mehr Nachdruck auch von europäischer Ebene, um, sage ich, die Zulaufstrecken zu sichern. Es gibt hier durchaus auch unter­schiedliche Sichtweisen, was die Trassenführung betrifft.

Abschließend darf man erwähnen, dass der Brenner-Basistunnelzug fährt. Er fährt, sage ich, mit einem hohen finanziellen Einsatz, aber er fährt auch mit Mitfinanzie­run­gen aus Brüssel. Auch Tirol zahlt einen Beitrag dazu. Wenn man als Tiroler vielleicht egoistisch denken würde: Wir liefern heute sehr hohe Mautbeträge nach Wien ab, im Jahr in etwa 170 bis 180 Millionen €. Wir bekommen das nicht alles refundiert, sondern wir zahlen da sehr stark auch österreichweit in Infrastrukturprojekte mit hinein.

Daher ist es, glaube ich, durchaus gerechtfertigt, wenn wir den Zeitraum von 25 bis 30 Jahren sehen, dass Österreich diese 5 Milliarden € finanziert, auch, wenn es ein hoher Betrag ist. Aber dieser Betrag ist, gerade was die Lebensqualität, die Mobilität und die Wirtschaft in Tirol betrifft, in Zukunft gut investiert und stellt für die nächsten Generationen eine unbedingte und unabdingbare Investition dar. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

22.19


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Hauser. – Bitte.

 


22.19.16

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Geschätzte Damen Präsidentinnen! Hohes Haus! Bedauerlicherweise finden die Diskussionen zu den Rechnungshofberichten leider Gottes immer zu später Stunde statt. Das haben wir schon mehrmals kritisiert, es hat sich aber daran nichts geändert.

Heute sprechen wir wirklich über ein wichtiges Thema. Lieber Hermann Gahr, da gebe ich dir recht, was den Brenner Basistunnel betrifft: ein für uns Tiroler wirklich wichtiges Anliegen! Deswegen verstehe ich es nicht, dass der Herr Verkehrsminister, der gerade noch anwesend war, jetzt die Sitzung verlassen hat.

Ich meine, er muss zwar nicht da sein, aber wenn es um ein so wichtiges Problem geht, um den Brenner Basistunnel, um die Finanzierung, um die Verlagerung des Ver­kehrs, würde es ihm schon gut anstehen, wenn er sich auch die Debatte zu diesem Thema anhört und jetzt nicht die Sitzung vorzeitig verlässt (Beifall bei der FPÖ) – zumal er hier auch noch im Saal anwesend war! Ich empfinde das wirklich als Missachtung von wichtigen Tiroler Interessen; ich habe das festgestellt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie können das beurteilen, wie Sie wollen, aber es gebietet zumindest die Höflichkeit, dass sich der Herr Minister, der vor Kurzem noch anwesend war, auch die Debatte zu diesem wichtigen verkehrspolitischen Thema anhört. (Abg. Heinzl: Sie sind unhöflich!) Das ist unsere Meinung, und ich denke, das wird die Tiroler Bevölkerung auch so zu beurteilen wissen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Heinzl: Sie sind nicht die Tiroler Bevölkerung!) – Sie können sich gerne zu Wort melden, das ist überhaupt kein Prob­lem. (Abg. Heinzl: Lernen Sie die Geschäftsordnung! – Weitere Zwischenrufe bei der


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SPÖ.) – Wenn Sie das für notwendig und richtig halten, so ist das Ihre Meinung, die nehmen wir in Tirol gerne zu Kenntnis. Wir nehmen gerne zur Kenntnis, dass die SPÖ das nicht als wichtiges Anliegen betrachtet. Danke für die Bestätigung Ihrerseits!

Die Tiroler haben aber Anspruch darauf, da der Transitvertrag Thema der Tiroler Bevölkerung vor dem Beitritt ... (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Heinzl: Wo ist der Herr Strache?) – Ist das jetzt der Verkehrsminister? Ist der Herr Strache der Verkehrs­minister? Ist er der Verkehrsminister? Beantworten Sie mir das einmal! Vergleichen Sie nicht Äpfel mit Birnen! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Wo ist der Herr Schieder? – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß, dass Zwischenrufe – wie heute schon mehrmals erwähnt – Teil der parlamentarischen Debatte im Plenum sind. Ich würde aber darum bitten, dass das so geschieht, dass der Redner trotzdem seine Ausführungen machen kann.

Herr Abgeordneter Mag. Hauser, Sie haben das Wort!

 


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): Danke schön, Frau Präsidentin! Ich merke, dass ich hier einen wunden Punkt der SPÖ getroffen habe, die Kritik hat auf jeden Fall gesessen. (Abg. Weninger: Nein, Sie kennen die Geschäftsordnung nicht!)

Die Tiroler Bevölkerung hat ein Anrecht, verkehrspolitisch nicht unter die Räder zu kommen. (Abg. Heinzl: Sie kassieren und tun nichts! Genieren Sie sich!) – Nein, ich schäme nicht nie, wenn ich mich für die Interessen der Tiroler Bevölkerung einsetze, und ich schäme mich nie, wenn ich mich überhaupt für die Interessen der Bevölkerung einsetze. Das sage ich dir ganz ehrlich, da geniere ich mich nicht. (Beifall bei der FPÖ.) Ich würde mich genieren, wenn ich so agieren würde wie Sie: wenn ich heute hier lauthals herausschreie und verteidige, dass sich ein Verkehrsminister nicht die Debatte zu einem so wichtigen Thema anhört. (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und FPÖ.)

Der Tiroler Bevölkerung hat man im Zuge des Transitvertrags die Lösung des Ver­kehrs­problems versprochen. Der Transitvertrag ist ausgelaufen. (Abg. Heinzl: Wo ist der Strache? – Abg. Hafenecker: Wo ist der Schieder? – Abg. Heinzl – auf den gerade den Saal betretenden Abg. Schieder zeigend –: Da ist er! – Abg. Weninger: Unser Klubobmann ist da! Wo ist der Strache?) – Der Herr Strache ist nicht der Ver­kehrsminister. (Abg. Krist: Aber er ist der Klubobmann!) Ich nehme aber zur Kenntnis, dass Sie ein schlechtes Gewissen haben, denn sonst wären Sie nicht so erregt, wenn man kritisiert, dass Ihr Verkehrsminister bei dieser so wichtigen verkehrspolitischen Debatte nicht anwesend ist.

Der Transitvertrag hat bei Weitem nicht das gebracht, was man der Tiroler Bevölke­rung versprochen hat.

Punkt 1: Das sektorale Fahrverbot, eingeführt mit 1. November 2016, hat dazu beigetragen, dass sich die Situation verbessert hat, aber die Zahl der Transitfahrten hat trotzdem zugenommen. Das Problem brennt! Allein im November letzten Jahres hat es trotz sektoralen Fahrverbots um 20 000 Transitfahrten mehr durch Tirol gegeben. (Abg. Wittmann: Aber den Strache interessiert das nicht!) Deswegen besteht hier dringender Handlungsbedarf.

Punkt 2: Die Finanzierung ist sicherzustellen. Es ist nicht so, wie es der Herr Ver­kehrsminister meint, und deswegen ist er nicht anwesend. (Abg. Heinzl: Geh, hör auf!) Die 411 Millionen €, die man seitens der Europäischen Union zur Mitfinanzierung des Brenner Basistunnels für 2020 versprochen hat, hat man storniert. Uns hat unser Mitglied im Europäischen Rechnungshof, Herr Mag. Herics, mitgeteilt, dass die 411 Mil­lionen € zur Finanzierung des Juncker-Planes abgezogen wurden. Das ist die Wahr­heit! Das Geld ist schlicht und einfach nicht da.


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Großbritannien steigt aus der Europäischen Union aus, daher werden weitere Netto­mittel fehlen. Man wird sich intensiv um diese Mitfinanzierung kümmern müssen, und wir Tiroler bestehen darauf, dass die 411 Millionen €, die man uns zugesichert hat, auch im Jahr 2020 fließen. Das sind Zusagen, die seitens der Europäischen Union einfach einzuhalten sind.

Traurig ist die Debatte, was die Zulaufstrecken in Deutschland anbelangt, wenn der Herr Verkehrsminister im Rechnungshofausschuss feststellt, dass er es eh schon super findet, dass man jetzt – ich zitiere den Herrn Verkehrsminister – „in die Phase der konkreten Überlegungen“ eingetreten ist. – Der Brenner Basistunnel ist seit 2002 Thema, jetzt schreiben wir das Jahr 2017: 15 Jahre Nachdenkphase! Und jetzt hat man es schon weit gebracht, indem man jetzt in die Phase der konkreten Überlegungen eintritt? Das ist ein Desaster für die europäische Verkehrspolitik, was auch unser Vertreter im Europäischen Rechnungshof, Herr Mag. Herics, festgehalten hat.

