Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

 

199. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 12., und Freitag, 13. Oktober 2017

 

 


Stenographisches Protokoll

199. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode

Donnerstag, 12., und Freitag, 13. Oktober 2017

Dauer der Sitzung

                                Donnerstag, 12. Oktober 2017: 9.06 – 24.00 Uhr

                                        Freitag, 13. Oktober 2017: 0.00 –   2.19 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über das Volksbegehren „Gegen TTIP / CETA“

2. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Verantwortung für Österreich“

3. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemein­debundes und des Österreichischen Städtebundes geändert werden (2323/A)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Pen­sionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensions­gesetz und das Bezügegesetz geändert werden (Pensionsanpassungsgesetz 2018 – PAG 2018)

5. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferver­sorgungs­gesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfer­ge­setz und das Heimopferrentengesetz geändert wird (2307/A)

6. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutangestelltengesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Berufsausbildungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Landar­beitsgesetz 1984 geändert werden (2306/A)

7. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Berufs­ausbildungsgesetz geändert werden (2304/A)

8. Punkt: Antrag der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz, das


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 2

Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden (2309/A)

9. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz und das Familienlasten­aus­gleichsgesetz geändert werden (2308/A)

10. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Ungleichbehandlung von Frauen in der Berechnung der Notstandshilfe durch Änderung des Arbeitslosenversicherungs­gesetzes (ALVG), BGBI 1977/609, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBI. I Nr. 118/2015, abgeschafft wird (1366/A)

11. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Pflegeskandal von Kirch­stetten (2326/A)(E)

12. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Verein­ba­rung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungs­angebots

13. Punkt: Antrag der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Verbraucherzahlungskontogesetz geändert wird (2284/A)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Bundesgesetz über die Wertpapier- und allgemeinen Warenbörsen 2018, das Einlagensicherungs- und Anle­gerentschädigungsgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Kapital­marktgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Zahlungsdienstegesetz geändert werden

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Investmentfonds­ge­setz 2011, das Nationalbankgesetz 1984 und das Wirtschaftliche Eigentümer Register­gesetz geändert werden

16. Punkt: Bericht über den Antrag 2299/A der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebühren­gesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957, geändert wird

17. Punkt: Bericht über den Antrag 2298/A(E) der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Palmöl – billiges Fett mit teuren Folgen

18. Punkt: Bericht über den Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rech­nungs­hofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG-NR betreffend Durchführung des Verlan­gens der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen auf Prüfung der Gebarung des Bundeskanzleramts und des Bundes­denkmalamts inklusive seiner Abteilungen in den Bundesländern

*****

Inhalt

Nationalrat

Schlussansprache der Präsidentin Doris Bures .................................................... 342


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 3

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 14

Geschäftsbehandlung

Einwendungen des Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl gegen die Tages­ordnung gemäß § 50 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 14

Durchführung einer Debatte gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung ...................... 37

Redner/Rednerinnen:

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ..... 37

Mag. Andreas Schieder .......................................................................................... ..... 39

Dr. Reinhold Lopatka ............................................................................................. ..... 39

MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. ..... 40

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ..... 41

Dr. Peter Pilz ........................................................................................................... ..... 42

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ..... 43

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ..... 45

Elmar Mayer ............................................................................................................. ..... 45

Einwendungen finden keine Mehrheit ............................................................................ 46

Antrag des Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 412/A der Abge­ordneten Dr. Rainer Hable, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 19. Oktober 2017 zu setzen – Ableh­nung ...  47, 341

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schussberichtes 1782 d.B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung ...................................................................................... 47

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 der Geschäftsordnung ......................................................................................................................................... 48

Antrag des Abgeordneten Dieter Brosz, MSc im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundeskanzlers – Annahme ...................................................  117, 118

Wortmeldungen im Zusammenhang mit dem gemäß § 18 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung gestellten Antrag:

Mag. Andreas Schieder ....................................................................................  118, 118

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 119

Aktuelle Stunde (55.)

Thema: „Klimakrise: Totalverweigerung der Bundesregierung gefährdet die Zukunft Österreichs“      ............................................................................................................................... 15

Redner/Rednerinnen:

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................ ..... 15

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ................................................... ..... 17

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ........................................................................... ..... 19

Johann Höfinger ..................................................................................................... ..... 21

Walter Rauch ........................................................................................................... ..... 22

Georg Willi ............................................................................................................... ..... 23

Michael Bernhard .................................................................................................... ..... 25


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 4

Petra Bayr, MA MLS ..................................................................................................... 27

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................ ..... 28

Ing. Wolfgang Klinger ............................................................................................ ..... 30

Matthias Köchl ........................................................................................................ ..... 31

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ..... 33

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ..... 34

Mag. Bruno Rossmann ................................................................................................ 36

Rechnungshof

Mitteilung der Präsidentin Doris Bures betreffend Aufenthalt der Rechnungs­hofpräsidentin Dr. Margit Kraker in Luxemburg ...................................................................................................... 15

Unvereinbarkeitsangelegenheiten

Vierzehnter Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses ............................................... 342

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend „Armut von Kindern und Alleinerzieherinnen bekämpfen – Unterhaltsgarantie umsetzen!“ (14128/J) ..................................................................... 119

Begründung: Gabriele Heinisch-Hosek ..................................................................... 120

Bundesministerin Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ............................................... 125

Debatte:

Katharina Kucharowits .......................................................................................... ... 129

Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... ... 132

Carmen Schimanek ................................................................................................ ... 134

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 136

Michael Bernhard .................................................................................................... ... 139

Angela Lueger ......................................................................................................... ... 142

Mag. Michaela Steinacker ...................................................................................... ... 143

Anneliese Kitzmüller .............................................................................................. ... 147

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................ ... 148

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 149

Mag. Gisela Wurm ................................................................................................... ... 150

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 151

Claudia Angela Gamon, MSc (WU) ....................................................................... ... 152

Dr. Marcus Franz .................................................................................................... ... 154

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .................................................................... ... 155

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ... 157

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und Unter­halts­sicherung – Ablehnung ...  131, 158

Entschließungsantrag der Abgeordneten Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung von Alleinerziehenden durch erleichterten Zu­gang zum Unterhaltsvorschuss für österreichische Staatsbürger – Ablehnung ...................................................................................  135, 158

Entschließungsantrag der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Durchführung einer statistischen Erhebung zum Unter­haltszuschuss – Ablehnung  141, 158


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 5

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Reform und Absicherung des Kindesunterhalts – Ablehnung ............................  146, 159

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren „Gegen TTIP / CETA“ (1608/1781 d.B.) ............................................................................................................. 48

Redner/Rednerinnen:

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ..... 48

Peter Haubner ......................................................................................................... ..... 50

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ..... 51

Mag. Werner Kogler ................................................................................................ ..... 56

Claudia Angela Gamon, MSc (WU) ............................................................................ 59

Mag. Michaela Steinacker ...................................................................................... ..... 61

MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. ..... 63

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ....................................................................... ..... 64

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ..... 66

Bundesminister Mag. Dr. Harald Mahrer ............................................................  67, 80

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ..... 70

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .................................................................... ..... 71

Rupert Doppler ....................................................................................................... ..... 74

Barbara Rosenkranz .............................................................................................. ..... 75

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ..... 76

Christoph Hagen ..................................................................................................... ..... 78

Dr. Marcus Franz .................................................................................................... ..... 79

Ing. Hermann Schultes ........................................................................................... ..... 83

Dr. Christoph Matznetter ....................................................................................... ..... 84

Dr. Peter Pilz ........................................................................................................... ..... 88

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volksbefragung zu Handels- und Dienstleistungsabkommen (TTIP, CETA und TiSA) – Ablehnung         54, 89

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volksbefragung zu CETA – Ablehnung ..................................................................  58, 89

Entschließungsantrag der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Mag. Bruno Rossmann, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Leopold Steinbichler und Rupert Doppler betreffend Abstimmung des Parlaments über das Handels­abkommen CETA – Ablehnung ..............................  73, 90

Entschließungsantrag der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Dr. Marcus Franz, Rupert Doppler, Christoph Hagen, Martina Schenk und Gerhard Schmid betreffend verbindliche Volksabstimmung über das Freihandels­abkom­men CETA – Ablehnung .....................................................  75, 90

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend CETA – Ablehnung ................................................................................................................  87, 90

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1781 d.B. samt Anlagen 1 und 2 .................. 89

2. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäfts­ordnung des Nationalrates zum Thema „Verantwortung für Österreich“ .......................................................................... 90

Bundeskanzler Mag. Christian Kern .......................................................................... 91


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 6

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäfts­ordnung                  90

Redner/Rednerinnen:

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 93

Mag. Andreas Schieder .......................................................................................... ..... 96

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ..... 98

August Wöginger .................................................................................................... ... 100

Mag. Dr. Matthias Strolz ......................................................................................... ... 102

Vizekanzler Dr. Wolfgang Brandstetter ............................................................... ... 104

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................ ... 108

Herbert Kickl ........................................................................................................... ... 109

Andreas Ottenschläger .......................................................................................... ... 114

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 115

Wolfgang Katzian ....................................................................................................... 116

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 159

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 160

Dr. Marcus Franz .................................................................................................... ... 163

Ing. Waltraud Dietrich ............................................................................................ ... 164

Barbara Rosenkranz .............................................................................................. ... 165

Martina Schenk ....................................................................................................... ... 167

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ... 168

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes – Ablehnung .....................................................................  113, 170

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend faire Mieten jetzt – Wohnen muss wieder leistbar werden – Ablehnung .....................  162, 170

3. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Öster­reichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes ge­ändert werden (2323/A) ........................................................................................................... 170

Redner/Rednerinnen:

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ... 170

Jakob Auer .............................................................................................................. ... 172

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ..................................................... ... 175

Mag. Werner Kogler ................................................................................................ ... 177

Mag. Roman Haider ................................................................................................ ... 179

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ... 182

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 183

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend kein Steuergeld für korrupte Unternehmen – Ablehnung............................................ 180, 185

keine Beschlussfassung im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 GOG hinsichtlich des im Antrag 2323/A enthaltenen Gesetzentwurfes .......................................................................................................... 185

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozial­versicherungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpen-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 7

sionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz und das Bezügegesetz geändert werden (Pensionsanpassungsgesetz 2018 – PAG 2018) (1767 d.B.) ...................................... 185

5. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopfer­ver­sorgungsgesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Ver­brechensopfergesetz und das Heimopferrentengesetz geändert wird (2307/A)     ............................................................................................................................. 185

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 185

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 186

Claudia Angela Gamon, MSc (WU) .......................................................................... 190

August Wöginger .................................................................................................... ... 191

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 196

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................ ... 196

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................ ... 197

Mag. Gisela Wurm ................................................................................................... ... 199

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ... 199

Matthias Köchl ........................................................................................................ ... 200

Cornelia Ecker ......................................................................................................... ... 203

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 207

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung des Pensionssystems – Annahme (E 218) .........................................................  188, 212

Annahme des Gesetzentwurfes in 1767 d.B. ............................................................... 211

Annahme des im Antrag 2307/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................. 212

6. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutange­stelltengesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausange­stelltengesetz, das Berufsausbildungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Ge­setzbuch und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (2306/A) .................................................... 212

Redner/Rednerinnen:

August Wöginger .................................................................................................... ... 213

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ... 215

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 221

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 222

Peter Haubner ....................................................................................................  223, 236

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ... 224

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................ ... 229

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 230

Rainer Wimmer ....................................................................................................... ... 231

Dr. Marcus Franz .................................................................................................... ... 232

Peter Wurm .............................................................................................................. ... 234

Dietmar Keck ........................................................................................................... ... 236

Ing. Wolfgang Klinger ............................................................................................ ... 237

Entschließungsantrag der Abgeordneten August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Angleichung Arbeiter und Angestellte, einheitliches Arbeits­recht – Ablehnung ..  214, 239

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Modernisierung des ArbeitnehmerInnen-Begriffs – Annah­me (E 219) ..............  227, 239


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 8

Annahme des im Antrag 2306/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................. 238

7. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Berufsausbildungsgesetz geändert werden (2304/A) ....................................................................................................................................... 239

Redner/Rednerinnen:

Gabriel Obernosterer ............................................................................................. ... 239

Johann Hechtl ......................................................................................................... ... 241

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 244

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 245

Julian Schmid, BA .................................................................................................. ... 248

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................ ... 249

Katharina Kucharowits .......................................................................................... ... 250

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ... 251

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ... 251

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rücknahme der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Beherbergung – Ablehnung  246, 253

Annahme des im Antrag 2304/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................. 252

8. Punkt: Antrag der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behindertenein­stellungs­gesetz, das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz und das Bundesbehinder­tengesetz geändert werden (2309/A) .......................................... 253

Redner/Rednerinnen:

Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................................. ... 253

Mag. Michael Hammer ............................................................................................ ... 255

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 257

Mag. Helene Jarmer ................................................................................................ ... 258

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................ ... 259

Annahme des im Antrag 2309/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................. 289

9. Punkt: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz und das Familien­lastenausgleichsgesetz geändert werden (2308/A)      ............................................................................................................................. 261

Redner/Rednerinnen:

Otto Pendl ................................................................................................................... 261

Mag. Andreas Hanger ................................................................................................ 263

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ... 265

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................ ... 267

Annahme des im Antrag 2308/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................. 268

10. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Ungleichbehandlung von Frauen in der Berechnung der Notstandshilfe durch Änderung des Arbeitslosen­versicherungsgesetzes (ALVG), BGBI 1977/609, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBI. I Nr. 118/2015, abgeschafft wird (1366/A) ................................ 268

Redner/Rednerinnen:

Ing. Mag. Werner Groiß .......................................................................................... ... 269

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ... 270

Claudia Angela Gamon, MSc (WU) .......................................................................... 271


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 9

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 272

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ................................................................ ... 273

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................ ... 274

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................ ... 279

Annahme des im Antrag 1366/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................. 280

11. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Pflegeskandal von Kirchstetten (2326/A)(E)                280

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 280

Erwin Spindelberger .............................................................................................. ... 282

Dr. Erwin Rasinger ................................................................................................. ... 282

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................ ... 284

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ... 287

Dr. Eva Mückstein ................................................................................................... ... 288

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 289

Annahme der im Antrag 2326/A(E) enthaltenen Entschließung betreffend Maß­nahmen im Zusammenhang mit dem Pflegeskandal von Kirchstetten (E 220) ........................................................ 289

12. Punkt: Regierungsvorlage: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots (1776 d.B.)   ............................................................................................................................. 291

Redner/Rednerinnen:

Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... ... 291

Angela Lueger ......................................................................................................... ... 292

Bundesministerin MMag. Dr. Sophie Karmasin .................................................. ... 294

Anneliese Kitzmüller .............................................................................................. ... 296

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................ ... 297

Michael Bernhard .................................................................................................... ... 297

Entschließungsantrag der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Elementarpädagogik und Vereinbarkeit – Ablehnung .........................................  293, 298

Genehmigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG in 1776 d.B. ......................... 298

13. Punkt: Antrag der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verbraucherzahlungskontogesetz geändert wird (2284/A) ..................... 299

Redner/Rednerinnen:

Brigitte Jank ............................................................................................................ ... 299

Angela Lueger ......................................................................................................... ... 300

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ... 302

Peter Wurm .............................................................................................................. ... 303

Angela Fichtinger ................................................................................................... ... 304

Mag. Aygül Berivan Aslan ..................................................................................... ... 305

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................ ... 305

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 307

Annahme des im Antrag 2284/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................. 307

Gemeinsame Beratung über


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 10

14. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1774 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Bundesgesetz über die Wertpapier- und allgemeinen Warenbörsen 2018, das Einlagen­siche­rungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Finanzmarktaufsichts­behörden­gesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Zahlungsdienstegesetz geändert werden (1778 d.B.) .................................................................................................................... 308

15. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1775 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Investmentfonds­gesetz 2011, das Nationalbankgesetz 1984 und das Wirtschaftliche Eigentümer Register­ge­setz geändert werden (1779 d.B.) .................. 308

Redner/Rednerinnen:

Mag. Werner Kogler ................................................................................................ ... 308

Ing. Mag. Werner Groiß ............................................................................................. 309

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................... 310

Mag. Andreas Zakostelsky ..................................................................................... ... 311

Hermann Lipitsch ................................................................................................... ... 312

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1778 und 1779 d.B. ..................................... 313

16. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2299/A der Abge­ordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957, geän­dert wird (1780 d.B.) ...................................................................... 313

Redner/Rednerinnen:

Gabriele Tamandl .................................................................................................... ... 313

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 315

Mag. Andreas Hanger ............................................................................................. ... 316

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................ ... 316

Dr. Gabriela Moser .................................................................................................. ... 317

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 321

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kollegin­nen und Kollegen betreffend  leistbares Wohnen für alle – Ablehnung ..............................................................  319, 322

Annahme des Gesetzentwurfes in 1780 d.B. ............................................................... 322

17. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2298/A(E) der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Palmöl – billiges Fett mit teuren Folgen (1777 d.B.)          ............................................................................................................................. 322

Redner/Rednerinnen:

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 322

Harry Buchmayr ...................................................................................................... ... 323

Mag. Günther Kumpitsch ....................................................................................... ... 324

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................ ... 325

Michael Bernhard .................................................................................................... ... 326

Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... ... 327

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ... 327

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1777 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Palmöl – billiges Fett mit teuren Folgen (E 221) .......................................................... 329

18. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Stän­digen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG-NR betreffend Durchführung des Verlangens der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen auf Prüfung


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 11

der Gebarung des Bundeskanzleramts und des Bundesdenkmalamts inklusive seiner Abteilungen in den Bundesländern (1782 d.B.) ........................................................................................... 329

Redner/Rednerinnen:

Johann Hell .............................................................................................................. ... 329

Claudia Durchschlag .............................................................................................. ... 330

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 331

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 334

Elisabeth Hakel ....................................................................................................... ... 334

Elmar Mayer ............................................................................................................. ... 335

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 337

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 338

Dr. Gabriela Moser .................................................................................................. ... 339

Kenntnisnahme des Berichtes des Ständigen Unterausschusses des Rechnungs­hofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG in 1782 d.B. ................................................................................... 341

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1782 d.B. .................................................... 341

Eingebracht wurden

Anfragen der Abgeordneten

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Steuervermeidung durch Firmenkonstrukte (14117/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend Verfahren im Zusammenhang mit dem Einsatz von Drohnen (14118/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Qualifikationen von Caseownern des BFA (14119/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung betreffend die sinkende Zahl der Ganztagsschulen in Kärnten (14120/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Haftungen bei der OeKB (14121/J)

Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Landesklinikum Baden verweigerte Offizier die Behandlung (14122/J)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Nachnutzungsmöglichkeiten Gailtalbahn (14123/J)

Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Wahlkampfunterstützung der ÖBB für die SPÖ (14124/J)

Georg Willi, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Werbefolien (Lochfolien) zur Scheibenbeklebung bei Öffentlichen Verkehrsmitteln (14125/J)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Mikroplastik im Trinkwasser (14126/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Vertuschung statt Opferschutz? (14127/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 12

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend „Armut von Kindern und Alleinerzieherinnen be­kämpfen – Unterhaltsgarantie umsetzen!“ (14128/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13144/AB zu 13979/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13145/AB zu 13969/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13146/AB zu 13981/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (13147/AB zu 13982/J)

des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13148/AB zu 13978/J)

des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (13149/AB zu 13993/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13150/AB zu 13975/J)

der Bundesministerin für Bildung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (13151/AB zu 13967/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (13152/AB zu 13994/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Abgeord­neten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13153/AB zu 13972/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Abgeord­neten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (13154/AB zu 13991/J)

der Bundesministerin für Bildung auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (13155/AB zu 13990/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13156/AB zu 13977/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13157/AB zu 13968/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (13158/AB zu 13985/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13159/AB zu 13980/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13160/AB zu 13974/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 13

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (13161/AB zu 13983/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (13162/AB zu 13989/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13163/AB zu 13973/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (13164/AB zu 13984/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (13165/AB zu 13987/J)

der Bundesministerin für Familien und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (13166/AB zu 13992/J)

der Bundesministerin für Familien und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13167/AB zu 13976/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen (13168/AB zu 13998/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13169/AB zu 13971/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (13170/AB zu 13986/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen (13171/AB zu 13970/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (13172/AB zu 13988/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Abge­ordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (13173/AB zu 13996/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abge­ord­neten Mag. Barbara Neuroth, Kolleginnen und Kollegen (13174/AB zu 13997/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Matthias Köchl, Kolleginnen und Kollegen (13175/AB zu 13995/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kollegen (13176/AB zu 14000/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen (13177/AB zu 13999/J)

 


 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 14

09.06.15Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich eröffne die 199. Sitzung des Nationalrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 197. Sitzung sowie das Amt­liche Protokoll der 198. Sitzung vom 4. Oktober 2017 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Gessl-Ranftl, Kirchgatterer, Mag. Vavrik, Dr. Karlsböck, Neubauer, Ing. Schellenbacher und Dr. Winter.

09.07.04*****

Zur Geschäftsbehandlung liegt mir eine Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Dr. Zinggl vor. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

 


9.07.16

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (ohne Klubzugehörigkeit) (zur Geschäfts­behandlung): Schönen guten Morgen! Frau Präsidentin! Ich erhebe eine Einwendung gegen die Tagesordnung: Der Bericht betreffend Denkmalschutz soll am Ende der heutigen Sitzung verhandelt werden, und wenn ich sage am Ende der heutigen Sit­zung, dann meine ich, dass das eher morgen sein wird, jedenfalls aber sehr spät in der Nacht.

Es ist eine ganz wichtige Aufgabe des Parlaments, zu kontrollieren, und ich denke, die Bevölkerung hat ein Recht darauf, zu erfahren, was mit den historischen Baudenk­mälern und dem kulturellen Erbe geschieht. Deswegen war es mir ein Anliegen, eine entsprechende Untersuchung im Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofaus­schusses zu initiieren.

Dieser Ausschuss hat getagt. Wie Sie wissen, haben die Regierungsparteien verhin­dert, dass ich an den letzten beiden Sitzungen teilnehme. Ich weiß nicht, warum das geschehen ist, das werden wir auch noch diskutieren.

Jetzt gibt es jedenfalls den Bericht dieses Ausschusses, und er soll genau genommen ans Ende der Tagesordnung verräumt werden. Ich möchte, dass der Bericht zur Sen­dezeit verhandelt wird, jetzt am Vormittag, und ersuche Sie daher, die Tagesordnung zu ändern und ihn an die Stelle des dritten Tagesordnungspunktes zu setzen.

9.08


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Zinggl! Wir haben die Tagesordnung in der Präsidialkonferenz im Konsens in dieser Reihenfolge so festgelegt. Ich werde daher Ihren Einwendungen nicht beitreten.

Ich teile mit, dass gemäß § 50 der Geschäftsordnung entsprechend der parlamen­ta­rischen Praxis nach der Aktuellen Stunde eine Debatte über diese Einwendung statt-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 15

finden wird. In dieser Debatte beschränke ich die Redezeit auf 5 Minuten und die Zahl der Rednerinnen und Redner auf drei pro Klub.

*****

Für den heutigen Sitzungstag wurde vom Rechnungshof die Mitteilung gemacht, dass sich die Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Kraker aus dienstlichen Gründen in Luxemburg aufhält.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr live übertragen wird; ORF III wird diese Sitzung in voller Länge übertragen, wobei jener Teil der Sitzung, der über 19.40 Uhr hinausgeht, zeitversetzt gesendet wird.

09.10.07Aktuelle Stunde

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Klimakrise: Totalverweigerung der Bundesregierung gefährdet die Zukunft Österreichs“

Ich begrüße Herrn Bundesminister Rupprechter.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Brunner. – Bitte.

 


9.10.28

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir Grüne setzen heute wieder auf Inhalte; man hat ja das Gefühl, dass Inhalte im Wahlkampf ein bisschen störend wirken. Wir stören aber gerne, und das heutige Thema ist die größte Herausforderung der Menschheitsgeschichte.

Sie stört es vielleicht, wenn man aber mit den Menschen redet, so erfährt man, dass sie das gar nicht als störend empfinden. Im Gegenteil, es gibt brennende Fragen: Wie lebe ich sicher trotz Klimakrise? Wie kann ich selbst bei der Energiewende mitmachen und die Chancen nutzen? Wie wird sich mein Arbeitsplatz entwickeln? Wo habe ich in Zukunft überhaupt noch eine Chance auf einen Arbeitsplatz? – All das hat mit der Klimakrise und mit Klimapolitik zu tun.

Die Klimakrise ist da. Die 16 wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen waren im 21. Jahrhundert, und um es klarzumachen: Wir haben das 17. Jahr noch nicht abgeschlossen. In den nächsten zehn Jahren werden 50 Millionen Menschen zu Klima­flüchtlingen werden, wenn wir jetzt nicht handeln. Wir haben es gesehen: Trockenheit, Ausfälle in der Landwirtschaft, Hitzetote, Extremwetterereignisse. In Österreich bezah­len wir jetzt schon 1 Milliarde € für Schäden, für Folgen der Klimakrise, und es wird mehr werden, wenn wir nicht handeln. Wir können uns das Nichtstun nicht weiter leisten. (Beifall bei den Grünen.)

Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel voll spürt, und wir sind die letzte Generation, die etwas dagegen tun kann. Das ist eine große Verantwortung, und das heißt, wir entscheiden. Die nächsten fünf Jahre werden entscheidend sein. In den nächsten fünf Jahren entscheidet sich, ob die Klimakrise zu einer Klimakatastrophe wird oder nicht. Es entscheidet sich, ob Hunderte Millionen Menschen zu Klima­flücht-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 16

lingen werden oder nicht und ob alle Menschen weltweit, auch in Österreich, bei der Energiewende mitmachen können und die vielen Chancen, die die Energiewende auch bringt, nutzen können oder ob wir diese Chancen verpassen.

Was hat die Bundesregierung gemacht? – Man muss sagen, die Bundesregierung hat einen Plan. Sie hat einen Plan für zwei Jahre. Für die größte Herausforderung der Menschheitsgeschichte hat diese Bundesregierung einen Plan für zwei Jahre! Dieser Plan ist: Wir machen so weiter wie bisher, als ob es die Klimakrise nicht gäbe. – Das ist verantwortungslos, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Grünen.)

Sie waren 30 Jahre in der Bundesregierung und haben in 30 Jahren kein einziges Gramm CO2 eingespart! (Bundesminister Rupprechter: Nur vier Jahre!) – Ihre Partei hat, auch in Ihrer Amtszeit, kein einziges Gramm CO2 eingespart. Das sind verlorene Jahre, die uns teuer zu stehen kommen werden. Das können wir uns nicht leisten, und schon gar nicht können es sich die Betroffenen der Auswirkungen der Klimakrise leisten. All die schönen Worte, die man hört – enkelfit, nicht zukunftsvergessen, ich weiß nicht was noch –, lösen sich durch Ihre Unterlassungen, durch Ihre verant­wortungslose Politik der letzten Jahre in Luft auf. Es waren verlorene Jahre, die uns teuer zu stehen kommen. Das können wir uns nicht leisten und das müssen wir än­dern. (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe aber auch eine gute Nachricht. Die gute Nachricht ist: Wir können etwas tun. Österreich hat so großes Potenzial wie kein anderes Land. Wir haben alles, was man braucht, um der Klimakrise entgegenzutreten, um die grüne Energiewende zu schaffen und auch ihre Chancen zu nutzen.

Ich habe 100 Maßnahmen beantragt. Der grüne Klub hat 200 Maßnahmen beantragt, die (in Richtung SPÖ und ÖVP) Sie verhindert haben. Wir haben zum Beispiel vor­geschlagen, dass man die steuerliche Begünstigung von Diesel und anderen fossilen Energien, immerhin 4 Milliarden € im Jahr, abschafft. Das haben Sie verhindert. Was ist Ihr Problem bei dem Vorhaben, fossile Energie nicht mehr zu fördern? Ich verstehe es nicht!

Wir haben auch beantragt, dass das Umweltbudget, das Sie massiv gekürzt haben, wieder erhöht wird. Durch die Kürzungen kann nämlich der Tausch von Ölkesseln für Familien nicht mehr finanziert werden, und 7 500 Arbeitsplätze gehen dadurch ver­loren. Wir wollen diese 7 500 Arbeitsplätze wiederhaben, und wir wollen, dass sich Familien den Ölkesseltausch leisten können. Was ist Ihr Problem dabei? Ich verstehe es nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Wir wollten die Ziele des Klimavertrags von Paris ins österreichische Gesetz schreiben, um für unsere Unternehmen die Rahmenbedingungen zu schaffen, die sie brauchen, um in Zukunft in die richtige Richtung investieren und forschen zu können und in der internationalen Bewegung der grünen Energiewende vorne dabei zu sein.

Ich wundere mich sehr, denn bei Befragungen vor der Wahl schreiben Sie das alle hinein und kreuzen überall Ja – ja, wir wollen es im österreichischen Gesetz – an. Warum ist das nicht passiert? Erst letzte Woche haben Sie den grünen Antrag dazu abgelehnt. Die FPÖ ist da wenigstens ehrlich. Die Position der FPÖ ist jenseits, aber sie ist wenigstens ehrlich. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Stefan. – Abg. Steinhauser: Für die Ehrlichkeit gibt es Applaus!)

Sie haben somit die wichtigsten Maßnahmen für die Zukunft verhindert und blockiert. Die nächsten fünf Jahre sind entscheidend, ich habe es bereits angeführt. In den nächsten fünf Jahren wird entschieden, ob die Klimakrise zur Klimakatastrophe wird, ob wir die Chancen der Energiewende nutzen oder nicht.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 17

Wir werden am Sonntag auch entscheiden, ob Österreich seine internationale Ver­antwortung wahrnehmen wird oder nicht. Österreich übernimmt mit dem EU-Rats­vorsitz im nächsten Jahr große internationale Verantwortung. Die wichtigste Klimakon­ferenz der nächsten Jahre findet nächstes Jahr während unseres Ratsvorsitzes statt. Alle Weichenstellungen auf EU-Ebene, wie die Zukunft der Energiewende ausschauen wird, werden während unserer Ratsvorsitzzeit erfolgen. Österreich entscheidet am Sonntag, ob wir diese große Aufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen werden oder nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Wir werden auch entscheiden, ob unsere Unternehmen in der Energiewende vorne dabei sind oder nicht. Auf dem Spiel steht, ob es die Jobs der Zukunft in China oder in Europa, in Österreich geben wird. China marschiert, China investiert mehr in erneuer­bare Energie als die EU. Wir entscheiden heute, ob in Zukunft die Jobs zum Beispiel in der Automobilindustrie in China oder in Europa sein werden.

Wir Grüne kämpfen dafür, dass die Unternehmen die richtigen Rahmenbedingungen bekommen, um in Zukunft in der Energiewende im Spitzenfeld zu liegen, und wir wer­den weiter dafür kämpfen.

Wir kämpfen dafür, dass vor allem junge Menschen in Zukunft die richtige Ausbildung erhalten, um auch 2050 noch einen guten Job zu bekommen.

Wir kämpfen dafür, dass alle Menschen bei der Energiewende mitmachen können und dabei sein können. Wir wollen ihnen helfen, dass sie ihren alten Ölkessel endlich raushauen und auf ein erneuerbares Energiesystem umsteigen können. Das ist leist­bar. Klimafreundliches Wohnen ist leistbar, und nur leistbares Wohnen ist auch klima-freundlich.

Wir kämpfen dafür, dass sich Familien nicht zwei Autos leisten müssen. Das ist auch eine soziale Verantwortung. Wir wollen, dass sie auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen können. Wir wollen, dass für sie, wenn sie ein Auto brauchen, das Elektro­auto billiger ist als ein Dieselauto. Das entscheiden wir hier im Parlament, durch die Rahmenbedingungen, die wir hier setzen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir entscheiden, ob die Verursacher für die Umweltverschmutzung zahlen oder die­jenigen, die nichts dafür können. Wir brauchen eine echte ökologische Steuerreform und eine CO2-Steuer, die nicht wie bei Ihnen durch andere Maßnahmen gleich wieder konterkariert wird, wenn man andere Umweltabgaben streicht. Wir brauchen eine echte ökologische Steuerreform, die auch in Richtung Umwelt steuert.

Klimapolitik betrifft alle Politikbereiche. Klimapolitik betrifft alle konkreten Lebens­ver­hältnisse. Österreich entscheidet. Entscheiden wir gut, denn es steht alles auf dem Spiel! Damit Österreich in Zukunft weiter gut entscheiden kann, braucht eine nächste Bundesregierung ganz sicher ein eigenständiges, starkes und engagiertes Klima-, Energie- und Umweltministerium. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

9.19


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter zu Wort gemeldet. Herr Bundesminister, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht über­schrei­ten. – Bitte.

 


9.20.04

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! (Abg. Pirklhuber: Aber keine Schmährede!) Frau Abgeordnete Brunner, ich gebe Ihnen völlig recht, der Kampf gegen den Klima-wandel ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit, wenn nicht die größte überhaupt, und damit ein Anliegen für die Politik, für die Wirtschaft, für die Gesell-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 18

schaft, für alle Bürgerinnen und Bürger. Klar, wir bekennen uns zu den Zielen von Paris. (Abg. Moser: Ja, das haben wir schon tausend Mal gehört!) Wir haben den Vertrag von Paris aktiv mitverhandelt, Sie wissen das. Wir bekennen uns zur Begren­zung des globalen Temperaturanstiegs auf deutlich weniger als 2 Grad Celsius. (Abg. Brunner: Aber es gibt einen Unterschied zwischen bekennen und tun!) Genau des­wegen brauchen wir eine Dekarbonisierung, also ein schrittweises Senken der Emis­sionen auf netto null bis Mitte dieses Jahrhunderts. (Abg. Rossmann: Maßnahmen!)

Österreich hat das Übereinkommen von Paris als drittes Land in der Europäischen Union ratifiziert. Das war kein Zufall. Wir stehen voll und ganz dahinter, und wir wollen aus der Dekarbonisierung eine Erfolgsstory für Österreich machen. Die zentrale Auf­gabe ist es, hoch energieeffizient zu werden und heimische erneuerbare Energien weiter auszubauen. Damit treiben wir den Klimaschutz voran und beweisen, dass Klimaschutz ohne Atomstrom funktioniert.

In der ökosozialen Marktwirtschaft, die seit 30 Jahren erfolgreich betrieben wird, sind Ökologie und Ökonomie kein Widerspruch, im Gegenteil, sie ergänzen einander und schaffen eine Win-win-Situation. Wir schaffen damit Arbeitsplätze  grüne Arbeits­plätze. Wirtschaft, Umwelt und Innovation gehen in Österreich Hand in Hand. (Abg. Pirklhuber: Bitte nicht vom Blatt lesen! Sprechen, denken ...!)

Wir haben bislang viel erreicht, Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber (Abg. Brunner: Das hören wir seit 30 Jahren!), mit einem Anteil von mehr als 70 Prozent erneuerbare Ener­gien an der österreichischen Stromerzeugung sind wir Europameister und sogar Welt­meister! (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Beim Gesamten­ergieverbrauch sind wir nur einen Prozentpunkt davon entfernt (Abg. Rossmann: Das ist ja peinlich!), unser 2020-Ziel von 34 Prozent zu erreichen. Damit liegen wir im europäischen Spitzenfeld.

Das Rückgrat der erneuerbaren Energieversorgung bilden in Österreich die Wasser­kraft im Strombereich und die Biomasse im Wärmebereich. Fast die Hälfte der erneuerbaren Energien wird in Österreich durch biogene Energieträger bereitgestellt. (Abg. Pirklhuber: Bitte sprechen Sie frei, Herr Minister! Vielleicht können Sie frei sprechen!)

Mit der – gar nicht so – Kleinen Ökostromnovelle haben wir gemeinsam mit SPÖ und Grünen einen sehr wichtigen Schritt gesetzt (Abg. Brunner: Wir haben überhaupt nicht ...!), der im Nationalrat einstimmig beschlossen wurde. Mit dieser Novelle werden zusätzliche Investitionen im Sinne der EU-Energieziele und des Pariser Klima­schutz­abkommens ausgelöst. Das ist auch wirtschaftspolitisch nachhaltig und führt zu zu­sätzlicher Wertschöpfung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen im urbanen wie im ländlichen Raum. (Beifall bei der ÖVP.)

Die österreichischen Technologieanbieter sind bei erneuerbaren Energien, Energie­effizienz und Green Technology weltweit führend. Nur ein innovativer heimischer Markt sichert uns internationalen Erfolg und forciert grüne Arbeitsplätze. Gleichzeitig müssen wir die Versorgungssicherheit stärken und unabhängig von Kohle, Öl und Atomstrom-importen werden, das heißt, Investitionen in unser heimisches Energiesystem anregen und Hemmnisse abbauen.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Grüne (Heiterkeit bei den Grünen), Verzeihung, Frau Abgeordnete Brunner – alle Grünen sind angesprochen –, gegen fossile Energie aufzutreten, aber gleichzeitig für die Energiewende notwendige Projekte zu verhindern, ist widersprüchlich und kurzsichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun eine kurze Bilanz zu unseren Klimazielen 2020: Österreich hat in den letzten drei Berichtsjahren die EU-Vorgaben für die Klimaziele deutlich übererfüllt. Das Ziel, mit


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 19

dem ich angetreten bin, dass wir unsere Ziele ohne Zukauf von Verschmut­zungszer­tifikaten erreichen, haben wir umgesetzt. (Abg. Brunner: Zwei Jahre für ...!) Wir haben die Ziele sogar deutlich unterschritten. Hinsichtlich der Ziele für das Jahr 2030 stehen wir voll und ganz hinter den EU-Beschlüssen, und das heißt EU-weit mindestens 40 Prozent Treibhausgasreduktion gegenüber 1990. Österreich wird seinen Beitrag dazu mit einem Ziel von minus 36 Prozent gegenüber 2005 selbstverständlich leisten. Unsere Emissionen sind seit 2005 kontinuierlich gefallen, und das bei einem soliden Wirtschaftswachstum und bei wachsenden Bevölkerungszahlen. Österreich liegt in der EU bei den Emissionen in Relation zum BIP auf Platz 5, also deutlich unter dem EU-Durchschnitt. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

Wir wollen noch besser werden, und dafür müssen wir in den verschiedenen Sektoren innovative Ansätze verfolgen. Wir brauchen eine Mobilitätswende, um unsere Ziele für 2020 und 2030 erreichen zu können. Mit den Instrumenten meines Ressorts – etwa mit der Initiative klimaaktiv mobil – und maßgeschneiderten Beratungsangeboten leisten wir bereits jetzt einen sehr wichtigen Beitrag dazu.

Wir haben im Frühjahr gemeinsam mit dem Verkehrsressort und dem Automobilhandel ein umfassendes Aktionspaket zur Elektromobilität verabschiedet. Österreich ist heute führend bei den Zulassungen von E-Fahrzeugen. Wir haben bei den Neuzulassungen bereits eine Steigerung von 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das zeigt, dass unser Paket für E-Mobilität mit einem Volumen von 72 Millionen € wirkt, und das nicht nur bei E-Pkws: Wir fördern Fahrzeuge bis hin zum E-Bike und zum E-Bus.

Ich habe bis jetzt von Zielen und Aktivitäten hinsichtlich der Senkung von Emissionen und der Stärkung erneuerbarer Energieträger gesprochen. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass sich der Klimawandel nicht von heute auf morgen stoppen lässt. Wir brauchen daher auch eine Anstrengung im Bereich der Anpassung, die Klimawan-delanpassungsstrategie. Wir haben als erstes Land eine solche Anpassungsstrategie beschlossen, die wir auch kontinuierlich umsetzen. Wir investieren jährlich 200 Millio­nen € in den Schutz vor Naturgefahren, um die Auswirkungen von Wetterextremen abzumildern.

Ich konnte hier in der Kürze nur wenige Beispiele ansprechen, aber diese zeigen: Wir haben im Klimabereich sehr viel erreicht, und das kann sich wirklich sehen lassen. Wenn Sie das wahlkampfbedingt schlechtreden, so entspricht das nicht den Fakten. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Brunner: Seit 30 Jahren ...!)

Wir müssen noch mehr tun, und wir werden auch noch mehr tun, indem wir auf die österreichische Erfolgsgeschichte aufbauen, indem wir unseren bisher einge­schlage­nen Weg konsequent weitergehen, indem wir alle gemeinsam an unserer Zukunft arbeiten – im Sinne der Schöpfungsverantwortung, für unsere Kinder, für unsere Enkelkinder, für ein lebenswertes Österreich! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Pirklhuber: Wer hat die Rede geschrieben? Sie selber nicht, sonst müssten Sie sie nicht runterlesen!)

9.27


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Feichtinger. Ab jetzt beträgt die Redezeit 5 Minuten für jede Rednerin und jeden Redner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


9.27.36

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich darf an den Beginn meiner Ausführungen die Wiederholung dessen stellen, was ich vorige Woche in der Debatte zum Klimaschutzgesetz bereits gesagt habe: Klimapolitik und Klimaschutz


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 20

sind uns ein wichtiges Anliegen, sind ein zentrales Anliegen der Gegenwart, um den Planeten für die Zukunft lebenswert zu erhalten. (Abg. Brunner: Wir haben keinen einzigen Beschluss gefasst! Kein einziger Beschluss ...!)

Herr Bundesminister, bei allem, was Sie jetzt ausgeführt haben: Die Klima- und Energiestrategie wurde Ihrerseits bereits im Herbst des vorigen Jahres für den heurigen Frühsommer zugesagt. (Abg. Pirklhuber: Schublade! In der Schublade ist sie, hat er gesagt!) Im letzten Umweltausschuss haben Sie uns gesagt, es sei schwie­rig, weil mehrere Ministerien mit der Strategie befasst sind. Grundsätzlich muss man aber schon festhalten, dass Sie die Verantwortung für die Koordination dieser Strategie tragen.

Ich frage Sie jetzt noch einmal, in welcher Schublade Ihres Ministeriums die Klima- und Energiestrategie derzeit ruht und ob Sie noch gedenken, sie rasch ans Tageslicht zu bringen. (Abg. Lopatka: Du warst bisher immer sachlich!)

Was den Vorwurf einer Totalverweigerung der Bundesregierung beim Thema Klima­schutz betrifft, möchte ich hier festhalten, dass im BMVIT bereits während der letzten Jahre intensiv an Maßnahmen gearbeitet worden ist. (Abg. Brunner: In welcher Schublade sind die denn?) So ist im März die Energieforschungsstrategie mit dem Ziel, die Investitionsführerschaft bei Energietechnologien anzustreben, präsentiert worden. Die Energieforschungsausgaben der öffentlichen Hand – davon sind 75 Prozent beim BMVIT beheimatet – sind in den letzten zehn Jahren nahezu vervierfacht worden.

Das BMVIT hat auch kürzlich den Startschuss zu einem Aktionsplan für sauberen Verkehr gegeben, damit nicht noch weitere Zeit bis zur Realisierung der Klima- und Energiestrategie ungenützt vergeht. Das Ziel dabei ist, die Klimaverpflichtungen wenigstens im Verkehrsbereich zu erfüllen. Das BMVIT hat auch die Elektromobilität als ganz konkrete Alternative zu fossilen Verbrennungsmotoren gepusht. Österreich ist EU-Spitzenreiter bei der Neuzulassung von E-Fahrzeugen und unter den Top 3 bei der Ladeinfrastruktur. Wir bekennen uns auch grundsätzlich und ganz klar zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Was ist also aus unserer Sicht, aus Sicht der Sozialdemokratie, in den nächsten Jahren zu tun? – Wir brauchen eine effiziente und innovative Energiepolitik. Energie­kosten wirken als Standortfaktor, die Energie muss aber auch für Haushalte leistbar und unser Energiesystem zukunftssicher sein.

Die Treibgasreduktion wurde bereits angesprochen. Zu erreichen ist sie mit einem massiven Ausbau von erneuerbaren Energien und mit einer kosteneffizienten Öko­stromförderung – wir möchten damit ein 40-Milliarden-€-Volumen an Investitionen aus­lösen und 45 000 neue Jobs schaffen –, mit einem Energieeffizienzpaket, in dem wir das Einsparungsziel auf 1,5 Prozent anheben möchten, mit einer verstärkten Förde­rung der thermischen Sanierung, mit einer Förderung des Umstiegs bei Heizungs- und Warmwassersystemen und im Bereich der Elektromobilität. (Abg. Pirklhuber: Diese Emotionslosigkeit entspricht Ihrer Praxis: Viele Lippenbekenntnisse und keine Umset­zung!)

Eine Vielzahl an Maßnahmen wird notwendig sein. Wir vonseiten der Sozialdemokratie würden uns auch bei allen zukünftigen Regierungskonstellationen mehr Ernsthaftigkeit bei der Umsetzung dieser Maßnahmen wünschen. Um ein Beispiel des Kollegen Bernhard aufzugreifen, das er letzte Woche gebracht hat: Er hat die Sozialdemokratie als Kopiloten der ÖVP im Bereich Klima- und Umweltpolitik bezeichnet. Lieber Kollege Bernhard, es ist vielleicht in einer Klimadebatte nicht ganz angebracht, ein Rallye­beispiel vorzubringen, aber wenn der Kopilot ansagt und der Fahrer sich nicht an die Ansage des Kopiloten hält, dann wird er irgendwann aus der Kurve fliegen, und das


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 21

wollen wir hier im Sinne des Standortes Österreich vermeiden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.32


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Höfinger. – Bitte.

 


 9.32.07

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Pirklhuber: Der nächste euphorische Umweltpolitiker!) Es ist ein klarer Auftrag für uns, den Verpflichtungen des Übereinkommens von Paris nachzukommen – Sie wissen das –, und zwar aus mehr­eren Gründen.

Der Klimawandel ist spürbar für uns alle, wenn auch an manchen kalten Herbsttagen so wie vergangene Woche viele sarkastisch meinen, Klimawandel bedeutet Erwär­mung, man spürt aber nichts davon. Da muss man sagen, Klimawandel hat ver­schiedene Auswirkungen, die wir spüren. Es geht nicht nur um die Erwärmung um 2 Grad Celsius, die so dramatische Auswirkungen haben kann und hat, sondern in Wirklichkeit bedeutet Klimawandel eine massive und langfristige Veränderung unseres Wetters. Klimawandel bedeutet, dass Wetterextreme auftreten können. Wir können das seit Jahren bei uns beobachten, und es macht uns in vielen Bereichen zu schaffen: diese langen Trockenperioden, diese Dürrezeiten und auf der anderen Seite diese massiven Überschwemmungen und Starkregenereignisse, die orkanartigen Stürme über Österreich, über Europa, die es vor wenigen Jahren noch nicht gegeben hat.

Das alles sind feste Anzeichen, und wissenschaftlich sind diese Daten ja schon seit über 100 Jahren erfasst. Die Veränderung ist eindrucksvoll nachweisbar und auch dokumentiert. Das Schmelzen unserer Gletscher ist ein sichtbares Zeichen für alle, die sich ein wenig in der Natur bewegen und dieses Phänomen beobachten.

Daher ist dieses Pariser Übereinkommen, wie gesagt, für uns ein klarer Auftrag, auch wenn es für manche schwer vorstellbar ist, weil die Dimensionen, in denen in diesem Zusammenhang gesprochen wird, für viele nicht real erfassbar sind. Wir sprechen oft in abstrakten Zahlen, etwa von Tonnen an CO2-Einsparungen. Es kann sich in Wirk­lichkeit niemand eine Tonne CO2 vorstellen, aber das sind nun einmal die Messwerte, mit denen wir arbeiten. Daher müssen wir versuchen, das den Menschen auf anderen Wegen klarzumachen. Dass wir zum Klimaübereinkommen von Paris nicht nur stehen, sondern in Wirklichkeit federführend daran beteiligt waren, ist dokumentiert: Herr Bun­desminister Rupprechter hat eine Arbeitsgruppe geleitet und einen wesentlichen Beitrag zu seinem positiven Abschluss geleistet. (Abg. Brunner: Welche Anträge haben Sie gestellt?) Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf der Abg. Brunner.)

Dieser Abschluss bedeutet aber gravierende Veränderungen in allen Lebensbereichen, denn in diesem Übereinkommen wurde, kurz gesagt, vereinbart, dass wir spätestens bis zum Jahr 2050 aus allen fossilen Energieträgern aussteigen – das heißt keine Versorgung mit Erdöl, Erdgas, Kohle und mit all dem, was mit diesen drei Positionen in Zusammenhang steht. Das bedeutet eine wesentliche Veränderung in all unseren Lebensbereichen. (Abg. Brunner: Und das passt so? Und weiter?)

Wenn die Grünen und auch manche andere meinen, wir hätten die Ziele bisher nicht effizient genug verfolgt, dann gibt es natürlich ein paar Daten, anhand derer man das widerlegen kann: Bereits seit dem Jahr 1990 sind unsere Emissionswerte gesunken, obwohl die Wirtschaftsleistung in diesem Zeitraum um über 60 Prozent gestiegen ist. (Abg. Brunner: Im Programm von Sebastian Kurz steht, nicht über dem Niveau von


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 22

1990! Lesen Sie Ihr eigenes Wahlprogramm! Das ist ja ein Witz!) Die Wirtschafts­leistung ist um über 60 Prozent gestiegen, trotzdem sind die Emissionswerte von 2005 bis 2015 gesunken, sogar um über 15 Prozent.

Was ist daher jetzt zu tun? Was ist denn der klare Auftrag? Die Veränderung in der Energieversorgung und damit die Veränderung in unserer Lebensweise wird so gravierend sein, dass wir diese Schritte nur Hand in Hand, gemeinsam mit den Menschen, gemeinsam mit der Wirtschaft setzen können. Was passiert vielerorts auch jetzt kurz vor der Wahl?  Man möchte Zahlen, man möchte Daten festlegen. Diese sind jedoch in vielen Fällen nicht begründet. Wir haben uns Ihre Anträge angeschaut und sie überprüft: Es sind oft einfach Annahmen, es bestehen oft einfach keine Zusammenhänge, etwa zur Wirtschaftsleistung, oder die Zusammenhänge sind nicht nachvollziehbar. Das ist nicht die Aufgabe, um die es jetzt geht. (Abg. Brunner: Welche Anträge haben Sie gestellt?)

Wenn wir jetzt Ziele vorlegen, die nicht mit allen Lebensbereichen, mit allen Sektoren, die davon tangiert sind – die Energieversorgung im privaten Haushalt, die Ener­gieversorgung in der Wirtschaft, in der Industrie –, abgestimmt sind, dann exportieren wir diesen Klimaschutz. Das heißt, es werden Betriebe abwandern, es wird die Industrie abwandern. Das kann nicht das Ziel sein, sondern wir müssen das auch in Zukunft in einem ausgewogenen Verhältnis schaffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher ist unser Auftrag, diese Ziele mit den Menschen, mit den Unternehmen gemein­sam vorzulegen. Es geht, ich sage es Ihnen ganz ehrlich, um solch gravierende Veränderungen – es wird intensiv auf allen Ebenen daran gearbeitet –, dass diese Arbeit wegen einer Wahl bestimmt nicht unterbrochen werden wird. Die Klima­schutz­ziele werden in Kürze sicherlich vorgestellt und weiterbearbeitet werden, damit wir diese bis 2050 auch effizient erreichen können.

Noch zwei Punkte: Erstens möchte ich an die Kleine Ökostromnovelle erinnern. Zum Herrn Kollegen von der SPÖ, den ich momentan nicht sehe (Abg. Bernhard: Feichtinger heißt er!): Wenn er schon Kopilot war, dann hat er 15-mal nicht zum Piloten gesagt: Eine Kurve!, oder: Gib Gas!, sondern dann hat er 15-mal gesagt: Steig auf die Bremse! Auch das muss gesagt werden. (Abg. Brunner: Genau wie die ÖVP beim Ökostromgesetz!) Wenn wir davon reden, dass wir die Elektromobilität und andere Sektoren ausbauen möchten, dann wissen wir, wir brauchen auch Wasserkraft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Wie viele Projekte – sanfte Aus­bauprojekte – habt ihr in den letzten Jahren zu verhindern versucht? – So kann es nicht funktionieren! Wir brauchen einen Mix, wir brauchen Verlässlichkeit, und wir werden dadurch unsere Ziele erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

9.37


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Rauch. – Bitte. (Abg. Kogler: Sinnvolle Projekte unterstützen, blödsinnige Projekte verhindern, so ist es! Rufe bei den Grünen: Genau! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


9.37.46

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich beginne mit den Maßnahmen der Freiheitlichen Partei für den Klimaschutz im Überblick: Ausbau von Sonnen-, Wasser-, Wind- und Bioenergieanlagen, Attraktivierung umweltfreundlicher Treibstoffe, Ausstieg aus der Energiegewinnung durch Kohleverstromung, konsequente Ablehnung der Kernkraft, Attraktivierung der thermischen Sanierung des österreichischen Wohnbaubestandes zur Senkung des Energiebedarfs, Ausbau und bedarfsgerechte Adaptierung des öffentlichen Verkehrs, Einführung eines Österreichtickets für alle öffentlichen Verkehrs-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 23

verbindungen, Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. (Abg. Pirklhuber: Das ist ganz wichtig! Auch wichtig wäre es ...!)

Frau Kollegin Brunner, wenn Sie das als „jenseits“ bezeichnen, dann weiß ich nicht, was Sie unter Umweltpolitik verstehen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Brunner: Sie wissen genau ...!)

Bei aller persönlichen Wertschätzung Ihnen gegenüber, aber es ist jenseits, was Sie hier verkünden! Ein exaktes Beispiel: Sie verhindern in Graz die Wasserkraft – das ist jenseits! Sie verhindern die Wasserkraft in Graz. Das sind Ihre Maßnahmen, und das ist für uns jenseits. (Beifall bei der FPÖ.)

In Richtung Bundesregierung: Herr Bundesminister Rupprechter, wir alle wissen, das Ressort, das Sie in dieser Gesetzgebungsperiode innehatten, war nicht Ihr Lieblings­ressort. Sie haben sich bemüht, Maßnahmen zu setzen, aber wenn ich mir anschaue, welche Anträge wir in dieser GP eingebracht haben – Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag: abgelehnt; Schutz des Wassers in Österreich: abgelehnt; gegen die Kohle-verstromung aufzutreten: abgelehnt –, dann muss ich sagen: Da muss man endlich aktiv attraktive Maßnahmen setzen, um die Chance Österreichs, national Klimaschutz zu gewährleisten, zu nutzen. Das muss unser Weg sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bitte Sie, uns auch für diese Maßnahmen, die wir fordern, am 15. Oktober Ihre Stimme zu geben und damit zu gewährleisten – da es dafür auch eine starke frei­heitliche Stimme braucht –, dass diese nationalen Maßnahmen umgesetzt werden können, was für uns sehr, sehr wichtig ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Punkt, den ich immer in meine Rede einbaue, ist der Emissionszertifikatehandel. (Abg. Brunner: Aber Sie kennen sich dabei nicht aus!) Das ist ein wesentlicher Punkt. Durch den Emissionszertifikatehandel ist dieser Wirtschaftsstandort, ist die Wirtschaft-lich­keit äußerst gefährdet. Er bringt keine einzige umweltpolitische Maßnahme in Europa, in der ganzen Welt und ist nur eine Umverteilung von Geldmitteln, die im End­effekt nichts zum Umweltschutz beiträgt und für Österreich eine wirtschaftsstandort­feindliche Maßnahme darstellt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein weiterer Punkt ist die E-Mobilität, die natürlich als alternative Antriebsform sehr, sehr wichtig ist. Wir wissen aber alle, dass bei der Produktion einer Tesla-Batterie mehr CO2 ausgestoßen wird, als wenn ich mit einem Dieselfahrzeug acht Jahre durch die Gegend fahre. Daher muss man auch alternative Antriebsformen in die Pipeline schicken. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist, denke ich, schon eine notwendige Maßnahme und eine Aufgabe der Bun­desregierung und des zuständigen Ministers.

Jetzt können wir in diesem Bereich natürlich fördern, fördern, fördern. Das ist auch gut so, aber: Wir brauchen auf der einen Seite den Strombedarf und auf der anderen Seite auch alternative Antriebsformen, die vielleicht mit Wasserstoff oder anderen Mitteln gewährleistet werden können.

In diesem Sinne: Für eine gute, gerechte, faire Umweltpolitik gibt es am 15. Oktober nur eine Stimme – und das ist die für die FPÖ. (Beifall bei der FPÖ. Heiterkeit bei den Grünen. Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

9.42


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Willi. – Bitte.

 


9.42.43

Abgeordneter Georg Willi (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben fast auf den Tag genau vor eineinhalb Jahren das Klimaabkommen von Paris für Österreich unterschrieben und damals den Satz


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 24

gesagt: „Jetzt müssen wir das Abkommen mit Leben erfüllen.“ Und heute stellen Sie sich als Umweltminister, als Hauptverantwortlicher für den Klimaschutz hin, lesen die gesamte Rede herunter, reden von Schöpfungsverantwortung, und Ihre Hauptaussage ist: Wir bekennen uns zu den Zielen.

Herr Minister, Sie sind hauptverantwortlich für den Klimaschutz, Sie hätten jetzt ein­einhalb Jahre etwas tun können. Sie haben nichts getan, Sie sitzen im Liegestuhl und sagen: Ja, wir bekennen uns eh zu den Zielen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischen­bemerkung von Bundesminister Rupprechter.)

Diese Ziele für 2020, Herr Minister, sind leicht zu erreichen. Sie orientieren sich am Allzeithoch der Emissionen in Österreich von 2005. Gegenüber 1990 haben wir kein Gramm Einsparung erreicht. Das ist Ihre Verantwortung! Wir haben nichts erreicht, wir sind auf dem gleichen Stand. Es ist eine Blamage! (Bundesminister Rupprechter: Das ist einfach falsch! Minus 40 Prozent ...!)

Gestern Abend, Herr Minister, hat Ihr Chef Kurz gesagt: Wir stehen für Veränderung, und ein Kanzler muss sich die Latte hoch legen. – Wo waren Sie die letzten eineinhalb Jahre bei der Veränderung? Wo haben Sie sich die Latte hoch gelegt? Sie haben sich zurückgelehnt und gesagt: Wir bekennen uns ohnehin zu den Zielen des Klima­vertrags. – Das ist zu wenig, Herr Minister!

Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen des Klimawandels spürt, und die letzte, die etwas dagegen tun kann. Sie haben nichts getan. Sie sind im Fauteuil gesessen, und sie schauen einfach zu, was halt so abläuft. Ich frage Sie: Was werden Sie Ihren Enkeln einmal sagen, wenn die sagen: Opa, du warst ja damals Umwelt­schutzminister, Klimaschutzminister! Was hast du konkret getan? (Abg. Steinhauser: Er wird sagen, er war Landwirtschaftsminister! Zwischenbemerkung von Bundes­minister Rupprechter.)

Dann werden Sie vielleicht erzählen: Ja, ich habe Schweinehälften aus Österreich nach Südkorea exportieren geholfen und nach Japan und so weiter. (Abg. Steinhauser: Dass er Landwirtschaftsminister war, wird er sagen!) Da kringeln sich Ihre Augen freudestrahlend, wenn es um den Schweineexport nach Ostasien geht, für den die Schweine mit Soja aus Südamerika hochgepäppelt worden sind. Das sind die Erfolge, die Sie, Herr Minister, feiern, aber wenn es um das Wesentliche geht, um die Rettung unseres Planeten, damit wir alle als Bevölkerung überleben können, dann sitzen Sie im Liegestuhl und schauen zu. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister, wir hatten im Parlament eine Enquete zum Thema Klimakrise. Die Avantgarde der österreichischen Wissenschafter hat dort gesprochen und eines gesagt: Wir haben alles erforscht, wir wissen alles, man muss endlich in die Umset­zung kommen. – Das haben Sie auch gehört. Nur: Wo ist die Umsetzung?

Dabei ist diese Transformation unserer Gesellschaft in eine mit erneuerbarer Energie eine Riesenchance, was die Arbeitsplätze betrifft. Wie meine Kollegin Brunner schon gesagt hat, die entscheidenden Fragen sind erstens: Schaffen wir es durch die rich­tigen Maßnahmen, die Katastrophe abzuwenden?, und zweitens: Schaffen wir es, die Chancen der Klimakrise in Österreich zu nutzen, oder überlassen wir diese Chancen anderen, den Chinesen und so weiter?

In dieser Angelegenheit stehen wir als Grüne eindeutig auf der Seite Österreichs. Wir wollen die Chancen hier nützen. Wir wollen die Arbeitsplätze hier schaffen. (Bundes­minister Rupprechter: Der Wahlkampfbus von Lunacek ...!) – Herr Minister, es nützt alles nichts! Ihre Bekenntnisse zu irgendwelchen Zielen ohne Taten sind nichts wert. (Beifall bei den Grünen.) Ihre Unterschrift von New York unter das Klimaabkommen von Paris ist nichts wert, weil Sie nichts getan haben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 25

Jetzt komme ich zu meinem Bereich, dem Verkehr. Der Verkehr ist jener Bereich, bei dem es 60 Prozent Zuwachs an Treibhausgasen gab. Dabei wissen wir alle, wie umweltgerechter, klimafreundlicher Verkehr ablaufen könnte. Man muss nur in die Bundesländer schauen, in denen Grüne mitregieren, Wien, Vorarlberg, Tirol: günstiges Öffi-Jahresticket. Was tun die Leute? – Sie nehmen es an, sie steigen um. Wir bauen die Radwege aus, wir schaffen Infrastruktur für umweltfreundlichen Verkehr. Das sind die Rezepte der Zukunft. (Abg. Schimanek: Na ja, in Kufstein? Da hat die Landesrätin uns alle im Stich gelassen!)

Wenn ich jetzt schon beim Öl bin, beim Benzin und Diesel: Sie haben sich dazu bekannt, dass man mit dem Dieselprivileg aufräumt. Sie haben es nicht durchgesetzt, obwohl Sie in der Wirtschaftspartei ÖVP sitzen, obwohl Sie wissen, dass es notwendig gewesen wäre. Herr Minister, Sie haben auf voller Länge versagt! (Zwischenbe­merkung von Bundesminister Rupprechter.) Ihre Bilanz ist so schwach, dass Sie die drei Seiten, die man Ihnen für heute geschrieben hat, sogar herunterlesen müssen.

Es ist blamabel. Es ist eine vertane Chance für Österreich. Das Einzige, was man jetzt noch tun kann, ist, am Sonntag die Grünen zu wählen, damit dieser Planet, damit unser Österreich Chancen für die Zukunft hat. (Beifall bei den Grünen.)

9.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bernhard. – Bitte.

 


9.47.57

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Das Thema ist „Klimakrise: Totalverweigerung der Bundesregierung gefähr­det die Zukunft Österreichs“. Ich habe mit Spannung festgestellt, dass die Vorredner, zumindest die meisten davon, einfach nur ihre Texte heruntergelesen haben. (Zwischenruf des Abg. Lugar.) Ich hatte nicht das Gefühl, dass hier viel verstanden wurde.

Zwei Dinge möchte ich schon einmal hervorkehren: Für all das, was wir jetzt von der neuen ÖVP auf der einen Seite und auch vom Kollegen Feichtinger auf der anderen Seite dazu hören, was man alles in der nächsten Periode besser machen werde können (Abg. Lugar: ... kann ja nur runterlesen!), hätte man die Chance seit 2013 gehabt. Seit 2013 hatten Sie eine Mehrheit in diesem Haus und hätten all diese Maß­nahmen umsetzen können. Nichts davon ist passiert!

Herr Minister Rupprechter muss seinen Text herunterlesen, beginnt einfach, er kann sich das Lächeln kaum verkneifen, weil er merkt, wie sehr er uns an der Nase herumführt, während Kollege Feichtinger davon spricht, er wäre ja nur der Kopilot gewesen und der Fahrer habe nicht zugehört. Der Kopilot hatte die große Partei im Rücken. Nichts ist passiert. Sie haben uns jetzt vier Jahre lang mit einem Nichts einfach an der Nase herumgeführt.

Zur inhaltlichen Arbeit im Ausschuss: Wir haben eine ganze Reihe von Anträgen gestellt, Anträge, die wir als Parlament hätten beschließen können, die einen Nutzen gehabt und nicht einmal etwas gekostet hätten, Anträge, die seit Langem in den Schubladen liegen und die manchmal auch tatsächlich den Wirtschaftsstandort gestärkt hätten. Nichts davon ist passiert.

Was ist daran das besonders Spannende? – Das Spannende ist, dass, wenn dann diese Anträge im Ausschuss vertagt werden, sich die Parteien ÖVP und SPÖ nicht einmal die Mühe machen, den Antrag oder das Gesetz vorzulesen, das diesen Antrag sozusagen beinhaltet hätte. Entweder ist es intellektuell fehlende Kapazität oder es ist


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 26

absolut fehlendes Interesse, weshalb man die letzten vier Jahre Vertagungsanträge gestellt hat, ohne das Thema eigentlich zu behandeln.

Ich möchte ein paar Themen herausgreifen, damit man weiß, wovon ich spreche: Wir haben auf der einen Seite zum Beispiel Anträge gestellt, die das Thema Raumordnung betreffen. Das wäre ein Thema, wofür wir relativ wenig Geld in die Hand nehmen müssen, aber tatsächlich einen starken Nutzen erzielen können.

Warum ist Raumordnung so wichtig? – Sie verteilt sich derzeit auf alle neun Bundes­länder. Das heißt, in jedem Bundesland gibt es eine eigene Strategie, die nicht mit dem Nachbarbundesland und schon gar nicht mit dem Bund abgesprochen ist. Allerdings führt diese Vorgehensweise zur Zersiedelung. Die Zersiedelung führt wiederum dazu, dass wir mehr Verkehr in unserem Land haben, was mehr Emissionen bedeutet. Weder die ÖVP noch die SPÖ wollten überhaupt über den Inhalt diskutieren.

Noch spannender ist, dass man sich im Regierungsprogramm für 2008 bis 2013 – ebenfalls SPÖ und ÖVP – eine Eindämmung zum Ziel gesetzt hat, indem nur noch 2,5 Hektar an Fläche pro Tag verbraucht werden. Nichts ist bisher geschehen, den Antrag von NEOS hat man vertagt. 2010 hat sich das Umweltministerium zum Ziel gesetzt, diesen Flächenverbrauch zu reduzieren; auch ein Antrag von mir dazu wurde ohne ernsthafte Erklärung vertagt.

Dann hatten wir als Nächstes – ebenfalls sehr wichtig – die starken Lippenbekennt­nisse von SPÖ und ÖVP zum Bereich der erneuerbaren Energie. Wie wollen wir den Umstieg schaffen? Wie wollen wir die Investitionen auslösen? Wie wollen wir die Forschung unterstützen? Wie wollen wir den Wirtschaftsstandort unterstützen? Wir haben dazu Anträge eingebracht von der Erhöhung der Quote bei der Energie­for­schung bis zu einer gescheiten Ökostromnovelle – das hat Kollege Schellhorn verhan­delt – und SPÖ und ÖVP sind nur auf der Bremse gestanden. Wiederum hat entweder die Redlichkeit oder die intellektuelle Kapazität im Ausschuss gefehlt, um uns eine ernsthafte Antwort zu geben, warum man unseren Anträgen inhaltlich nicht einmal eine ordentliche Debatte einräumen möchte.

Es kommt noch dicker: Die Kohleverstromung – das heißt, das, aus dem wir ja aus­steigen wollen – subventionieren wir heute auch noch mit Steuergeld. Ein Antrag dazu wurde jedes Jahr mehrfach von mehreren Oppositionsparteien, auch von uns NEOS, gestellt. Es ist nie etwas passiert.

Wir verpulvern derzeit Steuergeld für Dinge, für die wir nachher noch Strafe zahlen. Da greift man sich an den Kopf. SPÖ und ÖVP, Fahrer und Kopilot, haben in vier Jahren keinerlei, aber wirklich keinerlei Ambitionen gehabt. Wer glaubt, was man da in Zukunft umsetzen möchte?

Ich möchte mit etwas abschließen, das mir sehr wichtig ist: Ich habe knapp 80 Anträge gestellt. Kein einziger Antrag ist angenommen worden, von den 80 Anträgen wurden höchstens fünf inhaltlich debattiert. Man kann nur sagen: Es besteht absolutes Des­interesse im Bereich der Umweltpolitik. Wer eine Veränderung will, darf jenen Men­schen, die uns nur Sand in die Augen streuen, nicht glauben.

Mein Abschlusssatz, Frau Präsidentin, auch an die Frau Kollegin Brunner gerichtet – mein Kollege Schellhorn wird später genauer auf unsere CO2-Steuer eingehen und erklären, warum bei uns NEOS zwischen den Worten Wirtschaft und Umwelt ein Und steht und nicht das grüne Oder –: Wir schaffen Arbeitsplätze, wir zerstören nicht unser Land. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 27

9.53


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


9.53.28

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bundeskanzler Christian Kern ist gestern in einem Chat-Forum gefragt worden, was denn seiner Meinung nach in diesem Wahlkampf an Themen zu kurz gekommen ist. Er hat gesagt: der Klimaschutz, die Klimapolitik, die Österreich machen sollte. – Dazu gibt es ja auch etliche Ansätze im Plan A, sehr innovative, zukunftswei­sende Ansätze.

Ich sehe das genauso und bin auch den Grünen sehr dankbar für diese Aktuelle Stun­de, denn ich glaube, dass die Klimapolitik wirklich eine der großen Herausforderungen der Zukunft ist und unsere Verantwortung anspricht, sowohl gegenüber künftigen Generationen als auch gegenüber vielen anderen Milliarden Menschen auf der Welt, die unter der Klimaerwärmung leiden. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist eine menschengemachte Klimaerhitzung, die wir da erleben. Auch wenn es die FPÖ zum Teil noch gar nicht glauben will, es ist keine Erfindung von China oder von anderen (Abg. Schimanek: Was soll denn das?), sondern es ist das Resultat einer kohlenstoffzentrierten Wirtschaft des Nordens, von der wir natürlich auch die Auswirkungen spüren, aber ganz besonders schlimm die Menschen, die im Süden leben, die massive Auswirkungen zu ertragen haben.

Ich möchte als ein Beispiel Äthiopien hernehmen: Äthiopien ist ein Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Dort sind die extremen Wetter­ereignisse in den letzten Jahren signifikant gehäuft aufgetreten. Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass es eine immense Erosion durch Starkregen gibt, was wiederum dazu führt, dass Felder weggewaschen werden, dass die Möglichkeiten, Saatgut anzu­pflanzen, immer geringer werden, dass es mit sehr großer Häufigkeit zu meteorolo­gischen Phänomenen wie Starkregen, Hagel, Dürre kommt, wodurch Lebensgrund­lagen zerstört werden, Futterpflanzen nicht mehr wachsen können, was eine verhee­rende Auswirkung auf die Herden hat, die die Leute dort halten. Damit geht auch einher, dass die Menschen selbst keine Nahrung mehr haben, keine Möglichkeit zu wirtschaften, Vieh zu verkaufen oder an Wasser zu kommen.

All das übt auf die Menschen einen irren Druck aus. Gerade in einem Land wie Äthiopien, wo 80 Prozent der EinwohnerInnen von der Landwirtschaft abhängig sind, sind sehr viele gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen. Von den 103 Millionen Ein­wohnern Äthiopiens sind über zehn Millionen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Dazu kommen noch einmal eine Dreiviertelmillion Flüchtlinge aus anderen Ländern, die in Äthiopien Zuflucht gefunden haben.

Es ist aber auch ein globales Phänomen. Wir hatten im Jahr 2016 den stärksten El-Niño-Effekt der letzten 50 Jahre.

Wir hatten mit den Millennium Development Goals, mit denen wir uns vorgenommen hatten, die Zahl der Menschen, die hungern, drastisch zu reduzieren, relativ viel Erfolg. Wir waren da gut unterwegs, gerade in Asien ist die Zahl der Hungernden signifikant zurückgegangen. Seit letztem Jahr sehen wir aber – und davon ist ganz viel klima­bedingt –, dass die Zahl der Hungernden seit zehn Jahren erstmals wieder steigt. Es sind momentan 815 Millionen Menschen auf der Welt, die jeden Abend hungrig ins Bett gehen, das sind ungefähr 11 Prozent der Weltbevölkerung. Ganz besonders krass wirkt sich diese Mangelernährung auf etwa 155 Millionen Kinder aus, die in ihrer Entwicklung gestört werden, oder auf 613 Millionen Frauen im gebärfähigen Alter, die unter extremer Blutarmut leiden.

Man geht weiters davon aus, dass nur aufgrund von Klimaerhitzung jedes Jahr etwa 20 Millionen Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 28

Das alles bedarf einer sehr großen Anstrengung der internationalen Staatenge­mein­schaft, um die Not zu lindern – sei es über humanitäre Hilfe, sei es über Entwicklungs­zusammenarbeit, sei es dadurch, die Widerstandsfähigkeit der Menschen und die wirtschaftlichen und bäuerlichen Strukturen zu stärken, sei es über das World Food Programme.

All das sind Bereiche, bei denen sich Österreich nicht mit Ruhm bekleckert, weil es besonders große Aktivitäten gesetzt hätte. Nicht nur, dass wir bei dieser End-of-Pipe-Politik zu wenig tun, wir tun auch viel zu wenig, um offensiv vorzusorgen und eine Klimapolitik zu machen, die den internationalen Commitments wie den Sustainable Development Goals, Paris oder auch EU-Übereinkommen wirklich gerecht wird.

Dabei hat uns Nicholas Stern schon vor über zehn Jahren vorgerechnet, dass wir, wenn wir heute alles dazu beitragen, um die Klimaerwärmung global auf 2 Grad zu begrenzen, etwa 2 Prozent des Bruttoglobalprodukts aufwenden müssen. Wenn wir hingegen nichts tun, werden es am Ende des Jahrhunderts 20 Prozent sein, die wir ausgeben werden müssen, um mit den Folgen der Klimaerhitzung zurechtzukommen.

Wir haben schon von der Säumigkeit des Umweltministers gehört. Ich möchte noch ergänzen: Wir hatten im Regierungsprogramm zum Beispiel die Aufforderung, darauf zu achten, dass wir Handelsübereinkommen abschließen, die auf Klimapolitik ein­gehen. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Das ist nicht der Fall, und auch die österreichischen Zusagen zum Green Climate Fund sind mehr als dürftig.

Um zum Abschluss zu kommen: Die SPÖ ist eine Partei mit einem internationalen Anspruch. Wir wollen internationale Solidarität in Politik umsetzen und leben. Eine Stimme für die SPÖ am Sonntag trägt auch dazu bei, dass Österreich die inter­nationale Rolle, die wir in der Welt schon einmal hatten, wieder erreichen kann. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Brunner: Sie waren aber jetzt schon in der Regierung, oder?)

9.59


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Lettenbichler. – Bitte.

 


9.59.25

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Leider setzt sich der Wahl­kampf natürlich auch in dieser Aktuellen Stunde fort. Die Grünen nützen diese letzte Aktuelle Stunde, um den Wahlkampf noch einmal in ihrem Sinn hier hereinzutragen (Zwischenruf der Abg. Schimanek), den vorliegenden Anträgen ist dies leider anzumerken.

Herr Kollege Willi, Sie wissen, ich schätze Sie, aber dieses Anpatzen und Beleidigen, das wir in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder gehört haben (Zwi­schenruf der Abg. Korun), gerade eben auch von Ihnen hier gegenüber dem Bundes­minister, finde ich unangebracht, und das ist genau das, was die Leute nicht wollen. (Beifall bei der ÖVP.) Wir sollen uns hier an diesem Ort austauschen; wir werden natürlich nicht überall die gleiche Meinung haben, aber wir sollen immer sachlich bleiben (Abg. Brunner: ... Meinung ...!) – und auf diese Ebene, zur Sachlichkeit will ich zurückkehren.

Sie werden es vielleicht nicht gerne hören, aber Österreich ist ein Umweltmusterland und wir sind auch im Klimaschutz gut aufgestellt; das kann ich mit einigen Zahlen belegen. Wenn man sich nämlich anhand einer Untersuchung des Umweltbun­des­amtes die Emissionen pro Wirtschaftsleistung ansieht (Abg. Brunner: Treibhausgase!), sieht man, Österreich liegt von insgesamt 28 EU-Staaten auf Rang sechs. Auch im


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 29

internationalen, im weltweiten Vergleich sind wir sehr gut aufgestellt: Von den Emis­sionen pro Wirtschaftsleistung (Abg. Brunner: Darum geht es aber nicht!) haben wir etwa im Vergleich zu den USA nur die Hälfte und im Vergleich zu China nur 25 Pro­zent. Wenn man sich anschaut, was in den letzten 27 Jahren passiert ist: Österreich hat in etwa eine Million Bewohner mehr, eine Million Haushalte mehr, das BIP hat in diesen 27 Jahren um 61 Prozent zugenommen, und trotzdem ist es gelungen, die Emissionen in etwa gleich hoch zu halten und da zu einer völligen Entkoppelung zu kommen.

Ich darf Sie beruhigen, Österreich wird auch die Klimaziele 2020 und 2030 erfüllen, auch vor dem Hintergrund, dass sich viele andere Staaten von den teilweise ambi­tionierten, teilweise weniger ambitionierten Klimazielvorgaben des Pariser Klimaab­kommens schon längst verabschiedet haben. Dazu auch eine Zahl, die Sie vielleicht auch nicht hören wollen: Zwischen 2005 und 2015 sind unsere Emissionen insgesamt um 15 Prozent gesunken, und das ist ein großer Erfolg (Abg. Brunner: Sie suchen genau den einen Teil raus, wo es zufällig ...!), den wir einerseits auf die wirksamen Maßnahmen der Bundesregierung zurückzuführen haben, aber andererseits auch auf die tollen Leistungen, die die österreichische Wirtschaft vor allem auch in diesem Bereich gezeigt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir alle wissen, dass das Klimaschutzgesetz ein guter Rahmen dafür ist, die Reduktion der Treibhausgasemissionen nachhaltig voranzutreiben. Sie wissen aber auch, ge­schätzte Frau Kollegin Brunner, dass wir da einen entsprechenden Rahmen brauchen, der vonseiten der EU kommen muss, und dieser liegt noch nicht vor; das wird in den nächsten zwei, drei Monaten passieren. (Abg. Brunner: Nein! Nein!) Diese Rahmen­bedingungen zum Effort Sharing brauchen wir, und dann wird natürlich das Klima­schutzgesetz in einer entsprechenden Weise novelliert (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Brunner); was Sie vorhaben, bedeutet, das Pferd von hinten aufzuzäumen.

Im Bereich Energie braucht es auch weitere Maßnahmen. Es ist mit der – nicht so – Kleinen Ökostromnovelle vieles gelungen, aber natürlich brauchen wir da einen weiteren Schritt, eine große Ökostromnovelle; das wird einer der ersten Schritte sein, den wir in der neuen Regierung zu setzen haben.

Es ist davon gesprochen worden, Chancen wahrzunehmen, und da möchte ich eine Lanze für die heimische Wirtschaft brechen: Wir nehmen schon jetzt diese Chancen wahr. Was Sie vielleicht nicht wissen – das ist durch eine Studie von Economica belegt –: Österreich liegt in einem Ranking aller 28 EU-Staaten und der EFTA-Staaten hinsichtlich Erfinderdichte im Bereich Energieeffizienz auf Rang zwei und weltweit sogar auf Rang acht. Diese Leistung wird zu wenig gewürdigt. Österreich hat als kleines Land die große Chance, diesen Hebel im Bereich der Energieeffizienz anzusetzen; mit diesem Hebel kann man viel mehr ausrichten als mit vereinzelten Energieeffizienzmaßnahmen im Lande. Da sind wir gut unterwegs. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, dass unser Bundeminister Rupprechter ein Garant dafür ist, dass wir die Klimaschutzziele auch in Zukunft erreichen werden, und das wird uns auch gelingen.

Abschließend, weil auch das Thema Verkehr angesprochen worden ist, möchte ich noch sagen, dass wir bei uns im Unterland im Bereich Kufstein, wie auch in anderen Regio­nen, bezüglich der Vignettenfreiheit eine große Diskussion haben. (Abg. Schimanek: Nein, ich glaube es nicht!) Leider ist es in der vergangenen Gesetzgebungsperiode nicht gelungen, den Koalitionspartner zu überzeugen (Abg. Schimanek: Du hättest ... unterstützen können!), dass wir hier eine Lösung herbeiführen können. (Abg. Schimanek: Was soll denn das jetzt?)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 30

Es hat natürlich auch seitens der Opposition Anträge gegeben (Zwischenruf des Abg. Heinzl), aber es ist, Frau Schimanek, unrichtig, dass wir, wie Sie gestern in Ihrer Wahl­kampfveranstaltung behauptet haben (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen), heute hier eine Vignettenbefreiung hätten beschließen können; das wissen Sie genau. Vielleicht haben Sie in der Hitze des Gefechts, des Wahlkampfgefechts, etwas durch­einandergebracht (Zwischenruf der Abg. Schimanek), aber was ich als schlimm empfinde ...

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schlusssatz kommen, bitte!

 


Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (fortsetzend): Was ich als schlimm empfinde (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Schimanek), ist, dass Sie die Geschäftsordnung noch nicht kennen, obwohl Sie nach der Wahl vielleicht die Position der Natio­nalratspräsidentin einnehmen – die Posten werden ja bei der FPÖ anscheinend schon vergeben. (Abg. Schimanek: Unfassbar! – Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.) Schauen Sie sich bitte die Geschäftsordnung an, damit Sie so etwas nicht mehr erzählen, und bereiten Sie sich auf diese Funktion vor! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schimanek: Das ist ja unglaublich! Das ist jetzt noch die alte ÖVP gewesen, nicht die neue! Das ist ja unfassbar!)

10.05


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Klinger. – Bitte.

 


10.05.13

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Alle Zuhörer! Ich habe gestern Abend die „Zeit im Bild 2“ eingeschaltet, weil ich mir ein letztes Mal vor der Wahl die Bewertung der Konfrontation der Spitzenpolitiker anhören wollte, und da wurde ein für die heutige Aktuelle Stunde sehr interessantes Thema aufgeworfen, nämlich dass die Erde vor knapp 300 Millionen Jahren eine Eiskugel hätte werden können, wenn wir nicht richtig Glück gehabt hätten. (Ruf: Trump!) Da ist als Erstes – da der Titel der heutigen Aktuellen Stunde lautet: „Klimakrise: Totalverweigerung der Bundesregierung gefähr­det die Zukunft Österreichs“ – zu sagen: Bitte, da muss man ein bisschen über den Tellerrand hinausdenken, denn Österreich alleine wird es nicht schaffen, das Weltklima zu retten oder zum Positiven zu verändern.

Wenn ich – und ich glaube, das ist überall anerkannt – davon ausgehe, dass die Welt dann kühler wird, wenn wir wieder unter 240 ppm, parts per million, kommen, dann muss ich auch davon ausgehen, dass das im Laufe der Weltgeschichte durch die Änderung der Himmelsmechanik bereits mehrmals passiert ist. Es stellt sich hier nur die Frage: Was kann der Mensch tun, damit wir diese Gegebenheiten nicht be­schleunigen und auch nicht abbremsen? Das ist eine ganz wichtige Sache.

Wir haben laut den neuersten Berechnungen noch ungefähr 1 500 Jahre Zeit bis zur nächsten Zwischeneiszeit, und die Quintessenz ist: Ist der Mensch in der Lage, das Klima so lange dahin gehend zu verändern, dass diese Zwischeneiszeit nicht eintreten wird? Das ist die große Frage, denn eines ist klar: Zum Schluss wird es kalt werden (Ruf: Ui!), und das wollen wir natürlich auch nicht. Wir alle hier wollen davon nicht betroffen sein, aber wir können sehr viel dazu beitragen, dass in dem Zeitraum, in dem die Menschen hier auf diesem Erdball leben, auch entsprechend gute Möglichkeiten dafür gegeben sind. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Wo sind da die ersten Probleme? – Die ersten Probleme liegen in einer Steigerung der Potenziale der Menschen. Auf der einen Seite ist nämlich dort, wo die Sozialstandards


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 31

hoch sind, der ökologische Fußabdruck ganz besonders groß, negativ, und auf der anderen Seite wird dort, wo die Population entsprechend groß ist,, nicht danach getrachtet, dass die Ströme, die dann dort hinkommen, wo man viel Verbrauch hat, angehalten werden und abgestellt werden. Vor ungefähr 50 Jahren gab es 3,5 Milliar­den Menschen, und jetzt gibt es an die 8 Milliarden. Das wird die Herausforderung der Zukunft sein, niemand wird glauben, dass wir in 100 Jahren 16 Milliarden Menschen auf dieser Erde werden ernähren können, geschweige denn nach allen Auswirkungen der Klimapolitik.

Zum Schluss stellt sich die Frage: Was können unsere Regierungen dazu tun, damit wir in Zukunft zu einem positiven Lebensgemeinschaftsvolumen kommen? Das heißt im Klartext: Wir müssen versuchen, alle vernünftigen Regierungen zu einer ökolo­gischen Wirtschaftspolitik zu bringen.

Weil heute die E-Mobilität angesprochen wurde: Ich habe schon Gespräche darüber geführt, was es eigentlich bedeuten würde, wenn wir jetzt die gesamte Straßenmobilität auf E-Mobilität umstellen würden. Wissen Sie, wie viel Strom wir da brauchen? (Abg. Brunner: 15 Prozent! – Abg. Köchl: 15 Prozent mehr!) – Ja, das entspricht aber zwei­mal Mellach, das heißt, das sind 1 600 Megawatt, die wir zusätzlich brauchen. – Ja, woher bekommen Sie die denn? Rechnen Sie diese 1 600 ... (Abg. Brunner... aufbauen, ganz einfach!) – Frau Brunner, ich versuche, positiv zu agieren, nicht negativ.

Ich bin der Meinung, dass es ohne zukünftige Zwischenenergieträger nicht gehen wird. Und wenn wir die gesamte Ökostromgeschichte dahin gehend betrachten, dass wir möglichst viel Sonnenenergie haben wollen, dann brauchen wir Transferleitungen; ohne die wird es nicht gehen, das ist einmal ganz klar.

So gesehen haben wir alle Hände voll zu tun, gemeinsam diese Strategie für die Zukunft zu entwickeln; Österreich allein wird das nicht schaffen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Prinz.)

10.10


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Köchl. – Bitte.

 


10.10.42

Abgeordneter Matthias Köchl (Grüne): Anwesende Blockierer und Verhinderer! (Heiterkeit der Abg. Brunner.) Hochgeschätzte Umweltbewegte vor den Fernsehap­paraten und auf der Zuschauergalerie! Ich möchte ein Argument bringen, das vielleicht auch unseren Minister überzeugt: Wer heute die Presseberichterstattung verfolgt hat, muss leider feststellen, dass Europa die geringste Weinproduktion, die geringste Weinernte seit dem Zweiten Weltkrieg bevorsteht, und der Hauptgrund dafür ist der Klimawandel, die Klimaerwärmung. – Wenn das für die ÖVP kein Argument ist, dann weiß ich auch nicht mehr weiter; das ist echt schwierig mit Ihnen. (Beifall bei den Grünen.)

Als ich 1995 angefangen habe, mich zu engagieren, war eine meiner ersten Maß­nahmen – damals als Schülervertreter –, das Freifach Vernetztes Denken einzuführen, und da haben wir uns ein Jahr lang mit der Klimaerwärmung befasst. Wenn man sich die Zahlen von damals und die Zahlen von heute anschaut, dann stellt man fest, dass absolute Untätigkeit zu vermerken ist – und die heiße Luft, die heute hier produziert wurde, ist noch als zusätzliche Belastung für die Klimaerwärmung hier im Saal festzustellen. (Abg. Steinhauser: Der war gut!)

Herr Bundesminister, Sie haben gesagt: 70 Prozent Erneuerbare im Strombereich. – Ja, eh super, wir sind gut unterwegs! In den 1970er-Jahren hatten wir auch etwa 70 Prozent Erneuerbare im Strombereich. (Abg. Kogler: Genau!) Das heißt, Sie sagen: Hurra, Österreich ist so gut wie 1970! – Gut, wenn das Ihre Leistungsbilanz ist,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 32

dann muss ich das zur Kenntnis nehmen. Wir von grüner Seite wollen mehr, wir wollen 100 Prozent Erneuerbare. (Beifall bei den Grünen.)

Was hat diese Bundesregierung – Streitregierung, wie immer man sie nennen möchte – weitergebracht oder nicht weitergebracht? – Sie hat ganz konkret in der letzten Legis­laturperiode die Flugticketabgabe halbiert. Wie man das als Klimamaßnahme verkau­fen kann, können Sie bitte jemandem anderem erklären.

In Österreich ist es übrigens so, geschätzte Damen und Herren: Wenn Sie jetzt Kohle anzünden und daraus Strom machen, dann bekommen Sie die Kohleabgabe vom Staat rückerstattet. 40 Millionen € Steuerbonus kommen zurück, wenn Sie aus Kohle Strom gewinnen. Die Anträge der Grünen, meine Anträge und auch jene von Kollegin Brunner, liegen im Parlament vor, wurden aber nur vertagt und nicht wirklich behandelt. Das wäre eine Maßnahme, wo man sagen kann: Dagegen, Kohle anzuzünden und Strom daraus zu machen, sollte man sich in einem modernen Staat im Jahre 2017 jedenfalls wenden; das kann es wohl wirklich nicht sein.

Die Menschheit hat aus meiner Sicht ein generelles Problem. Wir wissen, dass Erdgas und Erdöl relativ früh ausgehen werden, aber danach könnten manche auf die Idee kommen, die Kohle auszugraben und anzuzünden – und das gilt es dringend zu verhindern.

Wir haben heute auch schon von der Elektromobilität gehört, da ist Österreich in manchen Bereichen durchaus ganz gut unterwegs; das möchte ich auch gar nicht schlechtreden. Ich habe da vor zwölf Jahren schon viele Initiativen gesetzt, und in meinem Heimatbundesland, Kärnten, haben wir das beste Ladenetz. Elektromobilität bedeutet, wenn man komplett umstellt, 15 Prozent mehr Stromverbrauch, wenn wir das innerhalb von zehn Jahren machen, 1,5 Prozent jedes Jahr – also wenn wir das nicht mehr hinbekommen, dann weiß ich mir auch nicht mehr zu helfen. 1,5 Prozent mehr Stromverbrauch durch Elektromobilität, das können wir durch Effizienzmaßnahmen locker wieder hereinbekommen. Ich formuliere es anders: Ein Quadratmeter Photo­voltaik bedeutet 1 000 Kilometer Auto fahren im Jahr – mit Energie von der Sonne. Das ist möglich und gehört nur umgesetzt. (Beifall bei den Grünen.)

Ein weiterer Themenbereich ist der Wohnbau: Wir meinen, mit Sanierung, auch damit, dass gescheite Häuser gebaut werden – Niedrigenergiestandard, Passivhaus­stan­dard –, wollen wir die Menschen entlasten. Da ist gar nichts geschehen. Da ist schon in der vorletzten Legislaturperiode eine Wohnbauoffensive, Wohnbauinves­ti­tions­bank, was auch immer, angekündigt worden – das ist nicht umgesetzt worden. (Zwischen­bemerkung von Bundesminister Rupprechter.) – Ja, das gibt es irgendwo am Papier, aber de facto ist nicht das geschehen, was Sie angekündigt haben. (Zwischenruf der Abg. Moser.) Da geht es aber darum, genau die Green Jobs, von denen wir alle reden und von denen wir alle bis zu einem gewissen Grad auch träumen, zu schaffen. Das wäre ganz wichtig und sehr entscheidend.

Die gute Nachricht heute: Die Erneuerbaren sind marktfähig. Wenn wir heute über die Atomkraft diskutieren: Wir haben ja zum Glück eine Klage gegen Hinkley Point laufen; dazu haben die Grünen damals, 2014, einen Antrag eingebracht, und wir haben hier in diesem Gremium dankenswerterweise einen einstimmigen Beschluss gefasst. Das britische Atomkraftwerk Hinkley Point ist nicht marktfähig, es bräuchte massive, wettbewerbsverzerrende Förderungen. Das Gleiche gilt auch für Paks in Ungarn.

Die Atomkraft ist in Wirklichkeit tot; sie liegt in den letzten Zügen und schnauft gerade um staatliche Subventionen und Förderungen. Das ist die gute Nachricht, und wir sollten jetzt danach trachten, dass wir diese staatlichen Förderungen bekämpfen und


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 33

nicht ermöglichen, und zwar auf allen Ebenen, in Österreich und auf europäischer Ebene. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen.)

10.15


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.

 


10.15.25

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minis­ter! Zum Schluss heißt es natürlich noch einmal replizieren, etwa auf Kollegen Höfinger von der ÖVP. Ich weiß nicht, wahrscheinlich ist es den meisten hier herinnen nicht aufgefallen, aber was hat er denn gesagt? – Da gibt es verschiedene Interessen, die müssen abgewogen werden, darum können wir uns jetzt noch nicht entscheiden.

Es ist leider Fakt. Wahrscheinlich fragen Sie noch irgendeinen Fachreferenten bei den Sozialpartnern, wie jetzt eine Klimawende herbeigeführt werden kann. Das ist Mutlosig­keit. Es gibt noch manche, die glauben, am 16. Oktober wird der Schalter umgelegt und dann beweist man einfach Mut. – Nein, das ist die Prolongation von dem, was Sie jetzt machen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kogler: Umgekehrt wird es sein!) Das ist es, was Kollege Höfinger klar und deutlich gesagt hat: Wir müssen abwägen und wir müssen da noch irgendetwas besprechen, die Inter­essen von Links und Rechts müssen noch abgewogen werden.

Ich denke, das ist der falsche Ansatz; auch jener der grünen Fraktion: Sie würden eher besteuern, und sie wollen eher verbieten (Zwischenruf der Abg. Brunner), aber steu­ern heißt auch lenken. (Abg. Brunner: Ja, steuern heißt ...!) Wir wollen das Ver­ur­sacherprinzip umsetzen (Abg. Lichtenecker: Ja, wir auch!) – ihr auch –, aber wir wollen es auch, und das hast du kritisiert, neutralisieren. (Zwischenruf der Abg. Brunner.) Insofern könnte man sagen: Angenommen, Kollegin Brunner, du würdest über deinen Schatten springen und dir einen wahnsinnig großen SUV kaufen (Abg. Brunner: Würde ich nicht machen!) – angenommen; wir nehmen es einmal an (Heiter­keit bei den Grünen – Zwischenrufe der Abgeordneten Kogler, Lichtenecker, Steinhauser und Walser–, dann gilt das Verursacherprinzip. Du kannst ihn dir sogar in die Garage stellen (Abg. Brunner: Nein, nein!) und brauchst nicht damit zu fahren; wenn du aber damit fährst, dann hast du eine höhere Besteuerung.

Das Prinzip dieses unseres Steuersystems, unserer CO2-Steuer ist ja: Es braucht einen Lenkungseffekt, und das ist eine zusätzliche Maßnahme zur Lohnneben­kosten­senkung. (Abg. Kogler: Jawohl!) – Ja, das ist das generelle Prinzip. (Zwischenruf der Abg. Brunner.)

Unsere energiepolitischen Grundsätze basieren auf drei Punkten: Es muss sicher sein, also die Versorgungssicherheit muss gewährleistet sein; es muss wirtschaftlich sein, und das ist auch für die Industrie, für den Industriestandort wichtig. Im derzeitigen Fall ist es ja so, dass selbst Hochtechnologieunternehmen wie UPM in Laakirchen, das große Papiermaschinen hat, betreffend Zertifikate nicht befreit werden, obwohl sie die besten Anlagen haben. Sie werden bestraft. Und da kann man nicht lenken, wenn man nicht will, beziehungsweise man könnte lenken, aber ihr tut es nicht, weil ihr ja den Sozialpartner, die Wirtschaftskammer fragen müsst, was ihr machen dürft und was nicht.

Insofern: Es muss dann aber auch nachhaltig sein, das heißt, man braucht ein Prinzip, das auch das berücksichtigt. Wir können zwar die Autobahnen nicht wegstreichen oder wegrationalisieren, aber wir müssen jene besteuern, die viel fahren, und wir müssen das Verursacherprinzip vorantreiben. (Abg. Brunner: Das haben wir in unserem Modell drinnen!) Gleichzeitig streichen wir aber die NoVA. (Abg. Brunner: Genau!) –


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 34

Ah so! (Abg. Brunner: Das ist der Unterschied!) – Ja, das ist der Unterschied! Ihr wollt ja eine zusätzliche Steuer, wir wollen entlasten – das ist der Unterschied!

Noch einmal: Ich glaube, dass wir die Eigenverantwortlichkeit hervorstreichen sollen, dass wir im Zuge dieses Wandels, dieses energiepolitischen und klimapolitischen Wandels auch sogenannte Green Jobs schaffen und hier eine arbeitsmarktpolitische Initiative starten müssen.

Das heißt, und das möchte ich jetzt zum Schluss noch einmal anführen (eine Tafel auf das Rednerpult stellend, auf der unter dem Titel „Reales Wachstum und Emission: Vergleich Österreich und Schweden“ ein Diagramm zu sehen ist): Wenn Sie sich diese Tafel anschauen, sehen Sie, 1991 hat das Musterland Schweden es geschafft, die energiepolitische Wende auch im ... (Ruf bei den Grünen: Das kann man nicht lesen!) – Ja, ich erkläre es dir; aber die Kurven kennst du.

Zwischen 1990 und 2015 hat das Wachstum in Schweden 68 Prozent und in Österreich 58 Prozent betragen, das ist immerhin noch nah beieinander; aber bei den Emissionen hat Österreich um 6 Prozent zugelegt, in Schweden gab es eine Abnahme um 25 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Walser.) Dort war man einfach mutig genug (Zwischenruf der Abg. Brunner), ebenso wie etwa in Norwegen oder Britisch Kolum­bien. All diese Staaten haben schon auf das Verursacherprinzip umgestellt und zielen darauf ab, einen entsprechenden Beitrag zu leisten. Jeder Nationalstaat kann einen Beitrag dazu leisten.

Ihr solltet daran denken, nicht die Sozialpartner zu fragen, sondern mutig zu sein! Aber das seid ihr nicht, denn ihr braucht zu viel im Hinterland! (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Ich glaube, dass wir hier ein System brauchen, das sicher, wirtschaftlich, wett­bewerbsfähig sowie für die Unternehmen da ist und trotzdem nachhaltig für die nächste Generation. Darum brauchen wir diese CO2-Steuer, die dementsprechend auch für die nächste Generation, für das Klima und für die Umwelt wirksam ist. Wir brauchen also ein Prinzip, das enkelfit und vor allem eigenverantwortlich ist. (Beifall bei den NEOS.)

10.21


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 


10.21.19

Abgeordneter Leopold Steinbichler (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Tribüne und vor den Fernsehgeräten! (Der Redner stellt eine Tafel mit einem Foto eines Containerschiffs auf das Rednerpult.) Ich darf bei der Herzhaftigkeit der Kommentierung dieser Thematik anschließen: Herr Minister! Ich nenne das Leseübung! Du hast das allerdings so leidenschaftslos vorgetragen, dass du in der Schule eine schlechte Note bekommen hättest! Du bekommst aber auch für die Klimapolitik eine schlechte Note.

Ich kann in aller Deutlichkeit jetzt etwas Realismus hereinbringen. Das gilt auch für das, was ich von den Vorrednern gehört habe, mit Ausnahme von Frau Kollegin Bayr, die das hervorragend mit der aktuellen Flüchtlingskrise, mit der Hunger- und Klima­situation auf dieser Welt, die wir selbst mit unseren Konzernen ganz gewaltig beschleunigen, umschrieben hat. Das muss uns klar sein, aber das kommt heute noch beim Thema Palmöl. Dann wird hier auf dem Rednerpult nämlich das Bild eines Flüchtlingsschiffs stehen, aber jetzt (auf die zuvor aufgestellte Tafel zeigend) steht hier das Bild eines Schiffs mit Waren.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 35

Jedenfalls verschließen wir die Augen vor der Realität, und zwar besonders du, Herr Minister, in deiner Doppelfunktion als Umwelt- und Landwirtschaftsminister, denn du weißt, was tatsächlich abgeht. Ich möchte etwas Realismus hereinbringen: Heute habe ich beim Herfahren gelesen, dass es am Flughafen Wien bei den Flügen eine sechs­prozentige Steigerung gibt. Sensation! Wir wollen alle Rekorde brechen, wir bauen noch eine dritte Piste, und jetzt bauen wir – Gott sei Dank! – auch noch ein Hack­schnitzelwerk. Sensationell! Die Natur wird gerettet, die Hackschnitzel werden aus dem Osten kommen. So läuft es nämlich zum Großteil: Die Marke ist heimisch, die Lieferung ausländisch, und dann haben wir genau dasselbe Problem wie in unserem Land Österreich mit 47 Prozent Waldfläche: Der Großteil des in den Supermärkten erhältlichen Brennholzes und der Pellets in diversen Baumärkten, Lagerhäusern und Hotels wird aus Polen, Tschechien und Slowenien hergeführt.

Es lebe die Umweltpolitik! – Wir wollen auch ein bisschen über den Verkehr reden, und zwar nicht nur über Elektrofahrzeuge und so weiter. Nein! Die Realität zählt. Wie viel sinnloser Verkehr ist auf den Autobahnen unterwegs, was wird alles sinnlos trans­portiert? Dasselbe Problem trifft uns bei den Überflügen: Es gibt 3 100 Überflüge täglich, und wir diskutieren, welche Auflagen wir in der heimischen Landwirtschaft noch machen müssen, damit wir die Bienen retten!

Dasselbe gilt für Kreuzfahrtschiffe: Kolleginnen und Kollegen! Jedem sei es unbe­nommen, diese in Anspruch zu nehmen, aber die 15 neuen Kreuzfahrtschiffe, die heuer vom Stapel gelaufen sind, verursachen dieselbe Umweltbelastung wie 750 Mil­lionen Pkws! – Das ist die Realität! Reden wir in diesem Haus doch einmal über die Realität und nicht über die kosmetischen Randerscheinungen!

Dasselbe trifft auch auf die Landwirtschaft zu: In der Landwirtschaft wurde seit dem EU-Beitritt ein Drittel der Betriebe geschlossen. Das heißt, es wurden 200 000 regionale Arbeitsplätze beziehungsweise echte Green Jobs vernichtet. Diese Leute stehen heute – das weiß man, wenn man in der Früh auf der Autobahn gefahren ist – irgendwo mit ihren Autos im Stau und müssen weit weg zur Arbeit fahren. – All das ist die Gesamtauswirkung dieser Umwelt- und dieser Landwirtschaftspolitik!

Herr Minister! Ich darf gleich zum Masterplan Ländlicher Raum überleiten, den du jetzt in den Medien auf Doppelseiten bewirbst. Es ist mir völlig klar: Das dürfte nichts mit dem 15. Oktober zu tun haben, sondern dabei dürfte es ausschließlich um den Masterplan Ländlicher Raum gehen, den du am besten nicht hättest produzieren lassen! Ich will niemanden beleidigen, aber du hast in diesen Masterplan das Wort „Bauernhof“ nicht ein einziges Mal hineingebracht! Dafür haben wir einen Jung­bauernkalender, in dem auf der ersten Seite gleich eine junge Bäuerin abgebildet ist, die aber Jus studiert, weil es die Kühe, zu denen sie früher einmal mit dem Vater in den Stall gegangen ist, nicht mehr gibt, und sie wird vermutlich dann die Erste sein, die die Konzerne gegen die restlichen Bauern vertritt. – Weiter so! Das ist der richtige Weg, das gefällt mir, das ist nachhaltig! Das ist echt nachhaltig! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Rupprechter.)

Ich darf dazu nur sagen: Wenn wir diese Globalisierung nicht in den Griff bekommen – beim übernächsten Tagesordnungspunkt werden wir über CETA und TTIP reden, dann können wir das diskutieren –, dann haben diese Personen bei uns keine Chance. All die Regelungen sind für die Konzerne, da geht es um Raubtierkapitalismus, und deshalb brauchen wir eine Regionalisierung. Die Regionalisierung dient dem Men­schen. Der Mensch wird in den Mittelpunkt gestellt, dann können wir auch das Ge­schehen beeinflussen und überschaubar machen. Ich denke, das ganz Wesentliche dabei wird sein, dass wir diese Begriffe enkelgerecht und enkelfit nicht als Schlagwort nehmen, sondern diese wirklich leben!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 36

Ich sage hier ganz deutlich – und das wird auch in den nächsten Jahren so bleiben –: Jede meiner Entscheidungen in der Politik, jede Entscheidung, die wir hier treffen, trifft meine 14 Enkel mit, und deshalb werde ich hier besonders sorgfältig entscheiden. Ich glaube, das ist das ganz, ganz Wesentliche!

Hier müssen wir Politik betreiben! Was wir sowohl im Finanzbereich als auch im Umweltbereich, im Arbeitsmarktbereich, im Sozialbereich in der nächsten Zeit ent­scheiden, trifft unsere Kinder und Kindeskinder voll. Deshalb muss es eine echte enkelgerechte Politik geben, und der Grundsatz der Weißen lautet: Achtsamer Um­gang mit Mensch, Tier und Umwelt! Ich glaube, das muss das Credo für die nächste Legislaturperiode sein. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit.)

10.26

 


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster: Herr Abgeordneter Mag. Rossmann. – Bitte.

 


10.26.42

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Minister! Hohes Haus! Ich meine, wir alle wissen es: Weltweit gibt es drei zentrale Heraus­forderungen, nämlich die Lösung der sozialen Frage, den Klimawandel und die Migra­tion.

Klimawandel und Migration, Klimaerwärmung und Migration stehen natürlich in einem engen Zusammenhang, und eines ist klar: Die Probleme sind weltweit zu lösen, aber natürlich kann jeder Nationalstaat seine Hausaufgaben erledigen und muss das auch tun.

Wenn ich im Zusammenhang mit dem Klimawandel, Herr Minister, einen Blick in den vor wenigen Wochen veröffentlichten Klimaschutzbericht werfe, dann sehe ich, dass Österreich beim Klimaschutz auf der Stelle tritt. 2015 sind die CO2-Emissionen gegenüber dem Vorjahr um 3,2 Prozent gestiegen und liegen geringfügig über dem Wert von 1990– Herr Minister, hören Sie bitte zu, schwätzen Sie nicht, da geht es um wichtige Fragen! – Das bedeutet nichts anderes, als dass die Klimaschutzpolitik der Regierung in den letzten Jahren versagt hat und damit Sie versagt haben.

Wenn Sie sich heute hier herstellen und uns erklären, dass Sie ein Bekenntnis zu den Zielen des Pariser Abkommens ablegen, dann muss ich sagen: Ein Bekenntnis allein, Herr Minister, ist zu wenig. Maßnahmen müssen folgen! Gestern habe ich Ihren Parteichef gehört, als er gesagt hat: Der Klimawandel ist jetzt schon auf unserer Agenda. – Dazu meine Frage: Aber wo ist er denn, bitte, auf der Agenda?

Werfen wir einmal einen Blick in das ÖVP-Programm, und zwar in das Steuer­pro­gramm: Ja, da ist viel die Rede von Steuerentlastungen für Großspender der ÖVP, von der Körperschaftsteuer, von der Entsteuerung nicht entnommener Gewinne. Da ist von einem Steuerbonus für Kinder in der Höhe von 1 500 € die Rede. 40 Prozent aller Kinder werden davon ausgeschlossen, aber macht nichts, spielt keine Rolle! Da ist die Rede von einer Entlastung der unteren Einkommen. In Wirklichkeit werden die oberen Einkommen entlastet.

Es ist aber überhaupt keine Rede von der Ökologisierung des Steuersystems – über­haupt nicht! Davon ist nichts enthalten! Sie, Herr Minister, haben nach der letzten Steuerreform gesagt: Die nächste Steuerreform muss eine ökologische Steuerreform sein! – Ich vermag jedoch in Ihren Programmen nichts davon zu erkennen!

Jetzt empfehlen uns die Wirtschaftsforschungsinstitute im Zusammenhang mit der Senkung der Lohnnebenkosten und der Entlastung des Faktors Arbeit vor allem eine Ökologisierung des Steuersystems, denn Steuersysteme haben auch eine lenkende Funktion, darauf wurde schon hingewiesen, und in diesem Zusammenhang spielen CO2-Abgaben eine besondere Rolle.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 37

Das Österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut hat, damals noch unter der Leitung von Karl Aiginger, ein großes, europaweites Projekt, gestartet, nämlich WWWforEurope, und eine der Empfehlungen von Aiginger lautete: Wir müssen die Entlastung des Faktors Arbeit so weit treiben, dass es zu einer Halbierung kommt, und das Instrument dafür sind Energiesteuern, CO2-Steuern. – Aber davon ist leider keine Rede! Da geht es nicht darum, zu kleckern, sondern da geht es wirklich darum, zu klotzen.

Wenn Sie und Ihre Partei immer wieder von den Klimazielen reden und wenn auch immer wieder davon die Rede ist, dass der Faktor Arbeit entlastet werden soll und dass Unternehmungen und private Haushalte entlastet werden sollen, dann greifen Sie doch zu diesem Instrument, dann machen Sie doch dieses Instrument zu dem Ihren!

Aber zentral ist, dass diese CO2-Abgaben nicht sozusagen zu Mehreinnahmen beim Staat führen sollen – darauf möchte ich extra noch einmal hinweisen –, sondern dass das eins zu eins wieder an die privaten Haushalte zurückfließen soll, durch eine Entlastung des Faktors, beispielsweise über die Entlastung durch Sozialversiche­rungsbeiträge, und auf der unternehmerischen Seite durch Senkung der lohnbezo­genen Abgaben.

Diese Ökologisierung des Steuersystems ist ja in mehrfacher Hinsicht gut: Es ge­schieht dadurch etwas für den Klimawandel, diese schafft aber auch Wachstum und Beschäftigung, verhindert also Arbeitslosigkeit und sichert die Lebensgrundlagen unserer zukünftigen Generation. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten ohne Klub­zugehörigkeit und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.31


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

10.31.51Einwendungen gegen die Tagesordnung gemäß § 50 GOG

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu der von mir angekündigten Einwen­dungsdebatte.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.32.01

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Wie um 9 Uhr angekündigt, möchte ich gerne die Tagesordnung ändern und den Bericht zum Denkmalschutz, der jetzt an letzter Stelle gereiht ist, vorreihen lassen. Ich finde, dass dieser Bericht würdig ist, früher behandelt zu werden.

Kurz zur Vorgeschichte: Im Mai hat es wirklich gute Gründe gegeben, warum ich einen Kleinen Untersuchungsausschuss – in Wirklichkeit heißt er ja Unterausschuss des Rechnungshofausschusses – zur Prüfung des Bundesdenkmalamts beantragt habe. Davor hat nämlich der Rechnungshof einen wenig schmeichelhaften Bericht über dieses Denkmalamt veröffentlicht, und es gab auch einen Bericht der internen Revision.

Mir war vor allem wichtig, dass vier Punkte behandelt werden, und diese wurden auch behandelt, nämlich die unterschiedlichen Entscheidungen, was denn unter Denkmal­schutz bleibt und wann der Denkmalschutz aufgehoben wird.

Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel: Im Jahr 2008 wurde von der Leitung des Künstler­hauses auf dem Wiener Karlsplatz beantragt, dass das riesige Glasdach ein wenig verändert werden sollte. (Abg. Schieder: Das Glasdach des Künstlerhauses ist doch


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 38

jetzt nicht Tagesordnungspunkt!) Das Bundesdenkmalamt hat das minutiös geprüft, einen ausführlichen Bescheid erstellt und dieses Ansinnen abgelehnt. Da kann man unterschiedlicher Meinung sein, aber für eine solche Entscheidung ist das Denkmalamt da!

Wenige Jahre später hat der Bauunternehmer Haselsteiner das Künstlerhaus gekauft, und es wurde ein Antrag gestellt, dass dieses Glasdach entfernt wird, und siehe da: Dem Antrag wurde stattgegeben, und dieses Glasdach ist jetzt weg! – So viel zum Thema unterschiedliche Entscheidungen hinsichtlich Denkmalschutz und Aufhebung dieses Schutzes. (Abg. Pirklhuber: Wer zahlt, darf anschaffen, so schaut’s aus!)

Ein anderer Punkt ist, dass Gebäude nicht unter Schutz gestellt werden, die es eigent­lich wert wären, unter Schutz gestellt zu werden. – Ich glaube, dass aufgrund dieses Mangels einige Gebäude Gefahr laufen, zerstört zu werden, und damit auch Kapital und Ressourcen, welche langfristig ökonomisch für die Republik von Wert wären.

Schließlich ginge es darum, die Vorkommnisse rund um das elektronische Datenarchiv einmal genauer zu beleuchten, das ja, wie der Minister im Ausschuss gesagt hat, ein Millionengrab war. An diesem Millionengrab hat auch das Bundeskanzleramt geschau­felt, und ich glaube, dass das Geld für den Schutz der Denkmäler besser ein­gesetzt gewesen wäre.

Schlussendlich war es mir auch wichtig, zu zeigen, welche Bevorzugungen immer gleicher Firmen bei der Auftragsvergabe und den Empfehlungen des Bundesdenk­malamts wirksam werden.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Zinggl! Wir befinden uns in der Ein­wendungsdebatte zur Tagesordnung. Deshalb würde ich Sie bitten, zu Ihrem Antrag, nämlich Änderung der Tagesordnung, eine Begründung abzugeben und darauf Bezug zu nehmen. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (fortsetzend): Frau Präsidentin! Ich will ja darauf hinweisen, wie wichtig dieser Tagesordnungspunkt ist, und das muss ich ein bissel erläutern.

Ich komme jetzt schon zur nächsten Schlussfolgerung: Der Unterausschuss hat getagt und hat hervorragend gearbeitet. Es war mir aber nicht möglich, an den letzten beiden Sitzungen teilzunehmen. Da ich nämlich nicht mehr für die Grünen im Parlament sitze, sondern für die Liste Pilz kandidiere, haben die Regierungsfraktionen mit ihrer Mehrheit meine Teilnahme an diesem Ausschuss verhindert. Ich frage mich wirklich, warum sie das getan haben.

Klubobmann Schieder und Klubobmann Lopatka haben sich jetzt zu Wort gemeldet, und sie werden dann ja auch erläutern, warum die Parteien das verhindert haben. Vielleicht gibt es ja in den neuen Untersuchungsausschussräumen zu wenig Sitzplätze; ich hätte auch stehen können. Jedenfalls hätte es dem Ausschuss nicht geschadet, wenn meine Informationen mit den Auskunftspersonen diskutiert worden wären.

Jetzt ist dieser Ausschussbericht als letzter Punkt auf der Tagesordnung. Ich glaube, dass die Bevölkerung das Recht hätte, dass dieser Bericht in der Fernsehzeit behan­delt wird, so wie sie das Recht hätte, dass Rechnungshofberichte und Volksanwalt­schaftsberichte, Kontrollberichte nicht immer spät in der Nacht, wenn alle schlafen, behandelt werden, sondern am Vormittag, also zu einer Tageszeit, zu der die Fern­sehübertragung stattfindet. (Abg. Steinbichler: Heute geht eh keiner schlafen!)

Ich glaube, dass die Österreicher und die Österreicherinnen erfahren sollten, wie manchmal im Baugewerbe gehandelt wird, wie Gebäude günstig gekauft werden, dann über Spekulation den entsprechenden Schutz verlieren und am Schluss wesentlich


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 39

mehr wert sind. Das zur Fernsehzeit zu behandeln und zu diskutieren wäre unsere Aufgabe, und ich ersuche daher darum, diesen Tagesordnungspunkt als TOP 3 gleich nach der Wahlrede des Bundeskanzlers zu verhandeln. – Danke. (Beifall bei Abge­ordneten ohne Klubzugehörigkeit.)

10.37


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Schieder. – Bitte.

 


10.37.37

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, man soll eine solche Geschäftsordnungsdebatte nicht dazu verwenden, seine inhaltlichen Punkte zu bringen, sondern das, worum es geht, behandeln.

Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die keiner kann! So ist es auch bei der Tagesordnung nicht möglich, dass alle Themen Nummer eins sind. Also muss man die Punkte ordnen und reihen, und im Zuge dessen ist diese Tagesordnung für heute halt so zustande gekommen, wie sie vorliegt. Es war dies eine Einigung zwischen allen Fraktionen.

Herr Abgeordneter Zinggl, es geht halt nicht beides: aus dem Grünen Klub austreten und gleichzeitig Kultursprecher der Grünen bleiben wollen! Das geht sich nicht aus.

In diesem Sinne haben wir uns so entschieden, und ich würde vorschlagen, dass wir auch bei dem bleiben, was vereinbart wurde, denn es gibt keine Tagesordnung, in der alles Punkt eins ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.38


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Klubobmann Lopatka.

 


10.38.33

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Zinggl beklagt, dass dieser Bericht des Kleinen Untersuchungsausschusses zum Bundesdenkmalamt ans Ende der Tagesordnung gesetzt wurde. – Aus der Sicht eines wilden Abgeordneten verstehe ich das, aber das ist schon das Einzige, wofür ich Verständnis habe. Aus der Sicht des Parlaments ist das natürlich völlig unverständlich. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.)

Wir haben Spielregeln, Abgeordneter Rossmann, die gerade auch für wilde Abge­ordnete gelten sollten, und Sie sind durch diese Spielregeln begünstigt. Ich sage Ihnen: Das, was Sie beklagen, dass die Sitzung so lange dauert, verursachen vor allem Sie, nämlich die wilden Abgeordneten! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Strolz.)

Meine Damen und Herren! Wir haben in der Präsidiale ausführlich die Tagesordnung diskutiert. Auch ich hatte einen Wunsch, nämlich dass die Schuldenbremse am Beginn diskutiert wird. Dazu gab es zuerst keine Übereinstimmung, dann gab es aber auch von den Grünen die Zustimmung zur Tagesordnung, wie wir sie jetzt haben, und es wäre beim besten Willen nicht möglich gewesen, diesen Bericht hier in der Fernsehzeit zu diskutieren.

Warum? – Die Aktuelle Stunde von den Grünen hat am Beginn der Debatte zu stehen. Wenn ein Regierungsmitglied eine Erklärung abgeben möchte, so steht auch diese am Beginn der Tagesordnung. Und es war immer auch Ihr Wunsch, wenn es Volks­begehren zu behandeln gibt, dass die Debatte darüber auch am Beginn der Tages­ordnung stattfindet. Damit haben wir die Abfolge: Aktuelle Stunde, dann die Debatte zu CETA, dann die Erklärung des Bundeskanzlers. Natürlich ist dann die Redezeit wäh­rend der Übertragung auf ORF 2 vorbei.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 40

Zweiter Punkt, weil die schlechte Behandlung der wilden Abgeordneten beklagt worden ist: Eigentlich müssten sich die Abgeordneten der SPÖ, der ÖVP, der Grünen und der NEOS beklagen. Warum? – Ein wilder Abgeordneter hat heute, wenn er sie ausnützt, eine Redezeit von sage und schreibe 27 Minuten. Ein Abgeordneter eines Klubs hat im Schnitt eine Redezeit von 3 Minuten und 12 Sekunden. – So viel zur ungleichen und schlechteren Behandlung der wilden Abgeordneten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Selbstverständlich sind wir gegen den Gegenstand dieser Einwendung und für die Beibehaltung der konsensual festgelegten Tagesordnung. (Beifall bei der ÖVP.)

10.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Kassegger. – Bitte.

 


10.41.16

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Zinggl hat das Begehr vorgetragen, den Tagesordnungspunkt 18 vorzuverlegen. Wir werden dem nicht zustimmen, und ich werde erläutern, warum. Natürlich hätten wir sehr gerne jetzt schon über diesen Tagesordnungspunkt 18 diskutiert.

Worum geht es da? – Da geht es um einen Rechnungshofbericht über eine Sonder­prüfung des Bundesdenkmalamtes, die im Übrigen nicht nur von Abgeordnetem Zinggl, sondern auch vom freiheitlichen Abgeordneten Walter Rosenkranz verlangt worden war – das sei nur der Ordnung halber festgehalten. Dieser Bericht hat abenteuerliche Dinge ans Tageslicht gebracht. Natürlich hätten wir heute an dieser Stelle gerne über die SPÖ-Machtpolitik in diesem Bereich – Bundesdenkmalamt, Bundeskanzleramt – diskutiert, auch über die Personalpolitik und die desaströse Gebarung in diesem Be­reich. Natürlich hätten wir darüber gerne diskutiert und auch den zuständigen Minis­ter Drozda an dieser Stelle gefragt, warum es bis dato noch keinerlei personelle Kon­sequenzen gegeben hat.

Es wird aber beim Tagesordnungspunkt 18 noch ausreichend Gelegenheit dazu geben, diese Angelegenheit, die durchaus nicht erfreulich ist und in Wirklichkeit ein Sittenbild mancher SPÖ-geführter Ministerien mit Freunderlwirtschaft et cetera zeigt, zu besprechen. Das ist ja alles in diesem Rechnungshofbericht enthalten, und wir werden das zu gegebener Zeit auch noch diskutieren können.

Zweitens ist es eine Frage der subjektiven Beurteilung: Was auf der Tagesordnung ist wichtig, was ist weniger wichtig? – Meine Vorredner haben das schon erwähnt. – Wir haben heute sehr viele wichtige Punkte auf der Tagesordnung, die auch für uns Freiheitliche zugegebenermaßen noch ein bisschen wichtiger sind als dieser Tagesordnungspunkt. Wir werden im Anschluss über das Thema TTIP und CETA reden. Es kommt ein ganz wichtiger Tagesordnungspunkt direkt im Anschluss daran – das ist auch schon erwähnt worden –: die Schuldenbremse. Dann gibt es einen ganz wichtigen Tagesordnungspunkt, den Punkt 4, der eine deutliche Erhöhung, eine faire Erhöhung der Pensionen für unsere Pensionisten bringen soll.

Weiters ist ein ganz wichtiger Tagesordnungspunkt der Punkt 6, nämlich die Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten. Dann folgt der 7. Tagesord­nungspunkt betreffend Internatskosten und Unterstützung für unsere Lehrlinge. Wir wollen, dass da die Internatskosten übernommen werden.

So geht es weiter und weiter: Inklusion von behinderten Menschen, dann gibt es einen wichtigen Antrag, der die Bankomatgebühren betrifft, und danach folgt ein ganz wichtiger Punkt, der die Abschaffung der Mietvertragsgebühr betrifft.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 41

Sie erkennen, da sind eben Punkte dabei, die noch wichtiger sind als dieser Punkt 18. Aus diesem Grunde können wir diesem Begehr nicht folgen. Und ein ganz profaner Grund ist: Es gibt so etwas wie die Präsidiale in diesem Parlament, und die Präsidiale hat diese Tagesordnung einvernehmlich festgelegt. Wir sehen jetzt keinen Grund, in den Aufgabenbereich der Präsidiale einzugreifen und die Tagesordnung umzustellen. Daher können wir diesem Begehr leider nicht folgen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Scherak.)

10.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Mag. Steinhauser. – Bitte.

 


10.44.42

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Lieber Wolfgang Zinggl, heute ist nicht irgendeine Sitzung. Heute ist eine der seltenen Sitzungen, in der wir eine Sternstunde des Parlaments erleben. Wir wissen, wie Parlamentssitzungen norma­lerweise ablaufen. Es kommen Regierungsvorlagen, die Regierungsparteien stehen auf, die Opposition stimmt manchmal dagegen, manchmal zu. Wie es ausgeht, steht in der Regel vorher fest. Statistisch gibt es alle zehn Jahre Sitzungen, wo das nicht so klar ist, nämlich vor Wahlen, wenn die Koalitionstreue, die Koalitionsdisziplin ohne Koalition nicht mehr hält und sich in diesem Haus freie Mehrheiten bilden, so wie es eigentlich die Idee des Parlamentarismus ist. Und heute ist so eine Sitzung!

Ich gehe davon aus, dass viele Bürgerinnen und Bürger genau das interessiert: Was nimmt ein lebendiges Parlament an? Was lehnt dieses Parlament ab? Das steht im Mittelpunkt dieser Sitzung.

Ich habe viel Verständnis für den Rechnungshofbericht. Unsere Fraktion ist oft dafür eingetreten, Rechnungshofberichte hier früher zu behandeln. Aber schauen wir uns an, lieber Wolfgang Zinggl, was heute alles auf der Tagesordnung steht! Die ÖVP sitzt seit 31 Jahren in der Regierung, ist in diesen 31 Jahren praktisch nie überstimmt worden. Heute haben wir eine Sitzung, in der die ÖVP sechs Mal überstimmt und ihre Blocka­depolitik durchbrochen werden wird. Das interessiert die Bürgerinnen und Bürger – bei allem Verständnis dafür, dass du den Rechnungshofbericht früher behandelt haben willst. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was sind diese sechs Punkte? Warum ist es wichtiger, dass sie hier öffentlich und transparent dahin gehend diskutiert werden, wie die Parteien zu diesen Themen stehen? Der erste Punkt ist der Antrag unserer Judith Schwentner, der die Anrechnung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe beseitigen soll und damit die Situation für armutsgefährdete Frauen, für armutsgefährdete Familien verbessert. Das ist ein wichtiger und zentraler Punkt, und die Öffentlichkeit soll wissen, dass die Österreichi­sche Volkspartei gegen diesen Antrag stimmen wird.

Der nächste Punkt ist die Frage der Angleichung der Rechte von ArbeiterInnen und Angestellten. Das ist ein jahrzehntelanges Anliegen von uns. Niemand versteht, dass Arbeiterinnen und Arbeiter in diesem Land arbeitsrechtlich in vielen Fragen benach­teiligt sind. Es wird spannend. Die ÖVP wird dagegen stimmen. Übrigens: Es ist ein Wahlversprechen von Sebastian Kurz, das anzugleichen, und es ist das erste Wahl­versprechen, das Sebastian Kurz – vor der Wahl! brechen wird. Das soll die Öffentlichkeit wissen! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Aber es wird auch spannend: Wie stimmt die Freiheitliche Partei ab – die Partei, die sich selbst zur Vertreterin der kleinen Leute ernennt? Wenn es konkret wird, ist das nie so klar: Wird sie mitstimmen oder wird sie nicht mitstimmen? Wird sie die Stimme für die Arbeiterinnen und Arbeiter erheben oder wird sie das nicht tun? (Zwischenruf des


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 42

Abg. Kassegger.) Die Öffentlichkeit will das wissen, und das nicht um 12 Uhr Mitter­nacht, sondern am besten um 17 Uhr, spätestens 18 Uhr. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Knes.)

Oder der dritte Punkt – auch da gibt es wieder eine Mehrheit gegen die Österreichische Volkspartei –, dass nämlich die Internatskosten für Lehrlinge von der öffentlichen Hand übernommen werden: Das ist ein wichtiges Anliegen. Die Öffentlichkeit soll wissen, wie sich die Österreichische Volkspartei in dieser Frage positioniert. (Abg. Walter Rosenkranz: Sind im nächsten Nationalrat keine Grünen mehr vertreten?)

Es geht noch weiter: der Inklusionsbericht, mit dem mehr für Menschen mit Benach­teiligung getan werden soll, dessen Kenntnisnahme die Österreichische Volkspartei ablehnen wird, oder die Abschaffung beziehungsweise die Verhinderung von Banko­matgebühren, die viele Konsumentinnen und Konsumenten ärgern.

All das sind die wichtigen Punkte, die heute hier mit freien Mehrheiten abgestimmt werden. Die Österreicherinnen und Österreicher, lieber Wolfgang Zinggl, sollen wissen, wie die Parteien dazu stehen. Deswegen sind wir dagegen, dass die Tagesordnung geändert wird, und dafür, dass wir diese wichtigen Fragen für die Bürgerinnen und Bürger jetzt diskutieren und nachvollziehbar diskutieren, damit sich alle ein Bild machen können. Daher treten wir deinem Vorschlag, den Bericht des Rechnungshofes zum Bundesdenkmalamt vor all diese Punkte zu reihen, nicht näher. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

 


10.48.55

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist Wahlkampf im Parlament. Heute ist Wahlkampf und heute verzichtet das Parlament oder eine große Mehrheit dieses Parlaments vorsätzlich auf eine der Hauptfunktionen dieses Hauses, nämlich die Kontrolle der Verwaltung.

Was ist passiert? Wir haben als Parlament gezeigt, dass wir erfolgreich kontrollieren können – im Eurofighter-Untersuchungsausschuss, in zahlreichen anderen Unter­suchungs­ausschüssen, auch dank der Abgeordneten anderer Fraktionen. Wir haben ja gezeigt, wie ein kontrollierendes Parlament ausschaut. Bei der Frage Bundesdenk­malamt ist aber mehreres passiert. Erstens: Einer der beiden Initiatoren dieser par­lamentarischen Untersuchung ist zum Schluss aus seinem eigenen Ausschuss ausgeschlossen worden, nur weil er nicht mehr einer Fraktion angehört. Ich habe dafür einfach kein Verständnis. Das hat die Qualität der parlamentarischen Kontrolle nicht gesteigert. Und jetzt sagt die Mehrheit des Parlaments: Diese Hauptfunktion des Parlaments soll ganz spät hinten in die Nacht verräumt werden, dafür machen wir Wahlkampf. (Abg. Kickl: Ganz im Gegensatz zu Ihnen!)

Und da richte ich mich einmal an die SPÖ: Glauben Sie wirklich, dass es das Recht des Spitzenkandidaten der SPÖ ist, uns zu erklären, so, heute komme ich ins Parlament und heute gibt es eine Wahlrede von Christian Kern, weil er sonst möglicherweise keine gescheiten Auftrittstermine mehr bekommt?! Was ist das für ein Parlament, das sich das gefallen lässt? Der ORF, alle möglichen Leute machen ohnehin alles, damit der Bundeskanzler möglichst oft auftreten kann. Warum können wir unsere wichtigen parlamentarischen Angelegenheiten nicht so diskutieren, wie der Nationalrat selbst seine Tagesordnung festgelegt hat, sondern müssen uns aus der Parteizentrale der SPÖ erklären lassen, wie die Tagesordnung der Nationalratssitzung


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 43

auszusehen hat? Ich habe dafür nicht das geringste Verständnis. (Abg. Kickl: Das ist die SPÖ, mit der Sie heute eine Dringliche machen!)

Ich frage Sie, Kolleginnen und Kollegen: Was ist heute wichtiger – die Kontrolle der Bundesverwaltung anhand der Vorfälle im Bundesdenkmalamt oder eine Wahlkampf­rede des SPÖ-Spitzenkandidaten? Dafür habe ich kein Verständnis! (Zwischenruf des Abg. Steinhauser.)

Und ich habe für etwas Zweites kein Verständnis: Der Bundeskanzler lässt dem Parlament ausrichten, der CETA-Vertrag wird dem Parlament nicht vorgelegt, weil die Abstimmung nicht so ausgeht, wie sich der Bundeskanzler und Spitzenkandidat das wünscht. Das muss man sich einmal vorstellen! Der CETA-Vertrag wird dem Haus nicht vorgelegt, weil sich der Bundeskanzler nicht sicher ist, dass die Interessen internationaler Konzerne über die Interessen der unabhängigen Justiz und des öster­reichischen Parlaments gestellt werden können. Er leitet uns nicht nur die CETA-Verträge – meiner Meinung nach rechtswidrig – nicht zu und verunmöglicht damit parla­mentarische Arbeit, sondern er sagt auch, anstelle der CETA-Verträge kriegt ihr mich, den Mag. Kern. Das kann sich ein mündiges und erwachsenes Parlament, meine Damen und Herren aller Fraktionen, eigentlich nicht gefallen lassen. Das ist einfach nicht in Ordnung.

Deswegen halte ich es für so wichtig, auch dem Bundeskanzler und SPÖ-Spitzen­kan­didaten und auch anderen Regierungsmitgliedern ein klares Signal zu geben: Wir sind ein unabhängiges Parlament, wir sind für die Gesetzgebung, für das Budget und für die parlamentarische Kontrolle zuständig. Wir kontrollieren, wir sind nicht eine Bühne für den Wahlkampf des Bundeskanzlers, sondern wir sind ein unabhängiges, selbstän­di­ges Parlament, das diesen Bundeskanzler, seinen Außenminister und die anderen Mitglieder der Bundesregierung kontrolliert. (Abg. Schieder: Heißt es Einwendungen gegen die Tagesordnung?)

Wenn wir wirklich ein selbstbewusstes Parlament wären, dann wäre es selbstver­ständ­lich, dass wir den Bericht über das Bundesdenkmalamt weit vorne behandeln und die Erklärung, die Wahlkampfrede des Bundeskanzlers dorthin setzen, wo sie hingehört, nämlich ans Ende der Tagesordnung.

Ich ersuche Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, das noch einmal zu überlegen, ob wir nicht gemeinsam ein starkes Signal an Wahlkämpfer außerhalb des Parlaments, die unsere Arena hier missbrauchen wollen, senden. Das wäre ein Zeichen des Parla­mentarismus, das wäre ein Zeichen eines selbstbewussten Parlaments. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit.)

