Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll175. Sitzung / Seite 134

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Staatsakt begangen. Es war ein ganz besonderer, ein außergewöhnlicher und ganz berührender Staatsakt.

Unter dem Titel „Geste der Verantwortung“ sind nicht nur das offizielle Österreich, die Republik und die Kirche zusammengekommen, sondern auch 300 Frauen und Männer, deren Schicksale und Lebensgeschichten im Mittelpunkt standen. Das waren ehe­malige Heimkinder, heute erwachsene Frauen und Männer, denen in ihrer Kindheit unvorstellbares Leid widerfahren ist. Sie hätten damals in Kinderheimen der öffent­lichen Hand oder der Kirche Geborgenheit und Sicherheit finden sollen, waren statt­dessen aber mit Gewalt, Missbrauch und Demütigungen konfrontiert. Viele wurden ihrer Kindheit beraubt, und es wurde ihnen auch die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben genommen.

Das ganz Besondere an diesem Staatsakt im November im historischen Sitzungssaal war, dass ehemalige Heimkinder und ihre Schicksale ins Zentrum gerückt wurden. Viele von ihnen haben in den vergangenen Jahren um genau diese Aufmerksamkeit hart gekämpft, sie haben unermüdlich auf ihre schwierige Lebenssituation und ihre Situation in der Gesellschaft hingewiesen, haben über ihre Erfahrungen berichtet und sich in Betroffeneninitiativen – wie zum Beispiel im Verein ehemaliger Heimkinder – organisiert.

Stellvertretend für die Schicksale all dieser Heimkinder haben wir im Staatsakt einige erschütternde Berichte und Lebensgeschichten gehört. Ich habe bei diesem Staatsakt erlebt, dass auch zugehört wurde: Die Öffentlichkeit hat zugehört, die Kirche – an der Spitze Kardinal Christoph Schönborn – und viele ihrer Vertreter und auch die Spitze der Republik, Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.

Wir alle haben damals im November zugehört und auch verstanden. Die höchsten Ver­treter von Kirche und Republik haben sich an diesem Tag bei den Betroffenen ent­schuldigt und um Verzeihung gebeten. Das war gut und richtig, und ich würde heute auch sagen, es war höchst an der Zeit. Allzu lange wurde diesen Menschen nämlich nicht zugehört, allzu lange wurden Gewalt und systematischer Missbrauch vertuscht und geleugnet. Erst in den letzten Jahren ist es durch engagierte Kommissionen in den Ländern, eine engagierte Kommission der Kirche, auch durch den Einsatz von WissenschafterInnen, Expertinnen und Experten ganz unterschiedlicher Disziplinen gelungen, sich mit dieser systematischen Gewalt, die in den Nachkriegsjahrzehnten in Kinderheimen stattgefunden hat, ernsthaft auseinanderzusetzen und damit die Basis für die so schwierige Aufarbeitung dieser Zeit zu schaffen. – Dafür gilt ihnen unsere große Anerkennung und unser Dank. (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir werden heute ein Gesetz beschließen, das den Opfern von Gewalt in Heimen eine Rente von 300 € zuerkennt. Das ist keine Wiedergutmachung, denn die seelischen Wunden, die körperlichen Wun­den, die diese Menschen erfahren haben, lassen sich dadurch nicht gutmachen, aber es zeigt, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst sind und es nicht – wie damals – schlicht und einfach verabsäumen, zu handeln.

Viele haben an dem heute zu beschließenden Gesetz betreffend eine Rentenleistung für Opfer von Gewalt in Heimen mitgewirkt. Viele haben dieses Gesetz in den letzten Wochen vorangetrieben, haben es formuliert, haben es ausgearbeitet. – Auch ihnen gilt unser Dank.

Mein Dank gilt auch den Mitgliedern der Bundesregierung, aber ganz besonders gilt mein Dank Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten. Mit dem heutigen Beschluss werden wir deutlich machen, dass wir uns den Lebensbe­dingungen der Betroffenen mit großem Ernst und großer Sachlichkeit und auch – und das ist das Schöne – mit großer Einigkeit angenähert haben. Es war mir damals, vor


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