Abschließend, da Sie mir durch die Zwischenrufe so viel Zeit weggenommen haben, verweise ich nur noch darauf, dass wir uns in Tirol seit Langem für eine fixe Garantie für die Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene einsetzen (Zwischenruf des Abg. Wittmann), denn was nützt der beste Tunnel, wenn er seitens des transitierenden Verkehrs nicht angenommen wird. Diesbezüglich haben wir diese Hausaufgabe noch zu erfüllen. Wenn der Tunnel fertig ist, wenn er in Betrieb genommen wird, dann muss der Lkw-Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Das fordern wir! (Beifall bei der FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

22.26


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Herr Abge­ordneter Mayer zu Wort. – Bitte.

 


22.26.29

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Kollege Hauser hat gesagt, dass der Herr Verkehrsminister heute hier sein hätte müssen. (Abg. Hauser: Nein, können!) Sie haben Ihrer eigenen Rede jeden Inhalt genommen, weil Sie das ganz genau wissen.

Daher möchte ich das auch tatsächlich richtigstellen: Es war bisher nicht üblich. Ich hätte mir das auch gewünscht, muss ich sagen. Man hätte das anregen können, das wäre gut, aber es ist nicht üblich, schon gar nicht verpflichtend, bei der Debatte. Es war noch nie jemand da, und jetzt soll der Minister hier sein?! (Abg. Hafenecker: Es ist auch nicht verboten!) Die Art und Weise, wie Sie das in die Bevölkerung auszuspielen versuchen, entspricht nicht den Tatsachen. Ich bitte Sie, nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Das war keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Moser: Das war nie eine Berichtigung! – Abg. Krist: Das war ein Grenzfall!)

22.27


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter! Ich glaube, es war, was die tatsächliche Berichtigung betrifft, die Gegenüberstellung vorhanden. Alle weiteren Ausführungen sind in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Willi. – Bitte.

 


22.27.00

Abgeordneter Georg Willi (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Rechnungshofpräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um die Debatte wieder etwas in ruhigere Bahnen zu lenken, beginne ich mit dem U-Bahn-Bau. Ich bin aus Tirol, sozusagen ein Abgeordneter aus der Peripherie, und ich gönne den Wienern und Wienerinnen ihre U-Bahn. Ich weiß auch, dass sie sehr viel Geld kostet. Ich schätze die Dienste der Wie-


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ner U-Bahn, und es ist für mich nachvollziehbar, dass der Bund gesagt hat: Wir helfen der Stadt Wien bei der Finanzierung dieser U-Bahn. Eine teure Geschichte, aber eine tolle Geschichte. (Zwischenruf des Abg. Hagen.)

Es gibt seit ewigen Zeiten – das Besondere daran ist: ohne gesetzliche Grundlage, sondern nur aufgrund einer 15a-Vereinbarung, der dann irgendwelche Sideletters gefolgt sind – eine Kofinanzierung des Bundes von 50 Prozent. Das ist echt ein Haufen Geld, und der Rechnungshof weist zu Recht darauf hin, dass es so nicht weitergeht. So viel Geld von Bundesseite ohne gesetzliche Grundlage zu vergeben, das ist nicht haltbar. Ich erwarte mir hier eine rasche gesetzliche Grundlage. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Die Zuschüsse des Bundes sind laut Budget von 109 Millionen € auf jetzt aktuell 78 Millionen € pro Jahr gesunken – immer noch viel Geld. 78 Millionen € pro Jahr zahlt der Bund für die U-Bahn. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Die Wahrheit ist, dass der Bund jedenfalls 50 Prozent der Kosten für die Wiener U-Bahn zahlt – wann immer wir das Geld dann abstottern. Da erwarte ich mir, dass es einen klaren Vertrag gibt, was wir genau finanzieren, denn der Rechnungshof weist nach, dass da alle möglichen Dinge finanziert wurden, die nicht ausgemacht waren, wie Nachbeschaffungen beim Wagenmaterial, Erneuerungen der Strecken, bis hin zu irgendwelchen Feierlichkeiten.

Ich habe nichts gegen Feierlichkeiten, aber wieso soll der Bund, der eine Kofinan­zierung beim U-Bahn-Bau ursprünglich ausgemacht hat, irgendwelche Feierlichkeiten mitfinanzieren? (Abg. Weninger: Wer bezahlt den Nahverkehr? Da bezahlt Wien viel mehr! – Abg. Hagen: Da müssen Sie die grüne Stadträtin Vassilakou fragen!)

Und jetzt schlüpfe ich in die Rolle eines Bundesländerabgeordneten, und als der möchte ich sagen: Auch die Bundesländer haben ganz wichtige Öffi-Vorhaben. Aktuell baut zum Beispiel die Stadt Innsbruck um über 400 Millionen € ein neues Straßen­bahnnetz – eine Rieseninvestition! In anderen Landeshauptstädten ist es ähnlich. Da würde ich mir erwarten, dass der Bund auch diesen Landeshauptstädten – vor allem solche sind es, im Raum Bregenz geht es darüber hinaus – hilft, so eine wichtige und leistbare Infrastruktur zu finanzieren.

Der Herr Minister hat angedeutet, dass er sich dafür einsetzen will, dass man dieses Prinzip, wodurch die Wienerinnen und Wiener das bekommen – ich finde: richtiger­weise –, auch bei anderen Landeshauptstädten anwendet, weil diese einfach an die Grenze der Finanzierbarkeit kommen. (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Daher ist mein Wunsch und meine Bitte, dass wir, wenn wir das machen, wenn wir eine ge­setzliche Grundlage für den U-Bahn-Bau in Wien im Hohen Haus besprechen, auch an die Landeshauptstädte denken.

Ein letzter Satz zum Wiener U-Bahn-Bau: Aktuell wird der Stephansplatz in Wien umgebaut, und es war zugesagt, dass es einen zweiten Lift an der wichtigsten und am meisten frequentierten U-Bahn-Station Wiens, am Stephansplatz geben soll. Ich wünsche mir wirklich im Sinne der Behinderten, der älteren Menschen, der Touristen, der Eltern mit Kinderwagen, dass es einen zweiten Lift gibt. Das werden wir ja wohl noch hinbringen, und ich bitte alle, die da etwas mitzureden haben, das zu unter­stützen.

Jetzt komme ich auf den Brenner Basistunnel zu sprechen. Am Beginn des Brenner Basistunnels stand ein großes Versprechen: Liebe Tirolerinnen und Tiroler, entlang der Transitroute Kufstein – Brenner entlasten wir euch vom Verkehr, wir bauen einen Tunnel, und dann verschwinden die Güter im Loch! Das war das Versprechen. Heute sind wir mitten im Bau, das rennt super. Wir haben traumhaft tolle Tunnelbauer – das können wir. Das wird auch rechtzeitig fertig werden, das sagt auch der Rechnungshof. 2026/2027 wird das fertig sein, und die Züge werden dort fahren.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 266

Aber: Was ist mit dem Versprechen? – Meine Damen und Herren, Sie haben eine Verantwortung! Wenn Sie so viel Bundesgeld für den Bau des Brenner Basistunnels freigeben, muss daran geknüpft sein, dass das Versprechen auch erfüllt wird, und alle – das sagt auch der Rechnungshof – wissen, dass ein Tunnel zu wenig ist. Ein Tunnel ist ein Loch im Berg, und wenn das fertig ist, dann ist das noch gar nichts. Es braucht eine Verkehrspolitik dazu, die Druck auf die Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene erzeugt.

Verkehrspolitik ist nicht immer lustig. Wenn Kollege Hauser fragt, wo die Verlagerung ist, dann erinnere ich ihn daran: Die Freiheitlichen waren dagegen, eine Rand­bedin­gung für das sektorale Fahrverbot, 100 km/h für Pkws, als Vorbedingung zu unter­stützen.

Verkehrsverlagerungspolitik ist also nicht immer lustig, da muss man zu relativ harten Maßnahmen greifen, wie es die Schweizer getan haben. Die haben eben 71 Prozent der Gütertransporte, wie der VCÖ richtigerweise festgestellt hat, auf der Schiene, 29 Prozent auf der Straße. Bei uns ist es genau umgekehrt: Wir haben knapp 30 Pro­zent der Gütertransporte auf der Schiene, der Rest ist auf der Straße. Ich verlange von Ihnen, wenn es ernst wird, dass Sie nicht wieder Mauten auf der Straße senken. Das geht nicht, denn, wenn man das tut, dann gibt es halt keine Verlagerung.

Das heißt, Sie haben die Verantwortung dafür, dass, wenn wir so viele Milliarden aus­geben – 8,66 Milliarden € sind es auf Preisbasis März 2013 –, eine Verlagerung auch tatsächlich stattfindet. Das ist politisch nicht lustig, da schafft man sich Gegner, aber wenn man konsequent bleiben und die Verlagerung am Ende erreichen will, muss man es tun. Dazu lade ich Sie ein.

Wenn die Anträge von den Grünen dazu kommen, dann ersuche ich Sie: Sagen Sie nicht einfach: So ein Blödsinn, brauchen wir nicht, wollen wir nicht!, sondern stimmen Sie endlich zu! Wir Grüne sind für eine mutige Verlagerungspolitik, um die Bevölkerung von Schadstoffen und Lärm zu entlasten. (Beifall bei den Grünen.)