10.53


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Scherak zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.53.56

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Man kann natürlich darüber diskutieren, ob die Wahlkampfrede des Bundeskanzlers so weit vorne auf der Tagesordnung stehen muss. Ob die Wahlkampfrede von Peter Pilz, der jetzt, nach 31 Jahren, die er im Parlament sitzt, plötzlich draufkommt, dass er mit den Regeln, die wir uns hier selbst gegeben haben, nicht mehr einverstanden ist, auch am Anfang des Tages sein muss, darüber lässt sich vielleicht auch diskutieren; ebenso das, was Kollege Zinggl gesagt hat. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Es gibt Regeln hier im Parlament. Klubobmann Lopatka hat es schon angesprochen, wir haben uns in der Präsidiale auf diese Tagesordnung verständigt, die nicht unum-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 44

stritten war. Es war ein wichtiges Anliegen der ÖVP, aber auch von uns NEOS, dass die Schuldenbremse möglichst früh behandelt wird. Deswegen gibt es dazu zum Beispiel nur eine Rednerrunde; so haben wir einen Kompromiss gefunden, damit wir dieses Thema früher diskutieren können.

Ja, natürlich ist Kontrolle ein wichtiges Anliegen und ein wichtiges Instrument des Parlaments, aber was auch ein wichtiges Anliegen und ein wichtiges Instrument des Parlaments ist, ist die Gesetzgebung. Hier so zu tun, als ob das Einzige oder das Wesentliche die Kontrolle ist, nur weil es dem Kollegen Pilz gerade passt, die Kontrolle in den Vordergrund zu stellen, wo wir einen Tag haben, an dem wir einerseits viele wichtige Gesetze diskutieren müssen und andererseits auch viele wichtige Gesetze mit unterschiedlichen Mehrheiten beschließen werden, finde ich doch einigermaßen schwierig.

Klubobmann Steinhauser hat schon angesprochen, welche Themen auf der Tages­ordnung stehen. Ich glaube, es ist besonders wichtig, dass wir diese zur gegebenen Zeit diskutieren, weil wir hier auch wieder merken werden, was in Österreich in diesem Zusammenhang in Wahlkampfzeiten geschieht. Dieses Parlament wird in großem Ausmaß das tun, was es immer tut, nämlich nicht auf die nächste Generation schauen. Wir werden wieder Wahlkampfzuckerl bis zum Gehtnichtmehr verteilen; das ist das, was SPÖ und ÖVP die letzten Jahrzehnte getan haben, und das, was sie jetzt wieder tun werden. Die Grünen werden teilweise mitstimmen, die FPÖ wird teilweise mit­stimmen. Natürlich hat die nächste Generation ein Anrecht darauf, dass sie das zur entsprechenden Sendezeit mitbekommt und sieht, wie hier auf Kosten der kommenden Generationen Wahlkampf gemacht wird. (Abg. Kickl: Die kalte Progression wollt ihr jetzt abschaffen!)

Herr Kollege Kickl, die kalte Progression abschaffen: Wenn ich den Leuten mehr Geld im Geldbörsel lasse, dann ist das kein Wahlkampfzuckerl (Abg. Kickl: Das hätten Sie auch vor der Wahl gemacht!), da geht es darum, dass ich den Menschen das gebe, was sie selbst erwirtschaftet haben, und dass der Staat ihnen nicht unnötig viel weg­nimmt. (Abg. Kickl: Ah so!)

Was wir heute wieder tun werden, ist das, was Sie mit den Pensionen machen werden, dass Sie nämlich über der Inflation an fast alle Pensionisten Pensionen ausschütten werden, und das geht alles auf Kosten der nächsten Generation (Beifall bei den NEOS), anstatt dass wir, wie auch gleichzeitig gewünscht von ÖVP und FPÖ, hier eine Schuldenbremse auch mit den anderen Parteien beschließen könnten. Da wollen Sie zwar mitgehen; wie sich das mit der hemmungslosen Schuldenpolitik ausgeht, die Sie die letzten Jahrzehnte auch teilweise mitzuverantworten haben, ist einigermaßen nicht nachvollziehbar.

Fakt ist jedenfalls: Es ist wichtig, dass wir die Themen, die jetzt auf der Tagesordnung stehen, auf die wir uns konsensual geeinigt haben, diskutieren. Ja, natürlich ist Kontrolle ein wichtiges Instrument des Parlaments, aber vordergründig bin ich doch der Meinung, dass das Parlament das ist, was es sein soll, nämlich der Gesetzgeber in diesem Land. Dementsprechend ist es natürlich wichtig, dass wir diese Debatten jetzt hier führen.

Ja, die Kontrolle im Zusammenhang mit dem Bundesdenkmalamt, die aus dem Par­lament heraus gekommen ist, wird noch diskutiert – zu später Stunde, das ist richtig. Aber wie schon Klubobmann Schieder gesagt hat, es hat jeder hier ein Anliegen und jeder hätte gerne, dass sein Thema, das ihm am wichtigsten ist, möglichst weit vorne auf der Tagesordnung steht. Das wird sich nicht ausgehen. Insofern werden wir dieser Einwendung gegen die Tagesordnung auch nicht zustimmen. (Beifall bei den NEOS.)

10.57



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 45

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster: Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 


10.57.41

Abgeordneter Leopold Steinbichler (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Kolleginnen und Kollegen! Zuschauer und Zuschauerinnen vor den Fernsehgeräten! Ich habe mich ganz bewusst zu dieser Einwendungsdebatte des Kollegen Zinggl zu Wort gemeldet, weil ich denke, wir sollten nicht verkennen, worum es geht.

Kollege Pilz, mich wundert es, du wirst doch am vornehmsten behandelt, du wirst sogar zur Elefantenrunde im TV dazugenommen. Das kann mir niemand erklären, aber wir haben heute noch beim nächsten Tagesordnungspunkt, nach dieser Wahlrede, wie du es bezeichnet hast, die Möglichkeit, auszudiskutieren, wie man solche Unterschiede macht; aber du wirst deine Wege gefunden haben.

Es ist bekannt, dass die Klubobmänner in einer Vorbesprechung die Tagesordnung beschließen. Ich bin deshalb gegen den Antrag des Kollegen Zinggl, weil ich denke, es ist mir in den letzten vier Jahren in diesem Haus gelungen, den größten Lebens­mittelskandal Europas aufzudecken, aber dieser Punkt, eine Palmölstrategie für Österreich, wird als vorletzter Punkt auf die Tagesordnung gesetzt – genauso wie all die Agrardebatten in den letzten Jahren immer nach der Fernsehübertragungszeit behandelt wurden, obwohl das so wichtige Debatten waren. Wir haben vorhin gerade bei der Umweltdebatte gehört, in welch direktem Zusammenhang das steht.

Deshalb, Kolleginnen und Kollegen, muss uns bewusst sein – und ich stelle hier keinen Antrag, die heutige Tagesordnung umzustellen –: Das passiert nicht zufällig. Das ist diese Demokratie, dieses Wort, das wir so oft strapazieren. Im Wahlkampf, auf den Wahlplakaten, bei den Wahlreden: Alle reden von Demokratie. Nein, es gibt sie nicht! Ich werde es nach der Rede des Herrn Bundeskanzlers erklären, wie man mit den Meinungsforschungen, mit den gekauften Meinungsforschungen die Leute beeinflusst, wie man die Nichtwähler hineinrechnet, die gar nicht zur Wahl gehen werden. Da werden die Leute völlig falsch informiert, und die Medien machen mit; auch in diesem Haus läuft es gleich ab.

Ich wollte das unbedingt gesagt haben, weil ich es äußerst unfair finde, dass in einem Haus, in dem über Demokratie gesprochen wird, in dem über die Würde des Hauses gesprochen wird, nicht objektiv gearbeitet wird, denn man könnte auch für kleinere Gruppen wesentlich mehr tun und mehr Demokratie leben. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit.)

10.59


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


11.00.04

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich melde mich deshalb zu Wort, weil ich hier festhalten möchte, dass es bisher im Rechnungshofausschuss eine sehr gute Zusammenarbeit aller Fraktionen gegeben hat. Das habe ich schon gestern in der letzten Ausschusssitzung gesagt und mich bei allen bedankt. Die Ausschussteilnehmer haben wirklich alle im Sinne des Parlaments, im Sinne der Kontrollaufgabe des Parlaments aktiv mitgewirkt. Es ist ja nicht immer leicht, diese Berichte – es waren an die hundert, die wir in den letzten Jahren zu bearbeiten hatten – im Detail durchzugehen, zu diskutieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Genauso haben wir uns bemüht – es ist schade, dass die Ausschussvorsitzende Moser nicht hier ist, zumindest sehe ich sie nicht (Ruf bei den Grünen: Sie ist eh da!),


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 46

Entschuldigung! –, auch diesen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses betref­fend das Bundesdenkmalamt noch durchzubringen, alle gewünschten Auskunfts­personen zu laden, obwohl in dieser Vorwahlzeit und außerhalb der normalen Sit­zungszeiten diese Dinge nicht so leicht zu bewerkstelligen waren. Wir haben das dennoch durchgebracht, haben uns wirklich darum bemüht.

Ich bedauere, dass es noch keine Regelung für Leute gibt – diese muss man sicherlich noch treffen –, die während der Legislaturperiode aus ihrer Fraktion austreten. Es sind dieses Mal überraschend viele aus ihrer eigenen Partei, der sie jahrelang angehört haben, ausgetreten beziehungsweise haben ihr den Rücken gekehrt. Das muss man akzeptieren. Sie taten dies vermutlich aus guten Gründen, weil sie nicht mehr aufge­stellt wurden, das mag sein. Aber wenn man dann, nachdem man der eigenen Frak­tion, die diese Untersuchung beantragt hat, den Rücken gekehrt hat und eigene Gruppierungen gebildet hat, daherkommt und sagt, wir bestimmen jetzt auch noch, wie ihr die Tagesordnung zu machen habt, dann habe ich dafür kein Verständnis. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Meine Vorredner haben schon wiederholt gesagt, was alles heute auf der Tages­ordnung steht, und das aus ihrem Blickwinkel erläutert. Ich gestehe auch den Kollegen Zinggl und Pilz und allen anderen zu, dass sie sagen: Wir möchten dieses Thema an der ersten Stelle behandelt haben, um es noch einmal breit diskutieren zu können!, nur: Mich wundert es dann schon – und da fordere ich euch auf, euch noch zu Wort zu melden, auch wenn das zu später Stunde diskutiert wird –, dass die Kollegen Pilz und Zinggl nicht auf der Rednerliste stehen. (Abg. Walter Rosenkranz: Die wollen schon früher heimgehen!) Ist das nur deshalb der Fall, weil es erst am Abend, unter Umständen um 24 Uhr, diskutiert wird und es dann für sie nicht mehr so interessant ist, weil sie dann vielleicht nicht mehr in die Medien kommen?

Ich meine: Entweder es geht euch um die Sache, dann ersuche ich euch, euch noch zu Wort zu melden. Die Debatte soll genauso stattfinden, ob es um 13 Uhr, um 17 Uhr oder um 24 Uhr ist. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

11.02

11.02.51

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über die Einwendungen des Abgeordneten Dr. Zinggl betreffend die Reihung des Tagesordnungspunktes 18 als Tagesordnungspunkt 3.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen Einwendungen Rechnung tragen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abge­lehnt.

Somit bleibt es bei der schriftlich mitgeteilten Tagesordnung für die heutige Sitzung.

11.03.21Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Karlheinz Kopf: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 14117/J bis 14128/J


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 47

2. Anfragebeantwortungen: 13144/AB bis 13177/AB

*****

11.03.32Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Karlheinz Kopf: Der SPÖ-Parlamentsklub hat gemäß § 93 Abs. 2 der Ge­schäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung einge­brachte schriftliche Anfrage 14129/J der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betref­fend „Armut von Kindern und Alleinerzieherinnen bekämpfen – Unterhaltsgarantie umsetzen!“ dringlich zu behandeln. (Die Dringliche Anfrage hat nicht die Num­mer 14129/J, sondern die Nummer 14128/J. Siehe Korrektur durch Präsidenten Hofer, S. 90.)

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

11.04.08Fristsetzungsantrag

 


Präsident Karlheinz Kopf: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass Herr Abgeordneter Dr. Strolz beantragt hat, dem Finanzausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 412/A der Abgeordneten Dr. Rainer Hable, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird, eine Frist bis zum 19. Oktober 2017 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Karlheinz Kopf: Um den 18. Punkt der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes abzusehen.

Dabei handelt es sich um den Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG-NR betreffend Durchführung des Verlangens der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen auf Prüfung der Gebarung des Bundeskanzleramts und des Bundesdenkmalamts inklusive seiner Abteilungen in den Bundesländern (1782 der Beilagen).

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für die­sen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Karlheinz Kopf: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 4 und 5 sowie 14 und 15 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Somit gehen wir in die Tagesordnung ein.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 48

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Gestaltung und Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 10 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 135, FPÖ 125, Grüne 105 und NEOS 55 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 28 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Weiters wurde zu Tagesordnungspunkt 3 vereinbart, dass pro Klub nur ein Redner beziehungsweise eine Rednerin zu Wort kommt.

Wir kommen zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die mit diesem Vorschlag einverstanden sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

11.07.041. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren „Gegen TTIP / CETA“ (1608/1781 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Somit gehen wir gleich in die Debatte ein.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

 


11.07.25

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Her­ren Bundesminister! Hohes Haus! Das uns vorliegende Volksbegehren hat 562 000 Un­terstützungsstimmen bekommen, ist damit das elftbeste Volksbegehren und wurde im Parlament als eines jener Volksbegehren behandelt, die die meiste Aufmerksamkeit erlangt haben. Mir ist nur ein einziges Volksbegehren bekannt, das besser und intensiver hier im Parlament verhandelt wurde, das ist das Bildungsvolks­begehren. Man kann sagen, dass dieses Volksbegehren das zweitbeste in der parla­mentarischen Behandlung darstellt.

Dieses Volksbegehren ist in drei Sitzungen umfangreich abgehandelt worden. Es sind darüber Protokolle erstellt worden, die insgesamt 117 Seiten ausmachen. Diese sind auf der Parlamentshomepage abrufbar.

Ich darf mich von dieser Stelle aus bei den Proponenten dieses Volksbegehrens, die es ins Leben gerufen haben, recht herzlich für die Mühe und den Aufwand, den sie betrieben haben, um dieses Volksbegehren so erfolgreich zu gestalten, bedanken. Insbesondere darf ich dem Bevollmächtigten, Herrn Thumpser, dazu recht herzlich gratulieren und mich bei ihm bedanken. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Was sich im Zuge der Verhandlungen und des Ablaufes insbesondere betreffend das CETA-Abkommen herausgestellt hat, ist, dass das CETA-Abkommen letztendlich unterfertigt wurde. Aber bevor es unterfertigt wurde, wurden noch einige Anmerkungen vor allem auf den Widerstand Österreichs hin in dieses Abkommen hineinverhandelt, insbesondere ein Protokoll, das zur Interpretation dieses Vertrages beigelegt wurde. In diesem Interpretationsprotokoll beziehungsweise in dieser Erklärungsanleitung stehen ganz wesentliche Dinge drinnen. Es ist nämlich im Rahmen dieses Verhandlungs­pro-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 49

zesses, der dann letztendlich auch zur Unterfertigung geführt hat, insbesondere auf Wirken des österreichischen Bundeskanzlers gelungen, zu erreichen, dass es sich nun um ein gemischtes Abkommen handelt und somit dieses Abkommen jedem nationalen Parlament zur Ratifizierung vorgelegt werden muss. Das ist nicht selbstverständlich gewesen, weil die Europäische Union davon ausgegangen ist, dass es sich um kein gemischtes Abkommen handelt.

Weiters wurde in diesem Interpretationsprotokoll festgelegt, dass das europäische Vorsorgeprinzip nicht angetastet wird. Was heißt das? – In Europa gibt es bei Lebensmitteln und auch bei Medikamenten und anderen Produkten ein Genehmi­gungs­verfahren, das im Vorfeld durchgeführt wird, wo Produkte auf ihre Eigenschaften getestet, dann genehmigt und erst dann in Verkehr gebracht werden – im Gegensatz zu den angloamerikanischen Ländern, die ein Nachsorgeprinzip haben, wo grundsätz­lich alles erlaubt ist, bis es nicht nachträglich verboten wird. Dieses Prinzip ist auf Initiative und unter Mitwirkung Österreichs in den Vertrag eingeflossen.

In weiterer Folge hat das deutsche Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die vorläufige Anwendung nur für die Eigenzuständigkeiten der Europäischen Union gilt, nicht jedoch für die Investitionsschutzgerichtsbarkeit. Des Weiteren darf die Gemischte Kommission ihre demokratische Legitimation nur in einem einstimmigen Beschluss fassen, und jederzeit muss auch die Möglichkeit bestehen, aus diesem vorläufigen Anwendungsbereich auszutreten.

Das heißt, das ist eigentlich die österreichische Position – die Position, die der Bun­deskanzler vertritt! –, nämlich dass jene Teile, die in die europäische Zuständigkeit fallen, anwendbar sind, nicht jedoch die umstrittene Investitionsschutzgerichtsbarkeit, die viele Mängel aufweist. Es ist ja bei einem funktionierenden Rechtssystem wie in Österreich, wo Gerichte objektiv und fair Sachverhalte abhandeln, nicht verständlich, dass ein österreichischer Unternehmer mit der Abhandlung bei einem österreichischen Gericht zufrieden ist und ein kanadischer nicht. Das ist nicht einzusehen, weil er dieselben Ausgangspositionen und dieselben Regeln für die Anwendung hat.

Eine funktionierende Gerichtsbarkeit braucht keine supranationale Gerichtsbarkeit, sondern man kann Investitionsschutzbestimmungen oder Schadenersatzbestim­mun­gen bei normalen Gerichten in Österreich abhandeln. Das ist die Position des Bundes­kanzlers und auch jene des deutschen Bundesverfassungsgerichts, die der Meinung sind, dass dieses Investitionsschutzabkommen in das interne Regelungsmonopol der Staaten eingreift und damit der Ratifizierung unterworfen ist und diese Ratifizierung in den nationalen Parlamenten stattzufinden hat.

Das kann derzeit noch nicht geschehen, weil die endgültige Entscheidung des deut­schen Bundesverfassungsgerichts noch ausständig ist, da die belgische Regierung ein Gutachten hinsichtlich der Einordnung in den Bereich des Rechts der Europäischen Union und der Aushöhlung des Auslegungsmonopols des Europäischen Gerichtshofes beantragt hat. Das ist abzuwarten. Das wird ungefähr zwei Jahre dauern. Daher ist eine Vorlage dieses Abkommens nicht vor zwei Jahren denkbar. In dieser Zeit hat die Europäische Kommission noch Verbesserungen im Investitionsschutzbereich durchzu­führen.

Also in diesem Sinne ist die österreichische Position – die die Position des Bundes­kanzlers ist – und auch jene des deutschen Bundesverfassungsgerichts rechtlich fundiert und international anerkannt. (Beifall bei der SPÖ.)

11.13


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Haubner gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 50

11.13.32

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister Rupprechter und Mahrer! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße auch die Schüler des Gymnasiums von Waidhofen an der Ybbs recht herzlich hier bei uns. (Allgemeiner Beifall.)

Das CETA-Volksbegehren hat uns die Möglichkeit gegeben, dass wir uns noch einmal intensiv mit dem Handelsabkommen mit Kanada befassen. Kollege Wittmann hat schon zum Teil die juristischen Aspekte beurteilt, wir vertreten jedoch in ein paar Bereichen unterschiedliche Standpunkte.

Ich möchte aber vor allem die wirtschaftspolitische Bedeutung dieses Abkommens herausstreichen. (Abg. Pirklhuber: ... wenn Sie gegen das Volksbegehren sind!) Es ist für den Standort Europa und die davon betroffenen Unternehmen und auch für die damit verbundenen Arbeitsplätze ganz wichtig, dass solche Handelsabkommen abgeschlossen werden. CETA bringt ja klare Spielregeln für den Handel und für die Investitionen, die zwischen Kanada und Europa stattfinden.

Bei genauer Betrachtung möchte ich hier festhalten: Es geht um CETA. TTIP ist meines Erachtens gestorben, das wird es unter einem Präsidenten Trump nicht mehr geben. (Abg. Kogler: Ja, aber auch den Trump wird es nicht ewig geben!) Man sollte halt hier die zwei Dinge nicht miteinander vermischen, sondern reden wir jetzt einmal über CETA!

Wenn wir uns die Daten und Fakten genau anschauen, dann sehen wir, dass links und rechts um uns – in Asien, in Teilen Südamerikas – beim Wachstum die Post abgeht. Da ist es natürlich ganz wichtig, dass wir uns, wenn wir als Volkswirtschaft erfolgreich sein wollen, auch mit solchen Abkommen intensiv beschäftigen, denn mit diesen können wir unsere hochwertigen Produkte und unsere wertvollen Dienstleistungen in die Welt hinausbringen.

Meine Damen und Herren! Europa braucht diese Handelsabkommen (Abg. Kogler: Geh bitte!), um noch schneller und besser Wirtschaft betreiben zu können und damit auch Arbeitsplätze zu schaffen und vor allem zu sichern.

Wenn man sich die Geschichte der Handelsabkommen, das, was sie in der Ver­gangenheit bewirkt haben, anschaut, dann weiß man, dass Österreich ein Haupt­profiteur von solchen Handelsabkommen ist. (Abg. Kogler: Die waren ja alle anderen Typs! Das ist ja kein Handelsabkommen!) – Kollege Kogler, Sie kommen noch zu Wort, genießen Sie dann Ihre Redezeit!

Die Zahlen sprechen für sich: Wir verdienen sechs von zehn Euro im Export, und es geht dabei um ein Exportvolumen von 130 Milliarden € und um eine Million Arbeits­plätze – und das ist ganz enorm! (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.) Das ist natürlich auch für die österreichischen Erfolge enorm wichtig: Made in Austria ist ja ein inter­nationales Qualitätssiegel, das ist bei Hi-Tech so, das ist bei Innovationen so, das ist bei Dienstleistungen so und das ist natürlich auch bei unseren hervorragenden Lebensmitteln der Fall.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch darauf eingehen, dass es auch für die Regionen sehr wichtig ist, dass wir solche Handelsabkommen haben. Wenn wir uns das genau anschauen, dann sehen wir deutlich – zum Beispiel in meinem Heimatbun­desland Salzburg –, wie wir von diesen Handelsabkommen profitieren. So hatten wir beispielsweise in Salzburg im letzten Jahr ein Exportvolumen von ungefähr 11 Milliar­den €. Diese Exporte gehen in die ganze Welt. Davon gingen ein Drittel in Übersee­länder wie Kanada. Das heißt, dieser Anteil wuchs in den letzten fünf Jahren um mehr als 60 Prozent. Davon profitieren in unseren Regionen viele tolle Unternehmen – auch


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 51

in meinem Wahlkreis sind viele tolle Unternehmen –, davon profitieren viele klein- und mittelständische Unternehmen, und das sichert Arbeitsplätze.

Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir diese strategische Chance nutzen. Legen wir unseren Unternehmen, von denen viele Arbeitsplätze abhängen, keine Steine in den Weg! Schauen wir, dass wir dieses Abkommen auch ratifizieren, damit wir auf dem Erfolgspfad der österreichischen Wirtschaft bleiben! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.17


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Mag. Stefan gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


11.17.47

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst einmal möchte ich Folgendes klarstellen: Wir von der FPÖ stimmen dem vorliegenden Antrag zu, weil es sich um einen reinen Bericht über die Behandlung des Volksbegehrens „Gegen TTIP / CETA“ handelt. Es ist also keine Abstimmung über CETA, TTIP, TiSA oder sonst etwas in diese Richtung, sondern einfach nur darüber, wie das Volksbegehren hier im Parlament behandelt wurde. Und es ist auch nur ein technischer Bericht und kein Bericht darüber, wie schlecht das Volksbegehren hier vielleicht behandelt wurde. Das ist ein anderes Thema!

Man muss trotzdem ganz kurz zurückschauen, wie CETA und TTIP entstanden sind. Wir reden hier jetzt in erster Linie über CETA, weil TTIP wahrscheinlich tatsächlich auf Eis gelegt ist; ob es gestorben ist, weiß ich nicht. Sich da nur an einem Präsidenten festzuhalten, ist, glaube ich, auch zu kurzsichtig gedacht.

CETA wurde 2009 zwischen der Europäischen Union und Kanada zu verhandeln begonnen, und zwar völlig hinter verschlossenen Türen, ohne jede Transparenz. Man konnte überhaupt keine Einsicht nehmen, wie das abgelaufen ist. Die Europäische Kommission wurde dabei im Wesentlichen von Lobbyverbänden beraten, daher gab es immer Bedenken, dass gewisse Interessen im Vordergrund stehen und diese in erster Linie bei den Diskussionen herangezogen werden.

Es wurde dann Gott sei Dank auf die Europäische Kommission so starker Druck ausgeübt, dass man übereingekommen ist, dass es zumindest ein gemischtes Abkom­men ist. Das bedeutet, dass zumindest Teile dieses Abkommens in den einzelnen Par­lamenten noch einmal abgestimmt werden müssen. Das war aber nur deshalb möglich, weil es eben so starken Druck gegeben hat, sonst wäre das Abkommen schlicht und einfach auf europäischer Ebene sozusagen durchgerutscht, es wäre durchgewinkt worden und schon längst, so wie es ursprünglich gewünscht war, in Geltung.

Dabei muss man schon auch die Rolle Österreichs bedenken, denn es können als Einzige unsere Regierungsvertreter die Stimme für Österreich erheben und allenfalls auch in einem Ministerrat ein Veto einlegen. Genau das ist aber nicht passiert. Es haben unsere Vertreter – und da insbesondere Bundeskanzler Kern – zugestimmt, dass CETA in Kraft treten kann.

Das muss man immer dabei betonen, auch wenn man sich heute herstellt und sagt, man sei hier kritisch und man möge gewisse Dinge nicht: Man hätte schon einmal verhindern können, dass es überhaupt so weit kommt.

Jetzt hat in Österreich, Gott sei Dank, eine Initiative ein Volksbegehren eingebracht. Auch von mir noch einmal herzlichen Dank und Gratulation, weil das ja ein unglaub­licher Aufwand ist. Es ist eine stumpfe Waffe, wir wissen das. Wir kritisieren auch regelmäßig, dass es keine andere gibt. Es ist die einzige Möglichkeit der Bevölkerung, sich überhaupt bemerkbar zu machen, aber es ist eine stumpfe Waffe, das hat man


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 52

gesehen: Es wird halt dann im Parlament diskutiert – dieses Mal etwas aufwendiger als sonst. Es hätte vier Behandlungen im Ausschuss geben sollen, es gab nur drei, und die dritte auch nur deshalb, weil die Opposition hier wirklich Druck gemacht hat und gesagt hat, es kann nicht sein, dass wir das in den November, Dezember hinein verschieben oder vielleicht am besten gar nicht mehr darüber debattieren.

Wenn wir von der Opposition also nicht darauf bestanden hätten, dass es heute überhaupt diese Diskussion gibt, wäre das unter den Teppich gekehrt worden, weil es offenbar den Regierungsparteien unangenehm ist, über dieses Thema zu sprechen, weil sie ja dann sagen müssten, ja, wir haben dieser potenziellen Aushöhlung unserer Souveränität zugestimmt und wollten die Bevölkerung damit überhaupt nicht befassen. – Daher ist es ihnen sehr unangenehm. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ist aber jetzt die Kritik an CETA? Man muss schon immer wieder darauf hin­weisen: CETA ist bereits teilweise in Kraft – auch das muss man dazusagen –, es ist seit Oktober bereits teilweise in Kraft. Insbesondere sind die Zölle einmal aufgehoben. Das ist etwas Positives, da sind wir als Freiheitliche natürlich auch dafür, wir sind ja für den freien Handel. Wenn wir hier Kritik üben, dann sind es ja konkrete Punkte und nicht eine Abneigung dagegen, dass es einen freien Handel in der Welt geben soll. Im Gegenteil, wir wissen, dass gerade auch Österreich davon profitiert. Daher ist dieser eine Punkt, dass es keine Zölle mehr gibt, positiv.

Was aber ist der große wirtschaftliche Effekt? – Wir haben gerade gehört, die Arbeits­plätze hängen davon ab, für Österreich ist das ganz wichtig. Selbst die posi­tivsten Unter­suchungen, und zwar von den Befürwortern von CETA, haben ergeben, dass Kanada nach zehn Jahren möglicherweise ein Plus beim Pro-Kopf-Einkommen von 3 Prozent zu verzeichnen hat, während es in Europa nach zehn Jahren 0,2 Prozent sein sollen. Wir reden da also von einem minimalen wirtschaftlichen Effekt. In diesem Licht ist das, was hier vorher so vollmundig erzählt wurde, zu sehen. Ein positiver Effekt ist ein positiver Effekt, ja, aber wenn dieser in so einem geringen Ausmaß stattfindet, dann muss man sich schon anschauen, welche Risiken dem gegenüber­stehen.

Ein Thema ist dabei natürlich immer der sogenannte Investitionsschutz, weil er bedeu­tet, dass Unternehmen Staaten klagen können, wenn sie der Meinung sind, dass ihre Investitionen willkürlich gestört wurden, zum Beispiel durch gesetzliche Maßnahmen. Das ist ein ganz heikler Punkt, weil das letztendlich dazu führen kann, dass der Steuer­zahler eine Schadenersatzforderung bezahlen muss. Man kann sich vorstellen, dass das heikel ist.

Es wurde im Rahmen der Entstehung von CETA lange darüber diskutiert und an sich auch beschlossen, ein neues Gericht hiefür einzusetzen. Durch den Druck, der aus der Bevölkerung und aus den einzelnen Staaten gekommen ist, sind Dinge auch positiv entwickelt worden. Aber dennoch haben wir jetzt ein Gericht, das von Richtern besetzt wird. Diese Richter haben nach unserem derzeitigen Informationsstand ein minimales Grundeinkommen und werden dann je nach Verfahren bezahlt. Das bedeutet natürlich, dass es tendenziell wohl ein Anreiz ist, möglichst viele Verfahren zu haben, und man könnte annehmen, dass man deshalb vielleicht eher Verfahren zulässt und ent­sprechend entscheidet, eben aufgrund dieses Anreizes.

Man darf auch nicht vergessen, was für eine unglaubliche finanzielle Macht hinter manchen dieser potenziellen Kläger steht. Die können Staaten durchaus gefährlich werden. Und wenn dann Staaten in vorauseilendem Gehorsam oder zumindest einmal aus Vorsicht beginnen, gewisse Gesetze nicht mehr zu erlassen, die vielleicht dem Umweltschutz oder dem Verbraucherschutz dienen würden, dann wird es natürlich heikel.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 53

Das ist genau der Punkt, der uns große Sorgen macht: dass über so eine Gerichts­barkeit Staaten indirekt dazu gezwungen werden, anders zu agieren, als sie das wollen. Das ist in Wirklichkeit auch eine Aushöhlung der Demokratie und der Möglich­keiten der Parlamente. Deswegen sind wir hier so kritisch, noch dazu angesichts dieses ganz geringen Effekts, den es geben könnte.

Man muss sich das zum Beispiel so vorstellen: Ein Staat ist gegen Fracking, hat aber noch keine gesetzliche Maßnahme dagegen getroffen. Ein kanadisches Unternehmen investiert in diesem Staat, um dort Fracking durchzuführen. Erst danach wird eine gesetzliche Regelung getroffen, um Fracking zu verhindern. In diesem Fall wäre es denkbar, dass das Unternehmen klagt und der Staat Schadenersatz leisten muss. Das sind ganz konkrete Beispiele.

Oder: Ausstieg aus der Atomenergie, klassischer Fall. Deutschland ist geklagt worden, weil natürlich auch Investitionen in Atomkraftwerke getätigt wurden. Da droht dem deutschen Staat unter Umständen eine wirklich große Schadenersatzforderung von mehreren Milliarden Euro. Also das sind heikle Punkte.

Es gibt zwar vage Bestimmungen, wo es heißt, die Staaten können in gewissem Aus­maß Regelungen treffen, wenn sie der Meinung sind, das ist wichtig für ihre Bürger, und dann wäre dieser Punkt vom Investitionsschutz ausgenommen. Das sind aber so vage Bestimmungen, dass wir genau wissen, wie das dann abläuft. Da gibt es ja unglaubliche Macht dahinter, die sich dann alle möglichen Schlupflöcher suchen wird. Wenn man so unbestimmte Bestimmungen hat, dann ist auch immer die Gefahr gegeben, dass sie ausgehebelt werden. Das ist also ein durchaus heikler Punkt.

Wir haben auch den Bereich Rückkauf von privatisierter Grundversorgung. Es könnte sein, dass in einem Staat vielleicht zwar nicht die Wasserversorgung, aber das Kanal­system privatisiert wurde. Wir kennen das ja leider auch. Wir sind immer dagegen gewesen, dass man kritische Infrastruktur privatisiert, aber es kommt doch immer wieder vor. Wenn jetzt ein Staat oder eine Kommune darauf kommen würde, das wie­der rekommunalisieren, also wieder in den öffentlichen Bereich bringen zu wollen, dann könnte das auch eine Klage hervorrufen, weil sich ein ausländisches Unterneh­men dadurch diskriminiert fühlen könnte.

Das ist also ein sehr heikler Punkt, der immer den Gestaltungsspielraum des eigenen Staates herabsetzt und verringert. Das heißt, wir nehmen uns damit unsere eigene Souveränität. Das sind heikle Punkte, die man nicht einfach mit so lockeren Erklä­rungen wie: Es ist wichtig, Handel zu treiben!, wegwischen darf.

Die Diskussion über die mögliche Reduktion von EU-Standards läuft natürlich auch. Es gibt natürlich Bestimmungen, dass gewisse Dinge ausgeklammert sind, aber man darf nicht vergessen, dass Kanada der drittgrößte Exporteur von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ist. Dass also großes Interesse besteht, diese Produkte auch auf diesem Weg zu vertreiben, liegt wohl auf der Hand. Es gibt eine mögliche Weiterentwicklung des CETA-Abkommens, wenn es dann einmal voll in Geltung ist, und es ist durchaus denkbar, dass sich sehr wohl etwas in diese Richtung bewegt. Das ist etwas, was in Österreich jedenfalls abgelehnt wird.

Ich komme jetzt zum Schluss. Ich würde das gerne noch weiter ausführen, aber wir haben ja als Fraktionen begrenzte Redezeit, wie schon angesprochen wurde. In der Bevölkerung gibt es jedenfalls – das ist offensichtlich – ein großes Misstrauen gegen­über derartigen Abkommen, vor allem eben auch, neben dem geringen Effekt, im Hinblick darauf, dass die Souveränität deutlich eingeschränkt wird. Da es ja letztlich Risiken sind, die der einzelne Bürger zu tragen hat, weil ja solche Handelsabkommen oft direkt in das Leben der einzelnen Bürger eingreifen, sind wir der Überzeugung, dass man die Bevölkerung zumindest befragen sollte, wie sie das sieht.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 54

Sozusagen in Weiterentwicklung des Volksbegehrens, das ja darauf abgezielt hat, dass auch die Bevölkerung miteinbezogen wird, stelle ich daher folgenden Antrag:

Antrag

der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volks­be­fragung zu Handels- und Dienstleistungsabkommen (TTIP, CETA und TiSA)

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat gemäß Art. 49b B-VG einen Antrag betreffend die Abhaltung einer Volksbefragung über die Handelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) und das plurilaterale Dienstleistungsabkommen (TiSA) zur Beschlussfassung vorzulegen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

11.29


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Stefan soeben vorgetragene Antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag

des Abgeordneten Mag. Stefan und weiterer Abgeordneter

eingebracht über die Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren "Gegen TTIP / CETA" (1608/1781 d.B.)

Betreffend Volksbefragung zu Handels- und Dienstleistungsabkommen (TTIP, CETA und TiSA)

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat gemäß Art. 49b B-VG einen Antrag betreffend die Abhaltung einer Volksbefragung über die Handelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) und das plurilaterale Dienstleistungsabkommen (TiSA) zur Beschlussfassung vorzulegen.

Begründung

Das erfolgreiche Volksbegehren „Gegen TTIP / CETA“, welches 562.379 stimm­berech­tigten Österreichern unterstützt haben, hat aufgezeigt, dass solche Entscheidungen nicht alleine von der Politik in der EU und Österreich getroffen werden sollen. Die Österreicher haben ein hohes Interesse bei solchen tiefgreifenden Entscheidungen mitzubestimmen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 55

Handels- und Investitionsabkommen hatten immer schon direkte Auswirkungen auf das alltägliche Leben der einzelnen Bürger und Bürgerinnen, Arbeitnehmer und Arbeite­rinnen sowie Konsumenten und Konsumentinnen. Das Ausmaß dieser Auswirkungen ist vom jeweiligen Partnerstaat oder Staatengemeinschaft sowie vom Umfang der Handelsbeziehungen abhängig. Weiters von den Prozessen des Zustandekommens. Dabei steht Offenheit und Transparenz im Mittelpunkt.

Trotzdem führt die Europäische Kommission entsprechende Verhandlungen hinter ver­schlossenen Türen. Gewerkschaften und Vertreter der nationalen Politik wurden hinge­gen weder an Verhandlungen zwischen der EU und den USA zum „Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP)“ beteiligt noch beim „Comprehensive Economic and Trade- Abkommen (CETA)“ mit Kanada. Es sind die bisher umfang­reichste Vorhaben dieser Art. Das CETA-Abkommen, das dem TTIP-Abkommen mit den USA als Vorbild dienen soll, weist das gleiche Procedere auf. Auch die Verhand­lungen mit Kanada werden hinter verschlossenen Türen geführt.

Folgende Probleme werden sich Österreich stellen:

Investoren werden Staaten verklagen können. Das sogenannte Investor-State-Dispute-Settlement (ISDS, Schiedsgerichtsverfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten) – selbst in seiner neuen Verpackung als „Investment Court System“ (ICS, Investitionsgerichtshof) – gesteht ausländischen Investoren das Recht zu, europäische Staaten zu verklagen, wenn sie der Ansicht sind, dass Gesetze oder sonstige Maßnahmen der EU oder einer ihrer Mitgliedsstaaten ihre Investitionen geschädigt und ihren erwarteten Gewinn geschmälert haben. Dies wird auch Gesetze und Maßnahmen beeinflussen, die im Sinne des Gemeinwohls erlassen wurden, z.B. zum Umweltschutz und Verbraucherschutz.

Unternehmen werden eingeladen, an neuen Gesetzen mitzuschreiben. Die sogenannte „Regulatorische Kooperation“ wird es den Vertretern großer Firmen und Bürokraten von beiden Seiten des Atlantiks erlauben, auf Gesetzentwürfe in Expertengruppen Einfluss zu nehmen, schon bevor diese in gewählten Parlamenten diskutiert wurden. Dies untergräbt die Demokratie!

Die Standards bezüglich der Qualität von Lebensmitteln und des Verbraucherschutzes könnten abgeschwächt werden.

Arbeitnehmerrechte und Arbeitsplätze sind in Gefahr.

Europäische Länder kämen unter Druck, Hochrisiko-Technologien wie Fracking oder Gentechnik zuzulassen.

CETA wird bestehende Ungleichheiten weiter vergrößern.

Transnationale Großkonzerne werden noch mehr Vorteile gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen und den Bürgern gewinnen.

Liberalisierung und Privatisierung werden zu Einbahnstraßen. CETA wird es schwie­riger machen – und vielleicht sogar unmöglich – Versorgungsbetriebe, Krankenhäuser usw. wieder in öffentlichen Besitz zurückzuführen, nachdem sie einmal privatisiert wurden.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 56

11.29.14

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sollte nicht unterschätzen, was im globalen Kontext auch ein kleines Land wie Österreich zur Klärung dieser Fragen beitragen kann, nämlich jener Fragen: Was ist vernünftiger und gerechter Handel?, versus diese tatsächlich drohenden Konzern­klagsrechte, welche Bedeutung und welche Rolle es hier übernehmen kann – oder könnte, wenn man denn eine mutige Regierung hätte! Aber davon sind wir ja weit weg, weil Rot und Schwarz-Türkis in trauter Eintracht das Parlament hier an der Nase herum­geführt haben und den CETA-Vertrag diesem Haus nicht zuleiten, weil da eine Mehrheit dagegen wäre. Das ist doch völlig absurd, das ist nachgerade demokratisch pervers: Die Volksvertretung darf das Volk nicht mehr vertreten! So weit ist es gekommen. Das wollten wir nur einmal vorangestellt wissen. (Beifall bei den Grünen.)

Ja, ein kleines Land hat eine große Rolle, deshalb sollten wir sie einnehmen und uns nicht in die Sackgasse manövrieren und dort noch den Hinterausgang suchen, denn bekanntermaßen gibt es diesen in einer Sackgasse nicht. Wir werden Ihnen aber einen Ausweg weisen.

Es ist genauso wie beim Klimaschutz, wo die Rolle der Kleinen sehr wichtig ist. Kolle­gin Brunner hat hier ja in einer beeindruckenden Rede ausgeführt, was für eine Verant­wortung diese unsere Generation hat – und Österreich in Europa und Europa in der Welt. Bei CETA ist es noch viel klarer, noch viel klarer!

Es ist zunächst noch einmal Dank auszusprechen an die Initiatoren, an die BürgerIn­nen, die unterschrieben haben. Das war wirklich für alle offensichtlich – ja, für alle, ich nehme mich da nicht aus, waren doch die Möglichkeiten dieses Volksbegehrens, wie leider so oft, sehr gering – ein Überraschungserfolg, deshalb sind 600 000 Bürgerinnen und Bürger sehr viel. Also Dank an diese und die Bürgerinitiativen, die das begleitet haben! (Beifall bei den Grünen.)

Wir wollen uns jetzt nur mehr auf CETA konzentrieren, denn das war ja ursprünglich umfassender, und da muss man halt in der Kürze noch einmal, weil ja von der anderen Seite mehr oder weniger monoton auch immer die gleichen Argumente kommen, ein paar Dinge durchdeklinieren, im Schnellkursus.

Na selbstverständlich ist es für den Handel – aber für welchen denn? Es wird hier immer mit Wachstums- und Beschäftigungseffekten argumentiert; soll alles sein. Es wird mit der österreichischen Exportquote von 60 Prozent argumentiert. – Ja eh, aber ist Ihnen vielleicht irgendwann einmal aufgefallen, dass diese entstanden ist, ohne dass es diese Art von Verträgen gibt? Es gibt ja jetzt schon Handel! Dabei gibt es schlechte Dinge, aber auch gute. Da kann man auch etwas verbessern, und in CETA sind sogar viele passable Punkte drinnen.

Neulich haben wir – ich stehe nie an, das zu erwähnen – uns, der hier anwesende Herr Wirtschaftsminister und ich, in einer sehr brauchbaren Weise über Wirtschaft und Export unterhalten und haben auch sehr viel Übereinstimmung gefunden; so ist es ja nicht. Nur Sie tun ja so, als würde es das alles nur mit solchen Verträgen geben – Sie schon wieder von der Wirtschaftskammer; na ja, was soll man sonst erwarten? Ich weiß nicht, ob Sie sich dann auch in Türkis umfärben müssen, diese Ihre Rede war jedenfalls noch altschwarz. Sie erklären uns hier immer irgendwelche Statistiken, erbringen aber damit nur den Beweis, dass die Welt eh so ist, und zwar auch ohne diese Verträge.

Bei allen Vorteilen, die man vielleicht mit künftigen Verträgen, die vernünftig und ge­recht globalen Handel organisieren, erreichen kann – und das sollten wir tatsächlich anstreben –, muss man die Giftzähne sehen, und diese gilt es zu ziehen. Das hat nichts mit 60 oder 50 Prozent Exportquote zu tun, sondern das hat einfach mit Hin-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 57

schauen zu tun. Dieser Frage müssen Sie sich endlich einmal stellen, anstatt hier – ich meine, Sie haben einen Grund dazu, aber vielleicht wissen Sie das gar nicht – dem völligen Euphemismus anheimzufallen, einer Schönrederei, wie man bei uns sagt.

Das sind ja in erster Linie gar keine Handelsverträge, und schon gar nicht sind sie frei, denn die Einzigen, die da freigestellt werden, sind die Konzerne – die schon, das ja. Es geht hier immer um die Frage der Davids gegen die Goliaths, und im Zweifel sind wir hier aufseiten der Davids, und das sogar aus marktwirtschaftlicher Überzeugung, weil nur viele kleinere Unternehmen sicherstellen können, dass das überhaupt so funktioniert, wie Sie es dem Lehrbuch entnehmen. (Beifall bei den Grünen.)

Ja, im Lehrbuch steht drinnen, der Handel ist gut und bringt was. – Ja eh, aber unter welchen Bedingungen? Diese sind politisch zu analysieren und auch zu verändern. Das ist unsere Aufgabe – und nicht irgendetwas hinterherzuhecheln, was uns irgend­welche Konzernlobbyisten vorsingen. Dieses ist das falsche Lied, aber was kommt denn vor in der Partitur von CETA? – Das Vorsorgeprinzip wird durchbrochen! Da kön­nen Sie hundertmal etwas anderes erklären, weil Sie nicht willens oder nicht in der Lage sind – ich weiß es nicht –, den Artikel 25 endlich einmal zu lesen. Diese Frage ist in all den Fachexpertendiskussionen von der Regierung nie beantwortet worden. Dort steht das nämlich explizit drinnen, da können Sie sich mit Ihrem EU-Primärrecht in der Anwendung dann hinten anstellen.

Die regulatorische Kooperation: Das ist ein seltsames Wort, aber in Wirklichkeit geht es darum, dass der Konzernlobbyismus von vornherein eingelassen wird. Nicht, dass die das dann entscheiden, aber der Lobbyismus im Vorfeld von Entscheidungen von demo­kratisch gewählten Parlamenten, hüben wie drüben, ist eingelassen. Und wer sitzt dort drinnen? – Eher die Konzerne, aber sicher nicht die Umweltschützerinnen und Umweltschützer, Stichwort Klimaschutz. Das ist alles ausgenommen. Klimaschutz ist definitiv null Thema, Umweltschutzdurchsetzungsregeln gibt es nicht. Es gibt nur die Rechte für die Konzerne, die sie dann bei privaten Gerichten einklagen können. Das ist doch absurd!

Das ist ein demokratischer Rückschritt! Dafür hat es die Französische Revolution nicht gegeben, dass dann Konzerne das alles wieder umdrehen. So ist es doch, wenn Sie einmal genauer hinschauen! Und Sie wollen eine bürgerliche Partei sein?! (Beifall bei den Grünen.)

Eine Marktwirtschaft kann nur funktionieren, wenn es gescheite Rahmengesetzgebung gibt – und da geht der Rahmengesetzgeber her und entmannt und entleibt sich! Dafür machen Sie hier Werbung! Sie halten uns immer vor, wir haben das nicht verstanden. Sie wollen aber einfach nicht einsehen, dass wir uns sehr wohl mit den wirtschaftlichen Fragen beschäftigen, aber eben auch mit diesen Giftzähnen.

Jetzt haben wir folgende Situation: Österreich hat im Hintergrund immer angeschoben, dass diese Abkommen kommen sollen. Die berühmten Konzernprivilegien, vulgo Kon­zernklagsrechte, private Schiedssysteme, waren zuerst nicht drinnen, sind im Nach­hinein hineingekommen, und wir haben Sie in den Protokollen dabei ertappt, dass Sie da immer vorne mit dabei waren. Dann kommt die Regierung, auch die jetzige, der Herr Kern, und will das ein bisschen wegschieben und umdrehen. Übrig bleibt eine völlig seltsame Geschichte – ich habe die Pointe ja schon vorweggenommen –, näm­lich dass wir hier nicht entscheiden sollen. Diese Sackgasse muss man aber verlassen. Auffällig ist nur, dass das eines der wenigen Dinge ist, wo Kern und Kurz sich einig sind, nämlich uns den Vertrag nicht zuzuleiten.

Wir weisen Ihnen jetzt den Weg aus dieser Sackgasse. Erstens einmal ist von der Bun­desregierung verfassungswidrig zugestimmt worden. Wir haben nämlich mehrere Beschlüsse – einen im Nationalrat, einen im Bundesrat, einen von den Bundeslän-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 58

dern –, die alle bindend wären, und zwar dahin gehend, dass man auf europäischer Ebene nicht hätte zustimmen sollen. Deshalb kann man das noch sanieren.

Die Konzernklagsrechte werden für alle Ewigkeiten verschwinden, wenn wir hier nicht ratifizieren, aber auch die anderen Giftzähne kann man noch herausnehmen. Dafür kämpfen wir, und deshalb sollten wir nicht ratifizieren. Da aber diese Bundesregierung zu feig ist, wie ich meine, das ins Haus zu bringen, und die nächsten Regie­rungsver­handlungen auch schwierig werden, gibt es einen Ausweg aus dieser Sackgasse, den ich nicht immer sofort beschreiten würde, aber in diesem Fall ist er logisch und richtig: die Volksbefragung. Zu diesem Schluss kommen ja mehrere vernünftige Menschen und ich auch, und deshalb bringe ich den entsprechenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volks­befragung zu CETA

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Antrag zur Durchführung einer Volks­befragung gemäß Art. 49b B-VG über die Zustimmung Österreichs zum Handelsver­trag der EU mit Kanada (CETA) dem Nationalrat zuzuleiten, bei der die Fragestellung folgendermaßen lautet:

Sind Sie für das Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA)?

O Ja                                                                              O Nein“

*****

Die Frage Ja oder Nein wird sich auch für diese Regierung stellen. Es ist Zeit, Farbe zu bekennen. Wenn Sie nicht einsichtig sind, ist der 15. Oktober eben auch ein Tag der Abstimmung über diese Frage. (Beifall bei den Grünen.)

11.37


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Kogler soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Werner Kogler, Freundinnen und Freunde

betreffend Volksbefragung zu CETA

eingebracht im Zuge der Debatte Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren (1608 d.B.): "Gegen TTIP / CETA" (1781 d.B.), TOP 1

Begründung

Das Volksbegehren gegen TTIP/CETA und TISA ist mit 562.379 Unterschriften oder 8,87 Prozent der Wahlberechtigten ein überaus erfolgreiches Volksbegehren.

Der Text des Volksbegehrens lautet:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 59

"Der Nationalrat möge ein Bundesverfassungsgesetz beschließen, das österreichi­schen Organen untersagt, die Handelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) oder das plurilaterale Dienstleistungsabkommen (TiSA) zu unterzeichnen, zu genehmigen oder abzuschließen."

CETA, das bereits vor Beendigung des Volksbegehrens auf europäischer Ebene auch von Seite der Bundesregierung unterzeichnet und im Europäischen Parlament im Februar 2017 ratifiziert wurde, wird seit 21.9.2017 in Teilen vorläufig angewendet. Ausgenommen sind bis zur Ratifikation durch alle EU-Mitgliedstaaten im Wesentlichen nur die umstrittenen Schiedsgerichte.

Die Bundesregierung hat sich mit ihrer Zustimmung zu CETA auf europäischer Ebene nicht nur über den Willen der Bürgerinnen und Bürger hinweggesetzt sondern auch über verbindliche Beschlüsse von National- und Bundesrat sowie der Bundesländer. Denn das Volksbegehren ist nur ein Teil des Widerstands in Österreich gegen EU-Handelsabkommen:

·          Mehr als 400 Gemeinden in Österreich haben sich „TTIP-CETA-TISA-frei“ erklärt.

·          Alle neun Landtage haben Beschlüsse gegen TTIP, CETA und TISA gefasst.

·          Die Landeshauptleute haben die Bundesregierung in einer diese bindenden Stellungnahme nach Art. 23 d B-VG aufgefordert, CETA (genauso wie TTIP) im Falle der Einführung privilegierter Konzernklagsrechte abzulehnen und keine Zu­stim­mung für eine vorläufige Anwendung zu geben.

·          Der National- und der Bundesrat haben in ebenso gleichlautenden bindenden Stellungnahmen nach Art. 23 e B-VG die RegierungsvertreterInnen zu einem Ab­stim­mungsverhalten gegen CETA verpflichtet und die Regierung damit auf ver­fassungsrechtlicher Basis zur Ablehnung des Vertrags auf europäischer Ebene angehalten.

Angesichts dieses keineswegs legitimierten Alleinganges der Bundesregierung ist ein Volksentscheid über CETA in Österreich der einzige Ausweg für Regierung und Bevölkerung, die mehrheitliche Haltung zu CETA in einer letztgültigen Entscheidung zu ermitteln. Dies soll über den Weg einer Volksbefragung geschehen, deren Ergebnis als politisch verbindlich betrachtet wird.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Antrag zur Durchführung einer Volks­befragung gemäß Art. 49b B-VG über die Zustimmung Österreichs zum Handels­vertrag der EU mit Kanada (CETA) dem Nationalrat zuzuleiten, bei der die Frage­stellung folgendermaßen lautet:

Sind Sie für das Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA)?

O Ja                                                                              O Nein“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte.

 


11.38.06

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zu Beginn bei den InitiatorIn-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 60

nen des Volksbegehrens bedanken. Wir stimmen alle überein: Transparenz und Information sind extrem wichtig, und ich glaube, dass gerade die Diskussion um CETA und auch um TTIP gezeigt hat, dass die Europäische Union da in Zukunft anders handeln muss – und sie hat auch nachgelegt beim Thema Transparenz – und dass wir auch in der Kommunikation andere Wege beschreiten müssen. Das ist auch eine Hoff­nung, die ich in die nächste Bundesregierung setze, dass das auch so gemacht wird.

Was passiert jetzt aber wieder in dieser Debatte? – Es ist Wahlkampf und es werden ganz viele unterschiedliche Dinge in einen Topf geworfen, wobei ich fast schon ein bisschen überrascht bin – es ist ja doch schon relativ nahe an den Wahlen, und ein bisschen Kreide ist schon verteilt worden –, dass es zumindest vonseiten der FPÖ schon ein bisschen ruhiger zugeht.

Danke dem Kollegen Kogler, dass er wie gewohnt mit dem grünen Populismus weiter­gemacht hat. Anders, als Fred Sinowatz vielleicht gesagt hätte, ist Ihr Motto nicht, alles ist sehr kompliziert, sondern es ist in der grünen Welt alles sehr einfach, es ist alles immer extrem einfach zu erklären. Kollege Kogler, Sie haben gefragt: Wo kommt denn der Handel her, den wir bis jetzt gemacht haben? – Nicht vom Heiligen Geist und auch von keiner guten Fee (Abg. Kogler: Aber auch nicht von CETA!), sondern unter anderem auch von 59 Abkommen, die wir bereits geschlossen haben und die auch solche Investitionsschutzklauseln beinhalten. Diese Abkommen haben diesen Handel begründet.

Ein grundlegender Unterschied zwischen diesen Dingen, die da jetzt einfach so vermischt auf den Tisch gebracht werden, ist zum Beispiel, dass CETA ausverhandelt ist, TTIP nicht und wahrscheinlich auch nicht kommen wird. TiSA zum Beispiel ist erst am Beginn des Verhandlungsprozesses. Und warum wir nicht über das Freihan­delsabkommen mit Südkorea gestritten haben, versteht hier auch niemand. Der Verdacht liegt nahe, dass man nur das kritisiert, was billig und einfach zu kritisieren ist, oder vielleicht nur das, womit man im Wahlkampf punkten kann und was man nicht noch zusätzlich erklären muss.

Wir sind ja aus europäischer Perspektive wirklich ein gallisches Dorf der Unvernunft, weil das in anderen Ländern nicht diskutiert wird, da die Regierungen anderer Länder viel mehr Verantwortung übernommen haben und erklärt haben, was die Vorteile sind. Das ist auch etwas, das ich von unserer Regierung in der letzten Gesetzge­bungs­periode sehr vermisst habe, dass nicht aufgeklärt worden ist und auch nicht klar dar­gelegt worden ist – schon von Anfang an –, was die Vorteile für Österreich sind. Das wäre meiner Meinung nach ihre Verantwortung gewesen.

Alle, unter anderem auch die Grünen, sagen immer: Ja, natürlich wollen wir Freihandel, selbstverständlich wollen wir Handel generell. Aber wann kommen denn endlich die Vorschläge, wie Sie sich Ihre fairen und gerechten Freihandelsverträge eigentlich vorstellen? Wann wird man hier einmal konstruktiv und sagt wirklich, wie man sich vorstellt, was in so einem Vertrag drinnen stehen soll, und nicht nur, was man glaubt, dass nicht drinnen stehen sollte? Das haben wir jetzt schon lange genug diskutiert. Das konnte ich bei Ihrer Rede nicht heraushören, Herr Kollege Kogler, das war eine Wortwolke ohne konkrete Vorschläge und Ideen, in der es wiederum nur um Giftzähne gegangen ist und andere „Krone“-verwendbare Wordings, die Sie hier formulieren.

Es wird ja auch immer gesagt, es sei zu wenig Wachstum, das da herauskommt, Kollege Stefan hat das gesagt, 0,2 Prozent. Offensichtlich haben wir es total gut, das brauchen wir nicht, es ist ja alles okay. Wer will schon in Zukunft wachsen? – Das haben wir nicht nötig. In der Enquete hat Universitätsprofessor Breuss, der da immer zitiert wird, gesagt, dass das Abkommen nicht viel bringt oder keine großen Wachs­tums­effekte hat, er hat aber auch gesagt – das, was er in der Enquete auch gesagt hat,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 61

wird von den Kritikern oft nicht erwähnt –, dass CETA ein gutes Abkommen ist. Es ist viel Lärm um nichts, viel populistischer Lärm um nichts, der jetzt noch einmal im Wahlkampf verbreitet wird. (Abg. Kogler: Das ist ein Antrag auf Volksbefragung!)

Ich könnte jetzt natürlich, wie ich es hier schon x-mal zu diesem Thema gemacht habe, noch einmal aufzählen, dass alle Punkte, die Sie zum Investitionsschutz erwähnt haben, so nicht stimmen, die Sie zum Vorsorgeprinzip erwähnt haben, so nicht stim­men, dass Schiedsgerichte Gesetze aufheben können, stimmt so nicht. Das sind ein­fach alles Unwahrheiten, die hier drei Tage vor der Wahl noch einmal bewusst verbreitet werden.

Ich glaube, wir als Parlament und als Abgeordnete sollten uns hier viel mehr die Frage stellen: Wo wollen wir denn hin? Was ist das für ein Handel, den wir haben wollen? Wollen wir als Europäische Union etwas vorlegen? Wollen wir vorgeben können, wie der internationale Handel auf dieser Welt funktionieren soll, dass sich die ganze Welt an unseren Standards – bei denen wir uns hier ja einig sind, die wir sehr schätzen – orientieren soll? Wollen wir, dass wir Zeit verlieren, dass wir zurückfallen und dass wir zum Schluss unsere Standards senken müssen, weil wir nicht proaktiv waren, weil wir keinen Weg vorangegangen sind, weil wir nicht den ersten Schritt, einen progressiven Schritt gesetzt haben, hin zu einem guten, modernen Freihandelsabkommen?

Da kann ich nur sagen: Mehr Mut und auch mehr Verantwortung! – Das ist etwas, das die nächste Bundesregierung vorlegen muss. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

11.42


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Steinacker zu Wort. – Bitte.

 


11.42.53

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger – heute sind viele da –, schön, dass Sie da sind!

„Die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, zwingen uns alle zur Zusam­menarbeit. Sie können nicht im Sinne des alten nationalstaatlichen Denkens von den einzelnen Ländern allein bewältigt werden.“ – Das hat der ehemalige deutsche Bun­deskanzler Helmut Kohl 1996 in einer Rede über den erfolgreichen EU-Binnenmarkt gesagt. Meine Damen und Herren, das gilt noch heute. (Abg. Pirklhuber: Mutlosigkeit der Politik nenne ich das, was Sie sagen! Mutlosigkeit!)

Was ist denn der EU-Binnenmarkt? – Es bedeutet, dass wir innerhalb Europas keine Grenzen haben, dass wir die Zollgrenzen abgebaut haben, und dass wir Warenfreiheit für den Warenverkehr in Europa haben. Meine Damen und Herren, Europa und unsere große Möglichkeit, so zu wirtschaften, ist ein Erfolgsmodell mit Vorzeigecharakter. Europa ist heute nicht umsonst die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Meine Damen und Herren, wir sind mit dabei, wir sind ein Teil davon. Das müssen wir uns bitte einmal bewusst machen.

In der Zusammenarbeit beim Freihandel mit Kanada stehen wir jetzt, wie Sie alle wissen und wie schon mehrfach ausgeführt wurde, auf der ersten Stufe. Das CETA-Freihandelsabkommen steht ja erst auf der ersten Stufe. Wir haben mit Kanada ein hochentwickeltes, demokratisches und freies Land als Partner. Das ist ein Partner, wie man ihn sich als Wirtschaftsnation nur wünschen kann.

Wir sind ein Exportland: 1,7 Millionen Arbeitskräfte, fast die Hälfte aller unserer Arbeits­plätze, werden jetzt schon durch den Export gesichert. Daher, meine Damen und Herren, sage ich es ganz klar und deutlich: Freihandel ist positiv für eine exportorientierte Wirt-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 62

schaft. Ich gehe sogar weiter und sage, er ist unerlässlich. Sechs von zehn Euro werden im Ausland erwirtschaftet. (Abg. Kogler: Das gibt es ja alles ohne Verträge!) Ohne Freihandel gäbe es definitiv den Wohlstand, den wir in Österreich haben, so nicht. (Abg. Kogler: Die Verträge gehen alle nach hinten los!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren kommen: Danke auch, dass wir das in dieser Breite diskutieren konnten. Die Initiatoren des Volksbegehrens sagen es ja selbst: Handels- und Inves­titionsabkommen haben immer schon direkte Auswirkungen auf das alltägliche Leben der einzelnen BürgerInnen, ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen gehabt. Gott sei Dank ist das so, weil es bedeutet, dass wir damit Wohlstand sichern. (Abg. Hauser: Das hat es vorher schon gegeben! Sie tun ja so ...!)

Seit 21. September gibt es keine Zölle zwischen Europa und Kanada mehr. Die Entscheidung war richtig. An dieser Stelle möchte ich sagen, wir von der ÖVP haben uns immer ganz klar für Freihandelsabkommen ausgesprochen, für die Menschen in unserem Land, und nicht so, wie Bundeskanzler Kern, mit gespaltener Zunge ge­sprochen (Abg. Kogler: Das ist richtig, da haben Sie recht!); nämlich einerseits eine Mitgliederbefragung bei der SPÖ zu machen, bei der sich 88 Prozent dagegen aussprechen, und deshalb in Österreich so zu sprechen und in Brüssel eine andere Linie zu vertreten, mit gespaltener Zunge. (Zwischenruf des Abg. Lugar.)

Wir stehen für das, wir stehen für Freihandelsabkommen, für die Menschen in unserem Land. Und mit dem right to regulate haben wir die Möglichkeit, dass die National­staaten selbst über die Qualitätsstandards bestimmen. Das ist eine Win-win-win-Situation für Kanada, für Europa, für Österreich. Im Verfassungsausschuss wurde dan­kenswerterweise gute Aufklärungsarbeit geleistet. Es gilt darum einmal mehr für alle Verantwortungsträger, insbesondere auch für alle NGOs, egal, wo sie stehen, keine Ängste zu schüren, sondern Fakten abzuwiegen und objektiv zu informieren. Angst ist definitiv kein guter Ratgeber. (Abg. Kogler: Aber für die Flucht aus der Verantwortung brauche ich keinen Ratgeber!) Zahlen, Daten, Fakten und kluge Köpfe entscheiden für eine mutige Zukunft in Österreich, für eine langfristige Wirtschafts- und Wohlstands­politik.

Herr Kollege Kogler, es wird ja Ihnen auch klar sein, dass die Investitionen, die öster­reichische Unternehmen im Ausland tätigen, Schutz brauchen. Wie der Schutz ausgebaut ist, das werden wir wahrscheinlich noch in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren diskutieren. (Abg. Kogler: Nein, das steht im Vertrag! Das gibt es ja gar nicht!) – Das wird man sich ja noch anschauen können. Sie haben ja selbst gesagt, Sie wissen nicht genau, wie es ausformuliert ist, und daher werden wir zu diesem Thema sicher noch sprechen können. (Abg. Kogler: Schon wieder jemand, der den Vertrag nicht gelesen hat!)

Ich sage ganz klar, die Politik in Österreich muss der Wirtschaft Chancen eröffnen und nicht Chancen verbauen. Unser Ziel ist es, Österreich in der Wirtschaft zurück an die Spitze zu bringen. (Abg. Kogler: Dazu brauchen Sie aber kein CETA! – Zwischenrufe der Abgeordneten Brunner und Moser.) Mit dem Durchschnitt gebe ich mich nicht zufrieden und auch viele in meiner Fraktion nicht. Mit Sebastian Kurz wird uns das gelingen, mit einem Bundeskanzler Sebastian Kurz werden wir Österreichs Wirtschaft wieder an die Spitze bringen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.47


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kassegger zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 63

11.47.36

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Kein Mensch ist gegen Freihandel. (Abg. Steinacker: Oh ja!) – Kein vernünftiger Mensch ist gegen Freihandel, nur Sie versuchen, uns permanent diese Abkommen als Freihandelsabkommen zu verkaufen. Da steht zwar Freihandel drauf, aber Freihandel ist nur zu einem geringen Ausmaß drinnen. Es sind eben Dinge drinnen, die nicht unsere Zustimmung finden können. – Das zum einen.

Zum anderen – Kollege Stefan hat es auch schon erwähnt, das ist mir besonders wich­tig –, zum Volksbegehren mit über 560 000 Unterschriften: Herzlichen Dank dafür! Das ist ein ganz, ganz wichtiges Signal der Zivilgesellschaft. Wir lassen uns nicht alles gefallen. Kollege Stefan hat schon gesagt, wenn bei CETA nicht Druck von verschie­denen Institutionen, auch von verschiedensten Parteien, selbstverständlich auch von der Freiheitlichen Partei, ausgeübt worden wäre, dann wären viele Dinge überhaupt nicht geändert worden, insbesondere bei den Schiedsgerichten, über die man jetzt ganz stolz sagt, das sind ja Schiedsgerichte, bei denen die Richter aus einem Pool von Experten nominiert werden, sogar mit Berufungsmöglichkeiten. Das war ja ursprünglich ganz, ganz anders, da waren das nicht einmal Richter, sondern Anwälte et cetera. An die Unterzeichner dieses Volksbegehrens: Das zahlt sich über kurz oder lang aus. Das ist eine Politik der kleinen Schritte und die Beteiligung daran ist sehr, sehr wertvoll. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt im Abkommen Dinge, die wir ablehnen. Dieses ganze Vertragswerk geht in die Richtung, dass Konzerne zu Subjekten des Völkerrechts gemacht werden, neben den Staaten – das wollen wir nicht –, dass Konzernen das Recht zugebilligt wird, Staaten zu verklagen. Komischerweise haben die Staaten umgekehrt kein Recht, Konzerne zu verklagen, wenn sie sich über Menschenrechte, Sicherheitsanforderungen oder etwa Umweltauflagen hinwegsetzen. (Abg. Kogler: Richtig!) Das ist eine Disparität, die nicht akzeptabel ist. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Kogler.)

Konzerne können auch Staaten klagen, wenn sie in ihrem Eigentum beschränkt wer­den. Jetzt ist die große Frage: Gehören da auch entgangene Gewinne, bezie­hungs­weise erwartete Gewinne dazu? – Momentan noch nicht, aber es wird immer bekundet.

Allerdings muss man da juristisch wissen, dass das living agreements, lebende Abkommen sind, also etwas, das unserem Rechtsverständnis in Wirklichkeit völlig unbekannt ist. Wer kann uns garantieren, dass im Rahmen der Weiterentwicklung dieser Vereinbarungen auch der Begriff der erwarteten Gewinne unter dieser aktiven Klagslegitimation subsumiert wird? – Dann haben wir sozusagen ein Monsterproblem, weil uns dann Coca-Cola verklagen wird, weil wir gesetzliche Regelungen haben, dass dieses gesunde Getränk zum Beispiel nicht in Schulkantinen ausgeschenkt werden darf.

Ich sehe das sehr, sehr kritisch, wir alle sehen das sehr, sehr kritisch. Das geht in eine Richtung der grundsätzlichen Systematik von living agreements, da ist sozusagen die Kuh aus dem Stall und jeglicher demokratischer Kontrolle entzogen. Das war es dann, und das wollen wir nicht. (Beifall bei der FPÖ.) Das widerspricht Artikel 1 unserer Bundesverfassung, das „Recht geht vom Volk aus“. Das widerspricht auch diametral dem grundsätzlichen Zugang der Freiheitlichen Partei zu aktiver Beteiligung der Bevölkerung an vielen politischen Meinungsbildungsprozessen, insoweit ist auch eine unserer Koalitionsbedingungen ein deutlicher Ausbau der Beteiligung der Bevölkerung an diesen Prozessen, ein deutlicher Ausbau der direkten Demokratie. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Vertragswerke gehen genau in die entgegengesetzte Richtung, deswegen leh­nen wir sie ab. Genauso wie etwa auch eine Sperrklinkenklausel, die bedeutet, dass


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 64

einmal getätigte Privatisierungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Das ist eine Einschränkung der demokratischen Freiheit und der demokratischen Selbst­bestimmung. Es würde unmöglich gemacht, dass demokratisch festgelegt wird: Diese Privatisierung war ein Fehler, wir wollen sie in Erkenntnis der Erfahrungen, die wir gemacht haben, revidieren. – Das ginge dann nicht.

Es geht dem Grunde nach also immer um dasselbe: Diese Vertragswerke schränken unser Selbstbestimmungsrecht ein, schränken die Macht des Volkes und der Bevöl­kerung ein und delegieren diese Macht an irgendwelche Kommissionen und Exper­tengruppen, die dann Verträge weiterentwickeln, in Wirklichkeit Recht sprechen, das dann Millionen von Europäern bindet und keinerlei demokratische Korrektur mehr ermöglicht. Das sind grundsätzliche Dinge, die wir als Demokraten, als Freiheitliche ablehnen, und deswegen gibt es auch einen klaren Standpunkt unsererseits gegen CETA und TTIP. (Beifall bei der FPÖ.)

11.53


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. – Bitte.

 


11.53.09

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn ein großes Dankeschön an die Initiatoren des Volks­begehrens, an Bürgermeister Thumpser und seine Kolleginnen und Kollegen, die in beispiellosem Engagement, wie viele Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, gezeigt haben, dass die Basis aufstehen kann und ihr Wort erhebt, wenn es notwendig ist. Es ist notwendig, die Stimme zu erheben und ich möchte diesen Dank noch einmal aussprechen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Als einer jener Abgeordneten, der die Diskussionen mit dem Chefverhandler Kanadas Steve Verheul und der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland oder mit dem amerikanischen TTIP-Verhandler Bryant Trick in diesem Haus, im österreichischen Parlament, geführt hat, kann ich sagen: Jawohl, CETA ist ein trojanisches Pferd. Es ist ein trojanisches Pferd, in dessen Bauch nicht der listige Odysseus sitzt, nein, in dessen Bauch die Lobbyisten von Bayer, Monsanto, Walmart und der europäischen Automobil­industrie sitzen. Jawohl, die sitzen in diesem Vertrag drinnen! (Beifall bei den Grünen.)

Cicero hätte im römischen Senat Folgendes ins Plenum hinein gesagt, nämlich: Cui bono? Wir haben das hier in diesem Haus auch schon öfter einmal diskutiert. Wem nützt es denn wirklich? Streuen wir der Bevölkerung nicht Sand in die Augen, meine Damen und Herren, streuen wir ihr nicht Sand in die Augen! Es ist klar, der Einfluss der Konzerne wird nicht eingeschränkt, sondern ausgeweitet. Artikel 25.2: Das Vorsorge­prinzip im Bereich der Gentechnik wird ausgehebelt. – Das Vorsorgeprinzip ist eines unserer Kernanliegen, für das ich fast zwei Jahrzehnte in diesem Haus gekämpft habe. (Abg. Kogler: Bravo!)

Ich erinnere daran, dass Kanada, die USA und Argentinien die Europäische Union zwei Mal verklagt haben, einmal im Hormonfleischskandal und einmal im Gentechnik­be­reich. Beide Male haben sie vor der WTO gewonnen.

Wer glaubt, dass unser Vorsorgeprinzip bei internationalen Schiedsgerichtsent­schei­dun­gen durchzusetzen sein wird, wenn nicht einmal das Wort Vorsorgeprinzip im Vertragstext vorkommt? Herr Minister Mahrer, im Vertragstext steht kein Wort über das Vorsorgeprinzip, kein Wort dazu! (Zwischenruf des Abg. Kogler.) Das ist einfach klar, das können Sie nicht widerlegen. Darum gibt es ja auch diesen Beipackzettel, diese komische, lange Erklärung, was denn alles sei und nicht sei. (Zwischenruf des Abg.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 65

Matznetter.) Sand in die Augen der Menschen, in die Augen der Bevölkerung! – Die­sen Sand müssen wir aus den Augen herausbekommen!

Danke noch einmal an die Initiatoren. Danke für die vielen guten Debatten mit den Expertinnen und Experten bei den Hearings, bei den Enqueten im österreichischen Parlament. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist klar, meine Damen und Herren, der Investorenschutz, die Sonderklagsrechte sind nicht zu akzeptieren. Wir lassen uns die Demokratie nicht durch eine interna­tionale Deregulierungspolitik zerstören. Das hat nichts mit Handel zu tun, sondern mit Deregulierung, und das heißt letztlich, Gesetze werden nicht mehr im Parlament be­schlossen, sondern in Hinterzimmern irgendwelcher Beamten, irgendwelcher Lobbyis­ten­vereine.

Das wollen wir nicht, Herr Minister Mahrer! Wir wollen nicht beschwichtigen, wir wollen nicht beschönigen, wir wollen nicht behübschen. Wir wollen die Dinge auf dem Tisch haben. Die österreichische Bevölkerung hat das Recht dazu! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der FPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber. – Bravorufe der Abgeordneten Kogler und Steinhauser.)

Meine Damen und Herren! Ich muss auch einige persönliche Worte verlieren, das ist meine letzte Rede hier in diesem Haus. Ich bin der Erste, der den Reigen einiger Abschiedsreden, wie ich vermute, starten wird. Ich möchte bei dieser Gelegenheit ganz kurz zurückschauen: 18 Jahre politische Arbeit, eine spannende Zeit. Ich will keinen Tag missen. Ich erinnere mich noch gut an Schwarz-Blau I, an den Ausverkauf der Bundesforste, 40 000 Hektar hätten verkauft werden sollen. Dagegen haben wir gekämpft, wir haben dagegengehalten, wir haben es verhindert. (Beifall bei den Grü­nen.)

Österreich gentechnikfrei zu machen war über 20 Jahre lang ein Riesenzirkus; für das Selbstbestimmungsrecht der Regionen bin ich von Oberösterreich bis nach Brüssel gelaufen, das haben wir, Kollege Rupprechter, miteinander verhandelt. Das war eines der wenigen positiven Dinge, die wir miteinander verhandelt haben. (Heiterkeit bei den Grünen.) Jawohl, das war positiv, nämlich das Rahmengesetz zum Gentechnikanbau­verbot. Das haben wir in dieser Legislaturperiode beschlossen, das war ein guter Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.) Die Pestizidverbote – Neonics, Glyphosat – haben wir gerade letzte Woche gemeinsam mit Kollegen Kogler, mit Kollegin Brunner erreicht, also ein großer Erfolg, wo wir gezeigt haben, aus der Opposition in Zusammenarbeit mit der Zivil­gesellschaft ist es machbar, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kogler: Bravo, Wolfgang!) Eine gute parlamentarische Arbeit ist notwendig, hier und jetzt und heute!

Ich könnte das noch lange fortsetzen, aber mir ist auch ganz wichtig, meinen per­sönlichen Dank auszusprechen. Da steht natürlich meine Familie ganz oben. (Beifall bei den Grünen.) Die Rückendeckung einer Familie, die hinter einem Abgeordneten oder einer Abgeordneten steht – das dürfen wir nicht vergessen –, eine Partnerschaft ist notwendig, damit man im öffentlichen Bereich diese Arbeit machen kann.

Ich möchte an dieser Stelle auch der Parlamentsdirektion, insbesondere Parlaments­direktor Dossi, den Vizedirektoren Janistyn-Novák und Wintoniak herzlich danken. Die Unterstützung in diesem Haus ist in diesen 18 Jahren immer ausgezeichnet gewesen. Das gehört auch gesagt und nicht geschimpft, sondern da gehört klar gesagt: Diese Unterstützung haben wir. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP, FPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 66

Ein besonderer Dank gilt natürlich meinen persönlichen MitarbeiterInnen, ganz vorne steht Jens Karg, mit dem ich die letzten sechs Jahre ausgezeichnet zusammen­ge­arbeitet habe. Herzlichen Dank, Jens, stellvertretend für alle MitarbeiterInnen des Grünen Klubs und selbstverständlich meiner Fraktion. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.) Herzlichen Dank auch den Kollegen Zinggl, Pilz und Rossmann, das sage ich auch klipp und klar. Natürlich auch dir, Karl (in Richtung des Abg. Öllinger), du bist auch lange dabei, allen Kolleginnen und Kollegen. Es war ein wunderbares Arbeiten, und das sollte man auch an dieser Stelle nicht vergessen. (Beifall bei den Grünen.)

Der Lobesworte sind genug gesprochen, lassen Sie mich noch einen kurzen Appell zu diesem Paradigmenwechsel formulieren – etwas, das mir wichtig ist; wenn ich auch aus dem Parlament ausscheide, die politische Debatte geht weiter; sie geht weiter in der Zivilgesellschaft, in der Gesellschaft, in Europa, sozusagen in einer großen Heraus­forderung –, zu dem Primat der Politik! Lassen wir uns die Politik nicht klein­reden! Das liegt an jedem Abgeordneten hier in diesem Haus. Die Politik ist die Voraussetzung dafür, dass wir einen demokratischen Diskurs haben und dass nicht Lobbyisten alles bezahlen. Wir sollten sehr vorsichtig sein, auch hier im Haus, wer sich von wem wie bezahlen lässt. Das, meine Damen und Herren, ist ein wichtiger Punkt, den wir nicht vergessen sollten! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Pilz.)

Im 21. Jahrhundert wird sicher der Klimawandel das herausragende Thema sein, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel, und es wird auch die Phase der globalen Entwicklung sein, in der die Bevölkerungszahl ihr Maximum erreichen wird. 2070 oder 2080 oder 2090 wird es neun, zehn Milliarden Menschen geben – eine Riesenherausforderung, meine Damen und Herren! Wir brauchen daher nicht mehr Freiheit für die Konzerne und die Finanzindustrie, sondern wir brauchen mehr Freiheit für die BürgerInnen und mehr Schutz für die biologischen und natürlichen Ressourcen. Diesen Schutz brauchen wir, denn nur dann werden wir genug Ressourcen haben, dass auch unsere Kinder und Enkelkinder ausreichend davon leben können und dass wir diesen Plane­ten auch nachhaltig in das nächste Jahrhundert hineinentwickeln können. Damit müs­sen wir zu Beginn dieses Jahrhunderts anfangen und dürfen uns nicht erst am Ende darüber wundern, dass es schon zu spät ist.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen bei dieser Arbeit alles, alles Gute. Ich bedanke mich noch einmal für die gute Zusammenarbeit in allen Bereichen. – Danke schön. (Allgemeiner, von den Grünen stehend dargebrachter Beifall.)

12.01


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Pirklhuber, auch von meiner Seite einen herzlichen Dank und alles Gute für Ihre Zukunft!

Nun ist Herr Abgeordneter Schellhorn zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.01.58

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Herren Minis­ter! Auch ich darf mich bei Wolfgang Pirklhuber bedanken. Es tut mir auch leid, dass du, Wolfgang, von der eigenen Fraktion hinausgewählt wurdest (Zwischenrufe bei den Grünen), denn deine Fachkompetenz hat mich, auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren, immer beeindruckt. Ich finde es schade, dass wir im Landwirtschafts­ausschuss nicht mehr beisammensitzen werden. Dein Ausscheiden tut mir wahnsinnig leid.

Worüber reden wir heute? – Wir reden jetzt über das von allen 59 am besten verhan­delte Handelsabkommen, und was wir bis jetzt gehört haben, waren eigentlich nur Angstszenarien. Wir haben von den bösen Konzernen gehört. Schlussfolgerung: In


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 67

Österreich darf es aufgrund dieser Schutzmechanismen keine Konzerne geben, die mit kanadischen Investoren verhandeln, obwohl es diese Schutzmechanismen auch gibt, wenn sie mit einem der anderen 58 Länder – wie gesagt, im Rahmen von schlechter ausverhandelten Abkommen – verhandeln. Sie haben insofern auch eine Schutzfunk­tion, und das sollte man auch unterstützen.

Wir haben von Atomkraft gehört, wir haben von Schiedsgerichten gehört, wir haben von bösen Lobbyisten gehört. Das alles sind Unsachlichkeiten. Von zwei Dingen haben wir nichts gehört, nämlich von der Westbalkanroute und deren Schließung. Dieses Thema wurde heute im ersten Moment schon einmal ausgespart, aber das wird sicher noch kommen. Sonst ist alles gesagt worden, sonst sind alle Angstszenarien aufge­zählt worden.

Kollege Stefan, zu diesem Es-könnte-Sein: Es könnte auch noch einmal die Sonne vom Himmel fallen, das hat es bei Ihnen schon einmal gegeben, aber ich glaube, dass wir nicht dem Angstszenario frönen müssen, sondern diese Chance nützen sollten. Eine Druckerei bei Lofer zum Beispiel, der Stefan – der heißt auch Stefan –, hat ohne Handelsabkommen mit Kanada mit dem McDonald’s-Konzern einen Produktions­vertrag geschlossen; es geht darum, Holzdekorplatten zu drucken. Diese Firma würde extrem davon profitieren, würde dieses Handelsabkommen auf den gesamten ameri­kanischen Markt ausgeweitet werden. Sie würde sich die Lizenzen sparen. Sie hat bis jetzt noch keine Schwierigkeiten gehabt, auch keine Schwierigkeiten mit der Schieds­gerichtsbarkeit. Das ist Stärkung des Wachstums und das ist Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe auch in Österreich, und nicht, mit Angstszenarien zu kommen.

Wenn Sie sagen – und das haben Grün und Blau immer wieder gesagt beziehungs­weise haben sie es beklagt –, dass selbst die Abgeordneten zu wenig informiert worden sind, dass zu wenige Informationen übermittelt worden sind, wie können Sie dann das Volk darüber entscheiden lassen? Wie wollen Sie das machen, wenn es schon für Sie zu wenige Informationen gibt? (Abg. Walter Rosenkranz: Das ist NEOS, das ist klar!) Das heißt, Sie müssen darüber nachdenken (Abg. Walter Rosenkranz: Das ist Ihr Hochmut! Tragt nur die Nase recht hoch, ja, ja!), wie Sie diese Angst­szenarien beseitigen. (Abg. Walter Rosenkranz: Das ist der Hochmut!) – Sie dürfen dann auch noch reden!

Es ging nämlich darum: Ein Handelskonzern hat sich dagegen ausgesprochen, sozu­sagen: Wir sind dagegen, weil wir vielleicht Eigeninteressen haben. Das Kleinformat „Kronen Zeitung“ ist aufgesprungen, dann gab es eine Bürgerinitiative von einem Bürgermeister, der in seinem Heimatdorf einen Großkonzern, einen großen Industrie­betrieb hat, der davon profitiert, dann gab es eine Abstimmung durch die SPÖ, 14 000 Unterstützer – und dann kam das große Umfallen!

Ich glaube, wir müssen uns darauf besinnen, meine Damen und Herren, dass wir nicht dem Populismus und den Angstszenarien verfallen (Abg. Walter Rosenkranz: Da schauen wir uns immer was beim Haselsteiner ab!), dass wir die Chance des Handelns wahrnehmen und nicht Ihren Angstszenarien verfallen, denn Ihr Beispiel Schweiz ist total gescheitert! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe des Abg. Walter Rosenkranz.)

12.06


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Herr Bundesminister Dr. Mahrer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


12.06.15

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Werter Herr Präsident! Werte Kollegen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Auch ich möchte mich bei den 562 378 Unter­zeich-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 68

nern des Volksbegehrens und bei Herrn Thumpser bedanken. Ich glaube, es ist nur recht und billig, das zu tun – aus einem simplen Grund: Wir waren alle gemeinsam – alle Fraktionen, viele europäische Länder und Mitgliedstaaten übergreifend – für mehr Transparenz in diesen Verhandlungen. Das war ein richtiger Kritikpunkt, und das ist anzusprechen.

Im Rahmen der Finalisierung der Verhandlungen ist es durch Präzisierung über dieses gemeinsame Auslegungsinstrument gelungen, eine ganze Reihe von Interpretations­spielräumen zu beseitigen. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn es nicht eine breit getragene Bürgerbewegung in Österreich, aber auch in anderen europäischen Ländern gegeben hätte. Und das ist ganz sicher zum Teil – man muss es ja europaweit sehen – Ihr Verdienst, aber auch das Verdienst vieler anderen Initiativen, die einfach darauf hin­ge­wiesen haben, dass es da Dinge gibt, über die man sprechen muss, die man klarstellen muss.

Dieses durchaus nicht einfach zu erarbeitende gemeinsame Auslegungsinstrument stellt einige dieser Dinge klar, und mir wäre es ein Anliegen, noch einmal auf ein paar dieser Punkte hinzuweisen.

Anschließend an Kollegen Schellhorn, der gemeint hat, es sei nicht immer alles schwarz und weiß, nicht alles in Wirklichkeit immer eindeutig festmachbar: Dazu dient genau dieses gemeinsame Auslegungsinstrument, um eben noch einmal Dinge außer Streit zu stellen, hinsichtlich derer im Rahmen des Vorsorgeprinzips, das in Artikel 191 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU eindeutig festgeschrieben ist, festgelegt ist, dass sie nicht infrage gestellt sind, weil in spezifischen Punkten, im Rahmen der Umweltstandards oder der Standards des Arbeitnehmerschutzes, eben noch einmal explizit darauf Bezug zu nehmen ist, wie das zu interpretieren ist. Diesbezüglich sind von unterschiedlichen Expertinnen und Experten, die sich im Ausschuss eingebracht haben, Klarstellungen vorgenommen worden.

Im Übrigen war das eine Debatte, die in den letzten Monaten in vielen Mitgliedsländern geführt worden ist, weil diese Fragen, wie das denn zu handhaben sei, ja in vielen Mitgliedsländern offen waren.

Ich möchte einen Punkt ganz explizit herausgreifen, der es wert ist, klargestellt zu werden. Es wird immer von Sonderklagsrechten für Konzerne gesprochen; das wurde auch im Ausschuss debattiert. Es geht um die Möglichkeit, im Rahmen eines länder­übergreifenden Vertrages – denn es bleibt den Unternehmen, egal, welcher Größen­klasse, ja immer unbenommen, jeweils ein nationales Gericht anzurufen, das wissen wir ja – eine spezifische zusätzliche – eben weil nicht auf Basis einer in einem Einzel­vertrag zwischen einem Land und einem anderen Land definierten Klagsmöglichkeit –, unabhängige Instanz zu schaffen, mit Berufungsrecht, um zu seinem Recht zu kommen.

Entscheidend ist jetzt: Was ist das für ein Recht? Wir sprechen immer von Inves­titionen, aber was bedeutet das genau? – Ein Unternehmen, das in einem Land, nehmen wir Österreich, tätig ist, ein österreichisches Unternehmen, geht in ein anderes Land, in dem Fall Kanada, und entscheidet sich zum Beispiel, auch dort eine Produk­tionsstätte einzurichten, weil es zum Beispiel von den Logistikkosten her, aber auch im Sinne der Umweltstandards unsinnig wäre, ein Produkt, das man im Umfeld des Industrieclusters Linz–Wels produzieren könnte, über den gesamten Atlantik zu schippern und dann dort zu verkaufen, sondern weil es Sinn macht, österreichisches Know-how, einen Teil der österreichischen Experten plus zusätzliche Arbeitnehmer­schaft dort einzusetzen, um vor Ort zu produzieren. Also man kauft ein Grundstück, man errichtet eine Produktionsanlage und verkauft dann auf dem amerikanischen Subkontinent.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 69

Um genau solch einen Fall geht es. Es geht um Investitionen eines österreichischen Unternehmens in Kanada – es geht nicht um Finanzinvestitionen, sondern um realwirt­schaftliche Investitionen –, das dort Produktionsanlagen errichtet, und darum, dass dann möglicherweise – das wäre ein konkreter Fall – die kanadische Regierung eine Idee hätte, woraufhin das kanadische Parlament ein Gesetz erlassen würde, das diese Produktionsanlagen irgendwie beeinträchtigen könnte oder möglicherweise vielleicht sogar zu einer Enteignung führen könnte. Das ist, wohlgemerkt, ein sehr unrealis­tischer Fall, aber man macht Gesetze und Verträge für unrealistische Fälle bezie­hungs­weise für solche, die vielleicht ganz, ganz selten eintreten. Dann stellt sich die Frage: Wie kommt das österreichische Unternehmen zu seinem Recht?

Anders als bisher sieht – nach einer massiven Debatte und nach vielen Frage­stellungen in Bezug auf die bestehenden Regelungen – die Vereinbarung nun eine neue Form vor, zu diesem Recht zu kommen, nämlich sogenannte Investitions­gerichte – unabhängige, unparteiische, mit Richtern zu besetzende Investitions­gerichte, inklusive einer Berufungsinstanz. Das ist neu, das ist anders, das hatten wir bisher nicht.

Wir haben uns auf europäischer Ebene auch alle darauf geeinigt, das sogar noch weiterzuentwickeln, um überhaupt zu einer einheitlichen, über viele Länder und über viele Vertragsgestaltungen übergreifenden Regelung, zu einem multilateralen Inves­titionsgericht zu kommen, was eine weitere qualitative Verbesserung bedeutet. Wir haben uns auch einheitlich – ganz Europa – die Sichtweise verschafft, dass das mehr Transparenz als die bisher nationalstaatlichen Verfahren hinsichtlich der Einsicht­nahme der jeweiligen Streitparteien in die jeweiligen Beweismittel, darauf, was vor Gericht wirklich verhandelt wird, bringen würde. Das ist eigentlich ein qualitativer Gewinn, wenngleich ich dazusage, das ist ein vielleicht sehr selten stattfindender Fall, ein unwahrscheinlicher Fall.

Aber es geht nicht nur um große Unternehmen. Ich weiß nicht, ob Sie die Firma Palfinger, die in Kanada eine Produktionsstätte hat, oder die Firma Doppelmayr den international wahnsinnig mächtigen Konzernen zuordnen würden. Wenn die dort bedroht wären, dann hätten sie eine Möglichkeit, sich ihr Recht zu verschaffen. (Abg. Steinhauser: In Kanada!) – In Kanada. (Abg. Steinhauser: Na ja, das ist ein funk­tionierender Rechtsstaat!) Das ist ja wechselseitig, natürlich, weil es ein multilaterales, ein die Europäische Union und alle Mitgliedstaaten und Kanada betreffendes Abkom­men ist. Auf diesen qualitativen Fortschritt muss man in diesem Bereich einfach hinwei­sen.

Kollege Kogler hat angesprochen, dass wir sehr sachliche, sehr inhaltgetriebene Debatten geführt haben, für die ich mich wie immer sehr bedanken möchte. Einen Punkt möchte ich aber schon herausgreifen, und zwar wenn es um die Balance zwischen unternehmerischer Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten, die ja Arbeits­plätze sichern und neue schaffen sollen, Wohlstand, Steuerleistung schaffen sollen, und der sozialen und ökologischen Verantwortung geht. Da stelle ich mir immer wieder die Frage – der Vertrag sichert das eindeutig auch so ab und die Interpretation des Auslegungsinstruments macht das auch noch einmal deutlich –: Hat sich das öster­reichische Hohe Haus und irgendein Abgeordneter oder irgendeine Abgeordnete schon jemals in einer Entscheidung davon beeinflussen lassen oder davor gefürchtet, was irgendein außereuropäisches Unternehmen irgendwo denken würde? – Nein! Ich glaube, es gibt keinen einzigen Fall. (Zwischenruf der Abg. Brunner.) Mir ist nichts bekannt. Ich glaube das nicht und ich hoffe, dass auch in der nächsten Legislatur­periode lauter unabhängige ... (Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.)

Es geht um den Eingriff in die Möglichkeit, nationalstaatlich regulieren zu können, ob man etwas will oder nicht, und den gibt es in der Form nicht. Und ich bin mir sicher,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 70

das österreichische Parlament wird sich auch in der nächsten Legislaturperiode in Fragen des Gemeinwohls in allen Bereichen – Gesundheit, Pflege, Infrastruktur und was auch immer, Umweltstandards, arbeitsschutzrechtliche Standards – sicher nicht von irgendjemandem außerhalb Europas beeinflussen lassen, sicher auch nicht von einem anderen Mitgliedsland der Europäischen Union, weil es den Österreicherinnen und Österreichern verpflichtet ist. Ich verstehe also diese Ängste in gar keiner Art und Weise. Das ist Ihr eigenes Selbstbewusstsein. Sie sind der österreichischen Verfas­sung verpflichtet, unserem Rechtssystem, und Sie werden dementsprechend han­deln. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.14


Präsident Karlheinz Kopf: Nun ist Herr Abgeordneter Schmuckenschlager zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.14.37

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, das Thema CETA und die Freihandelsabkom­men im Allgemeinen sind eine sehr wichtige Einrichtung für uns, um im internationalen Handel zu bestehen. Wir haben es heute schon gehört: Freihandel, ja, das bringt uns etwas, das soll uns voranbringen, aber wenn es um Rechte und Pflichten, wenn es ins Detail geht, dann ist das zu intransparent, zu viel, das bitte nicht! – Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, es ist wichtig für die UnternehmerInnen, die eine Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern, gegenüber dem Unternehmen im Allgemeinen haben, dass sie, wenn sie im Handel international tätig sind, auch einen Rechtsrahmen vor­finden, in dem sie sich bewegen können. Die unzähligen Handelsabkommen bieten diese Sicherheit.

Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass man sich ein bisschen weiterentwickeln kann. Etwas hat das Volksbegehren auf jeden Fall gebracht: die Diskussion über das CETA-Abkommen und damit mehr Transparenz und Bewegung in der Darstellung. Wir sollten aber auch nicht permanent falsche Argumente verwenden. Wenn wir bei CETA davon reden, dass von der großen Herausforderung des Klimawandels keine Rede ist, dann stimmt das nicht. Es gibt ein eigenes Nachhaltigkeitskapitel bei CETA, weil es darum geht, wie diese Handelsbewegungen auch umwelttechnologisch letztendlich aufzubauen sind.

Es gibt Nachhaltigkeit für die Bewirtschaftung im Forst sowohl in Kanada wie in Europa, Nachhaltigkeit in der Fischerei. Wie könnte unser kleines Österreich das be­ein­flussen? Wir kritisieren oft in Klimadebatten, dass Abholzungen, Rodungen irgend­wo am Amazonas oder sonst wo stattfinden. Auf diesem Weg haben wir die Mög­lichkeit, als Europäer, als Österreicher im europäischen Kontext mitzuarbeiten. Es ist wichtig, mit einer Stimme zu sprechen, um auch solide Rahmenbedingen abstecken zu können.

Ein Handelsabkommen, das in nächster Zeit auslaufen wird und das auch in euro­päischer Verhandlung steht, ist das Mercosur-Abkommen. Bei diesen Verhandlungen mit den südamerikanischen Staaten stehen wir vor großen Problemen. Man könnte sich nur wünschen, dass die Architektur von CETA auch für dieses Abkommen ange­wandt wird. Wir haben es bei CETA geschafft – und das sind auch jene Verbände, die Sie als böse Lobbyisten bezeichnen –, dass zum Beispiel landwirtschaftliche Verbände rote Linien bei den Zöllen und bei der Einfuhr von Lebensmitteln aus anderen Staaten eingeführt haben. Auch bei Mercosur müssen wir das wieder hineinverhandeln, aber dazu brauchen wir diese Verbände, um entsprechend aufzutreten.

Wenn wir eine Landwirtschaft wollen, die produzieren kann, dann müssen wir ihr auch die Mittel dafür in die Hand geben. Wir haben heute auch das Thema Glyphosat


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 71

besprochen. Man kann jetzt durchaus über die wissenschaftlichen Erkenntnisse dis­kutieren, aber es hat einen politischen, demokratisch Beschluss hier im Haus gegeben, und der ist nicht zu diskutieren. Dieser Beschluss ist gefällt, und dem muss man sich auch beugen. Eines möchte ich aber schon sagen: Wenn man auf der einen Seite der produzierenden Landwirtschaft die Mittel aus der Hand nimmt, auf der anderen Seite aber beim Handel und beim Markt nicht dafür Vorsorge trifft, dass sie dort auch bestehen kann, dass unser Verbündeter, der Konsument, erkennt, wie verschiedenste Lebensmittel hergestellt und erzeugt worden sind, dann ist das scheinheilig und an Scheinheiligkeit wirklich nicht zu überbieten.

Wir brauchen die Möglichkeit – und auch das CETA-Abkommen gibt uns die Mög­lichkeit in die Hand –, eine entsprechende Kennzeichnung von Lebensmitteln durchzu­setzen. Es ist wichtig, dass der Konsument als Partner der Wirtschaft auch auf die europäischen Unternehmen schauen kann, dann braucht man sich auch nicht vor den Produkten aus der ganzen Welt zu ängstigen und zu fürchten, wenn wir ein bisschen mehr auf die Rahmenbedingungen achten, aber die Gesamtheit im Blick haben.

Nicht nur um die Produktion in unserem Land zu beschränken, wenn das der Wunsch von dem einen oder anderen ist, sondern auch um zu schauen, dass der Markt Kontrolle hat, dafür braucht es diese Abkommen, und ich glaube, es ist wirklich wichtig, darüber zu diskutieren, aber letztendlich geht es um die Verantwortung, alles abzu­wägen und nicht dem reinen Populismus zu verfallen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.18


Präsident Karlheinz Kopf: Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber ist die nächste Rednerin. – Bitte.

 


12.18.55

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (ohne Klubzugehörigkeit): Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte mich meinen VorrednerInnen dahin gehend an­schließen, dass es nicht darum geht, Angst zu erzeugen oder uns zu fürchten, wie Herr Minister Mahrer gesagt hat, sondern es geht darum, dass wir hier ein Volksbegehren vor uns liegen haben, anlässlich dessen sich dankenswerterweise über 560 000 Men­schen Gedanken darüber gemacht haben, wie Österreich und die Europäische Union gemeinsam mit ausländischen Partnern weiterhin Handel betreiben wollen, in welchem Ausmaß, wie ausgestaltet und in welcher Form. Und diese vielen Menschen sind zu dem Entschluss gekommen, dass es da immense Kritikpunkte gibt, die auch vehement geäußert und betont werden müssen und die aufzeigen, was es zu ändern gilt.

Da geht es nicht um Angst, da geht es nicht darum, dass wir uns vor irgendwelchen ausländischen Konzernen fürchten, sondern da geht es darum, akribisch und penibel zu analysieren, was in diesem Abkommen enthalten ist. Und auch wenn Kollege Wittmann in seiner Eingangsrede gemeint hat, es war möglich, durch den Bundes­kanzler viele Punkte hineinzureklamieren, diese Punkte mit einem Begleittext in den Vertrag hineinzubekommen, wie er gesagt hat, dann muss ich hier vehement wider­sprechen, denn der Vertragstext an sich hat sich in keinem Punkt und in keinem Bei­strich verändert. Der Vertragstext liegt in seiner ursprünglicher Form schwarz auf weiß vor. Das heißt, worüber wir hier reden müssen, ist der Grundvertrag, ist der Ver­trag selbst.

Wir reden über Inhalte wie unter anderem auch die Regulierungskompetenz, die wir als österreichischer Staat uns nehmen lassen, wenn wir in Richtung Investitionsschutz gehen, wenn auf einmal Überlegungen im Vordergrund stehen, dass uns dann schluss­endlich eventuell Klagen ins Haus stehen könnten, wenn wir ein Gesetz zum Schutz der Umwelt, der Verbraucherrechte et cetera machen wollen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 72

Es geht auch um die Schiedsgerichtbarkeit, die ebenfalls im Verfassungsausschuss diskutiert worden ist. Bei der Schiedsgerichtbarkeit geht es darum, dass damit natio­nale Rechtsstaatlichkeit übergangen wird, ausgeschlossen wird, Unterschiede zwi­schen inländischen und ausländischen Unternehmen geschaffen werden, je nachdem, welcher Rechtsweg diesen Unternehmen ermöglicht wird.

Es geht auch darum, dass in diesem CETA-Vertrag ein Gemischter Ausschuss ent­halten und damit festgeschrieben ist, der den Vertragstext und das Vertragswerk weiterentwickeln kann. Das heißt, er kann das Abkommen abändern, ohne demo­kra­tische Legitimation durch nationale Parlamente und ohne demokratische Legitimation durch das EU-Parlament, was bedeutet, er hätte Befugnisse ohne Legitimation im Hintergrund. Das ist eine schrittweise Aushöhlung der Demokratie, wie wir sie kennen, und wir nähmen uns ein Stück eigener Souveränität, würden wir diese Vorkommnisse und diese Geschehnisse einfach akzeptieren.

Es geht nicht um Angst, es geht um das Überlegen, es geht um die Analyse dieses Vertragswerkes. Es hat auch geheißen, der Interpretationstext, der dem CETA-Ab­kommen beigelegt worden ist, erarbeitet durch den Bundeskanzler, würde ein gemisch­tes Abkommen festschreiben, was schlussendlich bedeuten würde, durch diesen Begleittext würde eine Ratifikation durch die nationalen Parlamente ermöglicht werden. Dann frage ich mich aber: Wo bleibt denn diese Möglichkeit der Ratifikation?!

Es gab den Vorwand für den Beschluss des frühzeitigen beziehungsweise vorläufigen Inkrafttretens, dass wir als nationales Parlament ja ohnehin die Möglichkeit haben, im Anschluss zu ratifizieren, aber dann frage ich mich: Wo bleibt diese Möglichkeit? – Am Rande des EU-Gipfels in Estland hat Bundeskanzler Kern erklärt, dass er vollinhaltlich hinter dem CETA-Abkommen, hinter dem Freihandelsabkommen der EU mit Kanada steht, und er stellte am Rande dieses EU-Gipfels auch klar, dass er das österreichi­sche Parlament über dieses Abkommen nicht abstimmen lassen will – nicht abstimmen lassen will, obwohl es vorher der Vorwand war, dem vorläufigen Inkrafttreten zuzu­stimmen, weil die nationalen Parlamente ja ohnehin darüber abstimmen können.

Der Bundeskanzler wolle auf jeden Fall verhindern, dass das Abkommen im National­rat abgelehnt werde, weil es für Österreichs Exportwirtschaft so wichtig sei, hat er am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Tallinn kundgetan. Ich möchte ihn wirklich wörtlich zitieren: 

„,Wir sind in einer Situation, dass es derzeit im Parlament keine Chance gibt, einen positiven Beschluss zu erreichen‘, sagte Kern auf eine Frage des Standard, warum die Regierung dem Nationalrat den Ceta-Vertrag nicht zur Ratifizierung vorlege. ,Wenn ich das mache, wird es abgelehnt. Dann ist Ceta tot, das ganze Projekt gescheitert‘, argumentiert“ Bundeskanzler Kern im Interview mit dem „Standard“.

Wir haben es hier also offenbar mit einer Haltung zu tun, dass ein Parlament, in dem 183 demokratisch gewählte Abgeordnete abstimmen, besser erst dann befragt werden soll, wenn das Ergebnis ...

 


Präsident Karlheinz Kopf: Frau Abgeordnete, Sie haben noch ein paar Sekunden Redezeit und wollen, wie ich glaube, noch einen Entschließungsantrag einbringen.

 


Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (fortsetzend): ... dem Bundes­kanzler genehm ist – vielen Dank, Herr Präsident.

Das will ich und wollen wir nicht akzeptieren, und deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 73

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Mag. Bruno Rossmann, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Leopold Steinbichler und Rupert Doppler betreffend Abstimmung des Parlaments über das Handelsabkommen CETA

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich das Handels­abkommen der EU mit Kanada (CETA) zur Ratifikation vorzulegen und somit eine demokratische Entscheidung über das Abkommen im Parlament zu ermöglichen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall der Abgeordneten Rossmann und Zinggl.)

12.24


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Frau Abgeordneter Holzinger-Vogtenhuber vor­getragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

Der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber und weiterer Abgeordneter betref­fend Abstimmung des Parlaments über das Handelsabkommen CETA

eingebracht im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 1: Bericht des Verfassungs­ausschusses über das Volksbegehren "Gegen TTIP / CETA" (1608/1781 d.B.) in der 199. Sitzung des Nationalrates am 12. Oktober 2017.

Begründung

Am Rande des EU-Gipfels in Estland am 29.09.2017 erklärt der Bundeskanzler nicht nur in vollem Umfang hinter CETA also dem „Freihandelsabkommen der EU mit Kanada“ zu stehen. Er macht auch klar, dass er das österreichische Parlament über dieses Abkommen nicht abstimmen lassen will.

Laut www.parlament.gv.at (Vgl. https://www.parlament.gv.at/PAKT/AKT/SCHLTHEM/SCHLAG/181Nationalrat.shtml (20.9.2017)) sowie einem Bericht im Standard vom 30. September 2017 (Vgl. https://mobil.derstandard.at/2000065060863/Kanzler-Kern-will-Scheitern-von-Ceta-im-Nationalrat-verhindern (30.9.2017)) bekennt sich der Bundeskanzler ausdrücklich zum provisorisch in Kraft getretenen CETA Abkommen. Die heftige Kritik von vielen Seiten und auch aus seiner eigenen Partei gilt vor allem Schiedsgerichten außerhalb der nationalen Gesetzgebung. Sie können in Streitfällen unabhängig von allen Gesetzen entscheiden, die vom Parlament beschlossenen wurden.

Der Bundeskanzler wolle auf jeden Fall verhindern, dass das Abkommen, weil es für Österreichs Exportwirtschaft wichtig sei, im Nationalrat abgelehnt werde, erklärte er am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Tallinn. "Wir sind in einer Situation, dass es derzeit im Parlament keine Chance gibt, einen positiven Beschluss zu erreichen", sagte Kern auf eine Frage des „Standard“, warum die Regierung dem Nationalrat den CETA-Vertrag nicht vorlege.  "Wenn ich das mache, wird es abgelehnt. Dann ist Ceta tot, das ganze Projekt gescheitert" (https://mobil.derstandard.at/2000065060863/Kanzler-Kern-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 74

will-Scheitern-von-Ceta-im-Nationalrat-verhindern (30.9.2017)), argumentiert der Kanz­ler. Und, dass er als Regierungschef das Recht habe, so zu handeln und den Vertrag den Abgeordneten nicht weiterzuleiten.

Diese Meinung beinhaltet offenbar die Haltung, dass ein Parlament, in dem demo­kratisch gewählte Abgeordnete abstimmen, besser erst befragt werden sollte, wenn das Ergebnis dem Bundeskanzler genehm ist.

Trotz des klaren NEIN zu CETA von über einer halben Million Österreicherinnen und Österreichern  bei einem Volksbegehren hat der Bundeskanzler einer vorläufigen An­wen­dung des Handelsabkommens CETA in Brüssel zugestimmt. Soll er auch noch verhindern, dass das Parlament zum Thema abstimmen darf?

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich das Handels­abkommen der EU mit Kanada (CETA) zur Ratifikation vorzulegen und somit eine demokratische Entscheidung über das Abkommen im Parlament zu ermöglichen.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Doppler zu Wort. – Bitte.

 


12.24.52

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! TOP 1 der Tagesordnung befasst sich mit dem Bericht des Verfassungsausschusses über dieses sehr wichtige und sensible Volksbegehren. 562 379 Menschen haben dieses Volksbegehren gegen TTIP, CETA – dieses, haben wir gehört, ist teilweise schon in Kraft – und TiSA unter­schrieben, das sind exakt 8,87 Prozent der stimmberechtigten Menschen in Österreich. Noch wichtiger wäre eine verbindliche Volksabstimmung in einem solch sensiblen Bereich.

Eines, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann man nicht kleinreden und weg­diskutieren: Es soll hier den großen Konzernen und Lobbyisten Tür und Tor geöffnet werden, das steht außer Frage. Wenn es keine Bedenken gäbe, Herr Kollege Schellhorn, warum hat dann die Europäische Kommission die Verhandlungen sowohl von TTIP als auch von CETA hinter verschlossenen Türen abgeführt?

Mit dieser Vorgangsweise werden die Rechte der Nationalstaaten total ausgehebelt und außer Kraft gesetzt. Meine Vorrednerin hat es richtigerweise angesprochen: Mit dieser Vorgangsweise wird die Demokratie massiv beschnitten. Regulierungsrat, Still­standsklausel und auch Sperrklausel sind Gefahren, gar nicht zu reden vom Streitbeilegungsverfahren, durch das die ausländischen Investoren die Möglichkeit haben, Staaten bei internationalen Schiedsgerichten zu klagen.

Und das Beste überhaupt ist: Wenn es sich hier um ein lebendes Abkommen handelt, kann zum Beispiel beim Ankauf von Stadtwerken oder dergleichen alles ohne demo­kratische Kontrolle im Nachhinein ausverhandelt werden. Diese Vorgangsweise tragen wir von der Freien Liste Österreich nicht mit. Wir brauchen hier eine verbindliche Volks­abstimmung. – Danke schön. (Beifall der Abgeordneten Schenk und Gerhard Schmid.)

12.27



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 75

Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.

 


12.27.19

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Hohes Haus! Die 562 000 Unterzeichner dieses Volksbegehrens haben es sich nicht leicht gemacht, denn sie mussten sich zuerst die Informationen beschaffen, die man ihnen ja auch ganz bewusst vorenthalten hat, sie haben zwischen den Zeilen zu lesen ver­standen und sie haben erkannt, dass es sich dabei nicht um ein bloßes Handels­abkommen handelt, sondern – wie jene, die es ausgehandelt haben, dann auch gesagt haben – es ist mehr als das. In Wirklichkeit – das haben Vorredner bereits dargestellt, ich muss nicht noch einmal darauf eingehen – stellt dieses Abkommen den Primat der Politik auf den Kopf.

So wichtig es ist, wirtschaftliche Zusammenhänge in seine politischen Entscheidungen einfließen zu lassen, so klar ist aber auch, dass der Mensch nicht nur ein homo oeconomicus ist, sondern vielmehr ein politisches Wesen – und er soll es sein, ein Zoon politikon. Die Initiatoren und die Unterzeichner hätten sich allerdings eine etwas wertschätzendere Behandlung verdient als eine bloße Debatte in Ausschüssen und hier im Parlament – und dann ist es wieder weg vom Tisch. (Beifall der Abgeordneten Hagen, Franz und Doppler.)

Ganz klar ist, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen und von der FPÖ, eine Volksbefragung ist: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! (Abg. Kogler: Nein, sie ist einfach ...!) Sie ist nicht verbindlich, und sie ist ganz klar Ihrem Bemühen geschuldet, zukünftige Koalitionspartner nicht zu vergrätzen und vor den Kopf zu stoßen. (Abg. Kickl: Jessas! – Abg. Walter Rosenkranz: Aber wir sind ja gegen Schnellschüsse!) Das ist ja wohl ganz offensichtlich.

Wäre man in der Schweiz, dann würde es so ausschauen – deswegen sind wir ja auch für die direkte Demokratie nach Schweizer Muster –: 100 000 Stimmberechtigte könn­ten dieses Ansinnen, darüber abzustimmen, auf die Tagesordnung heben. (Abg. Kogler: Aber in der Schweiz kann ...!) Es würde ein öffentlich finanziertes Abstim­mungs­büchlein geben – von wegen Demagogie –, pro und kontra. Die Leute könnten sich ein Bild machen, es würde darüber entschieden, und die Entscheidung wäre ver­bindlich.

Das haben wir jetzt noch nicht, dafür müssen wir uns einsetzen. Was wir jetzt haben, ist die Möglichkeit des Parlaments, eine Volksabstimmung zu beantragen, und des­wegen stelle ich folgenden Antrag (Zwischenruf des Abg. Brosz):

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Dr. Marcus Franz, Rupert Doppler, Christoph Hagen, Martina Schenk und Gerhard Schmid betreffend verbindliche Volksabstimmung über das Freihandelsabkommen CETA

562 000 Österreicherinnen und Österreicher haben das Volksbegehren gegen die Freihandelsabkommen CETA, TTIP und TiSA unterzeichnet. Dennoch will die Bundesregierung dem Parlament das CETA-Abkommen nicht zur Ratifikation vorlegen. Der Nationalrat ist somit gar nicht in der Lage, im Interesse der Österreicher gegen das fragwürdige Freihandelsabkommen zu stimmen. Dem beeindruckenden Bürgervotum muss aber zwingend Rechnung getragen werden.

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 76

Entschließungsantrag

Die Bundesregierung wird aufgefordert alles Notwendige zu veranlassen um eine ver­bindliche Volksabstimmung über das Freihandelsabkommen CETA abzuhalten.

*****

(Beifall der Abgeordneten Schenk, Gerhard Schmid und Doppler. – Abg. Brosz: ... zuerst die Bedingungen ...!)

12.30


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Frau Abgeordneter Rosenkranz soeben vorgetra­gene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhand­lung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

Meine Damen und Herren, falls Sie sich vielleicht über die lange Einläutezeit zur Abstimmung wundern: Es sind immer wieder Redner nachgemeldet worden – das war natürlich nicht absehbar. (Abg. Strache: Wie viele noch?) – Derzeit habe ich inklusive Leopold Steinbichler noch vier Redner auf der Rednerliste. (Abg. Strache: Bravo, Leo! Schön im weißen Hemd!)

Herr Abgeordneter Steinbichler, Sie sind am Wort.

 


12.30.43

Abgeordneter Leopold Steinbichler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! (Der Redner stellt ein Foto auf das Rednerpult, das eine Kundgebung zeigt, bei der auf einem Transparent „Lan­deshauptleute: Stoppt CETA + TTIP!“ zu lesen ist.) Ich habe eine schon ein bisschen ein ältere Tafel mitgenommen, weil ich von Anfang an beim Netzwerk, das sich gegen CETA und TTIP richtet, mit Gernot Almesberger mitgearbeitet habe. Da hat es sogar einmal einen Beschluss der Landeshauptleutekonferenz gegeben – nur damit wir wissen, wer alles schon seine Meinung ändern durfte; ich sage nicht „müssen“, ich sage „dürfen“.

Ich mache weiter mit (ein Bild vor sich auf das Rednerpult stellend, auf dem ein Bauernhof und davor ein Schild mit der Aufschrift „wegen US-Konkurrenz geschlossen“ zu sehen ist) diesem Plakat, weil es ja vergleichbar mit heute Vormittag und der Umweltdiskussion, mit der Ausrottung des ländlichen Raumes ist, mit der Zerstörung des ländlichen Raumes. Kolleginnen und Kollegen, irgendwann werden uns diese Bilder übrig bleiben. Jeder wird erwähnen, er ist noch auf einem Bauernhof groß geworden, da hat es früher noch Tiere gegeben, dann hat es nur mehr Vorschriften gegeben.

Soll mir einer erklären, warum wir in Österreich, wenn wir angeblich 150 Prozent Rind­fleischproduktion haben, argentinisches und brasilianisches Rindfleisch aus brutalster Massentierhaltung brauchen! Wolfgang Pirklhuber hat damals diese Friedhofsbilder gezeigt, auf denen Zehntausende mit Hormonen und Gentechnikcocktails gefütterte Rinder zu sehen waren, die dann bei uns in herrlicher gepflegter Kulturlandschaft als heimisches Essen präsentiert werden.

Das ist nicht Freihandel, das ist Betrug, und darum geht es, Herr Kollege Singer! Ihr wollt immer alles skandalisieren. Nein, ein ordentlicher, fairer, gerechter Freihandel, denke ich, ist schon in Ordnung, aber kein spekulativer. Wir müssen wissen – ich habe das schon bei der Umweltdiskussion gesagt –, welch gewaltige Umweltbelastung wir


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 77

durch sinnlose Transporte haben, weil etwas 50mal rund um die Welt transportiert wird, bis es dort landet, wo jemand, der das kleinste Geschäft macht, damit arbeitet.

Ein Kilogramm Weizen wird 55-mal an den Waren- und Optionsterminbörsen getradet, Kolleginnen und Kollegen, das ist die Realität! Und es stimmt, wenn hier gesagt wird, wir öffnen den Konzernen, den Spekulanten Tür und Tor. Ich darf ein Beispiel bringen: Apfelsaft.

Minister Rupprechter hat es geschafft – ich wollte diese Anfrage mit ihm besprechen –: Heute findet man schon wieder eine oberösterreichische Firma im Wirtschaftsteil der „Kronen Zeitung“, nach Indien gibt diese jetzt in China Gas. Da wird er das nächste Mal eine Million spenden; da bleibt immer mehr vom Ertrag her. Lesen wir bitte den Konzernbericht, lesen wir den Konzernatlas, welche Löhne dort, in diesen Ländern, wo wir produzieren lassen oder woher wir Waren beziehen, gezahlt werden! Es werden Schundlöhne gezahlt, und dann diskutieren wir hier über Flüchtlingsströme. Die Leute dort können davon nicht leben, die müssen flüchten!

Genau das ist der Grund, warum wir diese Abkommen wesentlich mehr hinterfragen müssen, beziehungsweise müssen wir hinterfragen, wer sie braucht! – Wir haben in Österreich hervorragende Firmen, hervorragende Produkte, die bisher auch ohne Abkommen den Weltmarkt erobert haben.

Kollege Schmuckenschlager, das ist überhaupt nicht Populismus! Oder wie Kollege Singer gesagt hat: Made in Austria ist gefährdet. – Made in Austria sagt überhaupt nichts aus, genauso wie hergestellt in Österreich überhaupt nichts aussagt. Was den Apfelsaft anlangt: Der Großteil des Apfelsaftkonzentrats wird aus Indien und aus anderen asiatischen Ländern importiert, wesentlich mehr als wir exportieren – und dann ist irgendwann einmal das rot-weiß-rote österreichische Fähnchen drauf. Darüber müssen wir diskutieren: Ab wann darf man etwas als österreichisches Produkt dekla­rieren? Genügt es, wenn es irgendwann einmal in Österreich berührt wurde? Ist es dann schon österreichische Qualität? – So gefährden wir diesen Standort Österreich! Genau durch diese Maßnahmen gefährden wir diese echte rot-weiß-rote Marke, diesen Standort Österreich nachhaltig! (Beifall der Abgeordneten Doppler und Franz.)

Warum, Kolleginnen und Kollegen, wurde in diesem Haus seit 2009 das Qualitäts­güte­siegelgesetz vertagt? Das wichtigste Gesetz im Lebensmittelbereich wird seit 2009 vertagt! Wer kann sich vorstellen, wenn zu Hause eine Wasserleitung defekt ist, diese seit 2009 laufen zu lassen? Wer kann sich vorstellen, ein Problem seit 2009 zu vertagen? – Aber hier in diesem Haus geht das!

Das sind die wichtigsten Maßnahmen. Deshalb sind – klipp und klar – die Ängste und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernster zu nehmen, und ich bedanke mich in diesem Zusammenhang bei den Initiatoren des Volksbegehrens. 560 000 Personen haben unterschrieben, das ist mehr als eine Million Personen, die sich damit solida­risch erklären. Herzliche Gratulation! Ich darf mich bei allen Bürgerinitiativen bedanken, beispielsweise bei Franz Köck und seiner Aktion 21 Austria, die bei uns mitmacht. Das ist genau das, was wir wollen: dass die Bürgerinnen und Bürger und deren Meinungen hier in diesem Haus zur Sprache kommen; es geht um die Meinung der Bürgerinnen und Bürger und nicht um die Meinung der Lobbyisten.

Ich darf deshalb einen unserer Grundsätze, einen Grundsatz der Weißen, vorlesen, nämlich Grundsatz 1:

„Die Macht geht vom Volk aus. Das Volk entscheidet. Eine ehrliche Demokratie, keine Scheindemokratie. Echte und wahrhaftige Vertretung des Staatsvolkes.“


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 78

In diesem Sinne bitte ich um eine vernünftige Entscheidung am 15. Oktober. (Abg. Schieder: Habt ihr schon alle heimgeschickt?)

12.35


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


12.35.55

Abgeordneter Christoph Hagen (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Demokratie heißt, dass das Volk immer recht hat, meine Damen und Herren, und wenn man ein bisschen über die Grenze schaut, in die Schweiz hinüber, dann sieht man, dass das gut funktioniert, wenn man sagt, dass das Volk recht hat. Und wenn das Volk recht hat, dann haben sich die Politiker danach zu richten. (Beifall des Abg. Franz.)

Wer das Schweizer System kennt, der weiß, dass, wenn die Regierung nichts zustan­de bringt, das Volk befragt wird und das Volk entscheidet. Und wenn wir das Ganze wieder einmal Revue passieren lassen, warum wir als Abgeordnete hier im Parlament sitzen, dann wissen wir, dass wir vom Volk für das Volk entsandt worden sind und als Vertreter der Bürger hier sitzen.

Jetzt kann man sagen: Ja, okay, wir entscheiden jetzt einfach über das Volk hinweg!, aber es gibt grundlegende Entscheidungen, die meiner Ansicht nach das Volk selbst treffen sollte, und hier, bei CETA/TTIP, haben wir solch einen Punkt. Schauen wir hin: 562 379 Unterschriften wurden geleistet – also 562 378 ohne meine. Da ich mich nicht bei mir selbst bedanken kann, bedanke ich mich bei diesen 562 378, die mit mir dieses Volksbegehren unterschrieben haben. Das ist eine deutliche Sprache, meine Damen und Herren, und ein deutliches Zeichen, und das sollten wir ernst nehmen!

Ich habe im Verfassungsausschuss diverse Experten gehört, die ganz klar gesagt haben, wo die Knackpunkte liegen, wo es Probleme geben kann und Probleme geben wird und dass diese Entscheidungen nicht für das Volk getroffen werden. Deswegen sollte man diesen Vertrag auch auf den Tisch legen. Wir kennen das Prozedere, das rund um diesen Vertrag gewählt wurde, genau: Er wurde aufgelegt, man durfte dort nicht fotografieren und sonst auch gar nichts machen; er war nicht einmal ordentlich übersetzt. Man musste sich als Abgeordneter in einer Zeitspanne einlesen, in der man das nicht schaffen konnte – das muss man ehrlicherweise auch sagen.

Man regiert da am Volk vorbei, deshalb ist meiner Ansicht nach auch bei einer so großen Entscheidung, wie es CETA ist, ganz, ganz klar in erster Linie das Volk zu befragen – aber nicht nur zu befragen, sondern es muss eine verbindliche Volks­abstimmung geben. Aus diesem Grund habe ich auch meine Unterschrift unter den Antrag der Kollegin Rosenkranz gesetzt: um diesbezüglich das Volk wirklich verbindlich entscheiden zu lassen.

Solche verbindlichen Volksentscheide sind sehr gut, meine Damen und Herren. Ich habe in meiner Heimatgemeinde mehrfach Volksabstimmungen initiiert, habe diese dann auch gewonnen, weil ich die Leute aufgeklärt habe, und es war immer wieder gut für das Volk. Wenn ich heute durch die Gemeinde gehe, dann sagen mir die Leute ganz klar, dass das eine gute Entscheidung war – sie haben auch diese Entscheidung getroffen! Deswegen sollten wir das Volk mehr entscheiden lassen, meine Damen und Herren – ich denke, das wäre sehr, sehr wichtig –, und wir sollten nicht über das Volk hinweg regieren.

Ich habe vorhin schon einmal das Schweizer System angeschnitten. Gerade als Vorarlberger an der Schweizer Grenze bekomme ich da relativ viel mit, und ich denke, dass dort das Volk sehr wohl sehr weise entscheidet. Das ist der Grund, warum wir betreffend die Angelegenheit CETA/TTIP wirklich das Volk befragen sollten. Wir kön-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 79

nen, glaube ich, mit gutem Gewissen davon ausgehen, dass das Volk eine gute Ent­scheidung treffen wird – und diese Entscheidung muss dann auch verbindlich sein. Das ist für mich ein sehr, sehr wichtiger Punkt. (Beifall der Abgeordneten Franz und Barbara Rosenkranz.)

Ich frage mich, wenn man hier im Parlament so diskutiert, ob wir österreichischen Staatsbürger und österreichischen Steuerzahler um so viel weniger mündig als Schweizer Staatsbürger sind, wenn wir den Österreichern diese Entscheidung vorent­halten wollen. Das muss man sich auch einmal fragen!

Ich bin der Meinung, dass die Österreicherinnen und Österreicher sehr weise und gut und im Sinne ihrer Steuergelder und ihrer Geldtasche entscheiden werden. Sie werden eine gute Entscheidung treffen.

Wie gesagt, viele Experten wurden im Verfassungsausschuss schon dazu befragt. Diese haben eine deutliche Aussage in Richtung Volksentscheid, in die Richtung, dass mit diesem CETA- beziehungsweise TTIP-Vertrag etwas nicht ganz in Ordnung ist, gemacht. Deswegen möchte ich Sie, meine Damen und Herren, in der letzten Natio­nalratssitzung dieser Gesetzgebungsperiode dazu auffordern, jetzt dem Volk diese Entscheidungsfreiheit zu geben, damit es diese nicht nur am Wahlsonntag hat, an dem es sein Kreuzerl bei den Richtigen machen sollte. Fragen wir das Volk, denn das Volk hat immer recht, meine Damen und Herren! (Beifall der Abgeordneten Dietrich und Doppler.)

12.40


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


12.41.06

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Bei diesem Volksbegehren beziehungsweise überhaupt bei dem Themenkomplex CETA/TTIP beschleicht einen ein komisches Gefühl – das offensichtlich 560 000 Österreicher teilen –: da stimmt etwas nicht. Man gewinnt den Eindruck, da wird gemauschelt, da wird hintenherum etwas über das Volk hinweg entschieden, das so nicht sein soll.

Ich als bürgerlicher, liberaler Mensch (Zwischenrufe bei den Grünen sowie des Abg. Schieder) bin absolut für Freihandel, für gute, schöne und ordentliche Handelszonen, aber ich bin nicht dafür, dass man das in Vertragskonvoluten abhandelt und festlegt, die nur ganz wenige eingeweihte Menschen verstehen und in denen kleingedruckte Teile enthalten sind, die fast niemand außer transatlantischen Anwälten versteht.

Daher sollte man diese ganze Geschichte neu aufrollen und sich noch einmal genau überlegen, was da überhaupt verhandelt wird, worum es da geht. Geht es darum, dass man europäische Länder, europäische Betriebe, europäische Bauern, österreichische Bauern, österreichische Betriebe aushebeln soll, sie der Allmacht der Konzerne aus­liefern soll? Sollen da Ungleichgewichte erzeugt werden, sodass der Handel nicht mehr so funktionieren kann, wie es eigentlich vorgesehen ist, nämlich dass zwei gleich­berechtigte Partner sich über einen Wert namens Geld austauschen?

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass die Regierung und diejenigen, die sich damit auskennen – das sind leider Gottes bisher nur wenige –, die Bevölkerung Österreichs noch einmal eingehend informieren. Ich glaube nämlich auch, dass es so nicht gehen kann und dass wir über dieses Thema eine Volksabstimmung brauchen.

Vor allem den Themenkreis der Ernährung, der Wasserversorgung, wie er in CETA, TTIP et cetera festgeschrieben ist, halte ich als Arzt, Vater und österreichischer Bürger für hoch problematisch, weil nämlich meiner bescheidenen Meinung nach damit durch­aus die Möglichkeit besteht, dass wir eines Tages mit Klonfleisch versorgt werden, und


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 80

das will, glaube ich, niemand hier herinnen. Auch andere Gefahren hinsichtlich Was­ser­versorgung und so weiter sehe ich auf uns zukommen.

Die einzige Möglichkeit, da eine ordentliche, vertrauenswürdige Regelung zustande zu bringen – ohne eine Regulierung einführen zu wollen –, besteht für mich darin, dass man diese Fragen – nach vorheriger eingehender Information der Bevölkerung – einer Volksabstimmung zuführt. – Ich danke schön. (Beifall der Abgeordneten Doppler und Hagen.)

12.43


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Bundesminister Dr. Mahrer hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


12.43.39

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Gäste im Hohen Haus! Es ist jetzt mehrfach angeklungen, dass die Bundesregierung das Abkommen dem Parlament zur Ratifikation nicht vorlegen möchte. – Mitnichten!

Ich möchte auch erklären, warum das so ist – ich habe das bereits im Ausschuss getan –, warum es da einen Prozess gibt, dem man strukturiert folgen muss. Mit dem Ministerratsbeschluss vom 18. Oktober des Jahres 2016 ist neben den Bedingungen, unter denen damals der Vertrag unterschrieben werden durfte, auch festgehalten worden, dass wir für die endgültige Ratifikation abzuwarten haben, was denn auf Basis des damals auch schon vorliegenden Gemeinsamen Auslegungsinstruments noch zu klären ist, bevor man das überhaupt ratifizieren kann. Es wäre eigenartig, es zu ratifi­zieren, wenn noch gar nicht endgültig vorliegen würde, was man denn ratifizieren soll oder wie die detaillierten Bestimmungen aussehen. Das ist ja, im Sinne der Trans­parenz, auch immer wieder von den Initiatoren und Unterstützern des Volksbegehrens eingefordert worden. Das heißt: Wie kann man etwas endgültig ratifizieren, von dem man noch gar nicht weiß, wie es im Detail aussieht?

Ein zentraler Punkt war: Wie sieht das denn im Detail mit diesem neuen Inves­titions­gericht aus? – Das haben uns die Expertinnen und Experten im Ausschuss detailliert berichtet, aber natürlich auch die Spezialistinnen und Spezialisten unseres Hauses, die für diese detaillierte Ausgestaltung in ständiger Abstimmung mit dem handelspo­liti­schen Ausschuss, aber vor allem mit den Vertreterinnen und Vertretern der Kom­mission, mit der dortigen Generaldirektion sind, denn das ist ja jetzt mit den Kanadiern in Verhandlung.

Worüber sprechen wir dort im Detail? – Ich darf aus dem Gemeinsamen Auslegungs­instrument den Punkt 6 f) noch einmal zitieren: „Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten und Kanada haben vereinbart, unverzüglich die weiteren Arbeiten an einem Verhaltenskodex, der die Unparteilichkeit der Mitglieder der Gerichte zusätzlich sicherstellen soll, an der Art und Höhe ihrer Vergütung und an dem Verfahren für ihre Auswahl aufzunehmen.“

Das heißt, es geht genau um diesen zusätzlichen Level an Transparenz, der einge-fordert wurde: Wie arbeiten denn dieses Gericht und die Berufungsinstanz? Wie sollen die Verfahren dort ablaufen? Wie werden die Richter entlohnt? – Es ist heute schon mehrfach angesprochen worden, auch von Herrn Abgeordnetem Stefan, der gefragt hat: Wie funktioniert denn das überhaupt im Detail? Werden die ein kleines Salär bekommen und dann nach Fällen bezahlt, oder sichert man über eine andere Variante deren tatsächliche Unbeeinflussbarkeit, sodass es auch gar keine Möglichkeit gibt, irgendwie in eine Form von ökonomischer Abhängigkeit zu kommen? Wie schaut vor


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 81

allem der Ethikkodex, der moralische Verhaltenskodex, der immer wieder von vielen Organisationen eingefordert wurde, aus?

Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, wird man es sich in den Mitgliedstaaten ansehen können, dass es dafür ein Okay, eine Vorlage gibt. Dann wird man das natür­lich auch in einen Text gießen müssen, und das kann dann die gemeinsame Grund-lage sein – wie gesagt, wir müssen uns ja mit den Kanadiern darauf einigen –, das dann erst letztgültig zu beurteilen.

Heute ist einmal von einem Trojanischen Pferd gesprochen worden. In diesem Fall muss man von einem Potemkinschen Dorf sprechen, denn man weiß nicht, was sich hinter den Überschriften verbirgt. Niemand will die Überschriften kennen, sondern wir wollen im Detail wissen, wie das Bestellungsverfahren aussieht, wir wollen im Detail wissen, wie das Entlohnungskonzept aussieht, wir wollen im Detail wissen, wie der Ethikkodex aussieht, woran man das dann auch festmachen kann.

