Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll175. Sitzung / Seite 89

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Herr Bundeskanzler Christian Kern, ich bin ehrlich gesagt entsetzt gewesen über Ihre Formulierung zur Frage, wie man mit Flüchtlingen in Zukunft außerhalb der euro­päischen Grenzen umgehen soll. Das war eine Forderung, die zuerst die FPÖ im Jahre 2015 erhoben hat; alle waren schockiert. Das australische Modell ist ein Abschreckungsmodell, ein Modell mit verheerenden Zuständen in den Lagern außer­halb der australischen Grenze. Ein Jahr später hat dieses Modell Sebastian Kurz über­nommen. Nun ist es so weit, dass es sogar die SPÖ übernimmt, gleichzeitig noch mit einem grundsätzlichen Nein – dazu ist es Gott sei Dank nicht gekommen – zum Solidaritätsprojekt Umverteilung/Verteilung, faire Verteilung von Flüchtlingen in allen europäischen Staaten.

Sie, Herr Bundeskanzler, sind mit dem Argument zur Kommission gegangen, wir hätten schon so viel getan. Das kann man durchaus nachvollziehen, aber die Euro­päische Kommission ist händeringend an Deutschland und an Österreich herange­treten und hat gesagt: Das ist so ein schwieriges Projekt, bitte seid dabei, das ist eine fundamentale Frage, das ist wichtig, um insbesondere gegenüber den anderen Staa­ten, die noch nichts gemacht haben, argumentieren zu können, selbst Österreich und Deutschland haben Ja gesagt! Umso bitterer ist es, dass es sozusagen eine öffentliche Diskussion darüber gegeben hat, ob man 50 minderjährige Flüchtlinge in Österreich noch unterbringen darf oder nicht. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Na mit den Minderjährigen ist das so eine Sache!)

Damit sind wir bei einem ganz wesentlichen Punkt: Diese Entsolidarisierung ist nämlich die Wurzel des Übels. Das war die Wurzel des Übels auch in Großbritannien, da wurde auch begonnen, gegen Menschen aus anderen Ländern zu hetzen, und das endete zum Schluss beim offenem Rassismus. Genau diese Entsolidarisierung ist das große Problem, dem wir uns jetzt in der Europapolitik stellen müssen.

Übrigens: Der dienstälteste Außenminister, der Luxemburger Jean Asselborn, hat ge­sagt, die Idee, eine Insel außerhalb der Europäischen Union zu mieten, um dort Flücht­linge unterzubringen, gehöre für ihn zum rechtsnationalen Gedankengut. (Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Selbst die konservative Viviane Reding, die ehemalige Justizkommissarin und jetzige Abgeordnete, hat gesagt, Kurz und Kern wollen die FPÖ rechts überholen und machen auf Kosten der Europäischen Union Parteipolitik.

Das sind jetzt keine grünen, ja, zivilgesellschaftlichen Stimmen, sondern das sind Worte von Politikern aus Ihren eigenen Reihen, die jahrelang versucht haben, die Europäische Union positiv weiterzuentwickeln. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) – Ja, Sie können gern dann später noch herauskommen, aber wenn Sie nicht sehen, dass es darum geht: Jeder gegen jeden!, dann frage ich mich: Auf wessen Kosten geht das dann letztendlich? – Entsolidarisierung: Ich zuerst! Österreich zuerst! (Abg. Strache: GRAS zuerst! – Abg. Neubauer: Wie war das mit der Urabstimmung der Grünen?) Das ist genau das, was die Fundamente der Europäischen Union – vor allem der Sozialunion! – zerstört. (Abg. Strache: Politiker wie Sie zerstören Europa! Das ist ja der Jammer! – Abg. Kogler – in Richtung des Abg. Strache –: So weit sind wir schon?!)

Wie hat es in Großbritannien begonnen? – In Großbritannien traten immer dann die Bremser auf den Plan, wenn es um die Sozialunion gegangen ist; immer dort, wo es darum gegangen ist, dass sich die sozialen Bedingungen überall verbessern sollen, war Großbritannien dagegen. Genau das ist aber der Schlüssel dazu, wie wir in Zukunft dieses Projekt weiterentwickeln können.

Wenn es aber auf der einen Seite eine Scharfmacherpartei gibt, die genau das Gegen­teil verfolgt, die viel offener als vor einem Jahr die Politik verfolgt: Europa zerstören,


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