22.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Bernhard. – Bitte.

 


22.34.33

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Guten Abend, Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Einen schö­nen guten Abend zum Lesekreis der Lektüre über Steuergeldverschwendung, auch genannt Rechnungshofbericht!

Ich möchte jetzt einfach ein paar Beispiele herausnehmen, die wir aus dem Rech­nungshofausschuss kennen. (Abg. Wittmann: Um diese Zeit!) – Es ist jedenfalls Steuergeldverschwendung, und es kann zu jeder Uhrzeit darüber geredet werden, vor allem, wenn es so klar auf dem Tisch liegt.

Kollege Willi hat schon die Wiener U-Bahn angesprochen. Man kann es aber nicht oft genug sagen, es gibt auch dazu mehrere Beispiele. Der Bund finanziert zur Hälfte, die Stadt Wien finanziert zur anderen Hälfte. Was finanziert der Bund? Die Idee, warum man sagt, dass man diesen Zuschuss der Stadt Wien gibt und anderen Städten nicht, ist, dass Wien aufgrund der Größe und aufgrund des Einflusses auf das Umland eine Sonderstellung hat und somit auf die Mobilität von weit mehr als zweieinhalb Millionen Menschen.

Unter anderem finanzieren wir zur Hälfte die Eröffnungsfeiern der Stadt Wien, wofür wir in den letzten Jahren 5,34 Millionen € ausgegeben haben – die Hälfte zahlt der Bund –, jedoch nicht für die Information zu Mobilität, nicht für die Eröffnung einer Station, nicht einmal für Gratisfahrkarten, sondern zum Beispiel für Schlagerstars, für großflächige


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 267

Bewerbung der Stadtregierung, teilweise war sie rot, teilweise war sie rot-grün. Das ist jedenfalls, würde ich sagen, weder im Interesse der SteuerzahlerInnen noch im Interesse des Bundes.

Ein anderes spannendes Thema ist, dass die Bezuschussung, die Hälfte der Unter­stützung des Bundes, nicht auf einer soliden Rechtsbasis steht. Auch das hat der Rechnungshofbericht ergeben, dass nämlich die privatrechtlichen Übereinkommen bei der Kostentragung bei Infrastrukturprojekten nicht mehr zeitgemäß sind. Das heißt, wir zahlen in Summe Milliardenbeträge nach Wien. Da will ich jetzt gar nicht über den Inhalt streiten, aber ich erwarte von einem Ministerium, dass das auf einer soliden Rechtsbasis steht und nicht zu einem späteren Zeitpunkt in Streit gestellt werden kann.

Jetzt könnte man behaupten, dass das im Moloch Wien passiert ist und nirgendwo anders. Das ist im Übrigen, weil vor mir lauter Tiroler Redner an der Reihe waren, in Tirol nicht bedeutend besser, wobei ich damit jetzt nicht den Landtag oder den Lan­deshauptmann im Konkreten meine, sondern die BBT SE, also die Brenner-Basis­tunnel-Gesellschaft. Da hat man zum Beispiel 2011 in der Hauptversammlung, die für eine Gesellschaft nicht das unwesentlichste Gremium ist, beschlossen, dass ab diesem Zeitpunkt die Prognosekosten jährlich evaluiert und auch dieser Hauptver­sammlung zur Kenntnis gebracht werden müssen. Das war bis zum Ausschusstermin, den wir hatten, also 2017, obwohl es 2011 beschlossen wurde und spätestens 2012 hätte vorgelegt werden müssen, nicht der Fall – bis heute nicht. Man hat sich als Gesellschaft bedankt und gesagt, jetzt, da der Rechnungshofbericht da ist, könnte es auch etwas werden.

Ein nächstes Beispiel, weil wir es nicht nur in Wien und im Westen haben: Es gibt auch eine gute Kooperation, nämlich zwischen dem Burgenland, Niederösterreich und Wien, genannt VOR. Auch dort hat man eine entsprechende Verkehrsverbundgesellschaft gegründet, hat allerdings den Verkehrsverbund Niederösterreich-Burgenland nicht gleich geschlossen.

Was hat das bedeutet? – Man hat das operative Geschäft bereits in den VOR verla­gert, hat aber das Management der alten Gesellschaft bestehen lassen. 2,9 Millionen € hat der Steuerzahler für dieses Management noch bezahlt. Man muss schon eines ganz klar sagen: Wir haben auch den Geschäftsführer von VOR, Herrn Schroll, im Ausschuss gehabt; ganz ehrlich, es gibt teilweise Geschäftsführungen in unseren öffentlichen Betrieben, die nicht einmal eine ordentliche Auskunft geben können. Die unterstellen dann auch noch dem Rechnungshof, dass er sich verrechnet hat, und müssen danach zugeben, dass sie sich verrechnet haben. Die haben den Laden nicht im Griff. So kann man auch erklären, warum weiterhin 2,9 Millionen € an Management­gehältern geflossen sind. Ich unterstelle niemandem Absicht, ich unterstelle nieman­dem Korruption, ich unterstelle den handelnden Personen von damals aber maßlose Inkompetenz und Unfähigkeit.

Bevor jetzt die rote Reichshälfte zu schimpfen beginnt, möchte ich schon eines fest­halten: Der jetzige Verkehrsminister war damals noch nicht im Amt, das ist mir durch­aus bewusst.

Der letzte und wichtigste Punkt für die Republik ist aber folgender: Wir verhandeln jedes Jahr den ÖBB-Rahmenplan. Wir NEOS waren bis jetzt noch in keinem Jahr dafür, weil wir der Meinung sind, dass die Projekte überzogen finanziert und geplant werden. Das Wichtigste aber ist: Sie beschließen hier im Hohen Haus jedes Jahr, was die nächsten Jahre gebaut werden soll, aber es gibt seit 2014 keine Finan­zie­rungszusage des Finanzministeriums mehr. Der Clou an der ganzen Geschichte ist, dass es sich auch jedes Jahr verändert, es kommen Bahnhöfe dazu, es wird der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 268

Tunnelbau ein bisschen teurer, manchmal auch billiger. Das Finanzministerium hat zu keinem einzigen Beschluss 2015 oder 2016 Ja gesagt.

Das Finanzministerium ist in schwarzer Hand, gibt kein grünes Licht, die Abgeordneten der ÖVP stimmen aber im Parlament dafür. Das alles ist ein riesiges Chaos. Ich habe, ehrlich gesagt, zwar die Hoffnung noch nicht verloren, aber teilweise schon massiv das Vertrauen in die handelnden Akteure. – Einen schönen Abend. (Beifall bei den NEOS.)

22.40


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


22.40.17

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Frau Präsidentin! Frau Rechnungshof­prä­sidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir behandeln hier heute drei Berichte – die neuen Berichte – des Rechnungshofes: zum Brenner Basistunnel, zum Verkehrsverbund Ost-Region und zur U-Bahn Wien.

An dieser Stelle möchte ich mich auch bei Frau Präsidentin Kraker und ihrem Team bedanken. Es ist wirklich eine Erleichterung. Die Einzelberichte kommen gut an und geben uns die Möglichkeit, dass wir sie rascher, zeitnahe abarbeiten, was ja auch im Sinne aller ist.

Ich beziehe mich in meinem Redebeitrag auf die U-Bahn in Wien, den U-Bahn-Bau in Wien und auf die besondere Situation, die es dabei gibt. Es wurde schon teilweise von den Vorrednern erwähnt: Bund und Land Wien haben im Jahr 1979 in einer Artikel-15a-Vereinbarung über den Wiener U-Bahn-Bau beschlossen, je zur Hälfte die Kosten zu tragen. Der Rechnungshof stellte nun fest, dass ab 1980 die Grundlage dafür fehlte, es wurde quasi das Parlament mehr oder weniger außen vor gelassen, und jetzt kann das Parlament, der Nationalrat nicht mitbestimmen, obwohl der Bund immer noch 50 Prozent zum U-Bahn-Ausbau zahlt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit wir hier keine Missverständnisse im Raum stehen haben: Für den Grundausbau, für das Grundnetz ist es durchaus verständlich und auch nachvollziehbar, aber beim Erweiterungs- und Ergänzungsnetz sieht das Ganze nicht mehr so aus, das ist so nicht mehr nachvollziehbar.

Der Rechnungshof hat die hohen Kosten für Eröffnungsfeierlichkeiten, für Honorare für Künstler kritisiert – ein Kollege hat es auch schon angesprochen –, auch ein Museum wurde mit 58 000 € finanziert. Insgesamt waren es 5,34 Millionen € aus dem Budget des U-Bahn-Neubaus, die nicht dafür verwendet wurden.