Was wir heute wissen, ist, dass es 15 Richter sein werden, die eben nicht wie früher von Streitparteien bestimmt werden, sondern von den Vertragsparteien – fünf aus Kanada, fünf aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union und fünf aus anderen Ländern –, und dass in der Berufungsinstanz sechs Richter sitzen werden. Ansonsten, wie gesagt, ist es richtigerweise nicht detailliert. Da sind eben viele Fragen offen, und diese Fragen sind detailliert zu klären.

Es gibt noch einen weiteren Punkt, den wir im Ausschuss besprochen haben, der jetzt mehrfach angesprochen worden ist und zu dem sich alle InitiatorInnen und Unter­zeichnerInnen des Volksbegehrens ein klares Wort verdienen – Abgeordnete Brunner hat dieses Thema auch immer wieder angezogen –: Wie verhält es sich denn mit dem Klimavertrag von Paris? – Da muss man sagen, es ist unklar. (Zwischenruf der Abg. Brunner.) Es ist unklar, da im Gemeinsamen Auslegungsinstrument zwar darauf Bezug genommen wird, aber auch da gibt es eine gewisse Logik, die man meiner Meinung nach sachlich erklären muss, denn der eigentliche Vertragstext beziehungs­weise die Verhandlungen sind natürlich abgeschlossen worden, bevor der Vertrag in Paris im Dezember 2015 unterzeichnet wurde.

Jetzt kann man natürlich den Verhandlern und damit allen Mitgliedstaaten und der Kommission vorwerfen: Na ja, ihr hättet bei der Definition des Gemeinsamen Auslegungsinstruments noch Zeit gehabt, detaillierter auf diese Frage einzugehen. Richtig ist: Es gibt einen Bezug; aus einer ökosozialen Verantwortung heraus müsste man sagen, er hätte vielleicht umfangreicher ausfallen können. (Abg. Pirklhuber: Lippenbekenntnisse! Herr Minister, das sind Lippenbekenntnisse ohne Substanz!)

Zum jetzigen Zeitpunkt steht unter Punkt 9 c) des Gemeinsamen Auslegungs­instru-ments: „Das CETA enthält Verpflichtungen in Bezug auf die nachhaltige Bewirt-schaf­tung der Wälder und ein nachhaltiges Fischerei- und Aquakulturmanagement.“ – Das fällt im Vertragstext umfangreicher aus. – „Es umfasst ferner Verpflichtungen zur Zusammenarbeit bei handelsbezogenen Umweltfragen von gemeinsamem Interesse wie Klimawandel, wo die Umsetzung des Übereinkommens von Paris eine wichtige gemeinsame Verantwortung für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten und Kanada darstellen wird.“

Herr Abgeordneter, ja, es ist richtig, dass man in dieser Frage detailliertere Debatten wird führen müssen, wenngleich man festhalten muss, dass es bislang ungewöhnlich war – bislang; das ist ja nichts Verbrecherisches, wenn es ungewöhnlich war, man kann so einen Zustand ja verändern –, dass es noch nie einen klaren Bezug und eine klare Vernetzung zwischen klimapolitischen multilateralen Abkommen mit bestimmten Selbstverpflichtungen und internationalen Handelsabkommen gab.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 82

Ich glaube aber, der Vertrag von Paris, die Übereinkunft von COP 21 in Paris, legt nahe, dass man sich dem mehr im Detail widmet. Wir sollten das auch in Österreich tun! Es gab in Frankreich eine Evaluierungskommission zu den Auswirkungen von CETA für Umwelt, Klima und Gesundheit – das ist sicher eine Debatte, die das Hohe Haus in der nächsten Legislaturperiode mit Expertinnen und Experten und mit den zuständigen Ministerien zu führen hat –, und diese hat eine Reihe von Empfeh­lungsvorschlägen abgegeben.

Zwei Empfehlungsvorschläge sind nicht ganz unumstritten, auch in Frankreich nicht, aber trotzdem interessant: Zum Beispiel wird gesagt, dass statt den Investitions­gerichten die Vertragsparteien selbst entscheiden sollten, ob überhaupt Anfechtungen von Klimaschutzmaßnahmen möglich wären. Dabei muss man sagen, dass das schon sehr spezialisiert wird. Da geht es dann wiederum um die Frage des Schutzes einer Investition und einer quasi frustrierten Gewinnerwartung. Würde irgendjemand einen Standard verändern, dann geht das ja nicht – das wissen wir –, wir wissen aber nicht ganz genau, wie das mit den Selbstverpflichtungen im Bereich des Klimaschutzes wäre.

Ich würde meinen: Ja, das ist eine Debatte wert. Ich habe es auch quasi im Nachgang des Ausschusses angesprochen. Ich glaube, dafür braucht es ein geeignetes Forum. Es ist in den Umweltkapiteln vorgesehen, dass die Zivilgesellschaft einzubinden ist, aber man könnte auch da, wenn man darüber reflektiert, quasi vor dem Hintergrund des Abkommens von Paris, natürlich sagen: Das ist vielleicht zu wenig, wenn man sich die klimapolitischen Veränderungen in Summe global ansieht und wenn man sich ansieht, welche Bedeutung das für uns alle haben kann.

Gerade als kleines Land, das sich zu einer ökosozialen Marktwirtschaft verpflichtet fühlt, könnten wir da in der nächsten Legislaturperiode, vielleicht auch in Zusam­menarbeit des Hohen Hauses – Nationalrat und Bundesrat – mit einer wie auch immer gestalteten Bundesregierung, Akzente setzen. (Abg. Brunner: ... schon in dieser Periode probiert!)

Ich möchte noch einmal festhalten: Es wäre ein bislang eigenartiges Element, da es so eine zusätzliche Bestimmung über klimapolitische Selbstverpflichtungen oder gemein­same klimapolitische Abkommen, auf die man in handelspolitischen Verträgen Bezug nimmt, noch nicht gegeben hat; aber nur weil es ungewöhnlich ist, heißt das ja noch lange nicht, dass man es in dieser Form nicht machen sollte. (Abg. Pirklhuber: Nicht ratifizieren! Nicht ratifizieren in diesem Parlament! Das ist die logische Folge!)

Nein, Herr Abgeordneter, die Frage ist: Gibt es dafür ein geeignetes Instrumen­ta­rium? – Das muss man natürlich unabhängig von der Ratifikation sehen. (Abg. Steinhauser: Sie reden viel und sagen nichts!) Ist es technisch überhaupt sinnvoll und möglich, das zu machen? – Darüber gibt es auf europäischer Ebene, inklusive allen Mitgliedsländern, noch nicht einmal detaillierte Vorstellungen. (Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Herr Abgeordneter, auch die französische Evaluierungskommission sagt, dass es etwas in Ergänzung zu einem ratifizierten Vertrag ist, weil es um ein neues, ergän­zendes Instrument geht. Es ist ein ergänzendes Instrument, das mit dem bestehenden Vertrag in Zusammenhang stehen muss.

Vor diesem Hintergrund: Ja, es ist ein neuartiges Instrument, und es wäre sinnvoll, darüber nachzudenken – in diesem Sinne sicher eine Aufgabe für das Hohe Haus und die nächste Bundesregierung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.53


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 83

12.53.31

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Hohen Haus! Wir alle sind in dieses Haus gewählt worden, weil wir den Auftrag bekommen haben, gemeinsam Regeln zu erarbeiten, die für die Österreiche­rinnen und Österreicher gelten sollen. Deswegen heißen wir auch Mandatare, denn das Wort Mandatar bedeutet Beauftragter. (Abg. Kickl: Sie sind heute Sonderbe­auftragter!)

Mit diesem Auftrag haben wir in den letzten Jahren versucht, gemeinsam Lösungen zustande zu bringen. Auf manches können wir stolz sein, manches ist schwierig gelaufen, und manches war einfach nicht in Ordnung.

Meine Damen und Herren, wir machen nicht nur hier Regeln, wir machen auch in der EU gemeinsam Regeln. Wir beauftragen unsere Vertreter auf europäischer Ebene, die Kommission, aber auch unsere eigenen Leute, den Bundeskanzler und die Minister, im Rat für uns einzutreten.

Das haben wir auch in der Frage zu CETA immer wieder getan. Alles, was auf euro­päischer Ebene entwickelt wurde, wurde von österreichischer Seite von unserer Regie­rung im Auftrag dieses Hauses getan. Da brauchen wir uns gar nichts vorzumachen, wir sind für alles mitverantwortlich!

Wir brauchen jetzt nicht hinauszugehen und zu sagen: Und jetzt, nachdem das Ganze fertig ist, machen wir eine Volksabstimmung. – Nein, jetzt machen wir eine Wahl, bei der wir fragen, ob wir alle wieder einen Auftrag für die nächste Gesetzgebungsperiode bekommen. Es geht nur darum, dass wir vor unsere Wähler treten und sagen: Haben wir es gut gemacht? Wollen Sie, dass wir in Zukunft wieder für Sie arbeiten?

Da gibt es welche, die aufgetreten sind und gesagt haben: Ich verspreche euch, ich bin gegen alles! Ich bin ganz sicher gegen alles! – Nur, die Uhr konntet ihr nicht aufhalten, die Welt hat sich weitergedreht, das Leben hat sich entwickelt.

Andere wieder haben gesagt: Ich bin für etwas! Ich bin dafür, dass sich Österreich gut weiterentwickelt, dass unsere Wirtschaft wachsen kann und wir daraus mehr sozialen Wohlstand finanzieren können, dass wir die Jugend gut weiterentwickeln können und dass wir Möglichkeiten bieten, dass in unserem Land der soziale Friede erhalten bleibt.

Für diese Kollegen, die für etwas sind, war es wichtig, dass dieser Handelsvertrag mit Kanada fertig wird. (Abg. Steinhauser: Schön, dass die Bürgerinnen und Bürger sehen, wofür ihr steht!) Mit Kanada, einem Land, in dem so viele Menschen ähnliche Interessen haben wie wir, einen Handelsvertrag abzuschließen, kann eine große ge­meinsame europäische Leistung sein – dies aus dem einfachen Grund, weil wir gemeinsam in Europa so stark sein können, dass wir mit Europa die Welt gestalten. Wer soll das denn tun? (Abg. Steinhauser: Ein Bauernbündler am besten!) – Ich bitte Sie: Wer soll das tun? Soll es der Herr Trump tun? Soll es der Herr Putin tun? Soll es vielleicht irgendjemand aus Ägypten tun oder vielleicht irgendwelche Muslims, die uns terrorisieren wollen? – Nein, ganz sicher nicht! Es muss Europa sein! Europa, das in einer großen gemeinsamen Für-Bewegung für eine gute Zukunft in dieser Welt gestaltend eingreift. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir mit Kanada jetzt einen gemeinsamen Vertrag haben, in dem wir nicht nur ausverhandeln, ob es Zölle gibt oder nicht, sondern in dem wir auch ausverhandeln, wie wir gemeinsam die Dinge in einer Welt weiterentwickeln, in der jeden Tag neue Regeln erfunden werden, so soll das trotzdem keine Haxlstellerei werden, sondern gemeinsame neue Regeln, die anwendbar sind, und dann ist das ein Vertrag, der für


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 84

viele andere Verträge Vorbild sein kann, in denen es das noch nicht gibt. (Abg. Kogler: 1 500 Seiten, Sie fliegen schon auf der fünften aus der Kurve!)

Das allein ist ein Grund dafür, dass ich stolz auf unsere österreichischen Verhandler bin, die diese Dinge in dieser Zeit weitergebracht haben (Abg. Stefan: Kern?!) und oft daheim dafür geschimpft worden sind – auch der Herr Faymann, ich gebe es zu –, die dafür eingetreten sind und jetzt ein Ergebnis auf den Tisch legen können. Das sollte man loben, darauf sollte man stolz sein und man sollte sagen: eine gute Aktion für Europa. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage das deshalb, weil ich weiß, dass in diesem Vertrag gerade für die Landwirt­schaft, gerade für die mittleren Unternehmen wichtige Punkte geregelt sind. Ich wün­sche mir, dass dieses Thema rasch abgeschlossen wird, weil ein viel wichtigeres Thema auf uns zukommt: Wenn der Brexit tatsächlich so kommt, wie er derzeit in England, im UK diskutiert wird, dann wird das ein Kracher. Dann wird es nicht darum gehen, ob irgendwo ein Richter vielleicht irgendeine Gage bekommt und dort angestellt ist oder um solche Dinge, die auch wichtig sind (Abg. Steinhauser: Darum geht es ja gar nicht! Sie haben nicht verstanden, worum es geht! Sie reden irgendwas daher!), dann wird es um die Frage gehen, ob wir gemeinsam für Europa noch eine große Idee haben und verkraften, dass ein so großes Land wie Großbritannien eigene Wege geht – und das in einer Zeit, in der gleichzeitig andere Themen auch fertigverhandelt werden.

Das Mercosur-Abkommen steht zur Abstimmung an. Sehen wir Mercosur und den Brexit gemeinsam, dann tauchen tatsächlich Fragen auf, bei denen unsere Hand­lungsfähigkeit gefordert ist und bei denen wir tatsächlich unseren Auftrag, für die Men­schen einzutreten, ernst nehmen müssen. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Ich kann da nur aufrufen: Seid ein bisschen mutig! Seid ein bisschen zuversichtlich und fürchtet euch nicht vor allem! Denkt mit und habt ein bisschen Vertrauen in gute Leute! (Abg. Kogler: Sie reden völlig an der Sache vorbei!) Es gibt auch noch Leute, die sich wirklich hineinhauen, mit ihrem ganzen Leben, sich ordentlich benehmen und auch wissen, wie man in der Öffentlichkeit auftritt. Solche Leute sollte man unterstützen! – Entschuldigung, ich habe jetzt Herrn Kogler angeschaut, das war versehentlich.

Ich bin davon überzeugt, dass wir in diesem Parlament eine wichtige Aufgabe haben und diese Aufgabe ernst nehmen. Persönlich bin ich dankbar, dass ich hier 17 Jahre tätig sein durfte. Es kommen jetzt keine großen Danksagungen meinerseits. Ich be­danke mich bei den Wählern, die mir mit ihrer Vorzugsstimme den Mut gegeben haben, hier so aufzutreten, wie es unsere Leute draußen erwarten. Ich bedanke mich bei den parlamentarischen Mitarbeitern, bei meiner Petra, beim Hans, beim Hannes, bei der Kathi, beim Roland; so viele sind es schon gewesen.

Ich muss euch ehrlich sagen: Es war eine gute Zeit! Ich bin froh, dass ich hier sein konnte, aber ich bin nicht unglücklich darüber, dass ich in Zukunft auch mehr zu anderen Dingen komme. (Anhaltender und stehend dargebrachter Beifall bei der ÖVP und Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen sowie des Abgeordneten Scherak.)

13.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Besten Dank, Herr Abgeordneter, für Ihre Tätigkeit hier im Hohen Haus.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte.

 


13.00.46

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! (Abg. Strache: Abschiedsrede? – Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ. – Oh-Rufe bei Abgeordneten


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 85

der ÖVP.) – Sie sind früher dran als ich! (Rufe bei der ÖVP: Wir stehen für dich auch auf!)

Geschätzte Minister auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Kickl: Neue Ergebnisse der SOKO?!) Zuerst einmal richte ich mich an Hermann: Diese Dinge tun natürlich immer weh, wir haben ja heute hier schon zwei Abschiedsreden gehört, aber immerhin konnten Sie die Rede zu einem ganz besonders wichtigen Thema, nämlich zur Frage von CETA und TTIP mit einem der erfolgreichsten Volksbe­geh­ren, halten.

An dieser Stelle möchte ich den Dank, der bereits mehrfach ausgesprochen wurde, noch ausdehnen, nämlich auf Bürgermeister Thumpser und die Aktivisten. Es sind natürlich viele aus dem Zivilgesellschaftsbereich in Österreich, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die zu diesem Erfolg von knapp 600 000 Unterschriften beige­tragen haben.

Was bewegt die Menschen? Ich glaube – und dieser Punkt ist heute mehrfach ange­sprochen worden –, dass diese Freihandelsabkommen in zunehmendem Maße Regelungen umfassen, bei denen die Gefahr besteht, dass der demokratische Rechts­staat, mit seiner Endlegitimation des Volkswillens durch Parlamente, unterminiert wird und durch Bestimmungen unterlaufen wird, die es anderen erlauben, gegen die Interessen eines ganzen Landes und der Bevölkerung vorzugehen. Ja, dieses Risiko besteht.

Jetzt gehe ich zurück zur Ausgangslage: Die EU-Kommission wollte durchsetzen, dass es sich um ein reines Handelsabkommen handelt, mit dem Effekt, dass es schon ausschließlich nach dem Beschluss des Europaparlaments vollständig Wirksamkeit erlangt. Es war Österreich, das einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass diese Gefahr in der hektischen Zeit bis zur Unterschriftsleistung beseitigt wurde.

Wir sind kein gallisches Dorf. Es gibt in Österreich keine Einwohner, die Obelix oder Asterix heißen, wir haben vielleicht Hunde, die Idefix heißen, aber wir haben auch keinen Miraculix mit einem Zaubertrank. (Abg. Kickl: Dafür habt’s ihr einen Silber­stein!) Was wir tun können, ist, auf internationaler Ebene aufzustehen und zu verlan­gen, nur den Handelsteil zu beschließen und alles andere entsprechenden Verhand­lun­gen zu unterwerfen.

Ich kann es kurz machen, weil Bundesminister Mahrer bereits darauf hingewiesen hat: Es war Bundeskanzler Christian Kern, der die sogenannte Joint Declaration durch­gesetzt hat. Für den Fall, dass noch immer jemand wie Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber glaubt, dass das ein Beipackzettel ist: Auch da ist es klar und ich empfehle allen, die solche Sachen behaupten, einen Blick in die dahinterliegenden Regeln zu werfen. Dafür seid ihr gewählt! Ihr müsst euch damit auseinandersetzen! (Zwischenruf der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.) Es ist kein Beipackzettel! Es ist ein integraler Bestandteil dieser Vereinbarung (Abg. Hauser: Das ist ein Beipackzettel!), die eine Auslegung zwingend vorsieht, Frau Kollegin. (Zwischenruf des Abg. Kogler.) Schauen Sie einmal nach! Sie waren bei einer authentischen Interpretation in diesem Haus. (Zwischenruf des Abg. Hauser.) Das ist zwingend! Geschafft! Bravo, Daniela! Gut, haben wir diesen Teil einmal gelöst.

Damit gilt der Teil, den Bundesminister Mahrer vorher bereits ausgeführt hat. (Abg. Kogler: ... die Giftzähne!) – Ja, die müssen wir noch ziehen. Herr Kollege Kogler, ich bleibe gleich dabei. (Abg. Kogler: ... Nebenschauplätze ... Interpretation!) – Nein, denn die Frage: Sondergerichtsbarkeit ja oder nein?, ist kein Nebenschauplatz (Abg. Kogler: Ja, eh nicht!), die Frage von Lohn- und Sozialstandards ist kein Neben­schauplatz, die Frage, ob unsere Ökostandards halten, ist kein Nebenschauplatz!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 86

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend CETA

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein endgültiges Inkrafttreten von CETA zu verhindern, so lange das Abkommen Bestimmungen über Sonderklagerechte für Kon­zerne enthält.

Die Bundesregierung soll außerdem sicherstellen, dass Handelsabkommen effektive Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping sowie zur Verteidigung unserer hohen Standards enthalten und diese auch tatsächlich durchgesetzt werden können. Außer­dem sind öffentliche Dienstleistungen umfassend von Handelsabkommen auszuneh­men.“

*****

(Abg. Pirklhuber: Hier im Parlament haben wir das beschlossen! Was soll das jetzt?! ... entscheiden soll dieses Parlament!) – Lieber Kollege Pirklhuber, ich schätze dich sehr. (Abg. Pirklhuber: Ja, eh!) Dein stellvertretender Klubobmann hat gerade von Kinkerlitzchen gesprochen. (Abg. Kogler: Nein, ... Nebenschauplätze!) Ich gebe dir die Gelegenheit, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. Das umfasst aber auch, dass die Ratifizierung hier erst vorgelegt werden kann, wenn diese Ziele erfüllt sind. (Abg. Pirklhuber: ... Knebelungsantrag!) Das heißt: keine Sonderklagerechte.

Letzter Punkt: Kollege Mahrer sieht im Internationalen Gerichtshof bereits die Lösung. Ich sage Ihnen meine ehrliche Einschätzung: Wir haben ein funktionierendes Rechts­schutzsystem innerhalb der Europäischen Union, das nennt sich EuGH. Wir haben einen funktionierenden Gerichtshof innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes, der nennt sich EFTA-Gerichtshof. Es kann jedermann, nicht nur ein Konzern, sondern jeder noch so kleine Betrieb und auch jede Privatperson, in seinem Verfahren vor dem nationalen Gericht sagen: Aber diese Frage gehört ausgelegt! (Zwischenruf des Abg. Hübner.) Dann wird es im Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt. (Abg. Hübner: Wenn ein Gericht das tut!) Noch einmal: In der letzten Instanz muss vorgelegt werden. Ich darf in diesem Fall ans Herz legen – auch den Juristen unter uns –, den EGV zu lesen. Das Vorabentscheidungsverfahren muss ausgelegt werden. Der wich­tigste Vorteil unseres europäischen Verfahrens ist aber, dass die Entscheidung beim nationalen Gericht bleibt (Abg. Hauser: ... der EuGH entscheidet meistens dagegen!), denn der EuGH gibt nur eine Rechtsauslegung bekannt. Die Entscheidung bleibt beim Gericht, Herr Kollege.

Wiederum: Sie sehen, meine Damen und Herren, die Kenntnislage ist hier nicht sehr gut (Beifall bei der SPÖ), insofern können Sie sich auch nicht auf eine Volks­abstimmung berufen, wie es Kollege Hagen vorher getan hat und hier auch Anträge vorlegen, denn Sie selbst haben sich die Bestimmungen noch gar nicht angeschaut, nicht einmal die unserer eigenen Europäischen Union. (Zwischenruf des Abg. Hauser.) Ich bemerke Ihre Wissenslücken. Herr Kollege, lesen Sie es nach! Unterstützen Sie uns bei unserem Weg: keine Sonderklagerechte! Unterstützen Sie unseren Ent­schließungsantrag, und wir hätten relativ viel gewonnen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hauser.) Es wird sich dann auch Ihr Parteichef leichter tun, diesen Kurs in der Öffentlichkeit zu erklären.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 87

In diesem Sinne wünsche ich noch viel Glück für die letzten Stunden im Wahlkampf. Ich bin überzeugt davon, dass unsere sachliche Positionierung, kombiniert mit einer Abwehr jener Dinge, die die Unterstützer des Volksbegehrens nicht wollen, der beste Kurs in Sachen CETA ist. Ich glaube, wir haben viel erreicht, und wir werden auch noch bis zur endgültigen Ratifizierung viel erreichen. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Dr. Christoph Matznetter, Genossinnen und Genossen betreffend CETA

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Verfassungsausschusses über das Volksbegehren „Gegen TTIP / CETA“ (1781 d.B.) in der 199. Sitzung des Nationalrats

Begründung

Das Handelsabkommen der EU mit Kanada wurde vom Nationalrat intensiv begleitet. Die erste Stellungnahme zum Vertrag beschloss der EU-Unterausschuss bereits 2011. Es folgten mehrere weitere Stellungnahmen sowie Entschließungen. Im September 2016 wurden die Vor- und Nachteile des Abkommens intensiv in einer parlamen­tarischen Enquete mit VertreterInnen der EU-Kommission, Kanadas, ExpertInnen und der Zivilgesellschaft diskutiert. Zuletzt wurde das Volksbegehren „Gegen CETA/TTIP“ sowohl im Plenum des Nationalrates als auch im Verfassungsausschuss unter Beiziehung von ExpertInnen ausführlich behandelt.

Die im Zuge der Beratungen geäußerten Bedenken wurden zum Teil bereits im Rah-men der Unterzeichnung des CETA-Vertrags, insbesondere durch eine verbindliche Zusatzerklärung, gelöst. Eine Reihe weiterer Maßnahmen zur Verbesserung der CETA-Regelungen ist noch ausständig. Dazu zählt insbesondere die Errichtung eines internationalen Handelsgerichts. Klargestellt wurde außerdem, dass die in CETA enthaltenen Sonderklagerechte für Konzerne ohne Zustimmung des österreichischen Nationalrates nicht in Kraft treten können.

So lange die noch offenen Punkte nicht zufriedenstellend erfüllt sind, insbesondere weiterhin großen Konzernen Sonderklagerechte gegen souveräne Staaten eingeräumt werden, muss verhindert werden, dass die entsprechenden Bestimmungen des CETA-Vertrages in Kraft treten können.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein endgültiges Inkrafttreten von CETA zu verhindern, so lange das Abkommen Bestimmungen über Sonderklagerechte für Konzerne enthält.

Die Bundesregierung soll außerdem sicherstellen, dass Handelsabkommen effektive Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping sowie zur Verteidigung unserer hohen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 88

Standards enthalten und diese auch tatsächlich durchgesetzt werden können. Außer­dem sind öffentliche Dienstleistungen umfassend von Handelsabkommen auszuneh­men.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.)

 


13.08.08

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (ohne Klubzugehörigkeit): Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Taskforce Matznetter! Erklären Sie uns einmal eine einzige Sache, die nach wie vor fast niemand in diesem Haus versteht: Wofür steht die SPÖ? Ist sie für CETA oder gegen CETA? Ist sie für TTIP? (Abg. Schieder: Aber das ist jetzt schon ein Spaß, dass du das fragst!) – Ent­schuldigen Sie, Herr Kollege Schieder! Kollege Krainer hat am Montag im Verfas­sungs­ausschuss erklärt, es gibt keine Möglichkeit, die Ratifikation positiv abzuschließen. Das hat Kollege Krainer im Verfassungsausschuss gesagt. (Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Der Bundeskanzler erklärt, nicht in Wien, sondern in Tallinn am Rande des EU-Gipfels, Folgendes – und dazu möchte ich Sie persönlich fragen, Herr Bundeskanzler, und Sie bitten, dass Sie uns das erklären (Bundeskanzler Kern: Bitte nicht die „Kronen Zeitung“ zitieren!) –: „,Wir sind in einer Situation, dass es derzeit im Parlament keine Chance gibt, einen positiven Beschluss zu erreichen‘ [...]. ‚Wenn ich das mache, wird es abgelehnt. Dann ist Ceta tot, das ganze Projekt gescheitert‘“.

Herr Bundeskanzler, Sie haben mir zugerufen: „Bitte nicht die ‚Kronen Zeitung‘ zitieren!“ – Tue ich nicht, das ist aus dem „Standard“. (Abg. Walter Rosenkranz: Was jetzt?) Was heißt das? Was heißt: „,Wir sind in einer Situation, dass es derzeit im Parlament keine Chance gibt, einen positiven Beschluss zu erreichen‘“? – Ja, stimmt! Derzeit gibt es im Parlament keine Chance, einen positiven Beschluss zu erreichen, auch deshalb, weil große Teile des SPÖ-Klubs dagegen stimmen würden – wenn Sie überhaupt noch wissen, wofür oder wogegen Sie stimmen!

Der zweite Satz ist aber der entscheidende: „,Wenn ich das mache,‘“ – also dem Parlament die Unterlagen zuleite, so wie es das Gesetz und so wie es die parla­mentarischen Rechte vorsehen – „,wird es abgelehnt. Dann ist Ceta tot, das ganze Projekt gescheitert‘“.

Das heißt, wenn die Chance besteht, dass das Parlament etwas anderes tut, als Sie wollen, dann wird das Parlament einfach ignoriert? Dann kriegen wir unsere Unter­lagen nicht? Dann dürfen wir unsere Aufgaben als gewählte Volksvertreter nicht wahrnehmen?

Herr Bundeskanzler, ich formuliere es ganz vorsichtig: Das ist eine ganz außerge­wöhnliche Missachtung des österreichischen Parlaments! – Ich möchte Sie an eines erinnern: Sie kandidieren für dieses Parlament. Sie kandidieren für dieses Parlament, dem Sie erklären, wenn die Gefahr besteht, dass es anders abstimmt als es der Kanzler will, dann wird es einfach ignoriert, dann werden ihm wesentliche Unterlagen nicht zugeleitet und dann wird es daran gehindert, auf Basis der österreichischen Bundesverfassung Entscheidungen zu treffen.

Herr Bundeskanzler! Sie haben sich heute Zeit und einen Tagesordnungspunkt genommen, um hier – das ist meine persönliche Befürchtung, ich lasse mich aber gern vom Gegenteil überzeugen – eine Wahlkampfrede zu halten. Ich ersuche Sie, anstelle der Wahlkampfrede Fragen von uns Abgeordneten zu beantworten. Meine wichtigste


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 89

Frage lautet: Sind Sie wirklich bereit, die Rechte des österreichischen Parlaments zu missachten, nur um CETA zu retten, nur um die Einschränkung der freien österreichi-schen Gerichte durch sogenannten Investitionsschutz sicherzustellen, nur um die Einschränkung der Rechte des österreichischen Gesetzgebers im Interesse internatio-naler Konzerne sicherzustellen?

Ich fordere Sie auf, umgehend alles, was Sie an Unterlagen und Vertragsunterlagen haben, dem österreichischen Nationalrat zuzuleiten. Herr Bundeskanzler, wir haben ein Recht darauf! Wir Abgeordnete haben ein Recht darauf, uns frei und ungehindert von einem SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzler eine Meinung zu bilden.

Es gibt hier viele Parteien mit klaren Positionen. Die ÖVP vertritt wie in der Steuer­politik die Interessen großer Konzerne. Sie hat auch Gründe dafür, denn wenn man die Spenderliste der ÖVP studiert, dann weiß man, wessen Interessen sie wozu vertritt. Die Freiheitliche Partei, die Grünen und auch wir haben, zum Teil mit unterschiedlichen Begründungen, klare Positionen gegen diese sogenannten Freihandelsabkommen. Die NEOS vertreten eine ähnliche Position wie die Österreichische Volkspartei, ich weiß nicht genau, warum.

Aber jene, die für diese sogenannten Investitionsschutzabkommen sind, haben eines gemein: Sie wollen möglichst wenig Demokratie in diesem Prozess. Sie wollen das Parlament nicht informieren, sie wollen das Parlament nicht entscheiden lassen und sie wollen die Bevölkerung nicht entscheiden lassen. (Präsident Hofer gibt das Glocken­zeichen.) Und der Gipfel ist wirklich das NEOS-Argument: Das ist für die österreichi­sche Bevölkerung zu kompliziert. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Meine Kollegen von den NEOS: Wissen Sie, was das Komplizierteste ist? Eine Ent­scheidung bei den Nationalratswahlen. Ist auch das für die österreichische Bevöl­kerung zu kompliziert? (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.) – Wenn ich mir die NEOS anschaue (Zwischenruf des Abg. Loacker), dann kann ich mich dieses Eindrucks nicht ganz erwehren. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Aber ich ersuche Sie, insbesondere Sie, meine Damen und Herren von der Sozial-demokratischen Partei: Respektieren Sie die parlamentarische Demokratie! Respek­tieren Sie unser Recht! Herr Bundeskanzler, ziehen Sie diese Erklärung von Tallinn zurück und leiten Sie uns alle CETA-Unterlagen umgehend zu! – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Pirklhuber: Richtig!)

13.13

13.13.48

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 1781 der Beilagen samt Anlagen 1 und 2 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volksbefragung zu Handels- und Dienstleistungsabkommen (TTIP, CETA und TiSA).


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 90

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volksbefragung zu CETA.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber, Mag. Rossmann, Dr. Zinggl, Steinbichler und Doppler betref-fend Abstimmung des Parlaments über das Handelsabkommen CETA.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Dr. Franz, Doppler, Hagen, Schenk und Gerhard Schmid betreffend verbindliche Volksabstimmung über das Freihandelsabkommen CETA.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend CETA.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. (Abg. Schieder: An wem scheitert es? – Ruf bei der SPÖ: Wo sind die mutigen Grünen?! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Grünen.) – Wir zählen kurz durch, sicher ist sicher.

Da das Ergebnis dieser Abstimmung nicht eindeutig ist, ersuche ich die Schrift-führe­rinnen und Schriftführer, mich bei der Feststellung dieses Ergebnisses zu unterstützen. Sollte auch so das Abstimmungsergebnis nicht eindeutig ermittelt werden können, werde ich gemäß § 66 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung anordnen.

Ich bitte nun die gewählten Schriftführerinnen und Schriftführer Harry Buchmayr, Her­mann Gahr, Alev Korun, Angela Lueger und Wolfgang Zanger, zu mir auf das Prä­sidium zu kommen. (Die Abgeordneten Buchmayr, Gahr und Lueger begeben sich auf das Präsidium und unterstützen Präsident Hofer bei der Stimmenzählung. – Abg. Schieder: Wir könnten es alphabetisch machen! – Zwischenruf des Abg. Matznetter. – Unruhe im Sitzungssaal.)

Wir haben durchgezählt: Es ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

*****

Ich gebe bekannt, dass die heute eingebrachte Dringliche Anfrage der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen nicht, wie mitgeteilt, die Num­mer 14129/J, sondern die Nummer 14128/J trägt. Die Korrektur ist technischen Grün-den geschuldet.

13.20.012. Punkt

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Verantwortung für Österreich“

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung des Nationalrates entsprechend dem vorliegenden ausreichend unterstützen Verlangen eine Debatte stattfinden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 91

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler das Wort. – Bitte schön, Herr Bundeskanzler. (Abg. Belakowitsch: Ist das die Abschiedsrede des Bundeskanzlers?)

 


13.20.29

Bundeskanzler Mag. Christian Kern: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Der Titel dieser Erklärung, den wir bewusst gewählt haben, lautet „Verantwortung für Österreich“. (Abg. Hübner: Da redet der Richtige ...! – Abg. Kickl: Das ist skurril aus Ihrem Munde! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich denke, das Parlament ist der richtige Ort für einen Appell an diese Verantwortung, die wir alle gemeinsam tragen – und nicht nur in diesem Wahlkampf. Es ist die Verantwortung für die politische Kultur in Österreich, denn diese Kultur ist entscheidend für das Bild von Politik, das die Österreicherinnen und Öster­reicher haben, und damit für ihr Vertrauen in unsere Demokratie. (Abg. Belakowitsch: Sie lesen alles runter!) Die Bürgerinnen und Bürger, die in wenigen Tagen zur Wahl gehen und damit ihr wichtigstes Recht ausüben, sind unser aller Souverän. Sie tragen unsere Demokratie, ihnen sind wir verpflichtet. (Beifall bei der SPÖ.)

In letzter Zeit wurde in öffentlichen Kommentaren oft über die Beziehung zwischen Wählerinnen und Wählern und der Politik sinniert, als wären das Gegenwelten, die sich nur sehr skeptisch beobachten und einander nicht berühren. (Abg. Kickl: Ist das ein Auszug aus dem Misik-Büchl!) Diese Entwicklung ist problematisch, denn wer braucht Politik, wenn nicht die Menschen? Darauf müssen wir uns im Interesse des Vertrauens in demokratische Politik besinnen. Die Wahlauseinandersetzung hat in den letzten Tagen dazu keinen guten Beitrag geleistet, ganz im Gegenteil. (Ah-Rufe bei der FPÖ.) Wenn ein Karikaturist den Wahlkampf als schweren Unfall für alle Menschen, die reingeraten sind, zeichnet, dann sagt ein Bild wohl mehr als tausend Worte.

Alle wahlwerbenden Parteien – auch ich und meine Partei – haben Verantwortung, dass so etwas nicht mehr passiert (Abg. Kickl: Sie nur ganz am Rande!), weil unsere Demokratie damit Schaden leidet. (Zwischenruf des Abg. Steinhauser. – Widerspruch bei der FPÖ.) Wer jetzt weiter Misstrauen schürt und die politische Debatte mit Lärm verwechselt, der hat seine Lektion nicht gelernt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Wissen Sie, was ich Ihnen sage?! Sie können die Leute nicht als blöd verkaufen! – Zwischenruf des Abg. Bösch.)

Kehren wir also zurück zu einer verantwortungsvollen politischen Debatte, die von Respekt, Integrität, Redlichkeit und Achtung vor der Würde des anderen geprägt ist! (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) Bekennen wir uns zu einer politischen Kultur, die von Argumenten und von inhaltlicher Substanz geprägt ist, zu einer politische Kultur, die davon angetrieben ist, die beste Lösung zu erreichen, statt die beste Schlag­zeile zu liefern, zu einer politischen Kultur, in der Haltung und Überzeugung politische Handlungen produzieren und nicht umgekehrt! (Abg. Kickl: Diese Rede sollten Sie vor einem Spiegel halten!) Nehmen wir diese Verantwortung in den letzten verbleibenden Tagen bis zur Wahl wahr. Die Österreicherinnen und Österreicher haben sich eine politische Debatte und politische Entscheidungen verdient, die ihre Lebensrealitäten in den Mittelpunkt stellen, mit konkreten Lösungen für ihre Probleme (Abg. Kickl: Jetzt bringen wir den Misstrauensantrag ein! – Heiterkeit bei der FPÖ) – so, wie uns das in den letzten Wochen und Monaten oft gemeinsam gelungen ist.

Dieses Hohe Haus hat viele Entscheidungen getroffen, die von den Problemen der Menschen tatsächlich inspiriert waren. Ich erinnere an die Schaffung der 20 000 Jobs, die wir gemeinsam mit der „Aktion 20.000“ für Menschen über 50 ins Leben gerufen haben. Denen haben wir nicht nur Arbeit, sondern auch Würde, Respekt vor ihrer Le­bensleistung und vor allem Hoffnung sowie eine Zukunftsperspektive zurückgegeben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 92

Ich erinnere an die Abschaffung des Pflegeregresses; damit haben wir der Enteignung alter Menschen ein Ende bereitet – alter Menschen, die Respekt vor ihrer Lebens­leistung verdient haben. Ich erinnere an die Erhöhung von Stipendien für Kinder aus sozial schwächeren Familien, sodass die Bildung eben nicht davon abhängt, ob die Eltern arm oder reich sind. All das haben wir gemeinsam erreicht, und ich denke, es macht Sinn und es ist richtig, dass Sie und wir auch in der heutigen Sitzung wieder so vorgehen. (Beifall bei der SPÖ.) Machen wir konstruktive Politik, die das Leben der Menschen tatsächlich verändert! Schaffen wir gemeinsam zum Beispiel die Gleich­stellung von Arbeitern und Angestellten! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Bravorufe bei der SPÖ.) In vielen Betrieben bin ich immer wieder auf diese Ungleichheit und Ungerechtigkeit angesprochen worden. Heute haben Sie die Chance, dem ein Ende zu machen.

Schaffen wir gemeinsam die Gebühren für die Mietverträge ab! (Rufe bei der FPÖ: Bravo, Strache! Bravo, FPÖ!) Das könnte ein erster Schritt für die jungen Familien sein, um leistbares Wohnen letztendlich sicherstellen zu können. (Zwischenruf des Abg. Steinhauser.)

Sorgen wir gemeinsam dafür, dass AlleinerzieherInnen einen selbstverständlichen An­spruch auf ihre Alimente haben! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Schatz.)

Sorgen wir gemeinsam für mehr Chancen auf Arbeit und damit für neue Lebensper­spektiven für Menschen mit Behinderung! (Beifall bei der SPÖ.)

All diese Entscheidungen helfen Menschen, die Unterstützung brauchen, und sie sichern den sozialen Zusammenhalt in unserem Land. Ich appelliere deshalb an alle hier im Hohen Haus, dass wir ein starkes Zeichen für den österreichischen Weg des Miteinander setzen und Sie hier gemeinsam zustimmen.

Österreich ist ein großartiges Erfolgsmodell – ohne Zweifel! –, aber wir werden die Erfolgsgeschichte nicht einfach so weiterschreiben können. (Zwischenruf des Abg. Hübner.) Wir wissen, dass wir vor enormen Herausforderungen stehen: Klimawandel, die Globalisierung, die technologische Entwicklung. All das bedeutet, dass wir eine Revolution in unserer Arbeitswelt, in unserer Gesellschaft tatsächlich erleben werden. Wir brauchen Antworten auf anstehende Fragen, damit wir Österreich tatsächlich zukunftsfähig machen können.

Wir haben über all dem die Frage zu klären, wie wir eine Zukunft bauen wollen, in der die Veränderung so gestaltet wird, dass sie zu einer Chance für alle und nicht nur zu einem Gewinn für einige wenige wird. Mit Zaghaftigkeit oder der Verweigerung neuer Realitäten werden wir nicht weiterkommen, mit Egoismus und Ellbogenmentalität genauso wenig. Wir haben für die Zukunft nur eine Option: Wir müssen uns an die Spitze dieser Veränderung stellen, wir müssen aktiv Politik machen, wir müssen gestalten und wir müssen zusammenhalten! (Beifall bei der SPÖ.)

Am kommenden Sonntag ist Wahltag, und dabei geht es – bei allem Respekt vor den Abgeordneten hier im Hohen Haus – nicht nur darum, wie Mandate verteilt werden. (Abg. Kickl: Ach so?! – Abg. Steinhauser: Selbstverständlich ...! – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Am Sonntag ist der Wahltag, und ich darf daran erinnern: Es wird einen Tag danach geben. (Ruf bei der FPÖ: Der 16.!) Und ab diesem Tag müssen wir die großen Aufgaben, die nach dem 15. Oktober anstehen, gemeinsam lösen. (Abg. Kickl: Da werden Sie alle vor Gericht ...!)

Ich darf Ihnen allen für die Zusammenarbeit in den letzten 16 Monaten danken. Ich freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit in der Zukunft. Für diese Zusam­menarbeit im Interesse Österreichs brauchen wir eine Kultur des Dialogs zwischen allen Parteien, eine politische Kultur, die dieses Land verbindet, statt es zu spalten.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 93

(Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Zunächst einmal ein ordentliches Schuldein-ge-ständnis!)

Wir, die politischen Kräfte, und unser Souverän, die Bürgerinnen und Bürger Öster-reichs, müssen alle an einem gemeinsamen, an einem rot-weiß-roten Strang ziehen, um unser Land noch stärker zu machen. Es ist nicht unsere Wahl, es ist die Wahl der Österreicherinnen und Österreicher (Abg. Hübner: Ach so! – Heiterkeit des Abg. Walter Rosenkranz), und deshalb darf ich mit einem Appell schließen: Ich darf unsere Bürgerinnen und Bürger, die Österreicherinnen und Österreicher bitten, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Wenn Sie es nicht tun, werden andere über die politische Zukunft in diesem Land entscheiden. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es gibt einen letzten Wunsch, einen Appell an unsere Bürgerinnen und Bürger, den ich in der verbleibenden Zeit noch anbringen möchte: Jeder soll sich ein Bild davon machen, wer wofür steht, jeder soll sich überlegen, wer welche Interessen vertritt, und jeder soll sich überlegen, bei wem die Zukunft Österreichs in besten Händen ist! – Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

13.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Aus­führungen. (Abg. Kickl: Wie beim Honecker am Ende! – Heiterkeit des Abg. Walter Rosenkranz. – Abg. Heinzl: Da fiele mir ein anderer Vergleich ein, Herr Kickl! – Abg. Kickl: Ja, Nordkorea!)

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Klubobmann Strache. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


13.29.08

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank und vor den Fernseh­geräten! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Also, wenn es nicht so traurig wäre, dann müssten wir eigentlich heute fast lachen, nachdem wir das gehört haben, was Sie hier zum Besten gegeben haben. Das war fast Kabarett, anders kann man es gar nicht bezeichnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das war fast Kabarett, das war skurril, das war eigentlich der Witz des Tages. (Zwi-schenruf bei der SPÖ.) Ich muss wirklich sagen: Sie haben es geschafft! Sie stellen sich heute hierher und sprechen von „Verantwortung für Österreich“ – bei all dem, was da in den letzten Wochen passiert ist und wofür Sie Verantwortung tragen: Eine Silberstein-Affäre hat das Licht der Öffentlichkeit erblickt. (Neuerliche Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Herr Silberstein war Ihr Berater, gegen den bereits im Jänner 2017 in Rumänien ein Haftbefehl erlassen worden ist. Damals haben Sie sich noch hingestellt und in der Öffentlichkeit gesagt: Da ist nichts dahinter, das ist alles Unsinn! Dann erst, als die Festnahme Herrn Silbersteins erfolgt ist, konnten Sie schon gar nicht mehr anders, als sich von ihm zu trennen, aber gleichzeitig haben Sie plakatiert: „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht.“ Daher stelle ich schon die Frage: Wer hat es denn den Österreichern weggenommen, wenn nicht diese rot-schwarze Bundesregierung in den letzten zehn Jahren, Herr Kern? (Beifall bei der FPÖ.)

Wir werden dafür Sorge tragen, den Menschen das zurückzugeben, was Sie durch Höchststeuerbelastungen den arbeitenden Menschen abgenommen haben. Hinter einem Herrn Silberstein, der an Ihrem Ohr sitzt, sind natürlich auch Geschäfts-interessen sichtbar geworden, dubiose Firmenbeteiligungen mit Gesellschaftern, wobei Ihre Frau eine Firma hat, Sie offensichtlich auch Beteiligungen haben, aber auch ÖVP-Spender, wie man jetzt weiß, mit Vorzugsaktien irgendwo da drinnen stecken. Auch andere SPÖ-Unterstützer wie Herr Schweighofer bis hin zu Persönlichkeiten, die gerade in Israel von der Staatsanwaltschaft angeklagt werden, weil sie den Energie-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 94

minister bestochen haben, sind mit dieser Firma vernetzt. Das zeigt insgesamt schon ein Sittenbild auf, das es in dieser Republik gibt.

Das reicht bis hin zu dieser Bonzenmauer, von der Sie auch nichts gewusst haben wollen, obwohl das Bundeskanzleramt im Juni den Auftrag erteilt hat, diese Unsinnsmauer im Regierungsviertel zu bauen. Sie sind dann noch hinuntergegangen und haben den Arbeitern Wasser gebracht; und vier Wochen später, als Sie gefragt wurden, was Sie von dieser Bonzenschutzmauer wissen, geben Sie die Antwort und sagen: Ich habe keine Ahnung, dass da überhaupt gebaut wird und was da gebaut wird. Spätestens daran erkennt man schon, dass Sie die österreichische Bevölkerung – ich weiß nicht, wie man es bezeichnen soll – offenbar zumindest nicht für schlau halten. Das hat schon den Vogel abgeschossen, so nach dem Motto: Niemand hatte die Absicht, eine Mauer zu bauen, und ich wasche überall meine Hände in Unschuld! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie tun ja so, als hätten Sie für nichts Verantwortung, als wären es immer andere gewesen. Das zeigt eben auch ein komplettes Führungsversagen; und da könnte man das Sündenregister, das in Ihrem Verantwortungsbereich sichtbar ist, natürlich ellen-lang weiter fortführen.

Jede einzelne dieser Verfehlungen würde schon für einen Rücktritt reichen, aber Sie denken natürlich nicht ansatzweise daran, Verantwortung zu übernehmen; und das muss dann stellvertretend für Sie auch Herr Niedermühlbichler machen. All jene Mitarbeiter, die da Verantwortung getragen haben, kennen Sie offenbar nicht. Es sind ja Leute im Kanzleramt aus- und eingegangen, nämlich nicht nur Herr Silberstein, sondern auch Herr Fußi und Herr Pöchhacker. Wenn man das alles zusammenführt, dann ist das in Wirklichkeit ein Theater, bei dem man zumindest feststellen muss, dass die Sozialdemokratie mit diesen Beratern, mit Herrn Silberstein und dem Hintergrund eines gezeigt hat, nämlich dass es offenbar um die Turbokapitalisten, die Sie immer so schön als solche bezeichnen, die dann versuchen, Einfluss zu nehmen, geht. Mit denen wollen Sie aber nichts zu tun haben, und so sind Sie offenbar seit Ihrem Amts­antritt mutterseelenallein im Büro am Ballhausplatz gesessen. Das wollen Sie zumin­dest heute den Menschen so weismachen.

Dann haben Sie noch versucht, unabhängige Medien unter Druck zu setzen, als es eine unerfreuliche Berichterstattung über Sie gegeben hat, weil Unterlagen mit Persön-lichkeitsanalysen das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben, die aus Ihrer Partei herausgetragen worden sind, und zwar ging es um Eitelkeit und Prinzessinnengehabe. Es gibt offensichtlich körperliche Fitness, aber dann nicht die psychische, wenn man gewisse Verhaltensmuster bewertet. (Abg. Steinhauser: Geh bitte!) Und dann werden Zeitungen unter Druck gesetzt, indem Inserate gestrichen werden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, das sind ja die Dinge, die aus Ihrer Partei gekommen sind. Das ist genau der Punkt. (Abg. Heinzl: Schämen Sie sich!) – Nein, Sie sollten sich schämen, Sie sollten sich im wahrsten Sinne des Wortes schämen! (Zwischenruf des Abg. Steinhauser. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich glaube, ein Herr Kanzler, der sich bei der „Kronen Zeitung“ einem Managementführungstest stellt und nach 34 Minuten abbricht, weil er offenbar überbelastet ist, das sagt alles. So jemand wird nicht in einer Krisenzeit die Probleme unseres Landes lösen können. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Heinzl.)

Das sind alles Gegebenheiten, über die man sich nur wundern muss. So gesehen stim-men die Profilanalysen, die aus der SPÖ herausgetragen worden sind, offenbar. (Abg. Kickl: ... nach zwei Minuten abgebrochen! – Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig.) Es haben ja alle geglaubt, nach Werner Faymann kann es nur besser und nicht noch schlimmer werden, aber heute muss man fast schon Werner Faymann ein


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 95

paar Tränen nachweinen. – So weit ist es gekommen. (Ruf bei der FPÖ: ... Ordnungs­ruf geben!)

Und Sie reden dann ernsthaft von Verantwortung? Ernsthaft? Herr Kern, schämen Sie sich eigentlich gar nicht für all das, was Sie da angerichtet haben? (Zwischenrufe der Abgeordneten Königsberger-Ludwig und Mayer.) Das ist ein Tiefpunkt der öster-reichischen Unkultur, die Sie da gelebt haben. Das ist ein Sittenbild auch dieser rot-schwarzen Regierung, mit der Sie unser Land letztlich in eine Silbersteinzeit geführt haben. (Beifall bei der FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig.)

Es ist unerträglich, was da an Schaden mit Fake-Facebook-Seiten, mit Diffamierung und mit anderen Mechanismen angerichtet wurde. Noch nie in der Zweiten Republik hat ein Bundeskanzler mit solchen Entwicklungen das Land im In- und Ausland so massiv beschädigt. (Zwischenruf der Abg. Gisela Wurm.) Da passt es auch ganz gut ins Bild, dass Sie unlängst in Tallinn gleich einmal versucht haben, vorsorglich EU-Sanktionen zu bestellen. (Abg. Walter Rosenkranz: Genau! Unerhört!)

Was Sie nicht begreifen: Bei der kommenden Wahl geht es um Verantwortung, da geht es um Ehrlichkeit, da geht es um Glaubwürdigkeit, und da geht es nicht um leere Versprechungen! (Zwischenrufe der Abgeordneten Königsberger-Ludwig und Mayer.) Es geht darum, mit ehrlichen Bemühungen längst überfällige Entscheidungen für die Menschen in unserem Land zu treffen. (Beifall bei der FPÖ.) Es geht um Reformen im Sinne einer sozialen Gerechtigkeit und um Augenmaß. Es geht darum, dass Probleme nicht nur zeitgerecht erkannt werden, sondern Probleme mit richtigen Maßnahmen und Lösungen auch abgewendet werden. Sie haben bewiesen, das hat diese Regierung nicht im Ansatz zustande gebracht.

Was Sie, Herr Kern, seit Amtsantritt machen, ist in Wirklichkeit ein Wahlkampf und Dirty Campaigning auf Kosten der Steuerzahler. Das ist das, was man heute weiß. Und Sie agieren ausschließlich aus parteipolitischer Taktik und nicht aus Verantwortung für Österreich und für die Menschen in unserem Land. (Ruf bei der SPÖ: Das ist Ihr Metier!)

Als Sie Ihr Amt angetreten sind, haben Sie selbst noch von der diagnostizierten Macht­versessenheit und Zukunftsvergessenheit gesprochen, die Sie jetzt eingeholt hat. Österreich verdient einen Kurswechsel. (Zwischenruf des Abg. Walser.) Österreich verdient jemanden, der bereit ist, echte Verantwortung für die Bevölkerung zu über­nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben in Österreich manifeste Probleme und Krisen; wir haben eine Fairnesskrise. Es ist nicht fair, wenn die Österreicher, nämlich alle arbeitenden Menschen in unserem Land, über Jahre hinweg durch eine rot-schwarze Bundesregierung mit höchsten Steuer­belastungen geschröpft werden. Es ist nicht fair, wenn sie durch die kalte Progression über Jahre mit Realwertverlusten kämpfen müssen. Es ist nicht fair, dass zwei Drittel der Bevölkerung heute sagen müssen, es geht ihnen nicht besser als im Jahr 2006. (Zwischenruf des Abg. Walser.) Es ist nicht fair – da wir vorhin über CETA diskutiert haben –, dass Sie diesbezüglich nicht einmal Ihre eigene Parteiabstimmung ernst nehmen und nicht bereit sind, eine Volksabstimmung sicherzustellen. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist nicht fair, denn da geht es um die Interessen unserer öster-reichischen Landwirtschaft, um die guten Qualitätsprodukte unserer Landwirte, um Standards im Umweltbereich, im Tierschutzbereich, aber auch um Arbeitnehmer­schutzrichtlinien, die wir erhalten wollen und nicht außer Kraft gesetzt wissen wollen.

Es ist nicht fair – das alles auch im europäischen Vergleich –, dass unter Rot-Schwarz Systeme, Sozialsysteme einer unfairen und ungerechten Mindestsicherung geschaffen worden sind, wodurch heute einerseits Menschen, die arbeiten, knapp über der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 96

Mindestsicherung verdienen oder nach 40, 45 Jahren nur eine Durchschnittspension von nur 950 € erhalten, andererseits aber diese rot-schwarze Regierung Wirtschafts­flüchtlingen, die keine Stunde gearbeitet und nichts geleistet haben, eine monatliche Mindestsicherung von 840 € nachschmeißt. Das ist unfair und ungerecht! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Korun: ... Menschen gegeneinander in Stellung! – Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Walser.)

Es ist unfair und ungerecht, dass es dann gerade Frauen durch Armutsbedrohung am schwersten haben. Die Initiative zu den Alleinerzieherinnen ist vollkommen richtig, aber schauen wir dann bitte auf die Alleinerzieherinnen, die österreichische Staatsbürger sind, und nicht wieder auf Drittstaatsangehörige, um keine unsozialen Magnet- und Sogwirkungen entstehen zu lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sorgen wir dafür, dass Frauen bei gleicher Leistung endlich den gleichen Lohn be­kommen! (Zwischenruf der Abg. Korun.) Bis heute haben Sie da versagt. Sorgen wir dafür, dass Frauen nicht in der Altersarmut ihr Leben fristen müssen, weil Rot und Schwarz nicht bereit sind, ihnen als Mütter die Kindererziehungszeiten voll an die Pension anzurechnen! (Beifall bei der FPÖ.)

Man ist nicht bereit, Pflegeverantwortung, die vorwiegend von Frauen in der Familie wahrgenommen wird, auch auf die Pension anzurechnen; man hat auch die Pfle­gebedürftigen in diesem Land natürlich seit Jahren im Stich gelassen (Zwischenruf der Abg. Schwentner), es hat keine Inflationsanpassung des Pflegegeldes gegeben und es sind 30 Prozent Wertverlust für die Ärmsten der Armen seit Einführung des Pflege­geldes entstanden.

Das ist nicht fair, und ich sage daher: Das gilt es zu bewältigen, es gilt, diese rot-schwarze unfaire Regierung mit ihren Ungerechtigkeiten, die Sie hinterlassen und geschaffen haben, zu überwinden. Und das wird am 15. Oktober nur mit einer mutigen Kraft zur Veränderung möglich sein, nämlich mit einer Stimme für die FPÖ, damit wir nicht wieder eine Fortsetzung dieser schwarz-roten Regierung und dieser unver­antwortlichen Entwicklungen von Streit, Chaos und Stillstand erleben und erleiden müssen. (Lang anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

13.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Mag. Schieder. – Bitte, Herr Klubobmann. (Abg. Höbart: Ist das der Nachfolger vom Bundeskanzler?)

 


13.41.06

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Haus! Kollege Strache hat ja (Abg. Höbart: ... könnte auch Bundes­kanzler werden!) vollmundig seine Rede begonnen, aber wenn man zum Beispiel auf ORF ON oder anderen Internetseiten schaut: Was ist denn die Schlagzeile des Tages? – Dass gegen Uwe Scheuch rechtskräftig Anklage erhoben wird. (Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Da sieht man, das ist die Nachwirkung von eurem Tun, von dem, was ihr als Schwarz-Blaue oder auch als Blaue in Kärnten aufgeführt habt. Bis heute beschäftigen sich die Gerichte noch immer damit, was los war, daher ist es umso zynischer, wenn Herr Kickl sagt: Alle werden verurteilt! – Nein, alle bei Ihnen werden verurteilt, das ist nämlich der Unterschied (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Kickl: Warten Sie nur!), alle, die mit Ihnen unter einer Decke gesteckt und das Land aus­gesackelt haben – damals, als Sie an der Macht waren, und überall dort, wo Sie an der Macht waren! Es ist aber natürlich auch eine politische Strategie, dass man über alles


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 97

andere redet, nur nicht über Inhalte und Politik. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Wo sind die Inhalte von der SPÖ?)

Das, was Sie machen, ist, ja nicht über die Dinge zu reden, die die Leute in diesem Land und ihr Leben wirklich bewegen. Daher ist ganz klar: Es geht um eine politische Richtungsentscheidung in unserem Land. (Abg. Höbart: Das ist richtig! Da haben Sie recht!) Es geht nämlich darum, ob wir eine Wirtschaftspolitik machen, die den Aufschwung verstärkt und dadurch Wohlstand (Abg. Deimek: Da sind Sie gleich wie die Grünen!) und Arbeitsplätze schafft, und die diesen geschaffenen Wohlstand auch fair verteilt. (Abg. Höbart: Nur Luftblasen! Nur Luftblasen!)

Die Wirtschaftsforscher bestätigen den Kurs dieser Regierung, denn die Nationalbank spricht von 2,8 Prozent Wirtschaftswachstum. Das ist das höchste Wirtschafts­wachs­tum seit zehn Jahren, und wir haben im Jahr 2017 auch die meisten Arbeitsplätze seit zehn Jahren geschaffen. (Zwischenruf des Abg. Höbart.) Das ist nicht nur eine Frage des wirtschaftlichen Erfolgs unserer Unternehmer und unserer Arbeitnehmer, es geht auch um Rahmenbedingungen, die die Politik schaffen kann oder eben nicht schaffen kann; und ich würde sagen, die Fakten sprechen für sich.

Es war die Steuerreform, die wir damals mit Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Mitterlehner umgesetzt haben, mit einer Entlastung von 5 Milliarden €, die den Pri­vatkonsum so stimuliert hat, dass das Wirtschaftswachstum angesprungen ist – übrigens eine Steuerreformzusammenarbeit, an die sich Sebastian Kurz, kaum hat er die ÖVP übernommen, natürlich nicht mehr erinnern kann –, aber auch das Steigern der öffentlichen Investitionen im letzten Jahr um 800 Millionen € auf 5,3 Milliarden €.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich höre und ich lese genau, was in all Ihren Wahlprogrammen steht, und ich sage: Ich bin für etwas anderes. Ich glaube, dass die soziale Sicherheit in unserem Land unser erster und vordringlichster Standortvorteil ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Da haben Sie völlig versagt!)

Wir müssen die soziale Sicherheit (Abg. Strache: Da haben Sie völlig versagt!) in diesem Land sichern, und die SPÖ steht für die Sicherung, wir stehen ... (Abg. Strache: Da haben Sie ja völlig versagt!) – Apropos Versagen, hören Sie einmal kurz zu! Wir stehen für sichere Pensionen, denn die Menschen müssen sich darauf verlas­sen können. (Abg. Strache: Da lasst ihr die Leute im Stich! – Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.) Wir stehen für ein Modell, bei dem man sagt: Mit 65 Jahren und 45 Ver­sicherungsjahren bekommt man eine Pension in Höhe von 80 Prozent des Durch­schnittseinkommens. (Abg. Peter Wurm: ... Schande!) Wir werden heute hier auch den Test machen, ob Sie nur dazwischenschreien oder irgendwann auch einmal aufstehen und für sichere Pensionen mitstimmen. Wir werden Sie heute testen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir stehen aber auch für die Unterhaltsgarantie, denn wir finden es nicht redlich, wenn man sich in Fernsehdebatten, so wie es Sebastian Kurz gerne macht, hinstellt und sagt: Ich bin für eine Unterhaltsgarantie!, aber dann hier im Haus alle ÖVPler dagegen stimmen. Ich halte es auch für unredlich, wenn man sich wie Sebastian Kurz hinstellt und sagt: Ich bin für die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten!, und dann hier im Haus dagegenstimmt. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Ich finde es auch unredlich, wenn Sebastian Kurz in der Fernsehdiskussion sagt, er ist für sichere Pensionen, aber in Wirklichkeit eine Pensionsreform plant, die eine Kürzung für die Menschen in diesem Land bedeutet. (Abg. Deimek: Das macht ihr auch!) Das werden wir so nicht zulassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich finde es auch unredlich, wenn man sagt, die Wohnkosten müssen runter, und dann hier nicht für ein faires Mietrecht stimmt, so wie es Sebastian Kurz macht – oder wie es die ÖVPler ganz genau gesagt haben: Wenn die Mieten zu hoch sind, dann kauft euch


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 98

halt eine Eigentumswohnung! – Das ist ein Zynismus, der in diesem Land nicht Einzug halten darf, und das ist ein Zynismus, den man am 15. Oktober verhindern kann. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Korun und Walser.)

Es geht heute auch darum, dass wir für die Lehrlinge in unserem Land etwas tun, nämlich die Internatskosten abschaffen (Abg. Walter Rosenkranz: Was haben Sie eigentlich mit Herrn Silberstein zu tun?), und auch da werden wir genau schauen, wer dafür stimmt und wer nicht.

Es geht auch darum, dass die Menschen ihr Geld beim Bankomaten abheben können, ohne dass sie eine Gebühr dafür bezahlen müssen, dass also die Bankomatgebühr abgeschafft wird.

Es wird bei der Wahl aber auch darum gehen – denn all das sind die Inhalte, sehr geehrte Damen und Herren –, ob in Österreich ein Mindestlohn von 1 500 € eingeführt werden kann und dieser am Ende auch steuerfrei ist, denn das ist eine Sozial-, eine Arbeitsmarkt- und eine Wirtschaftspolitik, die gerecht ist.

Ich sage Ihnen auch – die FPÖ hat ja einen Misstrauensantrag gegen den Herrn Bun­deskanzler medial angekündigt (Zwischenruf des Abg. Deimek) –: Die Entscheidung ist sehr leicht, denn Christian Kern ist jene Person, die genau die richtige Mischung der wichtigen Faktoren darstellt, nämlich Erfahrung, soziale Grundeinstellung (ironische Heiterkeit bei der FPÖ – Ruf bei der FPÖ: Welche Erfahrung?) – das ist etwas, was meinem Vorredner komplett fehlt (Ruf bei der FPÖ: Pizzabote!) –, aber auch die Herkunft, sodass er weiß, was die Probleme der Leute sind, und sich daher auch engagiert, Probleme zu lindern und zu lösen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage es Ihnen ganz ehrlich (Abg. Walter Rosenkranz: „Ganz ehrlich“!), es ist eine Richtungsentscheidung, und die wird jeder treffen: Wollen wir den Kurs des sozialen Ausgleichs, für den Christian Kern steht, oder wollen wir den Kurs des sozialen Kahl­schlags, der später vor den Gerichten endet, für den Herr Kurz und Herr Kickl stehen?

Ich glaube, die Entscheidung ist einfach: Am 15. Oktober SPÖ wählen, dann geht es gut weiter für unser Land! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

13.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Mag. Steinhauser. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


13.47.54

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! In zehn Jahren Abgeordnetentätigkeit habe ich in diesem Haus schon viele große Erklärungen von Regierungsmitgliedern gehört. Ich bin nicht immer einer Meinung mit diesen Erklärungen, aber sie waren zu wichtigen Themen, zu Themen der Europäischen Union, zum Thema der Wirtschaftskrise, neue Regierungsmitglieder wurden vorgestellt.

So etwas wie heute hat hier aber noch kein Regierungsmitglied gemacht, dass es sich herstellt und das Recht der Bundesregierung, eine Stellungnahme zu wichtigen politischen Themen abzugeben, dafür missbraucht, eine Wahlkampfrede zu halten, die es an jedem Dorfplatz Österreichs halten könnte – das ist Ihnen vollkommen unbenommen. (Abg. Stefan: Dann hätte er nie so viele Zuschauer! – Zwischenruf des Abg. Kickl.) Es ist schade, dass Sie dieses Recht des Bundeskanzlers missbrauchen und Ihren Wahlkampf ins Parlament tragen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Der Wahlkampf spielt hier mit Sicherheit eine Rolle, da können wir uns alle nicht ausnehmen. Es wird in drei Tagen gewählt, und bei allen Tagesordnungspunkten spielt


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 99

natürlich der 15. Oktober eine wesentliche Rolle, aber dass man sich dafür einen eigenen Tagesordnungspunkt nimmt (Abg. Höbart: Unerhört!) ist schon unerhört.

Aber gut, kommen wir zum Wahlkampf: Wenn Sie uns die Möglichkeit geben, zu bilan­zieren, dann bilanzieren wir diesen Wahlkampf. Ich sage Ihnen, wenn Sie durch Öster­reich fahren, dann werden Sie eines bemerken, und das ist bis zu einem gewissen Grad bedauerlich: Die Österreicherinnen und Österreicher haben von diesem Wahl­kampf die Nase voll. Sie fragen sich: Was hat diese Auseinandersetzung von SPÖ und ÖVP, teilweise auch der FPÖ, mit uns und unseren Problemen zu tun? – Nichts! (Abg. Walter Rosenkranz: Das ist richtig! Mit den Grünen haben die Österreicher gar nichts mehr zu tun!) Sie wenden sich mit Grauen ab und sagen: Diese Form von politischer Auseinandersetzung schadet der Demokratie.

Wir wollen einen anderen Weg gehen. Wir haben immer auf politische Kultur Wert gelegt, wir halten nichts von diesen Politinszenierungen. (Oje-Rufe bei der FPÖ.) An diesen zwei Parteien und der FPÖ ist nichts echt, da ist alles durchgestylt. (Abg. Walter Rosenkranz: Deshalb hat sich auch Pilz abgeseilt ...!) Das ist eine Form von künstlicher Politik, die – gut aufbereitet von PR-Mitarbeitern – den Bürgerinnen und Bürgern serviert wird. (Abg. Walter Rosenkranz: Die Lunacek-Plakate habt ihr euch selbst gestrickt!)

Wir stehen für authentische Politik. Die ist manchmal unbequem, und die ist manchmal unberechenbar, aber Authentizität ist uns wichtig. Wir wollen diese gebürstete Mainstream-Politik nicht, nein – wir stehen für authentische Politik! (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Punkt: Fakes und Dirty Campaigning gibt es mit den Grünen nicht. Das lehnen wir ab. (Abg. Kickl: Erst seit der Pilz weg ist!) Das ist wesentlich, dazu bekennen wir uns, und das werden wir auch die nächsten fünf Jahre so halten.

Dritter Punkt, das wurde noch nicht angesprochen: Dass Mitarbeiter des Wirtschafts­bundes oder Funktionäre des Wirtschaftsbundes Familienmitgliedern von anderen politischen Mitbewerbern, in dem Fall ist es die Partnerin, die Ehefrau des Bundes­kanzlers, nachspionieren, ist untragbar. Das ist ein Tabu, das gibt es mit den Grünen nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dass möglicherweise – das ist ja noch zu klären – Geld dafür bezahlt wird, dass Kampagneninformationen aus der SPÖ heraussickern, ist unerhört. Das ist eine politische Kultur, die wir ablehnen, die schädlich für die Demokratie ist. Das gibt es mit den Grünen nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Dass sich eine Partei von Großspendern – unter Anführungszeichen, nicht im straf­rechtlichen Sinn, ich bin da sauber – „politisch“ kaufen lässt, weil Millionen an Spenden eingenommen werden, und danach so tut, als würde sie das politisch nicht verpflichten, glaubt Ihnen ja niemand. Das ist eine Politik, die wir ablehnen. Wir stehen aus­schließlich im Dienst der Bürgerinnen und Bürger und nicht im Dienst von Groß­spenderInnen. Das gibt es mit den Grünen nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Ihr Theater führt dazu, dass hier die Freiheitliche Partei sitzt, die seit 30 Jahren das Land spaltet und Politik mit Feindbildern macht (Zwischenruf des Abg. Hauser), und man den Eindruck hat, von diesen dreien seien die noch die harmlosere Variante. Das ist nicht der Fall. Sie bleiben sich nichts schuldig. Alle drei versinken im Wahlkampf­sumpf, in einem Machtkampf, muss man schon sagen, den die Bürgerinnen und Bürger satthaben. (Abg. Hübner: Nur die Lunacek lieben die Bürger!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Am Sonntag wird nicht der Bundeskanzler gewählt, es wird nicht die Bundesregierung gewählt. (Abg. Kickl: Nicht die Lunacek!) Es werden Themen gewählt, und es werden Personen gewählt, denen die Bürgerinnen und Bür-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 100

ger vertrauen, und das ist die Entscheidung, die am Sonntag ansteht, und sonst nichts. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte aber, da diese Erklärung von einem sozialdemokratischen Politiker kam, auch den Anliegen der sozialdemokratischen Wählerinnen und Wählern eine Stimme geben. Wenn ich durch Österreich fahre, dann höre ich eines: Bis tief in die Mittel­schicht sind die Menschen verunsichert. Sie haben das Gefühl, dass, obwohl die Sozialdemokratie seit vielen Jahren in der Regierung sitzt, ihre Lebensumstände nicht besser, sondern schlechter werden, dass die Gesellschaft immer reicher wird, aber dass dieser Reichtum bei ihnen nicht ankommt. Armut, Krankheit, Bildung – all das wird vererbt. Entscheidend ist, in welche Familie man geboren wird. So definieren sich die Lebenschancen, und das ist der Punkt, liebe Sozialdemokratie, bei dem ihr säumig seid.

Dann gibt es eine Partei, die nützt dieses Vakuum in einem negativen Sinn und spritzt wie die gesamte europäische Rechte (Abg. Kickl: Nicht so selbstgefällig! – Abg. Strache – in Richtung des gestikulierenden Redners –: Passen Sie auf mit den Handzeichen!) in dieses Gefühl langsam das Gift von Neid und Missgunst, aufgrund des Versagens der Sozialdemokratie, und das ist das Problem. Deswegen erleben wir einen Rechtsruck. Es wäre die Aufgabe der Sozialdemokratie gewesen, da entgegen­zuwirken.

Diese Lücke werden die Grünen füllen. Das kann ich Ihnen versprechen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.53.56

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, wenn ich die Debatte so verfolge, glaube ich, es wäre gescheiter gewesen, Sie hätten am Viktor-Adler-Markt eine Verteilaktion gestartet, denn ich glaube, dieser Schuss, eine Erklärung drei Tage vor der Wahl abzugeben, geht ziemlich nach hinten los. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Dort pfeifen sie ihn ja aus! Dort pfeifen sie ihn ja aus! – Abg. Schieder: ... Viktor-Adler-Markt?)

Ich kann Ihnen eines nicht ersparen, Herr Bundeskanzler: Wenn Sie hier sagen, Ver­ant­wortung für Österreich solle wahrgenommen werden, das Gemeinsame sei vor das Trennende zu stellen, dann muss ich Ihnen sagen: Kehren Sie vor der eigenen Tür! Kehren Sie vor der eigenen Tür, räumen Sie in Ihrer SPÖ zusammen! Sie haben den schmutzigsten Wahlkampfmanager weltweit in Ihre Partei geholt. Sie haben ihn dafür bezahlt, dass er den Mitbewerber schlecht dastehen lässt. Kehren Sie vor der eigenen Tür und beenden Sie diese skandalöse Vorgangsweise auch in Ihrer Partei! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren und, vor allem, liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Dieser heutige Tag, drei Tage vor der Nationalratswahl, erinnert mich ganz stark an die Sitzung am 24. September 2008 – einige Kolleginnen und Kollegen waren damals schon Mitglieder des Nationalrates –, bei der bis etwa 4 Uhr in der Früh in einer absoluten Marathonsitzung abgestimmt wurde. Am Ende des Tages waren Beschlüsse mit Kosten von über 3 Milliarden € auf dem Tisch – nicht alles schlecht, das sage ich gleich dazu (Zwischenruf des Abg. Hauser) –, aber jedenfalls hat an diesem Tag der Basar geherrscht. (Abg. Strache: Dann stimmt doch


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 101

wenigstens dort mit, wo’s nichts kostet! Dann stimmt doch wenigstens dort mit, wo’s nichts kostet!)

Ich habe vorhin mit dem Finanzminister Rücksprache gehalten, weil er eine Aufstellung über die Anträge hat, die heute vorliegen. Es geht heute um rund 580 Millionen €, was budgetrelevante Beschlüsse betrifft, und wir haben einige Anträge, die nichts kosten, aber denen weitreichende sozial- oder arbeitsrechtliche oder gesellschaftspolitische Änderungen zugrunde liegen. Ich kann nur an alle appellieren (Abg. Kickl: Der billigste Parlamentarismus ist gar keiner!), sich gut zu überlegen, welche Beschlüsse wir heute fassen, denn wenn ich den Titel „Verantwortung für Österreich“ ernst nehme, dann müssen wir selbst hier auch unsere Aufgabe als Abgeordnete ernst nehmen, dahin gehend, was wir drei Tage vor der Wahl letzten Endes noch beschließen. Es geht auch um die nachkommenden Generationen. Wir haben hier eine Verantwortung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich kann auch sagen, was wir von der Volkspartei mittragen werden: Wir werden jedenfalls die Pensionsanpassung für 2018 mittragen. Darauf haben wir uns in der Regierung verständigt, das tragen wir selbstverständlich mit. (Abg. Belakowitsch: Welche Regierung?) Das ist auch ein Plus von 136 Millionen €, das hier dazukommt, aber dazu stehen wir, weil vor allem auch die niedrigeren Pensionen besonders ange­passt werden und eine Anpassung mit einem höheren Prozentsatz bekommen. Ich finde auch die Sockelbeträge sehr positiv.

Die Änderung bei der Notstandshilfe tragen wir aber nicht mit, bei der 165 Millionen € per anno, das sind 800 Millionen € in der kommenden Legislaturperiode, heute hier zur Abstimmung kommen und wahrscheinlich auch eine Mehrheit finden werden. (Zwischenruf der Abg. Gisela Wurm.)

Wir tragen keine budgetschädlichen Beschlüsse mit, meine Damen und Herren! Wir finden aber eine Lösung für Menschen mit Behinderungen (Abg. Brosz: ... streichen die Steuern für die Konzerne zusammen!), da werden wir einen eigenen Antrag ein­bringen. Auch das Freiwilligengesetz werden wir von der Volkspartei natürlich mittra­gen, aber wir sind nicht bereit, Husch-Pfusch-Gesetze mitzuerledigen. (Abg. Schieder: Seit wann? – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Da komme ich zum Antrag betreffend Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Übrigens hat Wolfgang Schüssel 2003 mit der Angleichung von Arbeitern und Ange­stellten begonnen, und Kollege Muchitsch weiß das. 2013, nach dem Hochwasser, hat es die letzte Änderung im ABGB gegeben, weil der Arbeiter nicht heimdurfte, wenn das Haus überschwemmt war, aber der Angestellte schon. Das haben wir dann 2013 im Sommer gemacht.

Was jetzt aber vorliegt, ist natürlich die Angleichung bei den Kündigungsfristen und bei den Entgeltfortzahlungen. Meine Damen und Herren, das kann man doch nicht in einer Nacht- und Nebelaktion machen – keine Begutachtung, keine Diskussion, kein Sozial-ausschuss (Abg. Belakowitsch: Wer hat den Sozialausschuss abgesagt? – Zwi-schenruf der Abg. Schatz), Eingriff in Hunderte Kollektivverträge, keine Einbindung der Sozialpartner und kein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff! (Abg. Belakowitsch: Ihr habt den Sozialausschuss abgesagt! – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Schatz.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir das hier auch wirklich ändern – und wir wollen es ändern, wir bringen heute auch einen Entschließungsantrag ein (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Schatz), der die Regierung auffordert, das bis Ende 2018 vorzulegen –, dann aber mit einem einheitlichen Arbeitnehmerbegriff am Ende des Tages. Wenn ich keine Unterschiede mehr habe, dann habe ich keine Arbeiter und Angestellten mehr, dann habe ich einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff. Das ist hier nicht zu Ende gedacht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 102

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! (Abg. Schieder: Das ist jetzt aber kein Husch-Pfusch-Antrag!) – Herr Kollege Schieder, du musst selbst heute abändern; die Kündigungsfristen sollen erst 2021 in Kraft treten, weil euch der ÖGB zurückgepfiffen hat. Foglar ist der Einzige, der noch versteht – und wahrscheinlich die Gewerkschafter, die hier herinnen sitzen –, dass man das nicht mit 1. Jänner in Kraft treten lassen kann. Dann steht die ganze Partie, dort, wo Arbeiter angestellt sind. Daher hat Foglar gesagt: Macht eine Frist, bei der drei Jahre Zeit bleiben, weil das schlicht und einfach nicht geht! – Das ist eigentlich die Bestätigung dafür. Man muss eigentlich dem Präsidenten Foglar dankbar sein, dass er seine eigene Partei zurechtgewiesen hat. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Hauser und Schatz.)

Zum Kindesunterhalt möchte ich ankündigen, dass wir einen eigenen Antrag ein­bringen. Es liegen ja von drei Fraktionen Anträge vor. Wir wollen den armutsgefähr­deten Kindern und Müttern zur Seite stehen, aber wir wollen keine Überweisung ins Ausland. Wir wollen keine Überweisungen ins EU-Ausland, so wie das bei der Familienbeihilfe der Fall ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir von der Volkspartei halten unsere Linie: keine budgetschädlichen Beschlüsse, keine Husch-Pfusch-Gesetze. (Abg. Gisela Wurm: Keine Ahnung!) Verantwortung für Österreich, meine Damen und Herren, heißt auch Verantwortung für die Finanzen und Verantwortung für das Budget. Sie können auch gerne der Schuldenbremse zustim­men, meine Damen und Herren, die ja als Nächstes auf der Tagesordnung steht. Vor fünf Jahren waren Sie ja noch dabei. (Abg. Kickl: Ah, jetzt schon?) Wir hätten dann eine Verfassungsmehrheit, wenn auch die SPÖ zustimmen würde; das brauchen wir in dem Land, damit nicht unnötig Geld ausgegeben wird. (Abg. Schieder: Husch-Pfusch! Ohne Ausschuss!)

Wir überstimmen aber heute die SPÖ wiederum nicht, weil wir uns nach wie vor an das Koalitionsübereinkommen halten. (Ah-Rufe und ironische Heiterkeit bei der FPÖ.) Es gäbe schon Begehrlichkeiten, aber wir stimmen dem Misstrauensantrag nicht zu, weil wir für einen neuen Stil stehen, weil wir einen neuen Stil in Österreich einziehen lassen wollen. Deshalb kann ich nur sagen: am Sonntag Sebastian Kurz und die neue Volkspartei! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

14.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Dr. Strolz. – Bitte.

 


14.01.14

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Regie­rungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Es ist Zeit, dass sich der Wahlkampf einem Ende zuneigt. (Abg. Brosz: Sind Sie auch schon bei der neuen Volkspartei?) Ich glaube, die ganze Republik hat langsam genug. Wir haben heute die letzte Debatte dieser Gesetzgebungsperiode in diesem Hohen Haus, im Nationalrat, und dann werden von den Menschen die Weichen neu gestellt.

Der Herr Bundeskanzler lädt hier zu einer Diskussion zum Thema Verantwortung. Es ist natürlich Teil seiner Inszenierung, die in den letzten Wochen nicht immer glücklich gelaufen ist. (Abg. Belakowitsch: Heute auch nicht!) Wir werden aber natürlich gerne in die Debatte zum Thema Verantwortung eintreten. Herr Kern, Sie wissen, dass wir sogar eine Allianz für Freiheit und Verantwortung geschlossen haben, und das ist das, was wir in den nächsten fünf Jahren einbringen werden.

Ich will jetzt gar nicht großartig über die anderen schimpfen, sondern ich möchte noch einmal unser Angebot ausschildern, mit dem wir uns in den nächsten fünf Jahren entlang von drei Leitlinien für die Menschen in diesem Land einsetzen werden. Diese


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 103

drei Leitlinien lauten erstens Inhalte statt Intrige, zweitens Freiheit statt Filz und drittens Tempo statt Taktik. – Ich werde ausführen, was sich dahinter verbirgt.

Inhalte statt Intrige: Wir sind eine Kraft der Vernunft, auch der intellektuellen Redlich­keit. Wenn ganze Volksparteien zum Populismus greifen, dann ist es in der Auf­schaukelung der populistischen Ränder nicht immer einfach, auch immer entsprechend vorzukommen. (Abg. Brosz: Was macht denn der Schellhorn bei Ihnen?) Wir werden dennoch unserem Stil treu bleiben und werden Ihnen versprechen, liebe Damen und Herren, dass wir für Lösungen arbeiten werden, die im echten Leben ankommen. So haben wir es auch jetzt im Wahlkampf gehalten. Wir haben sieben Chancenpläne erarbeitet, zwei Zukunftspläne präsentiert und eine Steuerreform vorgestellt. (Abg. Belakowitsch: Sieben? Ich dachte drei! Such dir aus, was dir gefällt!)

Wir haben diese 98 Seiten erarbeitet und vorgestellt, unter anderem auch mit Leuten aus mehr oder minder allen Parteien: Wir haben zum Beispiel zwei ehemalige General­sekretäre der ÖVP an Bord gehabt sowie auch im Bildungsbereich eine Pressekon­ferenz mit einem ehemaligen ÖVP-Obmann abgehalten. Wir haben mit Viktoria Kickinger ein bekennendes SPÖ-Mitglied, die sagt: Ja, mein Herz schlägt unter Schmerzen irgendwo immer noch für die SPÖ; ich lebe bürgerlich, und bei der Wirtschaftspolitik kommt für mich nur NEOS infrage, weil die hier einfach auch den klarsten Blick haben. – Wir haben Max Schrems, der in normalen Zeiten eher ein Grünwähler ist, aber auch im Komitee des Herrn Kern sitzt, der sagt: Bei der Digitalisie­rung sind die NEOS für mich ein Bündnispartner; ich gehe in Erarbeitungen mit hinein. (Zwischenruf des Abg. Brosz. – Abg. Belakowitsch: Ja, die NEOS haben ihn jetzt aufgenommen!)

Wir werden bereits in der Woche nach den Wahlen, meine Damen und Herren, auf alle Kräfte, die im nächsten Parlament sind, zugehen und werden jede einzelne Kraft im Parlament zu sogenannten Chancengesprächen einladen. Ich glaube, wir müssen da zu einem ganz anderen Stil des Zusammenarbeitens kommen. In Norwegen ist es zum Beispiel seit Jahrzehnten so, dass die Regierung – wer auch immer sie bildet – immer auch ganz klar ein Kooperationsübereinkommen mit einzelnen Oppositionskräften hat; wir glauben, dass das die Normalität sein sollte. Es sollte die Normalität sein, dass man zu Beginn einer Periode sagt: Wo wollen wir über die Parteigrenzen hinweg, über die Grenze von Opposition und Regierung hinweg zusammenarbeiten? – Diesen Keimling werden wir in der ersten Woche nach den Wahlen setzen, wir werden ihn gießen und hegen, und ich sage Ihnen: Er wird über die Zeit Wurzeln schlagen. Die Zeit des rot-schwarzen Machtkartells mit den Sozialpartnern auf dem Beifahrersitz, die auch noch ins Lenkrad greifen, während die Anträge der Opposition immer nur im Papierkübel landen, ist vorbei. Ich will, dass wir hier einen entschlossenen Schritt in Richtung Arbeitsparlament weiterkommen. (Beifall bei den NEOS.)

Das heißt für uns auch: Freiheit statt Filz. Das können wir in vielen Bereichen runter­deklinieren. Freiheit heißt für uns auch, den Menschen mehr Geld in der Geldtasche zu lassen. Deswegen: Runter mit der Steuer- und Abgabenquote! Wir haben diesbe­züglich umfassende Vorschläge, wir können in Österreich unendlich viel an Ver­schwen­dung – nicht unendlich viel, aber sehr viel – stoppen. Das fängt bei den Förde­rungen an. Wir haben über 50 000 Förderungen in Österreich – 53 000 –, auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene. Es ist ein Dickicht der Anfütterung von parteipolitischen Freundes­kreisen. Das ist ein Elend für die Steuerzahler, da können wir ausholzen und den Menschen mehr Geld lassen. Das ist für uns ein Ausdruck von Freiheit.

Gestern habe ich Christian Lindner von der FDP hier gehabt. Wir haben in jedem Land in Europa Verbündete, die ein ähnliches oder gleiches Freiheitsverständnis haben, und wir werden auch hier in Österreich um Allianzen bemüht sein, damit dieser Freiheits­gedanke wächst.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 104

Freiheit beispielsweise auch in der Bildung: Ich war diese Woche in der Steiermark und habe dort eine Schule besucht, die großartig ist. Herr Kern, Sie waren auch schon bei der Eröffnung dort, Sie kennen die De-La-Tour-Schulen. Es ist großartig, was die dort machen – großartig! –, nach den Prinzipien Freiheit, Verantwortung und auch Zeit­management, eigenes Lerntempo der Kinder. Ich habe die Kinder interviewt, ich habe gefragt: Wie geht es euch? – Sie haben gesagt: Super, wir lieben es! – Ich habe gefragt: Was taugt euch? – Sie haben gesagt: das Lernen. – Ui, da geht einem das Herz auf! Das wünsche ich jedem einzelnen Kind in diesem Land. Das ist ein Ausdruck von Freiheit, den sie dort leben und den wir in jede Schulklasse bringen können.

Schlussendlich Tempo statt Taktik: Dieser Wahlkampf wurde von taktischen Manövern, Untergriffen, Bösartigkeiten, Schamlosigkeiten und schäbigen Wahlkampfpraktiken dominiert, die für unsere gemeinsame Branche beklemmend sind. Ich glaube, der Flurschaden, der da angerichtet wurde, ist groß, er ist schwer zu ermessen. Wir werden alle in der Pflicht sein, wieder für mehr Vertrauen in die Politik zu werben. Ich glaube, da ist bei den Menschen auch ganz viel kaputtgegangen, und es war ja nicht so, dass wir als Politiker in Sachen Glaubwürdigkeit auf einem fetten Polster gesessen sind. Wir müssen nach dem Wahlgang hier grundsätzlich eine Art von Neustart an­packen. Das ist nicht der Neustart einer Regierung, sondern des gesamten politischen Systems, der Kultur, wie wir miteinander umgehen, welche Art von Praktiken wir einander zugestehen, welche Art des Miteinanders wir kultivieren. Ich gebe das Ver­sprechen ab, dass wir hier als positive Kraft zur Stelle sein werden und über die Parteigrenzen hinweg auch Allianzen werben werden.

Alles Gute allen, die da wahlwerben. Ich kann berichten, dass es in allen Parteien gute Leute gibt, dennoch bin ich zutiefst davon überzeugt: Dieses alte, verkrustete Macht­system, auch, wenn es möglicherweise mit anderen Farben übermalt ist, ist moralisch und inhaltlich zu Ende gefahren. Es braucht neue Kräfte in diesem Land. (Beifall bei den NEOS.)

14.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Vizekanzler Dr. Brandstetter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


14.08.57

Bundesminister für Justiz Vizekanzler Dr. Wolfgang Brandstetter: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungs­bank! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich denke heute an jenen Tag Mitte Mai zurück, als ich in innenpolitisch turbulenten Zeiten die Funktion des Vizekanzlers übernommen habe, verbunden mit der Aufgabe und der festen Absicht, aus dem Regierungsprogramm noch das umzusetzen, was noch umsetzbar ist. (Abg. Walter Rosenkranz: Obwohl der Bundeskanzler einen anderen Vizekanzler wollte!)

Ich habe diese Aufgabe von Anfang an sehr realistisch eingeschätzt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Sie werden sich daran erinnern, ich habe damals bewusst gesagt: Diesem Anfang wohnt kein Zauber inne. – Ich habe den Eindruck, dass auch dem Ende kein Zauber innewohnt, wenn man sich, wie schon erwähnt wurde, ansieht, von wie viel Aggression, Gehässigkeit und wechselseitigem Niedermachen die der­zeitige innenpolitische Szene geprägt ist, bis hin zu Dirty Campaigning in einer Form, wie es das in Österreich noch nie gegeben hat. (Abg. Kickl: Aber wechselseitig! – Abg. Bösch: Aber er ist unabhängig!)

Es ist aber dennoch gelungen, noch einiges umzusetzen. Das soll nicht untergehen, und deshalb möchte ich es erwähnen: Die Abschaffung des Pflegeregresses wurde erwähnt, die Einführung von Primärversorgungszentren, die Erhöhung der Frauen-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 105

quote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen, Anhebung der Forschungs­prä­mie, Neuregelung der Privatinsolvenzen, der Beschäftigungsbonus wurde schon erwähnt, wichtige Änderungen im Strafrecht zugunsten von Amtsträgern, die attackiert werden, Maßnahmen gegen die staatsfeindlichen Bewegungen, Verschärfungen im Sexualstrafrecht, wo das wirklich auch notwendig war. – Ja, da ist einiges gelungen. Damit haben viele eigentlich gar nicht mehr gerechnet, daher soll es nicht unerwähnt bleiben.

Bei einigen Themen haben sich viele sehr stark bewegt, auch – das kann ich sagen – die ÖVP hat sich bei einigen Themen sehr flexibel gezeigt. Umgekehrt – und das muss man schon auch zugeben – gab es aber einiges, was wirklich, aus meiner Sicht schmerzlicherweise, nicht gelungen ist. Es gab einige Blockaden, die ich wirklich für schädlich halte. Bei der Arbeitszeitflexibilisierung, bei der Abschaffung des Kumula­tionsprinzips im Verwaltungsstrafrecht hätte uns mehr gelingen müssen, vor allem aber auch beim Sicherheitspaket. Das ist aus meiner Sicht deshalb so schmerzlich, weil das, was im Sicherheitspaket zentral geregelt ist und vorgeschlagen wurde, im erweiterten Regierungsprogramm vom Jänner 2017 ausdrücklich auf Seite 24 genau so festgehalten ist: die Notwendigkeit der Schaffung von Überwachungsmöglichkeiten für internetbasierte Telefonie, damit diese Lücken in der Verfolgung schwerster Krimi­nalität nicht weiter aufrechtbleiben. Wir haben damals – alle Regierungsmitglieder eigenhändig – unterschrieben, dass das notwendig ist und dass das kommen soll. Es kam nicht, und ich glaube, das ist zum Schaden des Landes. (Abg. Scherak: Zum Wohl des Landes!)

Ich habe in dem Punkt auch die Blockade der Freiheitlichen Partei beim Sicher­heitspaket nicht verstanden, denn gerade die Freiheitliche Partei hat sich immer als eine Partei verstanden, die Sicherheitspolitik und Sicherheitsagenden auf ihre Fahnen geheftet hat. (Abg. Walter Rosenkranz: Einen Bundestrojaner! Geht’s noch?) Wenn Sie es näher betrachten, dann wissen Sie, dass es zu diesen technischen Möglich­keiten, die vorgeschlagen wurden, keine Alternative gibt. (Abg. Strache: Bundestro­janer wollen wir keine! Die Bürger bespitzeln!) Sie werden sehen, Sie werden sehr bald auf diese Linie einschwenken, wenn Sie sich wirklich einmal ernsthaft und genau damit auseinandersetzen. (Abg. Walter Rosenkranz: Warum hat eigentlich der Innenminister keine Gespräche mit uns geführt? Der ist sich da auch nicht so sicher!) Andernfalls sind Sie als Partei, die sicherheitspolitische Agenden auch wirklich ernst nimmt, letztlich nicht wirklich ernst zu nehmen. Das muss ich ganz klar sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Scherak und Belakowitsch.)

Ich kann nur hoffen, dass die nächste Regierung dieses so wichtige Thema wirklich unverzüglich angeht und im Interesse des Landes die nötigen Maßnahmen setzt. (Abg. Strache: Hundertausende Islamisten und Antisemiten ins Land holen und dann die Bürgerrechte mit Füßen treten!) Auch da, sehr geehrter Herr Klubobmann Strache, geht es nämlich um Verantwortung. Die muss man wahrnehmen, und man muss sie so wahrnehmen, wie das im Bewusstsein um alle Details schon im Jänner im Regie­rungsprogramm festgelegt wurde. Ich halte das weiterhin für absolut notwendig, das ist letztlich alternativlos. (Abg. Belakowitsch: Es gibt nichts, was alternativlos ist! Es gibt immer Alternativen!)

Ich wollte nur sagen, dass es aber immerhin doch noch Gemeinsamkeiten gab, die wir in der Regierung finden konnten. Ich bin auch dem Regierungspartner für die Bereiche, in denen wir uns verständigen konnten, und für die gar nicht so unwesentlichen Dinge, die wir noch gemeinsam verwirklichen konnten, durchaus dankbar.

Jetzt noch zu einem Punkt, der mir auch wichtig erscheint, nämlich als ein typisches Beispiel für die Notwendigkeit des Zusammenarbeitens im Interesse des Findens bestmöglicher Lösungen: zur Unterhaltsreform. Ja, sie wurde zuletzt immer wieder


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 106

diskutiert, es ist unbestritten, dass wir hier eine Änderung brauchen, aber die Änderung sollte überlegt und sachorientiert getroffen werden. (Zwischenruf der Abg. Schimanek.) Es geht nämlich darum, die bestmögliche Lösung zu finden. Es geht gar nicht so sehr um das Ziel, da sind wir uns alle einig: Der Unterhalt der Kinder muss dort, wo das notwendig ist, weil die Unterhaltsverpflichteten die entsprechenden Leis­tungen nicht erbringen – aus welchen Gründen auch immer –, rasch und unbürokra­tisch vom Staat gesichert werden. Es geht aber um den besten Weg, wie wir dieses gemeinsame Ziel erreichen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Schimanek.)

Dazu kann ich Ihnen aus meiner Erfahrung mit dem Unterhaltsrecht und dem Unter­haltsvorschussrecht – das fällt in unsere Kompetenz, da weiß ich, wovon ich spreche – eines sagen: Wenn die Unterhaltshöhe festgesetzt wird, dann tun das unsere Gerichte auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in den unter­schiedlichen Ländern. Es kommt also schon darauf an, wo das Kind, für das Unterhalt geleistet werden muss, lebt. Da zu differenzieren und zu berücksichtigen, dass die Lebenshaltungskosten in bestimmten Ländern niedriger oder auch höher als in Öster­reich sind, ist für die Justiz selbstverständlich, das wird seit Jahrzehnten so gemacht. Es ist daher für mich nicht verständlich, warum man mit diesem Prinzip Schwierigkeiten haben kann.

Dazu kommt noch Folgendes: Wir haben auch die Kompetenz für den Unterhalts­vorschuss. Jetzt sagen mir Praktiker, vor allem Bezirksrichter, immer wieder, dass das extrem bürokratisch ist, dass wir da etwas Unbürokratischeres brauchen. Die Leute kommen zu uns, stellen den ersten Antrag, dann schicken wir sie in die Bezirkshaupt­mannschaft, dann kommen sie wieder – das ist ein ständiges Hin und Her. Das heißt, das Wesentliche ist, dass es ein besseres Modell als das derzeitige gibt. Wenn wir sicherstellen wollen, dass der notwendige Unterhalt für die Kinder wirklich von staat­licher Seite garantiert werden kann, dann geht das am besten in der Form, dass letztlich jene Institutionen, die die Sozialkompetenz im Land haben, nämlich die Länder, das sicherstellen, allenfalls mit einer Rückendeckung finanzieller Art durch den Bund. Das ist alles möglich, alles machbar, das kann man sich im Detail noch genau anschauen.

Eines ist aber ganz wesentlich: dass das juristische Argument, es sei möglich, so einen Unterhaltszuschuss auf in Österreich wohnhafte und lebende Kinder einzuschränken, einfach nicht funktioniert und juristisch falsch ist. Ich habe mir da extra noch die Regelung des Art. 67 Abs. 1 der Koordinierungsverordnung der EU in Erinnerung gerufen, die eindeutig besagt: „Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechts­vorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.“ – Das heißt, jedes Modell, das auf das Anknüpfen an die Familienbeihilfe abstellt, führt natürlich dazu, dass hohe Summen mit entsprechend schwieriger Kontrollmöglichkeit ins Ausland fließen werden. Das ist nun einmal so, und da gibt es bessere Möglichkeiten.

Alles Weitere, was in diesem Vorschlag noch enthalten ist, ist zum Teil auch durchaus etwas, was man überdenken sollte. Die Begrenzung auf fünf Jahre oder die Eingren­zung auf Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen verstehe ich in Wirklichkeit nicht. Wenn es wirklich um die Interessen der Kinder und um die Sicherung des Unterhalts in der Höhe geht, die notwendig ist und die den Kindern gebührt, dann sollte man noch die Reste an Gemeinsamkeit suchen, die dazu führen, dass man die bestmögliche Lösung findet und nicht etwas, wovon man jetzt einfach einmal sagt: Das ist das, was wir wollen. – Das ist nur sehr selten auch wirklich das Beste.

Eine rechtspolitisch insgesamt so wichtige Materie wie der Kindesunterhalt sollte schon etwas sein, was man sich wirklich ruhig und seriös überlegt. Dieses Problem hat die


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 107

bestmögliche Lösung verdient, diese ist aber, wie ich fürchte, derzeit nicht chan­cenreich, denn ich habe das Gefühl, dass niemand mehr bereit ist, auf Argumente der anderen einzugehen, auch wenn er vielleicht innerlich schon spürt, dass diese Argumente vielleicht besser sind.

Ich kann mich nur den Warnungen des Herrn Finanzministers anschließen: Es besteht schon die Gefahr, dass hier jetzt Wahlzuckerl beschlossen werden, ohne dass man sich das näher überlegt. Gerade bei diesem Thema besteht diese Gefahr. Es sollte wirklich verhindert werden, dass hier Geldflüsse ins Ausland in hohem Maße ermög­licht werden, ohne dass dies notwendig ist. Es gibt bessere Lösungen, und man kann sie finden, wenn man nur bereit ist, dem anderen auch zuzuhören. (Abg. Schieder: Da beklagen Sie das Gleiche!)

Ich glaube, Sie werden mir das zugestehen: Ich habe mich immer bemüht, meinem Gegenüber mit Respekt entgegenzutreten. Ich habe das insbesondere auch in den letzten Monaten versucht, habe versucht, möglichst ruhig und sachlich das aus dem Regierungsübereinkommen und -programm noch abzuarbeiten und zu retten, was möglich war. Dabei habe ich diese Reste von Teamfähigkeit durchaus noch wahrge­nommen. Ich bedanke mich ausdrücklich beim Regierungspartner dafür und hoffe, dass diese Reste auch dazu führen können, dass wir heute vielleicht doch eine Lösung finden könnten, die sachgerechter und besser ist.

Ich weiß aber schon, es ist mir ja klar: Die letzten Wochen und Monate haben gezeigt, dass das Miteinander und die Kooperationsbereitschaft einfach rapide abgenommen haben. Traurigerweise muss man sich wohl auch eingestehen, dass dieser Wahlkampf einen Tiefpunkt erreicht hat, der deutlich macht, dass wir tatsächliche Lücken im Straf­recht haben, insbesondere wenn es um strukturelles, gezieltes Dirty Campaigning geht. Ich sage noch einmal – das ist eine Überlegung, die wir schon länger haben –: Die Tatbestände, die wir gegen das, was man jetzt Dirty Campaigning nennt, haben, reichen nicht aus. Sie beruhen – wenn Sie es sich näher anschauen, werden Sie es verstehen – auf den Verhältnissen der Siebziger- und Achtzigerjahre, auf unserem alten Medienrecht. Das wird den heutigen Verhältnissen nicht mehr gerecht, das muss man sehen.

Wir beschäftigen uns schon länger damit, und wir stellen immer wieder fest: Wir haben offensichtlich in verschiedenen Bereichen ein tiefer liegendes strukturelles Problem. (Abg. Brosz: Das haben Sie gemacht, seit Jahren jetzt!) Das Internet hat die gesell­schaftlichen Verhältnisse derart verändert, dass wir immer wieder feststellen müssen: Mit den bisherigen traditionellen Instrumentarien kommen wir nicht mehr aus, wir brauchen etwas Neues, und dieser Bereich gehört dazu.

Ein anderes Beispiel, mit dem Sie sich irgendwann noch werden beschäftigen müssen: Wir haben – und das ist gut so – in Österreich die strengsten Gesetze gegen Geldwäsche. (Zwischenruf des Abg. Brosz.) Wir wissen aber derzeit nicht, wie wir auf lange Sicht das Phänomen der Bitcoins wirklich kontrollieren und bewältigen können. Die Überwachungsmöglichkeiten, die an ihre Grenzen stoßen, habe ich erwähnt. All das zeigt doch eines: Natürlich haben wir auch durch das Internet immer öfter das Gefühl, dass wir mit unseren Instrumentarien, die wir gewohnt sind, die wir haben, am Ende sind. Und immer öfter habe ich das Gefühl, wir sind da wie jemand, der mit einem Holzhammer ein präzises Uhrwerk reparieren will. Das funktioniert nicht, und da braucht es einfach bei neuen Phänomenen, bei neuen Methoden – und Dirty Cam­paigning gehört einfach dazu – auch neue Maßnahmen. Eines muss einem nämlich klar sein: Wer in solche Maßnahmen, wer in Fake News, wer in Dirty Campaigning investiert, der investiert in Politikverdrossenheit, und das halte ich für demokratie­poli­tisch extrem gefährlich. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 108

In diesem Sinne, meine Damen und Herren Abgeordnete, möchte ich wirklich an Sie appellieren, alles zu unterstützen, was es in Zukunft an Maßnahmen geben wird, soll und muss, um gegen Hasskriminalität, insbesondere gegen Hass im Internet und gegen unsaubere Methoden im Vorfeld von Wahlen vorzugehen. Da wird es neue Ansätze brauchen, und die sollte man unterstützen. Und wir sollten auch wirklich – und jetzt schließe ich mich sinngemäß dem an, was der Herr Bundeskanzler schon gesagt hat – zu einer politischen Kultur zurückkehren, die von wechselseitigem Respekt und dem ehrlichen Bestreben geprägt ist, gemeinsam die bestmöglichen Lösungen zu erzielen. Das ist es, was dieses Land braucht.

Meine Damen und Herren, ich komme schon zum Schluss. Das Parlament, das habe ich immer so gesehen, kann mehr sein als der kleinste gemeinsame Nenner der Standpunkte der hier vertretenen Parteien – wenn diese wechselseitig respektiert und mit Teamgeist weiterentwickelt werden. Nur so, davon bin ich zutiefst überzeugt, findet man die besten Lösungen für unser Land, und das ist es, was Österreich verdient – und nichts anderes. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

14.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.

 


14.23.08

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Vizekanzler hat jetzt mit Recht auf einige sehr wichtige Schritte hingewiesen, die wir in den letzten Monaten noch gemeinsam auf den Weg bringen konnten, vor allem Maß­nahmen gegen die Arbeitslosigkeit und die Abschaffung des Pflegeregresses, und ich muss anerkennen, Herr Vizekanzler, dass Sie persönlich immer zu denen gehört haben, die versucht haben, gemeinsame Lösungen auf den Weg zu bringen. Wenn Sie aber heute hier von Blockade sprechen, dann kann ich Ihnen nicht ersparen, darauf hinzuweisen, von wem in den letzten Monaten die Blockade ausgegangen ist.

Wir haben das schließlich schwarz auf weiß, seit Strategiepapiere aus Ihrer Partei­zentrale aufgetaucht sind, nämlich dass Ihr jetziger Spitzenkandidat massiv daran gearbeitet hat, jede Einigung, die sich angebahnt hat, zu zerstören, Einigungen zu verhindern, Lösungen – wichtige Lösungen! – zu verhindern, um dann zu sagen: Ich muss jetzt die Regierung in die Luft sprengen, weil keine Lösungen auf den Weg kommen. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

Also von wem die Blockade ausgegangen ist, ist leider ganz klar. Heute ist – das wurde auch schon gesagt – eine sehr wichtige Sitzung, weil wir in dieser letzten Sitzung des Nationalrates wahrscheinlich miteinander noch einige sehr wichtige Dinge beschließen können. Ich habe im Vorfeld immer wieder von Wahlzuckerln gehört, auch heute in der Debatte. Ein Zuckerl ist etwas, das kurz gut schmeckt, aber letztlich eigentlich ein bisschen überflüssig ist. Wenn wir uns aber anschauen, um welche Maßnahmen es heute geht, so sind das gar keine überflüssigen Dinge, sondern ganz und gar wichtige Themen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

So geht es zum Beispiel um extrem wichtige Schritte gegen die Armut in diesem Land wie die Notstandshilfe, den eigenständigen Anspruch von Frauen auf Notstandshilfe oder dass wir Frauen helfen, die Unterhalt brauchen, denen Unterhalt zusteht, wo der Mann den Unterhalt aber nicht zahlt, dass wir diesen Frauen, diesen Alleinerzie­herinnen, dazu verhelfen, zu diesem Unterhalt zu kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten betrifft, so ist es nicht einzu­se­hen, dass da weiterhin ein Unterschied bestehen soll. Das sagen wir schon seit vielen Jahren. (Abg. Loacker: Warum lassen Sie ...?) Dass Lehrlinge künftig nicht mehr für


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 109

den Internatsbesuch zahlen müssen, ist auch wichtig und entlastet eine Gruppe, der es finanziell gar nicht gut geht und die das dringend braucht. Oder der Wegfall der Gebühren auf Mietverträge: Das ist ein wichtiger Schritt, um das Wohnen wieder leistbarer zu machen – etwas, was ganz wichtig ist in diesem Land und wofür wir in den nächsten Jahren noch viel mehr machen müssen und machen wollen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben heute, weil es eben wechselnde Mehr­heiten gibt, ein Zeitfenster, Dinge zu beschließen, die wir seit Langem fordern, wo es ausgefeilte Konzepte gibt – von wegen Husch-Pfusch –, die aber leider nicht durch­setzbar waren, weil die ÖVP diese Dinge nicht wollte.

Am Sonntag – der Herr Bundeskanzler hat darauf hingewiesen – geht es darum, welche Mehrheiten gewählt werden, wie die Mehrheiten in diesem Haus in den nächsten Jahren aussehen werden. Und weil ja im Raum steht, dass Blau-Schwarz schon ausgehandelt wird oder wahrscheinlich ausgehandelt wird, möchte ich daran erinnern, dass es damit aus den vergangenen Jahren ja auch schon Erfahrungen gibt, etwa dass die Pensionen gekürzt worden sind, und zwar die Pensionen für die künftigen Generationen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Walter Rosenkranz, Stefan und Kickl. – Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.) – Das finden Sie jetzt lustig. Die Betroffenen finden das gar nicht lustig. (Abg. Kickl – auf die Kleidung der Rednerin anspielend –: Nein, ich bewundere Ihr rot-schwarzes Ensemble!)

Als damals die Witwenpensionen gekürzt wurden, die Pensionen von den Frauen, die berufstätig waren, als das österreichische Familiensilber verschleudert wurde, als die Ambulanzgebühren und die Studiengebühren eingeführt worden sind, bin ich aufgrund meiner damaligen politischen Funktion sehr viel in Österreich herumgekommen, und da haben mich die Leute oft gefragt: Warum verhindert ihr das eigentlich nicht? Ich habe damals gesagt: Weil wir im Parlament nicht die Mehrheit haben.

Und darum, sehr geehrte Damen und Herren, geht es am kommenden Sonntag: wer künftig in diesem Haus die Mehrheit haben wird und was in wessen Interesse in den nächsten Jahren passieren wird; ob die Mieten gesenkt werden können, ob alle Kinder ein Recht auf die beste Bildung haben und nicht nur die, deren Eltern eine dicke Geldbörse haben (Zwischenruf des Abg. Deimek); ob jedes Kind gleich viel wert ist, oder ob es nur einen Steuerbonus für die geben soll, die gut verdienen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek); ob wir, sehr geehrte Damen und Herren, in diesem Land ein Klima haben werden, in dem wir aufeinander achten, oder ob wir ein Klima haben werden, in dem wir gegeneinander ausgespielt werden. Das sind die wichtigen Entscheidungen, um die es am Sonntag geht. Daher kann ich an Sie nur appellieren, sehr geehrte Damen und Herren: Erinnern Sie sich an den Schrecken in England, als man mit dem Brexit aufgewacht ist, an den Schrecken in den USA, als man mit Trump aufgewacht ist. (Abg. Walter Rosenkranz: Trump-Wähler schrecken sich nicht! Es sind nur immer die anderen, die sich schrecken!)

Sehr geehrte Damen und Herren, ersparen wir uns diesen Schrecken, das Aufwachen mit diesem Schrecken! Ersparen wir uns das mit einer Stimme für Verantwortung, für Erfahrung, für Christian Kern! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Walter Rosenkranz: Wo ist denn die Bundesprinzessin?)

14.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kickl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.28.53

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Zu meiner Vorrednerin: Ich glaube, der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 110

größte Schrecken, mit dem Österreich aufwachen könnte, ist die Kombination, die Sie sich heute wahrscheinlich als Ausdruck der besonderen Wertschätzung angezogen haben, nämlich die rot-schwarze. Das wäre das Allerschlimmste, wenn in der vierten Auflage wieder das herauskommt, was jetzt dreimal hintereinander ganz massiv gescheitert ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Und meine Güte, meine sehr geehrten Damen und Herren, es kommt ja für diese SPÖ in diesem Wahlkampf wirklich alles zusammen: zunächst einmal ein maßlos über­schätzter und in den Himmel hinaufgehypter Spitzenkandidat, der jetzt in Wirklichkeit eine Bruchlandung hinlegt. Sie hätten auf die prophetischen Worte der Genossin Bures hören sollen: Sie hat im Jahr 2014 schon gewusst, dass Politik nicht die Stärke des Christian Kern ist. (Abg. Walter Rosenkranz: Bravo!) Genossin Bures hat damals wirklich prophetische Kräfte besessen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist der Kanzler: alles andere als der angekündigte Superstar. Dann kommt dazu, dass sein Redenschreiber im kreativen Loch hängt. Ich glaube, Herr Fußi hat ein Burnout. Das kommt dann auch noch dazu.

Und als Drittes stellt sich dann der Herr Schieder als einer der potenziellen Thronfolger vom ganz linken Flügel heraus, das ist einer, der sowieso in einem Dauerformtief hängt, ohne jede Aussicht, dass irgendwann einmal eine Leistungssteigerung drinnen sein wird. Und das ist dann das Ergebnis. (Heiterkeit bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

Da merkt man dann: Auftritte vonseiten der Sozialdemokratischen Partei, wo den vernunftbegabten Kräften auf der Regierungsbank das Unwohlsein wirklich ins Gesicht geschrieben ist, das kann man fast greifen hier herinnen im Plenum, wie unangenehm ihnen das ist, was Sie hier heute teilweise unter dem Titel der Verantwortung zum Besten gegeben haben.

Wissen Sie was? Das hat mit Verantwortung nichts zu tun (Abg. Schieder: ... auch schon einmal frischer!), sondern das, was Sie hier heute gemacht haben, das ist der Missbrauch des Begriffs Verantwortung. (Beifall bei der FPÖ.) Inzwischen haben wir es so weit gebracht, dass man selbst schon Begriffe vor Ihrem Missbrauch schützen muss!

Und es war ja heute jeder hier Augenzeuge und Ohrenzeuge, dass der im Unterschied zu Ihnen allen niemals gewählte Bundeskanzler dieser Republik bis zuletzt (Abg. Weninger: ... Bundeskanzler gewählt, Herr Kollege? – Abg. Heinzl: Kennt sich über­haupt nicht aus ...!), bis zum bitteren Ende, bis zum letzten Tag seinem Konzept treu bleibt. Er verfolgt seinen politischen Plan für Österreich, und dieser politische Plan des Herrn Kanzlers für Österreich, das ist nicht der berühmt-berüchtigte Plan A. Dieser Plan A ist nur ein kleiner Puzzlestein, das ist nur ein Mosaiksteinchen seines Plans für Österreich. Sein Plan für Österreich, der hat ein ganz anderes Kürzel: Das ist der TS-Plan. Und TS steht für Tal Silberstein. Das ist der Plan, den der Kanzler bis zum bitteren Ende, bis zu diesem Sonntag noch durchziehen wird: den TS-Plan! (Abg. Hell: ... US-Plan: der Uwe-Scheuch-Plan!)

Und was steht da drinnen, in diesem Tal-Silberstein-Plan? Da steht drinnen, dass die richtige politische Mixtur zu 95 Prozent aus Inszenierung und zu 5 Prozent aus Inhalten besteht. Das macht er bis zum heutigen Tag so, das war auch heute nicht anders. (Beifall bei der FPÖ.)

Da steht drinnen: Wenn du keine eigene Leistung erbringst, dann schmücke dich mit fremden Federn! Das ist das Wirtschaftswachstum. Da können Sie sich bei den Chinesen bedanken, Sie haben damit nicht das Mindeste zu tun. Da steht drinnen: Wenn du als Regierungschef nichts weiterbringst, dann tu so, als ob du die Opposition


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 111

wärst, und stelle permanent Forderungen an dich selber! Das ist das, was wir in den letzten Wochen und Monaten erlebt haben. (Abg. Schieder: Haben Sie irgendwelche eigenen Inhalte?) Das steht drinnen in diesem Tal-Silberstein-Plan. (Beifall bei der FPÖ.)

Und dann steht auch noch drinnen, dass man seine Vorgänger, wenn man sie nicht wegmobben kann, vielleicht am besten irgendwie durch einen Meuchelakt beseitigt. (Abg. Schieder: Sie sind hohl wie ein Osterhase!) Auch das steht in diesem Plan drinnen. Diese Punkte, die ich jetzt genannt habe, sind in einer sehr frühen Phase dieses Wahlkampfs durch einen Maulwurf an die ÖVP herangetragen worden, und dort war man offensichtlich sehr, sehr inspiriert von all diesen Punkten. Dieses Modell, diese sogenannte Liste Kurz, funktioniert nämlich nach genau den gleichen Kriterien. Da sollten Sie auch einmal drüber nachdenken! (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Genau!)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Plan ist ja noch viel, viel detaillier­ter. Da steht drinnen: Lieber Christian, du sollst natürlich ordentlich Dirty Campaigning machen, du darfst dich nur nicht erwischen lassen, und zu diesem Behufe verwische die eigenen Spuren und lege möglichst viele Spuren zu den anderen! (Ruf bei der SPÖ: Wo steht das?)

Und dann steht drinnen: Und wenn du dann aufgeklatscht wirst, wenn die Bombe in deinen eigenen Reihen explodiert, dann spiele dich als Opfer auf, dann inszeniere dich als Opfer und betreibe in dieser Form das Dirty Campaigning weiter, indem du versuchst, möglichst viele, die damit nichts zu tun haben, auch noch hineinzureißen! – Das steht in diesem Silberstein-Plan drinnen! (Beifall bei der FPÖ.)

Und Sie haben diesen Plan bestellt. Sie sind Obmann einer Partei. Sie haben diesen Plan bestellt. Das hat ja Ihre Sonderkommission, in der der Genosse Gusenbauer ... in der der Genosse Matznetter gegen seinen Freund Gusenbauer ermittelt. (Ruf: Na was jetzt?!) Das finde ich ja besonders lustig. Der Nick Knatterton der SPÖ hat das ja selbst veröffentlicht; auf der SPÖ-Homepage nachzulesen. Da steht drinnen, bitte, Sie haben den Herrn Silberstein mit Opposition Research beauftragt, und Opposition Research, das heißt nicht Oppositionsforschung (Heiterkeit bei der FPÖ), sondern das heißt sys­tematisches Sammeln von schlechtmachendem Material im Zusammenhang mit dem politischen Mitbewerber. Das ist das feinere Vokabel für Dirty Campaigning. (Zwischen­ruf der Abg. Korun.) Auf Seite 3 Ihres Matznetter-Sonderkommissionspapiers können Sie das nachlesen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und Sie sagen, Sie haben von all dem nichts gewusst. Das ist ja wirklich ein Witz, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Und wenn dann eben die Bombe hochgeht, wenn man die Medien auch nicht mehr unter Kontrolle bekommen kann, wenn dann dazu noch die dubiosen Firmengeflechte hochkommen, Millionärs- und Milliardärsnetzwerke der internationalen Korruption und von Leuten, die sich weltweit Regierungsmitglieder kaufen, dann hat der Herr Silberstein noch einen Tipp: Dann, lieber Christian – dear princess! (Heiterkeit bei der FPÖ – Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig) –, musst du bitte wenige Tage vor der Wahl ins Parlament gehen. Dann musst du dort eine Erklärung zum Thema Verant­wortung für Österreich abgeben. Und am besten ist, der Rudi Fußi schreibt dir dann die Rede, oder irgendein anderer dieser Truppe von Politsöldnern, die bei Ihnen ein- und ausgegangen sind – nicht irgendwo, sondern im Kanzleramt der Republik, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist das, was wir heute erlebt haben. Das haben wir heute erlebt. Und das ist nicht der ultimative Knaller und der ultimative Gegenschlag, den Sie hier heute produziert


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 112

haben, sondern das war der ultimative Knieschuss, mit einer Kugel durch beide Kniegelenke. Das ist Ihnen heute gelungen! (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Und wissen Sie, Herr Bundeskanzler, in Anlehnung an ein Wort, das Sie gestern in der Fernsehdiskussion verwendet haben, möchte ich Ihnen zurufen: Inszenierung nennt sich das, was Sie Politik nennen. Und vermessen und dreist ist das, wovon Sie vielleicht glauben, dass es clever und smart ist. Es ist vermessen und dreist. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist vermessen und dreist, Herr Bundeskanzler. Und ich spreche auch diesen roten Boulevard of Broken Dreams an (Heiterkeit bei der FPÖ), der sich da drüben ange­sammelt hat. Es ist vermessen, wenn man aus Ihrem Mund in Tagen wie diesen den Begriff der Verantwortung hört. Sie sollten sich eigentlich hierherstellen, einer nach dem anderen, und die österreichische Bevölkerung um Entschuldigung bitten. Das wäre angebracht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was Sie stattdessen gemacht haben, ist, eine Orgie der Verantwortungslosigkeit zu inszenieren, Tag und Nacht, 24 Stunden, sieben Tage die Woche, volles Rohr – eine Orgie der Verantwortungslosigkeit gegenüber den Medien, die Sie nicht unter Kontrolle bekommen haben, über die Sie sich dann ärgern – Stichwort Glaskinn –, gegenüber Journalisten, im Besonderen gegenüber einzelnen, dann gegenüber Ihren eigenen Leuten, wobei Ihre Führungsqualität und Ihre Managementfähigkeit darin besteht, sich an Untergebenen abzuputzen, aber letzten Endes gegenüber ganz Österreich, gegenüber der österreichischen Bevölkerung und gegenüber der politischen Kultur in diesem Land. Und deshalb kann ich gar nicht anders, meine sehr geehrten Damen und Herren, als einen Misstrauensantrag einzubringen, und das tue ich hiermit.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler

Die unterfertigten Abgeordneten stellen nachstehenden Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundeskanzler wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen ja noch etwas bedenken: Das Ganze ist ja noch gar nicht aus, denn bis zur Bildung einer neuen Regierung bleibt der Herr Bundeskanzler ja noch im Amt. Ja um Himmels willen, wer weiß, was dem Herrn Kern und seiner Silberstein-Abteilung – oder den Restbeständen davon – noch alles einfällt, wenn am Sonntag ein Ergebnis herauskommt, das den Genossinnen und Genossen nicht passt? Ja womit müssen wir denn dann rechnen? (Abg. Weninger: Wie war das mit der Bundespräsidentenwahl?!) Wir haben bei der letzten Auslands­reise des Kanzlers im Zuge des EU-Gipfels schon einen leichten Vorgeschmack auf das, womit wir rechnen müssen, bekommen. Da haben wir gesehen, woher der Wind weht, wenn den Genossen etwas nicht in den Kram passt. Da haben Sie sich mit dem Herrn Juncker, mit dem fleischgewordenen Machtrausch der Europäischen Union, verbündet, um gegen das eigene Land Stimmung zu machen, anstatt eine demo-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 113

kratisch legitimierte Partei im Ausland gegen völlig ungerechtfertigte Anwürfe zu vertei­digen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das sage ich Ihnen schon: Dieses Verhalten im Ausland Österreich gegenüber ist in der Zwischenzeit schon eine sozialdemokratische Kerntugend geworden. Sie haben kein Internet gebraucht, um Dirty Campaigning zu betreiben. Das wissen innenpolitisch Interessierte seit vielen, vielen Jahren. Und deshalb haben wir diesen Antrag einge­bracht.

Ein Wort auch noch zur Österreichischen Volkspartei: Ich würde Sie wirklich bitten, noch einmal in sich zu gehen, wenn es um die Abstimmung zu diesem Antrag geht, denn eigentlich müssten Sie diesen Antrag ja mit großer Freude unterstützen, mit freudigem Herzen, aus innerer Überzeugung und wegen des neuen Stils, von dem Sie da dauernd reden. (Abg. Höbart: Es ist Zeit!)

Was bedeutet es denn, wenn Sie diesen Antrag nicht unterstützen? Das bedeutet doch, dass Sie dem Herrn Bundeskanzler und genau allen Dingen, die Sie an ihm kritisieren, die Mauer machen. Das ist das nächste rot-schwarze Mauerprojekt, diesmal hier im Parlament. Sie machen ihm die Mauer! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie machen ihm die Mauer, und jeder gelernte Österreicher weiß, was das bedeutet. Es bedeutet, dass wir es bei dieser Zustimmungsverweigerung in Wirklichkeit mit der Ouvertüre zur vierten Auflage dieser unseligen Koalition aus Rot und Schwarz, diesmal halt unter umgekehrten Vorzeichen, zu tun haben. Das ist es, worum es bei dieser Verweigerung in Wahrheit geht!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen möchte ich mit einem Appell an die österreichische Bevölkerung schließen: Bitte tragen Sie mit Ihrem Wahlverhalten dafür Sorge, dass diese roten und schwarzen Verantwortungslosen die Verantwortung dann ab dem 16. auch los sind! – Darum geht es bei dieser Wahl! (Beifall bei der FPÖ.)

Es geht darum, dass die Verantwortungslosen die Verantwortung auch wirklich los sind, und das geht nur mit einer echten Veränderung. Und diese echte Veränderung gibt es nur mit der FPÖ. (Beifall bei der FPÖ.)

14.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrau­ens gegenüber dem Bundeskanzler, eingebracht im Zuge der Debatte zu der Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung in der 199. Sitzung des Nationalrates, XXV. GP, am 12. Oktober 2017

Die unterfertigten Abgeordneten stellen nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 114

„Dem Bundeskanzler wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Ent­schließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Ottenschläger gelangt nun zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.41.38

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst zu den Ausführungen des Kollegen Kickl. Die Begründung, warum wir Ihrem Antrag nicht zustimmen werden, ist relativ einfach: Der Souverän, die Wählerinnen und Wähler sind am 15. Oktober, in drei Tagen, am Wort, und diese werden entscheiden, wer die stärkste Kraft in diesem Land wird. Diesen sollten wir nicht vorgreifen. Ich gehe davon aus, dass die stärkste Fraktion einen ent­sprechenden Auftrag erhalten und eine neue Regierung bilden wird, und das möglichst rasch und mit einem neuen Bundeskanzler. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Er bleibt ja Kanzler!)

Eigentlich wollte ich eine sehr versöhnliche Rede halten, aber was mich als Parlamen­tarier jetzt schon sehr ärgert, meine Damen Herren, ist Folgendes: Der Herr Bun­deskanzler beantragt für sich einen eigenen Tagesordnungspunkt und hört nicht einmal den Rednerinnen und Rednern dazu zu. Die Debatte, die er hier heute sozusagen wollte, der folgt er nicht. Und das – er hat uns vorhin erzählt, er will mehr Respekt in der Politik – ist respektlos, und das ist ehrlich gesagt am Ende dieses Wahlkampfs, so finde ich, wirklich ein Zeichen dafür, wie er mit Verantwortung umgeht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Maurer und Scherak.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat – und das ist durchaus legitim – natürlich versucht, in einer gewissen Art und Weise Bilanz zu ziehen. Es ist jetzt aber eine Zeit, in der die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger nicht wissen wollen, was in der Vergangenheit war, sondern was in der Zukunft sein wird, was wir wollen, und da gibt es unterschiedliche Konzepte.

Meine Damen und Herren, beklatschen wir uns in der Politik jetzt nicht selbst, sondern nehmen wir die Gelegenheit wahr, uns bei denjenigen zu bedanken, die in den letzten Jahren ihre Leistung erbracht haben, damit es uns in Österreich noch immer relativ gut geht, nämlich den Unternehmerinnen und Unternehmern, die Arbeitsplätze schaffen, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die täglich ihre Leistung bringen, den Frei­willigen, den ehrenamtlich Tätigen, die tagtäglich ihren Beitrag für unsere Gesellschaft erbringen.

Ich habe es schon erwähnt, es gibt unterschiedliche Zugänge in der Politik, und gerade die Noch-Regierungsparteien haben unterschiedliche Zugänge. Sie, die SPÖ, der Herr Bundeskanzler wollen möglichst viel Staat. Wir hingegen glauben an die Fähigkeiten der einzelnen Menschen, wir haben Zutrauen zu unseren Bürgerinnen und Bürgern, und wir wollen ihnen ein Stück Freiheit zurückgeben. Wir wollen den Unternehmen nicht mehr zu viel dreinreden und wir wollen, dass die Leistungsträger wieder mehr zum Leben haben und dass sie für das, was sie tagtäglich für diesen Staat, für die Gesellschaft leisten, belohnt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, weil ja vermutlich auch ein Entschließungsantrag betreffend faire Mieten eingebracht wird und der Herr Bundeskanzler und der Herr Kollege Schieder das auch erwähnt haben, schlage ich Ihnen drei Maßnahmen vor, die wir in der Politik im Allgemeinen sehr schnell umsetzen könnten. Fangen wir einmal in der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 115

Stadt Wien an! Die Gebühren, die Mieter in den letzten Jahren zu tragen haben, steigen jedes Jahr weit stärker als die Inflation. Da könnte die Stadt Wien sehr schnell eingreifen und eine Gebührenbremse einführen. Das würde die Mieterinnen und Mieter entlasten. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Zweiten: Erhöhen wir die soziale Treffsicherheit im geförderten Wohnbau, damit diejenigen, die eine solche Wohnung brauchen, sie auch tatsächlich bekommen!

Und zum Dritten – und da muss ich schon auch den Herrn Bundeskanzler zur Verant­wortung ziehen, aber auch die Stadt Wien – haben wir zahlreiche leerstehende Wohnungen, beispielsweise der ÖBB. 6 000 Eisenbahnerwohnungen gibt es, davon stehen seit Jahren 2 000 leer. Das liegt auch in der Verantwortung des Bundeskanz­lers, wenn wir heute schon davon sprechen. Im 9. Bezirk gibt es ein Zinshaus in Top-Lage, das seit Jahren leer steht, und da frage ich mich dann schon: Was ist sozial­demokratische Wohnbaupolitik: dass man Wohnungen leer stehen lässt? Bei Wiener Wohnen dauert es Ewigkeiten, viel zu lange, bis eine sanierte Wohnung wieder auf den Markt kommt. Da könnten wir schnell einen Beitrag dazu leisten, dass es fairere Mieten gibt und dass wir mehr Wohnungen haben. Mehr Angebot bedeutet weniger Kosten. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, wie gesagt, ich wollte eigentlich eine viel versöhnlichere Rede halten, aber dieses Verhalten hat mich dazu veranlasst, andere Töne anzu­schlagen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Herr Kollege! Finden Sie das in Ordnung, wenn der Bundeskanzler hier eine Rede hält und dann nicht einmal den eigenen Red­nerInnen bis zum Schluss zuhört? Ich halte das nicht für verantwortungsvoll. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kogler: Das war jetzt eine Rede, in der der Redner ständig erklärt hat, dass er sie eigentlich nicht halten will! Welche Rede wollten Sie denn eigentlich halten?)

14.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.

 


14.47.06

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Ja, der Bundeskanzler stellt sich heute hierher und gibt eine Erklärung zum Thema Verantwortung für Österreich ab. Und er hat, wie das der SPÖ so oft passiert, wieder einmal eine wesentliche Bevölkerungsgruppe vergessen, und das sind die jungen Menschen in diesem Land.

Seit 55 Jahren können wir uns auf eine Sache immer verlassen, wenn es um SPÖ und ÖVP geht, nämlich dass wir jedes Jahr neue Schulden machen – seit 55 Jahren! Wir haben momentan in Österreich einen Schuldenstand von 290 Milliarden € und zahlen jährlich 8 Milliarden € nur an Zinsen für unsere Schulden. Jedes Kind, das in Österreich auf die Welt kommt, hat von Anfang an, vom Start seines Lebens an 40 000 € Schulden. Und dann stellt sich der Bundeskanzler hierher und erklärt uns was von Verantwortung für Österreich!

Wenn man so etwas Verantwortung nennt, dann hat man den Begriff entweder nicht verstanden oder man will ihn ganz einfach nicht verstehen, denn das, was hier die letzten 55 Jahre gemacht wurde, hat mit Verantwortung nichts zu tun, das ist verant­wortungsloses Schuldenmachen auf Kosten der nächsten Generation. Und vor allem geht es gegen die Menschen, die sich noch nicht wehren können, nämlich die jungen Leute in diesem Land. (Zwischenruf des Abg. Katzian.)

Herr Kollege Katzian! Ich kann auch reden, wenn nicht geklatscht wird. Ich weiß nicht, ob Ihnen das schwerfällt. Mir geht es eher darum, dass ich inhaltlich etwas sage und


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 116

nicht dazwischenschreie so wie Sie. Das Problem ist, das ist nicht nur die SPÖ, das ist ja auch die ÖVP, und deswegen ist es einigermaßen skurril, wenn sich Kollege Wöginger hierherstellt und zu Recht darauf aufmerksam macht, dass mit all den Anträgen, die hier heute herumliegen, 580 Millionen € ausgegeben würden. Ich frage mich da immer, wo denn die ÖVP die letzten 30 Jahre über war. Mein Wissensstand ist: Die ÖVP ist länger in der Bundesregierung, als ich auf der Welt bin. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Belakowitsch: Das ist ja auch nicht mehr die ÖVP!)

Und Sie haben jedes Jahr mitgemacht bei diesem Schuldenmachen, jedes Jahr neue Schulden – SPÖ, ÖVP, genau das gleiche Spiel. Sie spielen bei allem mit, Sie machen genau die gleichen Wahlzuckerl wie die SPÖ: Abschaffung des Pflegeregresses ohne irgendein Konzept zur Gegenfinanzierung, Erhöhung der Pensionen um mehr als die Inflationsrate.

Beim berühmten Pensionshunderter, als jeder Pensionist in Österreich 100 € bekom­men hat, gab es einen mutigen Abgeordneten bei Ihnen, der sich herausgestellt und dagegen gesprochen hat – einer der jungen, Asdin El Habbassi. Sie haben mitge­stimmt, dass jeder Pensionist, egal, wie hoch die Pension ist, 100 € zusätzlich be­kommt. Und Sie machen das deswegen, weil Sie immer eine Sache in den Mittelpunkt stellen, und das ist Ihre eigene Partei und Ihre eigene Klientel. Deswegen verteilen Sie jetzt Wahlzuckerl, wie immer im Vorfeld einer Wahl, und das alles auf Kosten der nächsten Generation. Das hat mit Verantwortung gar nichts zu tun. Das ist verant­wortungslose Politik auf Kosten der Jüngsten in diesem Land und vor allem auf Kosten derer, die noch nicht einmal geboren sind. (Beifall bei den NEOS.)

14.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Katzian. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.

