Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 95

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run­gen, die wir angehen müssen, die diese Regierung in den letzten Jahren einfach links liegen lassen hat, und dazu gehört unter anderem – von der EU-Kommission mehr­fach eingefordert – eine substanzielle Pensionsreform.

Vor einem Jahr hat uns diese Bundesregierung, von Ihnen, Herr Minister, mit aus­verhandelt, eine Pensionsreform vorgelegt, die gar keinen Beitrag dazu geleistet hat, das System stabiler zu machen, sondern nur für zusätzliche Ausgaben gesorgt hat. Eine von der EU-Kommission verlangte Koppelung des Pensionsantrittsalters an die steigende Lebenserwartung findet nicht statt.

Eines muss ich jetzt schon fragen – Sie sind ja auch der Minister, der sich auf die Fahnen heftet, die kalte Progression abzuschaffen, nämlich auch da eine Automatik der Anpassung der Sätze im Steuersystem festzulegen –: Warum ist eine Automatik in der Einkommensteuer super, und bei den Pensionen ist eine Automatik nicht super? – Diese Frage geht an beide Regierungsparteien, die sich da im Moment leider durch Untätigkeit auszeichnen.

Wer nicht bereit ist, in den Pensionssystemen Reformen anzugehen, der nimmt Alters­armut in Kauf. Das sehen wir auch an den Zahlen, die jetzt vorliegen. Der Sozialbericht hat ausgewiesen, dass die durchschnittliche Neupension im Jahr 2015 um 5 Prozent geringer war als im Vorjahr, und das ist ein Trend, der sich vielleicht nicht in diesem Tempo, aber doch fortsetzen wird. Das heißt, sehenden Auges gehen wir auf eine Altersarmut zu, und dieses Sozialsystem, das eigentlich immer weniger Versorgung gewährleisten kann, wird durch eine drückende Abgabenlast finanziert. Diese bremst Beschäftigung, bremst Entwicklung, bremst Innovation genauso wie private Inves­titionen, und dadurch werden Potenziale nicht genützt, die wir in Österreich eigentlich hätten.

Die EU-Kommission geht in ihren länderspezifischen Empfehlungen auch darauf ein, dass die Potenziale der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land brachliegen. Das gilt zum Beispiel für den Arbeitsmarkt, wo wir die Erwerbspotenziale der Frauen viel zu wenig nützen, wo wir eine viel zu geringe Erwerbsquote bei den Frauen haben und wo diejenigen, die arbeiten gehen, viel zu oft und in viel zu geringem Maß in Teilzeit arbeiten. Anstatt Chancengerechtigkeit sicherzustellen, wird hinterher teuer im Rah­men des Sozialstaats kompensiert und werden zusätzliche Leistungen gewährt.

Gleiches gilt für die nicht genutzten Potenziale von Migrantinnen und Migranten in Österreich. Da gäbe es auch die Forderung auf europäischer Rechtsebene, nach neun Monaten Arbeitsmarktzugang für Asylwerber zu gewährleisten, aber auch das schafft die Regierung nicht. Wir halten an Strukturen fest und verlängern diese.

Was wir Österreicher sehr wohl tun, ist, dass wir viele Büros in Brüssel unterhalten, die dafür lobbyieren, dass sich nichts ändert. Die großen Kammern, die Arbeiterkammer und die Wirtschaftskammer, haben Lobbybüros in Brüssel, damit man an diesem Zwangs­system festhalten kann und kein Kommissar auf die Idee kommt, das System zu lockern. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat ein Büro in Brüssel – ich frage mich, wozu. Die sind zuständig für die österreichische Sozialversicherung, und wir finanzieren da eine kleine Reisedestination.

Das ist die Art, wie man in Österreich denkt: Man will die Strukturen bewahren, und die anderen sollen sich ändern. (Zwischenruf des Abg. Katzian.) Mit diesem Zugang ist die ÖVP nicht anders als all die Provinzpolitiker in den Bundesländern, die immer sagen: Ja, die in Wien, die in Wien, die in Wien sollen. Und jetzt sagen die in Wien: Aber die in Brüssel sollen. – Bitte, arbeiten Sie einmal selbst! (Beifall bei den NEOS.)

11.33

 


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