Auch die Kontrolle des Geldes, das der Bund zuschießt, ist nicht gegeben; das hat der Rechnungshof ja auch festgestellt. Der Rechnungshof hat einige Punkte kritisch angemerkt, wir unterstützen das und fordern hier auch auf, dieser Kritik nachzugehen. Es wurde auch eine Reihe von Empfehlungen an die Wiener Linien, an die Stadt Wien und an den Bund ausgesprochen, da ist wirklich viel nicht in Ordnung. Der Herr Minister hat im Ausschuss gesagt, er teile Ihre Kritik, dass diese Bezuschussung durch den Bund nicht gedeckt ist, nicht ganz. Für zukünftige Ausgaben, etwaige Bauten der U5 zum Beispiel, halte er aber einen Beschluss des Parlaments für notwendig.

Ich bin gespannt, wann das hier beschlossen wird, denn – das noch einmal ab­schließend – es ist schon eine Ungleichbehandlung, wenn in Wien 50 Prozent bezu­schusst werden und das in anderen Bundesländern, wie es auch einige hier schon angesprochen haben, nicht der Fall ist. So kann es nicht sein! Wir müssen dafür sorgen, dass das alles ordnungsgemäß abläuft, dafür haben wir den Rechnungshof mit


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 269

der Rechnungshofpräsidentin. – An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für Ihre Arbeit. (Beifall beim Team Stronach.)

22.43


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


22.43.52

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungs­hofes! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zum Wiener U-Bahn-Bau hat bereits die Kollegin Stellung genommen. Ich möchte noch ergänzen, dass man immer vergisst, zu sagen, dass sich der Anteil, der Wien betrifft, allein durch die eigene U-Bahnsteuer, die Wien eingeführt hat, zur Gänze deckt.

Ich glaube, das wäre einmal erwähnenswert, viele wissen das überhaupt gar nicht. Man tut einfach so, als gäbe es da unter den Bundesländern eine Ungleichbehandlung. Ich meine, genau das Gegenteil ist der Fall. Der Ausbau gerade im Wiener Verkehrs­netz verdient höchsten Respekt und höchste Auszeichnung. Wir alle können das als begeisterte Öffi-Fahrer in Wien ja täglich erproben. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun aber zum Thema Brenner Basistunnel: Es ist erfreulich – die Vorrednerin hat es schon gesagt –, dass wir jetzt langsam in dieses Rad hineinkommen, dass wir die Rech­nungshofberichte tatsächlich auch thematisch aktuell behandeln können. Dafür möchte ich noch einmal ganz persönlich danken, Frau Präsidentin Kraker.

Das ergibt eben den Erfolg, den es hat. Es tut mir wirklich leid – das sage ich noch einmal zum Kollegen Hauser –, dass der Kollege Verkehrsminister nicht hier sein kann, denn das, was er im Ausschuss gezeigt hat – Sie wissen das selber –, war ja beein­druckend. Er ist kompetent aufgetreten, es ist keine einzige Frage offen geblieben. Alle haben gesagt: Ja, wir sind auf guter Schiene.

Die Empfehlungen, die zu allen drei Berichten gegeben wurden, wurden zum über­wiegenden Teil erfüllt und umgesetzt, alles wurde kompetent beantwortet. Wenn man ein bisschen objektiv ist, muss man auch das einschätzen. Es tut weh, dass er nicht da ist, aber im Ausschuss hat er blendend gewirkt, ist kompetent aufgetreten und hat alle Fragen, die wir gestellt haben, zur Zufriedenheit beantwortet. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin froh, dass auch in diesem Ausschuss die sogenannten exorbitanten Kosten­steigerungen aufgeklärt werden konnten. Ich habe es im Ausschuss auch gesagt: Das wurde medial hochgespielt, gesagt, der Brenner Basistunnel sei ein Kaffeejausen­projekt, Kollege Kogler hat das dann in den Medien so bezeichnet, eine Pi-mal-Daumen-Politik, ein Milliardengrab und so weiter.

Wenn man sieht, wie man das im Ausschuss aufklären konnte, dass diese Kosten­steigerungen in Wirklichkeit gar keine waren, sondern nur einfach die Projekte ausge­dehnt wurden, vom Jahr 2002 bis 2011, bis dann die endgültigen Berichte vorhanden waren, war das beruhigend und brachte Sicherheit.

Wir wissen durch die Aussagen von allen Beteiligten, dieser Brenner Basistunnel ist auch auf EU-Ebene ein Flaggschiff, daher muss niemand Angst haben, dass die Finan­zen nicht gesichert sind. Auch das wurde klargelegt, auch das ist wichtig, denn das war auch ein wichtiger Kritikpunkt. Es wurde auch aufgeklärt, dass die Zulaufstrecken im Plan sind, so wie man das in der Umsetzung vorgesehen hat.

Der Rechnungshof hat zu Recht kritisiert, auch aufgrund der medialen Berichter­stattung, dass es ein großes Fragezeichen gibt. Auch das konnte eindeutig aufgeklärt werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 270

Dazu, dass fast ausschließlich eins zu eins die Argumente von Professor Knoflacher, den ich ja in vielen Bereichen durchaus schätze und respektiere, kommen: Man muss einmal zu Kenntnis nehmen, die Entscheidung für den Brenner Basistunnel ist gefallen. Der kommt. Jetzt geht es tatsächlich um die Frage: Wie können wir das möglichst effizient für die Umwelt und für die Bevölkerung nützen? Da gilt der Zielsatz, den wir immer gesagt haben: Schiene statt Verkehrslawine! Um Maßnahmen setzen zu kön­nen – Nachtfahrverbote, strengere Kontrollen und so weiter –, brauchen wir zuerst eine Alternative, und die Alternative ist dieser Brenner Basistunnel, der ist auf Schiene, als europäisches Riesenprojekt.

Wenn wir diese Alternative haben, können wir dann endlich auch Maßnahmen setzen und das auch von der Wirtschaft verlangen: Jawohl, es ist umzustellen! Dann haben wir die Entlastung für die Tiroler, für, wie ich meine, ganz Europa und für unsere Umwelt. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.48


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Hanger gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


22.48.28

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich beschäftige mich in meinem Redebeitrag mit dem Bericht des Rechnungshofes zum VOR, dem Verkehrsverbund Ost-Region.

Einleitend ein paar Zahlen, die aus meiner Sicht durchaus beeindruckend sind: eine Milliarde Fahrgäste pro Jahr, 900 Linien, 11 500 Haltestellen, 40 Verkehrsunternehmen im Verbund, inklusive der Partnerunternehmen. Über 12 000 Mitarbeiter sind dort be­schäftigt, und es wird ein Gebiet mit knapp vier Millionen Einwohnern betreut. Ich habe vor einigen Jahren selbst Erfahrungen mit dem VOR machen dürfen. Wir haben bei uns in der Region das öffentliche Verkehrsangebot vervierfacht. Die Planung der Ver­kehrslinien und das Ausschreibeverfahren wurden höchst professionell von der Ge­schäfts­führung des VOR begleitet.

Herr Kollege Bernhard, wenn Sie sich hierherstellen und quasi den VOR und dessen Geschäftsführung pauschal verurteilen, dann würde ich Sie schon ersuchen, sich mit dem VOR ein bisschen intensiver auseinanderzusetzen – das sind doch einigermaßen komplexe Strukturen –, habe aber auch ein bisschen Verständnis dafür. Sie haben ja mittlerweile doch eine große Personalnot im Klub, und man kann sich natürlich nicht alles so genau anschauen.

Eine Zahl, die im Ausschuss genannt wurde, aber ungeklärt blieb, möchte ich noch erläutern: Im Rechnungshofbericht wurde aufgezeigt, dass es im Betrachtungszeitraum 2010 bis 2014 8 Prozent mehr Verkehrsangebot und 41 Prozent mehr Fahrgäste gab, allerdings nur eine Erlössteigerung um 7 Prozent. Ich hatte den Eindruck, diese Frage konnte man im Ausschuss nicht wirklich vollständig klären. Die Erklärung ist eigentlich relativ einfach: Dafür kann nur das Top-Jugendticket verantwortlich sein. Das Top-Jugendticket wurde 2012 eingeführt, es gab 340 000 Verkäufe pro Jahr. Junge Menschen im Verkehrsverbund in Niederösterreich, im Burgendland und in Wien haben die Möglichkeit, für 65 € das gesamte öffentliche Verkehrsangebot in Anspruch zu nehmen. Dass das bei 65 € im Jahr natürlich nicht die gewünschten Erlöse bringt, ist auch klar, aber die jungen Menschen in Österreich, die Schülerinnen und Schüler und die Lehrlinge, quasi für das öffentliche Verkehrsangebot zu begeistern, ist aus meiner Sicht auch eine gute Erfolgsgeschichte.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 271

Ich glaube, es ist ein guter Bericht, der auch zeigt, wie gut der Rechnungshof und die zu prüfende Stelle miteinander arbeiten. Der Rechnungshof hat Optimierungs­poten­ziale aufgezeigt, der VOR hat diese Optimierungspotenziale in einem hohen Ausmaß umgesetzt. Beispiele sind das einheitliche Tarifsystem oder die Einführung einer Kos­ten­rechnung.

Ich denke, es ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Zusammenarbeit zwischen Rech­nungshof und der zu prüfenden Stelle – die dazu geführt hat, dass das Unternehmen eine positive Entwicklung in die Zukunft nehmen kann  funktionieren kann. Herz­lichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

22.51


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lausch. – Bitte.