 


14.49.51

Abgeordneter Wolfgang Katzian (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, was die künstliche Aufregung einiger soll, die hier vor mir gesprochen haben. Ich habe das so verstanden, dass der Herr Bundeskanzler sich hier hergestellt und versucht hat, einen Überblick über jene Maßnahmen zu geben, die im letzten Jahr hier im Parlament gemeinsam getroffen wurden, die dazu geführt haben, dass das Wirtschaftswachstum nach oben geht, Rich­tung 3 Prozent, und dass die Arbeitslosigkeit sinkt.

All jene, die sich jetzt hier herstellen und einen großen Wirrwarr inszenieren, hauen dann im Detail hin und werfen Nebelgranaten, so wie Sie das die letzten Wochen und Monate über schon getan haben. Ganz ehrlich, das richtet sich selbst. Wir sind stolz auf diese Erfolge, und wir sind stolz, dass es mit Österreich nach oben geht, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Und dann ist der Kanzler nicht da! – Wo ist der Bundeskanzler?) – Ja, ja, passt schon!

Und dann kommt Kollege Wöginger und regt sich auf, dass die Arbeiter-Angestellten-Thematik nicht von den Sozialpartnern diskutiert wurde. Das ist die gleiche ÖVP – oder ein Abgeordneter dieser ÖVP –, von der uns gesagt wird: Eigentlich wollen wir ja keine Sozialpartner mehr! Herr Kurz hat mehrmals gesagt – und verschiedene andere Vertreter auch , das sei etwas von gestern, das gehöre auf den Müllhaufen der Geschichte, die Kammern gehören aufgelöst und abgeschafft, Flächenkollektivverträge bräuchten wir nicht mehr und Mitbestimmung sei sowieso etwas, was man sich sehr genau anschauen müsste. Das ist auch durch Ihre Aussagen zur Reduktion der Be­triebsräte belegt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 117

Ich kann Ihnen im Zusammenhang mit dem Arbeiter-Angestellten-Thema eines sagen: Zwei Jahre diskutieren wir die Entgeltfortzahlung schon auf Sozialpartnerebene. Zwei Jahre – nicht 14 Tage oder drei Tage, zwei Jahre! –, und es ist nicht gelungen, zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen. Ich glaube daher, wir haben jetzt einen sehr sinnvollen gemeinsamen Weg gefunden, einen verantwortungsvollen Weg, wie man das umsetzen kann. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen und auch eine gute Lösung, die wir da letztlich zustande gebracht haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Und dann kommt Herr Kickl und stellt einen Misstrauensantrag gegen den Kanzler. Also ganz ehrlich, die Meldung hätten Sie sich auch sparen können, Herr Kickl! Wie Sie gesagt haben: Die vernunftbegabten Kräfte auf der Regierungsbank quälen sich ohnedies schon. Dieser plumpe Versuch, die Sozialdemokratie zu spalten, wird nicht von Erfolg gekrönt sein; das wird Ihnen nicht gelingen. Das geht nicht rein, ganz ehrlich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Die ist ja schon gespalten! Sogar die Gewerkschaft ist gespalten!)

Ganz ehrlich, Sie brauchen an uns auch nicht herumzumoralisieren, Sie brauchen sich nicht aufzupudeln und zu verlangen, dass sich irgendjemand entschuldigen soll oder sonst irgendetwas. Wir warten immer noch auf die Entschuldigung für Kärnten und für die Dinge, die in der Vergangenheit gemacht wurden. Da muss man sich schon auch daran erinnern, was passiert ist, während Schwarz-Blau, also Sie, in der Verantwor­tung waren: der größte Raubzug gegen die Pensionen, Ambulanzgebühren, Kürzung des Krankengeldes, des Arbeitslosengeldes, und die Gerichte sind immer noch damit beschäftigt.

Ganz ehrlich, wenn jemand einen Grund hat, sich zu entschuldigen, dann sind Sie das. Sie müssen sich entschuldigen, und Sie müssen den Menschen auch sagen, was Sache ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Und was ist mit Schaden? Schaden – sein Name ist Programm!)

Also ganz ehrlich, ihr braucht euch wirklich am wenigsten aufzupudeln. Seit Jahren versucht ihr – da gibt es klare Aussagen, die kann man alle belegen –, Menschen­rechte einzuschränken; das wollt ihr haben. Ihr beschimpft, verhöhnt und verleumdet Andersdenkende. Meinungsfreiheit gilt nur für euch, nicht für irgendwelche anderen. Ihr hetzt und spaltet die Gesellschaft. (Abg. Strache: Ist das ein Selbstbild?) Und ganz ehrlich: Jemand, der ein Naheverhältnis zu „unzensuriert.at“ hat, braucht sich über die SPÖ und über den Wahlkampf des Herrn Bundeskanzlers überhaupt nicht aufzu­regen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hagen.

*****

Moment bitte! Es gibt eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung. – Herr Abgeord­neter Brosz, bitte.

 


14.54.33

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Wir diskutieren, haben eine Debatte über eine Erklärung des Bundeskanzlers. Es ist hinreichend ungewöhnlich, dass der Bundeskanzler dieser Debatte nicht beiwohnt. Es gibt laut Geschäftsordnung die Möglichkeit der Aufforderung des Nationalrates an den Bundeskanzler, an der Debatte teilzunehmen. Das gilt im Übrigen für den rest­lichen Verlauf der Debatte. Deswegen möchte ich den Antrag bereits jetzt vor 15 Uhr stellen. Die Debatte wird in etwa noch eine Dreiviertelstunde dauern, es wird sich dann auch leicht für die Fernsehkonfrontation ausgehen. Ich möchte daher den Antrag


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 118

stellen, dass der Bundeskanzler dieser Debatte beigezogen wird. (Beifall bei Grünen, FPÖ und NEOS.)

14.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Mag. Schieder. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


14.55.12

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident! Nur zu der künstlichen Debatte, die von Kollegen Brosz angezettelt wurde: Der Herr Bundeskanzler ist erstens einmal, auch wenn er gerade nicht im Saal ist – wobei ich annehme, dass er die Unterbrechung um 15 Uhr vorgezogen hat, um auch gewisse menschliche Dinge zu erledigen (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ); zurück zur Geschäftsordnungsdebatte, für unsere lachenden Kollegen –, sowieso immer verfas­sungsmäßig korrekt durch die Frau Staatssekretärin vertreten. Ich würde daher darum bitten, Herr Präsident, dass wir in der Debatte fortfahren. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

14.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Meine Damen und Herren! Es wurde ein Antrag gestellt, über den wir abstimmen müssen. (Abg. Schieder: Der Bundeskanzler ist ver­treten!) – Es wurde trotzdem ein Antrag gestellt, über den wir abstimmen müssen. (Ruf bei der FPÖ: Zuerst das Parlament befassen und dann nicht einmal anwesend sein! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. Gegenrufe bei der SPÖ.)

Gibt es noch eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung? (Abg. Schieder: Er ist ja hier!)

Wissen Sie, meine Damen und Herren, es wurde ein Antrag gestellt, und über den müssen wir trotzdem abstimmen. (Zwischenruf des Abg. Schieder.Herr Klubob­mann, bitte! Herr Kollege, wenn Sie sich zu Wort melden wollen, können Sie das gerne machen.

Ich darf Ihnen zur Kenntnis bringen: Ein Antrag auf Anwesenheit des Regierungs­mitglieds ist zulässig und als GO-Antrag sofort abzustimmen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Bitte, Herr Klubobmann.

 


14.57.14

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Damit es kein Missverständnis gibt: Der Herr Bundeskanzler ist verfassungsmäßig korrekt ver­treten, weil er durch die Frau Staatssekretärin vertreten ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich würde bitten, zu berücksichtigen: Unabhängig des von Ihnen vielleicht her­beige­führten Abstimmungsergebnisses ist er jedenfalls vertreten.

14.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Klubobmann! Nicht ich führe ein Abstimmungs­ergebnis herbei, sondern das Plenum führt ein Abstimmungsergebnis herbei. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf noch einmal festhalten: Ein Staatssekretär kann ein Mitglied der Bundes­regierung vertreten, dennoch ist ein Antrag auf Anwesenheit des Regierungsmitglieds zulässig und als GO-Antrag sofort abzustimmen.

Ich habe dem nachzukommen. Ich bringe daher den Antrag, den Herr Kollege Brosz eingebracht hat, zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein ent­sprechendes Zeichen. (Die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten der SPÖ stimmt zu. – Heiterkeit.) – Das ist mehrheitlich angenommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 119

Ich unterbreche die Sitzung, bis der Herr Bundeskanzler im Sitzungssaal anwesend ist.

*****

(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Meine Damen und Herren, ich nehme die unter­brochene Sitzung wieder auf und unterbreche die Verhandlungen zu Punkt 2 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.00.46Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend „Armut von Kindern und Alleinerzieherinnen bekämpfen – Unterhaltsgarantie umsetzen!“ (14128/J)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schrift­lichen Anfrage 14128/J, die inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist. Es erüb­rigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Kinder und Jugendliche von Alleinerziehenden sind in Österreich mehr als doppelt so oft von Armut oder Ausgrenzung betroffen als andere Kinder. Soziale Teilhabe von Kindern und Jugendlichen wird vielfach über die ökonomische Situation des Eltern­haus­halts bestimmt.

Laut Statistik Austria leben 2016 rund 180.000 Alleinerziehende in Österreich; 90% davon sind Frauen. Gerade fehlende oder geringe Unterhaltsleistungen führen in der Regel zu einer massiven finanziellen Belastung. Eine der Ursachen ist darin zu finden, dass das bestehende Unterhaltsrecht Lücken hat.

Um die Situation von Alleinerziehenden zu verbessern und Kinderarmut zu verhindern wurde nun das Modell der so genannten Unterhaltsgarantie entwickelt. Diese ist als Ergänzungsbetrag zur Familienbeihilfe gestaltet, an den Wohnsitz im Bundesgebiet und an einen gemeinsamen Haushalt mit dem Kind gekoppelt. Dadurch wird sicher­gestellt, dass diejenigen Alleinerziehenden, die das Kind auch tatsächlich betreuen, unterstützt werden. Der Staat soll in Zukunft Unterhalt bis zur Höhe des Regelbedarfs für ein Kind garantieren, wenn kein oder nur geringer Unterhalt, Unterhaltsvorschuss, Halbwaisenpension oder -rente geleistet wird.

Eine weitere längst fällige Maßnahme im Bereich des Unterhaltsrechts ist eine aktuelle Berechnung der monatlichen Kinderkosten, die im Regelbedarf ausgedrückt werden. Eine Neuberechnung ist notwendig, da der derzeitige Regelbedarf auf eine 1964 veröffentlichten Statistik des Statistischen Zentralamts über die Haushaltsausgaben für Kinder zurückgeht und seitdem jährlich an den Verbraucherpreisindex angepasst wird.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 120

Ebenso zügig ist das Unterhaltsvorschussgesetz sowie das Unterhaltsrecht weiterzu­entwickeln. Bestehende Lücken, etwa bei der Berücksichtigung des Sonderbedarfs, müssen geschlossen werden. Auch der Unterhaltsvorschuss für Kinder soll zukünftig bis zum Ende ihrer Ausbildung gewährt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Dringliche Anfrage

1. Wie viele Kinder, die in Alleinerziehenden-Haushalten leben, sind armuts- oder ausgrenzungsgefährdet?

2. Wie viele Ein-Eltern-Haushalte gibt es in Österreich?

3. Weshalb sind Alleinerziehende und ihre Kinder oft von Armut betroffen?

4. Warum reicht der Unterhaltsvorschuss nicht aus, um mangelnde Unterhalts­zah­lungen an Alleinerziehende auszugleichen?

5. Welche Eckpunkte soll eine Unterhaltsgarantie beinhalten, damit AlleinerzieherInnen und ihre Kinder abgesichert werden und inwieweit wurde in diesem Zusammenhang der Austausch mit ExpertInnen und Betroffenen gesucht?

6. Was ist der sogenannte „Regelbedarf“ und wie hoch ist er?

7. Wie viele AlleinerzieherInnen würden profitieren, wenn eine solche Unterhalts­ga­rantie umgesetzt werden würde?

8. Im Nationalrat wurden auch von anderen Fraktionen Anträge zu diesem Thema eingebracht. Welche Auswirkungen hätten diese Anträge aus Ihrer Sicht?

9. Weshalb ist eine Anbindung der Unterhaltsgarantie an die Familienbeihilfe sinnvoller als ein Anknüpfungspunkt Mindestsicherung?

10. Das Unterhaltsrecht weist viele Lücken auf. Welche nächsten Schritte sind Ihrer Ansicht nach – abgesehen von der zügigen Umsetzung der Unterhaltsgarantie – am dringendsten notwendig um die Situation der Betroffenen zu verbessern?

11. Gibt oder gab es Überlegungen auf Regierungsebene, das Unterhaltsrecht zu refor­mieren? Wenn ja, welche?

12. Bedarf es einer Neuberechnung der Kinderkosten und wenn ja, warum?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs. 2

GOG-NR verlangt.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile Frau Abgeordneter Heinisch-Hosek als Fragestellerin zur Begründung der Anfrage gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung das Wort. Die Rede darf 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte schön, Frau Abge­ordnete.

 


15.01.13

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucherin­nen und Besucher! Ich bin froh, dass die nächsten zweieinhalb bis drei Stunden den Frauen, Kindern und einigen Männern, die alleinerziehend sind, in diesem Land gewidmet sind. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.) Die nächsten zweieinhalb


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 121

bis drei Stunden werden zeigen, ob wir alle gemeinsam in der Lage sind, Armuts­risiken, die für sehr viele Frauen, Kinder und Männer durchaus bestehen, in Zukunft zu vermeiden. Das, was wir heute dringlich behandeln, wäre ein wichtiger Puzzlestein, wenn jemand in finanzielle Krisen gerät oder Zahlungsunwilligkeit oder Zahlungsunfä­higkeit nach Trennungen gegeben sind.

Ich glaube, dass es wichtig ist, damit zu beginnen, dass wir heute nicht über jene Frau­en mit ihren Kindern sprechen, die stabile Verhältnisse vorfinden, die vielleicht gutes eigenes Geld verdienen oder, wenn sie das nicht wollen, zu Hause sind und sich versorgen lassen, wo es den Kindern gut geht, wo man bei den Kinderbetreuungs­einrichtungen, bei den Schulen wählt und Geld keine Rolle spielt. Um die soll es heute nicht gehen.

Es geht heute in erster Linie um Frauen und deren Kinder – bei 90 Prozent der Einelternhaushalte handelt es sich um Frauen und deren Kinder – und um die finan­zielle Absicherung dieser Haushalte – sprich: dieser Frauen und Kinder –, die in Öster­reich sehr oft nicht gegeben ist.

Wir blicken aber auch ganz kurz zurück. In den letzten Jahren, Monaten, Wochen und auch Tagen sind viele gute Beschlüsse gefasst worden und viele gute Entscheidungen gefallen, die zur Armutsvermeidung und Armutsverringerung in Österreich beitragen und mehr Gerechtigkeit und Chancengleichheit hervorbringen könnten.

Ich darf zurückblickend nur eine Maßnahme herausgreifen, bei der ich glaube, dass die unterschiedliche Gesetzgebung in den Bundesländern nicht dazu beigetragen hat, dass alle Kinder die gleichen Chancen im vorschulischen Bereich vorfinden. Nun wird wenigstens das letzte Kindergartenjahr gratis angeboten, auch das zweite Gratis­kindergartenjahr wäre eine wichtige Maßnahme, die sicherstellt, dass Kinder erstens gut untergebracht sind, von Gleichaltrigen lernen, und dass zweitens Geld nicht der Grund sein kann, warum diese Kinder den Kindergarten nicht besuchen können.

Gleichermaßen ist es gelungen, eine dreiviertel Milliarde Euro für die österreichischen Schulen zu reservieren. Wenn Kinder mit ihren alleinerziehenden Müttern leben, ist es für diese Frauen, wenn sie mehr als ein Kind haben – zwei bis drei Kinder –, wenn der Unterhalt eben nicht fließt, nicht selbstverständlich und oft nicht leistbar, das Mittag­essen in einer ganztägigen Schule bezahlen zu können.

Doch nicht nur das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist noch viel ernster. Es geht – und der Schulbeginn ist jetzt schon einige Zeit her – auch darum, dass Kinder zu Schulbeginn gewisse Dinge brauchen, seien es die Turnschuhe mit den weißen Sohlen, seien es die Turnschuhe mit den schwarzen Sohlen, seien es andere Beträge, die eingebracht werden, damit alle teilhaben können. Ich rede jetzt gar nicht von Schul­skikursen, Schullandwochen, Projektwochen, es geht auch um Tagesausflüge. Da geht es um Workshops in Schulen, wo jemand von außen kommt und vielleicht sexuelle Bildung thematisiert – auch darauf können wir stolz sein, dass der Sexual­pädagogik­erlass vor einiger Zeit neue Dimensionen eröffnet hat.

Da geht es darum, dass die 5 € an Beitrag vielleicht nicht leistbar sind, weil im Einelternhaushalt genau dieses Geld fehlt, das dringend benötigt würde, damit Kinder nicht unter der Armutsgrenze leben und im Winter – und das ist nicht so daher gesagt, ich habe es selbst von Alleinerziehenden hören müssen – nicht genug geheizt werden kann, sodass Kinder den Winter nicht in wohliger Wärme, wie wir sie heute hier im Saal und wahrscheinlich auch bei uns zu Hause vorfinden, verbringen können, sondern unter ganz anderen Bedingungen – wo Schuhe noch immer von Geschwistern zu Geschwistern weitergegeben werden, wo es nicht möglich ist, eine dicke Winterjacke anzuschaffen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 122

Es ist auch gelungen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass 20 Branchen dazugekommen sind, in denen Frauen – natürlich auch Männer – zumindest 1 500 € brutto verdienen. Das ist für einige Branchen noch nicht möglich gewesen, dennoch wären 1 500 € Mindestlohn steuerfrei der nächste wichtige Schritt, den wir eigentlich auch beschließen hätten können. (Beifall bei der SPÖ.)

Anfügen möchte ich: Nicht allen in diesem Hohen Haus ist es gleichermaßen ein Anlie­gen, Kinderarmut zu vermeiden und Einelternhaushalte so auszustatten, dass Woh­nen, Kleidung und das Bezahlen der Miete leistbar sind und ein gutes Leben möglich ist. – Ja, es geht um etwas mehr als vier Millionen Frauen und um sehr viele Kinder in diesem Land.

Es geht in diesem Punkt, den ich nun erläutern möchte, um 180 000 Einelternhaus­halte, die Kinder unter 25 Jahren zu Hause haben und zu 90 Prozent von Frauen gebildet werden. Es sind über 160 000 Frauen, die alleinerziehend mit ihren Kindern leben und bei denen Armutsgefährdung leider ganz groß geschrieben wird. Warum? – Weil Unterhaltszahlungen auf der einen Seite, aber auch der Unterhaltsvorschuss auf der anderen Seite nicht sicher sind, nicht bezahlt und nicht gewährleistet werden.

Dazu wurde bereits vor fünf Jahren eine Fragebogenumfrage durch die Interessen­vertretung für alleinerziehende Mütter und Väter und ihre Kinder, die sogenannte Österreichische Plattform für Alleinerziehende, durchgeführt (Ruf bei der FPÖ: Wer war da Minister?!), laut der ein Fünftel aller Kinder keinen Unterhalt bekommt und auch keinen Unterhaltsvorschuss in Anspruch nehmen kann. Laut dieser Umfrage erhalten mehr als die Hälfte der Kinder Beiträge, welche unter dem Bedarf, den ein Kind braucht, dem sogenannten Regelbedarf, liegen. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abge­ordneten von FPÖ und SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, einige hier im Hohen Haus müssten sich eigentlich dafür schämen, dass wir das noch nicht behoben haben. Ich möchte auch kurz erläutern, dass dies keine Geschichte von jetzt ist. Schon im Regierungsprogramm 2008 wurden Maßnahmen zur Unterhaltssicherung und für den Lückenschluss im Unterhaltsgesetz in das Regierungsprogramm geschrieben (Abg. Schimanek: Ihr habt es aber nicht gemacht!), die leider bis dato mit dem Koalitionspartner, aber auch mit anderen Mehrheiten nicht umsetzbar waren. Dafür sollten sich einige schämen, denke ich, denn es geht um Kinder. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht um Grundbedürfnisse von Kindern und deren Müttern – mitunter auch deren Vätern, keine Frage –, die zu kurz kommen. Zu Kurz kommen sie nicht, denn Herr Kurz, der noch vor einiger Zeit Ja dazu gesagt hat, dass man den Unterhalt von Kindern in Österreich sichern müsse und eine Unterhaltsgarantie, die wir vorschlagen, einführen könnte, sagt jetzt wieder Nein dazu.

Die Sozialdemokratie hat mit vielen Expertinnen und Experten, mit vielen Betroffenen Gespräche geführt. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.) Unser Vorschlag kommt dem Vorschlag am nächsten, der gewährleistet, dass wir hier im Hohen Haus sicherstellen können, dass der Bund sicherstellen kann, dass nicht wieder auf neun Ländervorschläge und Lösungen gewartet werden muss – das kann Monate dauern, das kann Jahre dauern.

Der Vorschlag der ÖVP schließt erstens alle arbeitenden Frauen aus, denn den Unterhaltsvorschuss an die Mindestsicherung zu koppeln bedeutet, damit man diesen Zuschuss zum Unterhalt bekommt, muss man fast nichts mehr haben. Er ist ohne Datum, wann die Bundesländer die Regelung einführen sollen, und auch ohne eine Idee dazu, was das für armutsgefährdete Einelternhaushalte bedeutet.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 123

Die FPÖ bringt einen wahrscheinlich EU-rechtswidrigen Vorschlag ein – nicht der Vorschlag an sich, der ist noch nicht eingebracht, aber dass er EU-rechtswidrig ist, haben wir schon feststellen können. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.) Vielleicht bringen Sie ihn auch nicht ein und stimmen mit uns, das wäre nicht schlecht, das würde helfen, Kinderarmut zu verringern.

Sehr geehrte Damen und Herren, das bestehende Kinderunterhaltsrecht hat ziemlich große Lücken. Es ist in mehreren Gesetzesmaterien verankert, es sind auch unter­schiedliche Ressorts dafür verantwortlich; zum einen gilt das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, zum anderen – an die Justiz angehängt – die Exekutionsordnung. Weiters sind das Unterhaltsvorschußgesetz, aber auch das Familienlastenausgleichsgesetz betroffen. Genau hier setzt unser Vorschlag an: Er sieht eine Ergänzung zur Familien­beihilfe vor, die extra bewertet wird, damit die Unterhaltsgarantie wirklich allen Kindern zugutekommen kann.

Es ist wichtig, dass wir als nächsten Schritt in einer nächsten Legislaturperiode das Unterhaltsgesetz bündeln und Maßnahmen so aneinanderkoppeln, wie sie zusam­mengehören. Es ist aber genauso wichtig, dass wir jetzt handeln, denn es kann nicht sein, dass wir uns seit Jahren damit beschäftigen.

Wenn Unterhaltsleistende nicht in der Lage oder nicht willig sind, Unterhalt zu leisten, so ist festzustellen, dass es ganz schnell geht, dass der Unterhalt herabgesetzt wird. Dem Antrag, weniger zu erhalten, wird gleich einmal stattgegeben. Bis aber Kinder und deren Mütter, vielleicht auch deren Väter – es geht um Einelternhaushalte – zum Unter­­halt kommen, können Monate, wenn nicht Jahre vergehen. Man muss zu Gericht gehen, die Entscheidungen ziehen sich oft wie ein Kaugummi. Die Kinder werden älter und größer und verfügen mitunter nicht über das Nötigste, das sie brauchen würden.

Kinder kosten Geld, sehr geehrte Damen und Herren. Universitätsprofessor Buchegger hat heuer im Februar in der Zeitschrift „Alleinerziehende auf dem Weg“ veröffentlicht, dass ein Einelternhaushalt mit Kind im Schnitt 8 600 € pro Jahr mehr an Einnahmen bräuchte, um den Level, den Wohlstand, den Standard von Singlehaushalten zu erreichen.

Manchmal zahlt ein Elternteil nicht, weil er vielleicht nicht kann. Es gibt auch zah­lungsunfähige Väter, vielleicht auch Mütter, sehr geehrte Damen und Herren, die gerne zahlen würden, es ist aber nicht möglich, dass sie Unterhalt leisten. (Abg. Kitzmüller: Sobald sie einen Exekutionstitel haben, kriegen sie das schon …!) Diese Kinder würden von uns nach unserem Beispiel Unterhaltsgarantie bekommen.

Es gibt in der Regel aber auch Väter, die sehr gut verdienen, die aber dann nur das Zwei- bis Zweieinhalbfache dessen, was ein Kind mindestens braucht – diesen Regel­bedarf –, zahlen; das heißt, nach oben ist leider eine Negativgrenze gesetzt.

Wenn jemand sehr viel verdient, wird er nicht gebeten, nach dem Verdienst Unterhalt zu zahlen, sondern da gibt es einen Deckel. (Abg. Walter Rosenkranz: Der soge­nannte Playboy-Erlass!) – Genau, Sie haben es gesagt. Ich nehme das Wort jetzt nicht in den Mund. Es gibt einen Deckel, dass Männer nicht zu viel zahlen. Es gibt aber unten keinen Sockel, was Kinder mindestens benötigen würdigen, nämlich zwischen 200 € und 500 €.

Wir denken uns, dass nicht 18 die Grenze sein sollte, da wir glauben, dass es wichtig wäre, Kinder, Jugendliche bis zum 24. Lebensjahr gleichgeschaltet mit der Familien­beihilfe auch mit Unterhaltsgarantie zu bedienen, damit Ausbildungen möglich sind und der Unterhalt zu 100 Prozent dem Kindeswohl zugutekommt.

Es ist auch so, sehr geehrte Damen und Herren, dass es nicht möglich war, noch einen Familienausschuss zustande zu bringen und die Unterhaltsgarantie gemeinsam umzu-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 124

setzen. Es ist aber seit 2002 möglich – lassen Sie sich das bitte auf der Zunge zergehen! –, dass Unterhaltszahlungen selbstverständlich von der Steuer absetzbar sind. Da war Schwarz-Blau in der Regierung, ich erinnere daran. Das heißt, es gibt einen Unterhaltsabsetzbetrag und einen Kinderabsetzbetrag. Sie dürfen dreimal raten, wem das zugutekommt: in der Regel sehr gut verdienenden Männern. Das habe ich vorhin schon erwähnt. (Abg. Kitzmüller: Wer war die letzten Jahre in der Regie­rung?!) – Unser Partner war nicht dabei, Frau Kollegin, deswegen haben wir es bis jetzt nicht umgesetzt. Sie können ja dabei sein, und wir können es gemeinsam umsetzen, dass Kinder zu ihrem Recht kommen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Gleiches gilt für den von mir erwähnten Herabsetzungsantrag, der über Monate oder Jahre den Geldfluss stoppt, womit Kindern, die älter und größer werden, diese wich­tigen Zahlungen vorenthalten werden.

Ich glaube, dass es an der Zeit ist, eine Entschließung einzubringen, die zu einem Gesetz wird und die nächste Bundesregierung dringend auffordert, eine Unterhalts­garantie zu gewährleisten, die zahlungsunwilligen, zahlungsunfähigen Erwachsenen damit auf die Sprünge hilft, indem vom Staat regressiert wird und Kinder sofort ohne Umschweife, ohne Wartezeiten zur Unterhaltsgarantie kommen. So kann es möglich werden, dass es für Einelternhaushalte mit Kindern unter 25 in Österreich ein Ende hat, doppelt so oft von Armut betroffen zu sein, und die finanziellen Engpässe, die ich nicht erfunden habe, sondern von Betroffenen geschildert werden, nicht mehr auf­treten.

Ich glaube, es gehört sowohl das Unterhaltsvorschußgesetz neu gedacht, als auch das Unterhaltsrecht an sich weiterentwickelt. Bitte lassen wir die Angstmache, wie wir sie immer wieder hören, dass wir diese Leistungen ins Ausland transferieren und expor­tieren! Das ist nicht so, denn die Bindung an den Wohnort, die Bindung an den gemeinsamen Haushalt stellt sicher, dass diese Ergänzungsbeträge den Kindern, die mit dem Elternteil, der sie versorgt, hier leben, zugutekommen.

Es ist daher umso wichtiger, noch einmal zu thematisieren, dass wir es uns als sehr reiches Land nicht leisten können, an einer Gruppe, die ohnehin eine sehr kleine Lobby hat, vorbeizusehen.

Ich hoffe, wir alle vertreten die Kinder. Die Kinderrechtskonvention haben wir ja auch bis auf einige Ausnahmen – nicht Ausnahmen im Hohen Haus, sondern unter Aus­nahme einiger Punkte – beschlossen. Wir könnten Sie um diese Punkte also noch ergänzen, aber das ist jetzt nicht das Thema.

Ich hoffe, dass die kleine Lobby der Kinder eine stärkere Unterstützung findet und es nicht mehr vorkommt, dass Kinder nicht auf einen Ausflug, auf eine Schullandwoche geschickt werden können, weil wir hier im Parlament nicht in der Lage sind, sehr geehrte Damen und Herren, das zu tun, was eigentlich getan werden muss, nämlich Armut zu verhindern, Armut zu vermeiden und auch Kindern, ihren Eltern und den Einelternhaushalten zu ihrem Recht zu verhelfen.

Ich bitte Sie daher dringend, das hier mit uns gemeinsam noch einmal zu überdenken. Es wird sich vielleicht heute im Laufe des Tages noch einmal die Möglichkeit ergeben, gemeinsam gesetzliche Maßnahmen im Sinne der Kinder und der Frauen zu be­schließen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.20


Präsidentin Doris Bures: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Frau Bundes­ministerin Dr. Rendi-Wagner zu Wort gemeldet. Frau Bundesministerin, Ihre Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 125

15.20.39

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich persönlich sehr, dass wir heute noch die Gelegenheit haben, dieses wichtige Thema, das mir persönlich ein Anliegen ist, hier zu diskutieren. (Zwischenruf der Abg. Schimanek.)

In den letzten Wochen ist eine Gruppe der Gesellschaft in den öffentlichen Fokus gerückt, nämlich die Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher dieses Landes. Das sind rund 180 000 Mütter und Väter, vor allem aber Frauen und ihre Kinder, die in Öster­reich leben und oft vor ganz besonderen Herausforderungen stehen, nämlich vor allem vor finanziellen Herausforderungen.

Niedrige oder gar keine – eben fehlende – Unterhaltszahlungen sind oft und meistens entscheidend für diese Herausforderungen und für die Probleme dieser Gruppe. Sie entscheiden nämlich auch darüber, ob Kinder von Alleinerzieherinnen dieselben Chancen wie Kinder mit beiden Elternteilen haben – und genau darauf kommt es an.

Das Unterhaltsrecht wurde schon angesprochen. Ja, im Unterhaltsrecht gibt es Lücken, die wir dringend schließen müssen. Seit langer Zeit machen sich daher sämtliche Frauenorganisationen, Experten und Expertinnen sowie die SPÖ für das Schließen dieser Lücke stark. Es geht um die Unterhaltsgarantie. Diese Garantie soll sicherstellen, dass jedes Kind eines alleinerziehenden Elternteiles in Österreich einen Mindestbeitrag bekommt, der es finanziell absichert und damit vor Armut bewahrt. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun darf ich zur Beantwortung der Fragen kommen.

Zu den Fragen 1 und 2:

Betrachtet man alle Haushalte, dann gab es laut Statistik Austria im Jahr 2016 ins­ge­samt rund 310 000 Einelternhaushalte in Österreich. Es gibt rund 180 000 Eineltern­haushalte, in denen rund 262 000 Kinder unter 25 Jahren leben, die noch von ihren Eltern erhalten werden, davon sind 209 700 minderjährige Kinder.

Laut EU-SILC wird Armutsgefährdung folgendermaßen definiert: Ein Haushalt, der nur 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens zur Verfügung hat, ist armuts­gefährdet.

Ausgrenzungsgefährdung liegt laut EU-SILC dann vor, wenn eine Person von Ausgren­zung aus dem gesellschaftlichen System bedroht ist. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn eine Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt und aus dem sozialen Umfeld besteht oder finanzielle Leistungsfähigkeit nicht gegeben ist.

Mit anderen Worten: Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung bedeuten, dass die Woh­nung eventuell nicht ausreichend finanziert oder bezahlt werden kann, nicht aus­reichend geheizt werden kann oder statt gesundem Essen Billignahrung gekauft werden muss.

Die Armuts- und Ausgrenzungsgefährdungsquote von Kindern beträgt laut den EU-Daten im Jahr 2016 40 Prozent. Was bedeutet das in Zahlen für Österreich? Das sind, umgelegt auf die Daten der Statistik Austria, 104 880 Kinder unter 25 Jahren, davon sind 83 880 Minderjährige.

Zur Frage 3:

Es gibt viele Gründe, warum Alleinerziehende und ihre Kinder von Armut betroffen oder armutsgefährdet sind. Ein paar Gründe davon seien erwähnt und herausgegriffen.

AlleinerzieherInnen sind oft gezwungen, Teilzeit zu arbeiten, womit sie natürlich einen ganz großen Lohn- und Gehaltsnachteil haben. Sie haben natürlich eine viel größere


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 126

Bürde auf ihren Schultern zu tragen, was die Kinderbetreuungspflichten betrifft, weil es keinen Partner oder keine Partnerin gibt, mit der sie das teilen können. Gerade auch deswegen ist uns der flächendeckende Ausbau der ganztägigen Kinderbetreuung in Österreich so wichtig, insbesondere im ländlichen Raum, wo dieses Problem so emi­nent ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein häufiger Grund aber, warum Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher in Österreich armutsgefährdet sind, ist, dass sie niedrige oder fehlende Unterhaltszahlungen haben. Genau das ist der Grund, warum wir heute hier stehen und dieses Thema diskutieren.

Zur Frage 4:

Ja, der Unterhaltsvorschuss ist ein wichtiges Instrument, das derzeit schon im Unterhaltsrecht besteht. Er wurde in den Achtzigerjahren eingeführt. Allerdings deckt der Unterhaltsvorschuss als solcher nur einen ganz spezifischen Fall ab, nämlich, wenn es einen Unterhaltsschuldner gibt, der definiert ist, und es feststeht, dass dieser Unterhaltsschuldner bereits Unterhalt leisten muss und kann, und feststeht, wie viel er leisten muss und kann. Genau das sind die Voraussetzungen, dass der bereits festgeschriebene Unterhaltsvorschuss überhaupt zur Anwendung kommt.

Das heißt, der Unterhaltsschuldner muss zahlungsfähig sein und es muss bereits ent­schieden sein – meist vor Gericht –, welchen Betrag er dem Kind schuldet. Außerdem darf es keine legitimen Gründe geben, die ihn vom Zahlen abhalten. Wenn sich dann die Eintreibung dieses Unterhalts schwierig gestaltet, bekommt das Kind den soge­nannten Unterhaltsvorschuss vom Staat.

In so einem Fall übernimmt quasi der Staat die Aufgabe, den Unterhaltsvorschuss statt des Kindes einzutreiben, und in der Zwischenzeit zahlt der Staat dem Kind den Betrag, den es eigentlich vom Vater oder der Mutter bekommen sollte, egal, wie hoch dieser Betrag ist – das können 400 € sein, das können aber auch 30 € sein.

Genau das ist der Unterhaltsvorschuss. Das Kind gibt also in diesem Fall eine Forde­rung an den Staat ab, und der Staat übernimmt bloß die Eintreibung dieses Unter­haltes. (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Nein, er kann dann dafür natürlich regres­sieren, das ist der große Unterschied. (Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und SPÖ.)

Nun komme ich zu jenem Grund, warum der Unterhaltsvorschuss allein nicht aus­reichend ist, um Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher plus ihre Kinder in Österreich wirklich abzusichern. Wenn der Vater nämlich nicht mehr zahlen kann, weil er zum Beispiel durch eine plötzliche Erkrankung arbeitsunfähig geworden ist, auch wenn er vielleicht gerne möchte, dann bekommt das Kind auch nichts.

In diesem Fall gibt es ja auch keine Forderung, die das Kind an den Staat weitergeben könnte, um den Unterhalt für sich sozusagen in Form des Vorschusses einzuholen. In diesem Fall bekommen die Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher und ihre Kinder kein Geld in Form eines Vorschusses.

Es gibt aber auch Fälle, in denen die Unterhaltshöhe nicht feststeht, weil man sich endlos – monatelang, jahrelang – vor Gericht über die Höhe des Unterhalts streitet. Alle von uns kennen Verwandte, Bekannte oder Freunde, denen es so ergangen ist. In genau diesem Fall bekommt das Kind in der Regel entweder einen reduzierten oder gar keinen Vorschuss. Das Problem ist, dass – wenn über Jahre während der gericht­lichen Streitverfahren gar kein Vorschuss gegeben wird – es in diesen Fällen passieren kann, dass AlleinerzieherInnen und ihre Kinder an die Armutsschwelle kommen.

Zu den Fragen 5, 6 und 12:

Die Idee, dass es eine Absicherung für jene Alleinerziehende und ihre Kinder braucht, die im bestehenden System durch die Finger schauen, wie gerade skizziert, ist keine


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 127

neue, denn mit dieser beschäftigen wir uns in Wirklichkeit schon sehr lange. Wir stehen genau deswegen schon seit mehreren Jahren im Austausch mit einschlägigen Exper­tinnen und Experten aus dem Rechtsbereich, mit VerfassungsexpertInnen, mit Sozial­wissenschaftlerInnen, mit betroffenen Organisationen der Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher.

In den vergangenen Monaten haben wir deshalb einen Vorschlag für die sogenannte Unterhaltsgarantie erarbeitet – mit Befassung all dieser verschiedenen Experten und Expertinnen und der betroffenen Organisationen – und als Antrag des SPÖ-Klubs letzte Woche auch in den Nationalrat eingebracht.

Wichtig ist mir auch zu sagen, dass dieser Antrag, den wir von der SPÖ letzte Woche eingebracht haben, von vielen Familien- und Alleinerziehenden-Organisationen positiv aufgenommen und bewertet wurde, etwa von der Österreichischen Plattform für Alleinerziehende, von JUNO – Zentrum für Getrennt- und Alleinerziehende, vom Projekt Alleinerziehende, von der Evangelischen Frauenarbeit in Österreich oder auch von der Katholischen Frauenbewegung.

Ich darf kurz die wichtigsten Eckpunkte unseres SPÖ-Vorschlags für die Unterhalts­garantie darstellen und skizzieren: Unterhaltsgarantien sollen erstens klarerweise AlleinerzieherInnen erhalten, die mit ihren Kindern in Österreich im selben Haushalt leben, die Familienbeihilfe beziehen und die keinen oder nur sehr wenig Unterhalt oder Unterhaltsvorschuss bekommen. – Das sind die wichtigsten Eckpunkte für den Anspruch auf die Unterhaltsgarantie gemäß unserem Vorschlag.

Die Höhe der Unterhaltsgarantie orientiert sich in unserem Vorschlag nach dem soge­nannten Regelbedarf, das ist ein von österreichischen Gerichten festgelegter Wert, wie viel ein Kind monatlich zum Leben in Österreich braucht, also quasi an Kos­ten verursacht. Abgedeckt werden sollen damit Kosten für Lebensmittel, Bekleidung, Wohnen, Schule et cetera – all diese Dinge sollen damit abgedeckt sein.

Es darf angemerkt werden, dass dieser Regelbedarf auf einer Berechnung aus dem Jahre 1964 basiert und seitdem jährlich von den Gerichten angepasst wurde. Im Wesentlichen lautet er nach dem Alter gestaffelt wie folgt: Bis zum vollendeten dritten Lebensjahr eines Kindes sind es 205 € pro Monat, und er geht bis zu 570 € pro Monat ab dem vollendeten 19. Lebensjahr.

Es wurde auch schon erwähnt, dass im Regierungsübereinkommen 2013 die Erstel­lung einer aktuellen Kinderkostenanalyse und darauf aufbauend eine Evaluierung der Unterhaltshöchstgrenzen festgeschrieben ist. Das heißt, eine Neuberechnung müsste den veränderten gesellschaftlichen Gegebenheiten Rechnung tragen, weil etwa seit den Sechzigerjahren Mietkosten im Verhältnis zu den übrigen Lebenskosten deutlich gestiegen sind, die Gesellschaft sich generell stark verändert hat und Kosten wie für Internet oder Handy anfallen, die 1964 natürlich noch nicht inkludiert worden sind.

Zu Frage 7:

Wir gehen davon aus, dass etwa die Hälfte der Kinder von Alleinerzieherinnen und Alleinerziehern von der Unterhaltsgarantie profitieren würden. In Zahlen könnten damit etwa 90 000 Einelternhaushalte von der Unterhaltsgarantie profitieren.

Zu den Fragen 8 und 9:

Betreffend den Vorschlag der ÖVP: Der ÖVP-Klub hat einen Antrag eingebracht, einen Unterhaltszuschuss für MindestsicherungsbezieherInnen einzuführen. Dieser Vor­schlag müsste aber im Gegensatz zu unserem Vorschlag erst von den Bundeslän­dern – von neun verschiedenen Bundesländern – umgesetzt werden, da die Bedarfs­orientierte Mindestsicherung in der Ausführungsgesetzgebung ja Ländersache ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 128

Das heißt, wir hätten dann im Endergebnis neun verschiedene Lösungen, neun ver­schiedene Zeitpunkte; und meines Wissens enthält der Antrag keine Umsetzungsfrist. Das heißt, es ist gar nicht gesagt, wann welches Land wirklich eine Lösung im Sinne der Unterhaltsgarantie verabschieden wird – das ist alles noch unklar im ÖVP-Vor­schlag.

Des Weiteren sieht der Antrag vor, dass nur Personen, die die Mindestsicherung erhalten, Anspruch auf diesen Zuschuss, Entschuldigung, auf die Unterhaltsgarantie hätten. (Zwischenruf der Abg. Kucharowits.) – Nein, laut ÖVP heißt das Zuschuss, nicht Unterhaltsgarantie, das ist ein anderes Wording.

Voraussetzung – darf man anmerken – für die Mindestsicherung ist aber, dass kaum Vermögen vorhanden ist. Ich darf erinnern, dass die Vermögensgrenze in den meisten Bundesländern bei 4 000 € liegt. Das heißt, man wartet darauf, bis diese Haushalte von Alleinerziehenden und Familien mit ihren Kindern in der Armut sind, bevor man ihnen etwas in die Hand gibt, um aus dieser Armut wieder herauszukommen. (Zwischenruf der Abg. Gisela Wurm.)

Unser Vorschlag will absichern, dass Kinder – diese Hunderttausend Kinder – über­haupt in die Armut rutschen. Genau darum geht es. Wir verfolgen einen präventiven Ansatz: Wir wollen nicht, dass in diesem Land Kinder armutsgefährdet und armuts­bedroht sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Steinbichler.)

Der wesentliche Unterschied, meine Damen und Herren, ist, dass laut ÖVP-Vorschlag ja nur Mindestsicherungsbezieher anspruchsberechtigt wären, und das wären nur 15 Prozent der Alleinerziehendenhaushalte in Österreich. Die Trefferquote wäre also sehr gering. Dagegen ist eine Anknüpfung an die Familienbeihilfe wie in unserem Vorschlag aus meiner Sicht deshalb sinnvoll, weil es ja um eine Unterstützung einer besonderen Familienform, nämlich der Alleinerziehenden und ihrer Kinder, geht.

Das Familienlastenausgleichsgesetz ist Bundessache. Damit hätten wir den Vorteil, dass wir eine österreichweit einheitliche Lösung haben. Es darf kein Unterschied gemacht werden, ob ein Kind in Vorarlberg oder in Wien oder im Burgenland Kind eines Alleinerziehenden ist. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Schwentner.)

Ich wurde auch zum Antrag der FPÖ befragt. Der Antrag der FPÖ betrifft das Unter­haltsvorschußgesetz und beinhaltet eine leichte Verfahrenserleichterung im Unterhalts­vorschussverfahren. Die Details sollen laut FPÖ per Verordnung vom Justizminister festgelegt werden. Dieser Vorschlag würde den AdressatInnenkreis von Unterhaltsvor­schussbezieherInnen nicht erweitern. Das heißt, dass dies keine wesentliche Änderung zum Jetztzustand wäre.

Zur Frage 10:

Zu vielen Fragen des Unterhaltsrechts gibt es keine eindeutigen gesetzlichen Vor­gaben, an denen sich Gerichte derzeit orientieren können. Das hat in der Vergan­genheit dazu geführt, und führt auch derzeit immer wieder dazu, dass es in vielen Bereichen teils widersprüchliche Rechtsprechungen gibt. Da muss zweifelsohne das Gesetz nachgeschärft werden, denn das ist nicht zumutbar.

Ich darf Ihnen dafür auch ein Beispiel geben, nämlich den Sonderbedarf: Jedes Kind hat, wie Sie wissen, spezielle Begabungen und Bedürfnisse, denn Kinder sind nicht gleich, und das ist gut so. Das kann eine Psychotherapie sein, die notwendig ist, oder ein Musikunterricht. Dadurch entstehen zusätzliche Ausgaben, die über den Regel­bedarf hinausgehen.

Rechtlich wird vom sogenannten Sonderbedarf gesprochen, der selten vom gewöhn­lichen Unterhalt abgedeckt werden kann. Trotzdem hat sich die Rechtsprechung zu-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 129

nehmend in die Richtung entwickelt, dass dieser sogenannte Sonderbedarf vom laufenden Unterhalt einfach abgezogen wird.

Was bedeutet das konkret? Der Unterhaltsschuldner hat in einem solchen Fall keine zusätzlichen Kosten zu tragen, er zahlt weiterhin den regulären Unterhalt. Das heißt de facto, der andere Elternteil muss diese zusätzlichen Kosten oft komplett allein über­nehmen. Genau in diesem Punkt muss das Unterhaltsrecht nachgeschärft werden, keine Frage, denn diese gesetzliche Lücke muss geschlossen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch das Unterhaltsvorschußgesetz hat derzeit Lücken. Unterhaltsvorschuss gibt es – anders als bei der Familienbeihilfe – etwa nur, bis das Kind volljährig ist. Ein Neun­zehnjähriger hingegen müsste theoretisch selbst auf Unterhalt klagen, wenn ein Elternteil nicht mehr zahlen will. Man könnte andenken, die Altersgrenze bis zum Abschluss der Ausbildung dieser jungen Menschen anzuheben, um genau das zu verhindern. (Abg. Walter Rosenkranz: Wählen mit 16, aber für den Unterhalt zahlen bis 30! …!) – 25! (Zwischenruf der Abg. Gisela Wurm.) – Genau, also bis 24 oder 25. 

Zur Frage 11:

Im Regierungsübereinkommen 2013 wurde die Weiterentwicklung des Unterhalts und des Unterhaltsvorschussrechts festgeschrieben. (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.) Daran kann ich erinnern. Zu diesem Zweck (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Gisela Wurm und Walter Rosenkranz) hat das Bundes­ministerium für Justiz im Mai dieses Jahres eine Arbeitsgruppe eingerichtet (Abg. Walter Rosenkranz: Entmündigung! Ist schon gut!), in der auch mein Ressort und andere Expertinnen und Experten vertreten sind und in der wir diese Themen bear­beiten und diskutieren.

Damit komme ich zum Ende. Sehr geehrtes Hohes Haus, sehr geehrte Abgeordnete, ich darf noch einmal betonen, dass wir da ein hochwichtiges Thema haben, das längst zeitlich überfällig ist, um erledigt zu werden. Wir müssen uns alle daran halten, und es ist ein Anliegen vieler AlleinerzieherInnen und ihrer Hunderttausend Kinder, die wir vor der Armut bewahren wollen. In Österreich hat Kinderarmut keinen Platz, und darum bitte ich Sie um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

15.39


Präsidentin Doris Bures: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Als Erste hat sich Frau Abgeordnete Kucharowits zu Wort gemeldet. Sie haben 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.39.29

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich finde es total super, dass wir heute noch eine Debatte über Kinder und Alleinerzieherinnen führen, die von Armut betroffen sind. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Ich halte es für ganz zentral, dass wir das heute noch einmal im Speziellen zum Thema machen, und zwar nicht nur zum Thema machen und darüber reden, sondern in Wirklichkeit über konkrete Vorschläge, die wir bereits letzte Woche auf den Tisch gelegt haben, heute abstimmen können. Und ich bin gespannt, wie sich da manche Kolleginnen und Kollegen verhalten werden.

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Kind, das gerade in der dritten Klasse Volksschule ist, und nun fällt eine Schullandwoche oder vielleicht ein Kinobesuch mit der Klasse am Abend an. Ich glaube, im ersten Moment freut man sich, dass man mit Schulkol­legIn­nen einmal ein bisschen etwas anderes machen kann, als ausschließlich die Schule zu besuchen. Dann ist aber die Freude vielleicht nicht mehr so groß, wenn man das zu


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 130

Hause erzählt oder weil man selbst mit dem Alter auch schon das Gefühl oder das Gespür dafür und das Wissen hat, dass das für – in der Regel die alleinerziehende Mutter einfach nicht bezahlbar ist.

Das ist natürlich auch ein fürchterliches Gefühl für die betroffene Mutter, für die betrof­fene Alleinerzieherin. Damit verbunden – ich möchte einiges untermauern, das auch schon von meinen VorrednerInnen gesagt wurde – ist natürlich ein Ausgrenzen inner­halb der Gesellschaft. Ich hoffe wirklich, dass das niemand von uns in dieser Form erlebt hat, wir – als Abgeordnete, als MinisterInnen – sind in einer sehr privilegierten Rolle, was das Finanzielle anbelangt, aber so geht es vielen Alleinerzieherinnen, so geht es vielen Kindern von Alleinerzieherinnen. Alleinerzieherinnen und vor allem ihre Kinder sind doppelt so häufig von Armut betroffen wie Kinder von Nicht-Alleinerzie­herinnen, von Zweielternhaushalten.

Warum sind sie doppelt so häufig betroffen? – Weil oft plötzlich der Unterhalt nicht mehr fließt. Der Unterhalt, das haben wir auch schon gehört, ist ein ganz zentrales Element, warum man von Armut betroffen sein kann. Plötzlich stellt – in der Regel – der Vater den Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts. Das ist ja nicht irgendetwas, das wir erfinden, sondern das ist in vielen Gesprächen mit Frauen ein riesiges Thema. Wenn der Antrag auf Herabsetzung gestellt wird, dann kommt es zur Innehaltung der Zahlungen, diese Innehaltung kann sich über Monate, über Jahre ziehen (Abg. Gisela Wurm: Auf null!)  nämlich auf null, völlig richtig –, und damit hat man von heute auf morgen einfach kein Geld mehr zur Verfügung, kann nichts mehr zahlen und ist, wie gesagt, von Armut betroffen.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir jetzt handeln. 2008, da war ich selbst noch nicht hier im Haus, war es im Regierungsprogramm, 2013 war es im Regierungsprogramm: eine Reform des Unterhaltsrechtes, des Unterhaltsvorschusses. Das liegt im Bereich des Justizministeriums. Jedes Mal wurden wir vertröstet – nicht nur wir von der SPÖ und die Grünen und andere KollegInnen, sondern auch der Österreichische Frauenring. Jedes Mal wurden wir vertröstet. (Zwischenruf der Abg. Gisela Wurm.) Wir wurden auch jedes Mal im Rahmen von parlamentarischen Anfragebeantwortungen vertröstet: Wenn das Erwachsenenschutzgesetz, damals war das sozusagen die Sachwalterschaftsreform, durch ist, dann widmen wir uns der Thematik des Unterhaltrechts.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Materien sind beschlossen (Abg. Jarolim: Der Justizminister ist jetzt auch Vizekanzler!) – der ist jetzt auch Vizekanzler, völlig richtig –, und es ist noch immer nichts passiert! Es tagt eine Gruppe auf interministerieller Ebene, aber wir kennen keine Ergebnisse und wir kennen keine Berichte daraus.

Das Zentralste ist: Es muss jetzt etwas passieren! Es braucht für das neue Unter­haltsrecht – die Frau Ministerin ist schon darauf eingegangen, auch Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek – natürlich auch eine neue Kinderkostenanalyse. Die vorhandene Kinderkostenanalyse ist aus dem Jahr 1964 und basiert darauf, wie viel die Miete damals gekostet hat, wie viel man für Kleidung, für Essen und so weiter damals ausgegeben hat – damals: im Jahre 1964. Jetzt sind wir im Jahr 2017, und es hat sich seither ungemein viel getan. Das heißt, es braucht dringend diese Kinderkosten­analyse, es braucht dringend eine Neugestaltung der Regelbedarfsätze, die damit in Verbindung stehen.

Um eben zu verhindern, dass wir noch länger auf die Reform des Unterhaltsvor­schuss­gesetzes, des Unterhaltsrechts warten müssen, haben wir – wir als SPÖ gemeinsam mit vielen betroffenen ExpertInnen, mit betroffenen Alleinerzieherinnen – den Vor­schlag gemacht, eine Unterhaltsgarantie zu etablieren. Das liegt sozusagen am Tisch. Wir, Sie alle, haben heute noch Gelegenheit, darüber abzustimmen und das auch zu


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 131

beschließen, denn wir müssen jetzt handeln, für die Kinder, für die Jugendlichen und für die Frauen.

Ich darf abschließend – das Lamperl blinkt schon – einen Entschließungsantrag ein­bringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und Unterhaltssicherung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert eine armutsfeste Unterhaltssicherung für Alleinerziehende in Form einer Unterhaltsgarantie, die sich an den Regelbedarfsätzen orientiert (= Ergänzungsbetrag zur Familienbeihilfe) sowie eine Reform des Unterhalts­rechts, insbesondere des Unterhaltsvorschussgesetzes, auf Basis einer aktualisierten Kinderkostenanalyse zügig umzusetzen.“

*****

Ich bitte um Zustimmung im Sinne der Kinder, der Jugendlichen und der Frauen, um Kinderarmut und Frauenarmut endlich zu beenden. Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

15.45


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht damit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Andreas Schieder, Mag.a Gisela Wurm, Angela Lueger, Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und Unterhaltssicherung

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage betreffend „Armut von Kindern und Alleinerzieherinnen bekämpfen – Unterhaltsgarantie umsetzen!“ an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen in der 199. Sitzung des Nationalrates am 12. Oktober 2017

Alleinerziehende sind finanziell deutlich höher belastet als Zwei-Eltern-Haushalte, insbesondere dann, wenn Unterhaltsleistungen nicht oder nicht ausreichend erbracht werden. In diesen Fällen soll Alleinerziehenden ein Ergänzungsbetrag zur Familien­beihilfe gebühren, der den Unterhalt bis zum Ende der Ausbildung sichert (= Unter­halts­garantie). Mangelnde Unterhaltsleistungen dürfen in Zukunft zu keiner Schlechter­stellung von Ein-Eltern-Familien führen. Ziel dieser Maßnahme ist es zudem Härten auszugleichen, die sich aus den finanziellen Mehrbelastungen durch Kinder ergeben. Für Kinder mit Sonderbedarf werden spezielle Bestimmungen erforderlich sein. Die Unterhaltsgarantie wirkt subsidiär zu regulären Unterhaltsleistungen und orientiert sich an den in der Judikatur entwickelten Regelbedarfssätzen in der Höhe der ungefähren Kinderkosten.

Eine weitere längst fällige Maßnahme zur Armutsbekämpfung und Unterhaltssicherung ist eine Aktualisierung der Kinderkosten. Diese ist notwendig, denn derzeit geht die


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 132

Berechnung des Regelbedarfs auf Werte einer 1964 veröffentlichten Statistik des Statistischen Zentralamts über die Haushaltsausgaben für Kinder zurück und wird jährlich lediglich an den Verbraucherpreisindex angepasst.

Ebenso zügig ist das Unterhaltsvorschussgesetzes weiterzuentwickeln, Lücken müs­sen geschlossen werden. Auch der Unterhaltsvorschuss für Kinder soll zukünftig bis zum Ende ihrer Ausbildung garantiert werden.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert eine armutsfeste Unterhaltssicherung für Allein­erziehende in Form einer Unterhaltsgarantie, die sich an den Regelbedarfsätzen orientiert (= Ergänzungsbetrag zur Familienbeihilfe) sowie eine Reform des Unter­haltsrechts, insbesondere des Unterhaltsvorschussgesetzes, auf Basis einer aktuali­sierten Kinderkostenanalyse zügig umzusetzen.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Strasser. – Bitte.

 


15.45.31

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Als Obmann des Familienaus­schusses darf ich mich einleitend für die gute Zusammenarbeit in unserem Gremium bedanken, auch wenn diese Materie Thema im Justizausschuss ist. Ich darf mich bei Angela Lueger, bei Michael Bernhard, bei Judith Schwentner und auch bei Anneliese Kitzmüller und Leo Steinbichler, der jetzt zwar keiner Fraktion mehr angehört, bedanken. Ich bin froh, dass wir immer sehr intensive, aber offene Diskussionen führen konnten, und bedanke mich für die konstruktive Zusammenarbeit.

Ein bisschen schmerzt es mich, dass uns vonseiten der SPÖ ausgerichtet wird, dass wir verhindert hätten, noch einen Familienausschuss zu terminisieren. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Einen Tag vor dem letzten Ausschusstag sozusagen eine Initiative zu starten, halte ich an und für sich für nicht sonderlich konstruktiv. (Abg. Schwentner: Aber es wäre möglich gewesen! Zwischenruf der Abg. Gisela Wurm.)

Wir haben im Familienbereich einiges zusammengebracht, wir haben uns der Familien­beihilfe in vielen Facetten gewidmet. Wir haben uns das Kinderbetreuungsgeld neu angesehen und eine Lösung gefunden, über ein Konto diese Bezüge zu bekommen. Ich darf erinnern, Frau Kollegin Lueger: Wir haben auch betreffend Sternenkinder etwas zusammengebracht. (Abg. Schwentner: … ein bissel ungeschickt!) Auch das war auf den letzten Metern nicht ganz einfach, aber letztendlich war dann das Projekt doch von Erfolg geprägt. (Abg. Schwentner: Genau!)

Heute geht es um die Unterhaltsgarantie, die jetzt von der SPÖ – danke, Frau Minis­terin! – sehr sachlich aufgearbeitet wurde. Auch wir wissen, dass es armutsgefährdete Kinder in Alleinerzieherhaushalten gibt (Abg. Schwentner: Ja, sehr schön, hat sich herumgesprochen bis zur ÖVP!), aber auch in Haushalten, wo es zwei Elternteile gibt. Dazu werde ich aber dann noch kommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 133

Es hat eine Fernsehkonfrontation gegeben, in der alle Spitzenkandidaten sich dafür ausgesprochen haben, in diesem Punkt eine Lösung zu finden. (Abg. Gisela Wurm: Jetzt!) Alle haben sich dafür ausgesprochen, eine Lösung zu finden. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Die aktuelle Situation im Parlament ist so, dass die FPÖ einen Antrag, ein Konzept geliefert hat, dass die SPÖ ein Konzept, das wir jetzt wirklich sehr im Detail gehört haben, geliefert hat und dass die ÖVP ein Konzept geliefert hat.

Ich würde mir wünschen, dass wir über diese Konzepte diskutieren (Zwischenruf der Abg. Gisela Wurm) und – das wird wahrscheinlich erst in der neuen Regierungs­periode sein – dass wir tatsächlich zu einer Lösung kommen.

Ganz kurz zu unserem Ansatz: Das eine ist, wir halten, was angekündigt ist, denn auch unser Konzept bringt eine Lösung für die betroffenen Kinder und Familien. (Abg. Schwentner: Aber erst, wenn sie Mindestsicherung haben, das ist absurd!) Wir müssen uns auf jeden Fall die Situation anschauen, um zu sehen, ob diese zusätz­lichen Leistungen nicht auch ins Ausland gehen würden. (Abg. Schwentner: Das ist so erbärmlich!) Die Rechtsexperten sagen uns, dass das mit großer Wahrscheinlichkeit der Fall sein wird, und das lehnen wir ab, denn wir fordern ja die Indexierung der Familienbeihilfe, die in andere EU-Staaten geht. Das wurde von Bundeskanzler Kern durchaus schon sehr, sehr wohlwollend kommentiert. Es war aber dann leider mit der Sozialdemokratie nicht möglich, dieses Projekt in eine Beschlussfassung zu bringen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Unser Konzept gewährleistet, dass nicht nur Alleinerziehende in den Genuss dieser Unterstützung kommen, sondern, wenn Bedarf gegeben ist, auch Kinder, die mit zwei Elternteilen leben, denn es geht ja um die Armutsgefährdung von Kindern, und Kinder können, auch wenn sie mit beiden Elternteilen leben, in diese Situation kommen. Und wir haben auch ein Konzept zur Gegenfinanzierung, denn es geht hier um Beträge im Millionenbereich, und wenn die Geschichte mit der Indexierung gelöst wird, kann damit ein Teil davon durchaus gegenfinanziert werden.

Ganz kurz noch zum Konzept der SPÖ, da tauchen nämlich einige Fragen auf: Wir müssen uns die Sache mit der Exportfähigkeit anschauen. (Abg. Gisela Wurm: Hat die Frau Ministerin eindeutig ausgeführt!) Wir wollen nämlich nicht – ich möchte das noch einmal unterstreichen , dass diese Gelder in die Europäische Union exportiert wer­den. Wir müssen diskutieren, ob es nicht zu einem Missbrauch kommen kann (Abg. Gisela Wurm: Eindeutig ausgeführt!), das muss man sich auch ganz genau an­schauen.

Und wir müssen auch über die Finanzierung reden, denn die Unterhaltsvorschüsse machen laut Rechnungsabschluss 2015 bisher schon 135 Millionen € im Jahr aus, da­von sind 55 Millionen € nicht einbringbar. (Zwischenrufe der Abgeordneten Königsberger-Ludwig und Gisela Wurm.) Wenn Ihr Konzept in die Realität umgesetzt wird, dann verursacht das laut unseren Experten Kosten in der Höhe von 350 bis 650 Millionen €.

Ich sage Ihnen ganz offen, auch die Diskussion rund um den Familienlasten­aus­gleichsfonds hat uns im Familienausschuss intensiv beschäftigt, und ich lasse mir den FLAF durch unüberlegte Beschlüsse nicht ausräumen! Daher ersuche ich Sie noch um etwas Zeit, dass wir das sachlich diskutieren können, damit es dann bald zu einem Beschluss kommen kann. (Abg. Gisela Wurm: Es geht um Kinder! Wir haben keine Zeit!)

In diesem Sinne: Vielen Dank für die offenen Worte und alles Gute! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jarolim: Ich hätte mir eine ernsthaft vorbereitete Rede erwartet!)

15.52



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 134

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Schimanek gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


15.52.31

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Ministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin auch sehr froh, dass wir noch einmal das Thema Alleinerzieherinnen hier im Plenum behandeln dürfen. Was mich aber wirklich erschüttert: Obwohl sehr sachlich vorgetragen, ist der Streit der beiden Regierungs­parteien bei diesem Thema immer noch eklatant. Sie werden auf keinen grünen Zweig kommen.

Ich habe mir die Zahlen jetzt auch noch einmal angeschaut. Laut Armutskonferenz sind rund 18 Prozent der österreichischen Bevölkerung, das sind 1 542 000 Menschen, armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, das heißt, ihr Einkommen liegt unter der Armutsschwelle. 3 Prozent der österreichischen Bevölkerung, und das sind immerhin auch noch 257 000 Menschen, haben ein so geringes Einkommen, dass sie sich nicht alle wesentlichen Güter, die man zum Leben braucht, leisten können.

Eine Vorrednerin hat es, glaube ich, auch angesprochen: Man kann sich keine gesun­den Lebensmittel leisten, man kann die Wohnung nicht heizen. Das ist wirklich ein eklatanter Missstand im reichen Österreich. Natürlich gehören dazu auch die Allein­erzieherinnen, aber auch, nicht zu vergessen, Familien mit drei oder mehr Kindern.

Frau Minister, Sie haben meinen Antrag angesprochen, den ich ja schon im Jahr 2010 eingebracht habe, wo ich sehr rasch eine Änderung herbeiführen wollte, denn um überhaupt vom Staat einen Unterhaltsvorschuss bekommen zu können, benötigt man in Österreich einen vollstreckbaren Exekutionstitel. Den kann man aber bei der Ge­schwindigkeit, mit der die Gerichte in Österreich arbeiten, ja kaum bekommen. Leid­tragende sind in diesem Fall die Alleinerzieherinnen und ihre Kinder, sie haben dadurch einen sehr hohen finanziellen Nachteil.

Heute, drei Tage vor der Nationalratswahl, oder letzte Woche kommen Sie endlich drauf: Da gibt es ein Thema, das wir eigentlich vergessen haben. (Abg. Gisela Wurm: Was?) Sie haben es vergessen! Ich kann Ihnen das ja natürlich auch beweisen. Mein Antrag zur Änderung des Unterhaltsvorschußgesetzes liegt schon seit dem Jahr 2010 im Justizausschuss. (Zwischenruf der Abg. Gisela Wurm.) – Gisela, bevor du dich jetzt lang aufregst, sage ich es dir: Er wurde von der SPÖ jedes Mal vertagt.

Ich kann mich erinnern, als ich in diesem Justizausschuss war, Kollege Steinhauser war auch dabei, haben alle einheitlich davon gesprochen, dass es diesbezüglich einen eklatanten Missstand in Österreich gibt. Alle Fraktionen – Herr Steinhauser, Sie wer­den es mir sicher noch bestätigen (Abg. Steinhauser: So ist es!) –, haben uns ver­sprochen, dass wir zu diesem Thema eine weitreichende Enquete durchführen werden. Gerade deswegen – der Justizminister hat es heute angesprochen –, weil es unter­schiedliche Länderregelungen, unterschiedliche Ansätze gibt, müssen wir uns alle zusammensetzen: das Justizministerium, das Sozialministerium, das Familienministe­rium und die Länder. Das wurde uns versprochen! (Abg. Steinhauser: So ist es!) Sie haben es versprochen und nicht eingehalten, und das ist Ihre Verantwortung.

Deshalb: Kommen Sie nicht drei Tage vor der Wahl mit irgendwelchen Anträgen daher, und streuen Sie nicht den Leuten in Österreich Sand in die Augen, wenn Sie es bis jetzt nicht geschafft haben, eine richtig gute Lösung (Abg. Heinisch-Hosek: Ihre war nicht gut!) für die ÖsterreicherInnen zu finden! (Beifall bei der FPÖ.) Sie haben es beide erklärt, Sie haben das zwei Mal in Regierungsabkommen festgehalten, aber haben es erst jetzt geschafft, Anträge in den Nationalrat zu bringen. Das ist beschä­mend, das ist eine Augenauswischerei! Sie streuen wirklich nur den Leuten Sand in die Augen. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 135

Ich gebe Ihnen jetzt aber noch einmal eine Gelegenheit, unseren Anträgen, die Sie ständig verschoben und ignoriert haben, zuzustimmen. Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstüt­zung von Alleinerziehenden durch erleichterten Zugang zum Unterhaltsvorschuss für österreichische Staatsbürger

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der folgende Forderungen umgesetzt werden:

1. Antragstellern, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, ist ein angemes­sener einstweiliger Unterhaltsvorschuss auszubezahlen, wenn sie glaubhaft machen, dass der Unterhaltsschuldner mit der Zahlung in Verzug ist.

2. Die näheren Bestimmungen über die Höhe des einstweiligen Vorschusses sowie über Art und Inhalt der Glaubhaftmachung des Zahlungsverzugs sind im Wege einer Verordnung des Bundesministers für Justiz festzulegen, dabei sind die Vermögens­situation des Antragstellers sowie die Dauer des Verzuges zu berücksichtigen.

3. Der Bund ist verpflichtet, die vorausbezahlten Beträge beim Unterhaltsschuldner unverzüglich einzutreiben.

4. Anpassung der Höhe der Familienbeihilfe sowie des Kinderabsetzbetrages für Kinder in einem EU/EWR-Staat an die Kaufkraft im jeweiligen Land.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.58


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Carmen Schimanek, Anneliese Kitzmüller

und weiterer Abgeordneter

betreffend Unterstützung von Alleinerziehenden durch erleichterten Zugang zum Unter­haltsvorschuss für österreichische Staatsbürger

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend "Armut von Kindern und Alleinerzieherinnen bekämpfen – Unter­haltsgarantie umsetzen!" in der 199. Sitzung des Nationalrates am 12. Oktober 2017

Nach dem österreichischen Kindschaftsrecht haben beide Elternteile gegenüber ihren Kindern gleiche Rechte und Pflichten und müssen zum Unterhalt ihrer (ehelichen und unehelichen) Kinder beitragen. Elternteile, die nicht im gemeinsamen Haushalt mit den Kindern leben, sind demnach zur Zahlung von Geldunterhalt verpflichtet.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 136

Wird dieser Geldunterhalt vom Unterhaltsschuldner nicht geleistet, wird seitens der Republik Österreich ein Unterhaltsvorschuss (Alimentationsbevorschussung) zur Sicher­­stellung des Unterhalts der Kinder ausbezahlt.

Dieser wird auf Antrag jenes Elternteils, der zur Vertretung des Kindes befugt ist, gewährt. Der Unterhaltsvorschuss wird ab Beginn des Monats der Antragstellung für höchstens fünf Jahre gewährt und vom zuständigen Oberlandesgericht jeweils am 1. eines Monats im Voraus an die bezugsberechtigte Person ausbezahlt.

Problematisch dabei ist allerdings, dass gemäß § 3 Z. 1 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Vorschüssen auf den Unterhalt von Kindern (Unterhaltsvorschuss­gesetz 1985 - UVG) ein Unterhaltsvorschuss durch den Bund nur dann geleistet werden kann, wenn für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch ein im Inland voll­streck­barer Exekutionstitel besteht. Da der Lauf des Rechtwegs zur Erlangung eines Exe­kutionstitels aber erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann, kann es für einkom­mensschwache, betroffene Mütter zu massiven finanziellen Engpässen kommen. Daher soll künftig die Glaubhaftmachung, dass der Unterhaltsschuldner mit der Zahlung in Verzug ist, durch Antragsteller mit österreichischer Staatsbürgerschaft für die Zuerkennung eines angemessenen einstweiligen Unterhaltsvorschusses genügen.

Die genannten Leistungen können durch Anpassung der Höhe der Familienbeihilfe sowie des Kinderabsetzbetrages für Kinder in einem EU/EWR-Staat an die Kaufkraft im jeweiligen Land finanziert werden.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der folgende Forderungen umgesetzt werden:

1. Antragstellern, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, ist ein ange­messener einstweiliger Unterhaltsvorschuss auszubezahlen, wenn sie glaubhaft machen, dass der Unterhaltsschuldner mit der Zahlung in Verzug ist.

2. Die näheren Bestimmungen über die Höhe des einstweiligen Vorschusses sowie über Art und Inhalt der Glaubhaftmachung des Zahlungsverzugs sind im Wege einer Verordnung des Bundesministers für Justiz festzulegen, dabei sind die Vermögens­situation des Antragstellers sowie die Dauer des Verzuges zu berücksichtigen.

3. Der Bund ist verpflichtet, die vorausbezahlten Beträge beim Unterhaltsschuldner unverzüglich einzutreiben.

4. Anpassung der Höhe der Familienbeihilfe sowie des Kinderabsetzbetrages für Kinder in einem EU/EWR-Staat an die Kaufkraft im jeweiligen Land.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann Mag. Steinhauser gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


15.58.33

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Thema Unterhaltsgarantie haben die Bürgerinnen und Bürger eine bittere Erfah­rung machen müssen. Wenn sich sechs Politiker in einer Wahlkampfsituation hinstellen und alle sechs ein Ja-Schildchen in die Höhe heben, dann heißt das noch nicht, dass


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 137

alle dafür sind. Ich finde es aber gut, dass man das noch vor der Wahl sieht. Das ist aber nicht der einzige Punkt, ich habe es vorhin schon gesagt: Auch bei der An­gleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten – das steht im Wahlprogramm der ÖVP – wird die ÖVP heute dagegen stimmen.

Es ist bedauerlich, wenn Politiker und Politikerinnen im Fernsehen bei Wahlkampf­duellen etwas versprechen und es dann, fünf Minuten später, nicht einhalten. In dem Fall ist es besonders bedauerlich, weil das auf dem Rücken jener ausgetragen wird, die im Leben eine harte Situation zu meistern haben, nämlich dass sie Kinder und zu wenig Geld für diese Kinder haben, um zumindest Dinge wie Schulausflüge, Skikurse et cetera, zu bezahlen. (Abg. Schwentner: Genau!)

Mich hat es aber aus einem Grund nicht wirklich verwundert – Kollegin Schimanek hat das schon angedeutet –: Wir führen eigentlich seit zehn Jahren einen zähen Kampf um das Thema Mindestunterhalt. Diese Debatte ist ja nicht bei der Puls-4-Diskussion entstanden, wie manchmal der Eindruck erweckt wird, sondern da gibt es eine lange, lange Vorgeschichte.

Ich habe extra für die heutige Debatte diese Vorgeschichte ausheben lassen, um zu zeigen, wie zäh diese Auseinandersetzung ist und wie wenig dann davon zu halten ist, wenn plötzlich ein Spitzenkandidat wie Sebastian Kurz ein Ja-Schild in die Höhe hält.

Die Geschichte beginnt im Justizausschuss vom 22.6.2011. Damals – und darauf hat Kollegin Schimanek verwiesen – haben wir das Problem Mindestunterhalt und Unter­halts­garantie intensiv debattiert, nämlich genau unter der Prämisse, dass der Unterhalt für manche zu wenig ist, um dann mit den Kindern den Alltag bestreiten zu können. Große Übereinkunft: Wir machen eine parlamentarische Enquete, das Thema ist wichtig und rechtlich schwierig! Der zweite Teil stimmt, dazu komme ich später noch; aber es ist wichtig.

Dann ist Folgendes passiert: Am 16.9. haben wir einen Vorschlag vorgelegt. Damals war übrigens – das würdige ich von mir aus, auch wenn er mir nicht nahesteht; Sie erinnern sich sicher – auch noch Kollege Stadler im Parlament, der, aus welchen Motiven auch immer, da durchaus mitgezogen hat. Wollen wir das noch dazusagen ... (Ruf bei der SPÖ: Er war Volksanwalt!) – Ja, ich glaube, aus seiner Erfahrung als Volksanwalt, als der er von vielen AlleinerzieherInnen kontaktiert worden ist.

Es war nicht möglich – und Sie wissen, die Abhaltung einer Enquete braucht nach dem Usus Einstimmigkeit –, es war nicht möglich, diese Einstimmigkeit im Parlament zu bekommen. Die ÖVP hat sich gegen diese Enquete gewehrt. – So, damit ist zum ersten Mal dieses Anliegen auf der Strecke geblieben.

Regierungsübereinkommen 2013: Wieder ist der Mindestunterhalt für Kinder ein Thema. Wir haben 2014 einen neuerlichen Anlauf unternommen. Damals hat nämlich sogar Justizminister Brandstetter – daran kann ich mich erinnern – im Ausschuss gesagt, das wäre eine gute Idee. Wiederum, weil es rechtlich nicht ganz einfach ist, hat er gesagt: Ja, holen wir uns die Experten, setzen wir uns im Parlament zusammen, diskutieren wir das durch! Das Problem – ich komme später noch darauf zurück – sind der Föderalismus und die Kompetenzverteilung auf die Länder. Der Justizminister hat damals gesagt: Ja, machen wir eine Unterhalts-Enquete.

Ich habe mir gedacht: Wenn jetzt Minister Brandstetter seiner eigenen Fraktion empfiehlt, dass wir eine Unterhalts-Enquete machen, müsste das doch der Durchbruch sein. Mitnichten! Es ist wieder nichts weitergegangen.

Jetzt mag durch den Wahlkampf eine gewisse Dynamik hineingekommen sein, aber diese Dynamik ist nur eine scheinbare.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 138

Nun möchte ich zum Rechtlichen kommen; es ist tatsächlich nicht ganz einfach. Die SPÖ macht einen Vorschlag, der das Problem dadurch zu greifen und zu lösen versucht – wir unterstützen diesen Vorschlag auch grundsätzlich, weil er durchaus ein richtiger Ansatz ist –, dass man sagt: Wir haben nicht die Kompetenzen für eine Kindergrundsicherung, die eigentlich notwendig wäre, also können wir zumindest für die AlleinerzieherInnen im Rahmen des Unterhaltsvorschußgesetzes etwas machen. Das ist ein durchaus richtiger Zugang.

Aber – und das ist jetzt der Punkt der ÖVP, der ja nicht ganz falsch ist – die ÖVP sagt, es gibt natürlich auch Kinder in Beziehungen, die möglicherweise aufgrund des Eltern­einkommens in einer sozial schwierigen Situation sind. Die Lösung wäre eine Kinder­grund­sicherung, dann wären sowohl AlleinerzieherInnen als auch armutsgefährdete Familien erfasst. Wir wissen, die beiden hauptarmutsgefährdeten Gruppen sind Allein­erzieherInnen und Mehrkindfamilien, nämlich Drei- und Vierkindfamilien. Das heißt, so eine Kindergrundsicherung wäre eigentlich eine tolle Lösung.

Jetzt beginnt aber das Problem der Republik Österreich mit der Kompetenzverteilung. Für diese Kindergrundsicherung wären wiederum die Länder zuständig. Das heißt, da haben wir im Nationalrat nicht die Kompetenz, dieses Gesetz zu verabschieden. Insofern komme ich jetzt zum ÖVP-Vorschlag. Wenn ihr sagt, man muss das an die Mindestsicherung anhängen, dann ist da einmal das erste Problem, dass tatsächlich nur jene Kinder betroffen sind, die Eltern in der Mindestsicherung haben. Es gibt aber Eltern, die wenig verdienen und trotzdem keine Grundsicherung haben, sodass damit das Thema Kinderarmut nicht endgültig gelöst ist.

Jetzt komme ich wieder zum Kompetenzdschungel. Ihr sagt nun etwas, was mich überrascht, ihr sagt nämlich: Dann gehen wir doch in die Grundsatzgesetzgebung. Das überrascht mich deswegen, weil, als wir die Mindestsicherung diskutiert haben, unser Ansatz immer relativ klar war, nämlich: Wir brauchen einheitliche Standards in ganz Österreich. Und wie erreichen wir die? – Mit einer Grundsatzgesetzgebung! Da war die ÖVP die Partei, die gesagt hat: Das wollen wir nicht.

Dann haben die Alleingänge der Länder begonnen und damit diese insgesamt schwie­rige Situation, die wir jetzt bei der Mindestsicherung haben, inklusive dem, dass es durch ein unterschiedliches Niveau natürlich nicht nur für die betroffenen Familien schwierig ist, sondern auch nachvollziehbare Anreize bestehen, dann, wenn man betroffen ist, dort hinzuziehen, wo die Mindestsicherung höher ist. Da wäre eine gemeinsame Lösung sicher besser gewesen.

Uns das jetzt anzubieten, nachdem man vorher gesagt hat, das geht gar nicht, und, ich glaube, sogar im Regierungsübereinkommen gemeinsam festgelegt hat, dass es diese Grundsatzgesetzgebung nicht mehr geben soll, ist – ich sage es einmal gelinde – der Versuch, aus dem Puls-4-Studio zu flüchten und irgendwie den Anschein zu wahren, dass man das Anliegen vertritt, aber nicht wirklich Redliches umsetzen zu müssen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Das finde ich wirklich schade, weil dieser Kompetenzkonflikt, den wir hier haben, ein Beispiel für klassischen fehlgeleiteten Föderalismus ist, da wir einerseits eine Zustän­digkeit beim Bund haben und andererseits das sogenannte Armenwesen, wie es antiquiert noch heißt, bei den Ländern ist. Das sind Kompetenzkonflikte, die bereinigt gehören. Der Bund gehört zuständig gemacht für die Sozialgesetzgebung, dann hat er auch die Möglichkeit, gestalterisch tätig zu werden.

Jetzt befinden wir uns in einem Kompetenzwirrwarr. Da gibt es Ansätze, die wir unterstützen, die aber natürlich nicht alles umfassen, und den Rest können wir nicht machen, weil diese Hilfskonstruktionen nicht funktionieren. Wer bleibt übrig? – Die Betroffenen, und das sind in dem Fall die Kinder! Das tut mir besonders weh, weil ich


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 139

mich durchaus als Familienmensch definieren würde. Nur definiere ich Familie nicht über Vater/Mutter, sondern über die Kinder.

Daher tut es mir leid, wenn wir zwar sechs Ja in einer Puls-4-Debatte haben, aber am Ende die Politik blamiert ist, weil sich zeigt, dass unsere Verfassung es nicht einmal schafft, diese Herausforderung zu meistern, beziehungsweise wir Politikerinnen und Politiker haben, die sich am Ende nicht mehr daran erinnern, was sie im Puls-4-Studio versprochen haben. Schade, aber der 15.10.2017 bietet ja eine Möglichkeit für die Wählerinnen und Wähler, darauf eine Antwort zu geben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Bernhard. – Bitte.

 


16.06.18

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Bundes­mi­nis­te­rinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Das Thema, das jetzt hier aufgemacht wurde, ist wesentlich breiter diskutiert worden als die eigentliche Unterhaltsgarantie, um die es geht. Beim Zuhören, muss ich ehrlich sagen, habe ich mich schon über sehr viele Dinge gewundert.

Das eigentliche Thema bei Alleinerziehenden ist – ich habe mir das angesehen –: Wir reden von 2,4 Millionen Familien, wir reden von 1,7 Millionen Ehepaaren, von 386 000 Le­bensgemeinschaften, und dann reden wir von 261 000 Müttern und 48 000 Vätern in einer Ein-Eltern-Gemeinschaft, Ein-Eltern-Familie. Das heißt, wenn ich mir jetzt die Zahlen ansehe, die 180 000 armutsgefährdeten Alleinerziehenden, bedeutet das: Ungefähr 80 oder 85 Prozent der Frauen und ungefähr 50 Prozent der Männer, die in einer Ein-Kind-Familie sind, sind armutsgefährdet, wenn ich jetzt diese Diskussion so verfolge.

Was mich natürlich wundert, was auch meine Kollegen in der Fraktion zur Diskussion veranlasst hat, ist, so kurz vor Ende der Legislaturperiode, so kurz vor einer Wahl einen Beschluss zu fassen, weil die Sozialdemokratie das Thema richtig erkannt hat, bezüglich dessen aber überhaupt keine Form von Gegenfinanzierungsvorschlag und auch keine klare Schätzung darüber, welche Mehrkosten auf die Republik zukommen, vorliegen.

Zu dem Problem sei gesagt, dass auch wir von den NEOS uns sehr klar dazu bekennen, dass natürlich eine Eine-Mutter- oder eine Ein-Vater-Familie mit einem Kind oder mehreren Kindern nicht in die Armut abdriften darf. Dazu bekennen wir uns uneingeschränkt. Was unserer Ansicht nach aber sehr unseriös ist, ist ein Antrag im Parlament wenige Tage vor einer Wahl, von dem wir nicht wissen, ob er 200, 300, 400 oder noch mehr Millionen € an zusätzlichen Kosten bedeuten wird, und das Ganze bei einem Familienlastenausgleichsfonds, wo wir schon durch die Gesetzgebung in den letzten Jahren tatsächlich eine Neuverschuldung im Jahr 2019 von einer halben Milliarde pro Jahr erleben werden. Das bedeutet, viele Dinge, die in diesen Familien­lastenausgleichsfonds hineingepackt werden, sind auf der anderen Seite gar nicht mehr ausreichend finanziert.

Ich möchte an der Stelle vorwegschicken, wir stehen zu unserem Wort, welches wir in der Puls-4-Sendung gegeben haben: Wir werden diesen Entschließungsantrag mittra­gen. Wir erwarten allerdings, dass in der nächsten Legislaturperiode, wenn die ent­sprechende Gesetzesmaterie vorgelegt wird, auch über die Gegenfinanzierung dis­kutiert wird, wie wir dieses Thema entsprechend angehen wollen.

Das Zweite – und das ist aus meiner Sicht ebenfalls sehr wichtig, weil, auch wenn das Thema schon oft im Parlament diskutiert wurde, jetzt mit größter Eile ein Antrag


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 140

gebastelt wurde und wir als Fraktion nicht eingeladen waren, mitzuwirken –: Es fehlen erhebliche Daten! Auf diese Frage, welche Daten wir brauchen, um eine vernünftige Entscheidung treffen zu können, um die Lücke zu schließen, würde ich jetzt tatsächlich nicht warten, aber wir müssen uns trotzdem gleichzeitig darauf vorbereiten, die ent­sprechenden Daten zu erheben. Daher fordern wir von den NEOS eine sogenannte Sunset Clause, das heißt, dass wir tatsächlich Daten evaluieren. Ich komme dann später noch in einem eigenen Antrag dazu.

Was tatsächlich aus meiner Sicht ebenfalls fehlt, ist die ausreichende Begründung der Sozialdemokratie, warum man in den letzten Jahren nichts gemacht hat. Kollegin Heinisch-Hosek hat richtigerweise gesagt, 2008 war das schon im Regierungspapier. Neun Jahre – und Sie können jetzt nicht sagen, Sie haben sich neun Jahre lang ausschließlich die Zähne an der ÖVP ausgebissen. Sie waren neun Jahre in der Verantwortung, Sie hätten das neun Jahre auch tatsächlich zu einer Bedingung machen können, um eine Regierung mit der ÖVP zu bilden. Das haben Sie anschei­nend nicht gemacht. Neun Jahre ist nichts passiert, und dann soll alles in einer Woche oder in zwei Wochen passieren?!

Ich möchte schon darauf eingehen, dass es um wesentlich mehr geht als um eine Lücke in Sachen Unterhaltsgarantie, die geschlossen werden soll, und darauf hinwei­sen, dass es allein 31 Empfehlungen des Rechnungshofes gibt, was das Thema Unter­haltsvorschüsse betrifft. Von den 31 Empfehlungen des Rechnungshofes hat meines Wissens die Sozialdemokratie auch keine umgesetzt, genauso wenig wie die ÖVP. Aber ganz ehrlich: Was Sie von der ÖVP betrifft, ist es ja spürbar, dass dieses Thema für Sie unangenehm ist, weil Kurz zugesagt hat, dass etwas passieren soll. Jetzt haben Sie etwas eingebracht, von dem Sie gewusst haben, dass alle anderen es ablehnen und somit die Sache erledigt ist. Aber von Ihnen hätte ich sozusagen etwas mehr an Futter im Antrag erwartet, etwas mehr Inhalt, etwas konkretere Vorstellungen. Das fehlt hier zur Gänze.

Das andere – und darauf möchte ich auch eingehen – betrifft den Familienlasten­ausgleichsfonds, über den das Ganze ja finanziert werden soll. Ich habe, und das wissen Sie, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, auch als Sie Ministerin waren, permanent neue Anträge dazu eingebracht, weil es um die Frage einer Reform ging. Frau Ministerin Karmasin war enden wollend begeistert, jedenfalls was die Reform betrifft. Wir haben, wenn wir da alle neuen Ideen, Vorschläge und Unterstützungen für Fa­milien hineinpacken, ein massives Problem.

Daher – und da möchte ich noch einmal auf unsere Vorschläge im Konkreteren ein­gehen – ist das Erste, was wir tatsächlich brauchen, dass wir eine Entflechtung machen und nur das über den FLAF finanzieren, was tatsächlich auch Familien betrifft. Es gibt viele Dinge, die im Unterrichtsbereich oder im Gesundheitsbereich liegen, wo der FLAF keine Verantwortung trägt, und da wäre eine Reform dringend erforderlich. Die SPÖ hat diese Reformen, die in den letzten vier Jahren von uns NEOS vorgeschlagen wurden, jedes Mal aufs Neue abgelehnt.

Das andere, worauf ich auch schon hingewiesen habe: Seit 2016 ist es so, dass der FLAF jedes Jahr neue Schulden aufbaut: 2017 sind es 170 Millionen €, 2018  456 Mil­lionen €. Wer soll das bezahlen? – Diese Antwort bleiben beide schuldig.

Was meinerseits auch sehr wichtig ist zu erklären, ist der Grund, warum wir beim ÖVP-Antrag nicht mitgehen können. Die ÖVP schlägt vor, das Thema der Unterhaltsgarantie an die Mindestsicherung zu koppeln. Allein dazu ganz konkret: Erstens treffen Sie damit, wie schon richtigerweise gesagt worden ist, nur einen Teil derjenigen, die tatsächlich leidend sind und um die es auch bei der Zusage von Sebastian Kurz gegangen ist. Wesentlich zu sein scheint mir aber auch, dass Sie das über die Min-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 141

destsicherung und somit über die Bundesländer organisieren wollen. Wir wissen heute bereits, dass das mit der Mindestsicherung – Kollege Loacker wird sicher auch darauf eingehen – nur sehr enden wollend funktioniert. Das heißt, Sie machen einen Vor­schlag, von dem Sie wissen, dass am Ende des Tages den Kindern, um die es geht, nicht in einem ausreichenden Ausmaß geholfen wird.

Ich möchte an dieser Stelle, weil ich gesagt habe, es geht uns auch um das Thema Evidenz, folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Durch­führung einer statistischen Erhebung zum Unterhaltszuschuss

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird dazu aufgefordert, eine wissenschaftliche Studie zum Thema Unterhalt- und Unterhaltsvorschuss in Auftrag zu geben und zu veröffentlichen, die als Basis für eine umfassende Reform des geltenden Unterhaltsrechts, insbeson­dere des geltenden Unterhaltsvorschussgesetzes, genommen werden kann.“

*****

Mir ist an dieser Stelle Folgendes ganz wichtig: All das, was wir heute diskutieren, hätten Sie von der SPÖ und Sie von der ÖVP in den letzten vier Jahren mit Leichtigkeit umsetzen können. Das liegt an einer fehlenden Kooperation, an einer Unfähigkeit des gemeinsamen Regierens, auf den Schultern von Familien, auf den Schultern von Alleinerziehenden, und das darf sich kein weiteres Mal wiederholen!

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir in der nächsten Legislaturperiode eine Familienpolitik für Familien machen und keine für einen Privilegienstadel von Rot und Schwarz. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.14


Präsidentin Doris Bures: Auch dieser Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend der Durch­führung einer statistischen Erhebung zum Unterhaltszuschuss

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Andreas Schieder, Mag. Gisela Wurm, Angela Lueger, Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen.

Um Chancengerechtigkeit für die Menschen in Österreich zu gewährleisten ist es notwendig, darauf zu achten, dass Kinder und Jugendliche möglichst gute Rahmenbe­dingungen vorfinden, um ihre Lebensziele zu erreichen. Familienformen verändern sich in unserer Gesellschaft laufend, die Zahl der Eheschließungen ist seit Jahren rück­läufig, gleichzeitig steigert sich die Gesamtscheidungsrate, die sich seit dem Jahr 1981 von 26,5 Prozent auf 40,5 Prozent fast verdoppelt hat (Quelle: Statistik Austria). Dieser gesellschaftliche Wandel bedingt auch eine Reform des Unterhaltsrechts, das dringend modernisiert werden muss: Denn in Österreich lebten im Jahr 2015  606.400 Men-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 142

schen (als alleinerziehender Elternteil oder Kind) in einem Alleinerziehendenhaushalt. Dies entspricht einem Anteil von 7,2 Prozent der Gesamtbevölkerung (Quelle: ÖIF 2016). Alleinerziehende stellen eine besonders vulnerable Gruppe in unserer Gesell­schaft dar, die oft Unterstützung bedürfen. Die derzeitigen Vorschläge bezüglich einer staatlichen Unterhaltsgarantie sind vor allem als Maßnahme zur punktuellen Ausbes­serung eines Gesetzes gedacht, das grundlegend reformiert werden muss. Eine derartige Reform kann allerdings nur evidenzbasiert durchgeführt werden. Im Jahr 2014 zahlte der Bund an 51.839 Minderjährige insgesamt 134,87 Millionen Euro an Unterhaltsvorschüssen aus. Nur 77,53 Mio. EUR konnten bei den Unterhalts­schuld­nern eingebracht werden, die Einbringungsquoten stagnieren lt. Rechnungshof bei 57 Prozent (Quelle: Rechnungshof Reihe BUND 2016/7/4). Es gibt keinerlei öster­reichweit standardisierten Erhebungen über Verfahrensdauern bei Regressfor­de­rungen. Auch über etwaige zusätzliche Förderungen, die von Ländern und Gemein­den für jene ausbezahlt werden, die keinen Unterhaltsvorschuss gegenüber dem Staat geltend machen können, fehlen Daten und Fakten. Es ist zudem unklar, ob Menschen, die beim ersten Klagsversuch nicht erfolgreich sind, noch einmal klagen und ob es Evaluierungen und Follow-Ups von Seiten der ausführenden Stellen gibt. Derartige Zahlen, Daten und Fakten sind essentiell, um eine umfassende und evidenzbasierte Reform des Unterhaltsgesetzes durchzuführen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird dazu aufgefordert, eine wissenschaftliche Studie zum Thema Unterhalt- und Unterhaltsvorschuss in Auftrag zu geben und zu veröffentlichen, die als Basis für eine umfassende Reform des geltenden Unterhaltsrechts, insbeson­dere des geltenden Unterhaltsvorschussgesetzes, genommen werden kann.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


16.14.57

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehbildschir­men! Ich möchte wieder zurückkommen zum Thema der Unterhaltsgarantie, möchte noch einmal einige Zahlen in den Raum stellen, weil da viele herumschwirren, und möchte mich auf die Statistik Austria beziehen.

Wir haben rund 180 000 Einfamilienhaushalte: 180 000, Statistik Austria. 49 Prozent der nicht erwerbstätigen und 19 Prozent der erwerbstätigen Alleinerzieher sind armuts­gefährdet. Das ist ein Prozentsatz, der deutlich über dem europäischen Richtsatz liegt; das kann so nicht sein! Nahezu ein Viertel der Ein-Eltern-Haushalte, sprich 23 Prozent, kann sich die Dinge des täglichen Lebens nicht mehr leisten, die wir hier auch schon genannt haben.

Jetzt war es ganz einfach unser Ziel, etwas zu entwickeln, wie wir diesen Alleinerzie­herInnen – mit großem I – helfen können. Das Beispiel mit der Unterhaltsgarantie war jenes, wo wir gesagt haben, es ist ja so, dass, wenn – und meistens sind es leider die Väter – die Väter ihre Unterhaltszahlungen festsetzen lassen, bei Gericht erneut fest­setzen lassen, ab diesem Zeitpunkt die Frau für das Kind nichts mehr bekommt. Das ist ein großes Problem. Und ja, es stimmt, dass wir im Augenblick wohl nichts weiter-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 143

bringen, ja, es stimmt, wir haben dieses Problem schon lange liegen, wir haben aber auch einen Koalitionspartner, der in dieser Weise nicht mit uns gemeinsam gearbeitet hat. (Abg. Schimanek: Ihr habt meine Anträge zur Vertagung gebracht!) Somit haben wir jetzt diese Idee der Unterhaltsgarantie entwickelt, die zuerst diejenigen treffen sollte, die gar nichts bekommen, sodass diese mit Geld für ihre Kinder abgesichert sind.

Wir haben im aktuellen Unterhaltsrecht – und da gebe ich allen recht, vor allen Dingen dem Kollegen Steinhauser, der ja die Geschichte auch noch einmal erzählt hat – die Problematik, dass diese Kinder jetzt schlichtweg nichts bekommen, wenn die Zahlun­gen neu festgesetzt werden. Wir kennen die Versprechen, wir kennen die Versprechen des Herrn Bundesministers und jetzt auch Vizekanzlers Brandstetter, der noch vor drei Jahren eine Arbeitsgruppe gegründet hat, uns aber nie gesagt hat, was in dieser Arbeitsgruppe weitergegangen ist. Es liegt auch kein Ergebnis dieser Arbeitsgruppe vor. Irgendwann einmal ist der Zeitpunkt erreicht gewesen, zu dem wir von der Sozialdemokratie gesagt haben: Schluss jetzt! Es ist schon zu viel Zeit verstrichen, wir müssen alleinerziehenden Müttern, alleinerziehenden Vätern und vor allem den Kindern helfen.

Wir arbeiten mit Zahlen, Daten und Fakten der Kinderkostenanalyse von 1964. Anno dazumal war der erforderliche Aufwand dafür, dass Kinder durchgebracht werden können, sicherlich ein ganz anderer, um es jetzt so zu formulieren. Damals gab es noch keinen Laptop, damals gab es noch kein Handy und all die Dinge, die im heutigen Leben selbstverständlich sind. Das wurde seither nie evaluiert. Wir haben sogar das Problem, dass uns trotz sämtlicher Anfragen an den Herrn Justizminister nicht einmal mitgeteilt worden ist, wie sich diese Kinderkostenanalyse von anno dazumal zusam­mensetzt. Das hat uns weder Frau Karmasin beantwortet, noch hat das Herr Brandstetter beantworten können.

Daher ist es für uns ganz wichtig, dass wir eine neue Kinderkostenanalyse bekommen, dass wir die Regelbedarfsätze jetzt einmal eindeutig anheben, dass wir diese Unter­haltsgarantie erhalten und dass generell eine Reform des Unterhaltsrechts kommt. Und das war für uns die Unterhaltsgarantie als kleinster gemeinsamer Nenner, als erster Schritt in die richtige Richtung, dass wir dann letztendlich zu einer kompletten Unter­haltsreform kommen können. (Abg. Schimanek: Nach zehn Jahren!)

Was für mich auch ein Beispiel ist: Man erkennt eine Demokratie auch daran, wie sie mit Kindern umgeht, und ich würde mir im Sinne der Kinder und der Alleinerzie­herInnen wünschen, dass wir da weiterkommen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.19


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Steinacker. – Bitte.

 


16.19.48

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ge­schätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Ich glaube, viele kennen die aktuelle Situation zum Unterhaltsrecht und zum Unterhaltsvorschussrecht, ich möchte sie nur ganz grundsätzlich noch einmal kurz beleuchten, damit auch wirklich alle wissen, wovon wir sprechen.

Primär sind einmal die Eltern und die Erziehungsberechtigten verpflichtet, für die Kinder auch in materieller Hinsicht zu sorgen. Ich glaube, das sollten wir uns schon stets vor Augen halten. Und wenn es dann nicht klappt, dann haben wir derzeit die Situation, dass der Staat einspringt, und zwar mit den Unterhaltszahlungen, die aus dem Familienlastenausgleichsfonds bevorschusst werden können. Also es gibt auch


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 144

jetzt – und das möchte ich schon sagen, da es natürlich in Österreich genügend Kinder gibt, die das brauchen – eine Systematik, die hilft, dass für die Kinder (Abg. Schwentner: Aber die klagen nicht!) durch einen staatlichen Vorschuss möglichst schnell Geld zur Verfügung steht. (Abg. Schwentner: Auf dem Papier!)

Ich glaube, ich kann außer Streit stellen, dass wir alle gemeinsam eine Verbesserung für die armutsgefährdeten Kinder in Österreich wollen, da es in dem System Schwächen gibt. Es liegen nun einmal drei grundsätzlich unterschiedliche Anträge – zumindest zu der Zeit, als ich meine Rede vorbereitet habe – von FPÖ, SPÖ und ÖVP vor, und wir Abgeordnete haben über diese nicht wechselseitig miteinander ge­sprochen. – Schade! Die Anträge unterscheiden sich auch in den prinzipiellen Zu­gängen.

Ich möchte auch noch einmal ganz klar festhalten, dass es aus unserer Wertehaltung heraus grundsätzlich so ist, dass das, was wir zu leisten haben, von uns selbst geleistet werden soll. Wir wollen nicht, dass es durch die vorgeschlagene Unterhalts­garantie in Zukunft zu Missbrauch von Sozialleistungen kommt, dass diesem Tür und Tor geöffnet werden. Ganz im Gegenteil, wir wollen eine treffsichere Leistung für in Österreich lebende Kinder und wir wollen, dass Kinderarmut der Vergangenheit angehört! (Unruhe bei der SPÖ.)

Und jetzt darf ich ausführen, warum die SPÖ mit ihrem Antrag so falsch liegt: Das SPÖ-Modell wäre eine Unterhaltsgarantie für Kinder im gesamten EU-Ausland, könnte möglicherweise Hunderte Millionen Euro an Kosten verursachen. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass Kinder in ganz Europa von Österreich finanziert werden (Abg. Heinisch-Hosek: Österreich! Unwahrheit!) und dem österreichischen Steuerzahler sozusagen auf der Tasche liegen.

Es gibt Experten auf dieser und jener Seite. Ich halte mich an Professor  Marhold, den Vorstand des Instituts für Arbeitsrecht und Sozialrecht an der WU Wien, der ganz klar sagt – auch der Vizekanzler hat es heute Vormittag in seiner Rede gesagt –, es gibt die EU-Verordnung 883, Artikel 7, nach der Familienleistungen zu exportieren sind, wenn der Unterhaltspflichtige in Österreich arbeitet. – Darüber können auch Sie nicht hin­weg­sehen. Diese Einschränkung im SPÖ-Antrag auf den Wohnsitz im Inland hilft uns überhaupt nicht weiter, das ist schlichtweg europarechtswidrig. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Gerichte würden das in aller Schnelligkeit leider rasch kippen, damit wäre nichts gewonnen.

Des Weiteren hält Ihr Antrag ein Haushaltseinkommen von bis zu 55 000 € pro Jahr als angemessen, damit diese Kindermindestsicherung ausbezahlt wird. Das sind 4 000 € pro Monat, meine Damen und Herren! Das ist viel Geld für jede Familie und hat meiner Meinung nach nichts mit Armutsgefährdung zu tun! Also auch über diese Grenze müssten wir reden, da ein Einkommen in der Höhe von 55 000 € im Jahr nicht wenig ist. (Abg. Schwentner: Das ist ja Ihr eigener Antrag!)

Das Letzte, was ich unbedingt auch noch zu Ihrem Antrag sagen muss (Abg. Schwentner: Das ist ja Ihr eigener Antrag!) – Frau Kollegin, Sie wissen, ich schätze Sie sehr wert, aber in dieser Hinsicht liegen Sie wirklich falsch –: Der Antrag schließt armutsgefährdete Kinder in Zwei-Eltern-Familien aus, und das ist glatt verfassungs­widrig! Das wissen Sie auch sehr gut, und wie Sie das argumentieren können, möchte ich mir gerne anhören.

Zum FPÖ-Antrag eine kleine Anmerkung: Eine vorläufige Unterhaltsbevorschussung ist ja auch derzeit schon möglich. Die Begrenzung der Zahlung von Unterhaltsvor­schüs­sen auf nur österreichische Staatsbürger widerspricht dem Völkerrecht, daher ist auch dieser Antrag nicht haltbar.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 145

Unser Antrag ist zielsicher und treffsicher. Er schlägt Folgendes vor: Es geht um einen Zuschlag zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Das wurde von vielen kritisiert, ich finde, das ist der richtige Zugang; angelehnt an die Regelbedarfssätze, das sind 200 bis 400 €, je nach Alter. Mit unserem Modell ist ein Export ins EU-Ausland ausge­schlossen. Unser Modell ist leistbar. Aber vor allem, meine Damen und Herren: Warum soll denn ein Kind in einer Zwei-Eltern-Familie, das armutsgefährdet ist (Zwischenrufe der Abg. Heinisch-Hosek), schlechtergestellt sein als ein Kind in einer Ein-Eltern-Familie?

Unser Antrag ist auch voll ausfinanziert, nämlich indem wir gleichzeitig die Familien­beihilfe für in anderen EU-Staaten wohnende Kinder an die Lebenshaltungskosten im Wohnsitzland anpassen. (Abg. Schwentner: Dass Sie sich da alle beteiligen, ist echt beschämend!)

Ich darf in diesem Zusammenhang folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform und Absicherung des Kinderunterhalts

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ehestmöglich eine gesetzliche Regelung aus­zuarbeiten, die den Unterhalt von armutsgefährdeten Kindern im Inland sichert. Diese Regelung soll subsidiär zum Unterhaltsrecht und zum Unterhaltsvorschussrecht wir­ken, muss so ausgestaltet sein, dass für im Ausland lebende Kinder keine Leis­tungs­ansprüche bestehen, und soll sich an der Höhe des Regelbedarfs orientieren.“

*****

Meine Damen und Herren! Kurz zu dem, was vorhin noch gesagt worden ist: Mir ist vollkommen klar, dass es neben der Art und Weise, wie armutsgefährdete Kinder zu Unterhaltsvorschüssen kommen können, auch andere Probleme im Zusammenhang mit dem Verfahren gibt. Wir haben Probleme (Abg. Schwentner: Unglaublich! – Zwischenrufe bei der SPÖ) bei der konkreten Ermittlung der Unterhaltszahlungen. Sie wissen es, die Verfahrensdauer ist manchmal eine sehr lange, vor allem dann, wenn die Unterhaltshöhe beeinsprucht wird. Und es ist ganz schwierig, gerade bei Selbstän­digen mit Kindern, eine ordentliche Festlegung der Bemessungsgrundlage für den Unterhalt zu bekommen; es bedarf oftmals Sachverständigengutachten. Ich schlage vor, dass wir es durch Ermittlung von Vergleichswerten und Einheitssätzen einfacher machen.

Ich glaube auch, dass wir im Verfahrensrecht Anpassungen vornehmen müssen. Ich bin für die Einführung eines zweistufigen Verfahrens, das heißt eines Verfahrens, wonach Unterhaltszahlungsaufträge seitens der Rechtspfleger zulässig sind, damit der Unterhaltsvorschuss aus dem Familienlastenausgleichsfonds relativ schnell ausbezahlt werden kann. Und das ordentliche Verfahren nimmt erst seinen Lauf, wenn dann beeinsprucht wird.

Das Thema der verschiedenen Kompetenzzuständigkeiten betreffend danke ich Kolle­gen Steinhauser für die klaren Ausführungen; sie waren richtig. Das ist ein Problem, das haben wir, und da bedarf es nicht nur eines Überdenkens der Gegeben­heiten (Zwischenruf der Abg. Schwentner), sondern es bedarf natürlich – und das ist auch möglich – eines besseren Zusammenwirkens zwischen den Gerichten und den Kinder- und Jugendhilfeträgern.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 146

Ich sage noch einmal klar: Der Vizekanzler hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Wir haben schon einmal ein sehr komplexes und extrem schwieriges Thema sehr, sehr positiv und mit Zustimmung aller aufgearbeitet; das war beim Erwachsenen­schutz­recht. Diese Sachwalterreform ist bestens gelungen. Ich erwarte mir das auch jetzt. Der Vizekanzler hat die Arbeitsgruppe eingesetzt, und wenn Sie alle jetzt so tun, als wären Sie nicht eingebunden, dann sei Ihnen gesagt: Viele Organisationen, in denen Sie ehrenamtlich tätig sind, sind in dieser Arbeitsgruppe vertreten. Daher sind Sie auch gut informiert, Sie wissen, dass diese Arbeitsgruppe zügig arbeitet und in der nächsten Legislaturperiode mit Lösungsansätzen kommen wird.

Wir haben uns diese Arbeit im Justizausschuss grundsätzlich für den Herbst vorge­nommen. Die Wahl ist dazwischengekommen, daher wird sie von den Mandataren der nächsten Gesetzgebungsperiode zu leisten sein. Ich sage, dass es die Reform des Unterhaltsrechtes braucht. Sie wird, denke ich, auf Basis unseres Entschließungsan­trags treffsicher sein und die Kinderarmut in Österreich verhindern. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.27


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbständiger Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, DI Georg Strasser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform und Absicherung des Kindesunterhalts

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage 14128/J der Abgeord­neten Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Andreas Schieder, Mag. Gisela Wurm, Angela Luger, Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Armut von Kin­dern und Alleinerzieherinnen bekämpfen – Unterhaltsgarantie umsetzen!“

Mit dem Antrag 2329/A haben die Abgeordneten DI Georg Strasser, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen bereits dargelegt, mit welchen Verbesserungen im Unter­halts­recht am effizientesten armutsgefährdete Kinder in Österreich unterstützt werden können. Diese sollen im Rahmen der Sozialhilfe einen Zuschlag zur bedarfsorientierten Mindestsicherung angelehnt an die Regelbedarfssätze erhalten, wenn und soweit der Unterhalt nicht geleistet wird.

Der Anspruch soll dem Elternteil des nicht eigenberechtigten Kindes zustehen, welcher für die Betreuung zu sorgen hat und dann zur Anwendung kommen, wenn der Unter­halt beim Verpflichteten nicht einbringlich ist beziehungsweise wenn Kindern kein ausreichender Unterhaltsvorschuss gewährt werden kann.

Mit der entsprechenden Reform soll ein Unterhaltszuschuss normiert werden, welcher nach dem Modell der Mindestsicherung armutsgefährdeten Kindern in Österreich zusteht, aber nicht in die gesamte Europäische Union exportiert werden muss.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ehestmöglich eine gesetzliche Regelung auszuarbeiten, die den Unterhalt von armutsgefährdeten Kindern im Inland sichert.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 147

Diese Regelung soll subsidiär zum Unterhaltsrecht und zum Unterhaltsvorschussrecht wirken, muss so ausgestaltet sein, dass für im Ausland lebende Kinder keine Leis­tungs­ansprüche bestehen, und soll sich an der Höhe des Regelbedarfs orientieren.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Kitzmüller. – Bitte.

 


16.28.07

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Das hört sich schon sehr merkwürdig an, wenn hier drei Tage vor der Wahl eine Dringliche Anfrage von der SPÖ an die SPÖ-Ministerin gestellt wird (Beifall bei der FPÖ) und wenn Sie drei Tage vor der Wahl draufkommen, dass es Probleme bei den Allein­erzieherInnen gibt.

Es gibt ja nicht nur Probleme, was die Unterhaltsbevorschussung betrifft, es betrifft ja nicht nur die AlleinerzieherInnen, es betrifft die Familien insgesamt, und da gehören Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen – Sie haben es übrigens nicht mit großem Binnen-I geschrieben – auch dazu.

Was haben wir für ein Problem? Sie (in Richtung ÖVP) haben jahrelang das Familien­ministerium geführt – Frau Minister Karmasin oder wer auch immer vorher –, als Frauen­ministerin waren Sie (in Richtung Bundesministerin Rendi-Wagner) und Frau Kollegin Heinisch-Hosek tätig, und was ist passiert? – Nichts ist passiert, meine Damen und Herren, gar nichts! Das muss ich Ihnen schon sehr arg vorwerfen, wenn Sie jetzt herkommen und glauben, mit Husch-Pfusch, geschwind mit Trara und Getöse werde man etwas beschließen können. Wenn Sie sich nicht einmal untereinander besprechen können, wie soll denn das funktionieren? (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben immer wieder gesagt, dass der Familienlastenausgleichsfonds dazu verwen­det wird, die Familien zu entlasten. – Ja. Und wie ist das beim Familienlastenaus­gleichsfonds? – Er wird ständig ausgeraubt! Wir haben familienferne Leistungen, für die Gelder aus dem FLAF entnommen werden. Was passiert? – Es wird nichts getan! Minister Mitterlehner, der inzwischen auch schon Geschichte ist, hat einmal gesagt, wenn der FLAF endlich einmal entschuldet sei, dann könnte man darüber reden. Es ist nichts passiert!

Sie geben sich auch gar nicht die Mühe – da nehme ich jetzt die ÖVP gar nicht aus, nicht im Geringsten –, hier etwas zu tun. Sie reden nicht miteinander darüber, welche Vorschläge kommen sollen, und gehen auf keine anderen Vorschläge ein, obwohl wir schon jahrelang Vorschläge gebracht haben. (Beifall bei der FPÖ.) Es gibt keine Valorisierung der Familienleistungen.

Es gibt keine Gerechtigkeit, wenn wir etwa den Papamonat als Beispiel nehmen, der ja die große Erfindung sein soll. Wie kann sich ein Alleinerzieher oder eine Alleiner­zieherin den Papamonat nehmen? Wir haben bei dieser Langzeitvariante – drei Jahre, die noch immer die beliebteste Variante ist – keinen Kündigungsschutz, keine An­gleichung. Wir haben dieses halbe Jahr, das der Vater nehmen muss. Was macht da eine Alleinerzieherin? – Die schaut durch die Finger, meine Damen und Herren von der SPÖ und von der ÖVP!

Das Problem ist: Sie reden aneinander vorbei und machen nichts für die Familien oder AlleinerzieherInnen! Eines muss Ihnen von SPÖ und ÖVP schon zu denken geben: Wenn sich in Fragen wie diesen schon Freiheitliche und Grüne einmal einig sind, dann ist Handlungsbedarf gegeben, denn dann ist wirklich alles im Argen! (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 148

Ich kann Ihnen eines versprechen: Die Einzigen, die hier für Familien etwas übrig haben und für die Familien und Alleinerzieher, die ja auch Familie sind, etwas tun wollen und wirklich immer etwas getan haben, sind wir Freiheitliche, meine Damen und Herren! Nur dann, wenn wir Freiheitliche in der Regierung sein werden, wird die Familie endlich jenen Stellenwert haben, der ihr gebührt. Es muss auch daran gearbeitet werden, dass Familie lebenswert und erstrebenswert ist, und erkannt werden, dass die Kinder des Schutzes bedürfen. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) – Na ja, wir haben Alleinerzieher, die auch Familie sind und dazugehören. Aber Sie tun ja für niemanden etwas. Jetzt kommen Sie auf einmal drauf, dass die Alleinerzieher Nachteile haben. – Gratuliere! (Beifall bei der FPÖ.)

16.31


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Mag. Schwentner ist die nächste Red­nerin. – Bitte.

 


16.32.01

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Frau Präsidentin! Ich möchte an Frau Kollegin Steinacker anknüpfen, die sinngemäß gesagt hat, wir sind uns ja wohl hoffentlich alle darin einig, dass jedes Kind in diesem Land gleich viel wert ist und dass wir Kinder vor Armut schützen müssen. Ich glaube, so ähnlich hat sie es gesagt.

Ich habe nicht den Eindruck – und ich wende mich jetzt wirklich hauptsächlich in Richtung ÖVP –, dass die ÖVP bereit ist, alle Kinder in Österreich gleich zu behandeln; von der FPÖ spreche ich in diesem Zusammenhang gar nicht. Wir haben die große Gruppe der Alleinerziehenden und wissen aus jeder Statistik, dass gerade Mehrkind­familien und Familien von Alleinerziehenden die am meisten von Armut betroffenen Personengruppen in Österreich sind. Das heißt, das ist eine besonders verletzliche Gruppe, die wir uns besonders genau anschauen müssen.

Leider ist es in den letzten vier Jahren absolut verabsäumt worden – und da muss ich auch die SPÖ ein bisschen in die Pflicht nehmen, aber ich sehe vor allem die Verant­wortung bei der ÖVP –, irgendeine Initiative – mein Kollege Albert Steinhauser bezie­hungsweise Kollegin Schimanek von der FPÖ haben das schon erwähnt – aufzugreifen und die im Regierungsübereinkommen tatsächlich vereinbarten Punkte hinsichtlich des Unterhaltsvorschussgesetzes weiterzuentwickeln und eine Kinder­kostenanalyse zu erstellen. Nichts davon wurde aufgegriffen. Keine Initiative – nicht im Justizausschuss, nicht im Gleichbehandlungsausschuss, nicht im Sozialausschuss – wurde, wenn es Thema war, von der ÖVP aufgegriffen, ja, nicht einmal mit den Ohren hat man gewackelt, wenn das Thema war!

Ich finde es jetzt tatsächlich schade, dass wir am Ende einer Legislaturperiode, dass wir nach vier Jahren immer noch keine gemeinsame Lösung haben. Diese gemein­same Lösung ist aber auch keine einfache, das ist eine wirklich schwierige Rechts­materie. Es gibt immer wieder Versuche, in einer gemeinsamen Enquete zu klären, wie man Kinder, wie man Haushalte von Alleinerziehenden unterstützen kann, wie man sie vor Armut schützen kann und wie man das in dem Moment gewährleisten kann, in dem sie den Unterhalt brauchen, wenn sie dieses Unterhalts verlustig gehen, weil die Ehepartner nicht zahlen. In der Regel, wie das Kollegin Heinisch-Hosek schon gesagt hat, sind es die Männer, die die Frauen im Stich lassen, und die haben dann keine Möglichkeit, mit ihren Kindern ein adäquates Leben zu führen.

Eines muss ich auch dazusagen: Ich vermisse im Familienbild der ÖVP – Ministerin Karmasin ist jetzt nicht zugegen – das Bild der Familie von Alleinerziehenden; das fehlt. Insofern ist diese Gruppe von der Familienministerin während ihrer gesamten Amtszeit nie in den Fokus gerückt worden und hat daher auch keine Unterstützung bekommen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Gisela Wurm.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 149

Was machen Sie dagegen? Jetzt, wo wir überlegen, wo wir krampfhaft eine Lösung suchen und die SPÖ einen Vorschlag zur Unterhaltsgarantie vorlegt, was machen Sie? – Sie kommen mit der Mindestsicherung – mit der Mindestsicherung, die, wie wir leidvoll erfahren mussten, im letzten Jahr völlig aus dem Rahmen gelaufen ist. Wir haben keine bundeseinheitliche Regelung. Wir haben eine Regelung, die in einigen Bundesländern, vor allem dort, wo ÖVP und FPÖ in der Regierung sind, gerade dort, mit diesem bekannten Deckel Mehrkindfamilien massiv benachteiligt, Mehrkindfamilien in die Armut treibt. (Abg. Schimanek: Nein, das stimmt nicht!)

Partout die ÖVP, die verhindern wollte, dass wir einen bundeseinheitlichen Rahmen schaffen und dafür die Grundsatzgesetze ändern müssen, partout die ÖVP hat uns nie dabei unterstützt, das bundeseinheitlich zu regeln, und die kommt jetzt mit einem Vorschlag, dass das bundeseinheitlich geregelt werden soll, nämlich dann, wenn es darum geht, fast alle Betroffenen auszuschließen und – wie es die Frau Ministerin gesagt hat – 15 Prozent der Kinder zu unterstützen. Ich halte es für mehr als beschä­mend, werte ÖVP, dass wir bis zum Ende dieser Legislaturperiode nicht weiter ge­kommen sind, als eigentlich wirklich nur einen geringen Anteil von Familien zu unterstützen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Vielleicht wissen es zu wenige, was es bedeutet, alleinerziehend zu sein, was es bedeutet, mit Kindern allein zu leben, was es bedeutet, wenn die Kinder nicht zu jedem Kindergeburtstag gehen können, wenn sie nicht mehr jeden Schiurlaub mitmachen können, wenn sie aus dem sozialen Leben ausgeschlossen sind, weil andere Kinder das sehr wohl miterleben können und sie nicht. Das ist beschämend für sie. Viele haben Scham und Angst davor, überhaupt noch ehrlich aufzutreten und das zu zeigen. Und Sie, werte ÖVP, beteiligen sich an dem Spiel und überlegen nur, ob vielleicht irgend­welche Kinder im Ausland davon betroffen sind oder nicht. Es wird langsam echt absurd, dass die Familienpartei ÖVP, die sich irgendwann einmal christlichsozial genannt hat, bei derartigen Dingen mitmacht. Es tut mir sehr, sehr leid, dass es so weit gekommen ist. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

16.37


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


16.37.44

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die SPÖ hat diese Dringliche Anfrage eingebracht, die eigentlich Peter Pilz einbringen wollte, und ich weiß nicht, warum. Bei der SPÖ funktioniert nichts in diesem Wahlkampf, nicht einmal das mit der Dringlichen Anfrage funktioniert. Aber das kann einer großen, routinierten Partei einmal passieren.

Was ich besonders spannend finde, ist dieses Herzensanliegen des Peter Pilz; diese Debatte über die Unterhaltsrechtsreform verfolgt er gar nicht mit. Sein Thema ist auf der Tagesordnung, die SPÖ nimmt ihm den Job ab und bringt seine Dringliche Anfrage ein, und er ist gar nicht da. Das ist ein Musterbeispiel für einen fleißigen Abgeordneten, er hat seine Politikerpension nach Altsystem wirklich verdient! Was die meisten Wähler noch gar nicht wissen: Wenn der Herr Pilz dann drei Jahre lang Klubobmann der Liste Pilz war, bekommt er die Pension vom Klubobmanngehalt und gar nicht vom Abge­ordnetengehalt. Aber er ist jetzt lieber nicht da, sonst könnte man ihm das womöglich entgegenhalten. (Beifall bei den NEOS.)

Kommen wir zur Frage des Unterhalts und zu den Alleinerziehenden, die hier als eine Gruppe ins Treffen geführt worden sind, die es schwer hat. Ja, sie haben es schwer, aber man muss auch schauen, welche Problemsituation wir in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern haben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 150

Wir haben eine geringe Erwerbsbeteiligung. Nur 16,4 Prozent aller Mütter mit Partner im Haushalt arbeiten Vollzeit, aber nur 21,8 Prozent der alleinerziehenden Mütter arbeiten Vollzeit; also etwas mehr als ein Fünftel. Da ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Geld am Ende des Monats nicht reicht, wenn man nicht Vollzeit arbeitet. Daher müssen wir uns überlegen, wie wir die Erwerbsquote erhöhen können, damit diese Frauen so viel verdienen, dass sie für sich selbst und für ihre Familie sorgen können.

Wir haben eine extrem hohe Teilzeitquote bei den Frauen; 47,7 Prozent aller öster­reichischen Frauen im Erwerbsleben arbeiten in Teilzeit. Spannenderweise hat sich in den letzten Jahren die Erwerbsquote bei Frauen mit betreuungspflichtigen Kindern hin zu jener der Frauen, die einen Partner im Haushalt haben, verschoben. Das heißt, die Alleinerziehenden arbeiten im Schnitt inzwischen weniger als diejenigen, die den Partner im Haushalt haben und nicht alleinerziehend sind. Das ist schon bemerkens­wert. Da muss man sich auch überlegen, welche Anreize da gesetzt werden können.

Ein Punkt ist natürlich, dass es schlechte Kinderbetreuung gibt, dass besonders in den ÖVP-Bundesländern die Kinderbetreuung oft schlecht ausgebaut ist, ganz besonders bei den Kleinen. Das macht natürlich das Erwerbsleben schwer für die, die allein aufs Kind schauen und verdienen müssen.

Aber wir müssen auch schauen, welche steuerlichen Anreize wir gesetzt haben; zum Beispiel eine Negativsteuer. Also wenn man wenig arbeitet, hat man mehr davon. Das ist quasi eine steile Progression für Leute, die wenig verdienen. Wenn die etwas dazu­verdienen, frisst ihnen der Fiskus nach deren Logik einen Haufen vom Dazuverdienten weg.

Wir haben in der Arbeitslosenversicherung einen gestaffelten Satz, sodass man, wenn man mehr verdient, auf einmal viel mehr Arbeitslosenversicherung zahlt. Auch das ist ein negativer Erwerbsanreiz.

Ebenso muss man sich überlegen, ob nicht die flexiblen Arbeitszeiten doch ein guter Beitrag dazu wären, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Dazu höre ich von Ihnen auch nie wirklich einen konstruktiven Vorschlag.

Wir müssen uns vor Augen führen, dass die SPÖ nach gut zehn Regierungsjahren drei Tage vor dem Wahlkampf (Abg. Schieder: Es ist schon Wahlkampf!) das Problem erkennt, dass wir eine Frage in Sachen Unterhalt zu klären hätten. Ich finde es ja gut, wenn der Faule am Abend fleißig wird, das ist besser als gar nie, aber drei Tage vor der Wahl so ein Thema aufzutischen, ist keine großartige Leistung! (Beifall bei den NEOS.)

16.41


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Wurm zu Wort. – Bitte.

 


16.41.55

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Debatte macht mich traurig und zornig zugleich. (Abg. Schimanek: Mich auch!) Das muss ich wirklich hier an dieser Stelle sagen. Da Herr Abgeordneter Loacker jetzt bedauert, dass hier nicht mehr getan wurde, muss ich sagen: An uns ist es nicht gelegen. Seit dem Jahr 2000, seit ich in der Politik tätig bin, sprechen wir immer wieder über die Reform des Unterhaltsrechtes. Meines Wissens ist im Jahr 2007, glaube ich, als die letzte Justizministerin von der SPÖ gestellt wurde, von Maria Berger das letzte Mal eine Verbesserung für die Allein­erziehenden im Unterhaltsvorschußgesetz geleistet worden. – So viel zu den Tat­sachen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 151

Herr Abgeordneter Loacker hat erwähnt, dass die Frage der Teilzeitarbeit eine große Rolle in diesem Land spielt, wenn wir von der Armutsgefährdung von Ein-Eltern-Haushalten sprechen. – Das stimmt selbstverständlich.

Sie haben auch erwähnt, dass in einigen Bundesländern – und das kann ich be­stätigen, denn ich komme aus einem dieser Bundesländer – die Kinderbetreuungs­ein­richtungen nicht so ausgestaltet sind, dass man Beruf und Familie so gut kombinieren könnte, dass man einen Vollzeitarbeitsplatz annehmen könnte, und außerdem auch noch sehr kostenintensiv sind. Und dann sagt man, sie sollten ganztägig arbeiten?! – Das kann nicht funktionieren, weil die Voraussetzungen dafür nicht geschaffen wurden.

Wir hier im Parlament haben immer wieder Zuschüsse für die Kinderbetreuung im Kindergartenalter beschlossen. Wir haben das gemacht, obwohl die Länder dafür zuständig waren. Auch das sei hier erwähnt! Wir wollten Initialzündungen setzen. Das geht noch auf Johanna Dohnal zurück. Auch das sei erwähnt, wenn wir darüber reden.

Aber reden wir nicht nur vom Technischen, reden wir von diesen 180 000 Kindern, die wirklich betroffen sind. Insgesamt sind mindestens 360 000 Menschen davon betroffen, weil es auch um die Mütter geht; es sind vor allem die Mütter, die für die Pflege und für die Obsorge der Kinder aufkommen. Über 90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen, auch das brauchen wir hier nicht zu verschweigen.

Als Frauensprecherin sage ich, ich weiß, wie es den vielen Frauen, die in dieser Situation sind, geht, wie es diesen Frauen geht, die nicht wissen, wie sie den Tag organisieren, wenn das Kind zum Beispiel krank wird, wenn es länger krank wird, wenn keine Oma zu Hause ist, weil die selbst noch arbeitet oder sonst irgendwo lebt, weil die Arbeitswelt eben so ist, wie sie ist. Wir kennen all diese Situationen, und daher ist zu sagen, es wäre höchst an der Zeit, dass dieses Gesetz endlich reformiert wird. (Zwischenruf der Abg. Schimanek.)

Frau Kollegin Schimanek! Immer wieder habe ich im Justizausschuss – und ich habe genügend Zeugen dafür – den Justizminister gefragt: Was ist denn nun los mit dem Unterhaltsgesetz? Was ist denn los in dieser Arbeitsgruppe? Was ist denn mit dieser Kostenanalyse? – Immer wieder wurden wir vertröstet. Hier und heute hätten wir die Möglichkeit, die Chance, all diesen Menschen zu helfen, nahezu einer halben Million Menschen, Frauen mit ihren Kindern, indem wir gemeinsam zu einem vernünftigen Konsens kommen. Es geht um Menschen im Hintergrund, es geht um Kinder im Hintergrund und es geht um sehr, sehr viele Frauen. Nehmen Sie sich doch ein Herz und stimmen Sie diesem Antrag, den wir eingebracht haben, zu! (Abg. Schimanek: Das ist so was von durchsichtig! Neun Jahre haben Sie nichts gemacht!)

Es geht um eine Unterhaltsgarantie, es geht nicht um neun Jahre. Es geht um ein Zeitfenster, darum, dass wir heute hier beschließen, dass es zumindest nahezu 500 000 Personen, Kindern und Alleinerziehenden, nach diesem 15. Oktober besser geht. Ich würde mir das wünschen und hoffe, dass Sie sich auch in Ihrer Partei ein­setzen, damit wir zu einem Ergebnis kommen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abg. Schimanek.)

16.46


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mühlberghuber zu Wort. – Bitte.

 


16.46.32

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Dringlichen Anfrage von der SPÖ betreffend „Armut von Kindern und Alleinerzieherinnen bekämpfen […]“ ist bei der Überschrift ein Patzer passiert, da ist ein Fehler passiert. Entweder ist der Fehler bewusst passiert oder Sie haben ver-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 152

gessen, zu gendern. 10 Prozent der 180 000 Alleinerziehenden sind nämlich Väter, das sind 18 000 alleinerziehende Väter! (Zwischenruf der Abg. Gisela Wurm.) Frau Heinisch-Hosek sagt, das seien nur einige von den 90 Prozent. Dem muss ich entgegnen: Bitte, das sind immerhin 18 000 alleinerziehende Väter! (Beifall bei der FPÖ.) Die SPÖ vergisst immer sehr gerne die Väter, die alleinerziehenden Väter. Da frage ich mich schön langsam: Liebe Männer und Väter von der SPÖ, wieso lasst ihr euch das immer gefallen? Setzt ihr euch eigentlich überhaupt nie durch? Väter, die zuverlässig ihre Kinder betreuen und nichts anderes machen als Mütter, haben oft kaum einen Anspruch auf Unterhalt so wie die Mütter, denn Gerichte und Jugendämter begründen das oft mit dem Satz: Sie sind ja nicht verpflichtet, Ihre Kinder zu betreuen, das ist Ihre Privatsache, Ihr Privatvergnügen! – Meine Damen und Herren! Bei der Erziehung gibt es kein Privatvergnügen, das sollten wir ein bisschen ernster nehmen!

Natürlich müssen wir die Armut von Kindern und Alleinerzieherinnen und Alleiner­ziehern bekämpfen, da müssen wir natürlich etwas ändern. Aber warum ist das alles so gekommen? – Weil in den letzten zehn Jahren die ÖVP und die SPÖ total versagt haben. (Beifall bei der FPÖ.) Sie haben zehn Jahre geschlafen. Über ein Jahrzehnt lang ist die Familienbeihilfe nicht an die Inflationsrate angepasst worden, seit zehn Jahren ist das Kindergeld nicht an die Inflationsrate angepasst worden, und das sind immerhin 30 Prozent an Wertverlust. Wenn das immer angeglichen worden wäre, wären bei uns heute nicht so viele – nämlich über eine Million – Menschen, die an der Armutsgrenze leben. Betroffen sind immer wieder Familien und Mütter und Väter, die ihre Kinder allein betreuen.

Es ist sehr interessant, dass man drei Tage vor der Wahl auf dieses Thema stößt. Meine Kollegin hat es ja schon angesprochen: Es ist alles besprochen worden, es war ein Abkommen, da gibt es Gespräche, aber nichts ist passiert, gar nichts! Drei Tage vor der Wahl kommt die SPÖ jetzt aber drauf, dass diese Armutsgefährdung in unse­rem Land so weit fortgeschritten und so gravierend ist, dass man jetzt dringend etwas machen muss. (Abg. Schimanek: Spätzünder!) Dafür werden sich die Wähler bedan­ken, dass man erst drei Tage vor der Wahl da draufkommt!

Liebe SPÖ! Wenn Sie es wirklich ernst meinen und wirklich etwas umsetzen wollen, dann unterstützen Sie unseren Antrag, den meine Kollegin Carmen Schimanek einge­bracht hat. Sie hat ausführlich darüber berichtet. Wenn Sie es wirklich ernst meinen, dann unterstützen Sie unseren Antrag, denn wir meinen es ernst mit den alleiner­zie­henden Müttern und Vätern! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

16.49


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Gamon zu Wort. – Bitte.

 


16.50.18

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Frau Präsidentin! Ich finde es gut, dass wir auch gegen Ende des Wahlkampfs noch über ein frauenpolitisches Thema reden – oder über etwas, das leider nur ein frauenpolitisches Thema ist. (Zwischenruf des Abg. Höbart.) Wir haben es dem großen Frauenversteher Peter Pilz zu verdanken, dass wir dieses Thema jetzt wieder diskutieren können; er ist jetzt aber leider nicht da und kann das nicht mitverfolgen. Lassen Sie uns diese Gelegenheit nutzen, um über die strukturelle Ungleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeits­markt zu sprechen!

Vielen Männern, die sich über dieses Thema aufregen, kann man sagen, es werden sich auch die Männer in Zukunft ein bisschen ändern müssen, wenn wir dieses Thema wirklich ehrlich ansprechen wollen. Die Situation von Alleinerziehenden, die größten-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 153

teils Frauen sind, ist oftmals sehr prekär und stark verbesserungswürdig. Wir werden dem Antrag zustimmen, obwohl es einigen Verbesserungsbedarf gibt.