 


22.51.20

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Geschätzte Präsidentinnen! Hohes Haus! Jetzt kommt es in geballter Kraft: Auch ich habe mir den Bericht angesehen, es ist ein sehr guter Bericht, Lob an Sie und Ihre Mitarbeiter!

Verkehrsverbund Ost-Region: Was muss man dazu sagen? – Also ich teile die Meinung des Kollegen Hanger nicht, schon eher die Meinung des Kollegen Bernhard. Man kann nicht sagen, man weiß es nicht genau, aber es wird schon das Jugendticket sein. (Abg. Hanger: ... Opposition!) – Na ja, man kann nicht irgendetwas verteidigen. Auch du hast den Auftritt des Vertreters des VOR im Ausschuss gesehen, der, sagen wir einmal, sehr, sehr unsicher war, sanft ausgedrückt.

Man muss wissen, dass der Verkehrsverbund für die Ostregion, für Wien, Niederöster­reich und das Burgenland, zuständig ist. Da muss man natürlich auch klipp und klar sagen: 50 Prozent der Bevölkerung sind Pendler und tatsächlich darauf angewiesen, dass diese Ostregion gut funktioniert und dass mit den Geldern gut umgegangen wird. Sie sind auf diesen Verbund angewiesen. In gewissen Regionen, wenn ich jetzt an das Wald- und Weinviertel denke, von denen aus man nach Wien zur Arbeit pendeln muss, betrifft das 80 Prozent. Wenn man sich einmal unter diesen Menschen umhört, dann erfährt man, was diese teilweise über den Verkehrsverbund Ost-Region sagen: Die Beschwerden werden mehr, die Qualität wird schlechter, die Fahrpläne werden schlechter.

Wenn man jetzt noch dem Rechnungshofbericht absoluten Glauben schenkt – und ich glaube, das tun wir hier überfraktionell –, dann ist das natürlich ein Wahnsinn: Man liest – der Kollege, mein Vorredner, hat das schon gesagt –, dass das Management des VOR bereits im Jahr 2000 mit dem VVNB zusammengelegt wurde und bis zur Zeit der Gebarungsprüfung keine Zusammenführung der unterschiedlichen Tarifsysteme vollzogen wurde. Man wollte zwei Managementsysteme aufrechterhalten, das kann ja gar nicht anders sein.

Wenn man dann noch liest, dass die Pendler in der Ostregion im Jahr 2014 rund 48 Prozent der Fahrgäste repräsentieren und 54 Prozent der Erlöse ausmachen, dann heißt das: Das ist eine reine Pendlereinrichtung. Daher ist es umso mehr verwun­derlich, wenn das Management nicht ordnungsgemäß mit den Geldern umgeht und nicht besser im Sinne der Pendler, die wirklich auf diesen Verkehrsverbund angewie­sen sind, arbeitet.

Man hört von den Pendlern: Die Bus- und Bahnverbindungen werden immer schlech­ter, die Qualität lässt nach, das, das, das, die Preiserhöhungen. Meiner Meinung nach ist das nicht ganz so zu erklären wie für dich, Kollege Hanger. Du sagst, das Ver­kehrsunternehmen konnte 41 Prozent mehr Fahrgäste verzeichnen, aber nur 7 Prozent


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mehr Einnahmen. Es wird schon das Jugendticket zum Teil dafür verantwortlich sein, aber da klafft meines Erachtens trotzdem eine viel zu große Schere auseinander. Also ganz glaube ich das nicht.

Du als Vertreter der Regierungsparteien glaubst es schon, aber dann ist es noch verwerflicher, dass sich die Verkehrsunternehmen – wie im Bericht zu lesen – nicht auf die Aufteilung der Mehreinnahmen einigen konnten. Also Mehreinnahmen muss es demnach gegeben haben. Ob da deine Rechnung mit 41 und 7 Prozent so aufgeht? – Ich glaube es nicht. Wenn man den Bericht genau liest, ist es noch viel, viel verwerf­licher, dass man sich nicht auf die Aufteilung einigen konnte. Du stellst dich jedoch hierher, lobst das Management und sagst, Kollege Bernhard habe keine Ahnung.

Ich weiß nicht, wie du das siehst. Ich sehe das ähnlich wie die NEOS, aber nicht so, wie du das hier verteidigt hast, denn das passt vorne und hinten nicht zusammen. In Zukunft wird es wichtig sein, dass sich die Pendler, die auf Bus und Bahn angewiesen sind, wirklich darauf verlassen können, dass das Management gut für sie arbeitet und dass solche Rechnungshofberichte nach Möglichkeit nicht mehr vorkommen. Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

22.55


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. – Bitte.

 


22.56.03

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Rechnungshofpräsidentin! Hohes Haus! Ich beziehe mich in meiner Rede auf das Brenner-Basistunnel-Projekt. Die Überprüfung des Rechnungshofes fand in der Zeit von April 2015 bis Jänner 2016 statt, der Überprüfungszeitraum erstreckte sich von 2010 bis 2014.

Der Brenner-Basistunnel ist eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte Österreichs und wird einen zentralen Beitrag leisten, um den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Der Tunnel ist auch das Schlüsselstück einer durchgängigen Verkehrsachse zwischen Berlin und Palermo und somit für das europäische Verkehrs­wegenetz unverzichtbar.

Der Rechnungshof sprach insgesamt 30 Empfehlungen aus, wobei ein wesentlicher Kritikpunkt doch die gestiegenen Kosten waren. Aufgrund der Ausführungen der Experten im Rechnungshofausschuss konnten meiner Meinung nach Missver­ständ­nisse über die Aussagen des Rechnungshofberichtes sehr wohl ausgeräumt werden. Von einer plötzlichen Kostenexplosion des Projektes kann sicher nicht die Rede sein, vielmehr wurden vom Rechnungshof nicht direkt miteinander vergleichbare Projekt­phasen und Berechnungsmodelle aufgelistet.

Der vom Rechnungshof angestellte Vergleich der Kostenentwicklung des Brenner-Basistunnels zwischen den ersten öffentlichen Prognosewerten auf der Stufe des Vorprojekts im Jahr 2002 und der mit Ende 2015 genehmigten Kostenprognose ist, so meine ich, aus mehreren Gründen nicht gerechtfertigt und auch nicht vergleichbar. Die unterschiedlichen Preisniveaus, der geänderte Projektinhalt, zusätzliche UVP-Auflagen in beiden Ländern sowie zusätzliche Kosten des Probebetriebes und der Inbetrieb­nahme hätten sehr wohl berücksichtigt werden müssen.

Ich möchte auch noch in Erinnerung rufen, dass der damalige Rechnungshofpräsident Moser im April 2009 selbst im Rahmen eines Rechnungshofausschusses festgestellt hat, dass bis zum angenommenen Fertigstellungstermin im Jahr 2015 von valorisierten Kosten in Höhe von rund 10 Milliarden € auszugehen sei, wovon 5 Milliarden € auf


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 273

Österreich entfielen. Diese haben sich ja bis jetzt nicht geändert, daher sind diese Kritikpunkte meines Erachtens etwas unverständlich.

Meiner Ansicht nach ist es aber gut, wichtig und richtig, dass der Rechnungshof solch ein großes Projekt begleitend kontrolliert. Von den 30 Empfehlungen des Rechnungs­hofes sind auch praktisch alle bereits abgearbeitet beziehungsweise in Umsetzung.

Wichtig ist auch die Finanzierungssicherheit: Diesbezüglich muss das Finanzministe­rium zeitgerecht den Zuschussvertrag unterschreiben. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.59


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Gerstl gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


22.59.13

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Ich schätze als Öffi-Fahrer die Wiener U-Bahnen, aber ich kann nicht nur nicht schätzen, sondern ich muss auch strikt ablehnen, dass Steuer­gelder zweckwidrig verwendet werden. Daher hat mich dieser Bericht des Rechnungs­hofes entsetzt.

Die Wiener U-Bahn wird zu 50 Prozent vom Bund finanziert, und zwar ausschließlich für den Neubau. Meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen, aber ich möchte es noch einmal klarmachen: Eröffnungsfeiern zählen nicht zum U-Bahn-Neubau: weder die Bewerbung der Eröffnung, noch die Künstler, noch die Bewirtung der Menschen, die dort hingehen. (Abg. Schieder: Sollen wir sie nicht eröffnen?) Wenn das ein Privatunternehmen wäre, das öffentliche Förderungen bekommen würde, dann wäre der Verdacht des Förderbetrugs sofort gegeben. Das ist der erste Punkt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: Ganz falsch! Das wäre dabei!)