Es geht hier aber nicht nur um das Stopfen dieser Gesetzeslücken und darum, dass man das besser machen kann, sondern grundsätzlich darum, wie wir nachhaltig die Situation von AlleinerzieherInnen verbessern können. Daher geht es auch grund­sätzlich um das Thema Geschlechtergerechtigkeit in Österreich. Da gibt es ein paar Fragen, die man jetzt wirklich einmal ehrlich beantworten muss.

Ich schaue jetzt in Ihre Richtung, Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, denn das ist ein Thema, das größtenteils Sie betrifft. Zum Beispiel: Warum ist Kindererziehung in Österreich nach wie vor fast ausschließlich Frauensache? Warum ist das so? – Es ist auch meistens so, dass es vor allem ÖVP-Politiker sind, die uns ihre moralischen Vorstellungen aufzwingen und uns sagen wollen, wie wir unser Leben zu leben haben.

Warum müssen sich Frauen zu Beginn ihres Berufslebens immer noch Gedanken darüber machen, ob sie sich jetzt für Kinder oder Karriere entscheiden? Oder ein aktuelles Beispiel: Warum wird erfolgreichen Müttern in der österreichischen Spitzen­politik immer die Frage gestellt: Wie machen Sie das eigentlich, wie schaffen Sie es, das alles zu vereinbaren? Diese Frage wurde noch keinem einzigen Mann gestellt. Was können wir endlich tun, um ein modernes Familienverständnis auch in Österreich zu schaffen, anstatt uns immer an starre, konservative Rollenbilder zu halten, die oft gar nichts mehr mit der Familienrealität in Österreich zu tun haben?

Wir wollen endlich Gerechtigkeit; das heißt auch Gerechtigkeit für Väter, die eine stär­kere Rolle im Familienleben einnehmen können, wollen und sollen. Wir wollen auch Gerechtigkeit für Frauen am Arbeitsmarkt. Wir wollen für sie nicht nur die Möglichkeit, zu partizipieren, sondern wir wollen, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, dass sie im selben Ausmaß gleichberechtigt am Arbeitsmarkt teilnehmen können und sich durch ein eigenes Einkommen auch Unabhängigkeit und ein selbstbestimmtes Leben schaffen können.

Morgen ist wieder Equal Pay Day. Daran merken wir immer, dass wir es in Österreich nicht schaffen, wenn alle Frauen, die erwerbstätig sind, im Schnitt immer noch sig­nifikant schlechter verdienen als alle Männer. Wir wissen ja auch, was die Gründe dafür sind. Wenn wir Frauen nicht dazu ermächtigen können, finanziell unabhängig zu sein, sei es vom Staat oder vom Partner, dann haben wir diese Geschlechterge­rechtig­keit nicht erreicht. Da gibt es diverse arbeitsrechtliche, steuerrechtliche und familien­politische Maßnahmen, die längst getroffen werden sollten, um dieses Thema über­haupt zu ermöglichen, die vor allem AlleinerzieherInnen zugutekommen würden.

Wir haben zum Beispiel das Thema Kinderbetreuung; etwas, das wir hier jetzt quasi in letzter Sekunde gerade noch mit der neuen Artikel-15a-Vereinbarung oder der Verlängerung des Ganzen überhaupt geschafft haben, zustande gebracht haben. Das ist ein Thema, das sträflich vernachlässigt wird, vor allem wenn wir sehen, wie weit wir da in der Entwicklung hinten nachhinken, bei dem, was wir eigentlich schon längst hätten zur Verfügung stellen sollen. Das erkennt man vor allem, wenn man sich die Ziele anschaut, die man sich zu Beginn der Legislaturperiode zum Thema Kinder­betreuung gesteckt hat.

Ich weiß sehr wohl, dass da vor allem die ÖVP blockiert. Wenn Sie aber sagen, Frau Kollegin Wurm, dass man bei diesem Thema nicht auf die SPÖ schimpfen darf, denn sie wäre immer dafür gewesen, dann frage ich mich: Wo bleibt dann noch das Ver­trauen, die SPÖ zu wählen, wenn es schon in den letzten paar Jahren nicht geklappt hat mit dem Koalitionspartner? Wer soll denn sonst kommen? (Abg. Gisela Wurm: Weil es nicht geklappt hat! Zweidrittelmehrheit mit der FPÖ, dann würden wir alles machen!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 154

Bei den Kindergärten geht es nicht nur darum, dass sie endlich einmal ausreichend zur Verfügung stehen, damit man die Kinder dort hingeben kann, sondern es ist auch wichtig, dass das qualitativ hochwertige pädagogische Einrichtungen sind, mit Öff­nungs­zeiten nicht nur von Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 13 Uhr, sondern mit Öffnungszeiten und maximalen Schließtagen, die sich mit einer Erwerbstätigkeit überhaupt vereinbaren lassen. Gerade das ist auch ein Thema, das für Alleinerzie­herInnen wichtig ist.

Es gibt auch noch so Dinge wie einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungs­platz oder auch das Thema Doppelresidenz, das wir öfter einmal diskutiert haben, das auch für AlleinerzieherInnen besonders wichtig ist. Ich weiß, dass es bei der SPÖ noch Probleme gibt, das anzusprechen (Zwischenruf der Abg. Gisela Wurm), das wäre aber etwas für die nächste Legislaturperiode, das könnte, wenn man es sachlich angeht, eine Verbesserung auch für AlleinerzieherInnen sein. So schaffen wir es, auch die Männer, auch die Väter in die Pflicht zu nehmen, in Karenz zu gehen, auch wenn das Kind bei der Mutter lebt.

Das ist, glaube ich, ein moderner, progressiver Zugang zu diesem Thema. Mir geht es da um Geschlechtergerechtigkeit und darum, wie man Frauen helfen kann, durch Selbstermächtigung zu finanzieller Unabhängigkeit zu kommen, nicht nur vom Partner, sondern auch vom Staat. Das ist mein Ansatz in der Frauenpolitik. (Beifall bei den NEOS.)

16.55


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Franz gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


16.55.29

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! So ein Befund, wie er hier vorliegt, mit den 180 000 Allein­erziehenden, die es nach den aktuellen Statistiken geben dürfte, muss uns doch wach­rütteln und kann nicht dazu führen, dass wir dauernd Zuwendungen erhöhen und immer mehr Staatsgeld in zersplitterte Familien hineinpumpen, sondern dass wir zurück­gehen an den Ursprung und nachdenken: Warum ist es überhaupt so weit gekommen, dass die Familie heute so wenig wert ist, dem Staat überhaupt und der Gesellschaft? Das ist ja ein Problem des Zeitgeistes und ein Problem der Familien­politik, die wir hier alle bespielen wollen.

Wir hören immer, Familienpolitik ist eine Querschnittsmaterie. Das ist sie auch. Jeden von uns betrifft Familienpolitik, denn der Satz von der Familie, die die Keimzelle des Staates ist, gilt nach wie vor. Stellen Sie sich einen Staat mit lauter Alleinerziehenden vor. Die Linken wollen das, denn das sind leicht steuerbare Menschen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hagen.) Ein alleinerziehender Vater, eine alleinerziehende Mutter ist leicht steuerbar, muss immer die Hand aufhalten und Danke sagen: Danke, lieber Staat, dass du mich finanzierst!

Das ist das Grundproblem. Je mehr wir more of the same machen und den Staat in den Vordergrund spielen, zuungunsten der Familie, desto größer ist das Problem. Was Sie von der linken Seite hier alle machen, ist eine Verwechslung von Ursache und Wirkung. Was wir tun müssen, was das Parlament, was die Politiker, was die Bürger tun müssen, ist, die Familie zu stärken und nicht den Trend, dass Frauen und Männer, dass Mütter und Väter alleinerziehend werden. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hagen.)

Man muss auch überlegen, ob die sogenannte Befreiung der Frau wirklich eine Be­freiung der Frau war, oder ob der Umstand, dass das damalige Joch der vielfachen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 155

Mutterschaft heute in das Joch der Karriere geführt hat, nicht ein Unsinn war, der die Frau in Wirklichkeit doppelt belastet, weil sie in Wirklichkeit, wenn ich es zu Ende denke, in einem funktionierenden Familienverband besser aufgehoben wäre. Das muss erlaubt sein. Darüber sollten wir nachdenken, nicht darüber, wie der Staat die Zuwendungen erhöhen und somit möglichst vielen Frauen eine berufliche Karriere ermöglichen kann.

Schauen Sie sich die Geburtenrate an, schauen Sie sich die Scheidungsrate an! Das ist alles haarsträubend und bestürzend. Warum haben wir auf einem Kontinent Europa, warum haben wir hier in Österreich die dreifache Scheidungsrate von Irland oder von Kroatien? (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Darüber sollten wir nachdenken! Warum haben wir eine Geburtenrate von 1,44? Warum wollen Akademikerinnen keine Kinder mehr? Die kluge Elite stirbt aus. Die studierten Frauen bekommen keine Kinder mehr. Darüber sollten wir nachdenken!

Natürlich soll niemand arm werden und kein Alleinerziehender, egal ob Mann oder Frau, soll zulasten seiner selbst in die Armut abgleiten. (Abg. Schieder: Haben Sie schon mal nachgedacht, …?) Es ist ganz klar, dass der Staat da etwas tun muss, aber man kann das doch bitte nicht zum Credo erheben und ständig davon reden, dass die Karriere so wichtig ist für die Frauen und dass die Erziehung, die Betreuung und die staatliche Zuwendung für die Kinder das Wichtigste seien. Das Wichtigste ist das Kindeswohl, und für die Kinder ist eine funktionierende Familie das Allerbeste! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hagen. – Abg. Maurer: Das Wichtigste ist die Selbstbestimmung der Frau! – Abg. Schieder: Dem Redner hat wohl jemand auf den Hintern gegriffen!)

16.58


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber zu Wort. – Bitte.

 


16.58.28

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Ich muss dem Kollegen Franz vehement widersprechen. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man die Behauptung in den Raum stellen kann, dass Allein­erziehende nur deshalb alleinerziehend werden oder sich von ihrem Partner trennen, weil es eine Garantie gibt, dass sie nicht in Armut leben müssen, weil wir hier herinnen darum kämpfen und uns dafür einsetzen, dass alleinerziehende Frauen und Männer nicht an der Armutsgrenze leben müssen. Also das ist ja mehr als paradox! Es ist unverständlich, was da wieder vorgebracht worden ist, das ist in keinster Weise nach­vollziehbar!

Wir befinden uns in der Situation, dass wir seit 2008 über dieses wichtige Thema reden, dass seit 2008 immer wieder im Regierungsprogramm steht, dass dieses wich­tige Thema, nämlich dass alleinerziehende Elternteile nicht mehr an der Armutsgrenze leben müssen, endlich gelöst gehört. Trotzdem ist dieses Thema noch nicht gelöst und wird auch heute nicht gelöst werden.

Es liegen jetzt drei verschiedene Anträge vor, jeweils einer von der SPÖ, von der ÖVP und von der FPÖ, keine der drei Fraktionen hat jedoch vor, einen Kompromiss mit einer anderen einzugehen, um dieses Thema, um diese große Problemlage, die wir in diesem Bereich vorfinden und die wir alle gemeinsam sehen, zu lösen. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)  

Keiner hat das vor, und die Argumente sind vorgeschoben! Ich würde ja fast behaup­ten, es könnte dreimal derselbe Antrag sein, wenn aber jeweils eine andere Fraktion draufsteht, dann stimmt man dem anderen Antrag einfach nicht zu. Das ist wirklich


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 156

mehr als arg, in welcher Situation wir uns hier befinden. Peter Pilz hat in der TV-Kon­frontation bei PULS 4 das Versprechen von allen sechs Spitzenkandidaten eingeholt und bekommen. (Abg. Schimanek: Wo ist er denn?)

Heute stehen wir hier vor folgender Situation: Das Versprechen ist ja nicht unter­einander abgegeben worden – es hat ja nicht die SPÖ der ÖVP oder der FPÖ ver­sprochen, dass da eine Lösung erarbeitet wird –, sondern diese Versprechen sind gegenüber der betroffenen Bevölkerung gemacht worden. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.) Jetzt passiert wiederum nichts, es geht keinen einzigen Schritt weiter. (Zwischenruf bei den Grünen.) Aus einer gemeinsamen Initiative, wie eigentlich angenommen, ist schlussendlich wieder nur Parteienstreit geworden – das kann doch kein Lösungsweg sein!

An Kollegin Steinacker, die gerade nicht im Raum ist: Sie hat gesagt, über die drei vorliegenden Anträge sei wechselseitig nicht einmal gesprochen worden. – Ja, warum ist denn wechselseitig nicht darüber gesprochen worden? (Abg. Kitzmüller: Wo ist denn euer Antrag?) Sie hat auch gesagt, es sei schade, dass nicht darüber ge­sprochen worden ist. – Es ist nicht darüber gesprochen worden, weil es nicht einmal ermöglicht worden ist (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Kitzmüller), weil die ÖVP blockiert hat, sodass nicht einmal ein Familienausschuss zustande kommen konnte; dieser konnte nicht zusammentreten, um gemeinsam einen Kompromissvorschlag zu erarbeiten.

Was ihr in den letzten Tagen bewiesen habt, ist, dass die ÖVP hervorragend blockie­ren kann (Abg. Kitzmüller: Wo ist denn Ihr Antrag?): auf dem Rücken der Kinder, auf dem Rücken der Alleinerziehenden, mit dem vorgeschobenen Argument von eurer Seite, die Unterhaltsgarantie würde ins Ausland gehen, es würden ausländische Kinder davon profitieren. – Das ist doch mehr als ausgeräumt worden! (Zwischenrufe der Abgeordneten Steinhauser und Kitzmüller.)

Auch der von der FPÖ kritisierte Punkt, dass da Geld ins Ausland gehen würde, ist ausgeräumt worden. Das ist so einfach nicht der Fall: Es ist festgelegt, der Wohnsitz muss im Inland sein, es ist festgelegt, die Kinder müssen bei der Mutter oder dem Vater gemeldet sein, also bei der alleinerziehenden Person. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.) Das steht so im Vorschlag der SPÖ drin, der gemeinsam mit unserer Expertin Maria Stern erarbeitet worden ist, die auf der Liste Peter Pilz kandidiert. Sie hat sich bei diesem Antrag umfassend eingebracht – und wir stehen heute da, und keine Fraktion bringt es zusammen, über ihren Schatten zu springen und einen gemeinsamen Kompromissvorschlag zu erarbeiten. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

Wir wissen nicht, wie die nächste Bundesregierung aussehen wird, und es ist schade, dass für dieses Thema in den letzten Tagen keine Lösung erarbeitet wurde und auch heute nicht erarbeitet werden kann. Wir wissen jedoch, dass wir uns – und auch ich mich – auch im nächsten Nationalrat auf alle Fälle dafür einsetzen werden, dass dieses Thema wieder aufs Tapet kommt. Es kann nämlich nicht sein, dass man im Vorwahl­kampf Versprechen gegenüber den Betroffenen abgibt und sich dann in keinster Weise daran hält, sondern wieder nur politisches Kleingeld wechselt. (Abg. Steinhauser: Ja, ja! Wieso beantragt ihr nichts?)

Auf dem Rücken der Betroffenen wird Politik gemacht wird, werden Stimmen gefangen. Es ist wirklich schade und traurig, wie es um die österreichische Demokratie und den Parlamentarismus bestellt ist. – Danke. (Beifall der Abgeordneten Kucharowits und Zinggl.)

17.03

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 157

Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Steinbichler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.03.36

Abgeordneter Leopold Steinbichler (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Frau Ministerin! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte ZuseherInnen auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! (Rufe: Leo, wo ist das Taferl?!) – Nein, Familie geht ohne Taferl!

Kollegin Holzinger hat jetzt ganz exzellent aufgezeigt, wie schlecht es ist, wenn die Politik in eine Fachthematik hineinwirkt; da gibt es nämlich nur Blockade, und das ist das Markenzeichen dieser letzten drei Regierungen, besonders beim Thema Familie. Da möchte ich gleich einmal bei einem ganz anderen Thema ansetzen: Respekt vor der Leistung von Alleinerziehenden, das ist hundertprozentig noch viel mehr Stress, aber generell möchte ich allen Vätern, Müttern und Ehepaaren ein ganz aufrichtiges, herzliches Vergelts Gott sagen, denn das ist eine großartige Gratisleistung für diesen Staat, eine der wichtigsten Leistungen.

Ich komme zum Schluss noch einmal zu diesem Thema: Dass die billigste, die beste Zelle in einem Staat eine funktionierende Familie ist, das wurde Gott sei Dank schon zwei-, dreimal erwähnt. Was da jedoch den Familien an Geldleistungen entgeht, das ist völlig unerwähnt geblieben. Durch die fehlende Inflationsabgeltung bei der Familien­beihilfe etwa haben die Eltern immer noch 17 Prozent Kaufkraftverlust im täglichen Leben, und diese 17 Prozent Kaufkraftverlust fehlen der regionalen Wirtschaft. Fa­milien haben nicht das Geld dafür, groß auf Urlaub zu fahren – aber wenn sie mit den Kindern im regionalen Bereich Urlaub machen beziehungsweise da leben, investieren sie in die regionale Wirtschaft, dieses Geld ist bestens investiert.

Kollege Loacker von den NEOS hat sofort wieder von der Gegenfinanzierung gesprochen. – Das ist anscheinend überhaupt die einzige Sparte, die Familienpolitik, bei der sofort über die Gegenfinanzierung gesprochen wird. (Zwischenruf des Abg. Bernhard.) – Das ist ja kein Vorwurf, überhaupt nicht, aber es ist für mich interessant, denn ich kenne viele andere Sparten, bei denen nicht über die Gegenfinanzierung gesprochen wird.

Ich darf hier auch ein bisschen den Wahlkampf ansprechen: Wenn der Plan im Wahl­konzept eines nicht anwesenden Kandidaten – den Kanzler zitiert man her, aber bei anderen Kandidaten goutiert man das, dass sie nicht einmal in den Sitzungen anwe­send sind – jener ist, den Familien 2 Milliarden € zu geben und gleichzeitig den Fa­milien­lastenausgleichsfonds zu halbieren, dann ist das nichts anderes als eine Mogelpackung! Ich meine, so kann man mit Familien nicht umgehen, das ist ganz entscheidend. Ich bitte auch alle, die Parteiprogramme tatsächlich anzuschauen, zu schauen, was zum Thema Familie drinnen steht, das ist ganz entscheidend. Da müs­sen wir noch viel genauer werden.

Wenn wir gerade von Familie sprechen, da steht ein weiteres wichtiges Thema auf der Tagesordnung, das irgendwann nach Mitternacht debattiert wird: Wir brauchen bei der Familie keine Zweiklassenmedizin und kein Zweiklassenessen, das ist entscheidend. Wir haben uns damit noch nicht beschäftigt, obwohl das auch ein Familienthema ist, weil Gott sei Dank oft noch ordentlich gekocht wird, wenn es die Zeit erlaubt. Es wird mit heimischen Grundnahrungsmitteln gekocht, was den Kindern zum Essen vor­gesetzt wird.

Das wird heute – allerdings nicht mehr zur Fernsehzeit – noch ein wichtiges Thema, was für ein Wahnsinn da passiert: mit dem Palmöl, mit den Zutaten, mit all den Inhalts-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 158

stoffen in Lebensmitteln, mit den Haltbarmachern, Stabilisatoren. Das alles setzen wir heute den Kindern vor – und dann jammern wir, dann gibt es wieder Studien, dass die Kinder in der Schule Konzentrationsschwierigkeiten haben, dass sie nicht aufmerksam sind. Das ist eine Summe von Ergebnissen, die die Kinder belasten, wo es dann Probleme im Schulbereich und im Ausbildungsbereich gibt. Ich glaube, so umfassend muss man Familie diskutieren: von der Erziehung, bereits vom Start weg, von der Geburt an, dass da entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Ich meine, da darf man nicht über die Finanzierung sprechen, denn da ist das Geld am besten investiert! Ein einziges Kind, das nicht auf die schiefe Bahn kommt, erspart dem Staat Hunderte, Tausende Euro – und ich denke, da braucht man vom Start weg gleich eine ordentliche Grundlage, das ist ganz wesentlich.

Wenn wir gerade über die Familien diskutieren: ein Spezialgebiet sind da ja die allein­erziehenden Mütter. Ich habe unlängst mit unserer Spitzenkandidatin gesprochen, die vier Kinder alleinerziehend zu betreuen hatte. Sie hat bei dieser Diskussion 20 € in die Höhe gehalten und gefragt, ob man sich vorstellen könne, als Mutter von vier Kindern mit 20 € eine Woche lang auskommen zu müssen. Wer das erlebt hat, der weiß, wie sich manche Menschen ihr Geld zusammenkratzen müssen, um das tägliche Leben zu bestreiten – da sprechen wir nicht davon, sich einen Luxus zu leisten.

Ich meine, es ist ganz wesentlich, auch für die nächste Bundesregierung, dass wir es schaffen, für die Familien – egal, in welcher Form, wobei die Idealform natürlich die gemeinsame Partnerschaft ist – eine Grundlage für die Zukunft zu schaffen. Das ist Grundlage für die Zukunft: Die billigste, beste und günstigste Zelle im Staat ist die Familie!

17.09

17.09.40

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Damit gelangen wir zu den Abstimmungen.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Armuts­bekämpfung und Unterhaltssicherung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Rufe: Geht sich nicht aus!) – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt. (Abg. Schieder: War nur ein kurzes Versprechen! – Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung von Alleinerziehenden durch erleichterten Zugang zum Unterhaltsvorschuss für österreichische Staatsbürger. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Durchführung einer statistischen Erhebung zum Unterhaltszuschuss.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 159

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Steinacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform und Absicherung des Kindes­unterhalts.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist wiederum die Minderheit. Auch dieser Antrag ist abgelehnt.

17.10.49Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich nehme nun die Verhandlungen über den 2. Punkt der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


17.11.05

Abgeordneter Christoph Hagen (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Schön, dass Sie da sind, Herr Bundes­kanzler! Jetzt muss ich mich wieder umstellen – ich war vorhin schon auf meine Rede eingestellt, jetzt muss ich wieder neu durchstarten. Das war jetzt ein anderes Thema, da wären wir natürlich im Fluss gewesen, jetzt ist es ein bisschen schwieriger, aber ich werde auf die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zum Thema „Verantwortung für Österreich“ eingehen.

Herr Bundeskanzler, ich finde es gut, dass man Verantwortung für Österreich tragen sollte oder möchte. Es ist für mich nur ein bisschen komisch, dass die Regierung erst jetzt, da der Wahlkampf schon in der Endphase ist, bemerkt, dass man Verantwortung für Österreich tragen muss. Ich frage mich halt: Wo war diese Verantwortung in den Jahren 2015 und 2016? Ich möchte das Stichwort Flüchtlingssturm auf Österreich anschneiden: Da ist meiner Meinung nach, und das habe ich auch von vielen Leuten, von der Bevölkerung gehört, diese Verantwortung für Österreich nicht richtig wahr­ge­nommen worden, darum haben wir heute mit Problemen zu kämpfen, die meiner Ansicht nach teilweise hätten verhindert werden können.

Da ich jetzt hiermit jedoch meine Abschiedsrede halte, möchte ich mich nach 14 Jah­ren im Hohen Haus – davon fünf Jahre im Bundesrat und neun Jahre im Nationalrat – verabschieden. Ich kandidiere nicht mehr für die nächste Legislaturperiode. (Zwischen­ruf des Abg. Scherak.)

Ich möchte diesbezüglich meine Zeit ein bisschen Revue passieren lassen. Ich habe Hunderte von Reden hier gehalten – nicht an diesem Pult, sondern vor allem im Parla­mentsgebäude drüben –, habe sehr viele Anträge eingebracht, Anregungen einge­bracht, habe Anfragen gestellt zu Themen, die mir hinterfragenswert erschienen. Ich habe doch auch einiges in Bewegung gesetzt, und einiges davon ist umgesetzt wor­den. Etwas davon werden die Österreicherinnen und Österreicher in Kürze selbst erfahren können: Diejenigen, die ein Wechselkennzeichen haben, müssen künftig nur noch eine Vignette aufkleben. Das war ein Antrag, den ich fünf Jahre lang, glaube ich, begleitet habe, und dann hat ihn Gott sei Dank der Herr Verkehrsminister umgesetzt. Ich glaube, das ist positiv, solche Sachen zu sehen, da gibt es noch einiges mehr.

Das Fazit aus meiner politischen Tätigkeit als Parlamentarier, ich habe das heute schon in einer Rede gesagt, ist: Ich sehe, dass wir Parlamentarier Vertreter des Bür­gers, des Volkes sind – dementsprechend sollten wir auch auftreten. Da möchte ich jenen Kollegen, die auch zukünftig wieder im – nächsten – Nationalrat sitzen und hier


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 160

das Volk vertreten werden, ein wenig ins Gewissen reden. Es ist wichtig, dass man auf das Volk schaut und auch das tut, was das Volk möchte. Das sollten wir uns hinter die Ohren schreiben, das sollte man nie vergessen, wenn man hier Parlamentarier, Volks­vertreter ist.

Eine Bitte hätte ich noch für die nächste Legislaturperiode: Sie wissen, die Exekutive ist mir immer sehr am Herzen gelegen und ohne Exekutive gibt es keine Sicherheit und kein Wohlbefinden in einem Staat. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass unsere Polizei gut ausgerüstet ist, dass sie personell gut ausgestattet ist und dass auch eine adä­quate Bezahlung sichergestellt ist. Die Polizisten müssen auch noch Ruhephasen haben, damit nicht, wie heute sehr oft, die jungen Polizisten sagen: Um das Geld tue ich mir den Job nicht an, denn da bin ich dann mit 35, 40 Jahren ausgebrannt! Das wäre keine gute Ausgangsposition.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei Ihnen allen bedanken, werte Kolleginnen und Kollegen. Die Diskussionen waren meistens fair – falls ich einmal übers Ziel hinausge­schossen bin, möchte ich mich in aller Form entschuldigen, das kommt im Parlament in der Hitze des Gefechts vor, aber ich glaube, mit den meisten habe ich ein sehr gutes Verhältnis pflegen können. Ich werde mit manchen auch nach meiner politischen Tätigkeit noch Kontakt pflegen: Eine Motorradtour haben wir schon geplant, gell, Anton Heinzl, das haben wir schon ausgemacht! (Abg. Heinzl: Ja!)

Quer durch die Bank, über die Parteigrenzen hinweg, habe ich Menschen gefunden, mit denen ich weiterhin in Kontakt bleiben möchte. Das zeichnet einen aus, dass man zwar hart in der politischen Diskussion sein kann, aber menschlich auch miteinander arbeiten kann; dann kommt man auf einen gemeinsamen Nenner, und das kann nur gut sein.

Danke also an die Kollegen, danke an die Parlamentsdirektion, an alle Mitarbeiter hier im Haus und auch an die Ministerien und die dortigen Mitarbeiter. Wir haben immer sehr gut zusammengearbeitet, das war eine interessante Zeit. Ich möchte mich auch bei meinem Parteichef Frank Stronach bedanken. Frank Stronach hat vor einigen Jahren ein Projekt begonnen, hat ein gutes Programm aufgestellt, und es haben sehr viele etwas davon aufgegriffen. Manche haben es jetzt sogar im Parteiprogramm: Die Fairness ist eine tolle Sache; Transparenz, Fairness und Wahrheit – das sind schon Dinge, die in der Politik wichtig sind. (Zwischenruf des Abg. Brosz.) Frank hat da etwas vorgelegt, von dem man noch länger sprechen kann. (Beifall des Abg. Doppler.)

Da wir hier in der schönen Hofburg unser Plenum abhalten dürfen, wo ja der Kaiser residiert hat (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen), möchte ich mit seinen Worten schließen – ich tue es nicht in der dritten Person, denn ich bin nicht der Kaiser, aber ich möchte mit den Worten des alten Kaisers schließen –: Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut! (Allgemeiner Beifall.)

17.16


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, auch von meiner Seite alles Gute und herzlichen Dank!

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


17.17.00

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verantwortung für Österreich zu übernehmen bedeutet meiner Meinung nach für die Bundesregierung, aber ebenso auch für den Nationalrat, die Probleme des


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 161

Landes zu lösen. Das bedeutet, Verhandlungen zu führen, Lösungen zu suchen und Kompromisse einzugehen, wenn es dem Land dient – und das unabhängig von ein­zelnen Interessen, stattdessen müssen die Interessen des Landes übergeordnet sein.

Die grundlegende Verantwortung, die wir alle tragen, ist, dass keine Menschen zurück­bleiben, wenn es darum geht, die Grundbedürfnisse wie Arbeit, Gesundheit und Woh­nen abzudecken. Da spricht auch das große Bemühen von Bundeskanzler Kern und seinem Regierungsteam für sich, und das Programm, das wir haben, ist das beste für Österreich. Sehr viele der in dieser Legislaturperiode gefassten Beschlüsse tragen eine soziale und rote Handschrift.

Unser Bundeskanzler hat heute bereits erwähnt, dass ein Bereich noch offen ist, und das ist das leistbare Wohnen: Das wurde herausgestrichen, und als Wohnbau­spreche­rin bin ich weit davon entfernt, allen Verantwortungsträgern hier einen Persilschein auszustellen.

Beim Thema Wohnen ist sehr viel Zeit ungenutzt verstrichen, und das, obwohl es schon 2013 ein umfassendes Regierungsübereinkommen gegeben hat, das auch unterschrieben wurde. Nach mehreren Jahren des Verhandelns sage ich Ihnen: Ich kenne eigentlich nichts Unverbindlicheres in dieser Republik als die Zusage und die Unterschrift der ÖVP unter dieses Regierungsübereinkommen. Es könnte auch der Name Kurz darunter stehen, denn in den letzten beiden Nationalratssitzungen wurden auch versprochene, bereits unterschriebene Umsetzungen von Reformen blockiert. Bei Verhandlungen muss man auch Kompromisse suchen, und davon ist keine Rede gewesen. Es gab aus meiner Sicht Scheinverhandlungen, um zu kaschieren, dass der Stillstand beim Wohnrecht nicht Ausgangssituation, sondern Ziel der ÖVP ist.

Wir haben uns in der SPÖ auf Grundlage von Daten der Statistik Austria durchge­rech­net, was die Mieterinnen und Mieter sparen würden, würde zum Beispiel das von uns vorgelegte Universalmietrecht bereits gelten.

Bei den Mieten, wenn wir von 684 000 privaten Wohnungen ausgehen und die Miete nur um 50 Cent verringern, wären es in fünf Jahren 1,4 Milliarden €, die den MieterIn­nen erspart werden. Wenn man es anders rechnet und nur die Verträge heranzieht, die pro Jahr neu abgeschlossen werden, so sind das nicht, wie es jetzt ist, im Durchschnitt 11 €; wenn man das um 1 € vergünstigt und mit 10 € rechnet, so wären das in einer Legislaturperiode 1,3 Milliarden €, die sich die Mieterinnen und Mieter ersparen. Bei circa 30 000 abgeschlossenen Verträgen, die gemakelt werden – was vor allem von den Mietern bezahlt wird; weg damit! –, gäbe es eine Ersparnis von 196 Millionen €. Der größte Posten bei den Mietern sind bei den Betriebskosten die Bereiche, die nicht zum laufenden Betrieb gehören; wenn diese rausfallen würden, dann würden die Mieterinnen und Mieter in fünf Jahren 4,1 Milliarden € weniger bezahlen.

Diese drei Maßnahmen ergeben 5,75 Milliarden €, die die Mieterinnen und Mieter für den Stillstand, den die ÖVP verursacht hat, bezahlen – und das entspricht der größten Steuerreform, die wir durchgeführt haben; diese lag im Bereich von 5 Milliarden €.

Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend faire Mieten jetzt – Wohnen muss wieder leistbar werden

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 162

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Justiz, werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage im Sinne der oben dargestellten Eckpunkte für ein neues Miet- und Wohnrecht vorzulegen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.21


Präsident Karlheinz Kopf: Der Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Mag. Becher ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abg. Mag. Ruth Becher

Genossinnen und Genossen

betreffend faire Mieten jetzt – Wohnen muss wieder leistbar werden

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 2 Erklärung des Bundeskanzlers gem. § 19 Abs. 2 GOG-NR zum Thema „Verantwortung für Österreich“.

Vielen Bürgerinnen und Bürgern sind die hohen Mieten ein Dorn im Auge und machen vor allem bei Neuabschlüssen von Mietverträgen einen hohen Anteil am verfügbaren Einkommen aus. Von leistbarem Wohnen hängt es auch ab, ob eine Volkswirtschaft sinnvoll funktioniert und nicht zu viel finanzielle Mittel der BürgerInnen in den Bereich Wohnen fließen, was letztlich bedeutet, dass für den Konsum alltäglicher Güter weni­ger Geld übrigbleibt.

In den letzten 10 Jahren lag der Anstieg der Mietkosten laut Statistik Austria bei 39 % und damit deutlich über dem Lohnwachstum von 21 %. Hauptverantwortlich für die hohen Mieten ist vor allem der private Wohnungssektor, wo die Wohnkosten am deut­lichsten steigen.

Dazu kommt der starke Nachfragedruck nach Wohnraum in den Ballungszentren, der die Mieten weiter nach oben treibt.

Preistreiber sind auch befristete Mietverträge. Befristete Mietverträge machen bereits etwa 80 Prozent bei Neuvermietungen im privaten Immobiliensektor aus. Ursprünglich ging der Gesetzgeber davon aus, dass Befristungen der Ausnahmefall sein sollten und nicht die Regel. Bei befristeten Mietverträgen sind die Mieterinnen und Mieter nach deren Ablauf, dem „goodwill“ der Eigentümer ausgesetzt oder es wird von den Eigen­tümern versucht, die neuen Mietverträge an die laufend steigenden Marktpreise anzu­passen. Auch diese Praxis führt zu deutlich höheren Wohnungspreisen.

Um der unerfreulichen Entwicklung bei den steigenden Wohnkosten gegenzusteuern hat die SPÖ bereits vor 3 Jahren einen Vorschlag für ein neues, faires, bundes­einheitliches und transparentes Mietrecht mit dem Universalmietrecht vorgelegt. Damit sollten auch alle Rechtsunsicherheiten beseitigt werden, die durch die gerichtliche Spruchpraxis immer wieder für Aufsehen und weitere Unklarheiten sorgen.

Als Lösung für die Malaise auf dem Mieten- und Wohnungsmarkt schlagen wir daher folgende Eckpunkte vor:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 163

• eine faire Mietpreisregelung für alle

mit einem bundeseinheitlich geltenden transparenten und alle bisherigen Teilregelun­gen bzw. das Richtwertsystem ersetzenden Mietrecht,

Sicherstellung von Investitionsanreizen bei frei finanzierten Wohnungen sowie

einen geregelten Mietpreis, der sich an einem klar definierten Katalog von Zu- und Ab­schlägen orientiert.

• Abschaffung der Maklergebühren für MieterInnen (Erstauftraggeberprinzip)

• Senkung der Betriebskosten durch Herausnahme der Hausversicherung und der Grundsteuer aus dem Betriebskostenkatalog

• Ausbau des leistbaren Wohnungsangebots durch Stärkung der Gemeinnützigen Wohnungswirtschaft und Baulandmobilisierung

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Justiz, werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage im Sinne der oben dargestellten Eckpunkte für ein neues Miet- und Wohnrecht vorzulegen.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


17.22.00

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Regierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, Sie haben die richtigen Begriffe ge­sagt, aber leider die falschen Dinge getan. Wenn Sie von Verantwortung sprechen, dann sollten Sie sich vorher überlegen, was denn der Begriff Verantwortung für uns alle und für die Bürger Österreichs bedeutet.

Verantwortung heißt, Antworten geben zu können. Sie haben uns heute keine Antwor­ten gegeben – auf all die Geschichten über Herrn Silberstein, auf die Facebook-Storys et cetera –, und Sie haben den Österreichern überhaupt nichts darüber gesagt, wer denn da wirklich dahintersteckt und was denn das alles soll, was Sie da in den letzten Wochen und Monaten den Kollegen hier im Parlament und der österreichischen Re­publik angetan haben, möchte ich sagen. All das, was im Rahmen dieser Campaigning-Geschichte gemacht wurde, war nicht dazu geeignet, in irgendeiner Weise den ohnehin fragwürdigen Ruf der österreichischen Politik zu bessern. Das haben Sie leider verschustert, Herr Bundeskanzler!

Wenn Sie als Bundeskanzler dieser Republik von Verantwortung reden, dann sollten Sie schon auch die Verantwortung für das Land in den Vordergrund stellen und uns nicht immer erklären, wie wichtig Europa und die Europabeziehungen sind; dann sollten Sie rekurrieren, sich auf sich selbst besinnen und schauen, wo Sie denn Bun­des­kanzler sind. Sie sind der Bundeskanzler von Österreich. Österreich ist eine Nation, und wenn Sie ein Europa wollen, das funktioniert, dann müssen Sie für ein Europa der Vaterländer eintreten, weil Sie nämlich für Ihr Vaterland Österreich geradestehen müssen. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Hagen.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 164

Ich darf Sie dazu einladen, noch einmal darüber nachzudenken, ob Sie da die richtigen Worte gefunden haben. – Ich glaube nicht. Ich glaube, dass Ihre Rede eher einem Kanzlerdarsteller entspricht als einem echten Bundeskanzler. Dieser Wahlkampf war aus meiner Sicht – ich bin immerhin auch schon 54 Jahre auf dieser Welt – der schlimmste, den Österreich jemals erlebt hat; er hat Österreich und uns allen, allen Po­liti­kern massiv geschadet, und Sie haben bis heute nicht den Anstand und nicht das Verantwortungsgefühl (Zwischenruf des Abg. Hübner), zu sagen: Es tut mir leid, ich habe einen schweren Fehler gemacht! Das hätte möglicherweise Ihre Kanzlerschaft gerettet, so sehe ich schwarz.

Verantwortung ist sicher nicht etwas, das man mit populistischen Sprüchen und mit schönen Phrasen drei Tage vor der Wahl in einer – na ja, hat Rudi Fußi sie geschrieben oder nicht? – Rede hier noch hinbiegen kann. Ich glaube, Sie haben sich heute noch mehr geschadet; der Schaden ist ohnehin schon groß.

In diesem Sinne möchte ich gar nicht mehr lange Kritik üben, sondern Ihnen trotzdem alles Gute wünschen, allerdings wünsche ich mir für Österreich einen anderen Bun­deskanzler. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Abg. Mayer: Schämen würde ich mich! – Abg. Hübner: Es ist alles so lustig ...!)

17.24


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ing.  Dietrich. – Bitte.

 


17.24.45

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (ohne Klubzugehörigkeit): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Das, was wir in den letzten Tagen und Wochen rund um die Affäre Tal Silberstein erleben mussten, war wirklich ein unwürdiges Schauspiel. Ich möchte sagen, das war der Tiefpunkt, den wir alle – wir haben die letzten Wahlkämpfe beobachtet – erleben muss­ten.

Herr Bundeskanzler, auch wenn Sie uns noch so oft erklären, Tal Silberstein, der Experte schlechthin für Dirty Campaigning, sei angestellt worden, um irgendwelche Statistiken zu kontrollieren, so ist das für mich absolut nicht glaubhaft; das wäre in etwa so, wie wenn ein Hotelier den Spitzenkoch Frank Rosin zum Tellerwaschen anstellen würde. Das glaubt doch niemand! (Beifall der Abgeordneten Hafenecker, Kickl und Hagen.)

Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, sich herstellen und sagen: Wir, die SPÖ, haben zwar die Werbeagentur bezahlt, die diese Anti-Kurz-Videos drehen sollte, aber wir haben damit überhaupt nichts zu tun!, dann ist das für mich auch absolut nicht glaubhaft und da hilft keine Distanzierung. Da wäre – so wie meine Kollegen gesagt haben – eine Entschuldigung angebracht, eine Entschuldigung beim Volk (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Hafenecker und Kickl) und eine Entschuldigung bei allen Politikern in diesem Land, die es ernst meinen. Wir alle geraten durch solche Machenschaften in Verruf. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Hagen und Lintl.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich denke an Rudi Fußi, von dem Sie sich jetzt auch distanziert haben, aber auch erst, nachdem bekannt wurde, mit welcher Arro­ganz, mit welchem Druck, mit welcher Macht, alle Regeln überschreitend er mit Men­schen umgeht. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wenn Sie die Protokolle auf WhatsApp anschauen, die er Anna J. geschrieben hat, so nach dem Motto – ich zitiere –: „Sie haben deine Telefonprotokolle. Und klagen dir wohl den A[...] weg“!, dann muss ich sagen, meine geschätzten Damen und Herren, das ist nicht akzeptabel. Herr Bun­des-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 165

kanzler, das würde nicht nur eine Distanzierung von Ihrer Seite erfordern, sondern auch eine gerichtliche Verfolgung. So geht man mit Menschen nicht um. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn Sie nun meinen oder uns erklären wollen, Sie seien ohnehin nicht so eng be­freundet, dann möchte ich ein Mail vom 6. Jänner 2017 zitieren, das Sie um 0.47 Uhr an Herrn Fußi geschrieben haben: „Ich bin so etwas von froh, dass du dir das antust, schätze deinen Intellekt und deine Formulierungskunst in höchstem Maße. Danke!! Lg ck“ (Rufe bei der ÖVP: Wahnsinn! Unglaublich! – Zwischenruf des Abg. Hübner.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Da kann man nichts vertuschen, da ist Anstand gefordert, da ist gefordert, Haltung zu zeigen – das haben viele Politiker, Politiker in allen Fraktionen, dafür meine höchste Wertschätzung, davor möchte ich den Hut ziehen, das haben aber leider Gottes einige Politiker, auch aus meiner ehemaligen Fraktion, nicht so. (Abg. Weninger: Ihr wart ja ... im letzten Wahlkampf! ... Stronach!)

Meine geschätzten Damen und Herren, das ist meine letzte Rede, und ich möchte mich hier – weil du, Herr Kollege, den Namen Frank Stronach erwähnt hast – per­sönlich bei Frank Stronach dafür bedanken, dass er Lebenszeit, Energie und Kraft eingesetzt hat, um dieses Land auf einen besseren Weg zu bringen. Niemand von Ihnen kann sich vorstellen, mit wie viel Energie dieser Mann Stunden um Stunden gearbeitet hat, um Österreich zu verändern (Zwischenruf des Abg. Matznetter); er hat immer gesagt: Österreich fährt an die Wand!

Wenn wir so weitertun, wie es diese Bundesregierung in den letzten Jahren gemacht hat, dann fahren wir wirklich an die Wand. Es gibt nach dieser Wahl nur eine Chance: eine Neuorientierung, weg davon, dass auf der Regierungsbank nur gestritten wird, und hin dazu, dass endlich einmal konstruktiv gearbeitet wird. (Beifall der Abgeord­neten Franz und Hagen.) Das haben sich die Österreicher verdient, und es ist höchst an der Zeit, dass das auch von den Verantwortlichen in dieser Form geschieht.

In diesem Sinn möchte ich Ihnen allen, jedem persönlich, alles Gute wünschen. Ich wünsche Ihnen viel Kraft, viel Gesundheit und alles Gute, auf welchem Weg auch immer Sie in den nächsten Jahren sein werden. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen, bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit sowie des Abg. Scherak.)

17.30


Präsident Karlheinz Kopf: Frau Abgeordnete, auch von dieser Stelle aus herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit in diesem Haus und für die Zukunft alles Gute!

Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Rosenkranz zu Wort. – Bitte.

 


17.30.28

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers und die nachfolgende Debatte verfolgt haben, dann wird Ihnen aufgefallen sein, dass sich am Schluss des Wahlkampfs ein neuer Gag entwickelt hat, nämlich jener, dass jeder sagt, es sei sehr bedauerlich, dass Politik zur Inszenierung verkommen ist – nicht 95 Prozent, sondern 100 Prozent, könnte man sagen –, und im selben Atemzug deutlich macht, dass er nicht vorhat, das zu ändern. Oder haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, nur irgendwie den Anflug einer Diskussion über die wichtigen Themen wahrgenommen? – Sie werden mir recht geben, das war nicht der Fall.

Genau das ist auch ein Grund, und das möchte ich jetzt noch einmal betonen, warum man an den Modalitäten, am Werkzeug etwas ändern muss, denn es ist nicht so, dass die direkte Demokratie in einem besonderen Maß der Demagogie ausgesetzt wäre,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 166

das Gegenteil ist der Fall. Wenn die Grundlage von Demagogie ist, dass man ein gehöriges Talent zur Selbstinszenierung hat und die nötigen Moneten, um das auch einer breiten Öffentlichkeit vorzuführen, dann hat dieser Wahlkampf jetzt bewiesen, dass die repräsentative Demokratie in besonderem Maße dafür anfällig ist. Ganz im Gegenteil weisen die direktdemokratischen Instrumente, wie wir sie aus der Schweiz kennen, die dort seit 170 Jahren in Gebrauch sind, diese Anfälligkeit nicht auf.

Ganz nüchtern: 100 000 Personen können eine Volksabstimmung einleiten; 50 000 sind es, wenn es um ein Gesetz geht, 100 000, wenn die Bürger etwas auf die Agenda setzen wollen. (Abg. Kickl: Wir werden das schon machen!) – Nicht 250 000, sondern 100 000, das hätte ich noch einmal gerne gehört, denn es ist auch die Hürde dahin gehend interessant, ob ein Instrument scharf ist oder eben nicht.

Dann gibt es ein öffentlich finanziertes Abstimmungsbüchlein, ganz gerecht und ausge­glichen; es hat also nicht der mit dem großen Budget und der Parteienförderung einen Vorteil, sondern jeder kann diesen Vorteil genießen. Da werden Pro und Contra nüchtern über Wochen diskutiert, jeder Bürger macht sich ein Bild, und dann gibt es eine Abstimmung. Das ist ein vergleichsweise vernunftbetontes und eben nicht insze­niertes Verfahren, und ich würde es sehr empfehlen, um den Inszenierungen entge­genzuwirken, endlich einmal auf direkte Demokratie zu setzen, und zwar so, Herr Abgeordneter Kickl, dass die Hürde nicht so hoch ist, wie es noch im Wahlprogramm steht; 250 000 ist viel zu hoch, 100 000 müssen reichen. Dafür werden Sie jede Unterstützung bekommen, denn dann wird es auch möglich sein, dass jene Themen diskutiert werden, die zwar existenziell sind, aber einer Art von Tabuisierung verfallen. Das haben wir, die Freie Liste Österreich, in diesem Wahlkampf ganz besonders erlebt.

Es ist ohne jeden Zweifel so, dass die Frage der übergeordneten Struktur der EU ganz wesentlich darüber entscheidet, welchen Spielraum jeder österreichische Kanzler überhaupt noch hat. Juncker, der Kommissionspräsident, hat angekündigt, das ist nunmehr vier Wochen her, dass die Europäische Union jetzt einen ganz entschei­denden Schritt zum zentralisierten Superstaat, wenn man das so sagen will, macht, und zwar in mehreren Punkten. Sie haben mir damals keine Antwort gegeben, aber ich habe Sie schon einmal gefragt: Wie verhält sich die Sache mit dem europäischen Finanzminister, was ist dann noch Ihre Aufgabe? Wie wird sich das auswirken, wenn der Euroraum auf alle Länder ausgedehnt wird, selbst auf jene, die das gar nicht wollen?

Was ist mit der europäischen Asylbehörde, die nach Regeln, die wir jetzt noch nicht kennen, auf die wir dann auch nur mehr einen ganz minimalen Einfluss haben – Öster­reich stellt 2 Prozent der europäischen Bevölkerung –, die Asylberechtigten den Ländern zuteilen wird? Alles, was Kern und Kurz versprechen, nämlich eine restrik­tivere Einwanderungspolitik, kann man sich aufschreiben, wenn man nicht vorher gegen diese Asylbehörde opponiert. – Das ist der zweite Punkt.

Der dritte Punkt ist auch nicht ganz unerheblich: die europäische Armee, ausgestattet mit Atomwaffen. Was machen wir jetzt? Machen wir mit, einfach so, wie wir es immer gemacht haben, verletzen wir die Neutralität und tun es trotzdem? Oder diskutieren wir die Neutralität, schaffen wir sie ab? Oder versuchen wir, herauszuverhandeln, dass wir da nicht dabei sind?

Diese Fragen sind die entscheidenden Fragen, und wer sich dieser entscheidenden Fragen annimmt – und das haben wir erlebt –, der überschreitet eine rote Linie, der kommt nicht vor. Sie alle hier sind der Meinung, da rühren wir nicht dran, wir machen da mit, das ist halt so; ich glaube, es hat einmal einen gegeben, der vom Verfassungs­bogen gesprochen hat; da ist die Diskussion über die EU anscheinend nicht drinnen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 167

Wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber wollen, dass jemand in diesem Haus ist, der diese rote Linie zum Wohle Österreichs übertritt und diese exis­tenziellen Fragen stellt, dann denken Sie bitte daran: Das können nur wir sein, die Freie Liste Österreich! (Beifall bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit.  Abg. Kickl: So hart wie gegen den Pröll in Niederösterreich!)

17.35


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


17.35.45

Abgeordnete Martina Schenk (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Minis­ter! Herr Bundeskanzler! Werte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! „Verantwortung für Österreich“ – das war der Titel der Rede des Bundeskanzlers bei diesem Tagesordnungspunkt. Verantwortung für Österreich – diese drei Worte nimmt jeder Politiker gerne in den Mund, aber was dann für den Wäh­ler rauskommt, das ist sehr unterschiedlich und für den Wähler auch oft nicht befriedigend.

Meine Vorrednerin, unsere Spitzenkandidatin Barbara Rosenkranz, hat schon sehr viel Positives und Richtiges dazu ausgeführt, warum die Freie Liste Österreich die einzige Alternative zu den etablierten Parteien ist. (Abg. Köchl: Die vierte Partei: FPÖ, BZÖ, STRONACH, Freie Liste!) Ich möchte hier noch ein paar wichtige Unterschiede herausarbeiten, vor allem auch zur Freiheitlichen Partei.

Als ich mir heute die Reden von Kickl und Strache angehört habe, die Beschimpfungen und die Ausführungen, um es freundlich zu formulieren, in Richtung Bundeskanzler, habe ich den Eindruck gewonnen, dass man hier von eigenen Themen ablenken möchte (Abg. Hübner: Martina, das kannst du nicht ...!), dass man hier davon ablenken möchte, dass man 2016, als die Brexit-Entscheidung fiel, noch ganz anders über die EU gesprochen hat. Da war man sehr EU-kritisch, da haben Strache und Vilimsky noch gefordert, dass man doch eine Volksabstimmung über den EU-Austritt machen sollte.

Was ist jetzt im Wahlkampf zu hören? Was war am 20. September in einer Fern­sehdiskussion zu hören? (Zwischenruf des Abg. Hauser.) Ich möchte Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, schon zur Kenntnis bringen, wie die FPÖ da ihre Linie verlässt (Abg. Kickl: Wie ist das jetzt mit der direkten Demokratie? Das passt nicht ...! – Abg. Belakowitsch: Die kommen aus verschiedenen Fraktionen zusam­men!), nur um sich schön zu machen, um (zunächst in Richtung ÖVP, dann in Richtung SPÖ weisend) mit dieser Seite oder mit dieser Seite eine Regierung zu bilden. Das wissen die Menschen zum Teil auch, aber sie wissen es noch nicht in ausreichendem Maße, darum möchte ich hier meine Redezeit dazu nutzen, um ihnen das zur Kenntnis zu bringen.

Am 20. September hat der Parteiobmann der FPÖ im Zusammenhang mit dem EU-Austritt, mit der EU-Kritik Folgendes gesagt (Zwischenruf des Abg. Hauser): Da gibt’s keine Mehrheit für einen Austritt aus der EU, und den hat die FPÖ auch nie gefordert. Gäbe es eine Initiative für eine Volksabstimmung über den Austritt Österreichs aus der EU, dann sagt die FPÖ Nein. (Abg. Belakowitsch: Wenn man schon zitiert, dann bitte richtig!) Ein Austritt aus der EU ist dumm und unsinnig. –

Nomen est omen. (Abg. Kickl: Was heißt das, nomen est omen?) –

Eine Volksabstimmung über den Austritt Österreichs aus der EU wird keine Maßnahme der FPÖ sein. – Zitatende.

Was erwartet die Österreicher, wenn Herr Strache Kanzler wird?


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 168

Als Kanzler werde ich keine Volksabstimmung über den Austritt Österreichs aus der EU anstreben. Ich würde vielmehr die Empfehlung geben, nicht aus der EU aus­zutreten. – Zitatende. (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das muss man hier schon zur Kenntnis bringen, und das müssen Sie von der FPÖ sich auch gefallen lassen. Hier muss man Sie auch daran erinnern, dass Sie von Ihren Werten abrücken (Abg. Belakowitsch: Welche Werte?), dass Sie von Ihrem Programm abrücken und dass Sie damit viele Wähler vor den Kopf stoßen. Diese Wähler, die sonst nicht zur Wahl gehen würden, haben mit uns, bei der Freien Liste Österreich, eine Alternative, die sie wählen können. (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.) – Lachen Sie! Wer zum Schluss lacht, lacht am besten und wird recht haben.

Auch Frau Inge Rauscher kann ich überhaupt nicht verstehen, das war die Initiatorin und Bevollmächtigte beim EU-Austritts-Volksbegehren, das mit 261 159 Unterstützern ja nicht unerfolgreich war. Diese Frau Rauscher ist auch auf Ihren Schmäh herein­gefallen und unterstützt jetzt mit ganzseitigen Inseraten die Linie der FPÖ (Abg. Kickl: Jetzt beleidigen Sie die Frau Rauscher! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), weil die FPÖ für die direkte Demokratie eintritt und für eine Volksabstimmung für den EU-Austritt. – Na haha!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass sehr viele Wählerinnen und Wähler sich diese Parlamentsdebatte ansehen (Abg. Kickl: Wie heißt jetzt die aktuelle Partei, für die Sie sprechen? – Abg. Belakowitsch: Sind Sie jetzt bei den Weißen?), dass sie sich eine eigene Meinung bilden können und ich hier auch etwas zur Entzau­berung der FPÖ beigetragen habe. Die FPÖ predigt Wasser und trinkt Wein und nimmt es mit der Verantwortung für Österreich nicht sehr ernst, da brauchen Sie dem Kanzler nicht so viel vorzuwerfen. (Abg. Kickl: Der Frust ist groß!) – Ja, wer laut schreit, der kauft. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit. – Abg. Kickl: Wir haben noch die Kratzer von Ihnen auf unserer Tür!)

17.39


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 


17.40.04

Abgeordneter Leopold Steinbichler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ministerinnen und Minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Ja, „Verantwortung für Österreich“! Ich darf vielleicht gleich jetzt damit beginnen, bevor ich mich zur Demokratie äußere, denn es kommt ja dann wieder die Elefantenrunde, wo die Bürgerinnen und Bürger sofort falsch informiert werden. Dort diskutiert nur die Hälfte der Kandidaten, deshalb, liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die Sie nach getaner Arbeit am Abend die Diskussion anschauen werden: Es gibt noch sechs weitere Parteien, die sich an dieser Diskussion beteiligen möchten, aber nicht dürfen.

Zum Thema Verantwortung für Österreich möchte ich ganz klar herausarbeiten, was eine kleine Partei im Gegensatz zu den großen bewegen kann. Ich bin damals in den Nationalrat gekommen und habe gesagt: Reden wir in diesem Haus über das Leben, wo es um die Menschen, um das Volk, um die Bürger geht! Es ist mir gelungen, über dieses Leben über 21 Stunden zu reden. Ich denke, auch von den Rückmeldungen von den Bürgerinnen und Bürgern, vom Volk her sagen zu können, die waren sehr zufrieden. Sie sehen, dass ich mich hier um ihre Probleme angenommen habe. .

Es ist uns gelungen – und darauf bin ich besonders stolz, auch wenn das heute zu solch später Stunde diskutiert wird –, den größten Lebensmittelskandal in Europa, der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 169

auch Österreich erreicht hat, aufzuzeigen, nämlich betreffend Palmöl; vor elf Jahren, als ich mit diesem Thema begonnen habe, wurden wir für verrückt erklärt.

Es ist uns in Zusammenarbeit mit Kollegin Dietrich außerdem gelungen, wieder die volle Mannstärke bei den Militärmusikkapellen zu erreichen. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen Ehrenamtlichen – egal, ob Feuerwehr, Sportvereine, Blaulichtor­gani­sationen, Musikerinnen und Musiker – für ihre großartige Leistung, denn die Militärmusikkapellen sind neben den Musikschulen eine gute Ausbildungsstätte.

Es ist uns gelungen, mit einer Anfrage der Kollegin Weigerstorfer aufzuzeigen, dass über 600 000 e-cards in Österreich anonym unterwegs sind.

Es ist uns gelungen, mit dem Militärkommando Oberösterreich aufzuzeigen, dass es 150 000 Aufgriffe von Illegalen gab. Und wir diskutieren in diesem Haus über Ober­grenzen! Na bitte sehr, wie kann man über Obergrenzen diskutieren, wenn man nicht weiß, wie viele Asylanten es im eigenen Land gibt? Deshalb ist es wichtig, dass kleine Gruppierungen hier im Haus vertreten sind, dass kleine Gruppierungen hier auch dafür sorgen, dass Demokratie eingebracht und Demokratie gelebt wird. Das ist ganz wesentlich.

Es werden großartige Versprechen plakatiert: Gerechtigkeit, „Fairness“ – alles liest man auf den Plakaten. Ich denke an die letzte Pensionserhöhung, die ist selbster­klärend. Die Kleinpensionisten mit 800 € – das ist bei den Kleinpensionisten eh schon ein Großer – bekommen 17,60 € Erhöhung; aber das erklärt man ihnen als Riesen­vorteil, weil sie 2,2 Prozent bekommen. Die Bezieher höherer Pensionen, zum Beispiel 3 000 €, bekommen 48 € Erhöhung, das sind 1,6 Prozent.

Da geht die Schere immer weiter auseinander. Den ganzen Tag über diskutieren wir über diese Schere: Bei den Arbeitnehmern, bei den Angestellten – das kommt heute noch –, bei den Pensionisten haben wir es schon getan, bei den Familien haben wir es gerade diskutiert. Deshalb, bin ich der Meinung, sollten wir hier viel ehrlicher disku­tieren; das soll viel gerechter sein, tatsächlich gerecht – nicht: neue Gerechtigkeit, es ist entweder etwas ungerecht oder es ist gerecht.

Deshalb darf ich zu einer ganz wesentlichen Erklärung kommen. (Abg. Lopatka: Das ist jetzt die zweite Erklärung!) Viele meiner Kolleginnen und Kollegen waren verwun­dert und haben gefragt: Leo, wo nimmst du deinen Optimismus her? Die Weißen werden niemals ins Parlament einziehen!

Kolleginnen und Kollegen, diese Tafel ist selbsterklärend (auf eine auf das Rednerpult gestellte Tafel zeigend, auf der ein buntes Tortendiagramm mit der Überschrift „Wahl­berechtigte – Nationalratswahl 2013“ abgebildet ist): Die Weißen waren bei der letzten Wahl mit 24 Prozent bereits die größte Gruppe.

Ich appelliere hier an dieser Stelle (Abg. Lopatka: Habt ihr schon kandidiert?) – ja, ich merke schon den Schmerz – an all jene, die bisher gesagt haben: Dieses System ist unwählbar, ich gehe nicht zur Wahl!, im Glauben, dass sie mit der Wahlverweigerung gegen das System protestiert haben. Genau an dieser Stelle appelliere ich, aktiv die Weißen zu wählen, denn sonst wird am Abend die weiße Stimme – und das war der größte Block – vom System aufgefressen und genau vom System in Anspruch genom­men.

Liebe Wählerinnen und Wähler, egal, welchen Alters, egal, welchen Bildungsniveaus: Wir wollen die Stimme des Volkes sein! Wir wollen Österreich demokratisieren! Arti­kel 1 unser Verfassung besagt, dass in einer Demokratie die Macht vom Volk ausgeht. Ich glaube, das ist der ganz entscheidende Satz.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 170

Und weil wir heute auch über die Zukunft Österreichs diskutieren: Wir brauchen einen achtsamen Umgang mit den Steuergeldern und den Ressourcen.

Wir bitten um breite Unterstützung. – Danke. (Beifall des Abg. Pirklhuber.)

17.45

17.45.32

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Verfas­sungs­bestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Miss­trauens­antrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend faire Mieten jetzt – Wohnen muss wieder leistbar werden. 

Wer stimmt diesem Antrag zu? – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

17.46.423. Punkt

Antrag der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes geändert werden (2323/A)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Damit kommen wir zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Verfassungsausschuss eine Frist bis 11. Okto­ber 2017 zur Berichterstattung gesetzt.

Es gibt keine mündliche Berichterstattung.

Damit gehen wir gleich in die Debatte ein.

Erste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.

 


17.47.22

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Gesetze, die ohne Begut­ach­tung, husch-pfusch vorbereitet, eine schlampige Lösung darstellen, unter der wir noch lange leiden werden ... (Abg. Belakowitsch: Lauter, bitte! – Abg. Auer: Sehr schlechte Akustik!)

Ich kann noch einmal eine Sprechprobe machen: eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben. Geht es jetzt besser? (Ja-Rufe.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gesetze ohne Begutachtung, husch-pfusch vorbereitet, eine schlampige Lösung, unter der wir noch lange leiden werden – ich bin absolut dafür, aber ordentlich vorbereitet mit einer guten Begutachtungszeit. – Das sagt der Kanzlerkandidat und ÖVP-Chef offensichtlich über die eigenen Vorlagen der ÖVP, die sie hier einbringt, weil es hier weder eine Begutachtung noch eine aus-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 171

reichende Beratung gab. Nicht einmal im Ausschuss war dieses Gesetz. Insofern gehe ich davon aus, dass die ÖVP der eigenen Vorlage hier nicht zustimmen wird, weil sie zumindest den eigenen Vorgaben nicht entspricht. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ehrlich gesagt, wichtiger bei der Debatte über das Budget ist aber, glaube ich, die Frage: Wer zahlt denn in Österreich welche Steuern? Wir hatten vor einer Woche diese Debatte hier im Haus. Da habe ich kritisiert, dass es einen Großspender der ÖVP gibt, der auf der Abschleicherliste aus Liechtenstein steht, und dass der Finanzminister nichts tut, der Finanzminister keine Steuerprüfer ausschickt, nicht nur beim Großspen­der, sondern allgemein säumig ist, dieses Geld einzutreiben. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.) Da geht es immerhin um 3,3 Milliarden €, die überprüft werden müssen, ob es sich hierbei um Schwarzgeld handelt oder nicht. (Abg. Hafenecker: „Türkisgeld“!) Der Minister hat im Plenum auch nicht dazu Stellung genommen, wieso er da säumig ist und nichts tut.

Das Zweite, was hier debattiert wurde, ist, dass ich hier gesagt habe, dass derselbe Großspender eine Steuerkonstruktion mit Firmen hat, damit er keine Einkommensteuer zahlt, und tatsächlich weniger als 3 000 € Einkommensteuer im Jahr bezahlt. (Zwi­schenruf des Abg. Rädler.)

Das, was ich besonders interessant gefunden habe, ist, dass der Großspender das zu 100 Prozent bestätigt hat. Er hat gesagt: Ja, stimmt, ich zahle wirklich weniger Ein­kommensteuer, weniger Sozialversicherungsbeiträge als jede Österreicherin und jeder Österreicher, die/der mehr als 1 400 € netto im Monat verdient! Und er hat gesagt: Ja, ich habe eine Steuerkonstruktion für mein Vorstandsgehalt bei dieser Fir­ma, und dadurch erspare ich mir tatsächlich – nicht theoretisch, sondern tatsächlich – in etwa 50 Prozent der Steuern und Abgaben, die ich hätte zahlen müssen, wenn ich das als Einkommensteuer versteuert hätte!

Es sind zumindest zwei Firmen in diesem Konstrukt drinnen. Die eine hat er gegenüber den Medien genannt, die andere gegenüber den Eigentümern. Das kann man ja alles im KTM-Geschäftsbericht nachlesen. (Zwischenruf der Abg. Fekter.) Das, was er inter­essanterweise noch gesagt hat, ist: Ja, wenn die Kurz-Pläne kommen, dann profitiere ich noch stärker, dann zahle ich noch weniger Steuer! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „ÖVP Großspender“, auf der ein Balkendiagramm abgebildet ist, auf das Rednerpult.) Wenn er es als Einkommensteuer versteuert, müsste er für diese zwei Jahre, um die es gegangen ist, circa 1 Million € zahlen. Tatsächlich – das sagt er selber – hat er nur die Hälfte, eine halbe Million, gezahlt. Und wenn die Kurz-Pläne schon umgesetzt wären: Ja, dann hätte ich tatsächlich null Euro gezahlt! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Diese Offenbarung finde ich schon sehr spannend, dass diese Person das selber auch noch sagt und bestätigt: Ja, ich würde davon profitieren, ich würde dann nämlich tatsächlich überhaupt keine Steuer zahlen!

Ich sage Ihnen: Alle internationalen Organisationen, wie der IWF oder die OECD, alle sagen – nicht nur für Österreich, sondern für die ganze Welt –, das oberste Prozent, diejenigen, die wirklich viel Geld verdienen, gehören endlich ordentlich besteuert, denn die zahlen ihre Steuern nicht. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Es gibt in unserem Land zwei Parteien (Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling) – ja, das betrifft auch Sie, Herr Finanzminister –, zwei Parteien, die nur darüber nachdenken, wie sie diejenigen, die sich jetzt ohnehin die Hälfte von dem ersparen, was jeder andere zahlen müsste, so unterstützen können, dass sie über­haupt nichts mehr zahlen müssen. Das sind ÖVP und FPÖ. Das ist wohl die wesentlichere Frage, wenn es um das Budget geht, und zwar dass man dafür sorgt, dass jeder seinen ordentlichen Beitrag zahlt und dass diejenigen, die heute nicht ihren


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 172

ordentlichen Beitrag zahlen, sondern schwindlige Firmenkonstruktionen haben, dann nicht gar nichts mehr zahlen, sondern endlich das zahlen, was sie zahlen sollen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Fekter. – Abg. Rädler hält eine Ausgabe der „Kronen Zeitung“ in die Höhe.)

In diesem Sinne mögen bitte alle daran denken, auch am Wahltag natürlich, wenn sie wählen gehen: Gehöre ich zu den 95 Prozent, die arbeiten gehen, ordentlich wie alle anderen Steuern zahlen, oder gehöre ich zu den Top 1, 2 Prozent, die – von der ÖVP vor allem – hier beschützt werden, wobei man nur darauf schaut, dass die ja keine Steuern mehr zahlen, obwohl sie heute schon keinen gerechten Beitrag mehr leisten? Bitte stellen Sie sich auch am Wahltag diese Frage! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Das war aber nicht zur Sache! Er hat die Schuldenbremse mit keinem Wort erwähnt!)

17.53


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Auer gelangt als nächster Redner zu Wort. – Bitte.

 


17.53.24

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt im Leben eines Parlamentariers zwei Reden, die eine ganz besondere Herausforderung, einen beson­deren Moment darstellen.

Das ist die erste Rede als neu angelobter Abgeordneter, weil man im wichtigsten Gremium der Republik, im österreichischen Nationalrat, vor vielen oft exzellenten und erfahrenen Abgeordneten reden muss. Der erste Eindruck sollte ja ein positiver sein, denn es gibt bekanntlich keine zweite Chance eines ersten Eindrucks. So sind mir auch viele Erstreden von Kolleginnen und Kollegen noch in guter Erinnerung. Ich bin mir sicher, dass sich jeder und jede Einzelne noch an die ersten Statements, die hier abgegeben wurden, erinnern können.

Die Abschiedsrede ist die zweite besondere Rede. Hierbei geht es weniger um die Frage, was und wie es gesagt werden soll – da könnte ich jetzt eine Marathonrede beginnen –; vielmehr geht es um ein Resümee über das hier im Haus Erlebte, die vertretene Politik und die vielen politischen Entscheidungen, die man aus eigener Überzeugung für die Bevölkerung mitgetragen und mitgeprägt hat.

Als ich vor über 34 Jahren hier in diesem Haus – also nicht hier, sondern im Parlament drüben – meine erste Rede gehalten habe, konnte ich mir nicht im Entferntesten vorstellen, dass mir die Arbeit im Nationalrat zu einer meiner wichtigsten Lebens­aufgaben werden würde. Heute aber geht ein so entscheidender Lebensabschnitt für mich zu Ende.

Es liegt auf der Hand, dass mir als Bauern, langjährigem Bürgermeister und Funktionär im Genossenschafts- und Bankwesen insbesondere die Land- und Forstwirtschaft, die bäuerlichen Familienbetriebe, als langjährigem Kommunalsprecher die Bevölkerung in den Gemeinden und das wirtschaftliche Fortkommen unserer Unternehmerinnen und Unternehmer am Herzen gelegen sind – neben der Landwirtschaft.

Mein besonderes Interesse und meine Leidenschaft galten aber über viele Jahre der Budgetpolitik; ich hatte die Chance, diese über zehn Jahre als Obmann des Budget­ausschusses mitgestalten zu können. Als ich 1983 angelobt wurde, lag der öffentliche Schuldenstand der Republik bei 40,5 Milliarden € oder 43,5 Prozent des BIPs. 2016 verzeichnen wir einen Schuldenstand von 295 Milliarden € oder 83,6 Prozent des BIPs. (Abg. Pirklhuber: Das dürfte eine Verdopplung sein!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 173

Natürlich: Die Welt hat sich in diesen Jahrzehnten komplett verändert, nicht nur hier im Hohen Haus. Österreich hat sich zu einem der reichsten Staaten der Welt mit einer starken Wirtschaft und einem der besten Sozialsysteme weltweit weiterentwickelt. Die laufenden Veränderungen erforderten Jahr für Jahr neue Investitionen in die Bildung, in Universitäten, in die Infrastruktur, in die Wirtschaft, auch in die Land- und Forstwirt­schaft. Gleichzeitig waren wir immer gefordert, das Steuersystem, das Sozialsystem, das Pensionssystem, das Gesundheitssystem, die Arbeitsmarktpolitik, die Pflege und so weiter laufend zu reformieren und neu auszurichten.

In jeder der zehn Legislaturperioden, die ich miterlebt habe, gab es Steuerreformen, Reformen des Pensionssystems, der Wirtschaft, Bildungsreformen et cetera, natürlich laufend Bestrebungen, den Staatshaushalt zu konsolidieren, die Neuverschuldung so gering wie möglich zu halten und die Staatsverschuldung einzuschränken. Wirklich gelungen ist dies kaum.

Einige unter uns können sich noch an das Jahr 2005 erinnern, als wir im Staatsschul­denausschuss im Hohen Haus erstmals Debatten über eine Schuldenbremse geführt haben. Das war meiner Meinung nach ein erster wichtiger Schritt; sechs Jahre später und infolge der europäischen Finanzkrise und der Gefahr des Verlustes des damaligen Triple-A-Ratings ist es schließlich gelungen, in Österreich eine Schuldenbremse zu beschließen. Bekanntermaßen und bedauerlicherweise erhielt der damalige Vorschlag nicht die Zustimmung der Oppositionsparteien, deshalb konnten wir die Schulden­bremse nur mit einfacher Mehrheit im Bundeshaushaltsgesetz beschließen.

Das strukturelle Defizit des österreichischen Staatshaushaltes darf damit 2017 erst­mals grundsätzlich 0,45 Prozent des BIPs nicht übersteigen; Ausnahme: bei Natur­katastro­phen und in Notsituationen. Daher hat meine Fraktion in der letzten National­ratssitzung einen Antrag betreffend eine verfassungsgesetzlich geregelte Schulden­bremse in Anlehnung an die deutsche Regelung eingebracht. Mit dieser Schulden­bremse soll das gesamtstaatliche Bekenntnis zum Nulldefizit eindeutig verankert werden. Durch die strengere nationale Regelung wird auch die Erreichung der geltenden EU-Vorgaben sichergestellt.

Als langjähriger Parlamentarier – das wissen Sie genau – muss man derartige Grund­satzentscheidungen lange überlegen – sie brauchen Zeit und müssen reifen –; ich glaube, das haben wir in den vergangenen Jahren ausreichend getan. Interessant ist nur, dass damals die Opposition nicht zugestimmt hat. Heute stimmt die SPÖ offen­sichtlich nicht zu, während die damalige und heutige Oppositionspartei, die große Oppositionspartei FPÖ offensichtlich zustimmt. Meine Damen und Herren! Wir sollten uns an Oberösterreich ein Beispiel nehmen, wo der Landtag dies beschlossen hat: die sogenannte Schuldenbremse.

Wenn ich meine Erfahrungen in diesem Hohen Haus zusammenfassen müsste, dann würde ich sagen: Ein moderner demokratischer Staat ist gefordert, vor allem an unsere Jugend, an die Zukunft zu denken, ihr eine wirkliche Zukunftsperspektive zu ermög­lichen und diese zu gestalten, in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt, leistbares Wohnen – und das auf Basis eines nachhaltig finanzierten Staatshaushaltes; denn eines sollten wir wissen: Auf Schuldenbergen können keine Kinder spielen.

Am Sonntag wird Österreich wieder einen neuen Nationalrat wählen. Die vielen Kon­zepte und Pläne der Parteien wurden in den vergangenen Wochen und Monaten intensiv diskutiert. Setzen wir ein Zeichen, dass über alle Vorhaben und Versprechen auch gleichzeitig etwas möglich wird, was in den vergangenen Jahren nie gelungen ist: ein für die Zukunft nachhaltig finanzierter Staatshaushalt!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 174

Norbert Blüm, ein bekannter ehemaliger deutscher Politiker, sagte schon: „Die Schul­den des Staates haben immer die kleinen Leute bezahlt.“ (Abg. Kogler: Da ist was dran!)

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte meinen Ausführungen noch ein paar Gedanken anfügen und bitte Sie: Fassen Sie das nicht als Belehrung oder als Besser­wisserei auf, das steht und stünde mir auch nicht zu!

Ich mache mir seit einigen Jahren vermehrt Gedanken darüber, ob all das, was wir im Zusammenhang mit dem Parteienfinanzierungsgesetz beschlossen haben, Sinn macht. Ich behaupte, für Gemeindeparteiorganisationen haben wir über das Ziel ge­schos­sen, ich meine sogar, weit darüber hinaus.

Mich beschäftigt auch die Frage, warum sich immer weniger Rechtsanwälte, Steuer­berater, Finanzfachleute, Ärzte und Manager als Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament wiederfinden: Ist es die Bezahlung? Sind es die Bedingungen? Oder ist es das Image, nämlich das negative Image der Politik?

Eines habe ich festgestellt: Wenn ein Wirtschaftsmanager mehrere Funktionen ausübt oder mehrere Aufsichtsratspositionen bekleidet, dann ist laut Medien diese Person eine interessante, einflussreiche, dynamische Person. Wenn hingegen ein Politiker nur die Hälfte derartiger Funktionen ausübt, dann wird er oder sie von den Medien als Ämterkumulierer abgestempelt. – Von der Bezahlung gar nicht zu reden: Ein Ministergehalt kann Wirtschaftsbossen nicht einmal ein müdes Lächeln entlocken, und da muss man gar nicht so viel verdienen wie der Gusenbauer mit seinen 7,4 Millionen, meine Damen und Herren! (Abg. Walter Rosenkranz: Nur kein Neid!)

Vor allem aber sollte sich die Politik – und ich nehme niemanden aus – darauf besin­nen, nicht in erster Linie die Vorschläge der jeweils anderen Partei negativ darzu­stel­len, sondern darauf – so wie in der Wirtschaft –, das eigene Produkt positiver darzu­stellen.

Jetzt komme ich zum Thema des idealen Politikers. Da gab es zwei interessante Kommentare, einen von Andreas Koller, und der lautet folgendermaßen – ich zitiere –:

„Ein idealer Politiker soll, wenn er einen Fehler macht, umgehend und ohne zu murren zurücktreten. Er soll dann aber keinesfalls zu seinem alten Brötchengeber zurückkeh­ren, [...]. Weil das nach Versorgung riecht. Er soll gefälligst auch nicht in der Privat­wirtschaft andocken, weil dann ‚Postenschacher!‘ in der Zeitung steht. Und schon gar nicht soll der einstige Politiker die ihm zustehende befristete Gehaltsfortzahlung in Anspruch nehmen, finden zumindest viele Menschen, die selbst entweder prag­matisiert oder durch eine satte ASVG-Abfertigung abgesichert sind.“

Der zweite Kommentar ist von Kurt Scholz – Zitat aus der Zeitung „Die Presse“ aus dem Jahre 2015 –:

Es gibt Beispiele von Journalisten, die uns immer darstellen, wie der ideale Politiker zu sein hätte, die in die Politik gewechselt sind. Sie sind aufschlussreich. Echte Erfolge waren sie nicht. – Zitat Kurt Scholz.

Aber wirklich Kopfschütteln bereitet mir und unverständlich ist für mich – und ich mache mir wirklich hier Gedanken – die Höhe der Strafe bei der Verurteilung des Bürgermeisters Schaden in Salzburg. Meine Damen und Herren, dieses Urteil habe ich nicht zu kommentieren, aber die Höhe, das Ausmaß habe ich infrage zu stellen. (Abg. Kogler: Das Strafausmaß!)

Meine Damen und Herren, da frage ich mich nämlich auch – und wir haben auch dem Land Kärnten geholfen, Stichwort Hypo, zulasten des Bundes –: Was war in vielen Gemeinden Österreichs? Ich weiß, dass man beides nicht vergleichen kann. Aber:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 175

Was war in vielen Gemeinden Österreichs, wo der einzelne Gemeindereferent be­stimmter Gemeinden geholfen hat, das Desaster zu vermeiden?

Zum Schluss kommend möchte ich noch sagen: Am Sonntag wird gewählt. Wahlen sind nichts Furchtbares, sondern wir sollten uns freuen, dass wir die Möglichkeit haben, frei entscheiden zu können. Was wir alle dringend brauchen, ist eine Abrüstung der Sprache. Das wurde mehrfach beschworen, aber leider nicht eingehalten. Wir alle müssen wissen: Es gibt einen Tag danach!

Abschließend darf ich mich bei allen Mandataren aller Fraktionen hier im Haus und bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller Fraktionen, der Parlamentsdirektion und bei allen Institutionen, von deren Vorarbeit ich profitiert habe, ausdrücklich bedanken. Ich habe viele schöne Stunden und Tage und Jahre des Erfolges erlebt, auch schwie­rige Momente zu bewältigen gehabt, war aber immer mit Begeisterung und Freude Politiker, ob hier im Parlament oder vor Ort in der Gemeinde.

Ich wünsche euch allen trotz Hektik und Terminen Zeit für euch, für eure Familien, für Freunde, denn sie begleiten euch ein Leben lang. Ich wünsche euch Mut, sehr oft auch den Mut, über Fraktionsgrenzen hinaus einander gegenseitige Unterstützung zu gewäh­­ren, vor allem aber die Fähigkeit, junge Menschen für die Politik, für Verant­wortung zu begeistern, ihnen zu zeigen, wie schön es sein kann, für unsere Heimat mitzuarbeiten und mitzugestalten.

In Summe: Es war eine schöne Zeit. Herzlichen Dank. (Anhaltender allgemeiner, von der ÖVP stehend dargebrachter Beifall.)

18.04


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Auer, auch von dieser Stelle aus einen herzlichen Dank für die langjährige Mitarbeit in diesem Haus und alles Gute für die Zukunft.

Nun gelangt Herr Bundesminister Dr. Schelling zu Wort. – Bitte.

 


18.05.00

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Herr Präsident! Ge­schätzte Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Parlament, das eine Dringliche Anfrage macht, wo derjenige, der das betreibt, bei der Abstimmung nicht einmal anwesend ist, und ein Abgeordneter, Jan Krainer, der sich hier heraus­stellt und völlig ungeniert die Unwahrheiten wiederholt: Das ist, glaube ich, nicht das, was wir unter Verantwortung für Österreich zu verstehen haben! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es um Husch-Pfusch-Gesetze geht, dann ist die jetzt vorliegende Gesetzesvorlage auf keinen Fall ein solches, denn sie war schon einmal beschlussreif. Ihr Beschluss ist daran gescheitert, dass, aus welchen Gründen auch immer, die man historisch einmal nachvollziehen kann, die Zusage der FPÖ damals zurückgezogen wurde, die man gebraucht hätte, um die Zweidrittel­mehr­heit für die Verfassung herzustellen.

Nichts hätte uns daran gehindert, das jetzt wieder zu tun, aber jetzt stimmt die SPÖ nicht zu. Das kann Gründe haben. Die Gründe können darin bestehen, dass der Bundeskanzler, als er sein Amt angetreten hat, in der „Frankfurter Allgemeinen“ ein Interview gegeben hat, in dem er gesagt hat: Machen wir halt mehr Schulden! – Nein, genau dieses Ziel verfolgen wir nicht!

Lassen Sie mich, weil Sie heute noch viele Beschlüsse fassen werden, meine Bitte und meinen Appell vom letzten Mal nochmals zusammenfassend an Sie richten: Tat­sächlich werden heute, wenn alle Beschlüsse gefasst werden, Beschlüsse im Gesamt­wert von 580 Millionen € gefasst. Da kann man dafür oder dagegen sein. Lassen Sie


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 176

mich zwei Beispiele bringen, warum ich der Auffassung bin, dass das Husch-Pfusch-Maßnahmen sind!

Wir haben uns die Mühe gemacht, das einmal anzuschauen, weil es ja für Anträge, die ins Parlament gebracht werden und die nicht davor im Ministerrat waren, nicht notwendig ist, eine Wirkungsfolgenabschätzung vorzulegen. Auch das könnten Sie sich für die nächste Periode einmal überlegen. Sie haben einen hervorragenden Budget­dienst hier im Haus, der imstande ist, Initiativanträge der Abgeordneten so zu gestal­ten, dass man eine Wirkungsfolgenabschätzung dafür auch tatsächlich darstellen kann, und das sollten Sie auch tun – genauso wie Sie zu Recht, meine sehr geehrten Damen und Herren, von der Bundesregierung fordern, dass wir, wenn wir Vorlagen der Regierung ins Parlament bringen, Wirkungsfolgenabschätzungen vorlegen.

Es gibt zwei konkrete Fälle, wo wir uns das genauer angeschaut haben. Da geht es einmal um viel Geld und einmal um wenig Geld.

Im Bereich der Heimopfer wird angegeben, das koste 180 000 €. Ich kann Ihnen sagen: Es kostet ein Vielfaches davon!

Und beim Herausnehmen des Partnereinkommens bei der Berechnung der Notstands­hilfe wird angegeben, das koste 85 Millionen €. Ich sage Ihnen: Es kostet tatsächlich 160 Millionen €! Und wenn Sie es mir nicht glauben, rufen Sie bitte das AMS an, die haben das durchgerechnet: Es sind 160 Millionen €!

Meine Damen und Herren, dafür müssen Sie auch die Verantwortung übernehmen, wenn so falsche Zahlen bei Gesetzesvorlagen vorgelegt werden! Genau das ist doch der Grund ... (Zwischenruf der Abg. Schwentner.) – Ich habe das nicht infrage gestellt! Ich habe gesagt, es sind nicht 85 Millionen, sondern es ist das Doppelte davon, nämlich 160 oder 165 Millionen.

Übernehmen Sie die Verantwortung dafür, wenn Sie solche Anträge einbringen, machen Sie sich die Mühe, eine Wirkungsfolgenabschätzung vorzulegen, die realis­tisch ist! Das tun Sie nicht, und daher ist genau das der Ansatzpunkt, warum ich Sie bitte, der Schuldenbremse in der Verfassung zuzustimmen, denn dann kann das ein­fach nicht mehr passieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird den Tag danach geben, und ich glaube, die Schuldenbremse wäre ein gutes Geschenk für die Zukunft, egal, wer eine Regierung bildet. Vielleicht sind Sie alle einmal in einer Regierung. Manche wünschen es sich ja. Bei manchen wünsche ich es mir nicht. Aber wie auch immer es ist, Sie müssen dann dieselbe Problematik wieder verfolgen. Deshalb kann ich nur noch einmal an Sie appellieren: Stimmen Sie diesem Vorschlag der Schuldenbremse in der Verfassung zu! Die SPÖ hat damals diesen Antrag mitgetragen, und es gibt kein plausibles Argument, warum das dieses Mal anders sein soll.

Ich glaube, dass es ein gutes Ziel wäre, wenn wir heute und hier versuchen würden, den Schaden, der durch den Wahlkampf für alle Politikerinnen und Politiker entstanden ist, und den Schaden, der dadurch für die Demokratie entstanden ist, durch so positive Beschlüsse wiedergutzumachen und ein Signal an die Menschen in diesem Land zu senden, dass wir es wert sind, wiedergewählt zu werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.09


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 177

18.09.41

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister Schelling, was alles ein Schaden oder ein Nutzen ist, ist halt auch von der ideolo­gischen Betrachtung abhängig. Darauf werden wir noch zu sprechen kommen.

Zunächst zum Kollegen Auer, der gerade geht. (Abg. Auer verlässt den Sitzungs­saal. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Ja, es werden heute wahrscheinlich noch einige Abschiedsreden gehalten werden. Ich wollte nur festhalten, dass er trotz aller Diver­gen­zen, die wir vielleicht inhaltlich hatten, schon auch ein Pragmatiker und damit ein Brückenbauer war.

So etwas ist nützlich, und ich will das an dieser Stelle nur sagen, und das wird ja bei mehreren Appellen wahrscheinlich noch angesprochen werden, nämlich dass wir alle schon auch des Umstands gewahr sein sollten, und zwar bei allen unseren Auftritten – manchmal greifen ja auch Minister ein bisschen rüde in die Debatte ein, wie eben jetzt, und auch das sollten wir aushalten –, bei allen Divergenzen, dass all die Regierungs- und Gesetzgebungsinstanzen und die Verfassungen und Regierungsformen, die wir haben, vielleicht nicht die besten sind, wie es Churchill sinngemäß formulierte – er sagte, glaube ich, sogar: schlechte –, dass es aber halt auch nicht viel bessere gibt.

Bei allem Bekenntnis zu mehr direkter Demokratie wird es das hier immer brauchen. Deshalb sollte, glaube ich, die Arbeit von Abgeordneten, die bei aller Divergenz noch in der Lage sind, zumindest hinter den Kulissen vernünftig zu verhandeln, nicht unter­schätzt werden. Das möchte ich hier noch festgehalten haben. Um diese Minute kürze ich gerne meine restliche Rede ab.

Es liegt hier ein Vorschlag zu einer sogenannten Schuldenbremse im Verfassungsrang vor. Ja, mein Gott, aber was Sie hier gar nicht erklären, ist, dass wir das einfachge­setz­lich schon haben. Da waren wir an sich auch nicht begeistert. Da wurden Unionsregeln umgesetzt. Das geht ähnlich, aber das Ganze jetzt in den Verfassungsrang zu heben, macht ja nur dann Sinn, wenn es überhaupt Sinn macht. Und wir von den Grünen bezweifeln den Sinn. Nämlich: Man kann schon schauen, dass man vielleicht in bestimmten Phasen sogar einmal Überschüsse macht. Man kann auch schauen, dass es einmal bewusst Defizite gibt. Ich weiß schon, jetzt ist das mit dem konjunkturellen Gegensteuern in dem Vorschlag angesprochen worden, aber es gibt einen Grundfehler bei dieser ganzen Schuldenbremsenphilosophie, nämlich dass man dauernd so tut, als ob Staatsausgabe X das Gleiche wäre wie Staatsausgabe Y.

Es gibt eben produktive Staatsausgaben und nicht produktive, und das ist bei jedem Unternehmen so. Deshalb hat es keinen Sinn, den Staat immer mit privaten Haus­halten zu vergleichen, die genauso viel einnehmen sollen, wie sie ausgeben. Das ist ein kompletter Holler, und ich wundere mich immer, wie derart ökonomischer Unfug einen solchen zustimmenden Verbreitungsgrad erreichen kann. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

Ich weiß, es ist eh keine gute Nachricht für diejenigen, die auch gerne Staatsausgaben haben, so wie Sie es uns unterstellen, vielleicht manchmal auch zu Recht, es ist halt zwischen laufenden Ausgaben und Einnahmen zu unterscheiden. Man muss aber auch erkennen – und da kommt die ideologische Unterschiedlichkeit heraus –, dass auch die Allgemeinheit, die öffentliche Hand, der Staat einmal etwas Gutes ist. Man muss sich ja nicht immer selber schlechtmachen. Man muss erkennen, dass öffentliche Ausgaben nicht nur irgendetwas sind, wo man das Geld verpritschelt, sondern auch etwas, womit investiert wird, und zwar genau dort, wo der Markt versagt, und das tut er oft, und deshalb braucht es den öffentlichen Anschub oder überhaupt die direkte öffentliche Investition.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 178

Das ist nichts Schlechtes, sondern das ist etwas Gescheites, und immer wenn das fehlt, ist es ein hervorragender und herausragender Beitrag zur Verstärkung von Wirt­schaftskrisen, und wohin das geführt hat, können wir uns die letzten 100 Jahre an­schauen. Deshalb unterstelle ich Ihnen, dass Sie das vielleicht ganz gut meinen, aber mit Sicherheit über das Ziel hinausschießen. Das ist das Mindeste!

Dass man das Geld zusammenhalten muss, darin stimmen wir überein. Wir lassen uns nicht dauernd unterstellen, dass wir nicht auf das schauen würden, was Sie sparen nennen. Ich habe gegen diesen Begriff nicht viel, oft ist es halt eine Kürzung, weil Sie auf der Einnahmenseite auch noch die Falschen begünstigen. Jetzt haben Sie es ja auch schon wieder vor. Das ist eine einfache Gleichung: Einnahmen – Ausgaben, dann ist eine Null oder nicht. Das erklären Sie ja auch nicht wirklich, und der Herr Kurz als Allerletzter.

Jetzt geht es eben darum, dass wir auch beweisen wollen, dass man vernünftig sparen kann. Zum Beispiel ist die Korruptionsbekämpfung – ich greife nur ein Beispiel heraus – ein hervorragendes Mittel dazu. Was da an Geld gefladert wird, nämlich offensiv und teilweise unter Beteiligung von Regierungsvertretern, die da quasi Beihilfe zur Untreue leisten, ist unglaublich. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das gehen Sie oft nicht an. Da gibt es nur ganz wenige in diesem Haus, die sich darum kümmern, so wie die Kollegin Gabriela Moser, in deren Namen ich einen Entschließungsantrag in die­sem Zusammenhang einbringen darf. Es geht dabei um ein Korruptionsbe­kämp­fungsgesetz: kein Steuergeld für korrupte Unternehmen! Ja, das kann man auch organisieren, das ist viel konkreter und gescheiter.

Dieser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend kein Steuergeld für korrupte Unternehmen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Minister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien, wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich einen Gesetzesentwurf zur Einführung einer Vergabe-Blacklist vorzulegen.

Der Gesetzesentwurf hat klare Definitionen zwingender und fakultativer Sperrgründe sowie Eckpunkte zur Implementierung einer strukturierten Erfassung entsprechender Verurteilungen zu enthalten. Eine datenschutzrechtlich“ – da sind wir auch immer dabei – „unbedenkliche Abfragemöglichkeit für AuftraggeberInnen hinsichtlich der für öffentliche Vergaben gesperrten Unternehmen ist zu berücksichtigen.“

*****

Das wäre doch etwas: Weniger fladern, mehr Geld zusammenhalten! Das ist auch gut. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das wäre konkret und richtig und rechtzeitig, denn es droht ja schon wieder das eine oder andere.

Und: Hören Sie auf mit Ihren ideologischen Feldzügen da herinnen! (Beifall bei den Grünen.)

18.15


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Haider. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 179

18.15.42

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn man sich vor Augen hält, dass die Staatsschulden inzwischen auf 292 Milliarden € angestie­gen sind, dann möchte man meinen, dass es ein Anliegen aller Parteien ist, eine Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern. Immerhin wurde einfachgesetzlich die Schuldenbremse schon 2011 beschlossen. Seither darf das strukturelle Defizit des Gesamtstaates maximal 0,45 Prozent betragen, das des Bundes nur 0,35 Prozent.

Das war damals durchaus ein kleiner Fortschritt. Man sollte aber nicht verschweigen, dass diese Vorschrift schon im ersten Jahr ihrer Gültigkeit, also voriges Jahr, gleich einmal gebrochen beziehungsweise nicht eingehalten wurde, denn schon im letzten Jahr wurde das Defizit überschritten, und interessanterweise wurde dieser nicht er­laubte überzählige Betrag auf ein sogenanntes Korrekturkonto gutgeschrieben. Also leider kein guter Anfang für diese Schuldenbremse, aber dieses Vorgehen ist leider bezeichnend für die SPÖ/ÖVP-Koalition.

In diesem Zusammenhang kann man auch auf die Transparenzdatenbank verweisen, die ja auch 2011 beschlossen wurde und heute noch immer nicht befüllt ist.

Warum diese Schuldenbremse nicht eingehalten worden ist, liegt auf der Hand, das ist leicht zu erraten: weil diese SPÖ/ÖVP-Koalition im Jahr 2015 sämtliche Gesetze und Vorschriften zum Schutz der österreichischen Grenzen gebrochen hat und die Grenzen für eine Migrationswelle ungeahnten Ausmaßes einfach geöffnet hat und uns das jetzt jedes Jahr über 2 Milliarden € kostet. Man sieht also, was SPÖ und ÖVP vom gesetzeskonformen Regieren halten. (Abg. Schieder: Ahnungsloser! Die Zahlen sind falsch!)

Aber auch abseits dieser unglaublichen Entgleisung hat die SPÖ/ÖVP-Koalition sehr wenig getan, um die Ausgaben endlich zu reduzieren und die Staatsschulden nach­haltig zu senken. Und diesen Reformstau müssen jetzt halt die Österreicher mit einem Rekordschuldenberg bezahlen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist offensichtlich wirklich ganz dringend notwendig, dieser Schuldenbremse etwas mehr Kraft zu verleihen. Wenn man sie in den Verfassungsrang hebt, dann ist sie nicht nur schwerer abzuschaffen, wie sich das manche hier im Plenum ja wohl wünschen würden beziehungsweise was sie gerne hätten, nein, dann können auch Verstöße gegen die Schuldenbremse vor dem Verfassungsgerichtshof eingeklagt werden. Das wäre ja in Wirklichkeit nur ein Schritt hin zu einer europäischen Normalität, denn in Deutschland oder in der Schweiz ist die Schuldenbremse im Verfassungsrang schon längst Realität. Wie nicht schwer zu erraten ist, schauen auch die Budgets in Deutsch­land und in der Schweiz ganz anders aus. Die schreiben nämlich Überschüsse.

Wenn man jetzt in Betracht zieht, dass ein derartiger Beschluss eigentlich eine For­malität sein soll, so ist es schon überraschend, dass es hier im Parlament eine Partei gibt, die partout nicht will, dass die Schuldenbremse in den Verfassungsrang gehoben wird – eine Partei, der offensichtlich das Schuldenmachen so richtig in den Genen liegt, und das ist die SPÖ. (Beifall bei der FPÖ.)

Die SPÖ will und will das Schuldenmachen einfach nicht lassen. Schulden machen und neue Steuern einführen, das ist das Credo der SPÖ! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Schulden machen und neue Steuern einführen, den Mittelstand abzocken, eine Vermö­gensteuer und eine Erbschaftssteuer einführen – da fühlt sich die SPÖ wohl! Und wenn das noch immer nicht reicht, dann macht sie neue Schulden. So will das die SPÖ! (Beifall bei der FPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 180

Da ist natürlich eine Schuldenbremse im Verfassungsrang ganz besonders störend. Da wäre es aber dann wirklich auch ehrlich, dass Sie Ihren Wählern sagen: Wir wollen keine Schuldenbremse, weder einfachgesetzlich noch in der Verfassung!

Die Frage ist nur: Wer soll das bezahlen? Wie schaut es mit dem Budget aus, wenn die Zinsen vom derzeitigen Rekordtief wieder zu steigen beginnen? (Abg. Krainer: Eine Hypo-Bremse wäre gut gewesen!) Was werden unsere Kinder zu diesem bitteren Erbe sagen? – Wurscht, sagt die SPÖ, machen wir noch mehr Schulden! Dieses Verhalten der SPÖ erinnert irgendwie an einen Alkoholiker, der immer mehr Schnaps braucht, um seine Sucht zu befriedigen. (Abg. Krainer: Eine Dobernig-Bremse wäre gut gewe­sen! Eine Haider-Bremse!)

Also: Ein neuer Staatsschuldenrekord, das mag die Zukunftsvision der SPÖ sein. Unsere ist es nicht! Wir Freiheitliche sagen: Endlich runter mit den Schulden, endlich ein ausgeglichenes Budget! Und deswegen muss die Schuldenbremse in den Verfassungsrang. (Beifall bei der FPÖ.)

18.20


Präsident Karlheinz Kopf: Der Ordnung halber halte ich noch fest, dass der von Kollegen Kogler vorhin eingebrachte Entschließungsantrag ordnungsgemäß unterstützt ist und somit mit in Verhandlung steht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Werner Kogler, Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde betref­fend kein Steuergeld für korrupte Unternehmen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Antrag der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes geän­dert werden (2323/A)

Begründung

Der vorliegende Antrag soll nach seiner Begründung einen „effektiven Haushalts­voll­zug“ bewirken und orientiert sich dabei an einer deutschen Regelung. In diesem Zusammenhang gäbe es jedoch andere Gesetze in Deutschland, deren Adaption für Österreich dringender wäre und welche durch die Vermeidung korrupter Umtriebe bei öffentlichen Vergaben tatsächlich bei einer sparsamen Haushaltsführung helfen wür­den: 

Schon bisher sieht das Vergaberecht theoretisch vor, dass Unternehmen mit nachge­wiesenen Korruptionsvergehen (also bei entsprechenden rechtskräftigen Verurteilun­gen) von Vergaben ausgeschlossen werden können1. Gesetze sind dabei eine Sache – die Wirksamkeit von Gesetzen ist etwas anderes. Und empfindliche Geschäfts­ein­bußen infolge von unlauterem Verhalten wirken nur dann nachhaltig abschreckend, wenn sie auch mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten.

Das Problem momentan: öffentliche AuftraggeberInnen sind zwar grundsätzlich ver­pflichtet, Informationen über die Zuverlässigkeit der BieterInnen einzuholen, dürfen aber nicht direkt Verurteilungsdaten abfragen. Stattdessen müssen AuftraggeberInnen vom Bieter-Unternehmen die entsprechenden Nachweise einfordern – und genau da hakt es: Denn bei BieterInnen mit krimineller Energie oder bei überlasteten Auftrag-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 181

geberInnen kann dieses umständliche Nachweiswesen fallweise umgangen oder nicht konsequent genug geführt werden.

Die aktuelle Regelung hat allerdings auch gute Gründe: „Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist dazu zu bemerken, dass damit eine eigenständige Datenermittlung durch den Auftraggeber weitgehend hinfällig erscheint. Die Zurverfügungstellung entsprechender Daten durch die Bewerber oder Bieter selbst ist hingegen aus datenschutzrechtlicher Sicht unbedenklich“2.

Die Lösung für dieses Dilemma, welche sowohl die datenschutzrechtlichen Interessen als auch die Transparenz ausgewogen berücksichtigt, stellt eine Blacklist nach deut­schem Vorbild dar. Das dortige „Wettbewerbsregister“ wurde per Juli 2017 beschlos­sen. Dabei werden folgende vier zentrale Problemstellungen adressiert:

Es wurden zwingende und fakultative Ausschlussgründe definiert – damit ist auch klar geregelt, über welche Vergehen in Ausnahmefällen hinweggesehen werden darf und welche in jedem Fall zu einem Ausschluss des Unternehmens vom Vergabeverfahren führen3.

Eine kontrollierte, zentrale Erfassung und Eingabe der Vergehen wird vorgeschrieben: Die Strafverfolgungsbehörden sowie die zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten berufenen Behörden werden zur elektronischen Mitteilung von Informationen über Rechtsverstöße an die Registerbehörde verpflichtet.4

Eine Abfragepflicht ab einem Vergabevolumen von 30.000 Euro wird vorgeschrieben.

Es wurde geklärt, wie Unternehmen wieder aus der Blacklist entfernt werden können: nach Fristablauf (je nach Vergehen 3-5 Jahre) oder nach „Selbstreinigung“5 (durch Ausgleich des Schadens, Kooperation bei der Aufklärung und strukturelle Änderung zur Vermeidung ähnlicher Vorfälle).

Eine solche klare Regelung zur einheitlichen Erstellung einer verbindlichen Blacklist ist auch für Österreich im Sinne eines konsequenten und verbindlichen Ausschlusses korrupter Unternehmen von Vergabeverfahren nötig. Gleichzeitig wird die Überprüfung von Ausschlussgründen durch eine einheitliche Datenbank gerade für kleine Auftrag­geberInnen einfacher. Für UnternehmerInnen kann so einerseits datenschutzsseitig sichergestellt werden, dass lediglich öffentliche AuftraggeberInnen Zugriff auf die Daten haben. Andererseits kann bei automatisierter Information über eine Eintragung in der Vergabe-Blacklist auch ein standardisiertes „Einspruchsrecht“ der Unternehmen bezüglich einer Eintragung ermöglicht werden.

Insgesamt sorgt eine Vergabe-Blacklist für wirksamere Regeln sowie einen einfachen und verbindlichen Ausschluss von Unternehmungen mit korrupter Vergangenheit. Ge­rade für kleine öffentliche AuftraggeberInnen (wie Gemeinden) wird damit die Rechts­sicherheit erhöht.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Kunst und Kultur, Ver­fassung und Medien, wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich einen Geset­zesentwurf zur Einführung einer Vergabe-Blacklist vorzulegen.

Der Gesetzesentwurf hat klare Definitionen zwingender und fakultativer Sperrgründe sowie Eckpunkte zur Implementierung einer strukturierten Erfassung entsprechender Verurteilungen zu enthalten. Eine datenschutzrechtlich unbedenkliche Abfragemöglich-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 182

keit für AuftraggeberInnen hinsichtlich der für öffentliche Vergaben gesperrten Unternehmen ist zu berücksichtigen.“

Fußnoten:

1 § 68. (1) Der Auftraggeber hat – unbeschadet der Abs. 2 und 3 - Unternehmer von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn

1. der Auftraggeber Kenntnis von einer rechtskräftigen Verurteilung gegen sie oder – sofern es sich um juristische Personen, eingetragene Personengesellschaften oder Arbeitsgemeinschaften handelt – gegen in deren Geschäftsführung tätige physische Personen hat, die einen der folgenden Tatbestände betrifft: Mitgliedschaft bei einer kriminellen Organisation (§ 278a des Strafgesetzbuches – StGB, BGBl. Nr. 60/1974), Bestechung (§§ 302, 307, 308 und 310 StGB; § 10 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 - UWG, BGBl. Nr. 448), Betrug (§§ 146 ff StGB), Untreue (§ 153 StGB), Geschenkannahme (§ 153a StGB), Förderungsmissbrauch (§ 153b StGB) oder Geldwäscherei (§ 165 StGB) bzw. einen entsprechenden Straftatbestand gemäß den Vorschriften des Landes in dem der Unternehmer seinen Sitz hat;

2 Gast in Gast (Hrsg), Bundesvergabegesetz - Leitsatzkommentar (2010) zu § 72 BVergG - Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit, Seite 388.

3 In Österreich ist hingegen eine weithin interpretierbare Zulässigkeit von „begründeten Ausnahmefällen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses“ hinsichtlich verurteilter Unternehmen vorgesehen – siehe § 68, Absatz 3, Bundesvergabegesetz 2006. 

4 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Wirtschaft/wettbewerbsregister.html

5 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Wirtschaft/wettbewerbsregister.html

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Mag. Rossmann gelangt als Nächster zu Wort. (Abg. Krainer: Bruno, sag ihnen, dass eine Pfeifenberger-Bremse und eine Dobernig-Bremse das Richtige gewesen wären!)

 


18.21.04

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Hohes Haus! Ja, wir haben eine Schuldenbremse bereits beschlossen, diese gilt seit 2011. Ich war immer gegen eine Schuldenbremse. Ich bin auch gegen eine Schuldenbremse im Verfassungsrang, weil ich den Vorteil einer Schuldenbremse im Verfassungsrang nicht sehe.

Wer hätte dieses Haus daran gehindert, diese Schuldenbremse, die im § 2 des Bun­deshaushaltsgesetzes verankert ist, einzuhalten? – Niemand! Und warum soll diese plötzlich eingehalten werden, wenn das Ganze in den Verfassungsrang gehoben wird?

Herr Minister! Warum soll es keine falschen Vorlagen mehr geben, wenn wir eine Schuldenbremse im Verfassungsrang haben? Ich habe von Ihrem Haus so viele fal­sche Vorlagen mit so vielen falschen Schätzungen bekommen, damit könnte ich Bücher füllen. Warum sich das plötzlich ändern soll, das müssen Sie mir erklären!

Herr Stephan Schulmeister hat heute im Zusammenhang mit der Schuldenbremse etwas sehr Brauchbares getwittert. Er hat nämlich gemeint: „Ob ein Fiebermesser mit Temperaturbremse die Krankheit heilt, scheint ein bisserl zweifelhaft.“ 

Und das ist genau der Punkt. (Bundesminister Schelling: Das ist Ihr Freund!) – Nein! Ich bin da mit Stephan Schulmeister und vielen Ökonomen und Ökonominnen in sehr, sehr guter Gesellschaft. (Abg. Walter Rosenkranz: Nicht alles, was hinkt, ist ein Ver­gleich!) Als nämlich im Jahr 2009, Herr Kollege, in Deutschland die Schuldenbremse eingeführt wurde, hat es 200 Ökonomen und Ökonominnen gegeben, die erklärt haben, dass das ein Unsinn ist. Und es ist ein Unsinn, und es gibt viele gute Gründe dafür: Es engt den Spielraum der Budgetpolitik in Konjunkturabschwüngen ein, selbst wenn man Ausnahmebestimmungen macht. Es engt aber auch den Politisierungs­prozess der Budgetpolitik ein. Es gibt sozusagen weniger Verhandlungsspielraum, die Ausgaben tatsächlich dahin zu lenken, wo man sie haben will. Kollege Kogler hat ja


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 183

schon darauf hingewiesen. Es gibt produktivere Ausgaben und es gibt weniger produk­tive Ausgaben. Wenn nur mehr die Stabilisierung der Schulden im Vordergrund steht und sonst nichts mehr, dann verzichtet man eben auf die Gestaltung der Budgetpolitik, aber die Budgetpolitik, meine Damen und Herren, ist das mächtigste gestaltende Instrument, das diesem Haus zur Verfügung steht. Daher möchte ich alle hier, von allen Fraktionen, einladen, von diesem Antrag wirklich Abstand zu nehmen.

Herr Finanzminister, weil Sie hier gesagt haben, das sei kein Husch-Pfusch-Gesetz, sage ich Ihnen: Diese Vorlage ist der größte handwerkliche Pfusch in haushalts­rechtlichen Angelegenheiten, den ich je gesehen habe! Wenn hier behauptet wird, das sei die Umsetzung der deutschen Schuldenbremse, dann ist das ein Irrtum. Es ist auch nicht die Vorlage, die 2011 beschlossen wurde, es wird ja nicht auf das strukturelle Defizit, sondern auf das administrative Defizit abgestellt. Und ab 2022 soll es auf null gestellt werden – in alle Zukunft.

Damit machen Sie aber eine Tür auf in Richtung einer Eingriffsanfälligkeit, wie wir sie früher hatten, als wir das strukturelle Defizit noch nicht hatten. Also da gestalten wir durch Privatisierungen, durch Einmalerlöse und so weiter, und plötzlich haben wir ein Nulldefizit in administrativer Rechnung, obwohl wir es in Wirklichkeit in der Maastricht-Rechnung gar nicht haben.

Wie stellen Sie in diesem neuen Artikel 13a den Zusammenhang her zwischen dem administrativen Defizit auf der einen Seite und den unionsrechtlichen Regelungen, die es ja trotzdem gibt, auf der anderen Seite? Auf die können Sie ja nicht verzichten, Herr Minister! (Bundesminister Schelling: Auf die verzichten ja Sie gerade durch die Beschlüsse!) Nein! – Und selbst wenn es Schwierigkeiten gibt, das strukturelle Defizit zu berechnen, so wird Sie das nicht erlösen davon, dies zu tun. (Abg. Krainer: Husch-Pfusch ohne Begutachtung!) Aber ich kann nur davor warnen, ein strukturelles Defizit in den Verfassungsrang zu heben, weil es eben sehr viele methodische Probleme bei der Berechnung gibt. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Sie wissen, dass es ex post immer wieder zu Korrekturen des strukturellen Defizits kommt. Und das will man jetzt in die Verantwortung von Richtern legen, die darüber entscheiden müssen, ob ein Budget rechtmäßig im Sinne der Schuldenbremse zustande gekommen ist oder nicht. – Bitte lassen Sie diesen Unfug!

Und noch etwas: Sie sagen, wenn es Konjunkturabweichungen gibt, dann soll sozu­sagen eine Regelung möglich sein, aber gleichzeitig soll symmetrisch dazu ein Til­gungs­plan vorgelegt werden. – Ja, Konjunkturzyklen verlaufen halt nicht symme­trisch. Das ist heute vielleicht noch in Lehrbüchern zu lesen, aber sonst nirgends mehr. (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.)

Ich kann wirklich nur davor warnen. Daher: Lassen Sie diesen Unfug, machen wir eine Diskussion darüber, ob das Sinn macht oder nicht, ziehen wir Experten zurate – aber diesen Pfusch, bitte, beschließen wir hier heute nicht! (Abg. Rädler: Wer ist „wir“?) Und ich bedanke mich bei allen Abgeordneten, die diesem Unfug heute und hier nicht zustimmen. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

18.27


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Dr. Scherak spricht als Nächster. – Bitte.

 


18.27.05

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Finanz­minister! Herr Sozialminister! Natürlich braucht es eine Schuldenbremse in Österreich. Herr Bundesminister Schelling, Sie haben von Verantwortung für Österreich ge­sprochen, genauso wie der Bundeskanzler, und da darf ich Sie an etwas erinnern: Es


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 184

ist Ihre Partei, die seit 31 Jahren in der Bundesregierung sitzt und die diesen Schul­denberg ... (Bundesminister Schelling: Das haben Sie heute schon einmal gesagt!) – Ja, ich kann es Ihnen gern noch einmal erzählen, weil Sie es offensichtlich die ganze Zeit vergessen: Es ist Ihre Partei, die an diesem Schuldenberg, an diesen 290 Milliar­den €, entsprechend mitschuld ist. Sie waren immer dabei, wenn es um Schulden­machen ging – und Sie sind es immer noch.

Kollege Kogler hat angesprochen, dass es einen Grundfehler bei der Schuldenbremse gibt. Ich glaube, einem Grundfehler unterliegen hier sowohl die Grünen als auch die SPÖ. Man muss in schwierigen Zeiten investieren, da sind wir uns alle einig. Das Problem ist nur: Wir investieren seit 55 Jahren kontinuierlich, wir machen jedes Jahr neue Schulden. Und es geht nicht um die eine Krise, es geht darum, dass seit 55 Jahren kontinuierlich Schulden gemacht werden, und das auf Kosten der nächsten Generation. (Abg. Krainer: Das stimmt so nicht!)

Herr Kollege Krainer, die SPÖ versuche ich nicht zu überzeugen, weil Ihnen die nächsten Generationen total egal sind. Lassen wir das also einmal weg. (Abg. Krainer: Nein, es sind 51 Jahre!)

Aber ich glaube, man muss der ÖVP einmal den Spiegel vorhalten. Kollege Auer hat es angesprochen: Als Sie damals ins Parlament eingezogen sind – ich habe es heute auch schon gesagt; ein paar Jahre, bevor ich geboren worden bin –, hatten wir schon einen Schuldenstand von 40 Milliarden €. Ich habe nochmals nachgeschaut: 1990, als Frau Kollegin Fekter ins Parlament eingezogen ist, hatten wir in Österreich einen Schuldenstand von 76 Milliarden €. Als Kollege Haubner 2001 hier eingezogen ist, waren es 145 Milliarden €. Als Kollege Wöginger, der auch schon Verantwortung für Österreich eingefordert hat, hier ins Parlament eingezogen ist, 2002, waren es 150 Mil­liarden €. Kollege Lopatka ist nach dem Kollegen Wöginger ins Parlament gekommen, 2003, damals waren es 151 Milliarden €. Und als Sebastian Kurz Staatssekretär ge­wor­den ist, 2011, waren es 220 Milliarden €. (Abg. Rädler: Was sagen Sie uns damit?)

Was ich Ihnen sage, Herr Kollege Rädler: Heute ist der Schuldenstand 290 Milliar­den €, und Kollege Auer hat offensichtlich 250 Milliarden € gebraucht, um draufzukom­men, dass die ÖVP nach 31 Jahren endlich aufhören sollte, ständig neue Schulden zu machen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Natürlich brauchen wir diese Schuldenbremse! Das Einzige, wo ich beim Kollegen Rossmann bin: Wir bräuchten sie dann nicht, wenn die ÖVP nicht die letzten 31 Jahre beim Schuldenmachen mitgemacht hätte. (Beifall bei den NEOS.) Dass die SPÖ das Schuldenmachen will, ist mir klar, aber Sie von der ÖVP hätten da nicht mitmachen müssen. Und Sie machen es ja schon wieder: Sie beschließen heute die Pensions­erhöhung über der Inflationsrate. Sie haben die Abschaffung des Pflegeregresses ohne Gegenfinanzierung beschlossen. Ich erinnere daran: August Wöginger hat uns damals erklärt, wir geben ein Foto auf die e-card drauf und finanzieren damit die Abschaffung des Pflegeregresses. Das wird sich knapp nicht ausgehen. Den Pensionshunderter habe ich heute auch schon erwähnt; der Kollege Rädler war damals auch dabei: 100 € für jeden Pensionisten, unabhängig davon, wie hoch die Pension ist.

Das ist verantwortungslose Politik auf Kosten der nächsten Generationen, und diese verantwortungslose Politik hat zwei Namen: Das ist die SPÖ und das ist seit 31 Jahren genauso die ÖVP!

Ja, wir brauchen eine Schuldenbremse! Wir würden sie dann nicht brauchen, wenn Sie nicht seit 31 Jahren ständig neue Schulden machen würden und endlich einmal auf die nächsten Generationen schauen würden. (Beifall bei den NEOS.)

18.30

18.30.10

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 185

Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den im Antrag 2323/A der Abgeordneten Mag. Wolf­gang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzentwurf samt Titel und Eingang.

Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes und eines Bundesverfassungsgesetzes enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Es liegt somit kein Gesetzesbeschluss des Nationalrates im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung vor.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend kein Steuergeld für korrupte Unternehmen.

Wer stimmt diesem Antrag zu? (Abg. Schieder: Jetzt aber richtig zählen, bitte! Nicht so wie vorher!) – Gut, ich lasse auszählen und bitte die Schriftführer zu mir. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Darf ich die Mitarbeiter hinten bitten, sich hinzusetzen?! – Gut, so geht es! Also bitte jetzt auszählen! (Die Abgeordneten Buchmayr, Gahr, Lueger und Zanger begeben sich aufs Präsidium und unterstützen Präsident Kopf bei der Stimmenzählung.)

Der Antrag hat nicht die erforderliche Mehrheit erlangt und ist damit abgelehnt. (Abg. Schieder: Dürfen wir die Zahlen wissen?) – 71 zu 81.

18.36.294. Punkt

Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­sicherungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz und das Bezügegesetz geändert werden (Pensionsanpassungsgesetz 2018 – PAG 2018) (1767 d.B.)

5. Punkt

Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferver­sorgungs­gesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechens­opfer­gesetz und das Heimopferrentengesetz geändert wird (2307/A)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Hinsichtlich dieser Verhandlungsgegenstände wurde dem Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Frist bis 11. Oktober 2017 zur Berichterstattung gesetzt.

Es wird keine mündliche Berichterstattung gewünscht.

Erste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


18.37.15

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das Gesetz soll die Pensionserhöhung regeln. Eigentlich kämen laut


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 186

ASVG 1,6 Prozent heraus – ja, das ist nicht viel. Unter dem Vorwand, die kleinen Pensionen erhöhen zu wollen, kommt es jetzt zu einem Wahlgeschenk: 2,2 Prozent statt 1,6 Prozent. Für die Bezieher von Ausgleichszulagen, für die sogenannten Min­destpensionisten bedeutet das 5,33 € brutto zusätzlich, und das hat natürlich mit Armutsbekämpfung nichts zu tun – eher damit, dass man kurz vor der Wahl noch ein Geschenk verteilt, und die Bezieher von kleinen Pensionen müssen sich glücklich schätzen, dass die Frage der Erhöhung gerade in einen Vorwahlzeitraum fällt, denn da kommt ein bisschen mehr heraus. Mit Armutsbekämpfung hat das nichts zu tun, weil die Neupensionen sinken.

Der Herr Bundesminister hat es in seinem Sozialbericht aufgeführt: Von 2014 auf 2015 ist die durchschnittliche Neupension um 5 Prozent zurückgegangen. Man kann auch auf der Homepage des Sozialministeriums nachlesen, dass die Ersatzraten zurück­gehen, also: Wie viel Prozent von meinem Erwerbseinkommen habe ich als Pension? Sie werden bis 2060 um ein Viertel zurückgehen. Wertmäßig dürfen sich das die jungen Menschen so vorstellen: Ein Viertel weniger hieße, die Durchschnittspension, die heute 1 200 € beträgt, wäre dann 900 €. Das ist das, worauf wir zusteuern, unter dem Minister, der sagt, die Pensionen sind sicher.

Man lässt also die Menschen sehenden Auges in die Armutsfalle laufen, eine Pen­sionsreform ist kein Thema. Das sagt Sebastian Kurz auch für die zukünftige Legis­laturperiode: Eine Pensionsreform ist kein Thema! Da weiß man also auch bei der ÖVP, woran man ist.

Jetzt bekommen also die Bezieher kleiner Pensionen ein Wahlalmosen von 5,30 €. Dieses Almosen kostet weit über 100 Millionen €; die drückt man den jungen Menschen auf den Schuldenberg drauf. Die Republik Österreich begibt hundertjährige Staatsanleihen. Das heißt, wir nehmen jetzt Schulden auf, die wir in hundert Jahren zurückzahlen. Das müssen unsere Enkel und Urenkel zurückzahlen, die nichts mehr sehen werden von dem, was wir jetzt an Schulden hinausblasen.

Und weitere Geschenke sind ja schon beschlossen: Beschäftigungsbonus, Aktion 20 000, Pflegeregress aufgehoben, die Notstandshilfe wird großzügiger gestaltet; wir haben ja eh kein Problem mit Langzeitarbeitslosigkeit.

Das Geld der Enkel und Urenkel wird zum Fenster hinausgeworfen, weil Ihr politischer Horizont bis zum 15. Oktober reicht und keinen Tag weiter. Wir denken 30, 40, 50 Jahre voraus. Wir wollen enkelfitte Sozialsysteme, und das geht mit solchen Be­schlüssen nicht zusammen. (Beifall bei den NEOS.)

18.40


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Muchitsch. – Bitte. (Abg. Belakowitsch: Ui, mit Taferl!)

 


18.40.28

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Herr Kollege Loacker, Sie sagen, Sie denken 30, 40 Jahre voraus. Wir Sozialdemokraten gestalten die Pensionen in diesem Land seit 72 Jahren, und bereits vor 30, 40, 50 Jahren hat es geheißen, die Pensionen sind nicht leistbar; man hat Angst gemacht. Es hat inzwischen Zeiten gegeben, in denen die Pensionen nicht einmal um die Inflationsrate erhöht worden sind, das war von 2000 bis 2006. (Abg. Belakowitsch: 2011, 2012!) Fakt ist, wir haben jetzt eine Regierungsvorlage, Frau Kollegin, mit der die Pensionen 2018 stärker erhöht werden, als es die gesetzlichen Vorgaben im ASVG vorgeben, und das ist auch gut so.

Es ist gut so, dass im Einvernehmen mit den Seniorenorganisationen vor allem die unteren Pensionsbezieher, also die Menschen mit einer geringeren Pension, mehr an


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 187

prozentueller Erhöhung erhalten. Das Ergebnis oder der Vorschlag ist Ihnen bekannt: Unter 1 500 € monatlich beträgt die Erhöhung 2,2 Prozent, über 1 500 € bis 2 000 € monatlich erhöhen wir um 33 € und ab 2 000 € bis 3 355 € monatlich beträgt das Plus 1,6 Prozent. Darüber wird linear von 1,6 auf 0 Prozent gesenkt.

Man hört immer wieder – das ist ja ein Dauerthema in Österreich –, das Pensions­sys­tem ist nicht leistbar. Drei Fakten, warum es leistbar ist. Erstens: Das Pensions­antrittsalter steigt. – Sie wissen das. Zweitens: 96 Prozent der Pensionskosten, der echten Pensionskosten bei den unselbständig Erwerbstätigen zahlen sich Arbeiter und Angestellte selbst, das ist durch eigene Beiträge gedeckt. Drittens: Das System ist langfristig finanzierbar und auch leistbar, wie der Bericht des Finanzministeriums nach Brüssel, der Ageing Report, bis 2060 ganz klar aussagt.

Die Menschen in Österreich können sich auf die Finanzierung der Pensionen ver­lassen, ganz einfach weil wir die Pensionen nicht kürzen wollen, wie andere Parteien es planen (Abg. Walter Rosenkranz: Welche Parteien planen denn? Welche Parteien sind das?), weil wir auch in Zukunft vor allem Schwerarbeit und Invalidität weiter gesetzlich gesondert im Interesse der Betroffenen behandeln und regeln wollen und weil wir auch in Zukunft allen Menschen, die jahrzehntelang Pensionsbeiträge bezahlt und Steuern in diesem Land abgeliefert haben, eine starke staatliche Pensionssäule garantieren wollen. (Abg. Walter Rosenkranz: Genau, und mit der kalten Progression nehmt ihr es ihnen weg!)

Ich höre immer diese Vergleiche mit Deutschland und mit der Schweiz, wo es dann immer heißt: Schauen wir über die Grenze! – Ich schaue gern über die Grenze: In Deutschland ist die staatliche Pension 40 Prozent niedriger als in Österreich, da können wir auf unser österreichisches Pensionssystem wirklich stolz sein (Abg. Schwentner: So ist es!), und auch im Vergleich zum Schweizer Modell, wo es nur alle zwei Jahre eine Erhöhung anhand der Inflationsrate gibt.

Was ich Ihnen allen zum Abschluss zeigen möchte (eine Tafel auf das Rednerpult stellend, auf der unter der Überschrift „Pensionskürzungen unter Schwarz-Blau“ meh­rere Säulendiagramme zu sehen sind, die die Pensionsanpassung und die Inflations­rate in den Jahren 2000 bis 2005 gegenüberstellen – Abg. Belakowitsch: Das Taferl, endlich!), das sind Fakten und keine anderen Geschichten. Sie wissen, unter Schwarz-Blau hat es diesen Pensionsraub gegeben, Sie wissen, unter Schwarz-Blau sind die Pensionen nicht einmal entsprechend der Inflationsrate erhöht worden, und das unterscheidet uns halt ganz einfach. (Abg. Belakowitsch: Wo ist 2011 bis 2012?)

Dann habe ich hier natürlich auch die Pensionsanpassungen von 2012 bis 2018 – die letzten sieben Jahre – angeführt (eine zweite Tafel auf das Rednerpult stellend, auf der unter der Überschrift „Pensionserhöhungen unter SPÖ-Kanzlern“ mehrere Säulen­diagramme zu sehen sind, die die Pensionsanpassung und die Inflationsrate in den Jahren 2012 bis 2018 gegenüberstellen), und da sieht man, auf wen man sich verlassen kann.

Ich glaube, die Menschen in diesem Land können sich ... (Abg. Belakowitsch: Wo ist 2011?) – Das wäre zu lang geworden, Frau Kollegin. (Abg. Lausch: Ihre Rede ist schon zu lang!) Wo sollen wir das alles hin... (Abg. Stefan: Ertappt! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Ich lasse Ihnen das so (wieder die erste Tafel auf das Rednerpult stellend – Abg. Walter Rosenkranz: Taferln wie Houdini!) zur Erinnerung. Schauen Sie, wir wollen nicht, dass das, was 2000 bis 2006 bei den Pensionen pas­siert ist, noch einmal passiert. Dieses Drei-Säulen-Modell von Schüssel und Haider, das jetzt vielleicht Kurz und Strache übernehmen könnten (Abg. Walter Rosenkranz: Strache übernimmt nichts kurz, der macht das lang! Er ist seit zwölf Jahren Partei-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 188

obmann!), nämlich länger arbeiten, mehr einzahlen und weniger herausbekommen, das entspricht nicht unserer Philosophie von Pensionen.

Die Menschen können sich bei den Pensionen auf die SPÖ verlassen, und das wissen sie auch. Ich ersuche alle Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Fernsehschirmen: Denken Sie bitte darüber nach, welcher Partei Sie am Sonntag, dem 15. Oktober, Ihre Stimme geben, welcher Partei Sie es zutrauen, dass sie die Pensionen auch ent­sprechend sichert! Geben Sie der SPÖ und Christian Kern Ihre Stimme! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, wollten Sie nicht noch einen Ent­schließungsantrag einbringen?

 


Abgeordneter Josef Muchitsch (fortsetzend): Entschuldigen Sie, Herr Präsident, natürlich bringe ich noch einen Entschließungsantrag ein. Es geht uns nicht nur ums Sichern, es geht uns auch um die Zukunft. (Abg. Kassegger: Da haben wir noch Aufholbedarf nach oben! Da haben wir noch Luft nach oben!)

Entschließungsantrag  

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung des Pensionssystems

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, sicherzustellen, dass

1. die bestehende Pensionsformel ,mit 65 Jahren nach 45 Versicherungsjahren mit 80 % des Durchschnittseinkommens in Pension gehen zu können‘ erhalten bleibt,

2. es zu keiner vorzeitigen Anhebung des Frauenpensionsalters kommt,

3. die Gutschriften auf den Pensionskonten der Versicherten gegen Eingriffe abge­sichert werden,

4. BezieherInnen von hohen Sonderpensionen einen stärkeren Beitrag zur Sicherung unseres staatlichen Pensionssystems leisten.“

*****

Ich lade Sie, alle Fraktionen, alle Mandatarinnen und Mandatare, ein, unserem Ent­schließungsantrag zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.46


Präsident Karlheinz Kopf: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Mag. Schieder Kolleginnen und Kollegen

betreffend Sicherung des Pensionssystems

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 4 zur Regierungsvorlage 1767 d.B. Pen­sions­anpassungsgesetz 2018


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 189

Um unser Pensionssystem werden wir von vielen Ländern beneidet. Wir haben es im Laufe der Jahrzehnte miteinander erarbeitet und immer wieder an neue Herausfor­derungen der Zeit angepasst. Das österreichische Pensionssystem garantiert den Menschen auch nach ihrer Berufstätigkeit ein Auskommen und einen Ruhestand in Sicherheit und Würde.

Die durchschnittlichen Netto-Leistungen von an die 80 Prozent des Erwerbs-einkom­mens ermöglichen es, dass die BezieherInnen gesetzlicher Pensionen ihren Lebens­standard auch im Rentenalter aufrechterhalten können.

Dabei leisten ArbeitnehmerInnen, ArbeitgeberInnen und das Steuersystem Beiträge zur Finanzierung der Pension. Der zentrale Vorteil unseres öffentlichen Pensions­systems ist, dass alle Erwerbstätigen erfasst sind und jede/r Arbeitgeber/in ab dem Beginn der Beschäftigung Pensionsversicherungsbeiträge abführen muss, vor allem aber, dass unser Umlageverfahren nicht den Finanzmärkten ausgesetzt ist.

International gesehen wurde damit ein Referenzmodell geschaffen, auf das wir durchaus stolz sein dürfen.

Durch die beschlossenen Reformen der letzten Jahre ist es auch gelungen, eine sta­bile Finanzierung zu schaffen. Änderungen wie die Lebensdurchrechnung, die zukünf­tig geltende Angleichung aller Pensionen an das ASVG-System oder die Übernahme aller ab 1955 Geborenen in das neue Pensionskonto stellen sicher, dass sich auch die kommenden Generationen auf die gesetzlichen Pensionen verlassen können.

Damit bleibt der Anteil an Steuerzuschüssen ins System der Alterssicherung auch langfristig stabil und wird in den kommenden Jahren deutlich unter den Budget­planungen liegen. In den Jahren 2016 bis 2020 sind bereits Unterschreitungen von knapp vier Milliarden Euro und damit – der Höhe nach – etwa der Hälfte der jährlichen steuerlichen Zuschüsse ins Pensionssystem realistisch. Daran zeigt sich, dass das österreichische Pensionssystem schon jetzt bestens aufgestellt ist.

Das Pensionskonto zeigt einfach und klar, wer mit welchen Leistungen rechnen kann. Wer arbeitet, befüllt sein Pensionskonto jedes Jahr mit Einzahlungen. Daraus entsteht eine Gutschrift, die jährlich höher wird. Diese Gutschriften müssen gegen Eingriffe abgesichert werden.

Viele Akteure mit zweifelhaften Interessen versuchen trotz all dem, unser Pen­sions­system schlecht zu reden und den Menschen Angst zu machen, dass ihre staatliche Pension nicht sicher sei. Das ist Unfug.

Im derzeitigen System und auch in Zukunft ist die Pensionsformel „mit 65 Jahren nach 45 Versicherungsjahren mit 80% des Durchschnittseinkommens in Pension“ klar definiert. Vor allem über das Regelpensionsalter von 65 Jahren (bzw. 60 Jahre für Frauen bis 2024) muss es Rechtssicherheit für Versicherte geben.

Eine Pensionsautomatik, z.B. zum Pensionsalter, widerspricht diesem Grundsatz. Hätte man diese »Verschlechterungsautomatik« 2007 eingeführt, betrüge das Pen­sionsalter jetzt 66 Jahre und 5 Monate und würde bis 2029 sogar auf 68 Jahre und 3 Monate steigen! Das gilt es zu verhindern.

Ebenso muss es Rechtssicherheit für das Pensionsantrittsalter von Frauen geben. Alle Bestrebungen für eine vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters stellen einen Angriff auf diese Rechtssicherheit dar und müssen daher unterbunden werden.

Durch das Sonderpensionenbegrenzungsgesetz wurde 2014 im staatlichen bzw. staats­nahen Bereich ein erster Schritt zur Gerechtigkeit bei Sonderpensionen geleistet. Personen mit hohen Zusatzpensionen zahlen ab 2015 einen Solidarbeitrag („Siche­rungs­beitrag“), der zur Absicherung der Finanzierung dient. Nun braucht es einen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 190

zweiten Schritt, nämlich diese Pensionssicherungsbeiträge weiter zu erhöhen, zumin­dest zu verdoppeln.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, sicherzustellen, dass

1. die bestehende Pensionsformel „mit 65 Jahren nach 45 Versicherungs-jahren mit 80 % des Durchschnittseinkommens in Pension gehen zu können“ erhalten bleibt,

2. es zu keiner vorzeitigen Anhebung des Frauenpensionsalters kommt,

3. die Gutschriften auf den Pensionskonten der Versicherten gegen Eingriffe abge­sichert werden,

4. BezieherInnen von hohen Sonderpensionen einen stärkeren Beitrag zur Sicherung unseres staatlichen Pensionssystems leisten.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte.

 


18.46.29

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! In Österreich werden jeden Tag 240 Kin­der geboren, diese haben die nächsten 16 Jahre noch kein Stimmrecht, das heißt, wir müssen auch im Sinne derer und für sie, solange sie noch kein Stimmrecht haben, Politik machen und Verantwortung für ihre Zukunft übernehmen. Ich glaube, es ist als Politikerinnen und Politiker generell unsere Pflicht, Politik auch für jene zu machen, die nach uns kommen.

Wir hatten heute auch schon das Thema Klimaschutz: Ich finde, Nachhaltigkeit ist auch ein wichtiges Generationenthema, ein Thema von Generationengerechtigkeit, denn man nimmt den nächsten Generationen, wenn man da nichts tut, etwas von unserem schönen Land, das sie nie erleben können. Ich sehe Nachhaltigkeit und Gene­rationengerechtigkeit auch sehr stark bei dem Thema Schulden und Pensionen. Gerade bei dem Thema nehmen wir – wie vorhin schon erwähnt worden ist – den nächsten Generationen mit dem Bundesbeitrag, der jedes Jahr mehr wird, auch deren demokratiepolitischen Spielraum, über ihr eigenes Budget selber entscheiden zu können.