Damit ist es aber noch nicht genug, Herr Kollege, denn Sie rechnen nicht nur die Eröff­nungsfeiern dem Neubau zu und holen sich damit das Geld vom Bund, sondern Sie rechnen es, weil Sie es als Neubau ansehen, als Investitionskosten und schreiben es noch auf 50 Jahre ab. Stellen Sie sich vor, dass Eröffnungsfeiern auf 50 Jahre abgeschrieben werden! Wenn das ein Privatunternehmen täte, wäre die Finanz die Erste, die das prüfen würde (Zwischenrufe bei der SPÖ), denn der Verdacht auf Bilanz­fälschung wäre gegeben, wenn Feiern und Catering als Investitionen abgerechnet würden. (Abg. Lugar: Keine Ahnung! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Meine Damen und Herren, so kann man nicht mit Steuergeld umgehen. Stellen Sie sich dazu jetzt noch vor, dass die Kontrolle derzeit nur in einem solchen Maße gegeben ist, dass das Verkehrsministerium im Jahre 2010 das erste Mal widmungs­widrig verwendete Gelder in der Größenordnung von 3 Millionen € von der Stadt Wien zurückverlangt hat und dass dieses bis zum Prüfungsbeginn durch den Rechnungshof noch nicht zurückgezahlt wurde – sprich über sechs Jahre hindurch nicht zurück­gezahlt wurde –, obwohl der Anspruch des Bundes besteht.

Meine Damen und Herren! Wenn da bei der Kontrolle im Verkehrsministerium und bei der Kontrolle der Stadt Wien nicht rechtzeitig und rasch etwas geändert werden muss, dann weiß ich nicht! Frau Rechnungshofpräsidentin, kümmern Sie sich darum, dass diese Kontrolle in Zukunft eingehalten wird! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

23.02


Präsidentin Doris Bures: Nun ist die Frau Rechnungshofpräsidentin zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Dr. Kraker. (Abg. Jarolim: Könnten Sie die Unrichtigkeiten bitte richtigstellen?)

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 274

23.02.40

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! (Abg. Krainer: Grundbegriffe der Buchhaltung!) Angesichts der fortge­schrittenen Zeit will ich einige grundsätzliche Bemerkungen machen und möchte sagen, dass sich der Rechnungshof um wichtige Fragen kümmert, wie diese Debatte eben zeigt, um Verkehrs- und Infrastrukturprojekte, um große Projekte. Wir bleiben dabei, und werden auch weiterhin auf große Infrastrukturprojekte achten, darauf, dass hinsichtlich der Finanzierung Kontrolle und Transparenz herrschen.

Es war gerade heute der dänische Rechnungshof beim österreichischen Rechnungs­hof mit Vertreterinnen und Vertretern der Staatsrevisoren zu Besuch. Sie haben sich für unsere Prüfberichte interessiert, für das, was der österreichische Rechnungshof im gesamten Infrastruktur- und Verkehrsbereich gemacht hat. Ich sehe das als Auszeich­nung unserer Arbeit.

Ich will auch etwas Positives sagen: Positiv will ich hervorheben, dass es im Aus­schuss grundsätzlich große Umsetzungsbereitschaft gegeben hat. Wir werden natür­lich nachschauen, ob es dann wirklich zu dieser Umsetzung kommt.

Was sind die zentralen Punkte und die zentralen Herausforderungen, die wir quer über alle drei Prüfberichte, die wir hier jetzt behandeln, gesehen haben? – Es geht um richtige vertragliche Grundlagen, um aktuelle und umfassende Grundlagen. Es geht eben um die Fragen von Finanzierung, Kostentragung und Transparenz. Und es geht um eine zeitgemäße Koordinierung und eine funktionierende Abstimmung zwischen den Gebietskörperschaften, denn Verkehrspolitik kann man nicht auf Landesgrenzen beschränken. Wie wir beim Verkehrsverbund sehen, ist es wichtig, dass es eine Ab­stimmung zwischen den Gebietskörperschaften über die Grenzen hinweg gibt, damit der Kunde zu einheitlichen Tarifen kommt, und damit es dann ein einheitliches Management gibt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Was das Thema U-Bahn betrifft, haben wir kritisiert, dass dem eine Artikel-15a-Ver­einbarung aus dem Jahr 1979 zugrunde gelegen ist und diese seither für die unter­schiedlichen Ausbauphasen über privatrechtliche Vereinbarungen tradiert wurde. Auch die Mitfinanzierung einer etwaigen fünften Ausbauphase wurde in einem Side Letter bereits präjudiziert.

Wir haben das vom Detaillierungsgrad her als mangelhaft angesehen, und wir haben kritisiert, dass es wegen der mangelnden vertraglichen Grundlagen nicht möglich war, eine richtige Mittelverwendung und Kostenzuordnung zu garantieren. Es fehlte bei­spiels­weise eine klare Unterscheidung zwischen Neubau- und Sanierungsinvestitionen. Der Herr Bundesminister hat das eingesehen und hat die zeitnahe Schaffung einer Regelung, einer einwandfreien rechtlichen Grundlage für die nächste Ausbauphase zugesichert.

Beim Verkehrsverbund Ostregion haben wir es ebenfalls mit veralteten Vertrags­grundlagen zu tun, und die Umsetzung der Tarifreform hat ja sehr lange gedauert, in Summe acht Jahre. Jetzt, mit Umsetzung dieser Tarifreform steht einem neuen Grund- und Finanzierungsvertrag aus Sicht des Rechnungshofes nichts mehr im Wege, und das wäre rasch zu finalisieren.

Infrastrukturprojekte interessieren den Rechnungshof, weil sie kostenintensiv sind. Ich darf noch einmal daran erinnern: Die Gesamterrichtungskosten der vierten Ausbau­phase der Wiener U-Bahn betragen insgesamt 1,8 Milliarden €, die Kosten für den Bau des Brennerbasistunnels mit Preisbasis 1. Jänner 2013 werden mit rund 8,661 Milliar­den € beziffert.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 275

Zur Kostendarstellung in unserem Bericht will ich sagen, dass wir im Bericht die Chro­nologie der Kostenentwicklung über mehrere Etappen hinweg dargestellt haben, und die erste Prognose im Jahr 2002 gemacht wurde.

In der VOR GmbH – und ich finde, das ist doch ein erstaunlicher Betrag – belaufen sich die Beiträge der öffentlichen Hand im Jahr 2014 auf insgesamt 291 Millionen €, und das ist ein knappes Drittel des gesamten Mitteleinsatzes in der Höhe von 961 Millionen €, der für den öffentlichen Personenverkehr in der Ostregion aufgewandt wurde.

Was ist wichtig? – Wichtig ist die nachhaltige Sicherstellung der Finanzierbarkeit derartiger Projekte und Maßnahmen einschließlich der korrekten Darstellung in den Rechenwerken auf Bundes- und auf Landesebene, und naturgemäß geht es beim Brennerbasistunnel auch um die EU-Kofinanzierung. Die EU beteiligte sich an der Finanzierung bis 2019 mit rund 1,7 Milliarden €, und für die Jahre nach 2020 lag eben zum Zeitpunkt der Prüfung noch keine Entscheidung über die weitere Kofinanzierung vor.

Wichtig – und das will ich jetzt nur kurz noch einmal hervorheben – ist eben die Abstimmung der unterschiedlich beteiligten Akteure bei verkehrspolitischen Maß­nahmen. Die Tarifgestaltung etwa in der VOR-Region, die Einführung des 365-€-Jahrestickets oder auch raumplanerische Maßnahmen wirken sich dann auch auf die Fahrgastzahlen und auf die Erlösentwicklungen aus. Da ist es wichtig, dass es eine direkte Abstimmung zwischen der jeweiligen Gebietskörperschaft und der VOR GmbH gibt.

Weiters ist auch wichtig, dass vonseiten der Gebietskörperschaften hinsichtlich der Kosten- und Terminkontrolle gesteuert wird. Aufgrund unserer Gebarungsüberprüfung beim Brennerbasistunnel hat beispielsweise das Verkehrsministerium schließlich doch die SCHIG mit einer Mittelverwendungskontrolle für den Brennerbasistunnel beauftragt. Aus der Sicht des Rechnungshofes ist das nur über eine vertiefte begleitende Projektkontrolle möglich.

Auf Bundesebene muss es in Bezug auf den öffentlichen Mitteleinsatz für den öffent­lichen Personenverkehr einen Überblick geben. Wir haben kritisiert, dass es keine vollständige Kostengesamtübersicht gab. Es ist wichtig, dass es eine Entscheidungs­grundlage gibt, dass Daten zugrunde gelegt werden, die für die verkehrspolitische Steuerung dann auch herangezogen werden können.

Was den Ausbau der Wiener U-Bahn betrifft, haben wir kritisiert, dass es da keine Kontrolle der Mittelverwendung durch den Bund für seinen 50-prozentigen Anteil der Kosten gab.

Was die Abstimmung und Koordinierung betrifft, so ist es im Bereich des Brenner­basistunnels gerade im Hinblick auf die Zulaufstrecken natürlich wichtig, dass diese Koordinierung über die österreichischen Grenzen hinausgeht, und da brauchen wir völkerrechtlich verbindliche Zusagen, damit die Wirkung der österreichischen Inves­titionen auch ankommt, wenn man den Tunnel fertiggestellt hat. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

23.10


Präsidentin Doris Bures: Danke, Frau Rechnungshofpräsidentin.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lasar. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 276

23.10.38

Abgeordneter David Lasar (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mich kurz fassen. Zum Ausbau der U-Bahn in Wien hat man heute schon sehr viel gehört. Ich kann nur einige Kritikpunkte, die vielleicht noch nicht erwähnt worden sind, jetzt einmal kundtun.

Es gibt natürlich auch vom Rechnungshof Kritikpunkte, zum Beispiel das traditionelle Finanzierungsmodell für den Ausbau: Wien und der Bund teilen sich die Kosten, aber für die Aufteilung der Kosten fehlt die Rechtsgrundlage, das ist das Problem; oder mangelnde Kontrolle über den Einsatz der Mittel, die teilweise in das Verkehrsmuseum geflossen sind; oder das Fehlen einer klaren Trennung von Investitionen, es wurden Neubauinvestitionen und Instandhaltungs- und Sanierungskosten vermischt, was eine Kontrolle, die es nicht wirklich gibt, eigentlich sehr erschwert.

Das ist natürlich alles sehr bedenklich. Für den Steuerzahler ist es zum Beispiel völlig unverständlich, wenn Mittel in der Höhe von 5,34 Millionen € beispielsweise zur Errich­tung eines Verkehrsmuseums beziehungsweise auch zur Finanzierung von Eröff­nungs­feierlichkeiten und Informationsmaterial verwendet werden.

Ich denke, die Menschen wollen von den U-Bahnen eines haben: Man möchte am schnellsten und am sichersten und am besten von A nach B kommen. Das wäre einmal wichtig, und nicht ständig Feierlichkeiten abzuhalten, die nur wegen Rekordzahlen an Jahreskartenbesitzern zu feiern sind. Es würde reichen, wenn man die Ressourcen endlich einmal berücksichtigen würde.

Wir müssen in Wien erstens einmal die Intervalle erhöhen. (Ruf: Erhöhen?) – Die Intervalle gehören erhöht. (Abg. Schieder: Erhöht?) – Erhöhen, noch mehr! (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Entschuldigen Sie, man müsste dafür sorgen, dass die U-Bahnen schneller kommen. Sicherheitsmaßnahmen sollten endlich einmal ausgebaut werden, das wäre ganz wichtig in der heutigen Zeit. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schieder.– Ja, aber trotzdem. Sie wissen ja ganz genau, Sie sind kein U-Bahn-Fahrer, sondern Sie fahren mit Chauffeur und Auto, also werden Sie die Sicherheit auch nicht vermissen.

Das Nächste ist die Pannenserie. (Abg. Schieder: Frechheit!) – Frechheit ist ganz etwas anderes! (Abg. Schieder: Ich fahre mit der U-Bahn!)  Na ja, Sie wissen nicht einmal, wo die nächste U-Bahn-Station ist, also hören Sie auf! (Beifall bei der FPÖ.) So viel zu Ihrem U-Bahn-Fahren, aber egal.

Jetzt ist es schon spät und ich möchte Sie nicht länger aufhalten, aber Sie werden doch eines zugeben können: Der Rechnungshof hat immer … (Abg. Matznetter: Keine Ahnung!) – Was regen Sie sich ständig auf? Sie haben ja nicht einmal als Finanz­staatssekretär etwas weitergebracht, und jetzt sitzen Sie da und regen sich schon wieder auf! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

23.14


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kucher. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


23.14.14

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Rech­nungs­hofpräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es an der Uhrzeit liegt. Wenn man die Debatte hier im Hohen Haus mit der ausführlichen Debatte im Rechnungshofausschuss vergleicht, dann muss ich sagen: Da liegen Welten


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 277

dazwischen. Die Kollegen und Kolleginnen von uns – ich persönlich bin ja nicht Mit­glied im Verkehrsausschuss – erleben das vielleicht anders. Ich kann nicht nachvoll­ziehen, warum das derartig emotional ist, wenn auch der Brennerbasistunnel und die U-Bahn-Verbindungen in Wien durchaus wichtige Themen sind.

Ich habe es schade gefunden, wie die gesamte Debatte verlaufen ist. Wir haben einen Großteil der Empfehlungen umgesetzt. Es wäre spannend gewesen, noch ein bisschen darüber zu reden. Mir wäre es wichtig gewesen, auch noch einmal ganz stolz darauf hinzuweisen, was der Brennerbasistunnel für die Region, für Österreich, aber auch europaweit bedeutet. Es ist eines der bestfinanzierten Projekte europaweit, und ich glaube, darauf könnten wir durchaus auch stolz sein.

Es freut mich, dass im Ausschuss einige Punkte aufgeklärt wurden, wie die Zulauf­strecken, wo wir gemeinsam mit Deutschland den Druck erhöhen müssen und wirklich gute Lösungen zustande bringen können. Dem österreichischen Verkehrsminister vor­zuhalten oder zu behaupten, er wäre zuständig für die Trassenführung in Deutschland, geht doch etwas zu weit. Es freut mich, dass es in Italien Bewegung gibt, und dass die Frage der Kostenentwicklung diskutiert werden konnte, finde ich persönlich auch sehr positiv.

Kollege Hauser! Im Unterschied zum Rechnungshofausschuss war es einfach nicht fair, wie das heute abgelaufen ist. Die Aussprache im Rechnungshofausschuss war durchaus konstruktiv. Heute dem Minister vorzuhalten, dass er nicht anwesend ist, was bei einer Aussprache im Parlament nie der Fall sei, ist einfach nicht fair. Wir haben stundenlang im Ausschuss diskutiert.

Kollege Gerstl! Ich weiß nicht, was ich zu den U-Bahnen sagen soll. Sie haben kaum über die Bedeutung der Wiener U-Bahnen gesprochen. Ich darf vielleicht abschließend noch einen konstruktiven Vorschlag machen, einen lösungsorientierten Vorschlag: Viel­leicht könnte man die Finanzierung der Eröffnungsfeierlichkeiten anders regeln. In Niederösterreich wird ja beinahe jeder Zebrastreifen oder jeder Kreisverkehr eröffnet. Vielleicht könnte die Dr.-Erwin-Pröll-Privatstiftung die Finanzierung dieser Feierlich­keiten übernehmen. Wien ist ja umgeben von Niederösterreich, liegt im Herzen Nie­derösterreichs. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, über die Privatstiftung diese Finan­zierungskosten zu übernehmen; dann sollte es auch keine Probleme mehr mit der Buchhaltung geben. Das wäre durchaus auch für den ländlichen Raum eine gute Entwicklung und das Geld wäre sinnvoll eingesetzt und würde nicht irgendwo auf Konten dahinvegetieren. (Beifall bei der SPÖ.)

23.16


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Preiner. – Bitte.

 


23.17.09

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Geschätzte Präsidentinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich beziehe mich in meinen Ausführungen auf den Bericht des Rech­nungshofes zum Verkehrsverbund Ostregion und bedanke mich bei den ExpertInnen des Rechnungshofes für den erstellten Bericht.

Der Berichtszeitraum umfasst die Zeitspanne 2010 bis 2014. Der Verkehrsverbund Ostregion wird von den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Burgenland getragen. Ich darf erwähnen, dass der VOR ein Best-Practice-Beispiel für den öffent­lichen Verkehr ist. Er ist insofern ein Best-Practice-Beispiel, als er tolle Angebote für die PendlerInnen, für die Schüler, für die Studenten hat.

Der öffentliche Verkehr, ob Bahn oder Bus, wird genutzt, um in die Ballungsräume zu kommen, aus dem Raum Burgenland primär nach Wien beziehungsweise natürlich


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auch nach Eisenstadt im Burgenland selbst, aber auch nach St. Pölten. Das ist insofern ein Best-Practice-Beispiel, als dadurch auch die Autobahn, die Straße entlastet wird; das heißt, immer mehr Menschen – und das sieht man auch in der Statistik – benützen die tollen öffentlichen Verkehrsangebote, seien es jene der Bahn oder des Busses. Das schafft nicht nur Entlastung auf Bundesstraßen und Autobah­nen, sondern reduziert auch den CO2-Ausstoß und ist so ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz in Österreich. Daher ein Dankeschön für die tollen Verbindungen des öffentlichen Verkehrs! (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Ich darf auch erwähnen, dass das Bundesland Burgenland genauso wie Niederösterreich und Wien sehr große finanzielle Beiträge zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs leistet. So bezahlt das Burgenland zum Beispiel 2017 17,3 Millionen € für den öffentlichen Verkehr, für den Bereich des Ver­kehrsverbundes Ost-Region knapp 9 Millionen €. Ich darf auch erwähnen, dass die Neusiedler Seebahn von Pamhagen nach Neusiedl am See und in weiterer Folge Richtung Wien Hauptbahnhof vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2016 einen Fahrgäste­zuwachs von 54 Prozent zu verzeichnen hat. Das ist auch im internationalen Vergleich ein Spitzenprozentsatz.