Das ist einfach schon ein großer Batzen Geld im Budget für etwas, was diese jungen Menschen nie verursacht haben, bei dem sie nie mitbestimmen konnten, wie ihr Budget verwendet wird, vorverplant. Das ist aber etwas, was wir jetzt zu verantworten haben. Genau das ist auch das, was ÖVP und SPÖ jetzt tun: Sie bekämpfen auf dem Rücken der Stimmlosen, die jetzt noch kein Stimmrecht haben, die noch nicht geboren sind, die Symptome eines Systems, das nicht mehr finanzierbar ist und in der Art und Weise, wie wir es jetzt leben, nicht mehr haltbar ist, weil für sie die Interessen jener, die stimmberechtigt und wahlberechtigt sind, aktuell akut wichtiger sind als die Interessen derer, die nach uns kommen.

Ich glaube, Kollege Muchitsch hat das ohnehin ganz gut gesagt, er hat gesagt: Die Erhöhung ist mehr, als im Gesetz geregelt ist, und das ist auch gut so. – Sagen wir also, dass die gesetzliche Regelung einfach unbrauchbar ist? Oder wie wollen Sie


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 191

erklären, dass es Zufall ist, dass es gerade 2018 so akut wichtig war, dass die Erhöhung höher sein muss als in den Jahren zuvor? Ist das Gesetz schlecht? Ist das Jahr 2018 so besonders oder geht es nur um die Leute, die man davon überzeugen will, SPÖ und ÖVP zu wählen? (Abg. Steinhauser: Ja, klar, es ist besonders! Es ist Wahljahr!)

Da ist ein Wahlkampfgeschenk und nicht mehr! Es wird auf dem Rücken jener aus­getragen, die sich später nicht mehr dagegen entscheiden können, die nicht mitbestim­men können, wie das Geld – das sie später nicht mehr haben – jetzt ausgegeben wird.

Da wir vorhin das Thema Schuldenpolitik hatten: Es ist ja auch angesprochen worden, dass das vielleicht eine Symptombekämpfung ist, aber es waren sich doch relativ viele einig, es ist offensichtlich eine Krankheit im System, dass wir Schulden machen, ohne darauf zu achten, was in Zukunft passiert und wer nach uns kommt.

Wenn die ÖVP aktuell im Wahlkampf immer davon redet, dass es wichtig ist, das Richtige zu tun, dann frage ich mich, warum der Mumm und der Mut fehlt, wirklich auszusprechen, woran dieses Pensionssystem akut krankt und was zu tun ist. Das ist eine Dringlichkeit, die es sonst in kaum einem anderen Politikbereich gibt, und ich finde es eine Frechheit, dann trotzdem einen Wahlkampf zu führen, in dem nicht davon geredet wird, auch nur ansatzweise etwas zu tun, was als das Richtige qualifiziert werden könnte. (Beifall bei den NEOS.)

18.49


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.

 


18.50.01

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe zur Regierungsvorlage Pensionsan­pas­sungsgesetz 2018 auch noch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Wöginger, Kolleginnen und Kollegen ein. Er ist verteilt und liegt Ihnen somit vor. Es geht darum, dass auch die Sonderpensionen in die Berechnung mithineingenommen werden.

Zur Regierungsvorlage selbst: Von den NEOS wird, ganz eigenartig, der eine Weg beschritten, es muss alles reformiert werden und es passt überhaupt nichts. (Abg. Scherak: Das haben Sie früher auch einmal gesagt!) Kollege Muchitsch hat natürlich darauf hingewiesen, dass unser Pensionssystem ein gutes ist.

Zu den Taferln, Herr Kollege Muchitsch, muss ich dir eines sagen: Die SPÖ-Sozial­minister der letzten zehn Jahre haben davon profitiert, dass es 2003 eine Reform gegeben hat, die im System Nachhaltigkeit gebracht hat, nämlich mit dem Pensions­konto. (Zwischenruf der Abg. Gisela Wurm.) Wir haben damals erstmals auch die Kindererziehungszeiten ordentlich bewertet. Ein Stück des Weges fehlt uns noch, aber das war ein Hauptteil dieser Reform. Wir haben damals einfach auf eine längere Durchrechnung gebaut, das hat Veränderungen gebracht. (Abg. Muchitsch: Weniger!) Eines muss man sagen, das System birgt Nachhaltigkeit und es stellt auch die Finan­zierung sicher.

Da hier immer von Zuschüssen gesprochen wird: Wolfgang Schüssel hat damals gesagt, wenn wir in etwa bei 3 Prozent des BIPs bleiben – das sind jetzt in etwa die 10 Milliarden €, die wir haben, die der Staat zum ASVG-Pensionssystem zuschießt –, dann läuft uns das System nicht aus dem Ruder. Nur: Hätten wir diese Reformen nicht gemacht, wären wir jetzt bei mindestens 5 Prozent BIP-Zuschuss, und dann wäre das System an die Wand gefahren, meine Damen und Herren. Daher war diese Reform richtig, wichtig und notwendig, und wir haben heute ein System, über das ich sage,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 192

zum jetzigen Zeitpunkt passt es, aber wir müssen es im Auge behalten. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte – weil gesagt wurde, das seien bei Mindest­pensionisten nur 20 €, oder 5 €, wie Kollege Loacker gesagt hat – ein Beispiel aus meiner Familie bringen: Meine Eltern beziehen den Familienrichtsatz der Ausgleichs­zulage. Mein Vater hat 44 Jahre gearbeitet, 22 Jahre war er Schichtarbeiter in Deutschland. Er bekommt für diese 22 Jahre 500 €, also das ist nicht berauschend. Da gebe ich denen recht, die das kritisieren. Und er hat 22 relativ schlechte Berech­nungsjahre in Österreich, weil er zum Schluss 20 Jahre lang Einzelunternehmer war. Er hat eine Personenfähre auf der Donau bedient, hatte eine niedrige Bemessungs­grundlage, und bekommt da auch 500 €.

Meine Mutter hat ungefähr 14 Jahre gepflegt und meine Schwester und mich groß­gezogen, sie bringt aber sozusagen die Jahre nicht zusammen, weil sie Jahrgang 1952 ist. Jetzt geht man her und sagt, dass das nichts wert ist, wenn man diesen Pen­sio­nistinnen und Pensionisten, die hart gearbeitet haben, viel Leistung auch im Familien­bereich erbracht haben, 29 € dazugibt. Darf ich Ihnen etwas sagen? – Für meine Eltern sind diese 29 € sehr viel wert, Herr Kollege Loacker. Das sollten Sie sich auch einmal merken, und sie sollten nicht einfach immer hergehen, und diese Beträge abtun. Für jene Menschen, die mit wenig Geld auskommen müssen, obwohl sie hart gearbeitet haben, sind 29 € plus pro Monat viel Geld. Bei uns im Innviertel ist das noch etwas wert, und das sei Ihnen auch einmal gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ansonsten halte ich diese Staffelung für gut. Wir arbeiten auch wieder einmal mit Sockelbeträgen. Ich habe einige Jahre Kollektivverträge ausverhandelt, ich bin über­haupt ein Freund von Sockelbeträgen, auch von Mischsystemen, also dass man einen Teil prozentuell macht und einen Teil mit Sockelbeträgen, weil es einfach gerechter ist. Gerade auch in der Mitte drinnen, von den Höhen her, sind Sockel­beträge in Ordnung, und daher begrüßen wir das und stimmen der Regierungsvorlage natürlich zu.

Abschließend sage ich noch einen Satz zur Zukunft des Pensionssystems: Ich glaube, es ist derzeit gut aufgestellt, wir müssen aber die Nachhaltigkeit im Auge behalten. Es ist auch nicht verfehlt, die zweite Säule, was Betriebspensionen et cetera anbelangt, durchaus auch zu unterstützen. Es ist ja nichts Schlechtes dabei.

Eines möchte ich aber schon: dass die Gerechtigkeit wirklich in allen Bundesländern Einzug hält, weil wir immer noch ein Bundesland haben, das die Bundesregelung im öffentlichen Dienst nicht übernommen hat, das ist die Stadt Wien. Eigentlich versteht die ganze Republik nicht, warum man dort Übergangsfristen bis 2042 hat. Wenn wir am Sonntag gewählt werden, werden wir alles tun, um diesen Umstand zu beseitigen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.54


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Wöginger eingebrachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, er hat ihn in seinen Kernpunkten erläutert, er wurde verteilt und steht somit mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Wöginger

und Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 193

zur Regierungsvorlage 1767 der Beilagen betreffend ein Pensionsanpassungsgesetz 2018

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geän­dert:

a) Im § 711 Abs. 1 wird der Ausdruck „§ 108h“ durch den Ausdruck „§ 108h Abs. 1 erster Satz und Abs. 2“ ersetzt.

b) Im § 711 Abs. 2 wird der Beistrich nach dem Wort „Kinderzuschüsse“ durch das Wort „und“ ersetzt und entfällt der Ausdruck „und des besonderen Steigerungs­betrages“.

c) Dem § 711 Abs. 2 werden folgende Sätze angefügt:

„Ausgenommen sind auch Pensionen, die nach § 108h Abs. 1 letzter Satz für das Kalenderjahr 2018 nicht anzupassen sind, sowie befristete Pensionen, deren An­spruchsdauer mit Ablauf des 31. Dezember 2017 endet. Als Teil des Gesamtpensions­einkommens gelten auch alle Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungs­gesetz, BGBl. I Nr. 46/2014, erfasst sind, wenn die pensionsbeziehende Person am 31. Dezember 2017 darauf Anspruch hat.“

d) Im § 711 Abs. 3 wird nach dem Ausdruck „Pensionsversicherung,“ der Ausdruck „die zum Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 zählen,“ eingefügt.

e) Dem § 711 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Rechtsträger, die Leistungen nach Abs. 2 dritter Satz auszahlen, haben die Höhe dieser Leistungen dem zuständigen Pensionsversicherungsträger mitzuteilen. Der Pen­sionsversicherungsträger hat sodann diesen Rechtsträgern das Gesamtpensionsein­kommen nach Abs. 2 mitzuteilen.“

f) (Verfassungsbestimmung) Dem § 711 wird nach Abs. 5 (neu) folgender Abs. 6 angefügt:

„(6) (Verfassungsbestimmung) Die Anpassung für das Kalenderjahr 2018 von Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl. I Nr. 46/2014, erfasst sind, darf die Erhöhung nach Abs. 1 unter Heranziehung des Gesamtpensions­einkom­mens (Abs. 2) nicht überschreiten.“

Art. 2 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt ge­ändert:

a) Im § 369 Abs. 1 wird der Ausdruck „§ 108h ASVG“ durch den Ausdruck „§ 50 Abs. 1 erster Satz und Abs. 2“ ersetzt.

b) Im § 369 Abs. 2 wird der Beistrich nach dem Wort „Kinderzuschüsse“ durch das Wort „und“ ersetzt und entfällt der Ausdruck „und des besonderen Steigerungs­betrages“.

c) Dem § 369 Abs. 2 werden folgende Sätze angefügt:

„Ausgenommen sind auch Pensionen, die nach § 50 Abs. 1 letzter Satz für das Kalenderjahr 2018 nicht anzupassen sind, sowie befristete Pensionen, deren An­spruchsdauer mit Ablauf des 31. Dezember 2017 endet. Als Teil des Gesamtpen­sionseinkommens gelten auch alle Leistungen, die vom Sonderpensionenbegren­zungsgesetz, BGBl. I Nr. 46/2014, erfasst sind, wenn die pensionsbeziehende Person am 31. Dezember 2017 darauf Anspruch hat.“


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 194

d) Im § 369 Abs. 3 wird nach dem Ausdruck „Pensionsversicherung,“ der Ausdruck „die zum Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 zählen,“ eingefügt.

e) Dem § 369 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Rechtsträger, die Leistungen nach Abs. 2 dritter Satz auszahlen, haben die Höhe dieser Leistungen dem Versicherungsträger mitzuteilen, wenn dieser für die gesetz­liche Pension leistungszuständig ist. Der Versicherungsträger hat sodann diesen Rechtsträgern das Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 mitzuteilen.“

Art. 3 (Änderung des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

a) Im § 362 Abs. 1 wird der Ausdruck „§ 108h ASVG“ durch den Ausdruck „§ 46 Abs. 1 erster Satz und Abs. 2“ ersetzt.

b) Im § 362 Abs. 2 wird der Beistrich nach dem Wort „Kinderzuschüsse“ durch das Wort „und“ ersetzt und entfällt der Ausdruck „und des besonderen Steigerungs­betrages“.

c) Dem § 362 Abs. 2 werden folgende Sätze angefügt:

„Ausgenommen sind auch Pensionen, die nach § 46 Abs. 1 letzter Satz für das Kalenderjahr 2018 nicht anzupassen sind, sowie befristete Pensionen, deren An­spruchsdauer mit Ablauf des 31. Dezember 2017 endet. Als Teil des Gesamt­pen­sionseinkommens gelten auch alle Leistungen, die vom Sonderpensionen­begren­zungsgesetz, BGBl. I Nr. 46/2014, erfasst sind, wenn die pensionsbeziehende Person am 31. Dezember 2017 darauf Anspruch hat.“

d) Im § 362 Abs. 3 wird nach dem Ausdruck „Pensionsversicherung,“ der Ausdruck „die zum Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 zählen,“ eingefügt.

e) Dem § 362 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Rechtsträger, die Leistungen nach Abs. 2 dritter Satz auszahlen, haben die Höhe dieser Leistungen dem Versicherungsträger mitzuteilen, wenn dieser für die gesetz­liche Pension leistungszuständig ist. Der Versicherungsträger hat sodann diesen Rechtsträgern das Gesamtpensionseinkommen nach Abs. 2 mitzuteilen.“

Art. 4 (Änderung des Pensionsgesetzes 1965) wird wie folgt geändert:

§ 41 Abs. 4 in der Fassung der Z 1 lautet:

„(4) Die in § 711 ASVG für das Kalenderjahr 2018 festgelegte Vorgangsweise bei der Pensionsanpassung ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gesamtpensionseinkommen einer Person auch die Summe aller im Dezember 2017 nach dem Bundestheaterpensionsgesetz, BGBl. Nr. 159/1958, und dem Bundesbahn-Pensionsgesetz, BGBl. I Nr. 86/2001, gebührenden und der Pensionsanpassung zum 1. Jänner 2018 unterliegenden Ruhe- und Versorgungsbezüge umfasst. Bei einer Erhöhung nach § 711 Abs. 1 Z 2 ASVG ist der gesamte Erhöhungsbetrag dem Ruhe- oder Versorgungsgenuss zuzurechnen.“

Art. 5 (Änderung des Bundestheaterpensionsgesetzes) wird wie folgt geändert:

§ 11 Abs. 5 lautet:

„(5) Die in § 711 ASVG für das Kalenderjahr 2018 festgelegte Vorgangsweise bei der Pensionsanpassung ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gesamtpensionseinkommen einer Person auch die Summe aller im Dezember 2017 nach diesem Bundesgesetz und nach dem Bundesbahn-Pensionsgesetz, BGBl. I Nr. 86/2001, gebührenden und der Pensionsanpassung zum 1. Jänner 2018 unter­lie­genden Ruhe- und Versorgungsbezüge umfasst. Bei einer Erhöhung nach § 711 Abs.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 195

1 Z 2 ASVG ist der gesamte Erhöhungsbetrag dem Ruhe- oder Versorgungsgenuss zuzurechnen.“

Art. 6 (Änderung des Bundesbahn-Pensionsgesetzes) wird wie folgt geändert:

§ 37 Abs. 4 in der Fassung der Z 1 lautet:

„(4) Die in § 711 ASVG für das Kalenderjahr 2018 festgelegte Vorgangsweise bei der Pensionsanpassung ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gesamt­pensionseinkommen einer Person auch die Summe aller im Dezember 2017 nach diesem Bundesgesetz und nach dem Bundestheaterpensionsgesetz, BGBl. Nr. 159/1958, gebührenden und der Pensionsanpassung zum 1. Jänner 2018 unter­lie­genden Ruhe- und Versorgungsbezüge umfasst. Bei einer Erhöhung nach § 711 Abs. 1 Z 2 ASVG ist der gesamte Erhöhungsbetrag dem Ruhe- oder Versorgungsgenuss zuzurechnen.“

Begründung

Durch die vorgeschlagenen Änderungen erfolgt zum einen eine Präzisierung der Zitie­rung jener Bestimmungen, die durch die besondere Pensionsanpassung 2018 eine Modifizierung erfahren, und zum anderen eine Klarstellung, dass Pensionen mit einem Stichtag im Kalenderjahr 2017, die erstmals mit 1. Jänner 2019 anzupassen sind, und Pensionen, deren Befristung mit 31. Dezember 2017 abläuft, vom Gesamtpen­sions­ein­kommen (von dem die Erhöhung für das Jahr 2018 zu berechnen ist) ausge­nommen sind.

Darüber hinaus wird normiert, dass auch ein besonderer Steigerungsbetrag als Teil der Pensionsleistung (und damit des Gesamtpensionseinkommens) der Anpassung unterliegt.

Außerdem soll bewirkt werden, dass „Sonderpensionen“ im Sinne des Sonder­pen­sionen­begrenzungsgesetzes, BGBl. I Nr. 46/2014, als Teil des Gesamtpensions­ein­kommens nach § 711 Abs. 2 ASVG (samt Parallelrecht) gelten.

Zu diesem Zweck werden daher die eine solche Leistung auszahlenden Stellen die Höhe der jeweiligen „Sonderpension“ an den in Betracht kommenden Träger der gesetzlichen Pensionsversicherung zu melden haben.

Die gesetzlichen Pensionsleistungen werden für das Kalenderjahr 2018 unter Berück­sichtigung des so ermittelten Gesamtpensionseinkommens erhöht.

Die Träger der gesetzlichen Pensionsversicherung werden nach der vorgeschlagenen Regelung das Gesamtpensionseinkommen der jeweiligen eine „Sonderpension“ aus­zahlenden Stelle zurückmelden.

Durch eine besondere Begrenzungsregelung, die im Verfassungsrang stehen soll, wird die Anpassung der „Sonderpensionen“ für das Kalenderjahr 2018 entsprechend der im § 711 Abs. 1 ASVG festgelegten Staffelung unter Berücksichtigung des gemeldeten Gesamtpensionseinkommens limitiert.

Für die BezieherInnen eines Ruhe- oder Versorgungsbezuges im Kompetenzbereich des Bundes erfolgt die Erhöhung ebenfalls auf Grund der Summe aller gebührenden gesetzlichen Pensionen und Sonderpensionen.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 196

18.54.53

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Damen und Herren! Werte Kollegen! Wir sprechen über eine Pensionserhöhung, die heuer 2,2 Prozent für die niedrigen Pensionen ausmacht. Jetzt gebe ich dem Kollegen der NEOS recht, das geschieht natürlich deswegen, weil Wahljahr ist. Das wissen wir, das ist halt so; und ich freue mich für die Pensionisten, vor allem für jene mit kleinen Pensionen, dass Wahljahr ist, damit sie eine Erhöhung bekommen.

Eines hat Kollege Muchitsch auf seinen Taferln vergessen oder nur sehr unscharf dargestellt, und zwar darf man ja nicht vergessen, die Pensionisten haben in den letzten Jahren sehr viel zum Sparpaket beigetragen. Im Jahr 2013 lag die Erhöhung 1 Pro­zentpunkt unter der Inflationsrate, sprich, es gab einen realen Wertverlust. Im Jahr 2014 lag sie immerhin auch noch 0,8 Prozentpunkte unter der Inflationsrate, das heißt, in den letzten Jahren haben die Pensionisten einen realen Wertverlust ihrer Pensionen von über 10 Prozent gehabt, und das gilt es schon auch wieder ein bisschen auszugleichen und gutzumachen.

Ich stehe jetzt nicht hier und applaudiere dieser Pensionsreform. Ich würde sagen, das Glas ist mit dieser Pensionsreform auch wiederrum halb leer. Es ist ein guter Schritt, ein wichtiger Schritt, aber es ist nicht das, was wir uns eigentlich wünschen würden. Seit Jahren fordern wir, dass der Pensionistenpreisindex herangezogen wird. Bedauer­licherweise wird dieser seit dem Jahr 2016 von der Statistik Austria gar nicht mehr erhoben. Herr Pesendorfer von der Statistik Austria hat gesagt, es gibt keinen Auftrag mehr vom Seniorenrat.

Zu den obersten Repräsentanten des Seniorenrates gehört ja Karl Blecha – einer der Luxuspensionäre, das muss man ja auch sagen –, dem ist es offensichtlich nicht wichtig genug, dass man endlich schaut, den Pensionistenpreisindex jährlich zu erhe­ben. Das wäre etwas, das wir uns für eine ordentliche Pension vorgestellt hätten, beziehungsweise entspricht dem auch unsere Forderung nach einer Mindestpension von 1 200 €.

Man sollte nicht vergessen, es ist nichts Geschenktes, Herr Kollege Loacker und werte Kollegen von den NEOS; das sind Menschen, die in diesem Land gearbeitet haben. Das ist eine Versicherungsleistung, die sie sich erarbeitet haben. Und bei aller Wert­schätzung, da Sie sagen, wir bürden der nächsten Generation etwas auf: Wir sind aber der vorherigen Generation auch etwas schuldig. Das sollten wir bei all diesen Debatten nie übersehen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Aubauer und Haubner.)

Daher halte ich es für wirklich notwendig, auch den Pensionisten, vor allem den Beziehern kleiner Pensionen, eine würdige Erhöhung zuzugestehen; und da geht es nicht nur um Armutsbekämpfung – weil Sie sich jetzt darüber lustig gemacht haben, dass Ausgleichsbezieher nur etwas mehr als 5 € bekommen. Das ist nicht die klassische Armutsbekämpfung, aber das ist ein Ausgleich für die Inflationsrate der letzten Jahre, und ich glaube, das haben sich unsere Pensionisten auch verdient. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Aubauer und Haubner.)

18.57


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Schwentner. – Bitte.

 


18.57.55

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Ich wollte an Kollegin Gamon anknüpfen: Ich bin in vielen Dingen immer wieder mit den NEOS einig, vor allem was Bildung anbelangt. Was die Pension anbelangt, muss ich wirklich einmal wider­sprechen und etwas ansprechen: Ihr redet immer davon, es sei alles kaputt, wir geben Jugendlichen keine Zukunft und junge Generationen werden keine Pension haben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 197

(Abg. Lausch: Alles geht nach Brüssel!) Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, warum seitens der NEOS so eine Panikmache betrieben wird.

Es ist nun einmal so, dass jetzt sehr geburtenstarke Jahrgänge in Pension gehen, und ich bin überzeugt davon, dass es unsere Verantwortung ist, dass diese sogenannten Babyboomer, die in Pension gehen, auch ein Recht auf eine sichere Pension haben. Dieses Recht will ich ihnen nicht nehmen, und ich werde ihnen nicht erklären, dass sie nichts haben werden, und dass sie – ich weiß nicht – in den Keller oder sonst wohin gehen sollen. Ich werde ihnen nicht erklären, dass sie werden Angst haben müssen, sondern ich möchte mich an Lösungen beteiligen, daran, Lösungen zu finden, dass alle, die jetzt in Pension gehen, die vielen Menschen, die darauf angewiesen sind, auch eine sichere Pension bekommen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abge­ord­neten Kucharowits und Gisela Wurm.)

Es ärgert mich wirklich, dass da zum einen Menschen verunsichert werden und zum anderen kein akzeptabler oder vernünftiger Vorschlag vonseiten der NEOS kommt, außer, dass die Menschen künftig ins Kasino gehen sollen, um quasi zu zocken, indem sie private Versicherungen abschließen. (Abg. Loacker: Eine Versicherung ist doch kein Kasino! – Abg. Steinhauser: Eine private Pensionsversicherung schon!) – Ja, das ist Zocken am Finanzmarkt.

Wir haben spätestens im Jahr 2008 gesehen, wie das ausgeht, nämlich dass dadurch viele Menschen Geld verlieren und keine sichere Pension dafür bekommen. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Ich unterstütze die Anhebung vor allem der mittleren und niedrigen Pensionen, da sind wir dabei, trotzdem möchte ich darauf hinweisen, Herr Minister und in Richtung des Kollegen Muchitsch, auch unser aktuelles Pensionssystem schützt nicht vor Armut im Alter. Wir müssen in Zukunft viel genauer hinschauen und an einem Pensionsmodell für alle arbeiten, an einem Modell mit gleichen Beiträgen und gleichen Leistungen, damit Menschen im Alter vor Armut geschützt sind. Wir wissen, jede fünfte allein­stehende Frau ist von Armut gefährdet, das heißt, sie kann nicht am sozialen Leben teilnehmen. Unser jetziges System schützt sie nicht – das wird unsere Aufgabe sein.

Wir Grüne haben einen Vorschlag gemacht, nämlich mit einer Grundpension im Alter für alle mit einer entsprechenden Grundsicherung und darauf aufbauend eine Erwerbs­pension. Wir haben als Einzige einen Vorschlag gemacht, und ich hoffe, dass wir das in den nächsten Jahren doch intensiver diskutieren werden, sodass wir die Menschen vor Armut im Alter schützen können. (Beifall bei den Grünen.)

19.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


19.01.10

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heutige Tag dauert schon lange, vor allem hier im Parlament, aber er hat gut angefan­gen. Er hat damit begonnen, dass Ihnen der Verfassungsgerichtshof recht gegeben hat, indem er nämlich nicht zugelassen hat, dass es der Bank Austria ermöglicht wird, sich mit 7 Prozent aus der Verantwortung zu ziehen (Abg. Loacker: Das wäre gar nicht gegangen!) und die Verantwortung für die Zahlung der Pensionen der Versicherten­gemeinschaft zu überlassen. Sie haben gemeinsam dafür gesorgt, auch auf meinen Vorschlag hin, dass es in dieser Angelegenheit zu einer Gerechtigkeit kommt. (Beifall der Abgeordneten Auer und Haubner.) Ja, dazu kann man applaudieren, das ist


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 198

wichtig. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Man hat Ihnen recht gegeben, und das finde ich sehr gut.

Das ist deshalb eine wichtige Sache, weil man dadurch den Menschen in Österreich aufzeigt, dass sie darauf vertrauen können, dass sie Schutz haben, dass sie nicht davon abhängig sind, ob eine Bank will oder nicht will, ob der Finanzmarkt Geld hergibt oder nicht.

Frau Abgeordnete Gamon, ich lade Sie zu mir in mein Büro ein, ich habe dort einen Urartikel aus einer Zeitung aus dem Jahr 1958 – damals war ich noch nicht auf der Welt –, als das ASVG ein Jahr lang in Kraft war. Damals haben die Journalisten genau dasselbe gesagt: Das geht nicht, das kann sich nicht ausgehen und das wird sich nicht ausgehen! Wir haben 60 Jahre und ein paar Monate lang bewiesen, dass wir den Menschen in Österreich die Sicherheit geben können, dass die Pensionen in allen Bereichen pünktlich ausbezahlt werden; und wir haben die Zahlungen auf jene Gruppen, die einen besonderen Schutz gebraucht haben, ausgedehnt.

Ich bin Frau Abgeordneter Schwentner dankbar dafür, dass sie gesagt hat, wir müssen trotzdem genau hinschauen, weil es einzelne Personengruppen gibt, die es trotzdem nicht leicht haben. Das ist richtig, wir haben im Laufe der Zeit auch manche Per­sonengruppen dazugenommen. Im Arbeitsprozess hat sich etwas verändert, daher werden wir das auch in Zukunft tun müssen, aber das österreichische Pensionssystem ist das Pensionssystem, das europaweit und, wie ich behaupte, damit auch weltweit das beste Pensionssystem ist, das den Menschen die Sicherheit gibt, im Alter nicht Armut erleiden zu müssen. Das ist für mich wichtig, und das haben wir auch geschafft.

Wir setzen heute auch ein Signal. Wir setzen ein Signal, indem wir die unteren Pen­sionen mit 2,2 Prozent mehr anheben wollen, denn wir sagen, Butter und Brot sind für alle teurer geworden, und das kaufen Pensionistinnen und Pensionisten, die wenig haben, eher öfter ein. Daher wollen wir die Pensionen in diesem Bereich stärker anheben. Das ist der Vorschlag, der hier eingebracht worden ist, und ich bedanke mich bei Ihnen, wenn Sie dem Ihre Zustimmung geben.

Wir haben auch ein Signal dahin gehend gesetzt, dass Pensionen in der Höhe von über 5 000 € nicht erhöht werden. Ich bedanke mich bei all jenen, die davon betroffen sind, dass sie dadurch ein Zeichen der Solidarität für jene Menschen in Österreich setzen, die lange hier gearbeitet und eine geringe Pension haben.

Ich möchte auch Danke sagen, wenngleich ich damit im Wahlkampf ein bisschen vorsichtig bin, weil man da alles verspricht, dann aber doch gewisse Kürzungsphan­tasien im Raum stehen. Ich sage der Bevölkerung bewusst: Wenn man öffentlich sagt, man will 13 Milliarden € jährlich einsparen, dann würde ich davor sehr warnen, denn irgendjemand wird das bezahlen müssen. Und wenn man sich die Geschichte Öster­reichs vor Augen führt, wenn man sich vor allem die Geschichte des Sozialstaates vor Augen führt, dann weiß man, es waren immer die Ärmsten in der Gesellschaft, die bezahlt haben; zuerst die Frauen, dann die Männer und immer die, die ein Leben lang gearbeitet haben. Also seien Sie vorsichtig, wem Sie am Sonntag Ihre Stimme geben, überlegen Sie, was da dahintersteckt. Es darf zu keinen Einsparungen im Sozialsys­tem, es darf zu keinen Einsparungen im Gesundheitsbereich kommen und es darf vor allem keine Einsparungen bei den Pensionistinnen und Pensionisten geben.

Mit dem heutigen Antrag setzen wir ein richtiges Zeichen; wir haben, was mir ebenso wichtig ist, auch die Opferrenten, nämlich für Kriegsopfer, die Sondersituationen haben, um 2,2 Prozent erhöht. Ich danke Ihnen, wenn Sie dem zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.06



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 199

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


19.06.24

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mich freut es, wenn wir heute diesen Gesetzesbeschluss fassen können, denn dann haben nämlich in Zukunft einige Millionen Menschen mehr Geld im Geldtascherl; vor allem jene haben mehr im Geldtascherl, denen es nicht so gut geht. Dass es eine soziale Staffelung gibt, freut mich auch sehr, und dass jene, die sowieso schon sehr gut bedient sind, auch im Alter, den Solidarbeitrag zu leisten haben und die PensionistInnen mit den niedrigeren Einkommen dann mehr erhalten, das freut mich noch einmal mehr.

Auch die Frauen können sich auf uns verlassen, wenn es um die Erhöhung des Pensionsantrittsalters geht. Wir haben immer dafür gekämpft und sind dafür einge­standen, dass das Frauenpensionsantrittsalter nicht erhöht wird. Das ist gut so, das ist wichtig so und das ist richtig.

Es ist auch die Frage gestellt worden, warum denn die Frauenpensionen teilweise so niedrig sind. Natürlich hängt das mit den Löhnen zusammen, natürlich hängt das auch mit der Pensionsreform im Jahr 2003 zusammen, mit der der Durchrechnungszeitraum ausgedehnt worden ist. Das hat vor allen Dingen den Frauen geschadet, weil eben die Frauen nicht den entsprechenden Durchrechnungszeitraum erreichen können, weil es in der Zeit, in der sie Beitragsjahre sammeln können, schlicht und einfach oft nicht möglich ist, Beruf und Familie zu vereinbaren. – Das ist das eine.

Da das jetzt meine letzte Rede hier im Hohen Haus ist, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich mich bei all jenen bedanken, die sich die Anliegen der Frauen als besondere Aufgabe gestellt haben. Ich möchte mich bei den Kolleginnen Frauen­sprecherinnen bedanken; wir haben einiges geschafft in dieser Zeit, um Gemeinsames auf den Weg zu bringen. Dazu fällt mir besonders das Gewaltschutzgesetz ein. 20 Jahre Gewaltschutzgesetz in Österreich – eine wirkliche Erfolgsgeschichte, die immer wieder, auch international, als besonderes Beispiel herangezogen wird. Wir haben hier im Haus viele Verbesserungen erreicht. Wie soll ein Leben gestaltet wer­den, wenn nicht frei von Gewalt! – Das war ein ganz wichtiger Gesetzesbeschluss, ganz wichtig für die Hälfte der Bevölkerung in unserem Land! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Aubauer.)

In diesem Sinne, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, möchte ich mich von Ihnen verabschieden und Ihnen eines mitgeben: Vergessen Sie die Sache der Frauen nicht! (Allgemeiner, von der SPÖ und von Abgeordneten der ÖVP stehend darge­brachter Beifall.)

19.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich danke Ihnen für Ihre engagierte Arbeit hier im Hohen Haus und wünsche Ihnen für Ihre persönliche Zukunft das Allerbeste und alles Gute! – Vielen, vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


19.10.02

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kollegin Wurm, ich habe ganz persönlich für Sie die allerbesten Wünsche! Es war schön, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Wahl-Extra in der „Kronen Zeitung“ hat mich ein Interview besonders überrascht. Der elfjährige Nicolai will von Kandidaten


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 200

Strolz wissen: Werde ich noch eine Pension bekommen, wenn ich älter bin? (Abg. Walter Rosenkranz: Von Strolz nicht!) Also ein Elfjähriger hat die Sorge, dass er einmal keine Pension bekommt. (Abg. Weninger: Warum fragt er denn das den Strolz? Falsche Adresse!) Die Sicherheit der Pensionen ist offenbar ein Thema für die Jungen und für die Älteren.

Wie sicher sind unsere Pensionen? – Die Sicherheit ist umso größer, je mehr Erwerbs­tätige einzahlen. Warum sage ich das? – Weil es mich sehr empört, dass der Wiener Krankenanstaltenverbund offenbar zwanzig Mitarbeiter aus organisatorischen Gründen, wie es heißt, in Frühpension schicken will. Das ist ein verheerendes Signal einerseits für die Betroffenen, weil sie das Gefühl haben, sie werden nicht mehr gebraucht, und auch ein verheerendes Signal für das Pensionssystem. Wir brauchen Menschen, die einzahlen, mehr Menschen, die einzahlen, und nicht weniger.

Sichere Pensionen, das heißt: Wie wertgesichert sind die Pensionen? Können sie die jährliche Teuerung abgelten? – Es ist für uns sehr erfreulich, dass mehr als 1,7 Mil­lionen Pensionen über der Inflationsrate, nämlich um 2,2 Prozent erhöht werden und dass, auch ganz wichtig, die Opferrenten über der Inflationsrate angepasst werden sollen, also 2,2 Prozent plus für die Opferrenten. Dass die Pensionen nicht an Wert verlieren, ist uns ein grundsätzliches, ein wichtiges Anliegen. Wir wollen wertgesicherte Pensionen, die danach berechnet werden, was man an Beiträgen gezahlt hat. Das ist derzeit bei einigen nicht der Fall, sollte aber ein Prinzip für die Zukunft sein.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Uns geht es auch um die grundsätzliche Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Eine Gesellschaft wird daran gemessen, wie sie mit ihren älteren Mitbürgern umgeht, und wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der sich die Menschen auf sichere Pensionen verlassen können. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der den Schwachen geholfen wird, wenn sie es brauchen. Dafür stehen wir! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Köchl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.13.09

Abgeordneter Matthias Köchl (Grüne): Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kolle­gen! Uns Grünen ist ein starker Sozialstaat ebenso wichtig. Der Ruf nach dem schlan­ken Staat sorgt bei uns eher für Stirnrunzeln. Wir wollen einen handlungsfähigen Staat und nicht einen schlanken, aber handlungsunfähigen Staat. Also wir wollen Hand­lungsfähigkeit und nicht Handlungsunfähigkeit haben. (Abg. Hauser: ... einen Staat, der Geld hat!) – Ja, einen Staat, der Geld hat.

Die jetzige Debatte zum Pensionsanpassungsgesetz gibt mir die Möglichkeit, da auch ins Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz eingegriffen wird und da wir Grüne im Bereich der Selbständigen 48 konkrete Erleichterungen ausgearbeitet haben, dass ich per Abänderungsantrag zwei Themen einbringen kann, die hier heute hoffentlich in konstruktiver Mehrheit beschlossen werden. Es ist eine Last-Minute-Aktion, und ich setze darauf, dass hier konstruktive Kräfte am Werk sind und sich eine Mehrheit findet.

Ein Punkt betrifft das Krankengeld für Selbständige. Wir wissen, dass die Situation die freiwillige Krankengeldversicherung betreffend mit Jahresbeginn deutlich verschlechtert wurde, im schlimmsten Fall zwei Drittel weniger Leistung für die gleiche Einzahlung vorhanden sind. Dazu habe ich einen Vorschlag: dass man 80 Prozent festschreibt, um eine Verbesserung zu bewirken.

Der zweite Kritikpunkt ist, dass bei der Gewerblichen Sozialversicherung jetzt die Möglichkeit gegeben ist, bei geringfügiger Tätigkeit nur eine Unfallversicherung zu


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 201

zahlen. Das heißt, bei 5 100 € Jahresgewinn reicht eine Unfallversicherung, 112 € konkret, es braucht keine Krankenversicherungsbeiträge, keine Pensionsversiche­rungs­beiträge; so weit diese Kleinunternehmerregelung. Wenn der Jahresgewinn aber um ein paar Euro höher ist, zahlt man den Mindestbeitrag und kommt sofort auf über 2 000 € jährliche Zahlung.

Das ist grundsätzlich noch nicht so falsch, aber davon kommt man nie wieder weg. Sind Kleinunternehmer, Kleinunternehmerinnen von 60 Monaten zwölf Monate bei der Gewerblichen Sozialversicherung, dann sind sie quasi gefangen im System und haben keine Möglichkeit mehr, zurück zu optieren, und zahlen dann, auch wenn sie vielleicht nur noch nebenbei irgendetwas mit 1 000, 2 000 € Jahresgewinn machen, 2 570 € Mindestbeitrag. Das geht sich einfach nicht ganz aus. Deswegen macht es Sinn, wenn man die Möglichkeit schafft, dass man flexibel wechseln kann, von Jahr zu Jahr, je nachdem, wie die Gewinne und die Umsätze ausschauen.

Deswegen bringe ich zur gegenständlichen Regierungsvorlage 1767 der Beilagen folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Matthias Köchl, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage 1767 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bun­desbahn-Pensionsgesetz und das Bezügegesetz geändert werden (Pensionsan­pas­sungsgesetz 2018 – PAG 2018)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage 1767 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheater­pensions­gesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz und das Bezügegesetz geändert werden (Pensionsanpassungsgesetz 2018 – PAG 2018) wird wie folgt geändert:

In Artikel 2 wird die Anfügung des § 369 als Z 3 bezeichnet und es werden davor folgende Z 1 und 2 eingefügt:

„1. In § 4 Abs. 1 Z. 7 entfällt der dritte Satz.“

– Das ist schon die Revolution so quasi. –

„2. In § 106 Abs. 6 wird im ersten Satz nach dem Wort ,überschreiten‘ folgende Wortfolge eingefügt:

‚sowie 80% des tatsächlich entrichteten Beitrags nicht unterschreiten‘“

*****

Das sind zwei große Schritte, die sich da in wenigen Worten mittels Abände­rungs­antrag hineinformulieren lassen. Es wird getrennt abgestimmt – ich setze darauf, dass die die eine oder andere Erleichterung herbeiführende Maßnahme der Grünen auch Ihre Zustimmung findet. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen.)

19.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 202

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Matthias Köchl, Freundinnen und Freunde

zur Regierungsvorlage 1767 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpen­sionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz und das Bezügegesetz geändert wer­den (Pensionsanpassungsgesetz 2018 – PAG 2018)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage 1767 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpen­sionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz und das Bezügegesetz geändert werden (Pensionsanpassungsgesetz 2018 – PAG 2018) wird wie folgt geändert:

In Artikel 2 wird die Anfügung des §369 als Z 3 bezeichnet und es werden davor folgende Z 1 und 2 eingefügt:

„1. In § 4 Abs. 1 Z. 7 entfällt der dritte Satz.

2. In § 106 Abs. 6 wird  im ersten Satz nach dem Wort „überschreiten“ folgende Wort­folge eingefügt:

‚sowie 80% des tatsächlich entrichteten Beitrags nicht unterschreiten‘“

Begründung

Oft sind es nicht die großen Änderungen, die für kleine UnternehmerInnen einen Unterschied machen. Die oben genannten kleinen Änderungen kosten wenig und bringen gerade GründerInnen und Selbstständigen mit geringem Einkommen ein wenig mehr soziale Sicherheit:

Zu § 4 Abs. 1 Z. 7 GSVG: „Hybride UnternehmerInnen“ kommen immer häufiger vor. Sei es, weil angehende Selbständige lieber aus der Unselbständigkeit heraus „antes­ten“ wollen, ob ihre Geschäftsidee aufgeht, oder sei es, weil ein selbständiger Zuver­dienst zusätzlich zum Job notwendig ist, um sich über Wasser zu halten: „geringfügige“ Selbständigkeit boomt. § 4 Abs. 1 Z. 7 lit. a des GSVG regelt, dass man – wenn man geringfügig selbständig ist – keine weitere Versicherung neben der bereits beste­henden unselbständigen Versicherung benötigt. Allerdings: Kommt man in zwei von fünf Jahren über die Geringfügigkeitsgrenze, muss man nicht nur in den beiden betref­fenden Jahren die Sozialversicherungsbeiträge entrichten (was gerechtfertigt ist), son­dern ist dann auch für die nächsten 4 Jahre verpflichtet, (Voraus-)zahlungen zur GSVG zu entrichten  – unabhängig vom zu erwartenden Umsatz. Diese Regelung schafft permanente Unsicherheit und hat daher zu entfallen. Gerade GründerInnen hindert sie daran, ihre Geschäftsidee „auf Teilzeit“ anzutesten. Dabei ist dieser Weg für den Staat besonders „günstig“ – denn scheitern solche „doppelgleisigen“ GründerInnen, so fallen sie einfach in ihr bestehendes unselbständiges Arbeitsverhältnis zurück – und dem Staat sowie der Sozialversicherung entstehen keine Kosten. 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 203

Zu § 106 Abs. 6 GSVG: Seit 1.1.2017 zahlen Versicherte in der freiwilligen Zu­satz(kranken)versicherung einen höheren Beitrag, wenn sie unter 1230,80 Euro verdienen. Für GeringverdienerInnen knapp über der Geringfügigkeitsgrenze ergibt sich damit ein Beitragssatz von über 7%, während ab 1230,80 Euro (Mindestbei­tragsgrundlage) der reguläre Beitragssatz von 2,5% greift. Mit der Konkretisierung, dass der zukünftige Tagsatz nicht unter 80% des monatlichen Beitrags von 30,77 liegen darf, soll sichergestellt werden, dass für gleiche Beiträge auch gleiche Leistun­gen sichergestellt sind – und nicht Geringverdiener extra bestraft werden.

Mit der Festschreibung, dass das (Zusatzversicherungs-)Tages-Krankengeld nicht weniger als 80% der Monatsbeiträge ausmacht, würden zwar Selbständige mit bei­spielsweise 500.- Einkommen weiterhin 30,77 Euro monatliche Beiträge bezahlen – aber im Verhältnis wieder das gleiche Krankengeld wie Besserverdiener für die Bei­träge herausbekommen – nämlich 24,62 Euro. Das würde zumindest eine minimale Existenzsicherung zulassen. Denn auch Selbstständige sind vor schweren und chronischen Krankheiten nicht gefeit. Gleichzeitig muss klar sein: Diese Maßnahme soll lediglich eine Verschlechterung im Jahr 2017 rückgängig machen, mittelfristig sollen alle Selbstständigen ein Anrecht auf Krankengeld ab dem vierten Tag haben.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


19.16.23

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Sprecherin für Einpersonenunternehmen und für kleine und mittlere Unternehen ist es mir einfach ein besonderes Bedürfnis, diesen Menschen zu helfen, und am wichtigsten in diesem Zusammenhang ist die soziale Absicherung.

Krankheit, vorübergehende Krankheit darf nicht existenzbedrohend sein, und auch viele andere Ungerechtigkeiten gehören ausgeräumt. Deshalb bringe ich heute dazu zwei Abänderungsanträge ein; ich bitte um Ihre Geduld, sie sind etwas umfangreich.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen zur Regie­rungsvorlage 1767 der Beilagen betreffend ein Pensionsanpassungsgesetz 2018

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

a) Die Anordnung erhält die Bezeichnung „4.“.

b) Der Z 4 werden folgende Z 1 bis 3 vorangestellt:

„1. Im § 53b wird nach Abs. 2 folgender Abs. 2a eingefügt:

,(2a) Für Dienstgeber/innen, die in ihrem Unternehmen durchschnittlich nicht mehr als zehn Dienstnehmer/innen beschäftigen, ist Abs. 2 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Zuschüsse in der Höhe von 75% gebühren.‘


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 204

2. Im § 53b Abs. 3 erster Satz wird der Ausdruck ,nach Abs. 2‘ durch den Ausdruck ,nach den Abs. 2 und 2a‘ ersetzt.

3. § 319b samt Überschrift wird aufgehoben.“

c) Nach der Z 4 wird folgende Z 5 angefügt:

„5. Nach § 711 wird folgender § 712 samt Überschrift angefügt:

,Schlussbestimmungen zu Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017

§ 712. (1) § 53b Abs. 2a und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017 tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft.

(2) § 319b tritt mit Ablauf des 30. Juni 2018 außer Kraft.

(3) § 53b Abs. 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017 ist auf Ent­geltfortzahlungstage infolge von Krankheit und Unfällen, die nach dem 30. Juni 2018 eingetreten sind bzw. sich ereignet haben, anzuwenden.‘“

*****

Der zweite Abänderungsantrag lautet wie folgt:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen zur Regie­rungs­vorlage 1767 der Beilagen betreffend ein Pensionsanpassungsgesetz 2018

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 2 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

a) Die Anordnung erhält die Bezeichnung „2.“.

b) Der Z 2 wird folgende Z 1 vorangestellt:

 „1. Im § 104a Abs. 1 erster Satz wird nach dem Ausdruck ,43. Tag der Arbeits­un­fähigkeit‘ der Ausdruck ,rückwirkend vom 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit an‘ eingefügt.“

c) Nach der Z 2 wird folgende Z 3 angefügt:

„3. Nach § 369 wird folgender § 370 samt Überschrift angefügt:

,Schlussbestimmungen zu Art. 2 des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. xx/2017

§ 370. (l) § 104a Abs. 1 erster Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017 tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft und mit Ablauf des 30. Juni 2022 außer Kraft.

(2) § 104a Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017 ist auf jene Versicherten anzuwenden, deren Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nach dem 30. Juni 2018 eingetreten ist.

(3) § 104a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017 sowie § 104b sind zum 30. Juni 2021 vom Hauptverband zu evaluieren, wobei insbesondere die finan­ziellen Auswirkungen, die Vollziehung betreffend die Kontrolle der Arbeitsunfähigkeit sowie die Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich zu prüfen und darzu-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 205

stellen sind. Der Versicherungsträger und die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt haben hierfür dem Hauptverband alle erforderlichen Unterlagen elektronisch zu über­mitteln und erforderlichenfalls Einsicht in die Aufzeichnungen zu gewähren.

(4) Ergibt die Evaluierung nach Abs. 3, dass die Unterstützungsleistung bei lang an­dau­ernder Krankheit messbare positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwick­lung von Klein- und Mittelunternehmen zeitigt, so kann die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen durch Verordnung das Außer-Kraft-Treten des § 104a Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017 neu festsetzen.‘“

*****

Ich hoffe auf breite Zustimmung aller Fraktionen, denn letztendlich sind diese Pakete für die soziale Absicherung der Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Beide Abänderungsanträge sind ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und stehen somit mit in Verhandlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Spindelberger und Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage 1767 der Beilagen betreffend ein Pensionsanpassungsgesetz 2018

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geän­dert:

a) Die Anordnung erhält die Bezeichnung „4.“.

b) Der Z 4 werden folgende Z 1 bis 3 vorangestellt:

»1. Im § 53b wird nach Abs. 2 folgender Abs. 2a eingefügt:

„(2a) Für Dienstgeber/innen, die in ihrem Unternehmen durchschnittlich nicht mehr als zehn Dienstnehmer/innen beschäftigen, ist Abs. 2 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Zuschüsse in der Höhe von 75% gebühren.“

2. Im § 53b Abs. 3 erster Satz wird der Ausdruck „nach Abs. 2“ durch den Ausdruck „nach den Abs. 2 und 2a“ ersetzt.

3. § 319b samt Überschrift wird aufgehoben.«

c) Nach der Z 4 wird folgende Z 5 angefügt:

»5. Nach § 711 wird folgender § 712 samt Überschrift angefügt:

„Schlussbestimmungen zu Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017

§ 712. (1) § 53b Abs. 2a und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017 tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft.

(2) § 319b tritt mit Ablauf des 30. Juni 2018 außer Kraft.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 206

(3) § 53b Abs. 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017 ist auf Entgeltfortzahlungstage infolge von Krankheit und Unfällen, die nach dem 30. Juni 2018 eingetreten sind bzw. sich ereignet haben, anzuwenden.“«

Begründung

Zu Art. 1 (§§ 53b Abs. 2a und 3, 319b sowie 712 ASVG):

Gerade für Kleinunternehmen kann eine Erkrankung oder ein Unfall eines Dienstneh­mers/einer Dienstnehmerin trotz der bisher schon gebührenden Entgeltfortzah­lungs­zuschüsse oft existenzbedrohend sein. Um Kleinunternehmen mit bis zu zehn Dienst­nehmer/inne/n in Hinkunft besser zu unterstützen, wird vorgeschlagen, die bisher nur im Ausmaß von 50% des fortgezahlten Entgelts (einschließlich allfälliger Sonderzah­lungen unter Beachtung der eineinhalbfachen Höchstbeitragsgrundlage) gebührenden Zuschussleistungen weiter auszubauen und auf 75% anzuheben. Die Zuschüsse sollen unverändert aus Mitteln der Unfallversicherung erstattet werden.

Darüber hinaus dient diese Maßnahme indirekt auch dem Schutz der Dienstneh­merIn­nen. Da sich Kleinunternehmen die Entgeltfortzahlung erkrankter DienstnehmerInnen und die gleichzeitige Beschäftigung von Ersatzarbeitskräften, die jedoch notwendig sind um den Betrieb aufrecht zu erhalten, vielfach nicht leisten können, mussten erkrankte DienstnehmerInnen bisher befürchten, im Krankenstand gekündigt zu wer­den. Diese Kündigungen können durch die vorgeschlagene Maßnahme hintangehalten werden.

Wie bisher gebühren die Zuschüsse im Erkrankungsfall ab dem elften Tag, bei Eintritt eines Unfalles ab dem ersten Tag der Entgeltfortzahlung.

Um die aus der Anhebung der Zuschussleistung resultierende Mehrbelastung auszu­gleichen und weiterhin eine ausgeglichene Gebarung der Allgemeinen Unfallversiche­rungsanstalt zu gewährleisten, soll der im § 319b ASVG vorgesehene Ersatzanspruch gestrichen werden.

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Spindelberger und Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage 1767 der Beilagen betreffend ein Pensionsanpassungs­ge­setz 2018

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 2 (Änderung des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

a) Die Anordnung erhält die Bezeichnung „2.“.

b) Der Z 2 wird folgende Z 1 vorangestellt:

»1. Im § 104a Abs. 1 erster Satz wird nach dem Ausdruck „43. Tag der Arbeits­unfä­higkeit“ der Ausdruck „rückwirkend vom 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit an“ eingefügt.«

c) Nach der Z 2 wird folgende Z 3 angefügt:

»3. Nach § 369 wird folgender § 370 samt Überschrift angefügt:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 207

„Schlussbestimmungen zu Art. 2 des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. xx/2017

§ 370. (l) § 104a Abs. 1 erster Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017 tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft und mit Ablauf des 30. Juni 2022 außer Kraft.

(2) § 104a Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017 ist auf jene Versicherten anzuwenden, deren Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nach dem 30. Juni 2018 eingetreten ist.

(3) § 104a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017 sowie § 104b sind zum 30. Juni 2021 vom Hauptverband zu evaluieren, wobei insbesondere die finan­ziellen Auswirkungen, die Vollziehung betreffend die Kontrolle der Arbeitsunfähigkeit sowie die Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich zu prüfen und darzu­stellen sind. Der Versicherungsträger und die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt haben hierfür dem Hauptverband alle erforderlichen Unterlagen elektronisch zu übermitteln und erforderlichenfalls Einsicht in die Aufzeichnungen zu gewähren.

(4) Ergibt die Evaluierung nach Abs. 3, dass die Unterstützungsleistung bei lang andauernder Krankheit messbare positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Ent­wicklung von Klein- und Mittelunternehmen zeitigt, so kann die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen durch Verordnung das Außer-Kraft-Treten des § 104a Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2017 neu festsetzen.“«

Begründung

Versicherte nach den §§ 2 Abs. 1 Z 1 bis 4, 3 Abs. 1 Z 2 sowie 14a und 14b GSVG, bei denen die Aufrechterhaltung ihres Betriebes von ihrer persönlicher Arbeitsleistung abhängt und die in ihrem Unternehmen regelmäßig keinen oder weniger als 25 Dienst­nehmerinnen oder Dienstnehmer beschäftigen, haben ab dem 43. Tag der Arbeits­unfähigkeit Anspruch auf eine tägliche Unterstützungsleistung in der Höhe von 29,46 € (Wert 2017).

Durch die vorgeschlagene Änderung soll diese Unterstützungsleistung rückwirkend ab dem 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit gewährt werden, um diese Personengruppe, bei der eine Arbeitsunfähigkeit auf Grund einer lang andauernden Krankheit existenz­bedro­hend sein kann, finanziell noch besser abzusichern.

Die Gewährung ab dem 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit ist systemkonform, da sie der Regelung über das Krankengeld für unselbständig Erwerbstätige entspricht.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.22.37

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche auch zu Pensionen, aber in erster Linie zu meiner eigenen Pension (Heiterkeit bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), und ich sage gleich zu Beginn: Es ist eine ASVG-Pension, nur um kein Missverständnis aufkommen zu lassen.

Aber vielleicht noch vor Eingang in die eigentliche Pensions- oder Abschiedsrede: Herr Präsident, wie schaut es aus? Gibt es für jedes Jahr hier herinnen eine Bonusminute?

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nur ein graues Haar, Herr Abgeordneter. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 208

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Okay! – Was ich vielleicht noch eingangs beziehungsweise zum Thema sagen möchte, ist Folgendes: Ich finde es sehr schade, dass es, obwohl sie versprochen war, keine Regelung gibt, dass es bei den Son­der­pensionen weitere Kürzungen geben soll. Das wurde uns angekündigt, und ich hätte eigentlich mit einem entsprechenden Entwurf gerechnet. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

Ich habe auch zu jenem Thema bei den Sonderpensionen, das mir und vermutlich einigen von Ihnen – nicht allen! – am Herzen liegt, nämlich den Bezügepensionen für Politiker, die noch im alten System sind, etwas vorbereitet. Es gibt jedoch keine Möglichkeit, darüber zu debattieren beziehungsweise darüber abzustimmen, weil es nicht zum Thema passt. – Das ist das eine. (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.)

Das Zweite: Mich lässt es immer zusammenzucken, wenn bestimmte Politiker hier herausgehen und sagen: Wir wollen die Pensionen für die Zukunft sichern!, und sie sagen dann nicht den zweiten Halbsatz dazu, obwohl es eigentlich notwendig wäre, dass sie ihn dazusagen müssten – ich teile diese Meinung nicht, aber das ist das, was sie damit eigentlich vertreten –: Indem wir die zukünftigen Pensionen kürzen. – Ich halte es für ein Riesenproblem, dass Sie – oder Teile von Ihnen – nicht ehrlich über das Pensionssystem reden. (Beifall bei den Grünen.)

Eines ist nämlich klar, meine sehr geehrten Damen und Herren, die hochgelobte – also von ÖVP und FPÖ; von der FPÖ vielleicht schon weniger hoch gelobt – Pensions­reform von 2003/2004 bringt Kürzungen für die zukünftigen Pensionen, nämlich für die, die in zehn, 20 Jahren in Pension gehen, in der Höhe von 30 Prozent – jetzt schon. Jetzt schon, das ist fix!

Wenn man daher hergeht und sagt: Wir brauchen eine weitere Pensionsreform, um diese zukünftigen Pensionen zu sichern!, dann meint man damit, dass man da noch einmal hineinschneiden muss, denn niemand wird annehmen, dass in die bestehenden Pensionen sozusagen hineingeschnitten werden kann oder diese gekürzt werden können. Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein Riesenproblem, und das gehört auch thematisiert. Wir können es uns nicht leisten, die Pensionen für die, die in 20 oder 30 Jahren in Pension gehen, noch weiter zu kürzen. Die sind schon gekürzt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Steinhauser: Das ist richtig!) – So, und jetzt zum eigentlichen Thema.

Ich habe mich natürlich gefragt – ich habe meine Rede nicht so gut vorbereitet wie Kollege Auer; danke übrigens für diese auch schöne Abschiedsrede –: Was kann ich Ihnen noch sagen? Kann ich Ihnen noch etwas sagen? – Ich muss ehrlich sagen, ich habe gezweifelt, ob ich Ihnen etwas sagen kann, weil das auch damit zusammenhängt, dass, nachdem ich 2014 an Krebs erkrankt bin und eine Diagnose erhalten habe, die einige andere von Ihnen hier herinnen ja auch schon einmal erhalten haben, sich natürlich das Leben und die Relationen, was im Leben wichtig ist, verändern. Und dann kommt diese eigentlich sehr unerwartete oder unverhoffte Gelegenheit, noch einmal in den Nationalrat zurückzukehren und das nachzuholen, was ich mir damals, als ich 2013 ausgeschieden bin, irgendwie, ja, selbst vorgeworfen habe, versäumt zu haben, nämlich eine Abschiedsrede zu halten. Diese Möglichkeit habe ich jetzt.

Ich habe mich aber gefragt: Habe ich Ihnen etwas zu sagen? – Ich habe auf alle Anfragen: Wie geht es dir jetzt so, auf der politischen Ebene, im Parlament herinnen?, immer geantwortet: Ich fremdle ein bisschen – fremdeln in dem Sinn, als mir bestimmte Gebräuche – den Begriff „Spielregeln“ habe ich heute schon öfter gehört – fremd geworden sind. Dafür ist der Abstand, den man hat, wenn man einmal draußen ist und dann wieder zurückkehrt, auch gut: dass man eine andere Perspektive auf die Dinge entwickelt. Und mir ist es so gegangen: Bestimmte Routinen, die es hier herinnen gibt,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 209

die für mich vorher auch selbstverständlich waren, sind mir fremd geworden. – Ich bringe Ihnen Beispiele.

Ich bin ein begeisterter Parlamentarier und ich war begeisterter Sozialpolitiker. Wenn aber ein Sozialausschuss nur drei-, vier-, manchmal vielleicht fünfmal im Jahr tagt, wenn das Ganze auf drei, vier, fünf Stunden begrenzt ist, wenn die Tagesordnung aber 30 oder 40 Anträge enthält, dazu zwei oder drei Berichte, das alles dann aber eben in diesen drei oder vier oder fünf Stunden abgehandelt werden soll, dann stimmt etwas nicht, dann haben wir uns nicht jene Zeit genommen, die die Behandlung dieser An­träge oder Berichte eigentlich bräuchte. Wenn etwa ein Bericht wie der Sozialbericht im Ausschuss diskutiert wird, braucht das nämlich allein schon, damit er sinnvoll diskutiert werden kann, drei oder vier Stunden, und diese Zeit nehmen wir uns nicht. Das finde ich grob fahrlässig.

Ich kann Ihnen nur sagen – ich werde diesen Appell auch wiederholen –, wenn Sie das in der Zukunft nicht ändern und dem Parlamentarismus nicht tatsächlich eine Chance geben, die er derzeit nicht hat, dann hat der Parlamentarismus verspielt, dann wird sich die Frage, wie dieses Parlament arbeiten kann, ganz anders lösen – und nicht im guten Sinn.

Zweites Beispiel: Wozu führt das? – Ich habe Ihnen gesagt, ich bin im Sozialausschuss tätig gewesen. Wir haben seit Beginn des ASVG 88 nummerierte Novellen. Wissen Sie, wie viele nicht nummerierte Novellen es gibt? – Fast 300! Ich habe sie einmal durchgezählt: 300 nicht nummerierte Novellen. Allein in diesem Jahr, im Jahr 2017, gibt es, glaube ich, 17 – heute beschließen wir weitere ASVG-Novellen. Das ist ein Riesenproblem für jeden, der dieses Gesetz lesen muss, der es anwenden muss. Und schließlich sollen auch die dem Gesetz Unterworfenen das Gesetz irgendwie verstehen können.

Das funktioniert so nicht – und das ASVG ist vielleicht ein besonderes Beispiel, aber es ist eines unseren wichtigsten Sozialgesetze. (Allgemeiner Beifall.)

Drittes Beispiel: die Kontrollrechte. – Auch das ist eine wirklich wesentliche Sache, egal, ob man in einer Oppositionspartei oder in einer Regierungspartei ist. Ich habe über Jahre hinweg an alle Ministerien immer Anfragen gestellt: Wie groß sind die Kabinette, wie hoch sind die Kosten für die Kabinette, wer ist in den Kabinetten? – Als ich wieder zurückgekommen bin, habe ich versucht, auch betreffend diese Anfragen­serie – weil mir dazwischen ja ein paar Jahre abgegangen sind, und die Kabinetts­größen beziehungsweise wie damit umgegangen wurde, das war immer sehr nützlich; das war auch des Öfteren Gegenstand einer öffentlichen Debatte beziehungsweise von Rechnungshofberichten –, das nachzuholen.

Ich habe bei allen Ministerien angefragt und habe mich sehr gefreut, als Minister Rupprechter schon nach einem Monat eine Antwort gegeben hat. Als ich dann aber die Antwort gesehen habe, na, da habe ich geschaut. Da war nämlich nichts drinnen, was irgendwie eine Frage von mir beantwortet hätte. Ich habe daraufhin Frau Präsidentin Bures einen Brief geschrieben, habe ihr das Problem erklärt, und sie hat gesagt, sie wird dem Herrn Minister schreiben. – Da war ich zunächst beruhigt und habe die Anfrage an den Minister natürlich wiederholt.

Dann, nach einem weiteren Monat – zwei Monate, Sie kennen die Geschichte – sind die anderen Anfragebeantwortungen gekommen. Die sind mit Ausnahme der Antwort von Minister Mahrer – Ehre, wem Ehre gebührt – aufs Wort exakt alle gleich aus­gefallen, fast wortident, nämlich übersetzt: Lieber Karl Öllinger, du kannst dich brausen gehen, wir beantworten das nicht. – Es war keine Antwort enthalten. Es waren Ver­weise auf andere Anfragen, nämlich zumeist die des Kollegen Scherak, der aber etwas


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 210

ganz anderes gefragt hat. Der hat nach monatlichen Kosten zu einem bestimmten Stichtag gefragt – egal, ich will Ihnen das nicht im Detail erzählen.

Ich war entsetzt über diese Antworten der Ministerien und habe mir gedacht, so leicht gebe ich nicht klein bei, ich stelle auch euch die Anfragen noch einmal. – Das habe ich gemacht, und jetzt, in dieser Woche, sind die Antworten gekommen: Wir sehen überhaupt keinen Grund, da irgendetwas zu ändern, es war alles okay und exakt. – Nichts war exakt, absolute Antwortverweigerung! (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Und jetzt bin ich beim Punkt: Ja, okay, ich scheide aus – einige von Ihnen können diese Aufgabe übernehmen –, aber wenn es diese Kontrollrechte des Parlaments von Ihrer Seite aus nicht gibt, wenn Sie das nicht wahrnehmen und wenn Sie das nicht vorwärtstreiben, dann fällt ein wesentlicher Punkt, warum es überhaupt ein Parlament und verfassungsmäßig garantierte Rechte der Abgeordneten gibt, weg.

Nun will ich nicht enden wie die Figuren in der Muppet Show, wie Statler and – wie heißt der Zweite? (Rufe: Waldorf! – Abg. Walter Rosenkranz: Walser!) – Waldorf, ja, genau, und immer sozusagen hinein- unter dazwischenreden – außerdem fehlt mir jetzt im Moment der Zweite dafür, ich kann also nur einen geben –, aber das ist einfach ein entscheidender Punkt.

Jetzt hätte ich mir noch etwas vorgenommen, nämlich auf einen heiklen Punkt einzu­gehen, das ist mir schon bewusst. Ich kürze das ab. – Ich werde wahrscheinlich von den Freiheitlichen keinen Dank dafür bekommen, dass ich zu den unbezahlten Reini­gungskräften der FPÖ gehöre, denn das, was ich gemacht habe über Jahre hinweg, war, Sie darauf aufmerksam zu machen, welche Personen teilweise in Ihren Reihen herumgeistern (Abg. Walter Rosenkranz: Ich bin noch da!) und wo Sie sich in Ihrer Politik ändern oder verbessern sollen, damit wir einen normalen Dialog führen können.

Eines kann ich Ihnen nämlich sagen: Mit normalen Konservativen oder Rechten – mit normalen! – kann man reden. Man kann sogar profitieren davon, wenn man mit ihnen redet, man kann selbst dazulernen, aber ich muss dann dort, wie jetzt bei dieser unseligen Debatte, die wir in den letzten Wochen um Silberstein und das Soros-Zitat in dieser Facebook-Gruppe gehabt haben, feststellen, dass die FPÖ und ihre Spitzen­politiker beispielsweise schon seit Jahr und Tag zu Soros – nämlich gegen Soros – kampagnisieren, dass sie ihn als Kriegshetzer bezeichnen, dass sie ihn als dubiose Figur bezeichnen (Abg. Hübner: Als dubiose Figur!), dass auf den Seiten von Strache und Gudenus hauptsächlich dort, wo diese Postings stattfinden, Dutzende Einträge von denen gepostet wurden, dass dort wirklich antisemitische Antworten (Abg. Stefan: Der ist doch nicht fixiert auf seine Religion! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ) oben sind und nicht gelöscht werden.

Und dass es natürlich so, wie man in den Wald hineinruft, noch deutlicher heraus­kommt, das sehe ich als ein Riesenproblem (Abg. Stefan: ... Kritik ist dann anti­semitisch!), das leider oder hauptsächlich nur mit dieser einen Partei verbunden ist. Meine Damen und Herren von der FPÖ, wenn Sie zu einer normalen Partei werden wollen (Abg. Schimanek: Wir sind eine normale Partei!), einer rechten Partei, dann, so finde ich, müssen Sie sich gravierend ändern. (Abg. Walter Rosenkranz: Wir sind auf jeden Fall eine erfolgreiche Partei! Das können wir einmal sagen!)

Ein Abschlusswort im Guten: Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich in diesen Jahren begleitet haben, natürlich bei den MitarbeiterInnen und bei den Menschen hier im Haus. Ich wünsche auch Ihnen allen persönlich – persönlich, nicht politisch! – alles Gute, vor allem aber wünsche ich den Menschen in diesem Land, dass die Zukunft für sie gut wird. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS, von den Grünen und von Abge­ordneten der SPÖ stehend dargebracht.)

19.36

19.37.01

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 211

Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich bedanke mich für Ihre in diesem Haus geleistete Arbeit, wünsche Ihnen persönlich alles Gute und wün­sche Ihnen vor allem Gesundheit. – Alles Gute, besten Dank!

Damit ist zu diesen Tagesordnungspunkten niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Verhandlungsgegenstand getrennt vornehme.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend Pensionsanpassungsgesetz 2018 in 1767 der Beilagen.

Hiezu liegen zwei Zusatzanträge der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen, ein Zusatzantrag der Abgeordneten Köchl, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Wöginger, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungs­anträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da der erwähnte Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Wöginger, Kolleginnen und Kollegen eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung neuer Ziffern 1 bis 3 und 5 sowie die sich daraus ergebenden Neunummerierungen der Ziffern in Art. 1 eingebracht.

Wer hiefür eintritt, den ersuche ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mehr­heitlich angenommen.

Die Abgeordneten Muchitsch, Wöginger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­de­rungsantrag betreffend Art. 1 eingebracht.

Wer für diesen ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Weiters haben die Abgeordneten Muchitsch, Wöginger, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung eines neuen Abs. 6 in Art. 1 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Bejahung. – Auch das ist die Einstimmigkeit.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Köchl, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betref­fend die Einfügung neuer Ziffern 1 und 2 sowie die sich daraus ergebenden Neunum­merierungen in Artikel 2 eingebracht.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 212

Die Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag be­tref­fend die Einfügung neuer Ziffern 1 und 3 sowie die sich daraus ergebenden Neu­nummerierungen in Artikel 2 eingebracht.

Wer hiefür eintritt, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Die Abgeordneten Muchitsch, Wöginger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend die Artikel 2 bis 6 einge­bracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig ange­nommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein diesbe­zügliches Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit fest.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung des Pensions­systems.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (E 218.)

Nun kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5, über den im An­trag 2307/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Impfschadengesetz, das Verbrechensopfergesetz und das Heimopferrentengesetz geändert wird, samt Titel und Eingang.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

19.42.386. Punkt

Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutangestelltengesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Berufsausbildungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (2306/A)

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 213

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Frist bis 11. Oktober 2017 zur Berichterstattung gesetzt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.

 


19.43.25

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute am Nachmittag schon darüber diskutiert, auch über den Antrag betreffend Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten.

Ich halte ganz klar für die Volkspartei fest: Wir wollen diese Angleichung. Wir haben das auch im Wahlprogramm, und wir haben in der letzten Zeit immer wieder bewiesen, dass wir zustimmen. Wir haben zum Beispiel die Sätze in der Periode 2002 bis 2006 vereinheitlicht, als es um die Krankenversicherungsbeitragssätze et cetera gegangen ist.

2013 haben wir im ABGB die Abänderung bezüglich der Hochwasseropfer gemacht, denn der Arbeiter durfte nicht nach Hause gehen, wenn sein Haus überschwemmt wor­den war, der Angestellte aber sehr wohl. – Das ist bereinigt.

Im Wesentlichen gibt es jetzt nur noch zwei Punkte: Der eine betrifft die Kün­digungs­fristen und der andere die Entgeltfortzahlung. Das sind aber doch Themen, die aus unserer Sicht in der Sozialpartnerschaft diskutiert werden müssen. Deshalb haben wir das in unserem Programm auch explizit ausgewiesen und verankert.

Der Behandlung des vorliegenden Antrages wurde bei der letzten Sitzung eine Frist gesetzt. Das heißt, es gibt keine Begutachtung, keine Einbindung der Sozialpartner, keine Ausschusssitzung, keine Diskussion darüber, und vor allem fehlt bei diesem Antrag der einheitliche Arbeitnehmerbegriff.

Führen wir alle Änderungen im Bereich von Arbeitern und Angestellten durch und führen wir das zusammen und gleichen wir das an, dann reden wir von einem ein­heitlichen Arbeitnehmerbegriff, dann unterscheiden wir nicht mehr zwischen Arbeitern und Angestellten – auch nicht in den Betrieben, auch nicht in den Betriebsrats­körper­schaften –, dann haben wir einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Loacker.) – Aus unserer Sicht geht das nicht ohne Begutachtung und auch nicht ohne Diskussion.

Ich glaube, dass Herr Präsident Foglar ein ähnliches Ansinnen hat, denn sonst gäbe es jetzt nicht einen Abänderungsantrag, demzufolge man sich bei den Kündigungsfristen darauf verständigt hat, dies letztendlich erst 2021 in Kraft treten zu lassen, da es auch in der Praxis gar nicht funktionieren würde.

Man muss es ganz klar sagen und betonen: Das ist schlicht und einfach nicht zumut­bar, weder den Unternehmungen noch den Sozialpartnern, und es zeigt insgesamt ein schlechtes Bild von einem Miteinander zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Da wir das aber bekräftigen und auch ordentlich vorbereiten wollen – wir stehen zu dieser Angleichung der Arbeiter und Angestellten! –, bringe ich folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 214

Entschließungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Angleichung Arbeiter und Angestellte, einheitliches Arbeitsrecht

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert,

1. dem Nationalrat bis Ende 2018 eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine um­fassende Angleichung der materiellen gesetzlichen Rechte von Arbeitern und Ange­stellten sowie gemeinsame Betriebsratsstrukturen für beide Gruppen als Regelfall vorsieht;

2. die gesetzlichen Definitionen für Arbeitnehmer im Arbeitsrecht, im Arbeitnehmer­schutzrecht, im Sozial(versicherungs)recht und im Steuerrecht zu evaluieren und einen möglichst einheitlichen und auf die Vertragsfreiheit Bedacht nehmenden Arbeitnehmer­begriff unter Berücksichtigung des Europarechts neu zu entwickeln, um auf dieser Grundlage dann auch das Arbeitsrecht neu zu kodifizieren.“

*****

Meine Damen und Herren, das wird notwendig sein.

Ich gebe dem Kollegen Öllinger recht. Lieber Karl, ich bedanke mich bei dir. Wir waren selten einer Meinung, aber wir haben immer gut miteinander im Sozialausschuss diskutieren können. (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen.)

Du hast die 88. ASVG-Novelle angesprochen und hast vollkommen recht: Es gibt nicht mehr viele Experten, die das ASVG noch lesen können. Das gilt aber auch beim ein­heitlichen Arbeitnehmerbegriff. Wir brauchen eine Neukodifizierung im Arbeits- und Sozialrecht. Das wird Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein, und das ist auch wirklich notwendig, da wir sonst nicht mehr ordentlich arbeiten können. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Loacker. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Noch einmal: Vonseiten der Volkspartei gibt es ein klares Bekenntnis zur Angleichung der Arbeiter und Angestellten, aber keine Ho-ruck-Aktion, sondern das muss am Ende des Tages mit einer ordentlichen Vorbereitung und mit einem einheitlichen Arbeit­neh­fmerbegriff geschehen. Dann ist das eine runde Geschichte, und dann passt es auch. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Loacker.)

19.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Angleichung Arbeiter und Angestellte, einheitliches Arbeitsrecht

eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 6 (Antrag 2306/A)

In Österreich gibt es rund 1,4 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter und 2,0 Millionen Angestellte. In einigen Bereichen unterscheidet das Gesetz noch zwischen Arbeitern


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 215

und Angestellten. Die Unterscheidung basiert insbesondere auf dem Angestellten­gesetz von 1921. Unterschiede bestehen bei Kündigungsfristen, in der Entgeltfort­zahlung, bei den Entlassungs- und Austrittsgründen sowie bei den Belegschafts­orga­nen nach dem Arbeitsverfassungsgesetz.

Die Unterschiede sind großteils überholt. Ziel muss daher eine umfassende gesetzliche Angleichung sein, die den Standort in Österreich stärkt und Beschäftigung fördert. Die Angleichung der materiellen Rechte ist dabei untrennbar mit der Zusammenlegung der getrennten Betriebsräte für Arbeiter und Angestellte verbunden. Gemeinsame Betriebs­räte erweitern den Kreis der vertretenen Arbeitnehmer (in vielen Betrieben gibt es derzeit nur Betriebsräte für Arbeiter) und verringern die Betriebsbürokratie, ohne die Vertretungsmacht von Betriebsräten zu beeinträchtigen.

Hierfür braucht es ein stimmiges Gesamtkonzept, das mit den Vertretern von Arbeit­nehmern und Arbeitgebern unter Bedachtnahme auf unterschiedliche Branchenstruk­turen und die gewachsene Kollektivvertragslandschaft zu entwickeln ist.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert,

1. dem Nationalrat bis Ende 2018 eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine umfas­sende Angleichung der materiellen gesetzlichen Rechte von Arbeitern und Angestellten sowie gemeinsame Betriebsratsstrukturen für beide Gruppen als Regelfall vorsieht;

2. die gesetzlichen Definitionen für Arbeitnehmer im Arbeitsrecht, im Arbeitnehmer­schutzrecht, im Sozial(versicherungs)recht und im Steuerrecht zu evaluieren und einen möglichst einheitlichen und auf die Vertragsfreiheit Bedacht nehmenden Arbeitnehmer­begriff unter Berücksichtigung des Europarechts neu zu entwickeln, um auf dieser Grundlage dann auch das Arbeitsrecht neu zu kodifizieren.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Muchitsch. – Bitte.

 


19.48.00

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dieser Antrag hat ganz klare Ziele for­muliert und es ist, glaube ich, nicht fair und nicht in Ordnung, wenn man jetzt versucht, bei diesem Tagesordnungspunkt alles andere gleich mitzuerledigen.

Fakt ist, dass Arbeiter und Angestellte jetzt schon die Möglichkeit haben, einen ge­mein­samen Betriebsrat zu wählen, und sie tun es auch schon in vielen Betrieben.

Fakt ist, dass die Arbeitnehmer selbst entscheiden sollen, ob sie getrennte Körper­schaften haben wollen, eine Arbeiterkörperschaft oder eine Angestelltenkörperschaft. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Tamandl: Das ist deiner nicht würdig! – Ruf bei der FPÖ – in Richtung ÖVP –: Warum seid’s denn so nervös? – Abg. Loacker: 1859!)

Aber nun zum Antrag: Geschätzte Sozialpartner in der ÖVP! Ihr wisst ganz genau, der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Gewerkschaften fordern schon lange, dass die Rechte von Arbeitern und Angestellten gleichgestellt werden. Jahrelang wurde


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 216

auf Expertenebene, auf Spitzenebene verhandelt – wir kennen die Veranstaltungen in Bad Ischl, wir kennen die Veranstaltungen in Alpbach.

Fakt ist, wir waren uns im Mai praktisch einig, dass wir bei der Entgeltfortzahlung eine Angleichung vornehmen. Auf einmal war im Mai Funkstille bei der ÖVP, es wurde nicht mehr weiterverhandelt und man hat es auch nicht zu einem Abschluss kommen lassen – obwohl das Inhalte des Regierungsübereinkommens waren.

Was mich so verwundert – vielleicht könnt ihr mich da bitte aufklären –, ist Folgendes: Am 27. August 2017 kommt in Alpbach die Meldung: Arbeiter sind mit Angestellten gleichzustellen; Sebastian Kurz fordert das.

In 22 Pressemeldungen – ich habe alle hier – wurde verkündet: Ja, Sebastian Kurz will Arbeiter und Angestellte gleichstellen.

Vom 28. August bis zu unserem Fristsetzungsantrag am 20. September hat es keine einzige Wortmeldung aus der Wirtschaftskammer gegeben und hat uns kein einziger Unternehmer geschrieben, dass das nicht richtig ist.

Am 20. September stellten wir diesen Fristsetzungsantrag und auf einmal herrscht Unruhe, auf einmal kamen unendlich viele Pressemeldungen aus dem schwarzen Reich der Wirtschaftskammer, auf einmal gab es Pressekonferenzen, auf einmal war diese Idee so böse. Das versteht niemand.

Es versteht niemand, dass ein Arbeiter im 21. Jahrhundert für weniger Zeit Kran­kenentgelt vom Dienstgeber als ein Angestellter bekommt. Das müsst ihr einmal erklären, das versteht niemand! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Schatz.)

Auch versteht niemand die Argumente, die es bei der Pressekonferenz der Wirtschafts­kammer mit allen Sparten gab. – Ich habe mir das trotzdem angeschaut. Ich habe auch alle Briefe gelesen, dabei waren viele Massenbriefe, bei denen nur der Briefkopf ausgetauscht wurde.

Im Konkreten sagt die Sparte Tourismus: Wir sind nicht gegen Angleichung, aber man solle sich an einen Tisch zusammensetzen. Die Sparte Gewerbe und Handwerk sagt: Bei witterungsabhängigen Branchen wären überlange Kündigungsfristen ein Riesen­problem. Wir brauchen diese Brücke.

Die Wirtschaftskammer selbst sagt: Gebt uns einige Monate Zeit, und wir machen ein gescheites Modell!

Jetzt machen wir es genau so, wie es manche wollten: Wir geben uns bei den Kündi­gungsfristen Zeit bis 2021, damit sich die Branchen darauf vorbereiten können. Wir machen Ausnahmen bei saisonbedingten Branchen. Wir ändern auch die Fristen bis zum Inkrafttreten. – Das heißt, wir haben entsprechend reagiert.

Ich möchte dazu folgenden Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolle­ginnen und Kollegen einbringen – ich erläutere ihn in den Kernpunkten –:

Geändert und ergänzt wird Folgendes: Angleichung bei Entgeltfortzahlung im Krank­heits­fall mit Inkrafttreten ab 1. Juli 2018; Angleichung bei wichtigen persönlichen Dienst­verhinderungsgründen mit Inkrafttreten ab 1. Juli 2018; Kündigungsregelungen: ab 1. Jänner 2021.

Betreffend Saisonbetriebe: In witterungsabhängigen Branchen können im Kollektivver­trag abweichende Regelungen festgelegt werden; Inkrafttreten – wie bei den Kündigungsregelungen –: ab 1. Jänner 2021.

Der letzte Punkt ist die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Dienstgeber, das ist auch bei einvernehmlicher Beendigung aufrecht; Inkrafttreten: ab 1. Juli 2018.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 217

Wissen Sie, ich hätte mir eigentlich schon erwartet, dass es aufgrund dieser Abän­derungen eine Kehrtwende in der Gedankenwelt der ÖVP gibt, denn Arbeiter haben jetzt endlich die Möglichkeit, gleichgestellt zu werden. Und wenn eine Verkäuferin – Kollegin Schatz hat es richtig ausgeführt – am Freitag gekündigt wird und am Samstag daheimbleiben muss, weil sie nur einen Tag Kündigungsfrist mit Ende der Arbeits­woche hat, dann frage ich: Was ist daran fair und gerecht im 21. Jahrhundert?

Ich appelliere auch an die ÖVP, diesem Abänderungsantrag und diesem Punkt zuzu­stimmen. Ich glaube, die Arbeiter und die Angestellten in Österreich haben sich das verdient.  – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Schatz.)

19.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt. Er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch

und Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 2306/A der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des National­rates betreffend ein Bundesgesetz, mit das Angestelltengesetz, das Gutangestell­tenge­setz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Berufsausbildungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

A. Der Titel des Gesetzes lautet:

„Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz, das Ent­gelt­fortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Berufs­aus­bildungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Landarbeits­gesetz 1984 geändert werden“

B. In Art. 1 Z 3 lautet § 9 Abs. 1:

„(1) Wird der Angestellte während einer Dienstverhinderung gemäß § 8 Abs. 1 bis 2a gekündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen oder trifft den Dienstgeber ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Angestellten, so bleibt der Anspruch auf Fortzahlung  des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Dienstverhältnis früher endet. Der Anspruch auf Entgelt­fortzahlung bleibt auch bestehen, wenn das Dienstverhältnis während einer Dienst­verhinderung gemäß § 8 Abs. 1 bis 2a oder im Hinblick auf eine Dienstverhinderung gemäß § 8 Abs. 1 bis 2a einvernehmlich beendet wird.“

C. In Art. 1 Z 5 lautet Art. X Abs. 2 Z 14 und 15:

              „14.       § 8 Abs. 1 bis 2a und 9 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2017, treten mit 1. Juli 2018 in Kraft und sind auf Dienstverhinderungen anzu­wenden, die in nach dem 30. Juni 2018 begonnenen Arbeitsjahren eingetreten sind. Für zu diesem Zeitpunkt laufende Dienstverhinderungen gilt § 8 Abs. 1 bis 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2017 ab Beginn dieses Arbeitsjahres.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 218

              15.        § 9 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. XXX/2017, tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft und ist auf einvernehmliche Beendigungen von Dienst­verhältnissen während einer Dienstverhinderung gemäß § 8 Abs. 1 bis 2a oder im Hinblick auf eine Dienstverhinderung gemäß § 8 Abs. 1 bis 2a anzuwenden, die eine Auflösung des Dienstverhältnisses nach dem 30. Juni 2018 bewirken.“

D. In Art. 2 Z 3 lautet § 9 Abs. 1:

„(1) Wird der Dienstnehmer während einer Dienstverhinderung gemäß § 8 Abs. 1 bis 2a gekündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen oder trifft den Dienstgeber ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Angestellten, so bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Dienstverhältnis früher endet. Der Anspruch auf Entgelt­fortzahlung bleibt auch bestehen, wenn das Dienstverhältnis während einer Dienst­verhinderung gemäß § 8 Abs. 1 bis 2a oder im Hinblick auf eine Dienstverhinderung gemäß § 8 Abs. 1 bis 2a einvernehmlich beendet wird.“

E. In Art. 2 Z 5 lautet § 42 Abs. 13 und 14:

„(13) § 8 Abs. 1 bis 2a und 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2017, treten mit 1. Juli 2018 in Kraft und sind auf Dienstverhinderungen anzu­wenden, die in nach dem 30. Juni 2018 begonnenen Arbeitsjahren eingetreten sind. Für zu diesem Zeitpunkt laufende Dienstverhinderungen gilt § 8 Abs. 1 bis 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2017 ab Beginn dieses Arbeitsjahres.

(14) § 9 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. XXX/2017, tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft und ist auf einvernehmliche Beendigungen von Dienstverhältnissen während einer Dienstverhinderung gemäß § 8 Abs. 1 bis 2a oder im Hinblick auf eine Dienstverhinderung gemäß § 8 Abs. 1 bis 2a anzuwenden, die eine Auflösung des Dienstverhältnisses nach dem 30. Juni 2018 bewirken.“

F. In Art. 3 wird die Z 3 durch folgende Z 3 und 4 ersetzt:

„3. § 5 lautet:

„§ 5. Wird der Arbeitnehmer während einer Arbeitsverhinderung gemäß § 2 gekündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen oder trifft den Arbeitgeber ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers, so bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenn­gleich das Arbeitsverhältnis früher endet. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bleibt auch bestehen, wenn das Arbeitsverhältnis während einer Arbeitsverhinderung gemäß § 2 oder im Hinblick auf eine Arbeitsverhinderung gemäß § 2 einvernehmlich beendet wird.“

4. Dem § 20 werden folgende Abs. 10 und 11 angefügt:

„(10) § 2 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2017 tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft und ist auf Arbeitsverhinderungen anzuwenden, die in nach dem 30. Juni 2018 begonnenen Arbeitsjahren, im Falle des § 2 Abs. 8 nach dem 31. Dezember 2018 eingetreten sind. Für zu diesem Zeitpunkt laufende Arbeitsverhinderungen gilt § 2 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2017 ab Beginn dieses Arbeitsjahres bzw. Kalenderjahres.

(11) § 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2017 tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft und ist auf einvernehmliche Beendigungen von Arbeitsverhältnissen während einer Arbeitsverhinderung gemäß § 2 oder im Hinblick auf eine Arbeitsverhinderung gemäß § 2  anzuwenden, die eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach dem 30. Juni 2018 bewirken.““


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 219

G. In Art. 4 wird die Z 2 durch folgende Z 2 und 3 ersetzt:

„2. § 11 Abs. 3 lautet:

„(3) Wird der Dienstnehmer während einer Dienstverhinderung gekündigt, ohne wich­tigen Grund vorzeitig entlassen oder trifft den Dienstgeber ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Dienstnehmers, so bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts während der im § 10 angeführten Zeiträume bestehen, wenngleich das Dienstverhältnis früher endet. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bleibt auch bestehen, wenn das Dienstverhältnis während einer Dienstverhinderung oder im Hin­blick auf eine Dienstverhinderung einvernehmlich beendet wird.“

3. Dem § 27 werden folgende Abs. 12 und 13 angefügt:

„(12) § 10 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2017 tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft und ist auf Dienstverhinderungen anzuwenden, die in nach dem 30. Juni 2018 begonnenen Dienstjahren eingetreten sind. Für zu diesem Zeitpunkt laufende Dienstverhinderungen gilt § 10 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2017 ab Beginn dieses Arbeitsjahres.

(13) § 11 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/2017, tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft und ist auf einvernehmliche Beendigungen von Dienstverhältnissen während einer Dienstverhinderung oder im Hinblick auf eine Dienstverhinderung anzuwenden, die eine Auflösung des Dienstverhältnisses nach dem 30. Juni 2018 bewirken.““

H. Art. 5 Z 2 lautet:

„2. Dem § 36 wird folgender Abs. 11 angefügt:

,,(11) § 17a Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. XXX/2017 tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft und ist auf Arbeitsverhinderungen anzuwenden, die in nach dem 30. Juni 2018 begonnenen Lehrjahren eingetreten sind.““

I. In Art. 6 Z 3 wird dem § 1159 Abs. 2 und 4 jeweils folgender Satz angefügt:

„Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974 überwiegen, ab­weichende Regelungen festgelegt werden.“

J. Art. 6 Z 5 und 6 lauten:

„5. In § 1164 Abs. 1 wird das Zitat „1154b Abs. 1 bis 4“ durch das Zitat “1154b Abs. 1 bis 5“ ersetzt.

6. Dem § 1503 wird folgender Abs. 10 angefügt:

„(10) § 1164 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. XXX/2017, tritt mit 1. Juli 2018 in Kraft. Mit Ablauf des 30. Juni 2018 tritt § 1154b Abs. 6 außer Kraft. § 1159 in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. XXX/2017, tritt mit 1. Jänner 2021 in Kraft und ist auf Beendigungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2020 ausgesprochen werden. Mit diesem Zeitpunkt treten auch § 1158 Abs. 4 und § 1159a bis § 1159c dieses Bundesgesetzes sowie § 77 der Gewerbeordnung 1859, RGBl. Nr. 227/1859, außer Kraft. Sie sind jedoch weiterhin auf Beendigungen anzu­wenden, die vor dem 1. Jänner 2021 ausgesprochen wurden.““

K. (Grundsatzbestimmung) In Art. 7 Z 3 lautet § 24:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 220

„§ 24. Wird der Dienstnehmer während einer Dienstverhinderung gemäß § 21 gekün­digt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen oder trifft den Dienstgeber ein Verschul­den an dem vorzeitigen Austritt des Dienstnehmers, so bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Dienstverhältnis früher endet. Der Anspruch auf Entgelt­fort­zahlung bleibt auch bestehen, wenn das Dienstverhältnis während einer Dienstverhin­derung gemäß § 21 Abs. 1, 4 und 5 oder im Hinblick auf eine Dienstverhinderung gemäß § 21 Abs. 1, 4 und 5 einvernehmlich beendet wird.“

L. (Grundsatzbestimmung) In Art. 7 Z 4 wird dem § 28 Abs. 2 und 4 jeweils folgender Satz angefügt:

„Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 158 Abs. 6 überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.“

M. (unmittelbar anwendbares Bundesrecht und Grundsatzbestimmungen) In Art. 7 Z 5 lautet § 285 Abs. 68:

„(68) (Grundsatzbestimmung) Die Ausführungsgesetze zu BGBl. I Nr. XXX/2017 haben vorzusehen, dass:

1.          die Ausführungsbestimmungen zu § 21 Abs. 1 und 4 auf Dienstverhinderungen anzuwen­den sind, die in nach dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen, frü­hestens jedoch nach dem 30. Juni 2018 begonnenen Arbeitsjahren eingetreten sind und für zu diesem Zeitpunkt laufende Dienstverhinderungen die Ausführungsbe­stim­mungen zu § 21 Abs. 1 und 4 ab Beginn dieses Arbeitsjahres anzuwenden sind;

2.          die Ausführungsbestimmungen zu § 24 auf einvernehmliche Beendigungen des Dienstverhältnisses während einer Dienstverhinderung gemäß § 21 Abs. 1, 4 und 5 oder im Hinblick auf eine Dienstverhinderung gemäß § 21 Abs. 1, 4 und 5 anzuwenden sind, die eine Auflösung des Dienstverhältnisses nach dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen, frühestens jedoch nach dem 30. Juni 2018 bewirken;

3.          die Ausführungsbestimmungen zu § 28 auf Beendigungen des Dienstverhält­nisses anzuwenden sind, die nach dem 31. Dezember 2020 ausgesprochen werden.“

Begründung

Mit dem Abänderungsantrag wird im Angestelltengesetz, im Gutsangestelltengesetz, im Entgeltfortzahlungsgesetz, im Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz sowie im Landarbeitsgesetz 1984 vorgesehen, dass die Entgeltfortzahlung bei Dienstver­hinde­rung im Krankenstand über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus analog zur Arbeitgeberkündigung auch im Falle der einvernehmlichen Beendigung des Dienst­verhältnisses gebührt. Diese Bestimmung findet Anwendung auf einvernehmliche Beendigungen, die eine Beendigung des Dienstverhältnisses nach dem 30. Juni 2018 bewirken.

Weiters wird vorgesehen, dass die im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch und im Landarbeitsgesetz 1984 vorgenommene Angleichung der Kündigungsfristen der Arbeiter an die der Angestellten nicht bereits mit 1. Jänner 2018, sondern erst mit 1. Jänner 2021 in Kraft treten soll.

Diese Legisvakanz ermöglicht Branchen, bei denen derzeit Saisonbetriebe überwie­gen, sich auf die verlängerten Kündigungsfristen einzustellen. Unter diese Saisonbe­triebe fallen etwa Tourismusbetriebe, Betriebe des Baugewerbes und andere Saison-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 221

betriebe gemäß Arbeitsverfassungsgesetz.  Eine Fortführung der Branchenlösung für Saisonbetriebe über den 1.1.2021 ist damit möglich.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Mag. Loacker gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


19.53.39

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Was Sie zur Bank Austria gesagt haben, stimmt so nicht. Wenn wir dieses Gesetz nicht beschlossen hätten, dann hätte die Bank Austria nicht zu 7 Prozent übertragen, sondern gar nicht. – Das hat der Verfassungsgerichtshof gesagt. Dann wären die italienischen Pensionen bei der italienischen Bank geblieben, jetzt hat sie der öster­reichische Steuerzahler am Hals.

Zu diesem Gesetz: Das Gesetz wird unter einer attraktiven Überschrift verkauft, aber es ist ein Wahlkampfschmäh, eine Wahlkampfüberschrift, die schön klingt: Angleichung Arbeiter und Angestellte.

Die Schaffung eines gemeinsamen Arbeitsnehmerbegriffs bleibt weiterhin aus. Was erhalten bleibt, ist ein Teil der Gewerbeordnung von 1859. Da gelten zum Beispiel weiterhin für Arbeiter die Regelungen für Entlassungen – etwa wenn man mit einer abschreckenden Krankheit behaftet ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Das wäre für die Sozialdemokraten keine Hexerei gewesen, auch die Entlassungs­gründe anzugleichen, aber das wollen sie gar nicht. Auf einen gemeinsamen Arbeit­nehmerbegriff legen sie es gar nicht an, weil ihre innere Struktur so verfasst ist – die Arbeitergewerkschaften und die Angestelltengewerkschaften –, sie brauchen die zwei Gruppen, damit sie ihre eigene Struktur nicht antasten müssen.

Bei einem gemeinsamen Arbeitnehmerbegriff hätte man sich auch anschauen müssen, wie man das Pensionsrecht regelt. Was ist der Unterschied zwischen Berufsunfähig­keitspension bei Angestellten und Invaliditätspension bei Arbeitern? Welche Unter­schiede sind gerechtfertigt und welche nicht? – Aber das wollen Sie gar nicht! Sie wollen die getrennten Betriebsräte haben, denn so kann man die Zahl der freigestellten Betriebsräte künstlich in die Höhe schrauben, obwohl das nicht mehr zeitgemäß ist. (Zwischenruf des Abg. Katzian.) Es geht Ihnen nur um den eigenen Vorteil!

Was Sie auch außer Acht lassen: Wenn es einen gemeinsamen Arbeitnehmerbegriff gäbe (Abg. Katzian: Sie kennen sich überhaupt nicht aus!) – Kollege Katzian, sperren Sie einmal die Ohren auf statt den Mund! –, dann hätten wir auch eine gute Werbung für die Lehrlinge. Dann gäbe es nämlich nach dem Ende des Lehrabschlusses nicht den Unterschied zwischen Lehrlingen, die nachher Arbeiter sind, und Absolventen einer höheren Schule, die Angestellte sind, sondern dann gäbe es Arbeitnehmer und alle hätten denselben Status. Da könnten Sie einmal etwas für die Arbeitnehmerschaft machen!

Aber das interessiert Sie gar nicht! Interessiert sind Sie an einem billigen Wahlkampf­schmäh. Sie können mit den NEOS einen gemeinsamen Arbeitnehmerbegriff haben, aber dann voll und ganz mit allen Konsequenzen. Für einen billigen Wahlkampfschmäh sind wir nicht zu haben! (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

19.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 222

19.56.04

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nur ein Wort zu Ihnen, Herr Kollege Loacker: Die Bank-Austria-Geschichte haben Sie offensichtlich bis heute nicht verstanden. Hätten wir das Gesetz nicht geändert, hätte die Bank Austria nur 7 Prozent bezahlt, und was danach gefolgt wäre, darüber will ich gar nicht sprechen. Viele Betriebe hätten das dann so gemacht. Daher war es gut, dass wir das geändert haben – übrigens auf Druck der Freiheitlichen Partei; das sei nur einmal so dazugesagt. (Beifall bei der FPÖ. – Bravoruf des Abg. Walter Rosenkranz. – Heiterkeit des Bundesministers Stöger.)

Ich weiß schon, Herr Minister, Sie finden das witzig, wissen es aber ganz genau. Sie haben da auch ziemliche Emotionen gezeigt. Es war unser Druck, Sie haben dann im letzten Moment nachgegeben. Auch wenn Sie das heute nicht mehr hören wollen, das war so. Ich kann Sie nachher genau daran erinnern.

Jetzt zum heutigen Beschluss, zur Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten – darum geht es jetzt eigentlich –: Ich glaube, es ist heute ein historischer Tag, dass wir von der FPÖ es auch ermöglichen, dass wir nach 70 Jahren in Österreich endlich den Klassenkampf überwinden können. Vergessen wir nicht, was dieser Klassenkampf in der österreichischen Geschichte schon alles angerichtet hat! Man denke nur an die Gewaltausbrüche in der Ersten Republik, die auch diesem Klassenkampf geschuldet waren.

Eines muss man schon auch sagen – weil sich die ÖVP so wehrt –: Es waren die Politiker von SPÖ und ÖVP, die oftmals auf diesen Klassenkampf ihre Wahlprogramme aufgebaut und damit ganz gut gelebt haben. Das aber werden wir jetzt überwinden. Ich möchte nur daran erinnern, es war in Wirklichkeit Jörg Haider, der schon 1979 das erste Mal gefordert hat, Arbeiter und Angestellte gleichzusetzen und gleichzube­han­deln.

Daher, glaube ich, ist es jetzt wichtig, richtig und gut, dass wir dieses Gesetz zu einem sehr guten Abschluss geführt haben, denn wir haben schon auch sehr hart verhandelt. Es ist klar, dass man nicht einfach über die Wirtschaft drüberfahren kann. Herr Wöginger, wenn Sie jetzt kritisieren, dass es so lange Übergangsregelungen gibt, so muss ich sagen, ja, Gott sei Dank gibt es diese. (Abg. Wöginger: Wo ist das dann? Wo?) Wir haben es auch absichtlich hineinverhandelt, dass es die Vereinheitlichung erst ab dem Jahr 2021 geben soll, damit sich auch die Wirtschaft noch darauf einstellen kann.

Bereits ein Jahr vorher wird es aber so sein, dass die Auflösungsabgabe abgeschafft wird. Das bedeutet für die Wirtschaft im Jahr eine Ersparnis von circa 70 Millionen €. Das heißt, bis es zu dieser Gleichstellung kommt, sind es schon einmal 140 Mil­lionen €, die sich die Wirtschaft erspart hat.

Und ja, aufgrund dieser langen Übergangsfristen gibt es noch die Möglichkeit und die Notwendigkeit, bis dahin noch weitere Begleitmaßnahmen für die Wirtschaft zu setzen. Das ist natürlich notwendig und wichtig. (Abg. Wöginger: Habt ihr mit den Roten verhandelt? Hat’s Geheimverhandlungen gegeben? Wir waren nicht dabei!) – Sie können jetzt, Herr Abgeordneter Wöginger, da Sie nicht dabei sind, obwohl Sie es for­dern, hereinbrüllen und alles schlechtmachen, aber ich glaube, das Gesetz ist ein sehr gutes, und es waren auch sehr lange und sehr zähe Verhandlungen. (Abg. Wöginger: Wo hat es Verhandlungen gegeben?) – Dass Sie sich da ausgeklinkt haben und dass Sie Ihre eigenen Entwürfe dann wieder zurückgezogen haben, das ist eine andere Geschichte, Herr Kollege Wöginger.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 223

Ich sage Ihnen, ich bin sehr froh darüber, dass wir das heute endlich für die Arbeit­nehmer und Arbeitgeber in diesem Land gemeinsam geschafft haben. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Wöginger und Walter Rosenkranz.)

Für uns ist auch die Branchenlösung für die Saisonbranchen – das hat Kollege Muchitsch schon gesagt – besonders wichtig. Das gilt zum Beispiel im Tourismus, also für Saisonbetriebe, und auch für die Baubranche, eben für besonders belastete Branchen, die können sich da herausreklamieren; es gibt diese Möglichkeiten.

Das halte ich für einen ganz wesentlichen Schritt, weil damit auch keine Arbeitsplätze vernichtet werden. Dass sich jetzt die ÖVP herstellt und alles nur schlechtredet und alles nur schlechtmacht, das finde ich schade, zumal ihre Redner heute selbst erklärt haben, dass Sie von der ÖVP das immer schon gefordert haben.

Es ist Ihr Sebastian Kurz, der das gefordert hat, und wann immer es zu einer Um­setzung kommen sollte, dann sind Sie plötzlich nicht mehr dabei, dann klinken Sie sich überall aus und dann kritisieren Sie. Sie stellen sich dann wirklich her und kritisieren die langen Übergangsfristen bis 2021, anstatt zu sagen: Ja, das ist klug, das ist für die Wirtschaft wichtig. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Das verstehe ich nicht. Stattdes­sen kommen Sie mit einem Entschließungsantrag daher, worin Sie eine Frist bis irgendwann 2018 setzen, obwohl Sie genau wissen, dass am 7. November 2017 der Entschließungsantrag hinfällig ist. (Abg. Wöginger: Aber da bis 2021!) Das ist kein Entschließungsantrag, Herr Kollege. Offensichtlich sind Sie überhaupt nicht informiert! Wissen Sie eigentlich, was Sie da reden? Der Entschließungsantrag ist am 7. No­vember hinfällig. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Wöginger und Walter Rosenkranz.– Wenn Sie zuhören würden, hätten Sie jetzt etwas gelernt, aber nicht einmal das können Sie. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Gesetzesänderung, Herr Kollege, wird heute beschlossen und ist nachhaltig. Ihr Entschließungsantrag ist am 7. November hinfällig. Das wissen Sie vielleicht nicht, daher sage ich es Ihnen noch einmal. Hätten Sie aufgepasst, hätten Sie jetzt etwas dazulernen können. Es wäre der ÖVP nicht schlecht angestanden, da auch mitzu­verhandeln und das auch mitzutragen, weil es eine Ungerechtigkeit in dieser Republik endlich beendet. (Abg. Wöginger: Ja, wenn wir nicht eingeladen waren!)

Es ist mir klar, dass Sie offensichtlich gerne den Klassenkampf haben, weil Sie Ihre Wahlkämpfe darauf aufbauen. Ich glaube, wir brauchen das nicht mehr. Der Klassen­kampf spaltet die Gesellschaft. Ich glaube, wir brauchen eine Zusammen­führung dieser Gesellschaft. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Walter Rosenkranz: Das sagt auch der Herr Bundespräsident! – Abg. Wöginger: Ist das ein Vorbild für euch? – Abg. Walter Rosenkranz:  ... in puncto Rauchen!)

20.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordnete Haubner. – Bitte.

 


20.01.18

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte anfangs einen renommierten Arbeitsrechts- und Sozialrechts­experten zitieren, nämlich Herrn Professor Dr. Marhold, der gesagt hat: „Das Ziel ist gut, der vorliegende Antrag ist es aber ganz und gar nicht.“ – Ich glaube, dem können wir uns anschließen. Ich glaube, unser Entschließer (Abg. Walter Rosenkranz: Ihr Antrag oder der Abänderungsantrag, welcher?) – Sie können dann gerne sprechen, Kollege Rosenkranz (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) – ist sicher mehr wert als Ihr Antrag, den Sie heute hier einbringen. (Beifall des Abg. Amon.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 224

Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin als Sozialpartner und Arbeitgebervertreter über diese Vorgangsweise doch einigermaßen überrascht. Frau Kollegin Belakowitsch hat immer von Verhandlungen gesprochen. Das müssen Geheimverhandlungen zwischen SPÖ und FPÖ gewesen sein. (Abg. Belakowitsch: Na, ihr wart dabei, aber ihr habt es wieder zurückgezogen! – Abg. Wöginger: Wo waren wir dabei?) Ich glaube, das müs­sen Geheimverhandlungen zwischen Ihnen und der SPÖ gewesen sein, denn dieses Ergebnis ist ja ein Ergebnis, das schwer in die Kollektivverträge eingreift. Als Sozial­partner kann ich dazu nur sagen, das ist ein Weg, den wir so nicht mitgehen können. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Belakowitsch und Wöginger.)

Herr Kollege Muchitsch, ich möchte dich direkt ansprechen, denn ich kenne dich an und für sich als Partner, mit dem man lang und hart verhandeln kann, zum Schluss hat aber meistens – man kann sagen fast immer – dein Handschlag gezählt. Jetzt hast du aber mit diesem Antrag der Sozialpartnerschaft einen schweren Schaden zugefügt. Du weißt das und machst es trotzdem. Das ist das, was meiner Meinung an und für sich das ist, was der Sozialpartnerschaft nicht guttut, und vor allem denen in die Hände spielt, die die Sozialpartnerschaft abschaffen wollen. (Abg. Heinzl: Sag das dem Kurz, der will sie auch abschaffen! – Zwischenruf des Abg. Weninger.)

Ich habe schon gesagt, das Ziel ist gut, aber die Art und Weise, wie man dieses Ziel erreichen will, können wir nicht zustimmen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte es noch einmal betonen: Sie können ja unserem Entschließungsantrag zustimmen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), der um vieles besser ist als der Antrag, der hier eingebracht wurde.

Geschätzte Kollegen von der FPÖ, eines möchte ich Ihnen schon sagen: Mit diesem Antrag – auch wenn Sie ihn jetzt auf drei Jahre verschieben (Abg. Belakowitsch: Übergangsfrist nennt man das!) –, meine ich, ist es einfach so, dass man für den Tourismus und für diese Branchen vielleicht eine Ausnahme geschaffen hat, aber was ist mit den vielen anderen Branchen, die jetzt davon betroffen sind? (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm– Abg. Belakowitsch: Jetzt nicht ... 2021!) Also ich bin schwer irritiert ob der Vorgangsweise. Der Herr Bundeskanzler hat heute gesagt, es gibt einen Tag nach dem 15. Oktober, und ich hoffe, dass die Sozialpartnerschaft den Tag nach dem 15. Oktober überlebt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Peter Wurm: Wow! – Abg. Höbart: Das wird dem Sebastian Kurz aber nicht gefallen! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

20.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Schatz. – Bitte.

 


20.04.34

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde den Antrag okay. Ich hätte mir einen noch breiteren Antrag gewünscht. Ich hätte mir auch gewünscht, dass wir genug Zeit gehabt hätten, ihn im Sozialausschuss zu diskutieren. Leider hat die ÖVP keinem Sozialausschusstermin mehr zugestimmt, also hatten wir keine Möglichkeit dazu.

Ich hätte auch gerne in den letzten – mindestens – acht Jahren, in denen wir Grüne immer wieder beantragt haben, endlich an einem neuen ArbeitnehmerInnenbegriff zu arbeiten, mit Ihnen diskutiert, aber es wurde immer wieder vertagt. Ich finde, das reicht jetzt! Ich bin froh darüber, dass wir endlich einmal einen gescheiten Schritt in die richtige Richtung machen. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 225

Meine Damen und Herren! Da gab es jetzt diesen großen Aufschrei von der ÖVP, von der Wirtschaftskammer und von der IV, und es gab das Argument der Planbarkeit: Nichts sei mehr planbar. Ich meine, jetzt wird die Frist der Umsetzung ohnehin bis 2021 verlängert. (Abg. Walter Rosenkranz: Das war der Wirtschaftsbund ...!)

Ich möchte schon darauf hinweisen – vor allem für die Zuseherinnen und Zuseher –, welche Regelung wir derzeit haben. Die Verkäuferin in ihrer Bäckerfiliale kann am Donnerstag erfahren, dass sie am Montag keinen Job mehr haben wird. Sie fällt innerhalb von drei Tagen auf das Arbeitslosengeld zurück, verdient aber an sich schon so wenig – wenn Sie sich den KV anschauen –, dass sie damit definitiv unter die Armutsschwelle kommt – und das innerhalb von drei Tagen übers Wochenende. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Das nenne ich Planbarkeit!? Sprechen Sie nicht von Planbarkeit, und dass die Wirtschaft damit überfordert sei, innerhalb von drei Jah­ren mit neuen Kündigungsfristen umzugehen. Das kann es nicht sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass das jetzt geschieht. 2021, das dauert mir ein bisschen zu lange. Ich möchte auch sagen, ich hätte in diesem Zusammenhang noch zwei weitere Anliegen gehabt, nämlich dass mehrere Inhalte der Gewerbe­ordnung 1859, die ja sozusagen die Basis für viele dieser Arbeiterregelungen ist, noch weiter überarbeitet werden. Es kann nicht sein, dass wir so antiquierte Regelungen als gültig in unserem Arbeitsrecht drinnen haben. Da gibt es in etwa Auflassungsgründe, die besagen, es sei gerechtfertigt, jemanden zu entlassen, weil er eine ansteckende Krankheit hat. Das kann nicht sein. Bitte nehmen Sie sich das wirklich schnell vor, dass wir hier modernisieren können!

Der zweite Punkt, der mir auch sehr, sehr wichtig ist: Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten 20 Jahren massiv verändert – Stichwort vor allem Atypisierung, atypische Be­schäf­tigungsverhältnisse, aber auch durch die Digitalisierung der letzten fünf, zehn Jahre sind immer wieder neue Beschäftigungsformen entstanden. Ich nenne nur Cloudworking, Crowdworking et cetera. Es ist dringend notwendig, dass wir ein Arbeits- und Sozialrecht haben, das all diese neuen Beschäftigungsformen wieder in unsere Schutzsysteme einbezieht. Diese Menschen leben in Graubereichen, sie arbei­ten in Graubereichen zwischen Selbständigkeit und Nichtselbständigkeit und haben keinen ordentlichen Schutz im Krankheitsfall, keinen ordentlichen Schutz vor zu gerin­gem Lohn und von bezahltem Urlaub gar nicht zu reden. Bitte schauen Sie, dass wir auch da weiterkommen! (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte dazu ganz konkret einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Moderni­sierung des ArbeitnehmerInnen-Begriffs

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, wird aufgefordert:

die Weiterführung der Angleichung von atypischen und neuen digitalen Beschäfti­gungs­formen zu verfolgen um das arbeits- und sozialrechtliche Schutzniveau für Arbeit­neh­merInnen im Falle von Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterentlohnung zu verbessern,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 226

dies umfasst auch die Vorlage von Gesetzesvorschlägen zur Überführung der arbeits­rechtlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1859 in das moderne Arbeitsrecht unter Aufrechterhaltung zumindest desselben Schutzniveaus.“

*****

Meine Damen und Herren! Wenn ich Ihnen das heute hier noch einmal ans Herz lege, dann auch deshalb, weil ich persönlich dem nächsten Nationalrat nicht mehr ange­hören werde. Ich war jetzt elf Jahre Abgeordnete und ArbeitnehmerInnensprecherin der Grünen. Ich denke doch, dass es gelungen ist, in diesen elf Jahren sowohl durch eigene Initiative als auch durch Projekte des Grünen Klubs im Bereich der Arbeits­politik, der Arbeitsmarktpolitik etwas voranzubringen. Als Highlight möchte ich unsere Unterstützung für das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz und seine Weiterentwicklung, die Ausbildungsgarantie, später dann die Ausbildungspflicht, und auch unser extremes Bemühen für einen existenzsichernden breiten Mindestlohn erwähnen. Wir haben jetzt einen Schritt gemacht, unserer Meinung nach noch nicht weit genug, aber ich denke, wir haben einen Anteil daran.

Meine Damen und Herren! Es war aber nicht nur notwendig, immer wieder anzustoßen und voranzutreiben, sondern ich möchte schon auch klar sagen, es war auch not­wendig, massiv abzuwehren, nämlich den Angriff auf unseren Wohlfahrtsstaat, auf unser Sozialsystem, auf unser Arbeitsrecht durch neoliberale Kräfte. Da möchte ich unser und auch mein intensives Eintreten gegen einen Zwölfstunden-Arbeitstag per Gesetz erwähnen. Vor allem im letzten Jahr war leider auch im Parlament das konsequente Schlechtreden des Arbeitsschutzes massiv spürbar. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es waren sehr intensive Jahre für mich. Ich habe mich wirklich bemüht, klarzumachen, dass Menschen keine Sozialversicherungsnummern und Kostenstellen sein sollen, sondern dass es darum geht, die Erwerbsarbeit mit dem sonstigen Leben, dem Privatleben, dem Familienleben in einen guten Einklang zu bringen und auch ein partnerschaftliches Verhältnis zum Arbeitgeber zu haben.

Es ist in der Polarisierung der Debatte vielleicht nicht immer so rübergekommen, aber meine Wirtschaftssprecherin Ruperta Lichtenecker wird bestätigen, dass ich immer mit ihr im Dialog versucht habe, darauf zu schauen, was das speziell zum Beispiel für kleine Unternehmen heißt, da ich natürlich weiß, dass Arbeitgeber im Umgang mit der Sozialversicherung, mit der Administration wirklich Herausforderungen zu bewältigen haben. Wir alle wissen, dass inkonsequente Gesetzgebungen, wie beim Nichtraucher­schutz, zu unzumutbaren Zuständen geführt haben, die wirklich nicht notwendig sind – daher möchte ich hier gerne betonen, dass ich immer versucht habe, beide Seiten zu sehen.

Meine Damen und Herren! Politik, Wirtschaft, Arbeitsmarkt, das gehört zusammen und ich wollte eben anschieben, vorantreiben, letzten Endes  man kann es einfach so zusammenfassen  um zu erreichen, dass hoffentlich bald, aber zumindest irgend­wann, jeder nach seinem Arbeitstag heimgehen kann und zufrieden, wenn auch müde, einschlafen kann und keine Angst haben muss, im nächsten Monat die Miete nicht mehr zahlen zu können, keine Angst haben muss, dass er seinen Kindern nicht die Chancen und Förderungen für deren Lebensweg bieten kann, so wie er es gerne möchte, und keine Angst haben muss, krank zu werden, weil dann alles, vor allem finanziell, den Bach runtergeht.

Das habe ich versucht, dafür habe ich gearbeitet, dafür habe ich auch, wenn es sein musste, gekämpft, Sie wissen das. Ich danke für eure Unterstützung, für Ihre Unterstüt-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 227

zung, auch für die Kooperationsbereitschaft, zumindest für die Diskussionsbereitschaft bei anderen.

Ich danke ganz besonders auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlaments­direktion, die immer sehr hilfsbereit, kompetent und unterstützend waren. Danke auch an meine Familie, die Freunde und Freundinnen, und natürlich die ausgezeichneten Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen des Grünen Klubs, aber auch der anderen Klubs – alles Gute für Sie persönlich. Es war schön, es hat mich sehr gefreut. Auf Wiedersehen! (Anhaltender, stehend dargebrachter Beifall bei den Grünen sowie Beifall bei Abge­ordneten von SPÖ, ÖVP, FPÖ und NEOS.)

20.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht, ausreichend unterstützt und steht somit auch mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Birgit Schatz, Freundinnen und Freunde

betreffend Modernisierung des ArbeitnehmerInnen-Begriffs

eingebracht im Zuge der Debatte über den Antrag 2306/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ange­stelltengesetz, das Gutangestelltengesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Haus­gehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Berufsausbildungsgesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden

Begründung

Der nun vorliegende Antrag sieht die Angleichung zwischen ArbeiterInnen und Ange­stellten in zwei Bereichen vor: Kündigungsfristen und Entgeltfortzahlungen im Falle von Krankheit bzw. Arbeitsunfall. Somit gehören Kündigungsfristen von wenigen Tagen der Vergangenheit an. Das kann allerdings nur einen ersten Schritt der seit vielen Jahren diskutierten Modernisierung des Arbeitsrechts sein. Denn mit der Zuordnung der Beschäftigungsform ist die sozial- und arbeitsrechtliche Absicherung verbunden und hier hat sich eine Bandbreite an Problemlagen in den letzten Jahren angesammelt.

Die Zuordnung zwischen ArbeiterInnen und Angestellten zählt fast schon zu den historischen Trennungslinien am Arbeitsmarkt. Während für Angestellte das Angestell­tengesetz einen arbeitsrechtlichen Rahmen geschaffen hat, gab es bei den Arbei­terInnen eine Mischung aus verschiedenen Regelungsebenen (alte Gewerbeordnung aus 1859 (!), ABGB, oder auch nur KVs), die meistens nachteiliger waren als jene der Angestellten. So ist die alte Gewerbeordnung eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert und regelt – rein formal – gesetzlich bis heute Arbeitsbestimmungen für gewerbliches Hilfs­personal. Darunter fallen unter anderen auch Entlassungsgründe, die nur mehr in Kontext der Zeitgeschichte gesehen werden können: Hier werden zum Beispiel als Entlassungsgründe Trunksucht, die Anstiftung zu einem unordentlichen Lebenswandel oder eine abschreckende Krankheit angeführt. Beim Zutreffen dieser Gründe kann eine Entlassung erklärt werden und damit bestehen keine Kündigungsfristen.

Seit den 1990iger Jahren kamen auf Druck von Flexibilisierung und Internationa­lisie­rung zahlreiche Trennungslinien dazu: die sogenannten atypischen Beschäftigungs­formen wie freie DienstnehmerInnen, WerkvertragsnehmerInnen, LeiharbeiterInnen, Neue Selbstständige oder auch geringfügig Beschäftigte. Dies hatte eine Fragmen-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 228

tierung der Beschäftigungsformen abseits der männlich geprägten Vollzeitarbeit zur Folge, die sich für die Betroffenen am Beispiel von zwei herausgegriffenen Gruppen schnell sichtbar macht:

so besteht für die Gruppe der freien DienstnehmerInnen kein Anspruch auf gesetz­lichen Mindesturlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankenstand. Es gilt für sie auch kein Kollektivvertrag. Damit  fallen sie z.B. um das 13./14. Monatsgehalt um und haben keine Mindestlöhne.

Die Gruppe der neuen Selbstständigen wie WerkvertragnehmerInnen oder EPUlerIn­nen ist etwa nicht arbeitslosenversichert und auch für sie gilt kein Arbeitsrecht (nur das Sozialrecht).

Beide Gruppen sind aus der betrieblichen Mitbestimmung ausgeschlossen – sie kön­nen sich weder zum Betriebsrat aufstellen lassen, noch einen wählen. Das alles unterstützt eine Vereinzelung an Interessen und führt zu einer schwächeren sozialen Absicherung für Betroffene.

In den letzten Jahren kamen durch den Digitalisierungsdruck Beschäftigte über Vermittlungsplattformen wie die Crowdworker oder andere DienstleisterInnen (wie UBER, bookatiger, etc.) als neue Formen dazu.

Die Zuordnung, welches Arbeitsverhältnis vorliegt, geschieht anhand von Abgren­zungs­kriterien zwischen unselbstständiger und selbstständiger Arbeit (wie z.B. betriebliche Eingliederung, Weisungsgebundenheit, Kontrollunterworfenheit, persön­liche Arbeitspflicht) und wird im Einzelfall vor dem Arbeits- und Sozialgericht geprüft und entschieden. Diese Kriterien fokussieren auf das Verhältnis zwischen Beschäf­tigten und Arbeitgeber und stellen neben der wirtschaftlichen, vor allem die persönliche Abhängigkeit in den Vordergrund. Hinzu kann dabei eine Diskrepanz zwischen Theorie (im Vertrag) und der Praxis, also der Ausgestaltung der Arbeitserbringung, kommen. Daher hat sich der Begriff der Scheinselbstständigkeit in manchen Branchen wie am Bau oder der Pflege etabliert für Beschäftigte, die zwar am Papier als Selbstständige fungieren, sich allerdings wie Angestellte verhalten (müssen). Ohne geeignete Kon­trollstrukturen bzw. gewerkschaftliches Engagement bleiben die Rechte von Betrof­fenen daher auf der Strecke.

Die wirtschaftliche Abhängigkeit sollte daher stärker als Prüfkriterium herangezogen werden. Hier ist der § 2 im LSD-BG zukunftsweisend: Für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis, eine grenzüberschreitende Entsendung oder Überlassung im Sinne dieses Bundesgesetzes vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend. Dadurch würde dem Spek­trum an Beschäftigungsformen der arbeitsrechtliche Spiegel vorgehalten. Dabei ist es ist nicht die Absicht aller Beschäftigten in eine bestimmte Beschäftigungsform zu drängen. Entscheidend ist vielmehr, jene Beschäftigungsgruppen zu unterstützen, die derzeit nur einen arbeits- und sozialrechtlichen Schutz zweiter und dritter Klasse haben.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, wird aufgefordert:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 229

die Weiterführung der Angleichung von atypischen und neuen digitalen Beschäfti­gungs­formen zu verfolgen um das arbeits- und sozialrechtliche Schutzniveau für Arbeit­nehmerInnen im Falle von Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterentlohnung zu verbessern,

dies umfasst auch die Vorlage von Gesetzesvorschlägen zur Überführung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1859 in das moderne Arbeitsrecht unter Aufrechterhaltung zumindest desselben Schutzniveaus.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich bedanke mich auch bei Ihnen für die geleistete Arbeit hier im Hohen Haus und wünsche Ihnen per­sönlich, aber auch Ihrer Familie für die Zukunft alles Gute.

Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


20.13.30

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Herr Präsident! Hohes Haus! Heute ist ein wirklich guter Tag, da es um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes geht. Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen. Ich habe 1975, am 1. September, eine Lehre als Maschinen­schlosser mit dreieinhalb Jahren Lehrzeit begonnen, und neben mir sind Industrie­kaufleute und technische Zeichner mit drei Jahren Lehrzeit gestanden. Wir sind ge­meinsam ausgebildet worden, aber die Lehrlingsentschädigung war unterschiedlich, die Kündigungsfristen waren unterschiedlich, einfach auf der Tatsache beruhend, welcher Beruf im Lehrvertrag gestanden ist.

1990 hat ein Abgeordneter dieses Hauses, es war der Abgeordnete Rudi Nürnberger, anlässlich des Jubiläums 100 Jahre Metallergewerkschaft gesagt, er möchte das dritte Jahrtausend nicht damit überschreiten, dass es Unterschiede in der Metallbranche zwischen Arbeitern und Angestellten gibt. Er hat 1990 in einem intensiven Dialog mit seiner Branche, mit den Sozialpartnern begonnen, diesen Unterschied in einem Prozess aufzuheben, und es ist gelungen. Die Gewerkschaften haben mitgemacht, die Gewerkschaft Metall als auch die GPA, und sie haben gemeinsam Kollektivverträge mit den Sozialpartnern abgeschlossen, beginnend in der Energiewirtschaft, im Metall­bereich und in der Elektroindustrie. Es ist gelungen, die Angleichung, so wie sie im Kollektivvertrag möglich war, umzusetzen. Das war 1990.

Und ich verstehe es wirklich nicht, wenn man sagt, dass, wenn man heute eine Anpas­sung vornimmt und wenn man heute die Gleichstellung im Parlament beschließt, das überfordernd ist, dass sich die Unternehmen nicht darauf einstellen konnten. Das ist seit 1990, jedenfalls in der Wirtschaftskammer, bei den Arbeitgebern ein Thema. Die Metallbranche ist nicht untergegangen, die Elektrobranche ist nicht untergegangen, und man hat gute Entwicklungen setzen können.

Ich kann mich, als ich Sozialminister geworden bin, auch an die Auseinandersetzungen zu diesem Thema erinnern; und wenn wir heute die Entgeltfortzahlung anpassen, wenn wir heute hier eine Gleichstellung vornehmen, wenn wir auch die Kündigungsfristen anpassen und wenn auch in Abänderungsanträgen auf durchaus berechtigte Inter­essen einer Branche Rücksicht genommen wird, dann ist es doch hoch an der Zeit, das umzusetzen. Da brauchen wir nicht davor Angst haben, dass man damit die Sozialpartnerschaft, die ich sehr schätze und die Österreich Gutes getan hat, gleich über Bord wirft. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 230

Mir ist es wichtig, dass wir heute einen Vorschlag vor uns haben, der sich an einer besseren Regelung orientiert, dass wir die Entgeltfortzahlung gemeinsam regeln und dass wir die Dienstverhinderungsgründe aus persönlichen Gründen gleich regeln. Das haben sich die Leistungsträger in diesem Land, das haben sich die Arbeiter und Ange­stellten verdient. Ich freue mich ganz besonders, wenn Sie heute diesem Vorschlag Ihre Zustimmung erteilen. Es ist ein guter Tag für die österreichischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.

 


20.17.27

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wenn der Herr Minister heute von einem guten Tag spricht: Es ist auch unser Gedanke gewesen, Arbeiter und Angestellte gleich­zustellen.

Es zeigt sich aber heute eines ganz klar: Hier sitzen viel zu wenige Unternehmer herinnen. Wenn ich als Unternehmer davon spreche, welche Auswirkungen das hat, dann denke ich, dass man mir das glauben kann – nicht nur als Touristiker, sondern es geht ja um alles. Wir erleben in jeder Branche Spitzen, die wir abdecken müssen. Wir haben nicht mehr diese lineare Produktion aus den 1960er-Jahren, von der Herr Katzian noch träumt.

Die Welt hat sich geändert, nur die Sozialpartner sind noch im 20. Jahrhundert steckengeblieben. (Zwischenruf des Abg. Katzian.) Die Wirtschaftskammer hat jetzt zweimal hintereinander so die Hosen heruntergelassen, die rennt ganz nackert herum, und die Sozialpartnerschaft ist de facto aufgelöst. Das können wir sagen, und das ist eine Peinlichkeit. (Beifall bei den NEOS.)

Zuerst ging es um den Mindestlohn mit dem Ausgleich der Arbeitszeitflexibilisierung: Das ist nicht gekommen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Katzian), und der Herr Prä­sident Leitl hat uns gesagt, wir brauchen uns gar keine Gedanken wegen der Arbeits­zeitflexibilisierung zu machen, wir sollen froh sein, dass nicht 1 700 € Mindestlohn gekommen sind. Das ist kein Argument.

Und jetzt erleben wir genau das Gleiche wieder: Ihr habt verhandelt, und die haben euch über den Tisch gezogen – genauso ist es!

Jede unternehmenspolitische, jede wirtschaftspolitische Kompetenz hat die FPÖ über Bord geworfen (Zwischenruf des Abg. Haubner), und das sagen wir den Unterneh­mern, das sagen wir den Gastronomen, und das hat Auswirkungen. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Groiß.)

Ihr glaubt nämlich noch wirklich, dass das alles linear ist und dass man einzelne Ausnahmen für Touristiker oder sonst irgendwen machen kann. (Bundesminister Stöger: Na geh!) – Herr Minister, nicht „na geh“! – Für jeden Tischler, für jeden Instal­la­teur, für jeden, der im Westen ein Unternehmen hat – und Sie kommen offensichtlich weniger in den Westen beziehungsweise waren Sie wahrscheinlich schon lange nicht mehr in einem Klein- und Mittelbetrieb, obwohl Ihr Bundeskanzler immer davon spricht, dass die gestärkt werden müssen –, ist das ein Anschlag auf das Unternehmertum. Das da, diese Regelung, ist ein Anschlag, und man muss sich genau merken, wohin das geht, das kostet nämlich die Unternehmen 50 Millionen € pro Jahr – nur die Touristiker! (Abg. Walter Rosenkranz: Die NEOS sind ein Anschlag auf Österreich!)

Diesbezüglich glaube ich, dass da gegengesteuert werden muss. Wir haben in dieser Hinsicht ganz andere Vorschläge, die Sie nicht einmal in Betracht gezogen haben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 231

Gleichzeitig muss es – und da pflichte ich Ihnen bei – eine Angleichung geben. Arbeiter und Angestellte müssen auf die gleiche Ebene gesetzt werden, aber Ihr Vorschlag ist glatt abzulehnen. Die da drüben (in Richtung ÖVP) haben sich in dieser Hinsicht auf­gegeben, also die ÖVP, die glaubt noch an etwas anderes. Die Wirtschaftskammer ist de facto tot, die hat keine Experten mehr, das ist ein Wahnsinn für jeden Unternehmer; und eigentlich müsste sie all die Pflichtbeiträge zurückzahlen und das mit einem Schmerzengeld verdoppeln. Anders kann ich mir das nicht vorstellen! (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS.)

Wenn ich Unternehmer bin und dann höre, dass es da schon lange Verhandlungen gegeben hat, man jetzt aber nicht mehr verhandelt, dann, sage ich, sind die Sozial­partner tot, dann brauchen wir sie nicht mehr, aber dann brauchen wir sie endgültig nicht mehr. Der Arbeiterkammer muss man gratulieren; die Wirtschaftskammer muss man schimpfen, nichts anderes bleibt derzeit übrig. Ihr habt in dieser Hinsicht total versagt. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Stefan: Positiv sehen! – Abg. Walter Rosenkranz: Nicht nur Ängste schüren, nicht so populistisch!)

20.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Wimmer ist nun zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.21.07

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Lieber Abgeordneter Schellhorn, das würde dir so passen, wenn es die Sozialpartner nicht mehr geben würde. (Abg. Schellhorn: Gibt’s eh nicht mehr!) Da wirst du aber lange warten müssen!

Da Kollege Haubner gemeint hat, wir laufen Gefahr, die Sozialpartnerschaft abzu­schaffen, darf ich zitieren: Georg Kapsch hat die Sozialpartnerschaft als den Toten­gräber Österreichs bezeichnet. Christian Knill, unser Sozialpartner in der Metallin­dustrie, sagte am 6. Juli, die Sozialpartnerschaft gehöre abgeschafft. (Zwischenruf des Abg. Schopf.) Stefan Pierer, der Big Spender, der oberösterreichische Überdrüber­spender mit 450 000 €, hat gesagt, die Sozialpartner sind „Blockierer und Sargnägel“. Der Herr Finanzminister Hans Jörg Schelling war heute da und ist leider schon ver­schwunden, aber er meinte, die Sozialpartnerschaft ist ein Auslaufmodell, „die Sozial­partnerschaft ist tot“.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Lieber Kollege Haubner! Lasten Sie nicht uns an, dass wir hier probieren, die Sozialpartnerschaft auszuhebeln; das sind die Kolleginnen und Kollegen aus Ihrer Fraktion, aus Ihrer Partei! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Natürlich ist es heute ein besonderer Tag für die ArbeiterInnen, für die ArbeitnehmerInnen. Es ist eine große Chance, dass wir heute gemeinsam die Gleichstellung für Arbeiter und Angestellte umsetzen können. Wir werden heute schon genau sehen, welche Parteien für die Arbeiterinnen, für die Arbeiter stehen und welche Parteien hier gegen die Arbeiternehmerinteressen auf­treten. Ich würde mir das wirklich gut überlegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, die ArbeiterInnen im Stich zu lassen! Es ist eine riesige Chance, dass wir heute endlich diesen Schritt setzen.

Die Aussagen der ÖVP sind wirklich interessant. Alle sagen – Kollege Wöginger hat es vorhin wiederholt –: Jawohl, das ist wichtig, wir müssen es machen!, aber Präsident Leitl hat heute eine Presseaussendung verschickt, in der steht, dass die Angleichung der Arbeiter und Angestellten ganz wichtig, aber jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt sei. Gestern sagte die Generalsekretärin Köstinger: Selbstverständlich ist das total wichtig,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 232

das ist uns ein Herzensanliegen, aber es ist nicht der richtige Zeitpunkt! Und Spitzen­kandidat Kurz stößt genau in dasselbe Horn.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, wie lange sollen die Arbeiterinnen und Arbeiter noch warten, wieder 100 Jahre? – 1921 ist das Angestelltengesetz beschlos­sen worden – vor 96 Jahren! –, und seitdem haben wir diese Gleichstellung nicht geschafft. Das ist in Wirklichkeit eine Schande, dass wir heute noch darüber sprechen müssen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Schatz.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, von den rund 3,7 Millionen ArbeitnehmerInnen sind 1,3 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter. Sind das wirklich ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse? Wir werden das nicht mehr hinnehmen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines noch dazu, weil August Wöginger das ganz besonders hervorgehoben hat: August Wöginger war selber Arbeitnehmervertreter, war selber Betriebsrat; und er hat seit seinem ersten Arbeitstag nicht eine Woche, nicht einen Tag, sondern zumindest sechs Wochen Kündigungsfrist gehabt. Es sitzt in diesem Haus niemand, der neben dem Mandat gleichzeitig auch Arbeitnehmer ist, der eine kürzere Kündigungsfrist als sechs Wochen hat. Die meisten haben drei Monate, vier Monate, fünf Monate oder sechs Monate. Wie sollten wir das den Arbeitnehmern erklären, die nicht in diesen Genuss kommen? Wenn ich hier die Kündigungsfristen sehe: Der Textilreiniger hat eine Woche – das ist in Wirklichkeit eine Schande –; der Gärtner zum Beispiel hat auch eine Woche; der Fleischer, der im Gewerbe tätig ist, hat ebenfalls eine Woche; die Floristin hat zwei Wochen – da hat man es schon ein bisschen besser –, und bei den gewerblichen Forstunternehmen gelten ebenfalls zwei Wochen.

Der Bäcker hat noch einen Tag! Kolleginnen und Kollegen, das ist Mittelalter! Man muss sich das vorstellen: Am Freitag sagt der Chef: Am Montag kommst du nicht mehr!; und der nimmt sein Packerl und geht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit muss Schluss sein! Das kann so nicht mehr stattfinden. Diese Rechtlosigkeit, diese Willkür muss ein Ende finden!

Es ist wahrscheinlich ein Zufall, dass vor 202 Jahren, also 1815, genau in diesem Haus im Zuge des Wiener Kongresses der Sklavenhandel in Europa abgeschafft wurde. 106 Jahre später kam 1921 das Angestelltengesetz; und 96 Jahre später, also heute, schaffen wir es vielleicht wirklich, die Gleichstellung herbeizuführen. Es ist ein großer Tag für unsere ArbeiterInnen, für unsere ArbeitnehmerInnen. Ordentliche Kündigungs­fristen sind im dritten Jahrtausend in Wirklichkeit ein Menschenrecht, meine sehr geschätzten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage wirklich allen Ernstes: Wer heute diese Abstimmung nicht mitträgt, der sollte sich ganz gehörig schämen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schopf: Bravo!)

20.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Dr. Franz ist nun zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.26.38

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit)|: Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Gleichstellung von Arbeitern und Ange­stellten, das klingt immer sehr gut, wie der Begriff Gleichstellung ja immer gut klingt. Er wird gern als Wieselwort gebraucht, denn es befriedigt die Gerechtigkeitsgefühle, und man hat das Gefühl, dass man etwas Gutes für die Bevölkerung tut, wenn man das linke Gleichheitsdogma am besten über den ganzen Staat und auch noch über seine Grenzen hinaus drüberzieht.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 233

Ich glaube aber, dass die Gleichheit, wenn man sie überall einziehen will, letztlich in einem Gewaltinstrumentarium endet. Wir haben es im Ostblock gesehen; die Gleich­heit ist letztlich immer ein ganz schwieriger Begriff, und man sollte sich hüten, schnell, rasch und überfallsartig irgendwelche Gleichheitsregeln aufzustellen, weil man den Eindruck hat, man mache damit etwas Gutes. (Abg. Schatz: Wenigstens hat Öster­reich 1848 erlebt! Wenigstens das! – Zwischenruf des Abg. Weninger.)

Notabene heißt das nicht, dass man Ungerechtigkeiten bestehen lassen soll oder unfaire Situationen in Kauf nehmen soll, ganz im Gegenteil, man soll sich das ganz genau und in aller Ruhe anschauen, aber so dogmatische Geschichten, wonach alle gleichgestellt werden müssen, halte ich für einen unredlichen Ansatz. Wenn wir gleiche Bedingungen für Arbeiter und Angestellte herstellen wollen, dann schauen wir uns die Gesundheitsbedingungen an. Da nämlich, meine Damen und Herren, sind die Arbeiter trotz sozialistischer Gesundheitspolitik und Sozialpolitik der letzten Jahrzehnte noch immer viel schlechter gestellt. (Abg. Matznetter: Ärzte wie Sie, wollen Sie sagen!) Die Arbeiter bekommen eine schlechtere Vorsorgemedizin, denen wird schlechtere Medizin insgesamt verabreicht. Das geschieht nicht, weil die Ärzte das tun, sondern weil das vom System her bedingt ist. Das wäre ein Ansatz, dass man da einmal hineingeht und sagt, man macht Vorsorgeprogramme für die Arbeiter.

Ich darf wieder aus meinem Bereich ein Beispiel bringen: die Koloskopie. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Ich habe unlängst einen Antrag zur Einsetzung eines Nationalen Aktionsplans Darmgesundheit für die Darmkrebsvorsorge eingebracht, damit könnten wir 3 000 Österreichern jedes Jahr das Leben retten. Bis heute ist da kaum etwas geschehen. Die Mammografie bewerben wir hingegen groß, da machen wir etwas; aber bezüglich Darmgesundheit geschieht im Vorsorgebereich leider Gottes nichts.

Da ich jetzt hier auch meine Abschiedsrede halte (Zwischenrufe bei der SPÖ), möchte ich dazu einladen, diese meine Idee zu übernehmen. Das wäre etwas, wo man die Gleichstellung wirklich weitertreiben könnte, nämlich in einem sinnvollen Bereich, sodass jeder in der Gesundheitsversorgung die gleichen Chancen hat. Bitte überneh­men Sie das, Herr Sozialminister! (Beifall der Abgeordneten Dietrich und Hagen.)

Ich möchte, wenn wir schon bei der Medizin sind (Abg. Weninger: Wir sind nicht bei der Medizin, wir sind beim Arbeitsrecht! – Zwischenruf des Abg. Matznetter), eine Anmerkung zur sogenannten Zweiklassenmedizin machen. Die Zweiklassenmedizin, die bösen Privatversicherer, die bösen Privatspitäler und die bösen Privatärzte werden immer verdammt. Meine Damen und Herren, ohne Privatpatienten, ohne Privatver­sicherte, von denen es in Österreich schon fast zwei Millionen gibt – das sind alles Wähler, apropos –, wäre das System längst unfinanzierbar. 25 Prozent des gesamten Gesundheitsbudgets werden privat aufgewendet. Das ist die wahre Finanzquelle für das Gesundheitssystem. Und da kommen immer alle und verdammen die Privat­patienten, die freiwillig für sich selber und für die anderen etwas tun und ohnehin ihre Pflichtbeiträge ins System einzahlen. Das halte ich für eine ungerechte Behandlung der österreichischen Bevölkerung.

Da das heute mein vorläufiger Abschied aus dem Hohen Haus ist (Zwischenruf bei der SPÖ), gestatten Sie mir auch eine persönliche Schlussnote. Ich war als Quereinsteiger sehr gerne in der Politik, und ich war immer bemüht, klare und durchaus kantige Meinungen zu vertreten und konservative Standpunkte zu haben. Das hat längst nicht allen geschmeckt. Ich war medial immer wieder einmal der Böse, der Reaktionär, der Konservative, der Nationalist; alle diese Dinge hat man mir umgehängt. Ich habe mich nicht als Prinzessin erwiesen, glaube ich. (Abg. Belakowitsch: Kein Glaskinn!) Ich habe das alles genommen und trotzdem meine Meinungen vertreten. Ich glaube und weiß, dass es da draußen zahllose Männer und Frauen gibt, die meine Haltung schätzen. Das weiß ich von den Feedbacks, die ich bekomme. In der Ordination,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 234

privat, im Freundeskreis, im Bekanntenkreis und auch im politischen Kreis gibt es genug Leute, die meine Ansichten vertreten – halt nicht so laut wie ich, aber immerhin gibt es sie, und die sind recht zahlreich. Meine Bitte bei dieser letzten Rede ist: Hören Sie auf die, denn die stellen nämlich die bürgerliche Essenz dieses Landes dar!

Wenn ich mich zum Schluss selber charakterisieren darf, wenn man fragt, wo ich eigentlich stehe, dann würde ich sagen, meine Haltung entspricht am ehesten derjenigen der US-Republikaner. (Abg. Weninger – erheitert –: Ein kleiner Trump! – Zwischenruf der Abg. Schatz.) Ich darf daher wie ein großer anderer österreichischer Republikaner sagen: „I’ll be back.“ Ich strebe an, dass ich das nächste Mal wieder dabei bin, denn ich möchte von hier aus das Land wieder mitgestalten.

Und noch ein letzter Satz angesichts der Wahlen am kommenden Sonntag: Egal, welchem Lager Sie angehören, ich wünsche Ihnen für die Zukunft viel Kraft und Weisheit, und vor allem wünsche ich Ihnen – nach links hinüber gerichtet – Ehrlichkeit und Patriotismus, um die kommenden schweren Zeiten und Aufgaben zu bewältigen. Mein Appell an diesen Nationalrat: Halten Sie die Republik, halten Sie die Nation hoch, und tun Sie alles für unsere Heimat Österreich! – Danke und auf Wiederschauen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit)

20.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich wünsche Ihnen für Ihre persönliche Zukunft alles Gute und bedanke mich für Ihre Arbeit für das Hohe Haus. – Besten Dank.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.31.51

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Werte Kollegen! Hohes Haus! Herr Minister! Das war jetzt eine sehr interessante Diskussion, man muss vielleicht einige Dinge klarstellen. Selbstverständlich ist es für 1,3 Millionen Arbeiter in Österreich heute ein guter Tag, ein großer Tag, aber das Verdienst gebührt vor allem uns, denn die Zustimmung funktioniert wegen der Freiheitlichen Partei, da wir schon seit Jahrzehnten versuchen, diese Idee mit Rot oder mit Schwarz umzusetzen.

Kommen wir zuerst zur SPÖ: Kollege Wimmer, Sie haben ja das Sündenregister der SPÖ vorgelesen. Wenn Sie anmerken, dass ein Bäcker nur eine Woche Kündigungs­frist hat (Rufe bei der FPÖ: Einen Tag!) – oder einen Tag, haben Sie gesagt –, und sich das hier noch laut zu sagen trauen und wenn Sie dann die Sozialpartnerschaft oder die Regierungsbeteiligung der Sozialdemokratie der letzten Jahrzehnte loben, dann ist das für mich ein Sündenfall (Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig), und dafür hat man sich zu schämen, denn wenn es Ihnen in den letzten Jahrzehnten wirklich wichtig gewesen wäre, die Arbeiter und Angestellten anzugleichen, dann hätten Sie das auch mit der ÖVP oder gegen die ÖVP umgesetzt.

Ihnen waren viele andere Dinge wichtiger als die Gleichstellung von Arbeitern und Ange­stellten. Es funktioniert heute deshalb, weil Sie verzweifelt sind; wir haben in drei Tagen Neuwahlen, und Sie versuchen natürlich verzweifelt, die Arbeiterschaft, die zu 90 Prozent bei uns ist (Abg. Schopf: Ja, genau!), wieder ein bisschen hinüberzu­ziehen. Das ist natürlich ein Schmäh, sage ich jetzt einmal, und der wird auch nicht funktionieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was für mich vollkommen klar ist und heute wichtig ist – und da schaue ich natürlich auch zur ÖVP hinüber –: Wir brauchen Mitarbeiter, die 40 Stunden Leistung bringen und arbeiten. Wir haben ohnehin schon viel zu viele, Hunderttausende, die in Österreich keine Leistung bringen, weder als Arbeiter noch als Angestellter. (Heiterkeit der Abgeordneten Brunner, Schatz und Lichtenecker.) Ich verweise nur auf die


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 235

Asylkrise, die Summe der Mindestsicherungsbezieher, Notstandshilfebezieher und so weiter. Das bedeutet, dass wir für die Volkswirtschaft natürlich Arbeiter und Ange­stellte, also Leute, die überhaupt arbeiten gehen, brauchen.

Jetzt komme ich ganz kurz zur ÖVP: Wenn Sie irgendwann einmal wirklich Betriebe besuchen würden (Zwischenruf der Abg. Jank) – und hier am Rednerpult ehrlich wären –, dann wüssten Sie, was für Probleme die Unternehmer in Österreich haben. Das Hauptproblem der Unternehmer ist nämlich, Facharbeiter zu bekommen. Das ist das Hauptproblem. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Für 1,3 Millionen Arbeiter, zum überwiegenden Teil auch Facharbeiter, die eine Lehr­ausbildung gemacht haben, bedeutet der heutige Tag eine emotionale Aufwertung. Das ist ganz wichtig. Die Lehre und die Facharbeiterausbildung in Österreich auf die gleiche Ebene zu heben ist ganz wichtig! (Beifall bei der FPÖ.)

Man muss vielleicht auch noch einen ganz interessanten Nebeneffekt für die ÖVP erwähnen. Der Arbeiterkammerpräsident Zangerl, das ist ja normalerweise die linke Reichshälfte, hat mir vor einer Woche gesagt: Sollte die ÖVP dem nicht zustimmen, wird er seine ÖVP-Mitgliedschaft ruhend stellen. (Oh-Rufe bei der FPÖ.) Sie können ihn daran erinnern und schauen, ob er das wirklich macht. Ich habe ihn gefragt, was er als Arbeiterkammerchef und als ÖVP-Mitglied zu so einer Vorgehensweise sagt, wenn es nicht einmal jetzt zustande kommt, Arbeiter und Angestellte gleichzustellen. Das könnt ihr euch intern ausmachen, ich wollte das nur ganz kurz erwähnen. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Jetzt komme ich zum Sündenregister der ÖVP: Jetzt so quasi über die Wirtschafts­kammer Hunderte Unternehmer dazu aufzufordern, E-Mails zu schreiben, hilft der Wirtschaft nicht. Sie haben die letzten Jahre die Wirtschaft in Österreich und vor allem die KMUs massiv geschädigt und massiv in Schwierigkeiten gebracht. (Abg. Schellhorn: Jetzt tut es ihr!) Ich lese es ganz kurz vor: Mehrwertsteuererhöhung im Tourismus – da Sie den Tourismus angeführt haben – von 10 auf 13 Prozent, Erhö­hung der Grunderwerbsteuer, Kapitalertragsteuer, Russlandsanktionen, Energieeffi­zienz­gesetz – fragen Sie einmal ein paar Unternehmer! –, absolutes Rauchverbot ab Mai 2018 – damit sind 100 Millionen € Investitionskosten verloren – und das Bürokra­tie­monster EU, der ganze Bürokratiewahnsinn.

Ganz aktuell, das ist Ihnen wahrscheinlich vor der Wahl am Sonntag dazwischenge­kommen: Es gibt jetzt sogar die ominöse Pommes- und Schnitzelverordnung, von der alle gesagt haben, das ist wieder eine FPÖ-Geschichte und wird nie kommen. Ab Frühjahr 2018 stehen die Köche bei uns in Österreich mit der Farbtabelle in der Küche und backen Schnitzel und Pommes heraus. Das erklären Sie einmal Ihren Unter­nehmern draußen!

Die Angleichung, die ohnehin jetzt abgefedert wird und sehr sinnvoll ist (Abg. Wöginger: Wieso federst du es denn ab, wenn es eh ...?), bringt die Unternehmer in Österreich in keine Schwierigkeiten, wie Sie es behaupten. (Beifall bei der FPÖ.)

Zusammenfassend ist Folgendes ganz klar: Die Arbeiter und Angestellten, also die Arbeitnehmer ganz generell, wissen mittlerweile sehr wohl, wer ihre echte Vertretung ist und wer wirklich darauf schaut, dass jene, die Leistung bringen, auch dafür belohnt werden. Das wird die SPÖ nicht mehr aufholen können. Und Ihnen sage ich (in Richtung ÖVP): Alle KMUs in Österreich haben mittlerweile auch verstanden, dass die ÖVP leider Gottes nicht mehr für die wirkliche Wirtschaft in Österreich da ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Bösch: Bravo!)

20.37



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 236

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf bei der FPÖ: Der Peter kann das jetzt nur bestätigen, was der Peter gesagt hat!)

 


20.37.43

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich musste mich noch einmal für einen kurzen Beitrag zu Wort melden, denn wir befür­worten die Angleichung, aber nicht auf diese Art und Weise – das möchte ich noch einmal ganz klar betonen.

Wenn Kollege Wimmer den Herrn Knill, den Herrn Schelling zitiert hat, dann muss ich sagen, mit Ihrer Vorgangsweise bestätigen Sie diese Herren; und das tut mir per­sönlich in der Hinsicht natürlich für die Sozialpartnerschaft leid, denn wir haben immer gemeinsam Lösungen erarbeitet – immer gemeinsam! –, und der Handschlag der Gewerkschafter hat immer gezählt. Ich finde, dass das jetzt ein schweres Foul ist. Ich nehme das zur Kenntnis. Ich sage es noch einmal: Das Ziel ist gut, aber die Vorgangsweise von Ihrer Seite schadet der Sozialpartnerschaft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

20.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Keck. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.38.37

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bin einer von 1,3 Millionen Arbeitern (Ruf bei der SPÖ: Bravo!), und ich bin stolz darauf, Arbeiter zu sein! Ich bin stolz darauf, das seit 46 Jahren zu sein, und ich bin stolz darauf, die Interessen dieser Menschen hier in diesem Parla­ment seit 15 Jahren vertreten zu können! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. El Habbassi.)

Meine Damen und Herren, ich bin sehr überrascht, dass Kollege Schellhorn sagt, hier in diesem Haus sitzen viel zu wenig Unternehmer. Zählen Sie einmal nach, wie viele Arbeiter hier in diesem Haus sind, dann werden Sie feststellen, welche Berufsgruppe hier in diesem Haus wirklich extrem unterrepräsentiert ist! Die Unternehmer sind es nicht, Kollege Schellhorn, es sind die Arbeiterinnen und die Arbeiter! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, seit 46 Jahren bin ich als Arbeiter tätig, und seit 46 Jahren wird die gesetzliche Angleichung der Rechte der Arbeiter an jene der Angestellten zugesagt, wird sie in den Sozialpartnergremien verhandelt – teilweise wurde etwas erreicht, der Großteil der gesetzlichen Angleichung der Rechte wird nicht erreicht. Ich bin wirklich verwundert, dass jetzt vonseiten der ÖVP das Argument kommt, man brauche zuerst einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff, denn auch darüber wird schon über 40 Jahre lang diskutiert, einen Begriff zu finden.

Der Begriff, lieber August, ist ja in Wirklichkeit da: Wir sind Arbeitnehmer. Ich brauche mir keinen anderen Begriff einfallen zu lassen, er ist vorhanden. Es ist doch nur eine faule Ausrede, die hier vorgeschoben wird, um dem nicht zuzustimmen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Tamandl und Wöginger.) Ich kann dir nur sagen: Das ist eine faule Ausrede. Wir sind Arbeitnehmer, ich brauche keine andere Begriffsbezeichnung dazu. Dieser Begriff trifft auf alle zu.

Ich muss sagen, die Änderungen, die gemacht werden, sind gut; das ist ja schon von mehreren zitiert worden: Es gibt die längeren Kündigungsfristen erst mit 1. Jänner 2021, die Änderungen im Entgeltfortzahlungsrecht erst mit 1. Juli 2018 oder die KV-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 237

Ermächtigung für Saisonbranchen. Es ist ja alles drin; was mich nur wirklich stört, ist die Diskussion dazu. Da wird immer behauptet: Das ist Husch-Pfusch.

Was sagen denn die sogenannten Sozialpartner, Peter Haubner? – „Salzburger Nach­richten“ heute: Da gibt es einen Spartenobmann, Handelsobmann Peter Buchmüller, der wird dir ja etwas sagen. Weißt du, was der in den „Salzburger Nachrichten“ gesagt hat? – Ich sage es dir: Nur einer von zehn Abgeordneten weiß, worüber er heute abstimmt.

Hält er die anderen Nationalräte hier für dumm? (Zwischenruf des Abg. Vetter.) Ist das das Bild, das die Handelsspartenobmänner von den Abgeordneten hier in diesem Haus haben, dass nur einer von zehn weiß, was er hier wirklich tut? – Ich kann dir sagen: Ich weiß, worüber ich abstimme, und ich bin sicherlich nicht der dumme Mann, als der mich Herr Peter Buchmüller hier hinstellt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kassegger, Walter Rosenkranz und Steinhauser.)

Das Nächste, auch heute in den Medien, ist eine Aussage des Herrn Christoph Leitl als Wirtschaftskammerpräsident. Wisst ihr, was er als Erstes gesagt hat? – Wir müssen die Arbeiterbetriebsräte auflösen! – Es ist wahrscheinlich sein erklärtes Ziel, diese aufzulösen, denn ich kann euch nur sagen: Ob und welchen Betriebsrat ein Arbeit­nehmer braucht, soll sich der Arbeitnehmer selbst aussuchen können. Ob der jetzt einen Arbeiterbetriebsrat will, einen Angestelltenbetriebsrat will oder einen gemein­samen Betriebsrat will, soll er sich selbst aussuchen, aber eine Auflösung, wie es Christoph Leitl vorschlägt, ist wirklich das Letzte, was ich von diesem Herrn gehört habe! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wisst ihr, was er heute noch gesagt hat? – Das verwundert mich wirklich: Gewerk­schafter sollen aus dem Parlament raus. Gewerkschaftsboss und Abgeordneter zu sein sei unvereinbar, sagt er dazu, aber die Wirtschaftskämmerer dürfen hier herinnen sitzen bleiben.

Also wenn das die Politik ist, die die ÖVP macht (Abg. Wöginger: Das hat der Gusenbauer einmal gesagt!), lieber August, dann muss ich dir eines sagen: Kurz hat es versprochen, aber vor der Wahl hat er es auch schon gebrochen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Fekter. – Abg. Wöginger: Der Gusenbauer hat die Gewerkschafter entfernt! – Zwischenruf des Abg. Hammer.)

20.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Ing. Klinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.42.30

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuhörer und Zuseher! Wenn ich mich so an den letzten Monat erinnere, dann, muss ich ganz ehrlich sagen, muss man die Gelegenheit beim Schopf packen und die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten dann mitbeschließen, wenn dazu die Möglichkeit besteht.

Ich sage das als einer, der in der Transportbranche, in der Gastronomie und in der Baubranche unterwegs ist, und ich habe heute noch einmal angerufen, weil ich mir (Abg. Fekter: Bürgermeister fehlt!) – Bürgermeister natürlich auch! – ungefähr habe ausrechnen lassen, was die tatsächlichen Probleme bei der Entgeltfortzahlung sind. Da bin ich beim Ersten: 90 Prozent aller Betriebe haben weniger als zehn Mitarbeiter. Für diese mit weniger als zehn Mitarbeitern kleinen Betriebe gibt es jetzt bei Krankheit 75 Prozent als Entgeltfortzahlung. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das ist, glaube ich, auch ganz wesentlich. Jetzt könnten wir das ausrechnen, hin und her: Was ist besser gewesen? Das alte System, in dem wir zwischen Angestellten und


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 238

Arbeitern unterscheiden, oder das neue System, in dem wir einen einheitlichen Begriff haben? – Ich sage ganz ehrlich: Das muss jetzt endlich einmal angeglichen werden! Warum muss es angeglichen werden? – Weil wir in Zukunft schauen müssen, dass wir die Systeme vereinfachen. Wir haben, und ich habe das schon öfters gesagt, über 1 400 verschiedenste Fälle von Kollektivverträgen mit all ihren Zusätzen, die alle Unternehmer immer wieder separat berechnen müssen, und wenn sie dann geprüft werden und einen Fehler gemacht haben, werden sie gestraft.

Ich glaube, dass das ein ganz wesentlicher Schritt ist, nämlich auch ein Angebot von den Unternehmern an die Arbeitnehmer, dass wir sehr wohl alle gemeinsam in einem Boot zu sitzen haben. Es wird in Zukunft wichtig sein, dieses Boot gleich zu bedienen, weil es im internationalen Vergleich nicht darauf ankommt, ob wir eine eigene Suppe kochen, sondern es darauf ankommt, wie gut wir uns aufstellen.

Da bin ich bei der nächsten Sache, die ganz entscheidend sein wird: Wenn wir in der gesamten Lohnverrechnung, die mittlerweile so kompliziert geworden ist, dass sich sehr viele selber nicht mehr auskennen – ich nenne nur die Schmutzzulagen in den unterschiedlichsten Kategorien –, etwas verändern wollen, dann müssen wir gemein­sam – und das ist auch mein Angebot an die Sozialdemokratie und an die ÖVP, die das ja schon lange gefordert hat, ich sage nur Lohnnebenkostenpauschale – endlich einmal auf eine Bruttolohnverrechnung kommen. Das ist ein erstes Angebot dazu, damit wir zu einer tatsächlichen Lohnnebenkostensenkung kommen. Daraus kann man dann leicht und einfach diese Mehrkosten für die Unternehmer finanzieren. Es ist nur das Wollen, das Wollen, um zu einem Guten zu kommen.

Was mir in dieser Sache noch ganz wesentlich ist: Wir haben in der gesamten Materie eines vergessen: dass immer von etwas gesprochen wird, es dann aber nicht umgesetzt wird. Wenn ich mir anschaue, was im letzten Monat passiert ist, in dem die ÖVP und die Wirtschaftskammer massiv bei mir am Telefon gewesen sind und massiv darauf gedrängt haben, hier nicht mitzustimmen, aber Sebastian Kurz sagt: Wir wollen die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten!, dann merke ich genau, was der Clou der Sache ist: Man präsentiert einen Kurz, und dahinter sind die Bünde und die ÖVP wie ein Krake, der seine Arme schon wieder nach vorne reckt, wodurch dann in dieser ganz wichtigen Angelegenheit nichts mehr passiert.

Deswegen, glaube ich, ist es für einen Schritt in die Zukunft wichtig, diese Gleich­stellung jetzt mitzubeschließen. (Beifall bei der FPÖ.)

20.46

20.46.31

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Es gibt keinen Wunsch des Berichterstatters auf ein Schlusswort.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den im Antrag 2306/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzentwurf.

Hiezu haben die Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungs­antrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen.

Die Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- bezie­hungsweise Abänderungsantrag betreffend den Titel sowie die Artikel 1 bis 7 einge­bracht.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 239

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Eingang in der Fassung des Initiativantrages 2306/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Angleichung Arbeiter und Angestellte, einheitliches Arbeitsrecht. 

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Mag. Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Modernisierung des ArbeitnehmerInnen-Begriffs.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. (E 219.)

20.48.557. Punkt

Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Berufsausbildungsgesetz geändert werden (2304/A)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Jetzt gelangen wir zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Frist bis 11. Oktober 2017 zur Berichterstattung gesetzt.

Ein Wunsch auf eine mündliche Berichterstattung liegt nicht vor.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Obernosterer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.49.34

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie! Wir alle haben die Diskussion, glaube ich, miterlebt. Ich habe jetzt die heutige Zeitung bekommen, und da ist zu lesen: „Wahlkampfshow in der letzten Sitzung des Nationalrats“ (Abg. Walter Rosenkranz: Welche Zeitung ist das?), und dass es bei den hitzigen Debatten weniger um Sachthemen als vielmehr um Show gegangen ist. (Abg. Walter Rosenkranz: Welche Zeitung ist das?) – Das ist die „Kronen Zeitung“.

Herr Kollege Wurm ist vorhin hier am Rednerpult gewesen und hat die ÖVP gefragt, ob sie nicht zu wenig oder überhaupt bei den Unternehmern draußen unterwegs sei. Also


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 240

etwas möchte ich hier einmal jedem sagen: Wer draußen im Wahlkampf unterwegs ist, weiß, was die Leute sagen. (Abg. Walter Rosenkranz: Ja!) Wir haben im Vorhinein schon gewusst, was die Leute draußen über die heutige Sitzung sagen. Sie haben gefragt: Warum findet die heutige Sitzung überhaupt statt? Glaubt ihr da draußen in der Politik wirklich (Abg. Königsberger-Ludwig: Sie müssen Ihre Blase verlassen!), wenn ihr drei Tage vor der Wahl Zuckerl verteilt und den Leuten Wind macht, dass man dann hergeht und sagt, deshalb werden wir euch wählen!? – Das ist ein Show­programm! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Steinhauser: Das ist ja nicht der Punkt! Es geht endlich mal ohne ÖVP-Blockade!)

Das ist schon der Punkt. Und wisst ihr, was noch der Punkt ist? – Nennen Sie von der Opposition mir ein Gesetz aus dieser Legislaturperiode, nennen Sie mir ein Gesetz der Regierungsparteien, das beschlossen wurde, das nicht in Begutachtung war! (Abg. Schellhorn: Gabriel, reden wir übers Thema!) – Ich sage nur!

Zur linken Hälfte, zur Gewerkschaft, muss ich etwas ganz klar sagen: Ihr wart so schlau, dass ihr da mitgespielt habt. Es ist das Recht der Opposition, dieses Thema aufzugreifen und ohne Begutachtung durchzutragen, obwohl wir wissen, wofür Begut­achtungen da sind, was die Verantwortung betrifft: Es geht darum, ein Gesetz so zu gestalten, dass das Gesetz danach auch hält und man dann nicht wieder Monate und Jahre Arbeit hat, um dieses Gesetz zu reparieren. Da hat die SPÖ, zumindest die Gewerkschaft, mitgestimmt.

Noch etwas muss ich zur Gewerkschaft sagen: Dass die rote Gewerkschaft, die eigentlich diesen Sozialstaat, unseren Staat, über die Sozialpartner aufgebaut hat, die Erste ist, die den NEOS und den Freiheitlichen recht gibt, dass wir ihn nicht mehr brauchen, ist allerhand! Also ich kann mich wirklich nur wundern, was man in einem Wahlkampf alles opfert und dann glaubt, innerhalb von zwei Tagen besser abzu­schneiden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Walter Rosenkranz: Immerhin, bei manchen Sachen haben wir in Österreich über 90 Jahre begutachtet!)

Jetzt kommen wir zum Tagesordnungspunkt, dazu, weswegen ich eigentlich da bin (Abg. Walter Rosenkranz: Ach so!): Es geht um die Heimkosten. Heute hat ein SPÖ-Abgeordneter hier am Rednerpult gesagt: Die Heimkosten sollen ja jetzt übernommen werden – was gut ist, das sage ich ganz ehrlich, für die Lehrlinge. Er hat gesagt: Die Heimkosten werden jetzt von der öffentlichen Hand übernommen. – Wisst ihr, wer eurer Meinung nach die öffentliche Hand ist? Wer zahlt denn in diesen Insolvenz-Entgelt-Fonds ein? – Nur der Unternehmer!

Der Herr Minister hat etwas verabsäumt: Es gibt einen Überschuss, und im Gesetz steht, dass, wenn ein Überschuss erwirtschaftet wird, der Beitrag gesenkt wird. Er hat den Beitrag nicht gesenkt, sondern möchte von diesem Überschuss, den die Unternehmer einzahlen, diese Kosten für die Lehrlinge begleichen. Dass sie beglichen werden, ist klar.

Dann sind wir wieder bei den Sozialpartnern. Wir wissen, dass wir verschiedene Kollektivverträge haben. Wir zu Hause haben über 100 Lehrlinge ausgebildet. Wir wissen, dass es im Baugewerbe schon inkludiert ist: Dort zahlt der Lehrling nichts mehr, sondern das zahlt der Unternehmer. Wir wissen zum Beispiel – ich weiß es nur von Kärnten –, dass 50 Prozent der Heimkosten den Lehrlingen vom Land Kärnten refundiert werden. Und jetzt machen wir wieder ein Gesetz, husch-pfusch, danach werden wir wieder reparieren, und dann soll jetzt das Doppelte und Dreifache, soll das Baugewerbe zweimal die Kosten übernehmen. Sie zahlen jetzt schon einmal, weil sie die Kosten übernehmen, und in Zukunft sollen sie es aus diesem Fonds noch einmal zahlen, denn das andere ist ein anderer Topf. (Beifall bei der ÖVP.) Und was ist mit den Sozialleistungen vom Land? – Dort auch noch!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 241

Noch einmal: Die Angleichung von Arbeitern und Angestellten steht für die ÖVP außer Streit, überhaupt keine Frage, und es steht außer Streit, dass auch die Heimkosten für die Lehrlinge übernommen werden sollen, aber in einer Form, dass wir ein fertiges Gesetz machen und nicht so eine Husch-Pfusch-Aktion. (Beifall bei der ÖVP.)

Eines sage ich noch einmal: Der Topf, aus dem das finanziert wird, ist nicht die öffentliche Hand, sondern der Beitrag der Unternehmer. Das ist zuerst zu regeln, und es soll nicht sein, dass wieder der Unternehmer zahlen muss. Da hätten wir jetzt schon die Möglichkeit, wenn Sie Ihren Pflichten nachkommen würden, Herr Minister, und – so wie es im Gesetz steht – aufgrund dieses Überschusses, den wir dort haben, die Beiträge senken würden. Dann hätten wir diese Lohnnebenkostensenkung auf der einen Seite, die wir alle schon verlangen, und würden sie nicht auf der anderen Seite über drei Umwege wieder verschenken. Das ist Wahlshow. (Beifall bei der ÖVP.)

20.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hechtl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


20.55.41

Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätz­tes Hohes Haus! Vielleicht ganz kurz eine Replik zum Vorredner, Kollegen Obernosterer: Wenn man ein bisschen zurückblickt, so muss man ehrlicherweise feststellen und auch eingestehen, dass dieser Insolvenzbeitrag von 0,5 Prozent auf, Stand heute, 0,35 Pro­zent gesenkt worden ist. Das nur zur Richtigkeit, damit nicht im Raum steht, es wurde vom Sozialminister nichts entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen getan. (Zwischenrufe der Abgeordneten Obernosterer und Winzig.) – Gott sei Dank! Es gab schon einmal Zeiten, in denen der Insolvenzfonds durch massive Insolvenzen nicht so voll war.

Nun komme ich zum Tagesordnungspunkt 7, bei dem es eigentlich um die Änderung des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes geht. Der Herr Bundesminister hat es schon angeführt: Es ist heute ein großer Tag, ein großer Tag für die duale Berufsausbildung, im Speziellen für die Lehrlinge, weil es ja in der Praxis und aufgrund mancher fehlen­der Kollektivverträge per Gesetz so war, dass einem Lehrling, der in die Berufsschule gegangen ist oder dorthin einberufen wurde und das Internat besuchen musste, diese Internatskosten vom Dienstgeber von der Lehrlingsentschädigung abgezogen wurden.

Das hat für den Lehrling bedeutet, dass er von den zwölf monatlichen Lehrlingsent­schädigungen eigentlich nur zehn monatliche Lehrlingsentschädigungen ausgeben konnte. Mit dieser gesetzlichen Maßnahme wird das nunmehr berichtigt, und der Lehrling erhält zwölfmal seine Lehrlingsentschädigung und kann diese auch ausgeben.

Und es werden – und das ist mir auch ganz wichtig, zu sagen – keine Lohnneben­kosten damit einhergehen, weil die Unternehmen, die diesen Internatskostenbeitrag nunmehr bezahlen, diesen über die Lehrlingsstelle der jeweiligen Wirtschaftskammer beantragen können, und der Insolvenzfonds wird diese Internatskosten dem Unterneh­men dann refundieren.

Geschätzte Damen und Herren! Die Berufsausbildung ist ein wichtiger Punkt, der garantiert, dass wir im internationalen Wettbewerb mit Facharbeitern gut aufgestellt sind. Im Plan A sind auch schon wichtige Punkte unter dem Titel Lehrlingspaket ange­führt worden, worin Maßnahmen für die Lehrlingsausbildung festgelegt wurden. Ich denke da an die Übernahme der Kosten für den Vorbereitungskurs für die Lehrab­schlussprüfung, ich denke da an die Ausbildungspraktika für Lehrlinge, die im Ausland auch ein Praktikum absolvieren.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 242

Ein wichtiger Punkt, den ich an diesem Tag auch erwähnen möchte, ist das erst be­schlossene Ausmaß von generell 1 260 Unterrichtsstunden für dreijährige Lehrausbil­dungs­verhältnisse. Da gilt mein besonderer Dank unserer Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, die letztendlich den Schlusspunkt dafür gesetzt hat, dass das erreicht werden konnte.

Wenn wir bei der Lehrlingsausbildung sind, dann möchte ich unserem Team der Lehrlinge, die ab 14. Oktober bei den Weltmeisterschaften der Berufe in Abu Dhabi sind, gratulieren und Ihnen bei diesen Weltmeisterschaften viel Erfolg wünschen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich habe auch noch einen Abänderungsantrag einzubringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 2304/A

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

1. Z 1 lautet:

1. Dem § 13e werden folgende Abs. 5 und 6 angefügt:

„(5) Der Insolvenz-Entgelt-Fonds hat dem Bund die zur Bedeckung der Aufwendungen der Lehrberechtigten für die Tragung von Internatskosten für Lehrlinge während des Besuches der Berufsschule gemäß § 9 Abs. 5 BAG durch die Lehrlingsstellen erfor­derlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Dies gilt nicht für Lehrberechtigte beim Bund, bei einem Land, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband.

(6) § 2b des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes (AMPFG), BGBl. Nr. 315/1994, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 128/2017, tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2019 außer Kraft.“

2. In Z 2 wird nach dem Ausdruck „§ 13e Abs. 5“ der Ausdruck „und 6“ eingefügt.

Art. 2 (Änderung des Berufsausbildungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

In Z 1 wird dem § 9 Abs. 5 folgender Satz angefügt:

„Der Kostenersatz gilt nicht für Lehrberechtigte beim Bund, bei einem Land, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband.“

*****

Ich bin der Überzeugung, dass das auch ein wesentlicher Punkt ist und Zustimmung erfährt.

Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Da es auch für mich nach einer neunjährigen Tätigkeit im Hohen Haus heute die letzte Sitzung ist, möchte ich mich in erster Linie recht herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen im sozialdemokratischen Klub für die Zusammenarbeit bedanken und bei den MitarbeiterInnen und SekretärIn­nen des Klubs sowie beim Direktorium und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsdirektion für die Unterstützung.

Mein Dank gilt natürlich auch den Mitgliedern der Parlamentarischen Gruppe Öster­reich-Deutschland, deren Vorsitzender ich für diese Periode sein durfte: Danke dafür,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 243

dass Sie sich so aktiv eingebracht haben. Ich möchte meinen Dank auch meinen parlamentarischen Mitarbeiterinnen und meinem parlamentarischen Mitarbeiter aus­sprechen, mit denen ich oft mehr Zeit verbracht habe als mit meiner Familie.

Zuletzt gilt mein besonderer Dank vor allem auch Ihnen, geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses, für die respektvolle Kommunikation und Zusammenarbeit, auch wenn wir verschiedene, ja unterschiedlichste Meinungen vertreten haben, die sehr konträr waren. Ich wünsche Ihnen und dem neuen Nationalrat, der nach der Wahl hier zusammentreten wird, für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg zum Wohle der Menschen in unserem schönen Österreich. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

21.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch und Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 2304/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Mag. Elisabeth Grossmann und Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Berufsausbildungsgesetz geändert werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

1. Z 1 lautet:

1. Dem § 13e werden folgende Abs. 5 und 6 angefügt:

„(5) Der Insolvenz-Entgelt-Fonds hat dem Bund die zur Bedeckung der Aufwendungen der Lehrberechtigten für die Tragung von Internatskosten für Lehrlinge während des Besuches der Berufsschule gemäß § 9 Abs. 5 BAG durch die Lehrlingsstellen erfor­derlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Dies gilt nicht für Lehrberechtigte beim Bund, bei einem Land, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband.

(6) § 2b des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes (AMPFG), BGBl. Nr. 315/1994, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 128/2017, tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2019 außer Kraft.“

2. In Z 2 wird nach dem Ausdruck „§ 13e Abs. 5“ der Ausdruck „und 6“ eingefügt.

Art. 2 (Änderung des Berufsausbildungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

In Z 1 wird dem § 9 Abs. 5 folgender Satz angefügt:

„Der Kostenersatz gilt nicht für Lehrberechtigte beim Bund, bei einem Land, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband.“

Begründung

Zu den Art. 1 und 2 (Änderung des IESG und BAG):

Gebietskörperschaften und Gemeindeverbände haben für die von ihnen Beschäftigten keinen Insolvenz-Entgeltsicherungsbeitrag zu leisten. Die Aufwendungen der Gebiets-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 244

körperschaften und der Gemeindeverbände sollen daher auch nicht im Wege der Lehrlingsstellen aus Mitteln des Insolvenz-Entgelt-Fonds ersetzt werden.

Die betriebliche Lehrstellenförderung wird aus Mitteln des Insolvenz-Entgeltfonds finanziert. Dieser weist eine ausreichende Deckung für die Dotierung der neuen Förderung auf. Da die Mittel des Insolvenz-Entgeltfonds aus Beiträgen der Arbeitgeber finanziert werden, soll als Ausgleich die bestehende, gleichfalls von Arbeitgebern finanzierte Auflösungsabgabe (§ 2b AMPFG) entfallen.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich darf mich auch bei Ihnen sehr herzlich für die geleistete Arbeit hier im Hohen Haus bedanken und wünsche Ihnen persönlich, aber auch Ihrer Familie alles Gute für eine positive gemeinsame Zukunft. – Alles Gute.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.

 


21.02.38

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Ja, wir stimmen zu, dass den Lehrlingen keine Kosten für ihre Unterkunft entstehen sollen. Wir sind aber völlig dagegen, dass das aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds gespeist wird. Im Gegenteil, wir würden sogar sagen, dass man, wenn dieser zu hoch ist, die Lohnnebenkosten senken muss. Dieser Ansatz ist aber nur symptomatisch, denn in Wirklichkeit ist es doch so, dass wir die Lehrlinge, die Fachkräfte, bis hin zur Ausbildung schon von vornherein diskriminieren.

Wenn ich meinen Bezirk Pongau anschaue: Wenn es dort 300 offene Lehrstellen und nur 30 Lehrstellensuchende gibt, dann besteht generell ein Problem mit der Attrak­tivität. Während wir dem Rechtsanwalt die Ausbildung bis zum Büro zahlen, besteht bei der Fachkraft und beim Meister eine Diskriminierung, der entgegengesteuert werden muss, und das schafft man nicht mit einem Ersetzen der Kosten für die Lehr­lings­unterkunft, also sozusagen mit diesem monetären Betrag. (Abg. Walter Rosenkranz: Sie meinen, dem Studenten bis zum Abschluss des Jus-Studiums!) – Ja, Herr Rosen­kranz, ich weiß, Sie haben eine mordsgroße Freude mit mir; ich weiß, ich mit Ihnen auch, Herr Rosenkranz. (Abg. Walter Rosenkranz: Ich messe Sie nur an Ihrem hohen Anspruch!) – Lassen Sie aber auch einmal die anderen reden!

Ich glaube, dass es in dieser Hinsicht ein Konzept braucht. Bildungspolitik ist Beschäfti­gungspolitik. Wenn wir uns in dieser Hinsicht einmal Gedanken darüber machen, wann sich Jugendliche entscheiden, ob sie die Matura oder eine Fachkraftausbildung oder eine höhere technische Ausbildung machen, dann werden wir feststellen, dass das viel später als vor 20 Jahren ist. Da müssen wir Anreize schaffen und auch darüber nachdenken, ob dieser Bildungsweg nach dem theresianischen Muster – das heißt, bis zum 18. Lebensjahr in die Schule zu gehen oder mit dem 15. aufzuhören  der richtige Weg ist. Wie wir wissen, wechseln die 17-Jährigen heute viel öfter die Lehre als noch vor 20 Jahren. Mit 15 wussten sie damals schon, was zu tun ist. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Wir brauchen also eine ganz andere Politik, um die Fachkräfte der Zukunft zu bekom­men. Am Beispiel Bischofshofen, am Beispiel Pongau merkt man: In drei Jahren werden wir dort 270 Fachkräfte zu wenig haben. Das kann man nicht wettmachen, indem man Ihnen die Unterkunft bezahlt, sondern man muss da generell einen ande-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 245

ren Ansatz pflegen, wie wir Fachkräfte gewinnen, wie wir auch am Binnenmarkt Österreich Fachkräfte lukrieren. (Beifall bei den NEOS.)

21.05


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Hauser gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


21.05.35

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minis­ter! Hohes Haus! Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute ein Freudentag für die Arbeitnehmer, und ich verstehe die ÖVP überhaupt nicht: Habt ihr etwas gegen die arbeitende Bevölkerung? Die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten lehnt ihr ab. (Abg. Walter Rosenkranz: Nein, die ÖVP steht wie ein Mann dafür!) Ihr seid da­gegen, dass man Lehrlingen jene gesellschaftspolitische Wertschätzung gibt, die gerade die Lehre dringend benötigt. Ich verstehe euch da überhaupt nicht.

Das ist doch – drei Tage vor der Wahl! – eine Offenbarung für die Wählerschaft draußen, dass sich die ÖVP heute hier im Parlament gegen die arbeitende Bevölke­rung und gegen die Lehrlinge ausspricht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Schittenhelm und Walter Rosenkranz.) Auch das ist eine klare Botschaft, und ich hoffe, dass die Bot­schaft bei den Wählerinnen und Wählern ankommt. Für mich ist unverständlich, dass man sich auch bei den Internatskosten sträubt und da nicht zustimmt. Gerade die Lehrlinge brauchen unsere Unterstützung und die gesellschaftspolitische Aufwertung.

Es hat ja keinen Sinn, wenn man permanent jammert, dass wir zu wenig Lehrlinge haben, dass wir Mangelberufe haben. – Na, tun wir doch etwas dagegen! Und dann sagen auch die NEOS: Ja, das ist nichts, oder das ist nichts. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) – Ja, irgendwann müssen wir einmal anfangen! Der Start ist notwendig, und ich finde, dass die Übernahme der Internatskosten ein wichtiger gesell­schaftspolitischer Schritt für unsere Lehrlinge ist. Damit erhalten die Lehrlinge auch Anerkennung und eine Aufwertung, die ihnen wirklich guttut. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Wir reden jetzt jahrelang genau über diese Thematik. Dann setzt man heute und hier einen entscheidenden Schritt – und die ÖVP stimmt dagegen, und die NEOS rela­tivieren das Ganze. Ich bin schon auch der Meinung, dass wir noch mehr für die Lehr­linge tun müssen. Wir brauchen zum Beispiel zeitgemäßes Unterrichtsmaterial, man wird das E-Learning intensivieren müssen. Man wird schauen, dass man bei der Lehre vielleicht auch gute Praktika viel stärker in den Unterricht hineinbringt. Das ist klar.

Heute setzen wir aber diesen Schritt, und wir als Freiheitliche Partei werden diese Initiative laut und deutlich unterstützen, wir werden zustimmen, und wir werden auch weiter daran arbeiten, damit noch weitere Initiativen für die Lehrlinge kommen.

Ich darf bei dieser Gelegenheit auch gleich einen Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rück­nahme der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Beherbergung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Sinne einer über die Erstattung der Inter­natskosten für Lehrlinge hinausgehenden Entlastung gerade der Tourismusbetriebe,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 246

dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der die auf 13 % erhöhte Mehrwertsteuer auf Beherbergung wieder auf 10 % gesenkt wird.“

*****

Das ist jetzt ein Angebot an die ÖVP. Lasst die Unternehmer nicht im Regen stehen! Steht heute auf! Setzt euch ein! Nicht leere Worte sprechen! Das ist ein wiederholtes Angebot, ich habe mir das herausgeschrieben; es ist ja nicht das erste Mal, dass wir die Einladung an euch aussprechen. Ich darf berichten, dass wir – mit wir meine ich auch die anderen Oppositionsparteien – dieses Thema der Rücknahme der Mehrwert­steuererhöhung im Tourismusausschuss mehrmals angesprochen haben, am 30. Mai 2017 zum letzten Mal. Am 22. März 2017, am 18. Oktober 2016, am 28. Oktober 2015 und am 10. Juni 2015 haben wir bereits im Tourismusausschuss versucht, diese unsinnige Belastung für die Tourismusbetriebe im Einvernehmen zurückzunehmen. Das ist an der ÖVP, aber auch an der SPÖ gescheitert. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt seid ihr überstimmt, mehrmals überstimmt. Euer Basti Kurz hat vollmundig ange­kündigt, dass diese Belastung ein Fehler war. Heute habt ihr die Chance, Charakter zu zeigen. Heute habt ihr die Chance, zu zeigen, dass ihr hinter der Tourismuswirtschaft steht. Heute habt ihr die Chance, der Tourismuswirtschaft 250 Millionen € zurückzu­geben. Das ist eine Entlastung! Vorher wurde die Tourismusbranche mit dieser Mehr­wertsteuererhöhung massiv ungerecht belastet.

Wenn ihr heute jammert, dass die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten etwas kostet, muss ich noch einmal zusammenfassend festhalten: Erstens gibt es lange Über­gangsfristen, was die Kündigungsfristen anbelangt – bis 2021 –, und es gibt weitere Abschwächungen. Am 1. Jänner 2020 wird die Auflösungsabgabe, die immer­hin Kosten von 70 Millionen € ausmacht, abgeschafft, ersatzlos gestrichen.

Auch das haben wir in den Verhandlungen zusammengebracht, sodass unterm Strich eine Win-win-Situation herausschaut, sowohl für die arbeitende Bevölkerung als auch für die Unternehmer. Wenn ihr heute und hier Charakter zeigt und dieser Rücknahme der Mehrwertsteuererhöhung zustimmt, erfolgt eine massive Entlastung für die Tourismuswirtschaft. Es liegt an der ÖVP, nicht nur große Worte vor den Wahlen zu sprechen, sondern heute und hier auch Charakter zu zeigen und zuzustimmen. – Ich bitte darum und danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

21.11


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Gerald Hauser und weiterer Abgeordneter betreffend Rück­nahme der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Beherbergung

eingebracht im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Berufsausbildungsgesetz geändert werden (2304/A) in der 199. Sitzung des Nationalrates am 12. Oktober 2017

„Es gilt das gebrochene Wort!“ so das Motto der österreichischen Bundesregierung in Zusammenhang mit den der Tourismuswirtschaft auferlegten Belastungen im Zuge der letzten Steuerreform.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 247

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mehrwertsteuer in der Beherbergung verändert wird.“ Österreich sei schließlich ein Hochtourismusland und stehe im Wettbewerb zu den Nachbarländern Deutschland und Schweiz, die geringere Mehrwertsteuersätze haben. Das sollte man beachten,” so Finanzminister Schelling im Ö1 Morgenjournal am 13.12.2014.

So weit, so schlecht!

Trotz dieser „Beteuerungen“, dass es zu keiner Anhebung der Mehrwertsteuer auf Beherbergung kommen werde, legte der Bundesminister für Finanzen Schelling dem Ministerrat am 17. März 2015 einen Ministerratsvortrag vor, in dem unter anderem zum Erstaunen insbesondere der heimischen Tourismuswirtschaft festgeschrieben wurde:

„Umsatzsteuer (250 Mio. €)

Es soll zu einer Anpassung der Umsatzsteuer von 10% bzw. 12% auf 13% in den folgenden Bereichen kommen:

Beherbergung (ab 1.4.2016), lebende Tiere etc, Saatgut etc, Pflanzen etc, kulturelle Dienstleistungen, Futtermittel, Holz, Jugendbetreuung, Luftverkehr, Bäder, Museen etc, Tiergärten etc, Filmvorführung etc, Ab-Hof Wein.“ (…)

Ich stelle den Antrag, die Bundesregierung möge die oben angeführten Maßnahmen beschließen und die nach dem Bundesministeriengesetz 1986 jeweils zuständigen Bundesministerinnen bzw. Bundesminister beauftragen, Gesetzesentwürfe mit den oben angeführten Inhalten, samt Vorblatt und Erläuterungen der Bundesregierung zur Genehmigung und in weiterer Folge dem Nationalrat zur verfassungsmäßigen Behandlung vorzulegen.

17. März 2015

Der Bundesminister:

Schelling“

Dieser vom Finanzminister gestellte Antrag wurde, wie hinlänglich bekannt, mit Stim­meneinhelligkeit im Ministerrat und in der Folge im Nationalrat beschlossen.

War die Tourismuswirtschaft aufgrund der Zusagen von Schelling, wonach es keine Erhöhungen der Mehrwertsteuer auf Beherbergungen geben werde, zunächst etwas erleichtert, waren die Reaktionen auf den dargelegten Wortbruch – völlig zurecht - sehr heftig, wie nachfolgende Zitate von Betroffenen eindrucksvoll unter Beweis stellen:

„Wir stehen fassungslos da,“ sagt Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV). Man habe sich auf die Aussage von Finanzminister Hans Jörg Schelling verlassen, dass die Mehrwertsteuer in der Beherbergung nicht verändert werde. 

„Unsere Wettbewerbsposition in Europa und auch weltweit wird immer schlechter.“ (Wiener Zeitung, 18.03.2015)

„Die Bundesregierung stürzt sich auf uns, weil es im Tourismus eine Standortgarantie gibt. Wir können nicht absiedeln! Dass gerade Mitterlehner als Wirtschaftsbündler uns hängen lässt, das enttäuscht uns sehr!“ (Kurier, 18.03.2015)

„Das Vertrauen in die Politik ist in unserer Branche schwer erschüttert“, erklärte Petra Nocker-Schwarzenbacher, Obfrau der WK-Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft. (medianet Nr. 1941/2015, 18.03.2015)

„In Deutschland beträgt die Mehrwertsteuer sieben Prozent, in der Schweiz gar nur drei Prozent, aber in Österreich wird sie erhöht!“ (Kronen Zeitung, 18.03.2015)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 248

„Ich habe Landeshauptmann Platter und ÖVP-Obmann Mitterlehner gesagt, dass die ÖVP so alle Wirte als Wähler verliert,“ so der ehemalige ÖVP-Tourismussprecher Franz Hörl. (Tiroler Tageszeitung, 18.03.2015)

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der vom Bundesminister für Finanzen vor Beschlussfassung gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Beherbergung ins Treffen geführten Gründe, wonach Österreich als Hochtourismusland in einem Umfeld eingebettet ist, in dem Länder wie etwa die Schweiz oder Deutschland einen extrem niedrigen Steuersatz haben, und vor dem Hintergrund der zuletzt von Bundesminister Sebastian Kurz angekündigten Rück­nahme der gegenständlichen Mehrwertsteuererhöhung nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Sinne einer über die Erstattung der Inter­natskosten für Lehrlinge hinausgehenden Entlastung gerade der Tourismus­betriebe, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der die auf 13 % erhöhte Mehrwertsteuer auf Beherbergung wieder auf 10 % gesenkt wird.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schmid. – Bitte.

 


21.11.30

Abgeordneter Julian Schmid, BA (Grüne): Frau Nationalratspräsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich bin sehr froh, dass dieser Antrag heute gestellt worden ist und dass wir darüber abstimmen. Es ist ein guter Tag für die Lehrlinge in Österreich – Herr Hauser hat das gerade gesagt –, es ist ein guter Tag, weil dieser Antrag beschlossen wird. (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Man muss sich vorstellen, dass diese Maßnahme, die wir jetzt einführen, dass die Lehrlinge de facto von den Internatskosten befreit werden, circa 50 000 Lehrlinge in Österreich betrifft. Direkt entlastet wird circa ein Drittel der Lehrlinge, das ist also wirklich eine große Maßnahme. Ich habe selbst viele Lehrlinge getroffen, die zwischen 700 € und 1 000 € im Lehrjahr für ein Heim ausgeben, wenn sie einer Berufsschule in einem anderen Bundesland zugeteilt werden. Sie haben teilweise eine wirklich niedrige Lehrlingsentschädigung und müssen dann so viel Geld dafür zahlen. Es gibt Lehrlinge, die in dieser Zeit ein Minus machen, und deshalb ist es wirklich eine Maßnahme, bei der es schlicht und einfach um Respekt gegenüber den Lehrlingen in Österreich geht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Deshalb danke ich dafür, dass wir das heute gemeinsam – mit ein paar Ausnahmen, die da nicht mitgehen – beschließen.

Ich finde diesen Antrag auch aus einem anderen Grund sehr wichtig. Wir haben jetzt einen Wahlkampf gesehen, der extrem dreckig war, bei dem man als Bürger und Bürgerin, aber auch als Abgeordneter hier im Haus das Gefühl hatte, dass das Dirty Campaigning irgendwie die Politik beherrscht. Das ist leider viel zu oft so. Viele Bürgerinnen und Bürger wenden sich aus dem Grund auch von der Politik und von den Entscheidungen, die wir hier herinnen treffen, ab.

Ich empfinde es aus dem Grund als ein unfassbar wichtiges Zeichen, weil ich, ehrlich gesagt, auch hier im Parlament das Gefühl habe, dass viele Vertreter der Großparteien


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 249

die Demokratie gerade in Wahlkampfzeiten leider nicht mehr so ernst nehmen, wie man das eigentlich sollte.

Ich habe in Kärnten erlebt – ich bin in Kärnten aufgewachsen und politisch aktiv ge­worden –, wie ein schmutziger politischer Stil dazu geführt hat, dass ein ganzes Bundesland heute mit wirklich massiven Problemen konfrontiert ist. Ich finde, die Demokratie – wir sollten uns darauf besinnen – entsteht nicht durch Anzug oder Kra­watte, sondern sie entsteht nur durch Toleranz und durch Respekt voreinander. Und dieses Parlament muss das Herzstück dieses Miteinanders und dieser Demokratie sein. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb hoffe ich einerseits, dass wir es schaffen, zu einer sauberen Politik zu kom­men, und andererseits, dass es viel mehr solche Anträge gibt, bei denen wirklich quer über die Parteigrenzen – auch über ideologische Grenzen – hinweg gemeinsam etwas beschlossen wird, schlicht und einfach, weil es richtig ist. Für die Lehrlinge ist dieser Antrag schlicht und einfach richtig. – Danke schön, und ich hoffe, dass wir den Antrag so beschließen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.14


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Stöger. – Bitte.

 


21.14.57

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Lehrlinge in Österreich sind diejenigen, die sehr vieles in die Praxis umsetzen, die die Träger der Facharbeit in Österreich sind und die den wirtschaftlichen Erfolg in vielen Branchen ausmachen. Ich war gestern in einem Unternehmen in der Nähe von Schärding: Da hat sich ein Lehrling weiterentwickelt und ein Unternehmen aufgebaut, das heute Weltmarktführerschaft für sich in Anspruch nehmen kann. Das zeichnet Österreich aus.

Wir haben die Gruppe der Lehrlinge immer nicht ganz so ernst genommen. Ich danke auch den Abgeordneten Obernosterer und Schellhorn. Bei dem, was da beschrieben worden ist, muss man hinhören: Was können wir gemeinsam tun, um die Lehrlings­ausbildung zu stärken?

Herr Abgeordneter Obernosterer, diejenigen Unternehmen, die bis jetzt schon ihre Verantwortung wahrgenommen und diese Kosten für die Lehrlinge übernommen haben, entlasten wir damit. Diejenigen Unternehmen, die das nicht gemacht haben, die Branchen, die es nicht gemacht haben, zahlen jetzt aus ihren Beiträgen zum Insolvenz­fonds mit, und denen geschieht es recht, um es auch so deutlich zu sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bedanke mich ausdrücklich bei Ihnen, wenn Sie hier sagen können, über 100 Lehr­linge in Ihrer Branche ausgebildet zu haben. Das ist eine große Leistung. Das können andere nachmachen, dann bekommen sie auch Geld. Ich sage das sehr deutlich.

Der Lehrling entscheidet nicht, ob er seine Berufsschule in einem Internat absolviert, denn das entscheidet die Landesregierung. Daher ist es so wichtig, dass diese Entscheidung der Landesregierung nicht zu Kosten seitens des Lehrlings führt, und ich bin sehr froh, dass sich da etwas verändert hat.

Als ich 1975 die Lehre begonnen habe, war es nicht möglich, mit einem Lehrabschluss die Matura zu machen. Heute ist das eine Selbstverständlichkeit. Es gibt heute gratis Vorbereitungskurse für die Lehrabschlussprüfung, es gibt kostenlose Sprachkurse – wir haben uns da sehr bemüht. Ich bin mit einigen Wirtschaftskammern, zum Beispiel mit jener in Niederösterreich, in Kontakt, wir unterstützen sie, damit sie den Lehrlingen auch eine vernünftige Ausbildung im Ausland geben können, damit sie die Facharbeit


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 250

in den Vordergrund stellen. Ich möchte, dass wir für diese Berufsausbildung auch insgesamt Verantwortung übernehmen.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Jugendvertrauensrätinnen und Jugendvertrau­ens­räten. Sie haben 20 000  Unterschriften über die Gewerkschaftsjugend gesammelt, am letzten Parlamentstag haben sie sie mir übergeben. Diese Jugendvertrauens­rätinnen und Jugendvertrauensräte diskutieren mit, sie sind ein Teil der Demokratie in diesem Land. Ich glaube, es ist so wichtig, dass gerade diese jungen Facharbei­terinnen und Facharbeiter, die Lehrlinge, hier auch wahrgenommen werden.

Ich habe eine Bitte; Gabriel Obernosterer, ich sage dir das jetzt: Bitte schau in deiner Truppe, dass man mitstimmt! Das haben sich die Lehrlinge verdient, das ist wichtig. Es nützt auch euren Unternehmen, die jetzt schon gescheit gearbeitet haben. Ich ersuche Sie: Macht da mit! Ich glaube, dass das für die Lehrlinge sehr wichtig ist, und es ist wieder ein guter Tag für die arbeitenden Menschen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.18


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Kucharowits gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


21.18.53

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Vorweg: Es geht in der Debatte um Lehrlinge. Manche Kollegen – es waren jetzt ausschließlich Männer – drehen diese Debatte in eine Richtung, in der es um eine ganz andere Zielgruppe geht. Ich würde mir einfach einmal wünschen, dass wir, wenn wir schon über Lehrlinge diskutieren – und das passiert viel zu selten hier im Haus –, dann bitte auch über sie sprechen und nicht Lohnnebenkosten oder die Senkung der Mehrwertsteuer mit hineinnehmen. Ich halte das einfach für falsch, und ich wollte das an der Stelle sagen, weil sich nämlich rund 40 Prozent der Jugendlichen in Österreich für eine Lehre entscheiden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie kennen alle das österreichische System der dualen Ausbildung, eben einen Theorieteil in der Schule zu erfahren und die Praxis im Unternehmen, in der Lehr­werkstätte, wo auch immer. Das ist wirklich eine grandiose Geschichte, und wie Kollege Hechtl schon gesagt hat, sind viele Lehrlinge aus Österreich jetzt bei dem Wettbewerb dabei. Das ist ein internationaler Wettbewerb, und die schneiden einfach grandios ab; also die Verschränkung ist ein zentrales Element. Wie schon erwähnt, ist nicht jede Person in der Stadt und hat das Unternehmen und die Schule dort, sondern viele sind in den Bundesländern und haben dementsprechend geblockten Unterricht. Und zum geblockten Unterricht kann man halt nicht einfach in der Früh rausfahren und am Abend wieder retourfahren, das Pendeln funktioniert nicht.

Somit kommt es einfach zu enorm hohen Kosten. Manche Unternehmen unterstützen Lehrlinge und übernehmen diese Internatskosten, andere nicht. Wir wollen es einfach nicht weiterhin vom Glück abhängig machen, ob jemandem die Internatskosten ersetzt werden, weil das einfach ungerecht ist. Wir sagen: Schluss damit!, aber auch 21 155 junge Menschen sagen das. Es ist von der österreichischen Gewerkschaftsjugend eine Petition ins Leben gerufen worden, die, wie gesagt, von 21 155 jungen Menschen unterstützt worden ist, weil es einfach unfassbar schwierig ist, bis zu 1 300 € für Internatskosten zu zahlen. Da ist die Lehrlingsentschädigung zweimal weg, und das ist einfach ungerecht.

An dieser Stelle schöne Grüße an die Gewerkschaftsjugend, die jetzt zusammensitzt und via Livestream zuhört – hallo an dieser Stelle! Unser SPÖ-Antrag, der fordert: Weg


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 251

mit den Internatskosten!, steht heute zur Abstimmung. Er ist extrem wichtig für wirklich viele junge Menschen. Und das ist gegenfinanziert. Sie haben es auch angesprochen: Über den Insolvenz-Entgelt-Fonds ist Budget da. Es muss nicht sozusagen irgendwo aus dem Boden gestampft werden, es ist da.

Unterstützen wir jetzt die Lehrlinge, helfen wir den jungen Menschen, entlasten wir sie! Liebe ÖVP, zeigt Flagge und unterstützt mit uns gemeinsam unseren Antrag, den Antrag der Gewerkschaftsjugend. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.21


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Muchitsch ist als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


21.21.53

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Sozialminister! Ich möchte kurz ein Mail von einem Unternehmer aus Innsbruck zitieren, der drei Mitarbeiter hat und einem jungen Mädel aus Osttirol einen Lehrplatz in seinem technischen Büro anbieten möchte, im Lehrberuf Geoinformatik. Elena aus Osttirol kann diese Lehrstelle nicht antreten, weil die Berufsschule in Wels ist, sie ist Wochenpendlerin, die Kosten wären einfach zu hoch. Dieser Unternehmer aus Innsbruck schreibt mir: Ich bitte Sie, Herr Abgeordneter, diesen eingebrachten parla­mentarischen Antrag auf Kostenübernahme der Internatskosten durch die öffentliche Hand – also durch uns – zu unterstützen und im Parlament zu beschließen. – Zitat­ende.

Das ist jetzt so eine Geschichte, bei der, glaube ich, jenen Betrieben, in denen es jetzt keine Rückerstattung von Internatskosten gibt, unglaublich viel geholfen wird. Wenn wir bei 41 Prozent aller Ausbildungsplätze die Kosten für die Arbeitgeber, die jetzt schon zahlen, refundieren, unter anderem auch im Baugewerbe, dann ist es eine Entlastung für jene Unternehmen, die diese Internatskosten jetzt zahlen.

Als wir diesen Antrag am 4. Oktober eingebracht haben, hätten wir eigentlich nicht geglaubt, dass es möglich ist, mittels Fristsetzung heute hier eine Mehrheit zu er­reichen. Ich bedanke mich bei all jenen, die mitgewirkt haben. Ich bedanke mich bei der österreichischen Gewerkschaftsjugend, die in fünf Wochen 21 000 Unterschriften gesammelt hat. Es ist ganz toll, wie hier mobilisiert wurde.

Wissen Sie, als ich vor 35 Jahren den Beruf Maurer gelernt habe, haben wir die Inter­natskosten selber zahlen müssen. Es hat keine Regelung gegeben, dass die Kosten übernommen werden. Jetzt haben wir teilweise Regelungen, und bald werden wir dann eine hundertprozentige Regelung für alle Lehrlinge in diesem Land haben.

Das ist eine tolle Aufwertung. Wenn wir von Facharbeitermangel reden, vom Image, von mehr Attraktivität für die Lehre, kann da nichts dagegensprechen. Bitte stimmen Sie alle diesem Antrag zu! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.24


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte. (Ruf in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Steinbichler : Das Taferl hast vergessen!)

 


21.24.18

Abgeordneter Leopold Steinbichler (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Sehr verehrte Zuseherinnen auf der Besuchergalerie und vor den Fernsehgeräten! Es hat einmal eine Zeit gegeben, da ist plakatiert worden: Karriere mit Lehre. – Ich bin wirklich stolz, dass heute in dieser


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 252

Diskussion wirklich einmal die Lehre hervorgehoben wird. Wir reden in den Bildungs­diskussionen sonst sehr viel über weiterführende Bildung.

Kollege Muchitsch hat gerade angesprochen, dass man jetzt besonders den Fachar­beiter­mangel bemerkt. Überall, wo man hinfährt – jetzt redet jeder davon, dass er im Wahlkampf unterwegs ist –, sieht man die Tafeln, die Transparente: Mitarbeiter, Fach­arbeiter, Facharbeiterinnen gesucht. Deshalb ist klar, dass das ein ganz wesentlicher Schritt ist; 50 000 Lehrlinge sind betroffen.

Ich möchte mich an dieser Stelle aber auch bei den Unternehmerinnen und Unter­nehmern bedanken, die Lehrlinge ausbilden. Das ist eine zusätzliche Belastung, aber natürlich auch die Chance, sich langjährige Mitarbeiter für die Zukunft des Betriebes heranzubilden.

Ich denke, die Forderung des Kollegen Wurm, was diese ungerechtfertigte beziehungs­weise sinnlose Erhöhung der Mehrwertsteuer bei den Gastronomiebetrieben betrifft, ist eine ganz wesentliche. Wir wissen, in welch schwieriger Situation diese Gastro­nomiebetriebe sind, im Kampf mit der Systemgastronomie. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) Wir erleben das auch ganz besonders in unserem Bezirk Vöcklabruck, lieber Gabi Obernosterer, und du weißt, wie lange wir im Tourismusausschuss allein über die Mitarbeit der Familienangehörigen diskutiert haben. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) Was ist mit den Anträgen hinsichtlich der Qualitätspart­ner­schaft Tourismus und Landwirtschaft geschehen?

Wir können ganz neue Wege gehen, und was ich jetzt in der Diskussion gehört habe, ermutigt mich. Wir können ganz neue Wege gehen, Win-win-Situationen schaffen, in denen alle Beteiligten bevorzugt sind und durch die wir diese Abwanderung aus den ländlichen Regionen wieder stoppen können, durch die wir wirklich sinnvolle Partner­schaften leben können, in denen alle Beteiligten profitieren.

Deshalb, glaube ich, gibt es auch für diesen Punkt ganz einfach drei Buchstaben, näm­lich: tun – und umsetzen. Ich glaube, das ist gelebte Demokratie, und wir werden diesen Antrag auf jeden Fall unterstützen. – Danke.

21.26

21.26.53

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir nun zur Abstimmung über den Antrag 2304/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen.

Hiezu liegen ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Mag. Loacker vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- bezie­hungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 eingebracht.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 253

Wer sich hierfür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Zusatzantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 2 Z 1.

Wer sich hierfür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Nun kommen wir zur getrennten Abstimmung über Artikel 2 in der Fassung des Initiativantrages 2304/A der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hierfür aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Initiativantrages 2304/A der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hierfür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist somit mit Mehrheit angenommen.

Damit kommen wir zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag auch in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist damit in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rücknahme der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Beherbergung.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

21.29.508. Punkt

Antrag der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz und das Bundesbehinderten­ge­setz geändert werden (2309/A)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Frist bis zum 11. Oktober zur Berichterstattung gesetzt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte, Frau Abgeord­nete.

 


21.30.29

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein guter Tag, nicht nur für die Lehrlinge und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land, sondern es ist auch ein guter Tag für rund 1,3 Millionen Menschen mit Behinderungen, denn wir beschließen jetzt mit diesem Antrag das Inklusionspaket; wobei ich betonen möchte, dass auch Bundesminister Stöger im Vorfeld mit dem Vizekanzler Verhand­lungen geführt hätte, was nicht gelungen ist, aber über den Initiativantrag heute wird dieses Gesetz mehr oder weniger beschlossen werden.

Im Inklusionspaket verändern wir das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz. Wir machen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 254

damit – und davon bin ich wirklich überzeugt, sehr geehrte Damen und Herren – einen Riesenschritt in Richtung mehr Chancengleichheit, mehr Teilhabe am beruflichen und am gesellschaftlichen Leben für Menschen mit Behinderungen. Es wird maßgebliche Verbesserungen bei der Überwachung der Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und auch bei der Durchsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen geben, weil wir nämlich den Monitoringausschuss strukturell und finanziell aufwerten werden, und auch, weil wir vor allem die Verbandsklage auf den Bundesbehindertenanwalt und auch auf den Klagsverband ausweiten.

Das sind für mich, geschätzte Damen und Herren – und ich glaube, auch für viele Menschen mit Behinderungen – Meilensteine. Ich verwende diesen Ausdruck in der politischen Debatte sehr, sehr selten, aber heute möchte ich ihn verwenden. Es sind Meilensteine in der Behindertenpolitik vor allem für jene Menschen, die es betrifft: für Menschen mit Behinderungen. Und ich freue mich sehr, dass der von mir eingebrachte Antrag sehr, sehr breite Zustimmung finden wird. Wie Kollegin Belakowitsch gesagt hat: im Sinne der Menschen mit Behinderungen ein herzliches Dankeschön dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden neben den von mir bereits erwähnten Punkten auch noch 90 Millionen € für berufliche Integration beschließen. Das bedeutet viel, viel mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen und wahrscheinlich beziehungsweise ganz sicher mehr Teilhabe am beruflichen Leben. Die Mittel dafür werden verdoppelt.

Wir beschließen heute auch den Anspruch auf Unterlassung von Belästigung und den Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung von Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, sofern es sich beim Beklagten um eine große Kapitalgesellschaft handelt. Auch das ist ein Riesenerfolg, der für Menschen mit Behinderungen eine ganz, ganz massive Verbesserung bringen wird, vor allem für ihre tatsächlichen Le­bensbedingungen.

Geschätzte Damen und Herren! Behindertenpolitik, das habe ich in den letzten mitt­lerweile schon acht Jahren erlebt, ist das Bohren ganz besonders harter Bretter. Es ist eine Querschnittsmaterie, die viele, viele Bereiche betrifft. Und es ist vor allem – und leider – in vielen Bereichen noch immer Ländersache. Gerade deswegen bin ich überzeugt davon, dass es ein Zusammenwirken vieler Akteurinnen und Akteure braucht, um tatsächlich für Menschen mit Behinderungen etwas weiterzubringen; und vor allem braucht es auch ExpertInnen in eigener Sache.

Ich möchte mich bei allen, die in der letzten Woche im Vorfeld – vom Einbringen des Fristsetzungsantrags bis heute – daran mitgewirkt haben, dass dieser Beschluss breite Zustimmung finden wird, wirklich herzlich für die wertvolle Unterstützung bedanken. Ich möchte alle nennen, ich hoffe, ich vergesse jetzt niemanden: Ich bedanke mich beim Behindertenrat, der über 80 Organisationen vertritt, bei BIZEPS, beim Behinderten­anwalt, bei ÖZIV, bei der Lebenshilfe, bei der Selbstbestimmt-Leben-Initiative Öster­reich, beim Monitoringausschuss und bei der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Seh­schwachen, die alle mit ihren Presseaussendungen sicher auch dazu beigetragen haben, dass der eine oder andere sich noch umstimmen lassen hat und heute diesem wichtigen Initiativantrag, diesen wichtigen Verbesserungen für Menschen mit Behinde­rungen zustimmt.

Wir haben es gemeinsam geschafft. Allein kann man nichts schaffen. Wir haben es wirklich gemeinsam geschafft; Ihnen allen, die auf der Galerie sitzen, ein herzliches Dankeschön dafür. Ich freue mich sehr über diesen Beschluss, weil ich davon über­zeugt bin: Inklusion ist ein Menschenrecht. (Beifall bei der SPÖ.)

21.34



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 255

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Hammer. – Bitte.

 


21.34.56

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Wir diskutieren bei dieser letzten Nationalratssitzung unter diesem Tagesordnungspunkt zweifelsohne ein wichtiges Thema im Sozialbereich, vor allem, wenn es um Menschen mit Beeinträchtigung geht. Mir persönlich ist das Thema ebenfalls sehr wichtig, weil für mich neben dem Sicher­heitsbereich vor allem der Sozialbereich ein zentrales Anliegen ist, und es ist wichtig, dass wir uns da entsprechend engagieren.

Wie meine Vorrednerin glaube auch ich, dass es unsere Aufgabe ist, für diejenigen, die in der Gesellschaft zu den Schwächeren gehören und die unsere Unterstützung brauchen, einzutreten – dies sind vor allem Menschen mit Beeinträchtigung –, vor allem, wenn es um die Teilhabe geht, wenn es um Mitbestimmung geht und ganz besonders, wenn es um die berufliche Integration geht.

Uns als ÖVP ist dieses Thema natürlich auch besonders wichtig. Wir wissen aus den Statistiken, dass die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Beeinträchtigung im Vergleich zur allgemeinen Arbeitslosigkeit überproportional hoch ist und dass daher unsere Anstrengungen im Zusammenhang mit beruflicher Integration in den Arbeitsmarkt und mit Teilhabe in diesem Bereich verstärkt gehören. Für uns ist das einfach ein wichtiger Punkt, und den unterstützen wir natürlich grundsätzlich auch.

Als ÖVP sehen wir aber hinsichtlich dieses nächsten Punkts, der da in rot-blauer Koalition vorgetragen wird, zwei Dinge differenziert: Erstens sind wir der Meinung, dass wir zu diesen 45 Millionen €, die ja schon im Bundesfinanzrahmengesetz aus dem Ausgleichstaxfonds bereitstehen, keine zusätzlichen 45 Millionen € aus allgemeinen Budgetmitteln beischießen können. Wir bleiben da unserer Linie treu, heute nicht aus allgemeinen Budgettöpfen über 470 Millionen € – so wurde es zusammengerechnet – aufzuwenden, sondern die Arbeitsmarktrücklage dafür zu verwenden und diese Mittel entsprechend aus Mitteln des AMS und des Sozialministeriums zu nehmen. Die Finanzierung aus allgemeinen Budgetmitteln lehnen wir also ab.

Zweitens sind wir grundsätzlich auch der Meinung, dass die Möglichkeiten des Instru­ments der Verbandsklage in diesem Ausmaß, wie es hier vorgeschlagen wird, von uns nicht mitzutragen sind. Wir bringen daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Kollegen Wöginger, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag der Abgeordneten Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden.

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben zitierte Initiativantrag (2309/A) wird wie folgt geändert:

a) Artikel 1 Ziffer 1 lautet:

Dem § 10 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a angefügt:

„(1a) Unbeschadet der im BFRG 2017–2021 für den Ausgleichstaxfonds bereits vorge­sehenen Mittel sind dem Ausgleichstaxfonds weitere Mittel aus der Arbeitsmarkt­rücklage gemäß § 50 AMSG in Höhe von 45 Mio € jährlich ab dem Jahr 2018 für Maßnahmen der beruflichen Inklusion für Menschen mit Behinderungen zur Verfügung


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 256

zu stellen. Dem Ausgleichstaxfonds fließen diese Mittel abzüglich jenes Betrages, der für Maßnahmen nach § 10a Abs. 1 lit. k zu verwenden ist, zu.“

b) In Artikel 2 entfallen die Ziffern 2 bis 4.

c) In Artikel 3 Ziffer 4 lautet § 13l Abs. 1:

„(1) Zur Führung der Bürogeschäfte richten das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und die Mitglieder des Monitoringausschusses einen privaten gemeinnützigen Rechtsträger ein. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt diesem Rechtsträger insbesondere für dem Ausschuss zuzurechnende Gehalts- und Bürokosten jährlich einen Betrag von 320 000 Euro zur Verfügung. In diesen Betrag sind Vergütungen gemäß § 13j Abs. 5 sowie Reisege­bühren (§ 13j Abs. 5 und 6) einzurechnen.“

*****

Wie gesagt signalisieren wir mit diesem Abänderungsantrag unsere Zustimmung zu diesem wichtigen Thema. Und ich möchte es nicht verabsäumen, bei dieser Sitzung unserem Behindertensprecher, Herrn Abgeordnetem Franz-Joseph Huainigg, der in all diesen Fragen ein unermüdlicher Kämpfer war und viele Erfolge für die Menschen mit Beeinträchtigungen heimgebracht hat, zu danken. Franz-Joseph, du warst ein groß­artiger Kämpfer für die Menschen mit Beeinträchtigung hier im Parlament. Ich danke dir für deine Arbeit! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

21.39


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Wöginger

und Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig und Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz, das BundesBehindertengleichstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz geän­dert werden (2309/A)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben zitierte Initiativantrag (2309/A) wird wie folgt geändert:

a )Artikel 1 Ziffer 1 lautet:

Dem § 10 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a angefügt:

„(1a) Unbeschadet der im BFRG 2017-2021 für den Ausgleichstaxfonds bereits vorgesehenen Mittel sind dem Ausgleichstaxfonds weitere Mittel aus der Arbeitsmarkt­rücklage gemäß § 50 AMSG in Höhe von 45 Mio € jährlich ab dem Jahr 2018 für Maßnahmen der beruflichen Inklusion für Menschen mit Behinde-rungen zur Verfügung zu stellen. Dem Ausgleichstaxfonds fließen diese Mittel abzüglich jenes Betrages, der für Maßnahmen nach § 10a Abs. 1 lit. k zu verwenden ist, zu.“

b) In Artikel 2 entfallen die Ziffern 2 bis 4.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 257

c) In Artikel 3 Ziffer 4 lautet § 13l Abs. 1:

„(1) Zur Führung der Bürogeschäfte richten das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und die Mitglieder des Monitoringausschusses einen privaten gemeinnützigen Rechtsträger ein. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt diesem Rechtsträger insbesondere für dem Ausschuss zuzurechnende Gehalts- und Bürokosten jährlich einen Betrag von 320 000 Euro zur Verfügung. In diesen Betrag sind Vergütungen gemäß § 13 j Abs. 5 sowie Reise­gebühren (§ 13j Abs. 5 und 6) einzurechnen.“

Begründung

Zu Artikel 1 Ziffer 1 (§ 10a Abs. 1a BEinstG):

Im Budget bzw. dem BFRG 2017-2021 sind bereits rund 45 Mio € für den Aus­gleichstaxfonds vorgesehen. Diese Mittel werden aus der Arbeitsmarktrücklage ver­doppelt. Die automatische Valorisierung entfällt.

Zu Artikel 2 Ziffer 2 bis 4 (§ 13 Abs. 1 bis 3 BGStG)

Das Instrument der Verbandsklage soll weiterhin an eine Empfehlung des Bundes­behindertenbeirats gebunden sein.

Zu Art. 3 Z 3 (§ 13l BBG):

Die automatische Valorisierung der dem Monitoringausschuss jährlich zur Verfügung zu stellenden Mittel (Gehalts- und Bürokosten) entfällt.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch. – Bitte.

 


21.39.28

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Inklusionspaket, wie es da liegt, bringt mehr finanzielle Mittel für die Arbeitsmarkteingliederung von Menschen mit Behinderungen. Das haben wir alles schon gehört.

Ich möchte jetzt auf einen ganz anderen Punkt eingehen, weil ich glaube, dass dieses Gesetz heute beschlossen wird, hat einen ganz wesentlichen Aspekt, der noch gar nicht angesprochen worden ist, ins Bewusstsein von uns allen zu bringen, nämlich dass 1,3 Millionen Menschen in Österreich Menschen mit Behinderungen sind, die genauso wie wir alle sogenannten Nichtbehinderten am Leben teilhaben wollen, die selbstbestimmt leben wollen, die endlich nicht mehr zu Bittstellern degradiert werden wollen, die nicht von irgendwelchen Sozialtöpfen abhängig sein wollen, sondern die genau dasselbe selbstbestimmte Leben führen wollen wie wir. Ich glaube, das muss uns allen endlich einmal bewusst werden, damit sich in diesem Land etwas ändert.

Wir haben es schon gehört: Die Arbeitslosenrate von Menschen mit Behinderungen ist doppelt so hoch wie bei allen anderen. Das ist in Wirklichkeit eine ganz bedenkliche Situation. Wir haben Ausgleichstaxen, mit denen sich Betriebe freikaufen können, die viel zu niedrig sind. Wir haben seit Jahren eine progressive Ausgleichstaxe gefordert. Dieses Inklusionspaket ist mehr als nur eine finanzielle Hilfe für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, ist mehr als nur eine Hilfe, um Diskriminierungen besser abstellen zu können, vor allem die systematisch angelegte Diskriminierung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 258

Es ist wirklich wichtig, ein Umdenken in der Bevölkerung, in den Köpfen zu schaffen, zu sagen: Ja, sie sind ein Teil von uns, sie sind wie wir, sie sind wie du und ich. Sie brauchen in gewissen Bereichen vielleicht bessere Unterstützung, aber das ist das Wesentliche, und das ist der Grund, warum ich glaube, dass dieses Inklusionspaket so notwendig und so wichtig und richtig ist. Daher werden wir dem Antrag der Kollegin Königsberger-Ludwig selbstverständlich zustimmen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

21.41


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Jarmer. – Bitte.

 


21.41.42

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch einen Gebär­densprachdolmetscher): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauer hier auf der Galerie! Das heutige Thema ist mir ein großes Anliegen. Es geht um Menschen mit Behinderungen, und wir sprechen von einem Viertel unserer Bevölkerung, das direkt oder indirekt von einer Behinderung betroffen ist, ob das Familienmitglieder sind oder ob man selbst behindert ist. Zu diesen 1,4 Millionen Menschen gehören wir alle irgendwie.

Diese Bevölkerungsgruppe erwartet sich von uns PolitikerInnen Folgendes: eine Gleichstellung im Leben. Wir sollen für sie dastehen und für sie kämpfen, damit sie ein gleichgestelltes Leben haben.

Das, was ich mitgeben möchte, ist, dass unsere Anträge beziehungsweise allgemein Anträge von der Opposition, wenn sie abgelehnt werden, hier im Plenum besprochen werden, denn viele werden ja vertagt, landen also in der Schublade, und die Bevölke­rung sieht nicht, wie viele gute Anträge die Opposition bereits gestellt hat und wie viele gute Anträge wir auch schon gestellt haben, die in der Schublade gelandet sind – sehr, sehr viele gute Ideen. Ich finde es sehr schade, dass diese leider in der Schublade gelandet sind.

In einigen Punkten, muss ich sagen, gibt es schon Veränderungen. KollegInnen, meine VorrednerInnen haben das bereits gesagt. Sie wissen, die Volksanwaltschaft nimmt hier an Plenardebatten teil. Der Behindertenanwalt hat bis dato immer nur, ich nenne es jetzt so, wie es ist, im Behinderteneck, im Sozialministeriumservice in einem Raum tagen dürfen, und das war es. Heute ist es soweit, dass der Behindertenanwalt eine Bühne hier in dem Haus bekommt, wo er auch hingehört, wo er auch berichten und tagen darf.

Wichtig ist auch der Monitoringausschuss mit seiner Unabhängigkeit. Die UN-Konven­tion wurde auch von unserem Sozialminister unterschrieben, ratifiziert, und wir haben verbindlich erklärt, dass wir diese auch umzusetzen.

Behindertenpolitik, da denken viele Leute oftmals, das sei eine kleine Materie, das habe mit ihnen nichts zu tun, das habe mit nichts etwas zu tun. Nein, das, was man einfach erkennt, leider oftmals erst nach vielen Diskussionen, ist, dass darauf verges­sen wird. Das ist eine Querschnittsmaterie, das ist eine Materie, die sehr, sehr viele Menschen betrifft, ob das Menschen sind, die mit einer chronischen Erkrankung leben, oder Menschen, die Familienmitglieder haben, die mit einer Behinderung leben.

Wenn man sich die Regierungsvereinbarungen anschaut, sieht man, dass viele Be­reiche der Behindertenpolitik leider nicht umgesetzt worden sind; vieles wurde leider nicht geschafft. Die UN-Konvention, die von Österreich ratifiziert wurde, wurde von der UNO überprüft. 23 Hausaufgaben haben Schwarz und Rot, die Regierung, bekommen. Bis dato ist nur eine Handvoll geschafft worden  eine Handvoll! Und bis nächstes Jahr müssen eigentlich alle erfüllt werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 259

Zum Thema Budget und Budgetierung, zur ÖVP bezüglich der Budgetierung, weil Sie das erwähnt haben: Also seien Sie mir nicht böse, beim Behindertengleich­stellungs­gesetz war es früher so, dass das Sozialministerium immer gezahlt hat. Seit der Novelle heißt es, dass jedes Ministerium budgetäre Mittel für Behindertenpolitik reser­vieren muss und dass dann dieses Geld auch tatsächlich für diese Menschen fließt. Es besteht aber keine Transparenz, ob und wie viel ein Ministerium in diese Bereiche investiert hat. Und das sind genau die Anfragen, die wir stellen und die dann in den Ministerien wieder in der Schublade landen, weil sie nicht beantwortet werden – keine Transparenz also, wie viel Geld für diese Menschen tatsächlich fließt und wie viel ausgegeben wird.

Es ist unsere Pflicht als PolitikerInnen, diesen Menschen zu zeigen, dass wir für sie da sind, das auch wirklich zu sein und es nicht zur eigenen Sache zu machen und nur zu verkaufen. Wir sind da, um mutig zu sein, für diese Menschen zu kämpfen, und nicht, um einfach vor die Kamera zu hüpfen und zu sagen, wir machen eh etwas, wir sind eh für euch da, und dann nichts zu tun. Mein Kollege Kogler hat bereits gesagt, es ist wichtig, die Dinge anzunehmen, anzusprechen und umzusetzen.

Ich möchte noch dazu sagen, es gibt Regierungen, die sagen, dass sie in Zukunft das Taschengeld erhöhen möchten. Ich zeige dabei auf die rechte Seite. Einige Parteien sagen, ja, geben wir denen einfach ein bisschen mehr Taschengeld, die sollen daheim bleiben, ja, das passt schon. Das ist die schlechteste und falscheste Einstellung, die man Menschen mit Behinderungen gegenüber haben kann. Was ist das für eine Einstellung?! (Beifall – auch in Gebärdensprache – bei den Grünen.)

Ich hoffe, dass gewisse Wahlversprechen von gewissen Parteien, die genau in diese Richtung gehen, nicht umgesetzt werden, und dafür braucht es uns, dafür braucht es andere Parteien. – Danke. (Beifall – auch in Gebärdensprache – bei den Grünen.)

21.46


Präsidentin Doris Bures: Nunmehr hat sich Herr Bundesminister Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


21.46.24

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Frau Präsidentin. Hohes Haus! Es geht um Respekt! Es geht um Respekt vor Menschen, die es in dieser Gesellschaft nicht so leicht haben. Es geht um den Res­pekt, wahrzunehmen, dass manche in der Gesellschaft besondere Unterstützung brauchen, dass sie aber ein Teil der Gesellschaft sind, dass sie die gleiche Würde und die gleichen Zugänge zur Gesellschaft brauchen.

Ich habe diese Woche eine Veranstaltung besucht, mit der man 25 Jahre Assistenz für behinderte Menschen am Arbeitsplatz gefeiert hat. Da hat man vor 25 Jahren noch gesagt, das ist so eine Spinnerei, das wird ja nichts werden, aber es ist etwas gewor­den, nämlich dass man Menschen dabei unterstützt, dass sie an dieser Gesell­schaft teilhaben können, am Arbeitsleben teilhaben können und dass wir die gesell­schaft­lichen Räume öffnen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen, mit Behinderungen wahrgenommen werden.

Und ich gebe gerne zu, ich selbst war immer sensibel für Fragen, was Menschen mit Behinderungen brauchen, aber ich habe selbst noch lernen dürfen – und bin dankbar dafür, das lernen zu müssen –, wo wir überall behindern, wo die Gesellschaft behindert und wo wir in Wirklichkeit Menschen ausgrenzen.

Ich habe es beispielsweise bei der ganz einfachen Frage gelernt: Wie schaut die E-Mail-Adresse meines Ministeriums aus? BMASK versteht keiner, aber Sozialministe-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 260

rium kann man sich merken – auch ich. Daher haben wir eine verständliche Sprache entwickelt. Diesbezüglich dürfen wir alle miteinander noch lernen.

Ich habe jetzt eine Bitte: Es geht nicht darum, ich habe mir das jetzt aufgeschrieben, dass behinderte Menschen zu den Schwächeren gehören. Ich bin da sehr vorsichtig geworden. Ich habe sehr viele Menschen mit Behinderungen kennengelernt, die sehr, sehr stark sind; übrigens war das jetzt auch eine sehr starke Rede, sie hat mir gefallen. Sie sind sehr, sehr stark, und sie müssen in der Gesellschaft auch stark sein, damit sie gehört werden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir auch mehr zuhören müssen und dass das auch wichtig ist.

Ich bedanke mich wirklich bei Frau Abgeordneter Königsberger-Ludwig, weil sie da so dafür kämpft, weil sie es auch immer schafft, diese Gruppe zusammenzuhalten, die da kämpft. Ich habe vor all diesen Menschen, die in den Vereinen tätig sind, einen Rie­senrespekt bekommen. Das ist heute, nach zehn Jahren, das größte Projekt in der Frage der Inklusion, der Behindertenarbeit, das wir gemeinsam umsetzen. Dieses Paket erhöht die Mittel dafür und hilft dabei. Ich glaube, dass der Begriff des Meilen­steins gerechtfertigt ist. Das ist mir persönlich ein Anliegen.

Menschen mit Behinderung haben auch das Recht, dass sich Bund und Länder nicht darüber streiten, ob die Hilfe am Arbeitsplatz, die Assistenz für die Arbeit der Bund zahlt und jene für die Freizeit irgendjemand anderer, und jedes Bundesland macht das anders. Eigentlich sollten wir das überwinden. Das sollten wir überwinden, und ich werde alles dazu tun, dass wir das auch schaffen. Da braucht es euch noch, da braucht es aber auch Verständnis dafür, dass man nicht paternalistisch mit Behin­derten redet, sondern dass man sie ernst nimmt.

Wir haben im Plan A sehr deutlich gesagt: Wir wollen diese Themen angehen, das ist wichtig, und ich lade alle Parteien und auch jene, die nicht in einer Partei organisiert sind, ein, in ihrem gesellschaftlichen Leben darauf aufzupassen, dass Menschen mit Behinderungen ihren Platz in der Gesellschaft haben. Es geht um die Würde! Und in diesem Sinne erlaube ich mir, Herrn Abgeordnetem Huainigg zu danken. Er hat das mit seiner Arbeit – er hat eine schwierige Arbeit, er hat es nicht leicht gehabt – unterstützt. Er hat gezeigt, dass es auch im Parlament wichtig ist, Räume zu eröffnen. Allein schon an der Rampe im alten Gebäude, die gebraucht wurde, die wir brauchen, hat man es gesehen. Ich möchte mich ausdrücklich für diese Arbeit bedanken.

Mir wäre wichtig, dass ihr, liebe Kollegen der ÖVP, vielleicht noch einmal nachdenkt, ob wir nicht dem Behindertenanwalt das Recht geben sollten, gegen große Kapital­gesellschaften Klage einzubringen, wenn sie nicht behindertengerecht sind. Wenn ihr das dem einzelnen Menschen überlasst, dass er gegen eine große Kapitalgesellschaft antritt, dann überfordert ihr damit die Leute. Wenn man dem Behindertenanwalt das Recht gibt, dass er bei Kapitalgesellschaften schaut, dass die ihre Betriebe aufmachen, sodass Behinderte dort hineinkommen, dann setzen wir damit einen nächsten Schritt.

Ich ersuche euch, denkt doch nach! Das wäre doch gescheit, da mitzugehen, und darum bitte ich euch auch um eure Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abge­ordneten Jarmer, Neuroth und Windbüchler-Souschill.)

21.52


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Da kurzfristig eingebrachte Abänderungs- beziehungsweise Zusatzanträge und Verlan­gen auf getrennte Abstimmung vorliegen und wir mit einer kurzen Unterbrechung zur erforderlichen Vorbereitung der Abstimmung nicht das Auslangen finden würden, wer-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 261

de ich die Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt auf die Zeit nach der Abstim­mung über den Tagesordnungspunkt 11 verlegen.

Damit fahre ich in der Erledigung der Tagesordnung fort.

21.53.239. Punkt

Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz und das Familienlas­tenaus­gleichsgesetz geändert werden (2308/A)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 9. Hinsichtlich dieses Antrags wurde dem Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Frist bis zum 11. Ok­tober 2017 zur Berichterstattung gesetzt.

Es liegt mir kein Wunsch auf mündliche Berichterstattung vor, daher erteile ich dem ersten Redner, Herrn Abgeordnetem Pendl, das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


21.53.56

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Meine Damen und Herren auf der Galerie! Ich darf auch die Vertreter des Vereins Gedenkdienst sehr herzlich willkommen heißen und natürlich auch unsere Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen.

Lassen Sie mich ganz kurz etwas zum Sozialbereich sagen. Ich habe mich vormittags gefreut, August, dass du hier gesagt hast, das ist eine wichtige Materie, und ich stimme dir da auch zu. Du kennst den Rettungsdienstbereich genauso gut wie ich, und ich glaube, dass sich gezeigt hat, dass das fix ins Gesetz aufgenommen werden soll und die Befristung bis Ende 2017 wegkommt. Ich glaube, das ist eine richtige Ent­schei­dung, die wir auch aus der Praxis heraus beurteilen können, und ich bin sehr dankbar dafür, dass ihr alle mittut.

Frau Präsidentin! Sie werden verstehen, dass ich mich bei meiner letzten Plenar­sitzung und bei meiner letzten Rede hier im Hohen Haus jetzt nicht über die Geset­zesmaterie weiter verbreiten möchte, sondern ich möchte, wenn es gestattet ist, zwei, drei Sätze zu den letzten zwei Jahrzehnten sagen, in denen ich die Ehre hatte, hier in diesem Haus mit Ihnen gemeinsam für unsere Österreicherinnen und Österreichern zu arbeiten.

Geschätzte Frau Präsidentin! Ich möchte mich bei Ihnen, aber natürlich auch beim Zweiten und beim Dritten Präsidenten und auch bei Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Arbeit, die wir hier in den letzten Jahren geleistet haben, sehr herzlich bedanken. Sollte ich jemanden beleidigt haben, dann entschuldige ich mich dafür in aller Form. An und für sich bin ich ein sehr sachbezogener Mensch, der versucht, die Dinge auf den Punkt zu bringen und auch dafür zu kämpfen. Ich wollte nie irgendjemandem nähertreten oder ihn gar beleidigen. Sollte es passiert sein (Abg. Steinhauser: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen!), so entschuldige ich mich in aller Form.

Wir, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, könnten diese Tätigkeiten nicht ausführen, wenn wir die guten Geister nicht hätten. Ich habe das bei den Sitzungen immer gesagt. Und ich möchte mich wirklich ehrlich und aufrichtig, Herr Parla­ments­direktor, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsdirektion bedanken. Ich möchte mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Klubs, aller Klubs, sehr herzlich bedanken und natürlich bei unseren parlamentarischen Mitarbeitern.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 262

Wir setzen ja immer alles als Selbstverständlichkeit voraus, egal, wie spät es ist. Wir sehen das auch heute wieder. Alles muss funktionieren, jeder erwartet, dass alles funktioniert, und ob die Laune da immer so ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter Freude mit uns haben, das lasse ich dahingestellt. Auch da könnten wir wahr­scheinlich etwas lernen, Herr Minister, würde ich einmal meinen, denn es geht auch auf eine andere Art und Weise.

Ich möchte aber mehrere Punkte, die mir persönlich sehr wichtig sind, kurz an­sprechen. In der Berichterstattung wird oft ein Bild gezeichnet, als ob nichts geschehen würde. Ich habe das Vergnügen oder die Ehre gehabt, daran teilzunehmen, und es waren harte Verhandlungen. Wer außer denen, die in der Sache dabei waren, hat in der Öffentlichkeit mitbekommen, dass wir in einer Behördenreform über 100 Behörden zusammengelegt haben? Wir haben mehrere Polizeireformen durchgeführt. Wir haben die Verwaltungsgerichtsbarkeit reformiert. Wir haben, und das war ein Wunsch, der was weiß ich wie lange hier immer wieder vorgetragen wurde, den Untersuchungs­ausschuss als Minderheitsrecht umgesetzt. Die Verhandlungen, Werner (in Richtung des Abg. Kogler), waren auch nicht immer lustig, aber ich glaube, wir haben uns in all den Materien, die ich jetzt kurz angesprochen habe, bis hin zum Staatsschutz, obwohl es immer wieder Diskussionen gegeben hat, immer bemüht, im Sinne der Öster­reicherinnen und Österreicher und aufgrund der Notwendigkeiten Beschlüsse zu fassen.

Ich möchte auf etwas eingehen, wo alle gedacht haben, das wird es nie geben: Wir haben im November 2015 – und ich möchte mich dafür nochmals bei den Wehr­sprechern aller Parteien bedanken, denn die Situation, die wir gehabt haben, die nationalen Probleme, die europäischen Probleme und die internationale Entwicklung waren nicht lustig – einstimmig einen, wie manche gesagt haben, historischen Be­schluss zusammengebracht, der die Bewertung der Sicherheitslage und der Probleme für das österreichische Bundesheer beinhaltet hat. Danke an alle, dass dieses Haus das wirklich einstimmig mitgetragen hat.

Wenn wir uns jetzt rückbesinnen – zwei Jahre werden es in den nächsten Tagen –, hat sich auch hiebei gezeigt, dass wir den richtigen Blick, die richtige Analyse gehabt und den richtigen Beschluss gefasst haben, auch wenn gewisse Materien nicht immer von allen so gesehen wurden.

Ich meine aber, das Hohe Haus muss sich auch dazu bekennen, nicht nur tages­politisch zu denken, sondern vor allem Weitblick und Selbstvertrauen zu entwickeln. Wenn ich mir erlauben darf, Folgendes auszusprechen: Ich habe mich immer bemüht, mich so einzubringen, dass ein Stück Parlamentarismus gestärkt wird.

Aus den unterschiedlichsten Fraktionen kommend haben wir mehrere solche Vorhaben zusammengebracht. Lieber Kollege Auer, heute haben wir kurz darüber gesprochen: Wir haben einmal etwas geschafft, da waren alle in der Republik dagegen, und wir haben es trotzdem zusammengebracht. Ich würde Ihnen allen für die Zukunft wirklich gerne mit auf den Weg geben: Als Parlamentarier brauchen wir auch Selbstbewusst­sein. Es gibt drei Staatsgewalten in der Republik. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir brauchen nicht ununterbrochen links und rechts auszuufern. Es wäre meine Bitte, mein Wunsch für die Zukunft: Nicht gegen die Verwaltung, nicht gegen die Ge­richtsbarkeit, sondern für den Parlamentarismus! Wir brauchen nicht immer andere, denn wir können es, denke ich, auch selbst.

Daher darf ich abschließend Ihnen allen und Ihren Familien persönliches Wohlergehen wünschen. Ich wünsche dem Haus, auch wenn es in einem Ausweichquartier ist, viel Erfolg. Möge der Bau rasch und ohne Unfälle für die Beschäftigten über die Bühne gehen!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 263

Damit darf ich schließen und mich noch einmal bedanken. Es lebe der Parla­mentarismus! Es lebe unser wunderbares Österreich! – Danke. (Anhaltender, von SPÖ und ÖVP stehend dargebrachter Beifall.)

22.01


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Pendl, der große Applaus hat gezeigt, wie sehr Ihre Tätigkeit in diesen zwei Jahrzehnten weit über alle Parteigrenzen hinweg geschätzt wurde. Ich glaube, in unser aller Namen sagen zu dürfen: Auch wir wünschen Ihnen alles erdenklich Gute! – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Hanger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


22.02.46

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich darf am Beginn meines Debattenbeitrags gleich einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Strasser, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 2308/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden, einbringen.

Im Wesentlichen geht es in dem Abänderungsantrag um den Zeitraum zwischen einer Ausbildung und dem Freiwilligen Sozialen Jahr. Mit dem Abänderungsantrag soll sichergestellt werden, dass auch für diesen Zeitraum Familienbeihilfe bezogen werden kann.

Was wird in dieser Änderung noch geregelt? – Kollege Otto Pendl hat es schon angesprochen: Es geht darum, dass die Befristung für das Freiwillige Soziale Jahr bei den Rettungsdienstorganisationen in eine unbefristete Lösung umgewandelt wird; es geht darum, dass für den Gedenk-, Friedens- und Sozialdienst im Ausland die Mittel erhöht werden; es geht darum, dass für die Informationsarbeit zur Aufarbeitung der NS-Zeit zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden; und es geht darum, dass das Freiwillige Soziale Jahr zukünftig auch mit Sitz und Stimme im Freiwilligenrat vertreten ist.

Ich möchte den Tagesordnungspunkt aber auch dazu nutzen, zwei Dinge zu tun: Zum einen möchte ich ein bisschen Werbung für das Freiwillige Soziale Jahr machen. Ich bin Bezirksstellenleiter beim Roten Kreuz, und wir haben sehr positive Erfahrungen damit, vor allem auch deshalb, weil mit diesem Freiwilligen Sozialen Jahr junge Men­schen die Möglichkeit haben, ihre berufliche Orientierung zu finden und festzustellen, ob die Sozialarbeit genau das ist, was sie auch in Zukunft machen wollen. Es richtet sich an junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren, man bekommt Taschengeld, die Familienbeihilfe und ist versichert. Es ist also ein wirklich spannendes Instrument, um herauszufinden, was man zukünftig vielleicht auch beruflich machen will. Gerade wir Rettungsdienstorganisationen freuen uns natürlich sehr, wenn jemand das Freiwillige Soziale Jahr macht.

Wenn wir das Freiwilligengesetz debattieren, ist es natürlich auch eine gute Gele­genheit, ein bisschen über das Ehrenamt in Österreich zu sprechen. Die Zahlen, die man im Freiwilligenbericht nachlesen kann, sind tatsächlich beeindruckend.

In Österreich leisten über drei Millionen Österreicherinnen und Österreicher ehren­amtliche Arbeit, freiwillige Arbeit; das sind 720 Millionen Stunden pro Jahr, was in etwa 400 000 Vollzeitäquivalenten und einem Geldvolumen von 16 Milliarden € entspricht. Wenn ich mit den Ehrenamtlichen bei uns in der Region spreche und frage, was sie denn von der Politik brauchen, dann bekommt man – und das möchte ich einmal ganz wertschätzend festhalten – nicht eine Antwort in dem Sinn: Wir wollen Geld für unsere Arbeit haben!, sondern es sind nur zwei Dinge, die Ehrenamtliche wollen: Rahmen-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 264

bedingungen, damit sie ihre ehrenamtlicher Arbeit möglichst unbürokratisch gerecht werden können, und, wie die Ehrenamtlichen immer sagen, ein bisschen Wertschät­zung wäre schon wirklich etwas Schönes.

Ich darf ein wenig in die Fußstapfen von Otto Pendl treten, der das immer sehr über­zeugend macht, und möchte diese Gelegenheit nutzen, mich einmal bei allen Ehren­amtlichen bei uns in Österreich zu bedanken. Wie gesagt, es sind über drei Millionen Menschen. Zum Beispiel wird in den Sportvereinen im Nachwuchsbereich hervorra­gende Arbeit geleistet. Es sind unsere Kulturvereine, unsere Musikvereine; aber es sind zum Beispiel auch unsere freiwilligen Feuerwehren, die mit wirklich qualitativ höchstem Einsatz arbeiten, unsere Rettungsdienstorganisationen, aber auch kleinere Organisationen und Vereine – manchmal finden sich zwei, drei Personen zusammen und gründen einen gemeinnützigen Verein. Diese Arbeit ist unermesslich wichtig für unsere Republik. Von dieser Stelle ein großes Dankeschön dafür! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.06


Präsidentin Doris Bures: Danke.

Der von Abgeordnetem Mag. Hanger eingebrachte Antrag hat folgenden Gesamt­wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Strasser und Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 2308/A der Abgeordneten Josef Muchitsch und Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz und das Familienlasten­ausgleichsgesetz 1967 geändert werden

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 1 wird vor der bisherigen Novellierungsanordnung „1.“ folgender Text eingefügt:

„1. Im Inhaltsverzeichnis, Abschnitt 4, § 27a wird der Wortlaut „Förderverein“ durch den Ausdruck „Förderung“ ersetzt.“

2. In Artikel 1 erhält die bisherige Novellierungsanordnung „1.“ die Ziffernbezeichnung „2.“, die Novellierungsanordnung „2.“ die Ziffernbezeichnung „3.“, die Novellierungs­anordnung „3.“ die Ziffernbezeichnung „4.“, die Novellierungsanordnung „4.“ die Ziffern­bezeichnung „5.“, die Novellierungsanordnung „5.“ die Ziffernbezeichnung „6.“ und die Novellierungsanordnung „6.“ die Ziffernbezeichnung „7.“.

3. In Artikel 2 werden in der Überschrift das Wort „Familienlastenausgleichsgesetz“ durch das Wort „Familienlastenausgleichsgesetzes“ ersetzt und die Ziffern 1 und 2 durch folgende Ziffern ersetzt:

„1. Am Ende von § 2 Abs. 1 lit. d wird der Beistrich durch einen Strichpunkt ersetzt und folgender Wortlaut eingefügt:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 265

„für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem ehestmöglichen Beginn eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd für längstens drei Monate,“

2. § 2 Abs. 1 lit. e lautet:

„für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmög­lichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd begonnen oder fort­gesetzt wird,“

2a. Am Ende vom § 6 Abs. 2 lit. b wird folgender Wortlaut eingefügt:

„das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem ehestmöglichen Beginn eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd für längstens drei Monate, oder“

2b. § 6 Abs. 2 lit. c lautet:

„das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Diens­tes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird, oder“

2c. Dem § 55 wird folgender Abs. 36 angefügt:

„(36) §§ 2 Abs. 1 lit. d und e sowie 6 Abs. 2 lit. b und c in der Fassung des Bundes­gesetzes BGBl. I Nr. XX/2017 treten mit 1. Jänner 2018 in Kraft.““ 

Begründung

Zu Zif. 1:

Die Änderungen in § 27a machen auch eine Anpassung des Inhaltsverzeichnisses notwendig.

Zu Zif. 2:

Durch die Änderung im Inhaltsverzeichnis muss die bisherige Novellierungsanordnung angepasst werden.

Zu Zif. 3:

Für die Zeiten zwischen Abschluss der Schulausbildung und Beginn eines Freiwilligen Sozialjahres, eines Freiwilligen Umweltschutzjahres, eines Gedenkdienstes, eines Frie­dens- und Sozialdienstes im Ausland besteht derzeit kein Anspruch auf Familien­beihilfe. Die Maßnahme würde eine Angleichung an den Präsenz- oder Zivildienst bedeuten und Freiwilligendienste weiter aufwerten. Dieser Bezug soll 3 (drei) Monate nicht überschreiten.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


22.06.24

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Freiwilligengesetz gehört sicher zu jenen Gesetzen, die als Symbol für das Bohren von harten Brettern hergenommen werden können. Ich kann mich erinnern, wie die Organisationen, die Grünen, ich selbst und viele Kolle-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 266

ginnen und Kollegen ständig davon gesprochen haben, dass es tatsächlich ein Frei­willigengesetz braucht. Jetzt gibt es das Freiwilligengesetz, und das ist auch gut so. Es hat sich auch gut weiterentwickelt, denn erst in der darauffolgenden Legislatur­periode ist das Freiwilligengesetz eine finanzielle und rechtliche Absicherung für unsere wich­tigen Auslandsdienste, Gedenkdienste und internationalen Gedenkdienste, die wir als Österreich notwendiger- und wichtigerweise auch finanziell unterstützen müssen, geworden.

Es war ein Erfolg, als der Auslands- und Gedenkdienst für Frauen geöffnet worden ist. Das war eine echt lange und langwierige Debatte: Frauen können den Gedenkdienst ja sowieso machen, und Männer sollen ihn im Rahmen des Zivildienstes machen. – Nein, es war wichtig, ihn finanziell abzusichern und Frauen und Männern gleichwertig die Möglichkeit zur Verfügung zu stellen, einen Auslandsdienst, einen Gedenkdienst zu machen. Das ist schon auch unser Erfolg von uns Grünen, denn es waren unsere Anträge, die im Endeffekt beschlossen wurden. (Beifall bei den Grünen.)

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich euch damals schon gesagt habe, dass es wichtig ist, den finanziellen Rahmen zu erhöhen und mehr Organisationen, wie die Blaulichtorganisationen, dazuzunehmen. Ich bin froh, dass ich in meiner letzten Sitzung hier als Abgeordnete das auch noch mitbeschließen darf.

Aber Leute, ganz ehrlich: Ihr könntet viel öfter auf uns Grüne hören, dann bräuchte es nicht ständig irgendwelche Gesetzesänderungen und Novellierungen! (Beifall bei den Grünen.)

Die letzten zwei Legislaturperioden waren politisch und persönlich mehr als intensiv: die Debatten zu Kinderrechten in der Verfassung – die gibt es jetzt, aber immer noch nicht ausreichend, jedoch ist das besser als gar nichts –; die vielen Zivildienst­gesetz­novellen; Erinnerungs- und Gedenkpolitik prinzipiell; die Befragung zur Wehrpflicht, die uns alle sehr intensiv beschäftigt hat; in meiner zweiten Legislaturperiode die Außen- und Entwicklungspolitik, beginnend mit der Ukrainekrise, einer Krise, bei der keiner von uns wusste, wie sie tatsächlich ausgehen wird, die jetzt noch immer sehr schwer einzu­schätzen ist; Syrien ist seit vielen, vielen Jahren ein Ort nicht nur des Krieges, sondern auch mit vielen Flüchtlingen, wobei unsere gesamte Politik einfach darauf ausgerichtet war, wie Österreich tatsächlich human und menschenrechtsbasiert mit Flüchtlingen um­geht; die USA mit Trump; sowie der ständig wachsende Klimawandel und seine Auswirkungen.

Aber nicht nur das: Ich durfte in den letzten zwei Legislaturperioden zwei gesunde Mädchen zur Welt bringen, zwei Kinder, die jetzt vier und sechs Jahre alt sind und in diesem System aufgewachsen sind. Es ist ein System, das uns als Abgeordnete einerseits auszeichnet, das aber andererseits nicht sehr familienfreundlich ist: ständig den Terminkalender und das Smartphone, das iPad, den Computer parat zu haben, ständig von einem Termin zum anderen zu hetzen, zwischendurch möglicherweise die Töchter vom Kindergarten oder von der Schule abzuholen. Das alles zerreißt. Meine Priorität war immer, ob auf Bundesebene, Verfassungsebene oder privat, die Kinder­rechte einzuhalten. Ich bin jetzt in der Lage zu sagen: Meine Kinder haben nun das Recht auf ihre Mama. (Beifall bei den Grünen.)

Mit dem, was ich mir wünsche, möchte ich auch den Bogen zu ein paar Dankesworten schlagen: Was ich mir wünsche, liebe Petra Bayr, ist ein echter Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit. Entwicklung, Sicherheit, Friede, fairer Handel, zukunfts­fähige und nachhaltige Politik mit Ländern des globalen Südens braucht auch einen echten Ausschuss in diesem Parlament und und nicht nur einen Unteraus­schuss. Ich kann den Abgeordneten der nächsten Legislaturperiode nur sehr nahe legen, Entwick-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 267

lungspolitik so ernst zu nehmen, wie auch tatsächlich der Stellenwert der Entwicklungs­politik weltweit ist. (Beifall bei den Grünen.)

Der zweite Wunsch ist, die Auslandseinsätze des österreichischen Bundesheeres tatsächlich als Friedens- und Außenpolitik zu sehen. Es braucht mehr Frauen, die Kompetenzen von Frauen beim österreichischen Bundesheer. Gerade bei den neuen Herausforderungen ist es notwendig, Frauen tatsächlich ins österreichische Bundes­heer einzubinden. Jetzt richte ich auch noch einmal meinen Appell an Sie, die Anbin­dung der Auslandseinsätze an EU und UNO tatsächlich zu vollziehen und in der Zukunft keine bilateralen Abkommen mit Einzelländern abzuschließen. Wir sind Teil der UNO, das ist unsere Friedensorganisation schlechthin. Wir sind Teil der Euro­päischen Union, und als neutrales Österreich braucht es ein Bundesheer, das genau in diesen Spektren angebunden ist.

Es braucht Dialog für Frieden und Entwicklung. Das war, glaube ich, auch immer mein Credo als Außenpolitikerin. Sie ist jetzt leider nicht hier, aber ich möchte auch Christine Muttonen danken, die zur Vorsitzenden der Parlamentarischen Versammlung der OSZE gewählt wurde. Da gab es ganz klar den Schulterschluss aller. Dann möchte ich mich bei den außenpolitischen Sprechern Reinhold Lopatka und Josef Cap bedanken, aber auch bei Georg Strasser und Kathi Kucharowits, die tatsächlich mit viel Einsatz und Arbeitsaufwand das großartige parlamentarische Nord-Süd-Projekt mit Sambia durchziehen, trotz der vielen Arbeit. Otto Pendl, wir sehen uns weiterhin bei der parlamentarischen Bundesheerkommission. Ich freue mich sehr, dass ich das, was ich erfahren habe, und das, was ich kann, noch weiter einbringen kann.

Danke an meine Freundinnen Christiane Brunner, Brigit Schatz und Ruperta Lichtenecker! Es ist auch möglich, in der Politik Freundinnen zu finden und zu haben, und zwar langfristig zu haben. Danke dem Grünen Klub – keine Frage! Und weil es noch einmal gesagt werden muss: Danke an Eva Glawischnig, die seit 2008, nach Alexander Van der Bellen, die Grünen in einer schweren Phase übernommen hat und extrem erfolg­reich war. Sie hat uns alle geleitet und mitgenommen. Mein Dank geht auch an Alexander van der Bellen, der am Anfang meiner Abgeordnetentätigkeit mein Mentor war und mir sehr viel beigebracht hat.

Ich wünsche Ihnen allen alles Gute! Denken Sie an das, was notwendig ist, nicht nur an Kinderrechte, sondern an alle Menschenrechte, die unteilbar sind, an die Aus­wirkungen des Klimawandels und an das, was wir dagegen tun können, und an alle Kinder dieser Erde, die ein besseres Leben verdient haben! (Beifall bei den Grünen.)

22.14


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill, ich bedanke mich bei Ihnen und wünsche Ihnen mit Ihren Kindern alles Gute für Ihren neuen Lebens­abschnitt. – Alles Gute!

Zu Wort gemeldet hat sich jetzt noch Herr Bundesminister Stöger. – Bitte, Herr Minister.

 


22.14.21

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es ist schön, dass es zu diesem Thema nur Pro-Redner gibt, das freut mich – liebe Gedenkdienerinnen und Gedenkdiener, auch das ist ein gutes Zeichen, dass das so ist.

Ich habe am Wochenende die Freiwilligenmesse in Wien eröffnet und gesehen, wie bunt die Aktivitäten der Freiwilligen in Österreich sind. Es ist vieles angesprochen worden. Ich bedanke mich für die breite Zustimmung zu dieser Veränderung. Das ist gut so, und ich möchte – der Tag ist schon lang – mich bei allen Freiwilligen, die in


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 268

vielen Bereichen mitarbeiten und oft lange Tage haben, bedanken. Ich glaube, das ist auch aus der Sicht der Bundesregierung sehr wichtig. Ihr bringt Buntheit ein. Ihr habt in vielen gesellschaftlichen Bereichen die Chance, etwas Neues zu entwickeln. Ihr seid innovativ. Ihr seid auch Botschafter eines modernen Österreich im Ausland, auch das ist wichtig, und ihr setzt euch auch dafür ein, dass wir die Geschichte unseres Landes kritisch hinterfragen.

Ich bedanke mich, dass es möglich geworden ist, heute die Verlängerung sicherzu­stellen, dass beim Roten Kreuz oder bei anderen Diensten das Freiwillige Sozialjahr gemacht werden kann. Das ist schon gesagt worden.

In diesem Sinne an die 3,5 Millionen Menschen in Österreich, die Freiwilligenarbeit leisten: Danke dafür! Meine und die Wertschätzung der Bundesregierung ist Ihnen sicher. (Beifall bei der SPÖ.)

22.16


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

22.16.20

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag 2308/A der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen.

Hierzu haben die Abgeordneten Muchitsch, Dipl.-Ing. Strasser, Kolleginnen und Kolle­gen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungs­antrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs abstimmen.

Die Abgeordneten Muchitsch, Dipl.-Ing. Strasser, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 und 2 einge­bracht.

Wer sich hierfür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig so angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung des Initiativantrages 2308/A der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte bei Zustimmung um ein bejahendes Zeichen. – Das ist auch einstimmig so angenommen.

Damit kommen wir sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche um Zustimmung auch in dritter Lesung.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig so angenommen.

22.17.4510. Punkt

Antrag der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Ungleichbehandlung von Frauen in der Berechnung der Notstandshilfe durch Änderung des Arbeitslosenversiche­rungs­gesetzes (ALVG), BGBI 1977/609, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBI. I Nr. 118/2015, abgeschafft wird (1366/A)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 269

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Ausschuss für Arbeit und Soziales eine Frist bis 10. Oktober zur Berichterstattung gesetzt.

Zu einer mündlichen Berichterstattung liegt mir keine Wortmeldung vor.

Daher gehen wir in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Groiß zu Wort. – Bitte.

 


22.18.24

Abgeordneter Ing. Mag. Werner Groiß (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vor allem liebe Zuseherinnen und liebe Zuseher! Ich wünsche einen schönen guten Abend, mit viel Belastung für die Arbeit­geber und den Wirtschaftsstandort. Ich wünsche einen schönen guten Abend, mit vielen neuen Ausgaben, die unser Defizit erhöhen und dementsprechend unsere Jugend langfristig belasten. Ich wünsche einen schönen guten Abend, an dem man sieht, was passieren kann, wenn das Wahlverhalten dazu führt, dass SPÖ und FPÖ mit grüner Unterstützung Mehrheiten finden. Wir können heute hier gemeinsam einen sehr interessanten Abend genießen.

Zum Thema: Wir reden nun über die Änderung bei der Notstandshilfe, zu der ein Antrag der Grünen eingebracht worden ist und durch Fristsetzung mit Hilfe der FPÖ und der SPÖ heute auf der Tagesordnung steht. Es soll, so wird argumentiert, die Notstandshilfe als Versicherungsleistung so gesehen werden, dass jeder einen Anspruch hat, egal welche Einkünfte der Partner hat. 

Das System der Notstandshilfe ist aber meiner Meinung nach eine Sozialleistung. (Abg. Schwentner: Das ist aber Ihre Meinung! … Verfassungsgerichtshof!) – Das ist meine Meinung. Darf ich meine Meinung sagen? (Abg. Belakowitsch: Da gibt’s aber ein Erkenntnis …!) Es geht darum, dass, wenn man arbeitslos und arbeitswillig, arbeits­fähig ist und sich in einer Notlage befindet, es zu Notstandshilfe kommt.

Zur Versicherungsleistung: Auch da wird immer mit unterschiedlichen Dingen hantiert. Zum Beispiel gibt es in der Arbeitslosenversicherung sehr viele Versicherte, die gar keine Chance haben, jemals eine Auszahlung zu bekommen. Ich denke da an die Nebenerwerbslandwirte oder an Menschen, die neben einem Angestelltenverhältnis noch selbständig erwerbstätig sind, für die es zwar verpflichtend ist, einzuzahlen, ohne dass aber etwas auszuzahlen ist.

Bei der Sozialleistung Notstandshilfe bin ich schon der Meinung, dass man die Part­nerschaft mitberücksichtigen kann. Wir drängen ja alle in Partnerschaften und haben sehr viele Diskussionen darüber, was eine Partnerschaft ist und wie sie anerkannt wird. Bei einer Partnerschaft verpflichtet man sich, dass man gemeinsam durch dick und dünn geht. Dementsprechend besteht auch in diesem Fall die Möglichkeit, einander gemeinsam weiterzubringen, wenn einer den Job verliert. (Abg. Schwentner: Das betrifft aber auch Menschen, die nicht geheiratet haben!)

Es ist natürlich auch schwierig: Wenn man leichten Zugang zur Notstandshilfe hat, möchte man vielleicht nicht so schnell wieder die Arbeit aufnehmen. Es sprechen also einige Dinge dafür.

Der Grund aber, warum wir heute diesem Antrag nicht zustimmen, sind eigentlich die Kosten. Die Kosten werden in der Berechnung dieses Antrages mit 85 000 € ange­geben (Ruf bei den Grünen: Nein, Millionen!), wobei das dann noch so berechnet wird, dass am Schluss nur mehr 15 Millionen € pro Jahr übrig bleiben, weil es sonst so viele Gegenleistungen gibt. Das ist eine sehr interessante Diskussion: wenn man 85 000 €, nein, 85 Millionen € ausgibt, dass man das zurückgibt. (Abg. Schwentner: Vielleicht


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 270

lesen Sie den richtigen Antrag!) Die Berechnungen von BMF und AMS liegen bei 160 Millionen €.

Dementsprechend wollen wir das heute nicht unterstützen. Wir verstehen natürlich den Antrag und dass es sehr viele Einzelfälle gibt, wo es sehr schwierig ist. Das System insgesamt gehört evaluiert. Es kann aber nicht so sein, wie es derzeit passiert, dass mit Fristsetzungsanträgen das parlamentarische Prozedere, die Diskussion ausge­schal­tet wird und diese Dinge so kurzfristig beschlossen werden. Wir werden daher diesem Antrag nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schwentner: Ich glaube, Sie haben nicht einmal den richtigen Antrag gelesen!)

22.22


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort. – Bitte.

 


22.22.26

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Ob der richtige oder der falsche Antrag, ist egal: Die ÖVP zeigt einmal mehr ihr wahres Gesicht. (Ruf bei der FPÖ: Ja!) Mit Frauenpolitik haben Sie ganz wenig bis nichts am Hut. Mit Sozialpolitik haben Sie ganz wenig bis nichts am Hut. Das, was wir heute und jetzt beschließen, ist wahrlich ein frauen- und sozialpolitischer Meilenstein, dem Sie jahrelang die Zustimmung verweigert haben.

Ich bin sehr froh im Sinne der Frauen, im Sinne dessen, dass Frauen ein selbst­be­stimmtes, finanziell unabhängiges und möglichst gewaltfreies Leben leben können sollen. Das ist eine wichtige Sache. Menschen sind keine Kostenstellen – das sei Ihnen auch einmal ins Stammbuch geschrieben! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Nur ganz kurz: Die Notstandshilfe ist eine Anschlussleistung an das Arbeitslosengeld. Das heißt, Menschen, die in das System eingezahlt haben, können diese An­schluss­leistung beanspruchen. Sie kann dann beantragt werden, wenn der Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft ist. Für eine Dauer von bis zu 52 Wochen muss sie jedes Jahr neu beantragt werden.

Die Höhe dieser Notstandshilfe beläuft sich auf maximal 95 Prozent des vorher bezo­genen Grundbetrags des Arbeitslosengeldes, es wird jedoch – und nun kommt das, was wir heute gegen die Stimmen der ÖVP abschaffen werden, denn ich finde diesen Sachverhalt wirklich beschämend – das Gehalt des Partners angerechnet, dieses Gehalt wird miteinbezogen, und genau das wollen wir abschaffen. Die Notstandshilfe kann sich dadurch nämlich im Extremfall logischerweise auf null reduzieren. Die durchschnittliche Höhe – hören Sie bitte zu! – beträgt rund 24,60 € täglich.

Ich glaube, dass es sehr wohl wichtig ist, die Abhängigkeit vom Partner – in der Regel betrifft das Frauen – nicht mehr weiter zu verlängern. Das heißt: keine Abhängigkeit mehr. In guten wie in schlechten Tagen, das ist schon ein schöner Spruch, nur gibt es auch viele schlechte Tage. Ich glaube, dass das Recht von Frauen auf eine eigene Existenzsicherung vor eine Idylle, wie Sie sie beschreiben, zu stellen ist. Daher ist das, was wir heute beschließen, ein Meilenstein, ein wirklicher Meilenstein. Wie gesagt ist uns das seit Jahren nicht gelungen, aber heute wird es gelingen.

Es ist auch so, dass durch den weitestgehenden Entfall der Anrechnung des Part­nereinkommens auf die Notstandshilfe die Kaufkraft gestärkt wird. Es passiert also nicht nur Drama. Es wird so sein, dass dadurch längerfristig der Konsum angekurbelt wird. Das wird in weiterer Folge sicherlich zu einem anhaltenden positiven Beschäfti­gungseffekt führen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 271

Das heißt alles in allem: Es hilft den Frauen. Es ist sozialpolitisch richtig, was wir tun. Es hilft letztendlich auch der Wirtschaft in Österreich. Das sollten gerade Sie als Wirtschaftspartei zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

22.25


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Gamon zu Wort. – Bitte.

 


22.25.43

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Wir NEOS werden dem Antrag nicht zustimmen. Ich möchte das Ganze aber auch inhaltlich besser begründen, als es Kollege Groiß gemacht hat. (Zwischenruf bei der SPÖ. – Abg. Steinhauser: Es wird nicht besser, fürchte ich!)

Mir geht es erstens einmal um die Vorgehensweise, die ich wirklich auch aus einer Grundhaltung heraus kritisieren möchte. Dies betrifft einerseits die Kostenfrage und andererseits, wie das generell war. Wir haben hier nun so viele Dinge, die wir vor der Wahl noch kurzfristig diskutiert haben (Zwischenrufe bei den Grünen), bei denen ich sehr wohl der Meinung bin, dass gerade die Grundlage mit der Kostenabschätzung, die im Antrag drinnen steht, wirklich fast schon an die Grenze der Unseriosität geht. (Bei­fall bei den NEOS.) Es ist parlamentarisch einfach unredlich, so eine Herange­hens­weise für dieses Thema zu wählen. (Abg. Schwentner: Ist es nicht, weil in dem Antrag steht …!)

Wir haben einerseits die Kostenfrage. AMS-Chef Johannes Kopf sagt selbst, dass das Ganze 160 Millionen € kosten würde. (Zwischenruf der Abg. Korun.) Im Antrag steht (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen): „Tatsächlich kostet es € 15 Mio. pro Jahr, um diese Erscheinung sehr erheblicher geschlechtsbezogener Benachteiligung von Frauen ein für alle Mal zu beenden.“ – So steht es im Antrag.

Ich weiß nicht, wo diese Zahl her ist, sie stimmt nicht. (Abg. Schwentner: Im Antrag, über den wir abstimmen, stehen 160 Millionen € drinnen!) Es geht dann auch um Kon­junk­tureffekte, die Sie sich ja von diesem Antrag erwünschen, die dann letztendlich die Kosten wieder drücken würden. (Abg. Schatz: Nein, das ist kein Wirtschaftsantrag …!)

Konjunktureffekte sind dieselbe Voodoo-Ökonomie, die natürlich auch die ÖVP in ihren Einsparungsvorschlägen heranzieht, wenn es darum geht, den Staatshaushalt zu sanieren. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Es stört mich aber nicht nur die Wahl­zuckerl­logik hinter dem Ganzen, bei dem wirklich Kosten auf uns zukommen werden, die derzeit nicht abschätzbar sind, sondern es geht auch um die Grundhaltung dahinter.

Ich kann sehr wohl die Argumentation verstehen, dass es um die Unabhängigkeit einzelner Menschen geht. Dann bin ich aber der Meinung, dass wir ganz grundsätzlich eine andere Herangehensweise an das Sozialsystem brauchen, und da haben wir NEOS einen anderen Vorschlag. (Abg. Steinhauser: Ihr seid sozial zu kalt! – Abg. Schwentner: Ja, Hartz IV wollt ihr!)

Wenn es um Unabhängigkeit geht, haben wir den Vorschlag eines liberalen Bürger­geldes. Das liberale Bürgergeld funktioniert so, dass jeder Mensch in Österreich einen Anspruch darauf hat – so ähnlich wie die Berechtigung für die Mindestsicherung –, aber das Geld auch anteilig ausgezahlt wird, wenn man wieder in den Arbeitsmarkt einsteigt.

Das Problem, das wir vielerorts in Österreich bei Sozialleistungen haben, ist ja auch, dass es quasi einen indirekten Anreiz dazu gibt, in einer Leistung drinnen zu bleiben, weil man sofort rausfällt, wenn man einmal über der Geringfügigkeitsgrenze oder Ähnlichem drüber ist. Das finden wir unfair. Wir glauben, dass soziale Netze auch ein Sprungbrett sein müssen, gerade eben, weil wir glauben, dass ein eigenes Einkommen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 272

und vor allem auch ein Einkommen zum Auskommen wirklich Unabhängigkeit und ein selbstbestimmtes Leben schafft.

Deshalb müssen soziale Netze dazu da sein, Menschen diesen Wiedereinstieg in die Unabhängigkeit, in ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und zu erleichtern. Das muss eigentlich auch eine Sozialleistung leisten können. Das können jene, die wir momentan in Österreich haben, aber nicht.

Deshalb würden wir dafür plädieren, auch die Notstandshilfe und die Mindestsicherung zusammenzuführen und das ganze System hin zu unserem Bürgergeldmodell umzubauen, damit es klar ist, dass jemand, der auch arbeiten geht, der auch mit einem geringeren Gehalt wieder einsteigt – zum Beispiel mit einem Teilzeitjob oder auch einmal mit 10 Stunden –, immer besser dasteht als jemand, der nur Bürgergeld erhält. Das soll ein direkter Anreiz sein, wieder in ein selbstbestimmtes Leben zu kommen.