Weiters darf ich erwähnen, dass das Land Burgenland die Jahresfahrkarte mit 50 Pro­zent fördert, die Fahrkarte für die Fahrt mit dem Zug von Eisenstadt oder von Neusiedl am See nach Wien den Pendlerinnen und Pendlern 1 435 € kostet, einen genauso hohen Betrag leistet das Land Burgenland. Eine Subvention für den öffentlichen Verkehr in dieser Höhe ist fast einmalig. Wir sehen, dass der öffentliche Verkehr dem Land Burgenland und den Verkehrsverantwortlichen im Burgenland sehr viel wert sind.

Geschätzte Damen und Herren! Diese Zahlen sprechen für sich. Ich möchte aber auch noch in Erinnerung rufen, dass das Top-Jugendticket ein tolles Angebot für Jugend­liche, Schüler und Studenten ist, mit 60 € sind sie innerhalb des gesamten Bereiches des Verkehrsverbundes Ost-Region mobil. Damit schafft man auch die Möglichkeit, dass Jugendliche am Wochenende nicht mit dem privaten PKW fahren müssen und auch nicht Gefahr laufen, bei zu viel Alkoholkonsum in Verkehrskontrollen zu geraten. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, alles Gute für den Verkehrsverbund! Frau Rech­nungshofpräsidentin, nochmals danke schön für den Bericht! (Beifall bei der SPÖ.)

23.20


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


23.20.50

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Frau Rech­nungs­hofpräsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Rechnungs­hofbericht TOP 31 bis 33: Ich nehme Stellung zu TOP 31.

Herr Kollege Kucher, du hast gesagt: Ich weiß nicht, was soll ich zu den U-Bahnen sagen? – Ich sage dir sehr wohl etwas zu den U-Bahnen: Die Finanzierung der Wiener U-Bahnen, eine Bundesländervereinbarung von 1979, wurde nur mit einem privat­recht­lichen Übereinkommen umgesetzt. Der Rechnungshof prüft die finanzielle Beteiligung des Bundes am Ausbau der Wiener U-Bahn-Linien U3 und U6. Dazu wurde 1979 eine 15a-Vereinbarung zur Kostenteilung von jeweils der Hälfte abgeschlossen. Der Rech­nungshof zeigt in seinem Bericht auf, dass die Vereinbarung ab dem Jahr 1980 privat­rechtlich fortgesetzt wurde, was eine Umgehung der Vorschriften der Finanz­verfassung darstellt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 279

Es wurden regelmäßig Finanzzuweisungen ohne gesetzliche Regelung vorgenommen, der Nationalrat wurde total ausgeschaltet, und das ist ein nicht tragbarer Zustand. Es ist schon interessant, dass vier Ausbaustufen – Herr Kollege Kucher, vier Ausbau­stufen! – vorgenommen werden, und erst bei der fünften Ausbaustufe wird das Parla­ment wieder gefragt und muss seine Zustimmung geben.

Das ist eine hochinteressante Entwicklung, Frau Präsidentin! Deshalb ist es gut, dass es den Bundesrechnungshof gibt, der diese Sachen prüft. Ich bedanke mich herzlichst. (Beifall beim Team Stronach.)

23.22


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Abgeordnete Dr. Moser zu Wort ge­meldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


23.22.31

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Rechnungs­hof­präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Höflichkeitshalber lasse ich die an­deren vorher sprechen, denn es geht ja darum, dass wir aus den Empfehlungen des Rech­nungshofes die Konsequenzen ziehen.

Wir bedanken uns jedes Mal bei den engagierten Prüfern. Ich bedanke mich auch bei der Frau Präsidentin, die ja doch immer wieder die Grundstrukturen hervorkehrt und uns sagt, wo wir den Hebel ansetzen müssen und wo Reformen notwendig sind.

Jetzt haben wir gehört: Der Herr Verkehrsminister, der sich wirklich bemüht hat, im Ausschuss Rede und Antwort zu stehen und die Fachleute in die Diskussion mitein­zubeziehen, ist immerhin bereit, die gesetzlichen Grundlagen für den Wiener U-Bahn-Bau anzustreben, sodass dort endlich nicht privatwirtschaftliche Verträge, sondern gesetzliche Grundlagen existieren. Er hat auch gesagt, er ist bereit, dass der Bund seine Steuerungsfunktion doch etwas mehr wahrnehmen wird. – Na gut, das ist ein kleiner Fortschritt, vielleicht sogar ein mittelgroßer Fortschritt. Jetzt brauchen wir aber noch einen großen Fortschritt. Die Frau Präsidentin hat schon darauf hingewiesen, dass es nicht nur darum geht, die gesetzlichen Grundlagen im Verkehrsbereich so zu gestalten, dass effizient, wirtschaftlich und auch zielgerichtet gearbeitet wird, sondern dass es auch um die Transparenz der Finanzierung geht. Da haben wir, was die Verkehrsverbünde angeht, noch sehr viel nachzuschießen. Da gibt es noch oft Unklarheiten und Ineffizienzen.

Wir haben jetzt auch von den Schwierigkeiten bei den bundesländerübergreifenden Systemen gehört. Die PendlerInnen haben gerade im östlichen Bereich Österreichs oft zwei Landesgrenzen zu überwinden. Das sind Herausforderungen, bei denen es darum geht, nicht den Kantönligeist regieren zu lassen, nicht die niederöster­reichi­schen, burgenländischen oder Wiener Scheuklappen aufzusetzen, sondern bei den Tarifen auch wirklich integriert anzubieten. Die Taktfahrpläne sind schon so ausge­richtet, aber bei den Tarifen gilt es noch nachzubessern. Immerhin hat es acht Jahre gedauert, bis man den VOR-Tarif überhaupt geboren hatte – acht Jahre, oder war es sogar länger!

Jetzt zum letzten Aspekt, auf den der Rechnungshof berechtigterweise immer wieder hinweist, nämlich zur Finanzierung, die im Kontext mit den verkehrspolitischen Rah­men­bedingungen zu sehen ist. Was nützen uns die Milliarden, die wir in den öffent­lichen Verkehr investieren, wenn der öffentliche Verkehr nicht gleichzeitig dadurch attraktiver wird, indem der Straßenverkehr unattraktiver wird?

Ein Paradebeispiel ist der Güterverkehr auf der Tiroler Achse, auf der Brennerachse: Jetzt haben wir schon Kapazitäten frei. Jetzt wäre es schon längst möglich, dafür zu


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sorgen, dass die Zahl der Lkw-Transporte zurückgeht und die Gütertransporte auf der Schiene vorangetrieben werden. Es wäre möglich, wenn die verkehrspolitischen Rah­men­bedingungen und das Angebot preislich und kontingentmäßig adäquat wären, wenn es eine Transitbörse gäbe.

Dazu hat uns der Herr Minister im Ausschuss – obwohl auch Sie darauf hingewiesen haben, dass das dringend notwendig ist, wenn man schon 8 Milliarden € in die Hand nimmt – nur achselzuckend gesagt: Meine Güte, die Mautstrecke in Tirol ist zu kurz. – Ja, das war die Antwort: Leider ist Tirol zu schmal und die Mautstrecke zu kurz. Inso­fern ist der Verlagerungseffekt nicht mit österreichischen Alleinmaßnahmen zu erzie­len, wir brauchen gesamteuropäische. Da frage ich schon allein aus finanzpolitischer Sicht: Warum sollen die österreichischen SteuerzahlerInnen größtenteils diese Tunnel­kosten tragen, nur weil die europäischen Rahmenbedingungen fehlen, die zu einer Verlagerung führen?

Sie können es im Bericht genau nachlesen: Die Deutschen bauen nicht aus. Die Ter­minalstationen in Würzburg sind Zukunftsmusik, die Verlagerungen, die dort notwendig sind. Totale Zukunftsmusik! Nirgendwo liest man davon, aber wir nehmen das Steuer­geld in die Hand. Finanzierungskosten – der Rechnungshof hat es gesagt –: 3,3 Milliar­den €. Alleine die Finanzierungskosten! Frau Kollegin Fekter, Sie lesen es jetzt wieder in der „Kronen Zeitung“, erinnern Sie sich, was Sie damals gesagt haben: Sie können wegen dieser Finanzierungskosten gar nicht mehr recht schlafen, haben Sie gesagt.

Jetzt sind wir schon zu mitternächtlicher Zeit, darum höre ich jetzt auf. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.) Ich möchte Ihnen nur noch einmal ins Gewissen reden: Denken Sie bei diesen Projekten an die Finanzierungskosten! Der Rechnungs­hof weist zwar darauf hin, nur Sie bedenken es oft nicht. Und: Die verkehrspolitischen Maßnahmen sind das Zentrale. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Fekter.)

23.27

23.27.39

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 31: Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-335 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 32: Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-338 der Beilagen zur Kennt­nis zu nehmen.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 33: Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-360 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll173. Sitzung / Seite 281

Wer spricht sich dafür aus? – Auch dieser Bericht ist einstimmig zur Kenntnis ge­nommen.

23.28.59Einlauf

 


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 2096/A(E) bis 2108/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 23.29 Uhr – das ist sogleich im An­schluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

23.29.29Schluss der Sitzung: 23.29 Uhr

 

 

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