Der aufrechte Gang hat auch mit finanzieller Unabhängigkeit zu tun. Ich weiß, dass das vielen hier ein Anliegen ist. Es ist auch uns ein Anliegen, aber wir haben eine andere Herangehensweise, und auch das muss akzeptiert sein. Ich finde es auch nicht okay, dann nachher zu sagen – wie das bei meiner Vorrednerin war –, dass etwas beschämend sei. Ich muss dabei allerdings wirklich sagen, dass ich die Erklärung der ÖVP nicht verstehen kann, weil es bessere Erklärungen dafür gibt, warum man diesen Antrag ablehnen kann. (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist aber beschämend!)

Ich glaube, ich habe das nun auch stringent durchargumentiert. Es gibt genügend Argumente, diesen Antrag abzulehnen. Das eine ist die Kostenfrage und das andere ist die Herangehensweise an Sozialsysteme ganz generell, und da haben wir einfach eine andere, wobei wir das Ziel der Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit sehr wohl teilen. (Beifall bei den NEOS.)

22.29


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch zu Wort. – Bitte.

 


22.29.53

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ):  Frau Präsident! Herr Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Gamon, Ihre Herangehensweise inkludiert einen Denkfehler: Die Notstandshilfe ist eine Versicherungsleistung und keine Sozialleistung, auch wenn das das Gefühl des Herrn Abgeordneten Groiß ist.

Es gibt diesbezüglich ein Erkenntnis des VfGH, dass es sich um eine Versicherungs­leistung handelt. Das haben wir wohl zur Kenntnis zu nehmen, auch Sie haben das zur Kenntnis zu nehmen. Das ist einmal der eine Denkfehler, den Sie gehabt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Der andere Denkfehler ist: Sie haben natürlich recht, der ganz große Teil jener Frauen, die in der Arbeitslosigkeit sind, die Notstandshilfe beziehen, würden gerne wieder in den Arbeitsprozess einsteigen, Sie wissen aber, dass wir Arbeitslosenraten haben, die so hoch wie selten zuvor in der Zweiten Republik sind. Es ist ja nicht so, dass die Leute freiwillig zu Hause sind und freiwillig mit dem bisschen leben, das sie bekommen. Das ist einfach so.

Dann sagt man auch noch, man berechnet die Notstandshilfe am Partnereinkommen, und ich sage Ihnen – ich bin alles andere als eine Frauenrechtlerin –, es ist nämlich auch gegengeschlechtlich wirksam, es gilt ja auch für Männer, die im Notstand sind und deren Frauen berufstätig sind. (Abg. Schwentner: Genau das betrifft immer mehr Männer!) Das gilt also für beide Geschlechter und hat mit Frauenrechten nichts zu tun. Womit es aber zu tun hat, sind einerseits Selbstbestimmung und Unabhängigkeit und andererseits und vor allem – das ist für uns das ganz Wichtige – Armutsbekämpfung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 273

So, wie Sie das dargestellt haben, muss man betonen: Die Menschen, die im Sonder­notstand sind, sind ja keine Menschen, die Riesenbeträge bekommen und das Geld dann anlegen oder große Fernreisen damit machen, sondern dieses Geld geht in den direkten Konsum für die alltäglichen Güter. Dieses Geld ist nur dafür da, denn da geht sich sonst nichts aus.

Es ist schon auch manches Mal ein bisschen abgehoben, wenn man dann hört: Na ja, die sollen halt und die müssen. – Diese Menschen kämpfen, sie kämpfen jeden Tag. Da hängen Familien dran, da hängen Kinder dran, und da ist jeder Tag ein Kampf. Das sind Familien, die am 20. oft nicht mehr wissen, wie sie sich das Essen für die letzten zehn Tage leisten können. Ich glaube, wir haben auch eine Verantwortung diesen Men­schen gegenüber. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir das ernst nehmen, dann müssen wir endlich auch Schritte setzen, und ich bin froh, dass das heute gelingt. Ich sage aber auch, dass es weitere Schritte geben muss, weil wir ein ähnliches Problem im Pensionssystem im Bereich der Ausgleichs­zulagen haben. Auch da ist es so, dass die Partnerpension angerechnet wird, und es sind wirklich vor allem die Frauen, die davon – noch viel mehr als bei der Notstandshilfe – betroffen sind.

Das ist auch eine Ungerechtigkeit, wenn immer die Leistungen des Partners irgendwo angerechnet werden, aber die unentgeltlichen Leistungen, die vor allem die Frauen im Bereich der Familien, der Kindererziehung und vor allem auch im Bereich der Pflege – das ist in den letzten Jahren explosionsartig gestiegen – erbringen, überhaupt nicht eingerechnet und bewertet werden. Das muss eine Gesellschaft tun, die sich selbst als sozial bezeichnet. Daher bin ich froh, dass wir heute diesen Schritt setzen. (Beifall bei der FPÖ.)

22.33


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Dipl.-Kffr. Pfurtscheller gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


22.33.14

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Notstandshilfe handelt es sich, wie Sie gerade schon betont haben, im Vorgang um eine Versicherungsleistung, und es geht darum, dass diese Versicherungsleistung ausbezahlt wird, wenn eine Notlage vorliegt.

Wenn zum Beispiel in einer Partnerschaft oder einer Ehe der Mann 2 300 € netto verdient und die Notstandshilfe trotzdem ausbezahlt wird, dann können Sie mir nicht erklären, wo da die Notlage ist. (Abg. Schatz: Ja, bei der Frau! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Nein, ich glaube, dass die Notstandshilfe wirklich für jene Menschen gedacht ist, die sich alleine erhalten müssen und die sonst keine Möglichkeit haben, sich zu finanzieren. (Abg. Schatz: Wenn sie nicht verheiratet ist, hat sie kein Recht auf Unterhalt!) – Dann bekommt sie es ja! (Abg. Schatz: Sie hat keinen Rechts­anspruch!) – Wenn sie in keiner Partnerschaft ist, dann bekommt sie es ja.

Wenn ein Mann in keiner Partnerschaft ist, dann bekommt er es auch. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Schwentner.) Also stellt das bitte nicht so hin, als wäre das etwas, das die Menschen in ihrer Existenz bedrohen würde, denn das stimmt ja überhaupt nicht! (Abg. Belakowitsch: Wissen Sie überhaupt, um was es geht?) Wenn der Mann oder der Partner so wenig verdient, dass beide nicht davon leben können, dann bekommt sie es ja auch. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.) Also stellt es bitte nicht so hin und stellt es bitte vor allem deshalb nicht so hin (Abg. Steinhauser: Es geht um ...!), weil es nicht nur die Frauen sind! (Abg. Schatz: Sie hat


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 274

keinen Rechtsanspruch!) – Ja, stimmt, weil sie ja ihren Partner hat, der für sie sorgt, beziehungsweise weil er eine Partnerin hat, die für ihn sorgt. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Ich meine, das ist doch der Sinn einer Partnerschaft, dass man zusammenhält und sich manchmal auch gegenseitig hilft. (Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.) – Ich weiß nicht, was ihr für Ansichten von Partnerschaften habt, aber das ist halt so der herkömmliche, ganz normale Ansatz von einer Partnerschaft, dass man eben auch in Zeiten, in denen es einem nicht so gut geht, zusammenhilft. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn beide zu wenig Geld haben, dann bekommen sie es ja auch. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Tut also nicht so, als würde man den Menschen Geld wegnehmen und als ob sie verhungern müssten! (Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) – Darf ich einmal aussprechen?

Das, was wir uns wirklich nicht umhängen lassen wollen – und ich ganz besonders nicht –, ist, dass es nur gegen die Frauen geht. Das stimmt nämlich überhaupt nicht. (Zwischenruf der Abg. Brunner.) Die neuesten Zahlen aus der Statistik belegen: Letztes Jahr, 2016, ist 21 500 Menschen die Notstandshilfe gekürzt worden – nicht gestrichen –, weil sie einen Partner oder eine Partnerin hatten, davon waren 60 Pro­zent Frauen. (Abg. Schwentner: Immer mehr Männer sind betroffen!)

Wenn man sich die Zahlen von heuer anschaut (Zwischenruf des Abg. Matznetter), dann ist es so, dass von 167 000 Notstandshilfebeziehern 65 000 Frauen und 100 000 Männer sind. (Abg. Schwentner: Ja, das ist erschütternd, weil immer mehr Menschen erwerbslos sind!) Sagen Sie mir also nicht, dass das eine frauenpolitische Maßnahme ist, denn das stimmt nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

22.36


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schwentner zu Wort. – Bitte.

 


22.36.23

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wie weit Sie vom realen Leben entfernt sind! (Zwi­schenruf bei der ÖVP.)

Ich habe erst letztens mit einer jungen Frau gesprochen, einer Akademikerin. Sie hat ihren Job verloren, war zuerst arbeitslos und ist dann in Notstandshilfe gefallen. Sie hat nichts bekommen, nichts. Sie hat zu mir gesagt: Judith, ich möchte nie mehr in diese Situation kommen, dass ich meinen Partner, mit dem ich zufällig unter einem Dach lebe, um ein Taschengeld bitten muss, dass ich meinen Partner fragen muss, ob ich am Abend weggehen kann, ob ich am Abend ausgehen darf. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) Das ist doch absurd! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Die Idee, das zu fordern, werte Claudia Gamon – die gerade nicht da ist –, ist keine sozialpolitisch sehr neue, denn vor 20 Jahren war das eine der wesentlichen Forde­rungen im Frauenvolksbegehren.

Ich freue mich sehr, dass wir gemeinsam mit Gabi Heinisch-Hosek und Josef Muchitsch diesen Abänderungsantrag – der vorliegt und hiermit eingebracht wird und der heute auch von der FPÖ unterstützt wird – zustande gebracht haben. Nach 20 Jahren – es gab etliche grüne Sozialsprecherinnen sowie Sozialsprecher und Frauensprecherin­nen, die das immer wieder hartnäckig eingefordert und versucht haben – können wir das endlich umsetzen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 275

Ich freue mich, dass es heute so weit ist, dass niemand, der in diese missliche Lage kommt, von der Notstandshilfe abhängig zu sein, auch noch vom Partner- oder Partnerinneneinkommen abhängig wird. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Nur zur Erklärung für jene, die vielleicht weiter weg von dieser Lebensrealität sind: Es sind immer mehr Menschen – auch immer mehr Männer – in Österreich langzeitar­beitslos. Das heißt, man ist mittlerweile alle dreieinhalb Jahre im Durchschnitt 130 Ta­ge arbeitslos – 130 Tage, jeder und jede von uns. Arbeitslosigkeit ist leider normal geworden.

Menschen in diesem Zustand auch noch in eine existenziell wirklich schwierige Situa­tion zu bringen, halte ich für untragbar. Ich bin wirklich sehr glücklich für all jene Menschen, die mir täglich schreiben, seitdem ich mit diesem Thema beschäftigt bin, dass diese Situation Geschichte ist. Ich freue mich, dass uns das heute gemeinsam gelungen ist. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Eines noch zu den 85 Millionen € im Antrag: Das haben wir aufgrund von Daten des Sozialministeriums ausgebessert. Ich bin Geisteswissenschafterin, aber so viel ver­stehe ich von Volkswirtschaft, dass das, was diese Menschen damit in ihr Geldbörsel dazubekommen, auch unmittelbar ausgegeben wird. Das bleibt nicht auf irgendeinem Konto oder auf irgendeinem Sparbuch, sondern das brauchen sie unmittelbar zum Leben, es fließt daher in die Volkswirtschaft. Ich glaube, so viel habe ich mittlerweile verstanden. (Abg. Steinhauser: Das, was der Kurz spart, geht auf die Seychellen!) – Genau.

Das habe ich mittlerweile verstanden, und ich bin wirklich froh, dass wir das gemein­sam geschafft haben. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

22.39


Präsidentin Doris Bures: Danke.

Der von Abgeordneter Mag. Schwentner eingebrachte Antrag hat folgenden Gesamt­wortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Muchitsch, Gabriele Heinisch-Hosek

und Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 1366/A der Abgeordneten Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde betreffend Bundesgesetz, mit dem die Ungleichbehandlung von Frauen in der Berechnung der Notstandshilfe durch Änderung des Arbeitslosenversicherungs­geset­zes (ALVG), BGB1 1977/609, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBI. I Nr. 118/2015, abgeschafft wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977, zuletzt geän­dert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2017, wird wie folgt geändert:

1. § Im 6 Abs. 2 wird der Strichpunkt am Ende der Z 3 durch einen Punkt ersetzt und Z 4 entfällt.

2. § 34 samt Überschrift entfällt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 276

3. § 36 Abs. 1 erster Satz entfällt.

4. § 36 Abs. 2 lautet:

„(2) Bei der Beurteilung der Notlage sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen zu berücksichtigen.“

5. § 36 Abs. 3 lautet:

„Bei der Anrechnung von Einkommen (§ 36a) des (der) Arbeitslosen auf die Not­standshilfe ist Folgendes zu beachten:

Das in einem Kalendermonat erzielte und ohne Auswirkung auf den Leistungsanspruch in diesem Kalendermonat gebliebene Einkommen des Arbeitslosen ist im Folgemonat nach Abzug des zur Erzielung des Einkommens notwendigen Aufwandes auf die Not­standshilfe anzurechnen. Ausgenommen ist ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, das den der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG für den Kalendermonat entsprechenden Betrag nicht übersteigt. Wiederkehrende Bezüge an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen (§ 29 Abs. 1 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988) sind nur insoweit anzurechnen, als sie den Betrag der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG übersteigen.“

6. § 36 Abs. 5 und Abs. 8 entfällt sowie die Abs. 6 und 7 werden als Abs. 5 und 6 bezeichnet.

7. § 42 Abs. 6 entfällt.

8. Im § 43 entfällt der Ausdruck „und gemäß § 34 in der Pflichtversicherung versicherte Personen“ sowie der Ausdruck „oder aus der Krankenversicherung gemäß § 34“.

9. § 79 wird folgender Abs. 161 angefügt:

„(161) § 6 Abs. 2, § 36 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5 und Abs. 6, § 42 sowie § 43 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2017 treten mit 1. Juli 2018 in Kraft und gelten für Zeiträume nach dem 31. Juni 2018. Für Zeiträume vor dem 1. Juli 2018 gelten § 6 Abs. 2, § 36 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 bis 8, § 42 sowie § 43 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/2017 weiter.“

10. § 80 wird folgender Abs. 16 angefügt:

„(16) § 34 samt Überschrift und § 42 Abs. 6 sowie die Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 490/2001, treten mit 1. Juli 2018 außer Kraft; sie gelten jedoch für Zeiträume vor dem 1. Juli 2018 weiter.“

11. § 81 wird folgender Abs. 14 angefügt:

„(14) Personen, die am 30. Juni 2018 einen Kranken- und Pensionsversiche­rungs­anspruch gemäß § 34 haben, sind ab 1. Juli 2018 amtswegig auf Notstandshilfe umzustellen, wenn sie zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für den Anspruch auf Notstandshilfe erfüllen. Ruht der Anspruch auf Notstandshilfe zu diesem Zeitpunkt gemäß § 16, so gebührt die Notstandshilfe bei Vorliegen der Voraussetzungen ab dem Tag nach dem Wegfall des Ruhensgrundes.“

Begründung

Das Vorhaben zielt auf die Abschaffung der Anrechnung des Einkommens von Ehe­gattInnen, LebensgefährtInnen und Eingetragenen PartnerInnen auf die Notstandshilfe. Eigenes Einkommen, das beispielsweise durch Vermietung oder Verpachtung erzielt wird, soll jedoch weiterhin angerechnet werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 277

Die Berücksichtigung des bestimmte Freigrenzen übersteigenden Einkommens der Partnerin bzw. des Partners bei der Bemessung der Notstandshilfe führt dazu, dass davon betroffene arbeitslose Personen vielfach nur mehr einen sehr geringen An­spruch auf Notstandshilfe oder nur noch einen Anspruch auf Kranken- und Pensions­versicherung haben. Die von längerer Arbeitslosigkeit betroffenen Personen werden dadurch sehr stark von ihren PartnerInnen abhängig. Die Freigrenzen liegen im Regelfall weit unter der Armutsschwelle. Es kommt daher zu teilweise dramatischen Einkommensverlusten der betroffenen Haushalte und insbesondere auch zu sehr nachteiligen Auswirkungen auf die PartnerInnen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Der anhaltende geschlechtsspezifische Einkommensunterschied wirkt sich überdies besonders negativ auf die eigenständige Absicherung von Frauen aus.

Der Entfall der Anrechnung des Partnereinkommens auf die Notstandshilfe stärkt die Kaufkraft und damit den privaten Konsum längerfristig arbeitsloser Menschen, was in weiterer Folge zu einem anhaltenden positiven Beschäftigungseffekt führt.

Die zusätzlichen Beschäftigungsverhältnisse bringen Mehreinnahmen für die Sozial­versicherungsträger und bei den Steuern und sonstigen Abgaben und senken längerfristig auch die Arbeitslosigkeit.

Der Mehraufwand durch den gänzlichen Wegfall der Partnereinkommensanrechnung beträgt einschließlich der auf den zusätzlichen Leistungsaufwand entfallenden Sozial­ver­sicherungsbeiträge rund 130,2 Mio. Euro jährlich (ermittelt aus Daten des Bun­desrechenzentrums für das Jahr 2016). Unter Berücksichtigung zu erwartender zusätzlicher Antragstellungen (von jenen Personen, die auf Grund früherer Arbeitslo­sen­geldbezüge Notstandshilfe beantragen könnten) entstehen insgesamt jährliche Mehrkosten in Höhe von rund 160,6 Mio. Euro, die aber zum Teil durch zusätzliche Beschäftigungseffekte und Mehreinnahmen bei Steuern und sonstigen Abgaben kom­pensiert werden.

Zusätzlich reduzieren sich durch den Entfall aufwändig zu erbringender Nachweise (Lohn­bestätigungen, Kreditbestätigungen, etc.) die Verwaltungskosten sowohl für Bür­ger als auch für Unternehmen.

Die Vollziehung der Regelungen zur Anrechnung des Einkommens von PartnerInnen auf die Notstandshilfe erfordert einen hohen Verwaltungsaufwand beim Arbeitsmarkt­service. Die durch die Änderung frei werdenden Ressourcen des Arbeitsmarktservice können für eine bessere Beratung und Vermittlung für Arbeitslose und Unternehmen, für eine verstärkte Ausrichtung auf qualitativ hochwertige Ausbildungsangebote sowie für eine raschere Erledigung von Anträgen eingesetzt werden.

Zu Z 1 (§ 6 Abs. 2 Z 4 AlVG):

Die Aufzählung der Kranken- und Pensionsversicherung von Personen, die aus­schließlich wegen Anrechnung des Einkommens des Partners oder der Partnerin keine Notstandshilfe erhalten, im Leistungskatalog kann entfallen.

Zu Z 2 (§ 34 AlVG):

Die Regelung der Kranken- und Pensionsversicherung von Personen, die aus­schließlich wegen Anrechnung des Einkommens des Partners oder der Partnerin keine Notstandshilfe erhalten, kann entfallen.

Zu Z 3 (§ 36 Abs. 1 erster Satz AlVG):

Die Notstandshilfeverordnung enthält lediglich Regelungen im Zusammenhang mit der Anrechnung von PartnerInneneinkommen und kann daher künftig entfallen. Sämtliche Regelungen zur Höhe der Leistung und zur Berücksichtigung von Eigeneinkommen der Arbeitslosen sind bereits im Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 enthalten.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 278

Zu Z 4 (§ 36 Abs. 2 AlVG):

Die im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von PartnerInneneinkommen stehen­den Regelungen können entfallen.

Zu Z 5 (§ 36 Abs. 3 AlVG):

Infolge des Entfalls der Anrechnung des Partnereinkommens (lit. B) kann auch der Ein­leitungssatz als auch die verbleibende lit. A Aufzählung entfallen. Zur besseren Lesebarkeit wird der verbleibende Abs. 3 zur Gänze angeführt. Zusätzlich wird klargestellt, dass Unterhaltsansprüche von getrennten Partnern als Eigeneinkommen nur angerechnet werden, soweit sie die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs.2 ASVG übersteigen.

Zu Z 6 (§ 36 Abs. 5 AlVG):

Die im bisherigen Abs. 5 enthaltenen Regelungen beziehen sich ausschließlich auf die Erhöhung bzw. Anhebung der Freigrenzen für die Anrechnung von PartnerIn­nenein­kommen und können daher entfallen. Die im bisherigen Abs. 8 enthaltenen Regelun­gen entsprechen jenen im § 22 AlVG, die gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstands­hilfe anzuwenden sind.

Zu Z 7 (§ 42 Abs. 6 AlVG):

Die Regelung steht im Zusammenhang mit der Krankenversicherung von Personen, die ausschließlich wegen Anrechnung des Einkommens des Partners oder der Part­nerin keine Notstandshilfe erhalten, und kann daher entfallen.

Zu Z 8 (§ 43 AlVG):

Die im Zusammenhang mit der Krankenversicherung von Personen, die ausschließlich wegen Anrechnung des Einkommens des Partners oder der Partnerin keine Notstands­hilfe erhalten, stehenden Regelungen können entfallen.

Zu Z 9 (§ 79 Abs. 164 AlVG):

Die neuen Regelungen sollen nur für künftige Zeiträume gelten.

Zu Z 10 (§ 80 Abs. 16 AlVG):

Die Kranken- und Pensionsversicherung von Personen, die ausschließlich wegen An­rechnung des Einkommens des Partners oder der Partnerin keine Notstandshilfe erhalten, sowie die Notstandshilfeverordnung gelten für Zeiträume vor dem Inkraft­treten dieses Bundesgesetzes weiter.

Zu Z 11 (§ 81 Abs. 14 AlVG):

Personen, die bisher ausschließlich wegen Anrechnung des Einkommens des Partners oder der Partnerin keine Notstandshilfe erhalten haben und gemäß § 34 AlVG in der Kranken- und Pensionsversicherung versichert waren, müssen keinen neuen Antrag stellen, sondern werden bei Vorliegen der neuen Voraussetzungen für den Anspruch auf Notstandshilfe von Amts wegen auf Notstandshilfe umgestellt. In der Regel wird kein zu berücksichtigendes oder nur ein bereits bekanntes Eigeneinkommen vorliegen, sodass für die Ermittlung der Höhe der Notstandshilfe keine zusätzlichen Ermittlungs­schritte erforderlich sein werden.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister Stöger hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 279

22.40.01

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Hohes Haus! (Abg. Wöginger – in Richtung FPÖ –: Sie richten den Staat zugrunde!) Ich habe Menschen erlebt, die zu mir gekommen sind und gesagt haben: Ich kann nicht einmal irgendwo wohnen, ich werde obdachlos, denn wenn mich jemand aufnimmt, dann habe ich eine Anrechnung bei der Notstandshilfe. – Diese Regel hat zu Wohnungslosigkeit geführt!

Ich sage es noch einmal: Notstandshilfe ist eine Leistung, die man bekommt, weil man Beiträge gezahlt hat. Man hat Beiträge gezahlt! Ich finde es heute super: Wenn es einen Sinn gehabt hat, dass man diese Funktionsperiode früher beendet, dann wegen dieser Entscheidung, dass heute dieses Zeitfenster aufgeht, um diese Entscheidung zu treffen; das ist es mir wert, früher einen Wahlkampf geführt zu haben. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Steinhauser: Bravo!)

Ich bedanke mich – es ist ja nicht immer leicht, eine Opposition zu haben – für die konstruktive Opposition. Ich bin froh darüber, dass heute dieser Antrag der Grünen im Parlament vorliegt, weil man ihn heute nutzen kann. Auch das ist wichtig, und ich bin froh darüber, dass wir das zusammenbringen.

Ich möchte auch sehr deutlich darauf hinweisen, dass wir Menschen in Österreich Hilfen geben und dass wir von einem anderen Menschenbild ausgehen, nämlich von dem Menschenbild, dass jeder Mensch für sich selbst einen Anspruch – ich glaube, das ist wichtig – auf Einkommen hat. Wir stellen das heute sicher.

Wir verändern das Menschenbild, dass man von anderen abhängig ist, dass man Familienstrukturen als Grundlage der Sozialpolitik hat, die bereits vor hundert Jahren nicht funktioniert haben und die heute schon gar nicht funktionieren. (Rufe und Ge­genrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.) Wir haben heute das individuelle Recht der Menschen auf Einkommen auch sichergestellt. Das ist ein ganz qualitativer Schritt, und das ist mir ganz wichtig.

Das Zweite, was mich sehr freut, ist: Wir erteilen allen denjenigen, die von Hartz IV, 1 € und von was weiß ich was allem gesprochen haben, wir erteilen dieser Denkweise, diesem Menschenbild heute auch eine Absage. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe – ich sage das auch so deutlich – Wählerinnen und Wähler! An diesem Punkt erkennen Sie, welches Menschenbild die Parteien in Österreich haben. (Abg. Steinhauser: Das ist jetzt schon fast eine grüne Wahlempfehlung!)

Ich bedanke mich dafür, dass es möglich ist, hier eine Mehrheit zu haben. Die Sozial­demokratie hat immer gefordert, eine eigene Entwicklung, ein eigenes Einkommen zu haben.

Ich habe mir als Sozialminister beim Sozialbericht angeschaut, wodurch ein so großer Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen auch in Österreich entsteht. Bei der Frage der Notstandshilfe hat sich gezeigt, dass das ein Beispiel ist, warum Frauen weniger Einkommen haben, das geschah vor allem durch die Partneranrech­nung.

Dies heute zu verändern, macht etwas deutlich: Liebe Wählerinnen und Wähler, schaut darauf, was heute passiert, und macht auch am Sonntag entsprechend von eurem Wahlrecht Gebrauch! – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

22.43

22.43.51

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 280

Ich möchte die Damen und Herren Abgeordneten bitten, ihre Plätze einzunehmen, damit wir zur Abstimmung kommen können.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den im Antrag 1366/A der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzentwurf.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Schwentner, Muchitsch, Kolleginnen und Kolle­gen einen gesamtändernden Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher sogleich über den vorliegenden Gesetzentwurf in der Fassung des gesamtändernden Abänderungsantrages abstimmen lassen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den im Initiativantrag 1366/A der Abge­ord­neten Mag. Schwentner, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des gesamtändernden Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Schwentner, Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen aussprechen, um ein zustimmendes Zeichen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) – Der Gesetzentwurf erfordert eine dritte Lesung.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die in dritter Lesung die Zustimmung geben, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung mit Mehrheit so angenommen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

22.45.4811. Punkt

Antrag der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Pflegeskandal von Kirch­stetten (2326/A)(E)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Gesundheitsausschuss eine Frist bis 10. Ok­tober 2017 zur Berichterstattung gesetzt.

Mir liegt kein Wunsch auf eine mündliche Berichterstattung vor; damit gelangen Sie, Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch, zu Wort. – Bitte.

 


22.46.21

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier um ein ernstes Thema: Es geht darum, dass es in Kirchstetten einen Pflegeskandal gegeben hat. Vor ungefähr eineinhalb Jahren hat das stattgefunden. Genaueres wissen wir aber bis heute nicht. Die Staatsanwaltschaft ist nach wie vor dabei, zu ermitteln. Es gibt auch gar keinen Zeitpunkt für eine eventuelle Anklage. Wir wissen auch nicht, ob es überhaupt zu einer Anklage kommen wird.

Das heißt, dieser Fall schwebt zwar über uns, und ich weiß, dass er viele betroffen gemacht hat. Viele haben auch darüber nachgedacht, weil es ja doch immer wieder Berichte gibt, vor allem auch von der Volksanwaltschaft, die von Missständen in Pfle­ge­einrichtungen sprechen.

Ich glaube, da muss man schon unterscheiden: Missstände sind zum einen eine Sache, die bedeutet, dass Patienten oft sehr früh ins Bett gebracht werden, weil Perso­nalmangel herrscht. Ein Skandal im Sinne eines sadistischen Quälens von Patienten hat natürlich eine völlig andere Qualität.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 281

Es hat selbst die Gesundheitsministerin am Wochenende gesagt, dass hier nicht alle gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. Wir wissen, dass von diesen fünf Pflegern, die in Kirchstetten vor eineinhalb Jahren entlassen wurden, zwei in Wien eine neue Anstellung gefunden haben. Diese sind vor wenigen Tagen wieder entlassen worden, eben aufgrund der Tatsache, dass sie in den Fall von Kirchstetten verwickelt sind, ohne dass es in Wien wirkliche Beanstandungen gegeben hat, ohne dass wir jetzt auch wissen, ob und wann es zu einer Anklage kommt und ob es überhaupt jemals zu einer Verurteilung kommt.

Ich verstehe alle, die emotional reagieren, nur glaube ich, dass es jetzt falsch ist, Schnellschüsse zu bringen, mit Entschließungsanträgen hineinzugehen und ein sofor­tiges Berufsverbot aufgrund einer Anzeige zu fordern. Was lösen wir damit aus? – Der Pflegeberuf ist ein wirklich anstrengender, schwerer Beruf. Wenn wir jetzt aufgrund einer Anzeige dafür Sorge tragen, dass Pfleger nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten können, und es stellt sich nach eineinhalb oder zwei Jahren möglicherweise heraus, dass diese Anzeige völlig unbegründet war: Wer kommt denn dann für den Schaden auf?

Das heißt, ich glaube, wir sollten aufpassen, nicht der Vernaderung Tür und Tor zu öff­nen. Ich versuche, das jetzt herunterzubrechen: Wenn jeder Abgeordnete, gegen den eine Anzeige erhoben wird, sein Mandat verlieren würde – selbst wenn sich irgend­wann herausstellt, es passiert gar nichts –, was hätten wir dann davon?

Gerade im Pflegebereich, der ein sehr sensibler Bereich ist, ist es oft so, dass Ange­hörige unzufrieden sind, nicht mit der Situation umgehen können, dass vielleicht die Mutter, die Großmutter, der Großvater schwer krank ist, sich ganz am Ende seines Lebens befindet. Es gibt Angehörige, die sich vielleicht auch schuldig fühlen, weil eben die alte, sterbende Person jetzt in einem Heim gepflegt wird. Da gibt es also viele Gründe dafür, dass Menschen überhaupt Pfleger anzeigen, und es gibt schon heute immer wieder Probleme. Das hat nichts mit einem wirklichen Skandal zu tun.

Ich denke, wenn wir jetzt diese Gesetze verschärfen, wenn künftig jede Anzeige dazu führt, dass die Pfleger ein Berufsverbot bekommen, dann tun wir den Pflegern nichts Gutes. Dann senden wir ein Signal aus, das ein fatales ist! Ich bin davon überzeugt, weit über 90 Prozent, wahrscheinlich über 99 Prozent aller Pfleger leisten gute Arbeit, bemühen sich in ihrem Beruf. Sie sind sicherlich oftmals auch überfordert, das hängt mit vielen äußeren und inneren Faktoren zusammen. Aber sie bemühen sich, sie quälen ihre Patienten nicht. Sie bemühen sich, die beste und höchstprofessionelle Pflege zu leisten.

Ich glaube, diese Menschen haben es sich nicht verdient, dass die Politik jetzt hinein­fährt und sagt: Es gibt eine Anzeige, und du verlierst einmal deinen Job. Denn was passiert dann? – Dann haben sie zwei Jahre, drei Jahre, bis sie sozusagen rehabilitiert sind. Wer steht dann für den Einkommensverlust ein? – Die Menschen sind beruflich kaputt gemacht, und teilweise auch privat.

Daher werden wir diesen Änderungen – wobei ich weiß, sie sind gut gemeint, aber das Gegenteil von gut ist eben oftmals gut gemeint – nicht unsere Zustimmung geben. Ich glaube, es sind natürlich die Pflegedirektionen verstärkt gefordert. Es ist auch die Volks­anwaltschaft verstärkt gefordert, eventuelle Missstände auch wirklich zu über­prüfen. Eine Gesetzesverschärfung halten wir für den falschen Weg. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 282

22.51


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Spindelberger. – Bitte.

 


22.51.09

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Ich denke, werte Kolleginnen und Kolle­gen, dass es vielen von Ihnen so gegangen sein wird wie mir: Ich war sprachlos, als die Verdachtsmomente bezüglich dieser Misshandlungen von Pflegebedürftigen im Pflegeheim Kirchstetten öffentlich wurden. Ich bin wirklich schockiert gewesen, dass sich solche – ich sage das bewusst – abscheulichen Sadisten dann auch noch über Soziale Medien ihrer Gräueltaten rühmen und so – wie Sie es gesagt haben, Frau Kollegin Belakowitsch – auch noch ganze Berufsgruppen in Misskredit bringen.

Mir tun bei dieser ganzen Diskussion die Tausenden im Pflegebereich tätigen Men­schen leid, die 365 Tage im Jahr tolle, aufopferungsvolle Arbeit an Menschen in unse­rer Gesellschaft verrichten, die deren Hilfe dringend benötigen. Und ich sehe es ein bisschen anders, denn ich glaube, genau deswegen ist von unserer Seite dringend Handlungsbedarf gegeben, damit sich solche Vorfälle nicht wiederholen können.

Ich gebe Ihnen darin vollkommen recht, Frau Belakowitsch, dass es eine sehr heikle Materie ist, jemand mit einem Berufsverbot zu belegen und berufstätige Menschen vielleicht vorschnell an den Pranger zu stellen. Aber es kann wiederum auch nicht der Fall sein, dass ein Berufsverbot für Pflegekräfte erst nach einer strafrechtlichen Verurteilung ausgesprochen werden darf.

Das zeigt ja dieser Fall auf, denn die ersten Verdachtsmomente sind fast auf den Tag genau schon vor einem Jahr, damals über die „ZIB 2“, an die Öffentlichkeit gelangt. Die Justiz hat bis jetzt deswegen noch keine Anklage erhoben, weil man wieder die Ausrede gebraucht hat: Na, wir müssen erst ein gerichtsmedizinisches Gutachten abwarten. Aber das kann es gerade nicht sein! Denn diese Sadisten sind ja damals nicht einmal in U-Haft genommen worden mit der Begründung, dass sie vom ehe­maligen Arbeitgeber ohnehin entlassen wurden und deswegen keine Tatbegehungs­gefahr mehr bestehe.

Der Hauptbeschuldigte – das ist ja richtig angeführt worden – hat aber in einem ande­ren privaten Heim als Pfleger weitergearbeitet, weil es aufgrund der Lücke eben kein Berufsverbot für Pfleger gibt. Mir persönlich – ich sage das ganz offen – wird, weil meine 88-jährige Mutter auch in einem Pflegeheim ist, angst und bang bei dem Ge­danken, dass dort aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage vielleicht ein Pfleger be­schäftigt werden könnte, der sich vorher vielleicht jahrelang, so wie es da konkret der Fall war, an dementen Patientinnen und Patienten sexuell vergangen, sie verprügelt und dann auch noch nackt fotografiert hat, weil dem neuen Arbeitgeber all diese Vorfälle gar nicht bewusst wurden.

Genau dem gilt es mit dem heutigen Entschließungsantrag so rasch wie möglich einen Riegel vorzuschieben, damit sich solche Fälle in Österreich nicht mehr wiederholen können! Wir führen daher unter anderem die Informationspflicht für Staatsanwälte ein, dass an die zuständigen Behörden über Strafverfahren gegen Angehörige der Gesund­heits- und Sozialberufe auch weitere Informationen weitergegeben werden müssen; aber es muss in Zukunft auch bessere Informationsmöglichkeiten aktueller und künftiger Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber geben. (Beifall bei der SPÖ.)

22.54


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

 


22.54.57

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Gestatten Sie mir, dass ich wenig zum heutigen Antrag sage, weil ich jetzt meine letzte Rede halte.

Meine letzte Rede halte ich nach 23 Jahren Parlamentszugehörigkeit, wobei ich gleichzeitig auch 23 Jahre lang die Gesundheitspolitik der ÖVP gestalten durfte,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 283

zusätzlich zur aktiven Ordination, die ich ja weiterbetrieben habe. Mein Leitgedanke – und darauf bin ich stolz, dass ich diesen, wo immer ich mitwirken konnte, durchge­bracht habe – war eine Gesundheitspolitik für alle, unabhängig von Alter und Einkom­men, weil das neben der ärztlichen Behandlung ja wesentliche Faktoren sind, die zu einem längeren oder einem kürzeren Leben führen. Immerhin sind das 11,8 Jahre, wenn man sehr arm ist und einen sehr niedrigen Bildungsgrad hat.

Als Politiker habe ich sehr oft gehört: Nein, Rasinger, du als Arzt, das brauchen wir nicht, da ist vieles überflüssig und ineffizient, Ärzte sind schlecht. – Das sagen aber meistens Menschen, die noch nie krank waren, meistens Jüngere. Wenn man selbst einmal von einer Krankheit betroffen ist, dann weiß man, was Schicksal ist. Dann ist man von einer Sekunde auf die andere darauf angewiesen, dass Menschen als Politiker ein gutes System kreiert haben, denn in einer Minute können Sie kein System aufbauen, Sie können keine Betten herzaubern, keinen Hubschrauber herzaubern. Sie brauchen schlicht und einfach ein gutes System. Wir haben in Österreich meiner Meinung nach ein sehr gutes System, an dem ich 23 Jahre mitwirken durfte.

Sie brauchen aber auch ein absolutes Vertrauen in Ärzte, in Pfleger – das zeigt ja der heutige Antrag –, Sie brauchen auch gute Politiker mit Herz. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe sehr viele erlebt, ich habe auch in den Ministerien und Kassen sehr, sehr viele Engagierte erlebt. Letztendlich war es immer ein Bestreben, etwas Gutes zu machen.

Wo stehen wir eigentlich international? – Ich kann Ihnen sagen, ich kenne praktisch alle Systeme der Welt, und wir können stolz darauf sein, dass wir, meiner Meinung nach, unter den besten fünf Systemen der Welt sind. Vergangenes Wochenende war ich in Rom, und ich war erschrocken: Da war ein Bettler, ich habe ihn näher ange­schaut, und er hat ein massives Melanom auf der Wange gehabt – etwas, was Sie in Österreich nicht mehr sehen.

Zur gleichen Zeit rief mich eine Angehörige einer Patientin an, die sagte: Sollen wir die Mutter mit 92 Jahren noch mit einem minimalinvasiven Eingriff am Herzen operieren lassen, die Chance sei ja 85 Prozent? – Natürlich werden wir sie operieren! Ich bin dankbar dafür, dass wir da keine Abstufung nach Alter oder Geld machen.

Jeder, der einmal in Urlaub war, weiß, was das heißt: Schnell nach Österreich, wenn man krank ist! Sollen wir uns das leisten? – Ich glaube, die Frage stellt sich nicht in so einem reichen Land. Wir geben 3 bis 4 Milliarden € weniger aus als Deutschland oder die Schweiz bei vergleichbaren Systemen. Ich glaube, niemand von uns will nach Holland oder nach England. Die Frage stellt sich also nicht wirklich.

Wir Ärzte – ich bin Arzt und bin auch stolz darauf, Arzt zu sein – sollten eine starke Stimme sein. Ich glaube, wir sollten auch sehr empathisch, mit hohem Können, aber auch mit viel Zeit unsere Patienten betreuen.

Ich leugne Probleme überhaupt nicht. Ich habe ja genügend Probleme als Politiker durchstehen müssen, genügend Gesetze gemacht. Manche waren gut, manche waren weniger gut. Ich sage aber, wir haben natürlich Probleme. Zu viele Menschen liegen bei uns im Spital, weil wir draußen zu wenige Fachärzte haben. Uns fehlen Krebsspe­zialisten mit Kassenvertrag, Kinderpsychiater, Psychiater, Schmerztherapeuten et cetera.

Wir haben einen riesen Hausarztmangel, das ist ein Problem, das wie ein Gewitter über uns hereinzubrechen droht. 40 Prozent weniger an Bezahlung, das wird auf Dauer nicht gehen. Ein Drittel der jungen Absolventen eines Medizinstudiums verlässt Österreich, trotzdem bilden wir dreimal so viele wie Harvard aus; da passt also etwas


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 284

bei den Arbeitsbedingungen nicht. Ein Drittel beklagt Burn-out-Symptome und sagt, die Bürokratie nehme ihnen die Zeit für die Patienten weg.

An all diesen Themen habe ich mitgewirkt, und ich bin auch dankbar dafür, dass Leute mir Vertrauen geschenkt haben. Mich hat Erhard Busek in die Politik geholt, Görg hat mir immer Vertrauen geschenkt, Schüssel war mein großes Vorbild. Aber ohne gute Mit­arbeiter wie meinen Mitarbeiter Philipp Hartig hätte ich das alles neben der Ordi­nation nicht schaffen können.

Ich hatte sehr tolle Gegenüber, zum Beispiel Gabi Kotzegger von der SPÖ, aber ich hatte auch nette Kollegen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Erwin Spindelberger, Dagmar Belakowitsch, Kollegin Mückstein, Kollege Loacker waren sehr konstruktive Partner – Hut ab!

Letztendlich muss ich mich bei allen Ärzten, Pflegern und sonstigen Angehörigen der medizinischen Berufe bedanken, die tagtäglich unter Zeitdruck Leistung in hoher Qualität erbringen.

Ich zitiere zum Schluss einen Satz von Schopenhauer: „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ – Deshalb sollten wir alle im eigenen Interesse an einem sehr guten Gesundheitswesen arbeiten. (Allgemeiner, von den Abgeordneten der ÖVP stehend dargebrachter Beifall.)

23.00


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Rasinger, auch Ihnen alles Gute!

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Schwentner. – Bitte.

 


23.01.17

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass sich so etwas wie im Pflegeheim Kirchstetten und auch die Vorfälle davor nie, nie mehr wiederholen dürfen. Wir als Politiker und Politikerinnen müssen alles tun, um dazu beizutragen, das zu verhindern. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin deswegen froh, dass wir gemeinsam mit SPÖ, ÖVP und auch den NEOS einen Antrag dazu einbringen, dass künftig die Staatsanwaltschaft eine Informationspflicht an die Bezirksverwaltungsbehörden hat, das ist in diesem Fall nämlich nicht passiert. Damit kann in Zukunft hoffentlich verhindert werden, dass jemand wie diese Pfleger, die in diesem einen Heim aktiv waren, auf sadistische, brutale Weise zu pflegende Menschen quälen.

Wir hätten die Maßnahmen lieber im Berufsrecht verankert gehabt, um ein vorläufiges Berufsverbot auszusprechen. Ich glaube nämlich, dass das eine eindeutigere und klarere Lösung wäre als der Erlass, der jetzt durch die Bundesministerin für Gesund­heit erfolgt ist – aber immerhin, wir sind uns einig, dass das nicht passieren soll, nie mehr passieren darf.

Ich bringe jetzt den Antrag ein:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Judith Schwentner, Erwin Spindelberger, Gertrude Aubauer, Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzu­legen, der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 285

1. in Ergänzung der berufsrechtlichen Regelungen für Gesundheits- und Pflegeberufe eine Informationspflicht der Staatsanwaltschaft an die für die Berufsberechtigung zu­ständigen Behörden über Strafverfahren gegen Angehörige der Gesundheits- und Sozialberufe,

2. sowie in solchen Fällen bessere Informationsmöglichkeiten aktueller und künftiger ArbeitgeberInnen vorsieht.

Darüber hinaus sollen gemeinsam mit den Ländern, den Pflegeanwaltschaften und der Volksanwaltschaft die Kontrollmechanismen im Pflegebereich überarbeitet und klarere Zuständigkeiten geschaffen werden.

Weiters wird die Bundesregierung ersucht, die für die Berufsberechtigung zuständigen Behörden erneut in geeigneter Weise über die im Rahmen der geltenden berufs- und verfahrensrechtlichen Regelungen bestehenden Möglichkeit zu informieren, die vorsehen, dass eine Entziehung der Berufsberechtigung wegen mangelnder Vertrau­enswürdigkeit bei Gefahr in Verzug unmittelbar zu erfolgen hat.“

*****

Der Antrag ist eingebracht, ich bedanke mich für die Unterstützung. (Beifall bei den Grünen.)

23.03


Präsident Karlheinz Kopf: Das kann ich bestätigen, Frau Abgeordnete. Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Judith Schwentner, Erwin Spindelberger, Gertrude Aubauer, Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend den Antrag 2326/A(E) der Abgeordneten Schwentner, Freundinnen und Freunde betreffend Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Pflegeskandal von Kirchstetten

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 2326/A(E) der Abgeordneten Schwentner, Freundinnen und Freunde be­treffend Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Pflegeskandal von Kirchstetten lautet wie folgt:

Das Ausmaß des durch einen Bericht in der Wochenzeitung "Falter" (Ausgabe Nr. 39/2017) bekannt gewordenen dringenden Verdachts schwerer Misshandlungen an Pflegebedürftigen im Pflegeheim Kirchstetten ist erschütternd.

Die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, die das Berufsrecht für Pflegekräfte regeln, sehen ein Berufsverbot „jedenfalls bei […] strafrechtlicher Verurteilung“ vor. Darüber hinaus können auch Berufspflichtverletzungen, die nach Art und Schwere mit den genannten strafbaren Handlungen vergleichbar sind, den Verlust der Vertrauens­würdigkeit nach sich ziehen. Die für die Berufsausübung erforderliche Vertrauens­würdigkeit ist im Einzelfall zu bewerten. Gemäß § 39 Abs. 2 AVG hat die zuständige Behörde in solchen Fällen vom Amts wegen vorzugehen, wenn sie von den auslö-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 286

senden Umständen Kenntnis erlangt, dies kann beispielsweise durch Beschwerden, Medienberichte etc. erfolgen. Per Mandatsbescheid hätte den Beschuldigten wegen Gefahr in Verzug mit sofortiger Wirkung die Berufsausübung untersagt werden können, vorausgesetzt die Daten der Betroffenen sind für die Bezirksverwaltungsbehörde zulässig und zuverlässig zugänglich. Das BM für Gesundheit und Frauen hat aufgrund dieser Vorfälle einen entsprechenden Erlass an die zur Vollziehung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes zuständigen Behörden herausgegeben.

Im Fall des Pflegeheims Kirchstetten konnten einige Beschuldigte darüber hinaus schnell eine Tätigkeit in anderen Pflegeeinrichtungen aufnehmen. Weder der Staatsan­waltschaft noch der Bezirksverwaltungsbehörde war dies offenbar vor dem Bericht im Falter bekannt.

Im konkreten Fall hat nach dem Bericht im „Falter“ die Staatsanwaltschaft zunächst die Festnahme veranlasst, worauf das zuständige Landesgericht von der Verhängung der Untersuchungshaft abgesehen und als gelinderes Mittel die Weisung erteilt hat, bis zur gerichtlichen Entscheidung nicht mehr in der Pflege tätig zu sein.

Im Fall von Kirchstetten läuft das umfangreiche Ermittlungsverfahren der Staatsan­waltschaft bereits ein Jahr. Weisungen im Haftverfahren können geeignete Regeln und Handhaben der Gesundheitsverwaltung nicht ersetzen, zumal sie sich nur an die Beschuldigten richten, und potentiellen Arbeitgebern möglicherweise gar nicht zur Kenntnis gelangen.

Wenn die Staatsanwaltschaft mangels Vorliegens von Haftgründen (insbesondere der Tatbegehungsgefahr) keine Untersuchungshaft oder gelindere Mittel beantragen kann, dann sollten zumindest die für die Berufsberechtigung zuständigen Behörden informiert werden, um etwaige Präventionsmaßnahmen zum Wohle der pflegebedürftigen Mit­menschen zu ergreifen. In diesem Sinne sollen die Staatsanwaltschaften verpflichtet werden, die für die Berufsberechtigung zuständigen Behörden über laufende Ermitt­lungs­verfahren im Zusammenhang mit z.B. pflegeberufsrelevanten Sachverhalten in Kenntnis zu setzen, damit letztere tätig werden und gegebenenfalls ein vorläufiges Berufsverbot aussprechen können.

Dafür fehlen zum jetzigen Zeitpunkt die gesetzlichen Grundlagen, die unter strenger Bedachtnahme sowohl auf Beschuldigtenrechte (Unschuldsvermutung) als auch auf Schutzbedürfnisse von wehrlosen (dementen), pflegebedürftigen Menschen bundes­gesetzlich implementiert werden müssen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzule­gen, der

1. in Ergänzung der berufsrechtlichen Regelungen für Gesundheits- und Pflegeberufe eine Informationspflicht der Staatsanwaltschaft an die für die Berufsberechtigung zuständigen Behörden über Strafverfahren gegen Angehörige der Gesundheits- und Sozialberufe,

2. sowie in solchen Fällen bessere Informationsmöglichkeiten aktueller und künftiger ArbeitgeberInnen vorsieht.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 287

Darüber hinaus sollen gemeinsam mit den Ländern, den Pflegeanwaltschaften und der Volksanwaltschaft die Kontrollmechanismen im Pflegebereich überarbeitet und klarere Zuständigkeiten geschaffen werden.

Weiters wird die Bundesregierung ersucht, die für die Berufsberechtigung zuständigen Behörden erneut in geeigneter Weise über die im Rahmen der geltenden berufs- und verfahrensrechtlichen Regelungen bestehenden Möglichkeit zu informieren, die vorsehen, dass eine Entziehung der Berufsberechtigung wegen mangelnder Vertrau­ens­würdigkeit bei Gefahr in Verzug unmittelbar zu erfolgen hat.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. – Bitte.

 


23.03.57

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist zutiefst erschütternd, was in einem Pfle­geheim in Kirchstetten geschehen sein soll. Ich glaube, da spüren wir schon alle ein körperliches Schaudern, wenn wir von wehrlosen Menschen hören, die Misshand­lungen ausgesetzt sind.

Schaudern allein ist aber natürlich zu wenig – wir haben dringenden Handlungsbedarf, daher heute dieser gemeinsame Antrag. Die entscheidende Frage ist: Können sich Angehörige darauf verlassen, dass ihre Familienmitglieder in Pflegeheimen gut aufge­hoben sind? Was können wir tun, damit etwaige Missstände verhindert werden? Was brauchen wir? – Wir brauchen klare, eindeutige Regeln, vieles davon ist jetzt schon gesagt worden. Wir brauchen vor allem dort, wo es Sinn macht, bessere Informationen.

Wenn es ein Strafverfahren gibt, soll eine Information an die zuständigen Berufs­auf­sichtsbehörden erfolgen. Auch ein neuer Arbeitgeber sollte natürlich besser informiert werden, wenn es für den Fall relevant ist. Da braucht es im Einzelfall eine sehr schwie­rige Abwägung, da gebe ich Ihnen auch recht, Frau Kollegin Belakowitsch, damit jemand nicht zu Unrecht beschuldigt wird.

Pflegekräfte tragen eine sehr hohe Verantwortung, sehr oft stehen sie unter riesigem Zeitdruck. Tausende Pflegekräfte leisten in Österreich ganz hervorragende Arbeit, und ihnen allen spreche ich an dieser Stelle ein großes Dankeschön für ihren Einsatz zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher aus!

Wenn sich nun ältere Zuseher vielleicht Sorgen über die Qualität der Pflegeheime machen, sei ihnen gesagt: Diese Sorgen sind unbegründet! Generell haben wir in Öster­reich eine sehr hohe Qualität in der Pflege. Diese hohe Qualität ist natürlich weiterhin sicherzustellen, das ist eine ganz große, wichtige Aufgabe.

Ein großes Anliegen an alle Abgeordneten, die dem nächsten Nationalrat angehören werden: Bitte setzen Sie sich weiterhin für den Ausbau der Hospiz- und Palliativ­versorgung ein! Das ist mir persönlich ein großes Anliegen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ihnen allen ganz herzlichen Dank: Danke für diese konstruktive Zusammenarbeit, viele tolle Erlebnisse, viele tolle Erfahrungen und viele gute gemeinsame Lösungen – Ihnen allen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

23.06


Präsident Karlheinz Kopf: Liebe Frau Abgeordnete Aubauer! Auch Ihnen einen herzlichen Dank für die Mitarbeit in diesem Hause und alles Gute für die Zukunft!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 288

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mückstein. – Bitte.

 


23.07.09

Abgeordnete Dr. Eva Mückstein (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Damen und Herren im Hohen Haus! Wenn man so etwas wie diese Vorfälle in Kirchstetten hört, dass da alte Menschen, demente Menschen, wehrlose Menschen missbraucht und misshandelt werden, dann müssen natürlich alle Alarmglocken läuten. Ganz klar ist, man muss sich darum kümmern, wie diese Informationssysteme aufgebaut sind. Ob eine Informationspflicht der Staats­anwälte dann ausreicht, ist noch weiter zu diskutieren.

Ich meine, das ist ein System, bei dem man schon auch dahinter schauen muss, unter anderem auf die Überforderung der Pflegekräfte und ob da der Pflegeschlüssel eine Rolle spielt. Heute ist es aber jedenfalls einmal gut und richtig, und ich würde sagen, sogar erleichternd, dass es diese Informationspflicht nun geben soll.

Auch für mich ist das die Abschiedsrede: Es war eine sehr spannende und heraus­fordernde Zeit. Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus ganz herzlich bedanken, vor allem bei den KollegInnen, die in der Gesund­heits­politik und in der Frauenpolitik tätig waren.

Bedanken möchte ich mich bei meinen KollegInnen im Grünen Klub, vor allem bei den MitarbeiterInnen, und bei all den Menschen außerhalb: bei den VertreterInnen der Gesundheitsberufe, speziell bei den Grünen Ärztinnen und Ärzten sowie bei den PatientInnen, die durch ihre Berichte, wie es ihnen im Gesundheitswesen ergeht und wie es draußen in der Praxis wirklich aussieht, jene Informationen geben, die wir brauchen, um hier politisch tätig sein zu können. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

In dieser Funktionsperiode hatten wir ein langes Ringen um die Primärversorgung – ich rechne es mir auch ein bisschen als meinen Erfolg an, dass jetzt nicht mehr vorge­sehen ist, dass gewinnorientierte Unternehmungen Betreiber von Primärversorgungs­einrichtungen sein können.

Ich habe auch viel und oft darüber gesprochen, dass psychisch kranke Menschen im Vergleich zu körperlich kranken Menschen immer noch stigmatisiert sind – ich hoffe, ein Stück weit Bewusstsein geschaffen zu haben, damit es in diesem Bereich in Zukunft einen Fortschritt gibt. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Gisela Wurm.)

Das Gesundheitswesen steht vor großen Herausforderungen. Wir haben jetzt auch wieder gelesen und gehört, dass viele Menschen die Zweiklassenmedizin beklagen und dass sie diese immer und immer deutlicher verspüren. Ich wünsche der Gesund­heitspolitik und dem Gesundheitswesen mutige Reformen und einen entschlossenen Kampf gegen Zweiklassenmedizin, damit Gesundheit und vor allem auch bestmögliche Krankenversorgung in Zukunft nicht von dem kleinen Extra abhängt, das man sich nur leisten kann, wenn man es aus der eigenen Tasche bezahlt.

Danke an alle, und alles Gute für den zukünftigen Nationalrat! (Allgemeiner, von den Abgeordneten der Grünen stehend dargebrachter Beifall.)

23.10


Präsident Karlheinz Kopf: Frau Abgeordnete, auch von meiner Seite einen herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit in dieser so wichtigen Institution der parlamentarischen Demokratie – herzlichen Dank und alles Gute für die Zukunft!

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Höfinger. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 289

23.11.08

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über diesen Pflegebereich sprechen, dann wissen wir, es sind Menschen in ihrer heikelsten, sensibelsten Lebensphase betroffen, oftmals auch in ihrer intimsten Lebensphase.

Es ist daher die höchste Verantwortung, die all jene tragen, die damit befasst sind, die Menschen unmittelbar betreuen – auf allen Ebenen: in der Verwaltung, in den Struk­turen, die dahinter stehen müssen, bis hin zur Kontrolle. Da ist eines wichtig, und ich glaube, das eint uns alle, nämlich Sicherheit zu geben: Sicherheit für die betroffenen Menschen, aber auch Sicherheit für die Angehörigen, und damit auch Sicherheit für eine gesamte Gesellschaft, der gegenüber wir Verantwortung tragen.

Eines muss hier gesagt werden: Es ist gute Arbeit, die bisher geleistet wurde, auf all diesen Ebenen, darum denke ich, dass es wichtig war, dass wir in dieser Frage eine Ergänzung vornehmen. Die Menschen sollen nicht verunsichert werden, dass da neue Wege eingeschlagen werden, sondern dass aus einem besonderen Anlass diese Maß­nahme abgestimmt wird. Es war daher auch wichtig, zu dokumentieren, dass wir diese Entscheidung in einem sehr breiten Konsens fällen werden. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich, und wir werden diesem Antrag gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

23.12

23.12.37

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen damit zur Abstimmung.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag 2326/A(E) der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maß­nahmen im Zusammenhang mit dem Pflegeskandal von Kirchstetten.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Schwentner, Spindelberger, Mag. Aubauer, Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen einen gesamtändernden Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse daher sogleich über den Entschließungsantrag in der Fassung des Abände­rungsantrages der Abgeordneten Mag. Schwentner, Spindelberger, Mag. Aubauer, Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. (E 220.)

23.13.27Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangen wir zur verlegten Abstimmung über den im Antrag 2309/A der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzentwurf.

Hierzu liegen folgende Anträge vor:

ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen, ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Wöginger, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Wöginger.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungs­anträgen sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 290

schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer Promulgationsklausel eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig ange­nommen.

Die Abgeordneten Wöginger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Art. 1 Z 1 eingebracht.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fas­sung des Initiativantrages 2309/A der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolle­ginnen und Kollegen.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 2 eingebracht.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist einstimmig angenommen.

Die Abgeordneten Wöginger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag hinsichtlich der Streichung der Z 2 bis 4 in Art. 2 eingebracht.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Nun gelangen wir zur getrennten Abstimmung über Art. 2 Z 2 in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist wiederum die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 2 Z 5 und Art. 3 Z 3 eingebracht.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist wiederum die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag hinsichtlich der Einfügung einer Z 6 in Art. 2 eingebracht.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zum Abänderungsantrag der Abgeordneten Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 3 Z 4.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Damit gelangen wir sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Initiativantrages 2309/A der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel in der Fassung des Initiativantrages 2309/A der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 291

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

23.17.5012. Punkt

Regierungsvorlage: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots (1776 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieser Regierungsvorlage wurde dem Familienausschuss eine Frist bis 11. Oktober 2017 zur Berichterstattung gesetzt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Strasser. – Bitte.

 


23.18.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Geschätzte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist zweifellos ein Freudentag für die Kinder in Österreich, für die Familien in Österreich, für die Gemeinden in Österreich, für die Länder und für alle Damen und Herren, die sich auf Bundesebene für das Wohl, die Betreuung und Bildung unserer Kinder ins Zeug legen, denn: Die Artikel-15a-Vereinbarung über den Ausbau der institutionellen Kinderbetreuung wird nämlich fortgeschrieben.

Wenn man ein bisschen zurückblickt, so sieht man, dass seit 2008 in Österreich vom Bund in Summe 390 Millionen € für Investitionen in die Kinderbildung und Kinder­betreuung in die Hand genommen worden sind. Länder und Gemeinden haben zu­sätzlich 235 Millionen € kofinanziert. Man sieht da, die Kinderbildung und Kinderbetreu­ung ist geprägt von einer starken Partnerschaft der Gemeinden, der Länder und des Bundes.

Der Effekt war, dass wir über diese Ausbauinitiative das Barcelona-Ziel für die Drei- bis Sechsjährigen erreicht haben und dass die Betreuungsquote der unter Dreijährigen in den letzten Jahren verdoppelt wurde.

Was ist konkret in dem Paket drinnen? – Darin ist enthalten, dass im Jahr 2018 wieder Geld für die Gemeinden und Länder da ist, um investiert zu werden, nämlich in der Höhe von 52,5 Millionen €. Das wird in Summe 100 Millionen € an Investitionen aus­lösen. Es ist auch vereinbart, einen bundesweiten Qualitätsrahmen zu entwerfen. Ich glaube, wir können mit diesem Beschluss in eine wirklich gute Zukunft gehen.

Bedanken darf ich mich bei Sophie Karmasin. Ich habe mich heute Vormittag schon bei meinen Familiensprecherkolleginnen und -kollegen bedankt. Nun sage ich: Liebe Frau Bundesminister, liebe Sophie! Vielen Dank für dein Engagement! Vielen Dank für dein Herzblut, dass du in die Familienpolitik in den letzten Jahren eingebracht hast, rund um die Familienbeihilfe, rund um das Kinderbetreuungsgeld-Konto, rund um den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen sowie bei vielen anderen Projekten, die du be­gleitet und federführend geleitet hast. (Beifall bei der ÖVP.)

Diesen Tagesordnungspunkt möchte ich mit einem Zitat schließen: „Es handelt sich hier um die größte Ausbau-Offensive in der Kinderbetreuung, die es in Österreich je gegeben hat.“ Das könnte zweifellos aus deiner Feder sein – ich habe es heute


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 292

gefunden –, ist aber aus dem Jahr 2014 und stammt von der damaligen Frauen­ministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Ich möchte mich bedanken für die Rosen. Ich glaube, dass wir da wirklich etwas auf den Weg gebracht haben und freue mich über die Zustimmung. Das ist wirklich heute noch auf der Homepage zu finden. Es ist wirklich eine Freude, dass wir da gemeinsam etwas zusammengebracht haben.

Leider ist der Bundesminister Stöger nicht mehr in unserer Mitte. Das war nämlich vorher bei diesem Tagesordnungspunkt, wo es um die Notstandshilfe gegangen ist, eine ganz interessante Wortspende. Ich würde da die Sozialdemokratie bitten, den Bun­desminister zu fragen, wie er das denn gemeint hat, als er formuliert hat, dass mit diesem Beschluss das Partnereinkommen zur Notstandshilfe nicht mehr relevant sein soll. Ich hätte gerne gewusst, wie er das gemeint hat, wenn er sinngemäß sagt: Es werden mit diesem Beschluss die Bindungen in der Familie abgeschafft, weil dieses System sowieso schon seit 100 Jahren nicht mehr funktioniert. – Die Frau Kollegin Schwentner schüttelt den Kopf. (Abg. Schwentner: ... nicht verstehen, um was es geht!)

Ich muss ganz ehrlich sagen: Nach vier Jahren als Familiensprecher der ÖVP ärgere ich mich über solche Aussagen. Es würde mich wirklich interessieren, wie er das gemeint hat. Die Draufgabe war dann, dass die FPÖ diesen Beschluss mitträgt. Ich sage direkt an die Damen und Herren von der FPÖ, die jetzt noch da sind: Wenn Barbara Rosenkranz in der Runde gewesen wäre, hätten Sie bei diesem Beschluss wahrscheinlich nicht mitgestimmt. Es kann nämlich, liebe Frau Kollegin Kitzmüller, nicht in Ihrem Sinne sein, dass die Bande in einer Familie quasi abgeschafft werden. Wenn ich mich an die vergangenen vier Jahre zurückerinnere, so glaube ich, dass das nicht Ihre Linie ist. Ich würde da schon ein bisschen mehr Linientreue bei Ihnen einfordern. (Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und ÖVP.)

Ich wünsche uns heute noch eine interessante Diskussion, einen schönen Abend und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Lausch: Unfassbar!)

23.23


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


23.24.01

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Kollege Strasser! Nur zur Erklärung: Ich bin 32 Jahre verheiratet und stolz darauf, dass ich 32 Jahre verheiratet bin, aber ich bin nicht abhängig von meinem Mann und ich brauche ihn nicht zu fragen, ob ich mir irgendetwas leisten, etwas machen oder ausgeben darf, weil ich nicht von seinem Geld abhängig bin. Wenn Sie das nicht verstehen, dann verstehen Sie eine moderne Ehe nicht. – Entschuldigung! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Abg. Scherak.)

Jetzt möchte ich auf das Gesetz zu sprechen kommen. Ja, wir begrüßen das Gesetz auch. Es ist eine Fortschreibung, Gott sei Dank haben wir diese Fortschreibung jetzt in der letzten Sitzung dieser Legislaturperiode noch gemacht, sonst wäre dieses Gesetz ausgelaufen und wir hätten im nächsten Jahr keine Finanzierung mehr. Das hat sich jetzt erübrigt. Kollege Strasser hat schon seine Ausführungen dazu geliefert.

Wir möchten dazu noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Elementar­pädagogik und Vereinbarkeit

Der Nationalrat wolle beschließen: „Die Bundesregierung wird daher aufgefordert:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 293

Die Ausbauoffensive im Bereiche der Ganztags- Kinderbetreuung fortzusetzen und in den kommenden Jahren die nötigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

Ein zweites Gratis- Kindergartenjahr einzuführen.

Einen bundesweit einheitlichen Qualitätsrahmen gemeinsam mit den Ländern zu erar­beiten und zu erlassen.

Einen Rechtsanspruch auf einen kostenlosen Ganztagsbetreuungsplatz für jedes Kind in Österreich ab dem vollendeten 1. Lebensjahr ab 2020 einzuführen.

Im Rahmen des Aufgabenorientierten Finanzausgleichs sicherzustellen, dass qualität­volle Ganztagsbetreuungsplätze und Krippenplätze besonders bei der Mittelvergabe berücksichtig werden.“

*****

Ich möchte diesen Antrag auch noch wie folgt begründen: Warum ist mir dieser bun­des­einheitliche Qualitätsrahmen so wichtig? Es gab einen Oberlandesgerichts­ent­scheid gegen eine Kindergartenpädagogin. Man hat ihr vorgeworfen, dass sie ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen wäre, weil in der Turnstunde, die diese Kinder­gartenpädagogin mit 21 Kindern alleine durchzuführen  hatte, traurigerweise ein Mädchen bei den Turnübungen von der Sprossenwand mit der Langbank abgestürzt ist und sich verletzt hat.

Diese Kindergartenpädagogin wurde geklagt und verurteilt – und das kann nicht sein! Daher pochen wir so sehr auf diesen bundeseinheitlichen Qualitätsrahmen. Solche Dinge dürfen nicht mehr passieren. Da ist von uns Sorge zu tragen, dass die Länder – es ist eine Länderkompetenz – ihr Personal so aufstellen, dass so etwas nie mehr pas­sieren kann. Ansonsten werden wir natürlich das Gesetz auch mitunterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

23.27


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Frau Abgeordneter Lueger soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Angela Lueger, Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Elementarpädagogik und Vereinbarkeit

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 12, Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots (1776 d.B.) in der 199. Sitzung des Nationalrates am 12. Oktober 2017

Frühkindliche Bildung unterstützt nicht nur den Spracherwerb und ist gesundheits­fördernd, sondern trägt insgesamt zu einer inklusiveren, gerechteren Gesellschaft bei. Unabhängig von der finanziellen und sozialen Situation ihrer Familie sollen allen Kindern beste Bildungsmöglichkeiten und Startchancen in das spätere Leben ermög­licht werden. Der Kindergarten ist somit Fundament und Ort der Begegnung, auf dem Kinder ihre Zukunft aufbauen. Es braucht flächendeckend qualitätsvolle Ganztags­betreu­ungs­plätze auch um Eltern Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie echte Wahlfreiheit zu ermöglichen.

In den letzten 10 Jahren konnten dank der Anstoßfinanzierung des Bundes sowie der Anstrengungen von Ländern und Gemeinden die Betreuungsplätze in Österreich ver-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 294

doppelt werden. Gemäß der aktuellen Kindertagesheimstatistik der Statistik Austria hat Österreich in der Altersgruppe der 3-6 jährigen die Zielvorgabe der sogenannten „Barcelona-Zielen“ von 90 % Kinderbetreuung erreicht, gleichzeitig sind es jedoch nur 25,4 % der 0-2-Jährigen, die einen Krippenplatz haben.

Noch immer haben zu viele Kindergärten, bereits um 14 Uhr geschlossen oder sperren gleich mehrere Monate im Jahr zu. Es braucht daher in den kommenden Jahren verstärkte Bemühungen, um flächendeckend gute Kinderbildungs- und –betreuungs­einrichtungen anbieten zu können. Jedes Kind hat das Recht auf einen qualitativ hochwertigen, kostenlosen Kinderbetreuungsplatz. Mit den 305 Mio. Euro von Seiten des Bundes für die Schaffung neuer Kinderbetreuungsplätze und dem ersten Gratis- Kindergartenjahr wurden hier bereits wichtige Maßnahmen gesetzt.

Die nächsten Schritte auf diesem Weg liegen auf der Hand: Die Schaffung eines zweites verpflichtende Gratiskindergartenjahres, der weitere Ausbau von Kinderbil­dungs- und -betreuungseinrichtungen, gerade bei den unter 3-Jährigen, bundesweit einheitliche Qualitätsstandards sowie ein Rechtsanspruch auf einen kostenlosen Ganztagsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr sein.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird daher aufgefordert:

Die Ausbauoffensive im Bereiche der Ganztags- Kinderbetreuung fortzusetzen und in den kommenden Jahren die nötigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

Ein zweites Gratis- Kindergartenjahr einzuführen.

Einen bundesweit einheitlichen Qualitätsrahmen gemeinsam mit den Ländern zu erarbeiten und zu erlassen.

Einen Rechtsanspruch auf einen kostenlosen Ganztagsbetreuungsplatz für jedes Kind in Österreich ab dem vollendeten 1. Lebensjahr ab 2020 einzuführen.

Im Rahmen des Aufgabenorientierten Finanzausgleichs sicherzustellen, dass qualität­volle Ganztagsbetreuungsplätze und Krippenplätze besonders bei der Mittelvergabe berücksichtig werden.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Bundesministerin Karmasin zu Wort. – Bitte.

 


23.27.25

Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Ja, in der Tat, wir reden hier über die größte Ausbauoffensive des Bundes, die es je gab, in dieser Legislaturperiode. In dieser Periode wurde einiges weitergebracht im Sinne der Kinder­bil­dung und Elementarpädagogik.

Wir können wirklich stolz darauf sein, dass in den letzten Jahren sage und schreibe 65 000 neue Plätze gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden entwickelt und finanziert wurden. Das ist insofern ein enormer Meilenstein in diesem Bereich, als wir


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 295

mittlerweile eine Betreuungsquote von 28,2 Prozent bei den unter Dreijährigen haben. Das ist ein stetiger Anstieg, auf den wir wirklich stolz sind.

Zudem können wir auch bei den Öffnungszeiten über viele Vorzüge und Verbes­serungen sprechen. Wir liegen bei den unter Dreijährigen mittlerweile schon auf 60 Prozent bei den Plätzen im Rahmen der VIF-Kriterien, das heißt, 60 Prozent haben bereits großartige Öffnungszeiten. Aber: Wir müssen hier noch mehr tun. Wir brauchen noch mehr Plätze, wir brauchen noch flexiblere Öffnungszeiten, die sich an den Wün­schen der Eltern und Kinder anstatt an jenen der Behörden orientieren, und wir brauchen natürlich auch mehr Personal in den Einrichtungen.

Deswegen ist es so erfreulich, dass in den letzten Wochen dieser Entschluss noch gefasst wurde, dass wir die Artikel-15a-Vereinbarung weiterführen können, damit eben keine Projekte gestoppt werden müssen oder vielleicht sogar Betreuungspersonal gekündigt wird. Wir sind sehr froh, dass diese Einigung noch gelingen konnte, vor allem auch in diesen durchaus aufgeheizten Zeiten.

Zudem, Frau Kollegin Lueger, sind wir sehr froh, dass im Gesetz steht, dass es bis 31. März einen bundeseinheitlichen Qualitätsrahmen zu verhandeln gibt. Das heißt, das ist bereits auf Schiene, das steht in dieser 15a-Vereinbarung. Es stehen auch die nächsten weiteren Schritte drinnen, nämlich bis 31. August den weiteren Ausbau zu diskutieren, weiters die Sprachförderung aufzugreifen und auch über eine Erweiterung des Gratiskindergartenjahres zu entscheiden. All diese Punkte stehen bereits im Gesetz. Von da her ist es, glaube ich, ein rundes Paket, das nicht nur das nächste Jahr überblickt, sondern schon die Entschlüsse für die weiteren Jahre umfasst.

Abschließend lassen Sie mich ganz kurz zusammenfassen, was in den letzten vier Jahren passiert ist. Ich glaube, wir können insgesamt sehr stolz darauf sein, was in den letzten vier Jahren in diesem Haus entschieden wurde. Abgesehen von der Stärkung der Betreuungsplätze in diesem Land konnten wir den Bildungskompass in Ober­österreich implementieren, ein Pilotprojekt, das genau auf die Ressourcen und Poten­ziale der Kinder achtet, weg von einer Defizitorientierung.

Wir konnten das Kindergeldkonto umsetzen und zudem die Partnerschaftlichkeit im Familienbild in das Gesetz hineinschreiben und über mehrere Mechanismen stärken, indem die Väterbeteiligung vielfach motiviert wurde über die Familienzeit und den Partnerschaftsbonus.

Insgesamt, glaube ich, können wir hier sehr stolz sein. Es ist viel passiert. Einiges ist erledigt worden, aber es steht durchaus noch einiges offen, und das sind die Projekte der nächsten Bundesregierung.

An dieser Stelle möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit in vielen Bereichen be­danken, natürlich auch in offenen und manchmal harten Diskussionen, aber viele Bereiche sind gelungen. Insbesondere möchte ich mich bei Georg Strasser bedanken, der immer gut den Familienausschuss geleitet hat und dort eine gute Grundlage für Diskussionen geboten hat. Vielen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch den anderen Familiensprecherinnen und -sprechern herzlichen Dank für die letztendlich gute Zusammenarbeit! Ich glaube, die Erfolge können sich sehen lassen. Vielen Dank, alles Gute, und genauso viel Kraft, Energie und Engagement für die Familien in der nächsten Periode! Vielen Dank für alles. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Abgeordneten Neuroth und Willi.)

23.31


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Abgeordnete Kitzmüller zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 296

23.31.57

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Zu dieser Artikel-15a-Vereinbarung gibt es unsererseits zwei Kritikpunkte, die ich hier anbringen möchte. Erstens ist eine Quali­tätssicherung versprochen worden, und zwar hätte die angeblich schon bis 2016 sein sollen. Wir haben damals schon davor gewarnt, dass sich das nicht ausgehen wird und wollten eine frühere Qualitätssicherung haben. Jetzt wiederum ist die Qualitätssiche­rung mit 2016 auch Geschichte. Die Frist dafür ist auf März 2018 aufgeschoben worden. Also das sind Sachen, die nicht durchdacht sind, wo es einfach schwierig ist, zuzustimmen.

Ein weiteres Problem, das ich hier mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung habe, ist, dass wir in den Erläuterungen gelesen haben, dass das zweite verpflichtende Kindergarten­jahr kommen soll. Das ist genau der Antrag, den wir hier von den Abgeordneten Lueger und Kucharowits bekommen haben, wo es um ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr geht. Dann soll es auch noch einen Rechtsanspruch auf eine kosten­lose Ganztagsbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr geben. Also diesem Antrag können wir auf keinen Fall zustimmen.

Mit großem Bauchweh, muss ich sagen, stimmen wir der Verlängerung der Artikel-15a-Vereinbarung zu, weil wir auf keinen Fall wollen, dass es ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr gibt – und natürlich auch keinen Rechtsanspruch darauf.

Da Abgeordneter Strasser über funktionierende Familien gesprochen hat, muss ich dazusagen: Eine Familie funktioniert dann, wenn ich zwei gleichberechtigte Partner habe, und gleichberechtigt bin ich als Frau oder Mann dann, wenn ich nicht finanziell angewiesen bin auf den guten Willen meines Mannes oder meiner Frau, sondern mich auch ohne ihn oder sie finanziell rühren kann. Dann habe ich gleichberechtigte Partner. (Beifall des Abg. Mölzer.) Das ist, glaube ich, im vorhergehenden Tagesordnungspunkt verlangt gewesen, darum geht’s.

Ich muss Ihnen sagen, ich bin mit meinem Mann seit 40 Jahren beisammen. Wir haben seit 40 Jahren eine besonders gute Partnerschaft, weil wir unabhängig voneinander sind und ich nicht angewiesen bin auf das, was mein Mann nach Hause bringt.

Was hier auch noch wichtig ist: Wir wollen eine Wahlfreiheit für die Familien und wir wollen keine Verpflichtungen haben. Wir wollten schon das erste verpflichtende Kinder­gartenjahr nicht haben, geschweige denn ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, und einen Rechtsanspruch schon gar nicht; vor allem deswegen, weil der Rechts­anspruch ja nur die Rechtsanwälte bevorzugt, weil wir gar nicht den ausgebauten Kindergartenplatz und die Kinderkrippen haben. Solange wir das nicht haben, ist ein Rechtsanspruch sowieso uninteressant.

Familien haben keine Wahlfreiheit, wenn ich ihnen vorschreibe, dass sie ihre Kinder in den Kindergarten geben müssen. Wir wollen, dass sie freiwillig die Kinder in den Kindergarten geben können. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Königsberger-Ludwig.) Unserer Meinung nach sollte nicht nur die staatliche Säule hier ausgebaut werden und nicht nur die staatliche Kinderbetreuung vorrangig sein, sondern wir wollen, dass die Kinderbetreuung innerhalb der Familie gleichberechtigt ist (Beifall bei der FPÖ), dass die Mütter beziehungsweise Väter – je nachdem, wer die Kinder in der Familie betreut – gleichberechtigt sind mit staatlichen Kinderbetreuungen.

Wir wollen weiterführend auch, dass es hier auch pensionsrechtlich eine Absicherung gibt, denn in den meisten Fällen sind es die Mütter, die dann zu Hause bleiben und die Kinder betreuen. Ich habe nichts davon, wenn ich sage, wir müssen ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr machen. Wir wollen, dass die Familien Wahlfreiheit haben. Wenn ich Wahlfreiheit sage, bin ich wieder bei dem alten Thema: Wir haben keine Valorisierung, wir haben bisher nichts gemacht, und das, meine Damen und


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 297

Herren von SPÖ und ÖVP, liegt an Ihrem Nichthandeln, was Familien betrifft! (Beifall bei der FPÖ.)

23.35


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schwentner. – Bitte.

 


23.36.09

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ja, wir stimmen dem Antrag natürlich zu. Es ist natürlich gut, dass der Ausbau der Kin­derbetreuungseinrichtungen auch im nächsten Jahr gesichert ist, wiewohl wir glauben, dass es schade ist, dass es wieder nur für ein Jahr ist. Es wäre besser gewesen, das für mehrere Jahre abzusichern. Wir wissen, dass die Kinderbetreuung je nach Bundesland besser oder schlechter ausgebaut ist.

Ich komme aus der Steiermark, da ist gerade die Betreuung bei den über Dreijährigen relativ gut, aber schlechter als in allen anderen Bundesländern, und bei den unter Dreijährigen ist die Steiermark überhaupt Schlusslicht. Da gehört noch viel getan, es ist nicht genug getan, wie auch viele Baustellen nach Ihrer Zeit als Familienministerin leider offen bleiben.

Da ist zum einen das zweite Kindergartenjahr, das im Regierungsübereinkommen enthalten war und das ich im Gegensatz zu meiner Vorrednerin für sehr wesentlich halte. Da geht es um etwas, worüber wir oft reden, nämlich darüber, welche Bildungs­chancen Kindern im kleinsten Alter mitgegeben werden. Es ist ganz wesentlich, was da passiert. Es geht sehr oft um die Deutschkenntnisse, die da gestärkt werden bei Kindern, die nicht deutscher Muttersprache sind.

Es ist schade, dass wir zwar einen Integrationsminister haben, der immer wieder ein­klagt, dass viele Kinder und Jugendliche nicht entsprechend integriert sind, aber wenn es dann darum ginge, zu sichern, dass die Kinder früh genug Deutsch lernen können und ein zweites Kindergartenjahr ermöglicht wird, ist der Integrationsminister und auch die Familienministerin leider nicht stark genug dabei gewesen. (Abg. Walter Rosenkranz: Für die, die Deutsch können, muss das auch verpflichtend sein?) – Es geht darum, dass sie die Möglichkeit haben, Deutsch zu lernen. Kinder, wie Sie alle wissen, lernen Deutsch sehr, sehr schnell, wenn sie die richtige Umgebung vorfinden. (Abg. Walter Rosenkranz: Ein Kind, das Deutsch kann, muss es lernen? Die Oberregulierungs­partei ...!)

Eine andere Baustelle, die leider auch bleibt und die im Entschließungsantrag der SPÖ auch noch einmal ausgesprochen wird, ist die Qualitätssicherung. Wir haben keine einheitlichen Qualitätsrahmen. Es steht zwar jetzt in der Artikel-15a-Vereinbarung, dass das anzustreben ist, aber es ist meiner Ansicht nach ein Versäumnis, dass das nicht passiert ist. Gruppengröße, Schließungszeiten, Betreuungsschlüssel, nämlich wie viele BetreuerInnen dort sind, all das muss geregelt werden. Weiters ist es wichtig, dass die Ausbildung der ElementarpädagogInnen aufgewertet wird und Hochschul­niveau bekommt. Da gibt es viele Baustellen, die für die nächste Regierung bleiben, und das ist schade. Das Einzige, das gut ist, ist, dass zumindest beim Ausbau etwas weitergegangen ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

23.38


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Bernhard zu Wort. – Bitte.

 


23.39.01

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wie wir zu


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 298

dieser Artikel-15a-Vereinbarung stehen, haben wir schon in sehr vielen Diskussionen sehr klar gesagt. Wir sind natürlich der Meinung, dass die größte Investition am Beginn der Bildung, der Pädagogik stehen muss, aus einem ganz einfachen Grund: weil alles, was wir im Kindergarten unseren Kindern mitgeben können, sich vielfach im späteren Bildungsweg und auch im späteren Karriereweg einspart. Wir geben dort den Men­schen die Chancen, die sie vielleicht später im Leben nicht haben.

Genauso wichtig, wenn es um den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze geht, ist es aber, dass wir viele andere Themen damit nicht zur Gänze, aber doch mitbeantworten: ob das jetzt die hohe Teilzeitbeschäftigungsquote bei Frauen ist, die dann später zur Armutsfalle wird, ob das Fragen der Integration sind oder ob das auch die höhere Beteiligung von Vätern an der Kinderbetreuung sein kann.

Es gibt viele Antworten in diesem Bereich. In der Sprache war auch die Ministerin Karmasin durchaus oft ambitioniert. Ich darf sagen, dass ja zuletzt auch angekündigt wurde, dass es einen aufgabenorientieren Finanzrahmen geben soll. Den finden wir aber heute in dieser Vereinbarung nicht. Was wir hier sehen, ist eine relativ halb­herzige Weiterführung des Status quo. Das ist deshalb so ein großes Thema, weil wir den Gemeinden eine Planungssicherheit geben müssen. Wir können nicht von Jahr zu Jahr hüpfen und den Gemeinden in den neun Bundesländern nie klare Auskunft geben, wie die Gesamtausbauplanung des Bundes ist, wo zugeschossen wird und wo nicht. Da sind Einzelmaßnahmen, selbst wenn sie als größte Investition in dem Bereich gelten, einfach nicht so zielführend. Nichtsdestotrotz ist es das Beste, was vorliegt. Es wäre meiner Meinung nach falsch, es abzulehnen. Daher unterstützen wir diesen Antrag.

Ich möchte hier auf eines eingehen, weil meine Kollegin Gamon das letzte Mal auch einen Antrag eingebracht hat, bei dem es um den gemeinsamen Qualitätsrahmen geht. Das ist uns ein zentrales Anliegen, das muss in der nächsten Legislaturperiode im Zentrum der Bemühungen stehen, wie auch schon meine VorrednerInnen gesagt haben.

Ein paar Worte auch zum Antrag der Kollegin Lueger: Wir werden Ihren Antrag unter­stützen. Wir sind, ganz offen gesagt, durchaus mit etwas Bauchweh dabei, weil auf der einen Seite die Investition in diesem Bereich klar eine Notwendigkeit für die Zukunft ist, Sie auf der anderen Seite aus meiner Sicht aber nicht ausreichend aufschlüsseln, wie diese Finanzierung vonstattengehen soll. (Abg. Schimanek: Es ist ein absoluter Schwachsinn!) Es ist ein Entschließungsantrag, es ist eine Willensbekundung des Parlaments, und der Wille von uns NEOS ist, hier zu investieren und woanders einzu­sparen, wo wir das Geld auf der Straße oder der Schiene liegen lassen.

Ein paar letzte Worte auch an Sie, Frau Ministerin Karmasin: Ich danke für die gute Zusammenarbeit. Ich war oft scharf in der Wortwahl. Ich danke für Ihre Bemühungen. Ich glaube, uns trennen manchmal Welten, aber manchmal sind wir auch in die gleiche Richtung gelaufen. – Vielen Dank dafür und für Ihre Zeit. (Beifall bei den NEOS.)

23.42


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

23.42.21

Wir gelangen zur Abstimmung darüber, dem Abschluss der gegenständlichen Verein­barung gemäß Artikel 15a B-VG (1776 d.B.) die Genehmigung zu erteilen.

Wer stimmt diesem Antrag zu? – Das ist einstimmig angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Elementarpädagogik und Vereinbarkeit.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 299

Wer stimmt dem zu? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

23.43.0413. Punkt

Antrag der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verbraucherzahlungskontogesetz geändert wird (2284/A)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Ausschuss für Konsumentenschutz eine Frist bis 5. Oktober 2017 zur Berichterstattung gesetzt.

Es besteht kein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Jank. – Bitte.

 


23.43.34

Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Es liegt uns ein Antrag zur Änderung des Verbraucherzahlungs­kontoge­setzes vor, ein Antrag der SPÖ, mit dem die Entgelte für Bargeldabhebungen an Bankomaten neu geregelt werden sollen. Österreichische Banken sollen entsprechend diesem Antrag das Behebungsentgelt von unabhängigen Bankomatbetreibern übernehmen.

Worum geht es? – Zurzeit wird das Bankomatengeschäft in Österreich mit wenigen Ausnahmen vorwiegend von Banken geführt, und diese Banken verrechnen mit wenigen Ausnahmen kein Entgelt. Ich glaube, nur in Tirol gab es irgendwo Einzelfälle mit einer Buchungsgebühr. Nun sind Betreiber auf den Markt getreten, die aus­schließlich ein Bankomatengeschäft betreiben. Das heißt, die müssen für diese Dienstleistung, die sie anbieten, natürlich etwas verlangen, denn sie wollen ja auch einen Gewinn erwirtschaften.

Der Antrag der SPÖ liegt uns offensichtlich aufgrund von Beschwerden von Ver­brauchern vor, die, wenn sie zu so einem unabhängigen Bankomatbetreiber gegangen sind, dort Gebühren zu zahlen hatten. Vorliegender Antrag sieht vor, dass diese Gebühren, die ein unabhängiger Anbieter, ein externes Unternehmen, das damit Gewinn erwirtschaftet, verlangt, von der kontoführenden Bank, also dort, wo man dann auch abrechnet, was man von einem Bankomaten, von welchem auch immer, geholt hat, übernommen werden sollen. Skurril, nicht? (Abg. Greiner: Was ist da skurril? – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.) – Für wen, ist die Frage.

Das stärkt natürlich die Einstellung der SPÖ: Irgendwer soll es bezahlen, wer, ist egal. In dem Fall sollen es die Banken sein. Die Banken – und das ist das wirklich Erstaunliche daran – werden damit genötigt, den Mitbewerber zu finanzieren – und zwar zur Gänze. Sie zahlen ihm, wenn sie diese Gebühren übernehmen müssen, die Ausgaben, sie zahlen ihm den Gewinn, sie sichern ihm ein risikoloses Geschäft. Das kann es ja wohl nicht sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Ich habe das jetzt nicht verstanden, aber es wird nicht so wichtig gewesen sein. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Walter Rosenkranz: Die ÖVP klatscht, obwohl sie nicht weiß, ob sie es akustisch oder inhaltlich nicht verstanden hat!)

Was wird das bedeuten? – Banken werden diese Gebühren nicht ganz einfach über­nehmen können. Es wird Auswirkungen geben, die für die Konsumenten nicht erfreu­lich sein werden. Das muss man ganz einfach so sehen. Es ist zudem auch verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Banken haben bekanntlich ein verfassungs­rechtlich gesichertes Eigentumsrecht. Es ist die Wettbewerbsbehörde dagegen, es


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 300

spricht gar nichts dafür. Mein Ersuchen an Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ist, so einem Antrag, der keine Substanz hat, der man mit einem vernünftigen Hausverstand folgen kann, ganz einfach nicht zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich, wie so viele heute, auch verabschieden. Auch ich werde dem kom­menden Parlament nicht mehr angehören. Ich bedanke mich sehr herzlich für die vielen Begegnungen und Gespräche, die ich führen durfte, die ich mit Ihnen, mit euch allen führen durfte. Ich bedanke mich natürlich beim Klub. Ich bedanke mich ganz beson­ders bei Peter Haubner, meinem Vorsitzenden der ARGE Wirtschaftsbund, bei den Mitarbeitern des Klubs, bei allen, die dazu beitrugen, dass ich als Parlamentarierin in diesem Hause meine Arbeit entsprechend leisten konnte. Leider habe ich meinen parlamentarischen Mitarbeiter zugunsten des Wahlkampfes bereits frühzeitig verlo­ren – in seiner Abwesenheit auch ein herzliches Dankeschön an ihn.

Ich bedanke mich auch für eine ganz besondere Begegnung, nämlich die Begegnung mit Franz-Joseph Huainigg. Franz-Joseph ist ein ganz besonderer Mensch, der trotz all dieser Schicksalsschläge, die er ertragen hat, stets freundlich und gut gelaunt ist. Wenn ich einmal selber vielleicht nicht ganz so gut drauf war, zu ihm geschaut habe und das ewige Lächeln in seinem Gesicht gesehen habe, habe ich gewusst, was in diesem Leben eigentlich wirklich notwendig und wichtig ist. Franz-Joseph, du hast mir viel gegeben. Es war fein, dich hier im Haus zu haben und kennengelernt zu haben. (Allgemeiner Beifall.)

Abschließend – und auch das ist mir wichtig – danke ich meinen Sitznachbarn: Danke Angelika Winzig, Werner Groiß, aber auch Michaela Steinacker. Es waren, glaube ich, bei all den vielen Stunden, die wir hier verbracht haben, zwischendurch angenehme, erfrischende und befruchtende Gespräche, die wir abseits des Zuhörens und des Sprechens hier führen konnten. – Ich danke euch allen. (Beifall bei der ÖVP.)

23.49


Präsident Karlheinz Kopf: Frau Abgeordnete, auch von meiner Seite einen herzlichen Dank und alles Gute für die Zukunft!

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


23.49.52

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Verbraucherzahlungskonto­ge­setz – ein sehr sperriges Wort. Was verbirgt sich dahinter? – Die Bankomatgebühren. Unser Ziel soll es sein, dass Bankkunden und -kundinnen, also Konsumenten, auch kostenlos an ihr eigenes Bargeld kommen. Das muss eines der wichtigsten Dinge sein. Sie zahlen Kontokosten, und das muss eigentlich dafür reichen, dass ich nicht zusätzlich noch Kosten habe, wenn ich dann von einem Automaten abhebe.

Außerdem sind die Kontokosten – das wird jeder von uns auch mitbekommen haben – in den letzten Jahren eigentlich sehr deutlich gestiegen. Wenn die Bank eigene Auto­maten betreiben möchte, dann soll auch die Bank den Automatenbetreiber bezahlen und nicht der Kunde.

Wir wissen ganz genau, dass es vor allem im ländlichen Raum vorkommt, dass es ärmere, ältere, gebrechliche, oft kranke Personen gibt, die von diesen Bankomat­gebühren betroffen sind. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) In Wien, gebe ich ganz ehrlich zu, habe ich nicht das Problem, wenn ich einmal 2 € bei einem externen Anbieter von irgendwo zahlen muss oder halt vom Bankautomaten der Bank abhebe.

Wenn ich aber in einem Bundesland wohne, wo in mehreren Ortschaften die Banken zugesperrt haben, und dort auf einmal ein Euronet-Ausgabeautomat steht, dann habe ich dort die Problematik, dass ich nicht wählen kann. (Abg. Scherak: Das ist doch überall so! Das ist in jeder österreichischen Gemeinde!) – Nein, das ist nicht überall.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 301

Das ist leider nicht überall. Es gibt viele, viele Ortschaften, wo die Banken zugesperrt haben, und dort steht jetzt ein Automat der Firma Euronet. Da kann ich nicht wählen, und diese Menschen, die dann oft kleine Beträge abheben und öfters abheben, müssen dann jedes Mal 2 € zahlen. Und das wollen wir nicht. Das wollen wir nicht. (Abg. Rädler: Irgendwer muss es zahlen!) – Der Vorschlag kommt ja jetzt!

Hören Sie gut zu, das steht im Antrag drinnen! Sie hätten es nur nachzulesen brauchen, dann hätten Sie es schon gewusst. Wir wollen, dass mit den Kontopaket­kosten alle Kosten gedeckt sind. Wir wollen haben, dass es zu keinen zusätzlichen Gebühren kommt, denn wir hatten ja auch schon diese Variante. Was hat die BAWAG gemacht? – Die hat die alten Verträge alle aufgekündigt und hat den Leuten im Kleingedruckten der neuen Verträge diese Beträge ganz einfach wieder reingerechnet. (Abg. Rädler: Eure BAWAG!) Das wollen wir so nicht haben.

Wir wollen daher auch kein reines Verbot, weil uns klar ist, dass dieses reine Verbot nicht funktioniert, sondern es soll ein Tarifwahlmodell geben, bei dem es mehrere Varianten gibt, das aber nicht vom Einzelnen ausverhandelt gehört, sondern von den Banken. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass die Banken als Verhandlungspartner ein wesentlich schwereres Gewicht haben als der einzelne Bankkunde, so wie Sie oder ich.

Wir wollen auch, dass der Kunde bei der Verrechnung von Bankomatgebühren durch Drittanbieter einen Befreiungsanspruch gegenüber der eigenen Bank hat.

Diesbezüglich darf ich einen Abänderungsantrag gemäß § 53 Abs. 3 GOG einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen

zu Antrag 2284/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verbraucherzah­lungs­kontogesetz geändert wird:

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

„Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Ziffer 4 lautet:

4. Dem § 36 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) Die §§ 4 Abs. 2 und 4a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2017 und die Änderung im Inhaltsverzeichnis treten mit 13. Jänner 2018 in Kraft.“

Begründung

Dient einer Korrektur, unter Ziffer 4 muss die Absatzbezeichnung (4) statt (3) lauten.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.54


Präsident Karlheinz Kopf: Dieser Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 302

Abänderungsantrag

§ 53 Abs 3 GOG-NR

der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen

zu Antrag 2284/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verbraucherzahlungs­kontogesetz geändert wird:

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Ziffer 4 lautet:

4. Dem § 36 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) Die §§ 4 Abs. 2 und 4a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2017 und die Änderung im Inhaltsverzeichnis treten mit 13. Jänner 2018 in Kraft.“

Begründung

Dient einer Korrektur, unter Ziffer 4 muss die Absatzbezeichnung (4) statt (3) lauten.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing.  Doppelbauer. – Bitte.

 


23.54.43

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Werter Herr Präsident! Werte Herren Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es in diesem Antrag, der sich auf den ersten Blick ja gar nicht so schlecht liest? – Es geht darum, dass die Banken zwar nicht grundsätzlich verpflichtet werden, dass das Geldabheben gratis ist, aber es ist so, dass die SPÖ hier einen Antrag stellt, wonach ein Alternativangebot mit einer Pauschale gestellt werden soll, mit dem alle Bankomatfunktionen abgegolten werden. In einem zweiten Punkt sollen die Banken verpflichtet werden, wenn ein fremder Anbieter, also ein Drittanbieter, für das Abheben von Geld Gebühren verlangt, diese Kosten zu tragen. Das sind circa 2 € pro Behebung, das haben wir schon gehört.

Was bedeutet das? – Die SPÖ will hier offensichtlich mit der Unterstützung der Grünen und auch mit den Freiheitlichen privaten Unternehmen, nämlich Banken, vorschreiben, wie sie ihre Dienstleistungen zu verkaufen haben und sie auch noch dazu bringen, Kosten von privaten Drittanbietern zu übernehmen.

Die österreichische Politik glaubt also, dass sie in einen funktionierenden Markt ein­greifen muss, weil sie es besser kann oder besser weiß. Doch in Wirklichkeit ist dieser Eingriff nicht notwendig, denn wenn sich eine Bank dazu entschließt, eine solche Gebühr einzuheben, dann gibt es in Österreich einen Markt; das heißt, dass der Kunde sich durchaus auch entscheiden kann, dass er das Institut wechselt und irgendwo hingeht, wo es halt keine Gebühren beziehungsweise eine bessere Leistung gibt. (Abg. Weninger: Wir wissen eh, dass die NEOS gegen das Bargeld sind!) Wir haben in Österreich das Grundprinzip der Marktwirtschaft, und niemand kann sagen, dass es in Österreich nur eine Bank geben würde und der Kunde gezwungen ist, bei dieser einen Bank zu bleiben.

Wenn man schon davon ausgeht – und ich glaube, das schwingt hier ein bisschen mit –, dass sich die Banken da sozusagen absprechen und alle gleichzeitig Gebühren


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 303

einfordern würden: Wir leben ja in einem Rechtsstaat, wir haben Kartellrichter, und die haben dann zu entscheiden, ob unter diesen Umständen eine unzulässige Absprache stattgefunden hat, die zulasten der Konsumentinnen und Konsumenten geht.

Was wäre also die Lösung? Was schlagen wir vor? – Erstens, dass man die Banko­maten, die diese Gebühren verlangen, kennzeichnet, damit man auch wirklich gut sieht, wo Gebühren eingehoben werden. Zweitens: Was mündige Kundinnen und Kun­den brauchen, ist echte Gebührentransparenz. Die sollten wir gesetzlich vorschreiben, da wären wir NEOS auch dabei.

Wir gehen davon aus, dass es ein bisschen dem Wahlkampf geschuldet ist, dieses Thema auf die Tagesordnung zu bringen. Deswegen werden wir die Stimmen der NEOS dafür nicht hergeben. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

23.57


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte.

 


23.57.26

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen! Frau Lueger! Bis jetzt waren wir es gewohnt, dass vor allem die ÖVP und die Liste Kurz unsere Programme und Ideen übernehmen. Das scheint jetzt auch ein bisschen auf die SPÖ übergeschlagen zu sein. Wir Freiheitliche versuchen seit vielen, vielen Jahren im Konsumentenschutzausschuss diese Bankomatgebühren zu verhindern. Frau Lueger, Sie haben sich dort immer dagegen gewehrt. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Das Problem ist folgendes: Sie haben jetzt eigenmächtig, ohne Absprache mit uns, diesen Gesetzestext entwickelt, vorgelegt. So, wie Sie es vorlegen, ist es leider nicht sehr klug gemacht, das sage ich ganz deutlich. Wir werden natürlich selbstverständlich trotzdem zustimmen, weil wir ja keine Bankomatgebühren in Österreich haben wollen.

Man muss aber ganz klar sagen: Die Geschichte ist schon ein bisschen komplizierter. Uns Freiheitlichen geht es um die Konsumenten, und die Auswirkungen von dem Gesetz könnten durchaus nicht nur positive Effekte für Konsumenten bringen. Man muss aber gleichzeitig auch einen Vorwurf an die Bankenwirtschaft richten, die über Jahre hinweg blockiert und eine vernünftige Lösung im Sinne der Konsumenten verhin­dert hat.

Ich versuche es zu erklären, es ist eben nicht ganz so einfach: Grundsätzlich ist es so, dass es eben in den letzten Jahren immer häufiger private Bankomaten von ameri­kanischen Firmen wie Euronet in Österreich gibt, die vor allem in Frequenzlagen sehr rasant zunehmen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Scherak und Weninger.) Die betreiben diese Bankomaten eigenständig. Ein Bankomat ist nicht gerade billig – zwischen 40 000 und 60 000 € –, auch die laufenden Kosten fallen an. Das ist eine private amerikanische Firma. Dafür zahlen alle zurzeit 1,95 € pro Abhebung.

Jetzt gibt es folgendes Problem: Es gibt in Österreich zwischen den Banken einen Pool, eine Pool-Lösung, die PSA, wo die Raika von der Sparkasse für normale Behe­bungen einen mehr oder weniger fiktiven Satz verrechnet. Das wird dann am Ende des Jahres abgerechnet und hebt sich innerhalb der Banken klarerweise relativ auf.

Jetzt sind aber plötzlich die Privaten aufgetaucht, jetzt ist das Problem, dass diese österreichische PSA-Geschichte nicht international vernetzt ist. Das nächste Problem könnte sein, dass das mit der Maestro-Karte nicht mehr funktioniert. Alles, was wir jetzt im Ausland von Bankomaten abheben, läuft über das internationale System, und das ist da nicht inkludiert. Das hat die SPÖ, Frau Lueger, bei diesem Thema leider über­sehen. Es ist eben schon ein wenig komplizierter.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 304

Wenn wir jetzt dieses Gesetz beschließen – und wir werden es beschließen –, könnte eine Gefahr bestehen, denn ich kann ja keine Bank in Österreich zwingen, Banko­maten in Gramatneusiedl – sage ich jetzt, ohne Gramatneusiedl beleidigen zu wollen – oder sonst irgendwo im ländlichen Raum zu betreiben. Es könnte passieren, dass genau das Gegenteil eintritt, und das, was wir wollen, nämlich dass Konsumenten ohne Kosten zu ihrem Geld kommen, im ländlichen Raum unter Umständen schwie­riger wird. Das ist leider das Problem bei dem Gesetzestext, den Sie vorlegen; er birgt einige Gefahren und Risiken in sich.

Uns wäre es lieber gewesen, Sie hätten das in Gesprächen mit uns abgestimmt, denn das, was Sie da vorlegen, ist meiner Meinung nach nicht sehr durchdacht. Ich wundere mich auch, Herr Minister Stöger, dass Sie da – Sie haben ja sehr viele Bankenkon­takte – keine schlauere Lösung zustande gebracht haben.

Was wir vor allem verhindern wollen: Regionalbanken sind auch wichtige Arbeitgeber, sie haben Mitarbeiter, betreiben Filialen, zahlen Steuern. Mit diesem Gesetz ist die Gefahr gegeben, dass vor allem Internetbanken und ausländische Privatkonzerne wie Euronet von dem System profitieren. Diese Gefahr sehe ich eindeutig in diesem Gesetz. Mein Vorschlag wäre, wir setzen dieses Verbot jetzt in Kraft. Ich glaube aber schon, dass man das im Detail, was die Umsetzung betrifft, in den nächsten Monaten noch einmal diskutieren sollte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich würde mich wirklich freuen, wenn die SPÖ zukünftig, wenn Sie Dinge von uns übernimmt, nicht nur die Überschriften übernimmt, sondern bitte auch den Inhalt mit uns diskutiert, bevor da vielleicht Dinge passieren, die nicht ideal sind. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

0.02


Präsident Karlheinz Kopf: Frau Abgeordnete Fichtinger ist die nächste Rednerin. – Bitte.

 


0.02.20

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dem Wahlkampf ist heute schon sehr viel Platz eingeräumt worden, es gab etwas wenig Sachpolitik, und der konstruktive Diskurs ist etwas zu kurz gekommen. (Unruhe im Sitzungssaal.) Es gibt, wie wir jetzt auch wieder gehört haben, viele Husch-Pfusch-Aktionen, und man beschließt etwas – wahrscheinlich wird es beschlossen –, von dem man jetzt schon weiß, dass es eigentlich ziemlich unsinnig ist, da mit einer solchen Regelung in verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentumsrechte der Banken eingegriffen wird, weshalb dies wahrscheinlich zu einer Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof führen wird. Ob das wirklich Sinn macht, ist eine andere Frage.

Kollegin Jank hat schon ausführlich dargelegt, was das bedeutet. Genauso wurde ja auch von Kollegen Wurm erläutert, dass die Euronet-Betreiber wahrscheinlich profitie­ren und die normalen Banken das Problem haben. Keine österreichische Bank könnte Girokonten zu den aktuellen Bedingungen anbieten, und man müsste aus den inter­nationalen Kartennetzwerken aussteigen. So würden beispielsweise Angebote, wie die internationalen Behebungen am Bankomaten, nicht mehr zur Verfügung stehen. Das könnte alles passieren. Letzen Endes müssten nicht die Verursacher, in diesem Fall unabhängige Bankomatbetreiber, für die Kosten aufkommen, sondern alle Kunden. Ich glaube, das würden wir alle nicht unbedingt wollen.

Noch eine Ergänzung am Rande, weil es heute schon angesprochen wurde, zum ländlichen Raum: Ich selbst kann Beispiele aufzählen, ich habe Bürgermeisterkollegen, die Geld investieren, damit sie in Zukunft überhaupt einen Bankomat in der Gemeinde


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 305

haben. (Abg. Peter Wurm: Vier Jahre habt ihr Zeit gehabt, euch das zu überlegen! Ihr habt auf allen Ebenen Baustellen hinterlassen!) Daher ist es vernünftig, sich das etwas genauer anzuschauen und nicht – schnell, schnell, populär – einen Beschluss zu fas­sen, der wahrscheinlich nichts bringen wird. Das ist eigentlich sinnlos. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

0.04


Präsident Karlheinz Kopf: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Aslan. – Bitte.

 


0.04.44

Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan (Grüne): Herr Präsident! Vieles ist schon gesagt worden. Seit Jahren verringern die Banken ihre Leistungen für die Kundinnen und Kunden. Im ländlichen Raum schaut es sehr schlecht aus. Da werden teilweise Banken zugesperrt, weil einfach niemand am Schalter ist. Man sieht es auch irgendwie nicht ein, dass man für Onlinebanking, also sozusagen fürs Selberbanking auch noch Geld zahlen muss; insofern waren wir schon immer tendenziell für ein Verbot der Bankomatgebühr.

Wir unterstützen den Antrag, aber wir wären noch einen Schritt weiter gegangen, denn wir denken, der vorliegende Antrag kann das nur teilweise umsetzen. Das bedeutet, die entsprechenden Gebühren müssen davor einzeln ausgehandelt werden. Wir müssen aufpassen – ich glaube, das hat Kollege Wurm schon angeführt –, dass diese Gesetzesänderung nicht irgendwie komplett in eine andere Richtung geht und dass die Banken diese Gesetzesänderung nicht missbrauchen und damit dann Preiserhöhun­gen rechtfertigen. Insofern gehen wir da im Sinne des Konsumentenschutzes mit, nicht im Sinne des Bankenschutzes. Wir finden dieses Gesetz sehr gut.

Als Oppositionspolitikerin möchte ich Ihnen noch etwas mitgeben, Herr Bundes­minis­ter. Als ich in den Konsumentenschutzausschuss gekommen bin – da war der ehe­malige Bundesminister Rudolf Hundstorfer noch im Amt –, bin ich natürlich mit vollem Elan und voller Ideen in die Ausschusssitzungen gekommen und war dann innerhalb eines Jahres extrem frustriert, weil alle unsere Anträge leider vertagt wurden. Wir hatten auch nur zwei Ausschusssitzungen mit jeweils zwei Stunden pro Jahr.

Wir reden hier von Konsumentenschutz, insofern können wir damit niemandem sehr weh tun. Ich bin mir sicher, man kann sehr viele Gemeinsamkeiten finden und auch gemeinsame Anträge ermöglichen. Ich finde es schade, dass wir diese Chance nicht wirklich genutzt haben, denn Anträge nur zu vertagen, kann auf Dauer zu einer Gewohnheit werden, und diese Gewohnheit kann zu einem Charakter werden, der am Ende der Legislaturperiode als Stillstand bezeichnet wird.

Ich hoffe, in der kommenden Legislaturperiode haben wir die Chance, mehr Aus­schuss­­sitzungen zu haben und noch mehr Anträge einzubringen, um im Sinne des Konsu­men­tenschutzes noch mehr weiterzubringen. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen.)

0.07


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Stöger. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


0.07.51

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Herr Präsident! Lieber Herr Finanzminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte euch eine weitere Geschichte erzählen. (Ah-Rufe und allgemeine Heiterkeit. – Ruf bei der ÖVP: Es ist schon Geisterstunde!) 1. September 1975, ich war gerade Lehrling (Ruf bei der ÖVP: Da war ich noch gar nicht auf der Welt!) – manche waren noch nicht auf der Welt, die haben das nicht


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 306

erlebt, deswegen sage ich es –, da habe ich mein erstes Konto eröffnet. Da sind mir die Banken nachgelaufen und haben hoch und heilig versprochen, alle Kontofüh­rungs­gebühren entfallen, das Bankkonto werde gratis geführt. (Unruhe im Sitzungssaal.)

Das haben sie damit begründet, dass die Energie AG, damals hat sie OKA geheißen, den Strom nicht mehr selbst kassieren muss, dass man in den Betrieben nicht mehr die Lohnsackerl einfüllen muss. Das sei eine Riesenersparnis für die gesamte Bevölkerung. (Ruf bei der ÖVP: Unter Bruno Kreisky, das war bei der BAWAG!) – Übrigens, es war die Raiffeisenbank Perg, die Zweigstelle Allerheiligen, da habe ich mein erstes Konto eröffnet und war sehr glücklich – und es war immer gratis. Ich habe 1986 das Konto gewechselt, 11 Jahre später, da war es noch immer gratis, mit einer Selbstverständlichkeit. Wie ist es heute? – Damals waren noch Menschen in der Bank, heute sind keine mehr da, heute findet man einen Bankomaten.

So wie das damals gewesen ist, beginnt man jetzt damit, den Kundinnen und Kunden einzureden, dass ihr Geld nicht mehr kostenfrei abgegeben wird, weil es da irgend­welche bösen Amerikaner gibt, die 2 € für eine Bankabhebung verlangen.

Den Zivilrechtlern unter euch hätte ich gerne diese Frage gestellt, denn ich sehe das so: Der Bankomat oder der Bankomatbetreiber tritt als Zahlstelle für die kontoführende Bank auf. Es ist Sache der Bank, mit seinem Dienstleister auszumachen, wie hoch der Tarif für diese Ersatzleistung ist. Genau das tun wir. Dort findet Markt statt. Die Raiffeisenbanken und wie sie alle heißen, können mit dem Bankomatbetreiber die Tarife vereinbaren; so wie sie jetzt 40 Cent in der internen Abrechnung vereinbart haben.

Wenn wir ein funktionierendes Bankensystem haben, dann ist eine solche Maßnahme auch über Regelungen der Bankenaufsicht und über Marktregelungen möglich. Darum geht es. Es geht mir darum, dass die Konsumentinnen und Konsumenten kostenfrei zu ihrem eigenen Geld kommen.

Noch einmal zur Bank – an die Abgeordneten der NEOS (Abg. Scherak: Ja, hier!) –: Wenn Sie heute in diese Gemeinde gehen, in der ich mein erstes Konto eröffnet habe, dann schauen Sie nach, wie viele Bankomaten es dort gibt, nämlich ganz genau einen. Einen Bankomaten gibt es in dieser Gemeinde. In dieser Gemeinde könnt ihr noch so große Plakate aufkleben, es hilft den Menschen nichts. Die Älteren, die nicht in die Arbeit gehen, müssen die Kosten tragen. Genau das wollen wir verhindern. Es müssen die Menschen zu ihrem Geld kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines noch: Wenn Herr Finanzminister Schelling 1 000 € abhebt, dann zahlt er 2 Pro­mille Bankomatgebühr. (Zwischenruf des Abg. Bernhard. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.) Wenn ein Pensionist oder Arbeitnehmer 100 € abhebt, dann zahlt er 2 Prozent, und wenn ein Schüler oder ein Student 10 € abhebt, weil er nicht mehr hat, dann zahlt er 20 Prozent. Das ist so etwas von ungerecht, dass man da etwas tun muss. Ich freue mich, wenn ihr denen heute zeigt, dass das nicht möglich ist. (Anhaltender Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Ich bitte alle Abgeordneten, der Abschaffung der Bankomatgebühr die Zustimmung zu geben. (Unruhe im Sitzungssaal.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mich bei allen Abgeordneten, die heute aus dem Parlament geplanterweise oder ungeplanterweise ausscheiden, und auch bei allen anderen sehr herzlich für die Zusammenarbeit bedanken. Manchmal war es ganz spannend, es waren viele gute Ideen dabei. Als Dienstältester in der Bun­desregierung erlaube ich mir, Ihnen für diese Tätigkeit in der Legislative Danke zu sagen; Danke auch dafür, dass wir intensive Diskussionen geführt haben und dass wir


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 307

Österreich ein Stück weiter gebracht haben! – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

0.13


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


0.13.40

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Danke, Herr Präsident! – Herr Bundesminister, ich habe jetzt endlich das Problem der Sozialdemokratie erkannt: Sie sind im Jahr 1975 stehen geblieben. Ganz offensichtlich! (Heiterkeit bei NEOS, ÖVP und FPÖ. – Beifall bei NEOS und ÖVP.) Sie erzählen hier von einer Zeit, da war ich 11 Jahre noch nicht auf der Welt, und ich sage Ihnen eines: Glauben Sie mir, die Welt hat sich seit dem Jahr 1975 verändert, ganz ehrlich! (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

Ich finde es unglaublich, dass Sie sich herstellen und sagen, es gibt bei Banken keine Dienstleistungen mehr. Ich weiß nicht, bei welcher Bank Sie sind; meine Bank hat Internetbanking, ich kann dort Überweisungen 24/7 tätigen. Und Sie stellen sich her und sagen, es gibt keine Dienstleistungen mehr, und am besten soll alles auch noch gratis sein. Das ist ein sozialdemokratisches Verständnis von Marktwirtschaft – na ja, das ist kein Verständnis von Marktwirtschaft, und das ist Ihr Hauptproblem, das ist unglaublich! (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

Das Skurrilste haben Sie nicht beantwortet, und darauf bin ich gespannt: Sie wollen jetzt die Banken dazu anhalten, dass sie diese Gebühren übernehmen. Was werden die Banken machen? – Sie werden versuchen, diese Gebühren von irgendwo anders herzubekommen, sie werden Kontoführungsgebühren erhöhen.

Ich weiß schon, was dann Ihr Rezept ist: Sie werden dann Kontoführungsgebühren verbieten und den Banken sagen, sie dürfen überhaupt nichts einheben, denn nach Ihrer Idee muss in diesem Land am besten alles gratis sein. – Dass das so nicht funktionieren kann, wenn Sie andauernd irgendwelche Dinge verbieten und den Ban­ken vorschreiben, wie sie zu wirtschaften haben, dass Sie den Wirtschaftsstandort damit nachhaltig ruinieren und dass Sie nicht verstehen, wie Marktwirtschaft funk­tioniert, zeigt einfach nur: Die Sozialdemokratie ist im Jahr 1975 stecken geblieben.

Ich gebe Ihnen wirklich einen Tipp: Schauen Sie, dass Sie aus diesem Jahr wieder herauskommen! (Beifall bei NEOS und ÖVP. – Heiterkeit bei NEOS, ÖVP und FPÖ.)

0.15

00.15.40

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den im Antrag 2284/A der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzentwurf.

Hiezu haben die Abgeordneten Lueger, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungs­antrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil, schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen.

Die Abgeordneten Lueger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Z 4 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 308

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Eingang in der Fassung des Initiativantrages 2284/A der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen.

Wer stimmt zu? – Das ist wiederum die Mehrheit und somit angenommen.

Dritte Lesung: Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

00.17.1614. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1774 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Bundesgesetz über die Wertpapier- und allgemeinen Warenbörsen 2018, das Einlagensicherungs- und Anlegerent­schädigungsgesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Kapital­markt­ge­setz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Zahlungs­diens­tegesetz geändert werden (1778 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1775 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Nationalbankgesetz 1984 und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden (1779 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nun kommen wir zu den Punkten 14 und 15 der Tagesordnung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


0.18.29

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Im Wesentlichen geht es bei TOP 14 um die Reform der Finanzmarktaufsicht im übergeordneten Sinn; das beinhaltet natürlich die Finanzmarktaufsichtsbehörde und auch die Oesterreichische Nationalbank, die ja beide in relativ komplexem Zusam­menwirken für die Finanzmarktaufsicht und auch andere Aufsichtsbereiche zuständig sind. Da ist sicherlich das eine oder andere dabei, das die jetzigen Probleme zwar nicht ganz lösen, aber deren Lösung doch verbessern würde. Uns geht es, um es kurz zu machen, zu wenig weit.

Da muss ich gar nicht so weit wie der Rechnungshof gehen, der ja deutlich ständig empfohlen hat, beide Behörden in der wesentlichen Bankenaufsichtsfrage wieder zusammenzuführen. (Bundesminister Schelling: Das hat die SPÖ verhindert!) – Ja, aber ich sage gar nicht, dass das unbedingt hätte sein müssen; vielleicht sind ja Sie dieser Meinung, Sie werden dann vielleicht eh etwas dazu sagen. Der Rechnungshof muss ja auch nicht immer recht haben, er war halt nur recht eindeutig. Ich finde halt, am Weg dorthin war man – ja, so ist es oft – zu Kompromissen gezwungen. Wir haben das ja immer aus dem Augenwinkel genau verfolgt; es hätte ja auch eine Reform mit Zweidrittelmehrheit werden können, deshalb waren wir natürlich immer auch schon ein bissel auf der Pirsch.

Ich würde jetzt sagen, es ist sicher ein bissel besser als vorher, aber die Grund­probleme bleiben ungelöst, deshalb unsere Ablehnung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 309

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, das ist ja eine der Konsequenzen aus dem Ban­kenskandal – wobei, wir wollen nicht ungerecht sein und einfach nur Banken sagen, es geht um ganz spezielle Banken. Wir kennen die eine Bank aus Kärnten, aber man muss fair sein, es war ja nicht nur diese; es gab die Kommunalkredit, die Volksbanken, das war auch nicht ganz einfach, und so weiter. Da gäbe es aus meiner Sicht eigent­lich mindestens genauso vernünftige Dinge wie hier, wo wir an den Rädern zu drehen versuchen, wo mehr Selbstimmunisierung als Schutz vor Anfälligkeit für falsche Bilan­zen und noch schlimmere Umtriebe geleistet werden könnte, etwa wenn man die Rotationspflicht der Bank- und Wirtschaftsprüfer nicht extra wieder bei circa 20 Jahren herumgeistern lassen würde; man hätte diese reduzieren sollen.

Das erahnt man ja schon, was das für ein Vorteil ist, wenn sich die zu Prüfenden erstens selbst aussuchen können, wer sie prüft – und die Prüfer nicht unabhängig aus einem Pool, der Geeigneten natürlich, gezogen werden –, und dann noch dieses Abhängigkeitsverhältnis besteht, dass diese von der Bank bezahlt werden, und das dann über viele, viele Jahre. Am Balkan hat man sehen können, wie ungesund das ist, denn da sind die Bank- und Wirtschaftsprüfer quasi krebsgeschwürartig mit den Filialen, mit den Töchtern, muss man sagen, der Hypo in Klagenfurt mitgewachsen, denn die Banken vor Ort waren ja gar nicht einmal die Bösen; die sind nämlich eh der Aufsicht in Serbien, in Kroatien oder auch in Bosnien unterstanden, und diese Aufsicht hat zum Teil besser funktioniert als unsere.

Es war aber so, dass die unmittelbaren Tochterfirmen der Hypo in Klagenfurt, die in Österreich lizenziert waren, ihre Umtriebe gemacht haben; und dann gibt es das Phänomen, dass die Bankprüfer in gleichem Maße mitwachsen wie die Bank, alle frisch erfunden – also dass das nicht gesund ist, kann man auch als Laie erkennen.

Abschließend, das könnte man noch lernen, wenn man an manche Bundesländer denkt, nicht nur an eines: Ein Insolvenzrecht für Bundesländer – und das ist eine große Auslassung in dieser Gesetzgebungsperiode – hätten wir angehen können. Das wäre alles mindestens so wichtig wie diese Reform, die halt nicht einmal auf halbem Weg stecken bleibt, sondern noch früher. Deshalb unsere Ablehnung. (Beifall bei den Grünen.)

0.22


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Groiß. – Bitte.

 


0.22.41

Abgeordneter Ing. Mag. Werner Groiß (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Kolle­ginnen und Kollegen! Wir haben zu dieser Tageszeit noch ein doch interessantes Thema zu diskutieren, die Regierungsvorlage zur Reform der Finanzmarktaufsicht. Es ist schön, dass wir heute auch ein Gesetz beschließen, das wir in Begutachtung geschickt haben, das lang diskutiert wurde und nun doch zu einem Kompromiss führt, den wir gerne mittragen – auch wenn es nicht der große Wurf ist, den wir uns in vielen Punkten gewünscht hätten.

Diese Gesetzesmaterie betrifft viele Gesetze, das wichtigste ist das Finanzmarktauf­sichtsbehördengesetz. Es sollen die Verfahrensabläufe der Aufsicht verbessert und die Effizienz gesteigert werden. Das Wichtigste ist, dass wir die Legistik wieder zurück­bekommen, dass es da Begutachtungsverfahren gibt, für Verordnungen, Leitfäden, Rundschreiben und so weiter, dass die Politik da mitreden kann und die FMA kein Eigenleben dahin gehend entwickelt, dass sie selbst Gesetze schreibt und diese auch vollziehen muss.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 310

Es ist wichtig, dass Transparenz gegeben ist, dass auch die zweite Instanz, die zweite Ebene öffentlich ausgeschrieben wird, dass da wirklich transparent ist, wer die Banken beaufsichtigt, wer die Unternehmen beaufsichtigt. Es kommt aber auch zu einer Stär­kung der Qualität der Aufsicht und einer Verbesserung der behördlichen Verfahrens­abläufe, zum Beispiel zu einer Qualitätssteigerung im Staatskommissärswesen, das wir speziell im Hypo-Untersuchungsausschuss immer wieder kritisiert haben, es kommt zu Fortbildungsverpflichtungen, es kommt zu dichteren Intervallen bei den Berichts­pflich­ten.

Es soll auch ein bisschen Vereinfachung drinnen sein, zum Beispiel kommt es zur Ein­führung eines elektronischen Prospektbilligungsverfahrens bei der Emission von Wertpapierprospekten. Es soll auch eine Möglichkeit der einvernehmlichen – beschleu­nigten – Verfahrensbeendigung geben, sodass man die Verfahren nicht ewig in die Länge zieht, sondern diese gemeinsam abgeschlossen werden können.

Vor allem soll der risikobasierte Ansatz in der Bankenaufsicht endlich eingeführt wer­den, kleine Banken also anders geprüft werden als große Banken.

Ich meine, für die Banken ist ein wesentlicher Punkt auch die Rechtssicherheit, die dadurch entsteht. Es werden in Zukunft Bescheide erlassen, die Rechtssicherheit garantieren, dass die Banken dann so handeln können, wie es im Vorfeld ausgemacht wurde.

Wichtig ist auch die größenabhängige organisatorische Erleichterung: Die Schwellen­werte für die verpflichtende Bildung bestimmter Ausschüsse werden hinaufgesetzt. Damit werden einige organisatorische Bestimmungen, die kleine Banken derzeit nicht oder fast nicht erfüllen können, entsprechend verbessert.

Wir diskutieren also heute um halb eins in der Früh einen Antrag für die Banken, mit dem es zu weniger Bürokratie, mehr Rechtssicherheit, Kostenreduktion und mehr Transparenz kommt. Es ist schön, dass wir heute zumindest einen Antrag nach einem Begutachtungsverfahren vernünftig miteinander diskutieren und beschließen können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

0.26


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


0.26.21

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Änderung der Regelungen hinsichtlich Finanzmarktaufsicht spielt sich vor allem im Bankwesengesetz ab. Mit dessen Novelle soll es einerseits zu mehr Trans­parenz und andererseits zu mehr Effizienz im Aufsichtswesen kommen, wobei die Aufsicht prinzipiell bei der FMA und der Nationalbank bleibt.

§ 25 zum Beispiel sieht vor, dass die Möglichkeit geschaffen wird, bankbetriebliche Tätigkeiten auszulagern – allerdings nur unter gewissen Bedingungen, zum Beispiel wenn die Erfassung, die Beurteilung, die Steuerung und Überwachung der bankbe­trieblichen Risken sichergestellt sind. Durch so eine Auslagerung darf es einerseits nicht zu einer Delegation von Geschäftstätigkeiten kommen, und andererseits darf auch nicht in das Verhältnis zwischen den Instituten und den Kunden eingegriffen wer­den. Zum Dritten dürfen auch nicht die Voraussetzungen für die Konzessionser­teilung berührt werden.

Meine Vorrednerin hat es schon kurz angesprochen: Eine eigene Abteilung zum Risiko­management ist nur noch für Kreditinstitute von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung verpflichtend, und eine eigene interne Revision muss nur noch bei einem Institut eingerichtet werden, dessen Bilanzsumme 300 Millionen € übersteigt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 311

Bei der Vor-Ort-Prüfung der Aufsicht kommt es zu einer risikoorientierten Beschleu­nigung des Mängelbehebungsprozesses, indem bei Prüfberichten von hoher Priorität in Zukunft die Finanzmarktaufsicht unmittelbar und direkt Stellungnahmen des Instituts einholen kann. Kostendarstellungen der Oesterreichischen Nationalbank werden künf­tig transparenter und berechenbarer dargestellt.

Ich denke, alles in allem ist diese Novelle ein Schritt in die richtige Richtung. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

0.28


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Mag. Zakostelsky ist der nächste Red­ner. – Bitte.

 


0.28.37

Abgeordneter Mag. Andreas Zakostelsky (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Bürgerinnen und Bürger! Gerade für die letzte Rede habe ich mir eigentlich vorgenommen, nicht polemisch zu werden – Sie entschuldigen, ich muss es doch kurz tun. Es war vorhin so lustig, verschiedene Äuße­rungen zum Thema Bankomaten zu hören; ich würde Ihnen wirklich die Empfehlung geben: Verbieten Sie doch einfach die Bankomaten, denn da kommt das böse Kapital heraus! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Genau!)

Meine Damen und Herren! Gewisse kuriose Dinge erleben wir schon miteinander, aber lassen Sie mich in aller Kürze (Zwischenruf des Abg. Öllinger) – ja, ich sehe, Sie beginnen nachzudenken, das ist gut so! – zum vorliegenden Entwurf zur Finanzmarkt­aufsicht Stellung nehmen. Ich meine, es ist ein erster, ganz wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. Ein Punkt, der noch nicht angesprochen wurde, den ich aber für sehr wesentlich halte: Die Reform eröffnet Finanzinstituten jetzt die Möglichkeit, vorweg eine rechtsverbindliche Auskunft zu bekommen, also eine Art Vorwegbescheid. Das ist sehr wichtig, weil man damit im Zweifelsfalle vorweg klären kann, was man tun darf und was nicht. Das ist also sehr praxisorientiert.

Ebenso sehr gut ist die Anhebung der Schwellenbeträge für die verpflichtende Einset­zung verschiedener Ausschüsse; Werner Groiß hat es bereits angesprochen. Leider hat man allerdings den Prüfungsausschuss dabei vergessen, das sollte man in einem zweiten Schritt nachholen.

Ich möchte aber auch ganz ausdrücklich die Initiative der Vorstände der FMA be­grüßen, in Zukunft die Proportionalität ernster zu nehmen, das haben sie auch auf internationaler Ebene vorgebracht. Ich meine, das ist in Europa ein wichtiges Thema, und gerade für uns in Österreich, in unserem klein strukturierten Land, ist das ganz, ganz wichtig, denn man soll bekanntlich nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Das heißt, dass die verwaltungsmäßigen Bürden für kleinere Institute erleichtert werden sollen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am Ende meiner parlamentarischen Tätig­keit auch noch ein paar persönliche Worte anschließen. Von Hermann Hesse kennen wir das Zitat: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ – Ich möchte dieses ergän­zen und sagen: Und jedem Abschluss sollte ein bisschen Erkenntnis innewoh­nen.

Ich möchte mich daher zum einen bei Ihnen allen ganz, ganz herzlich bedanken, Ihnen aber auch einen Gedanken zum Nachdenken mitgeben. Die Dankbarkeit, und das möchte ich wirklich explizit sagen, richte ich ganz ausdrücklich an alle Kolleginnen und Kollegen aller bisherigen sechs, mittlerweile fünf Fraktionen. Es haben sich für mich sehr, sehr viele interessante Begegnungen, interessante Gespräche ergeben, von denen sicher zahlreiche eine Fortsetzung finden werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 312

Meine Hochachtung, das möchte ich an dieser Stelle auch sagen, gilt all jenen, die mit Idealismus für die res publica gearbeitet haben, aber auch jenen, die wirklich ehrlich ihre jeweiligen politischen Interessen und Ideen engagiert vertreten haben. Ich zolle all jenen höchsten Respekt, die mit Anstand für ihre Sache arbeiten, und möchte ein Beispiel herausgreifen: unseren lieben Freund Franz-Joseph Huainigg. Ich finde es wirklich enorm schade, lieber Franz-Joseph, dass du ausscheidest. Vielen Dank für deinen Einsatz in diesen 15 Jahren im Parlament, stellvertretend für alle! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Kogler und Steinbichler.)

Das Zweite ist ein Gedanke, den ich Ihnen, uns allen mitgeben möchte, ein Gedanke zum Nachdenken, realistischerweise natürlich auch erst nach der Wahl; der Gedanke lautet: Wäre es im Sinne unserer Demokratie nicht wertvoll, den Parlamentarismus in Österreich gemeinsam weiterzuentwickeln? Den Parlamentarismus weiterzuent­wickeln, das bedeutet für mich ein unabhängigeres Parlament im Sinne der Gewaltenteilung, ein effizienteres Parlament im Sinne der Arbeit an Ergebnissen, vor allem in den Aus­schüssen, und das heißt ein volksnäheres Parlament im Sinne von realitätsnäheren Beschlüssen – unabhängiger, effizienter und volksnäher.

Ich selbst werde mich in Zukunft – abseits der Tagespolitik – mit diesem Thema durch­aus auch noch auseinandersetzen und hoffe, dass sich auch der eine oder andere Gedankenaustausch in diesem Sinne ergibt. Jedenfalls wünsche ich Ihnen allen alles, alles Gute. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

0.33


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, auch Ihnen einen herzlichen Dank für Ihre Arbeit hier im Hohen Haus und alles Gute für die Zukunft!

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lipitsch. – Bitte.

 


0.33.21

Abgeordneter Hermann Lipitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ganz kurz zu meinem Vorredner: Es muss uns hier schon klar sein, dass sich die Banken aus vielen Bereichen zurückgezogen haben, keine Ansprechpartner mehr vor Ort sind und die Menschen auf die Bankomaten angewiesen sind. Wir müssen daher darauf achten, dass sie diese Möglichkeit haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Gerade alte Menschen haben das Problem, nicht via Internet und so weiter verbunden zu sein – aber, wie gesagt: Wenn Sie sagen, Sie wollen das nicht, ist es kein Problem, wir wollen etwas anderes. (Zwischenruf des Abg. Zakostelsky.)

Ich komme nun zur EU-Verordnung 2016/867. Da geht es um die Erhebung von Kreditdaten und Kreditrisikodaten, es geht um eine schnellere und bessere Beurteilung von Risken für die Finanzstabilität. Es wird eine eigene Datenbank geschaffen, um bei juristischen Personen und Personengesellschaften, die Kredite ab 25 000 € aufnehmen oder Finanzkonstrukte bauen, eine bessere Überwachung beziehungsweise eine schnellere Kenntnis von deren Tätigkeit zu erreichen. Das hätte uns vielleicht auch im Fall Hypo geholfen, wenn man diese Datenbank gehabt und gesehen hätte, was da im Hintergrund läuft.

In Wirklichkeit geht es auch darum, Doppel- und Mehrfachmeldungen auszuschließen. In § 38 ist auch enthalten, dass für die zweite Führungsebene in der Oesterreichischen Nationalbank eine öffentliche Ausschreibung vorgesehen ist – eine wichtige Anpas­sung für mehr Transparenz und Finanzmarktstabilität.

Da ja auch ich mit dem heutigen Tag ausscheide, möchte ich meinen Kolleginnen und Kollegen recht herzlich Danke für die Zusammenarbeit sagen, besonders den Kolle­ginnen und Kollegen im Petitionsausschuss. Ich meine, wir haben in diesen Jahren doch einiges verändert, das Parlament für die Bürger etwas geöffnet. (Abg. Pirklhuber: Ja,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 313

aber noch zu wenig!) – Ja, es ist immer zu wenig, aber wir haben die ersten Schritte gesetzt! Wenn man die Jahre zuvor betrachtet, so kann man sagen, wir haben die ersten Schritte gesetzt, und unsere Nachfolger werden die Chance haben, das fortzu­führen, um Bürgerinnen- und Bürgerinteressen in dieses Haus zu bringen und hier auch umzusetzen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.35

00.36.07

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, auch bei Ihnen bedanke ich mich sehr herzlich und wünsche Ihnen alles Gute!

Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Damit kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Entwurf betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Bundesgesetz über die Wertpapier- und allgemeinen Warenbörsen 2018, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz sowie weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 1774 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Investmentfondsgesetz, das Nationalbankgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 1775 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

00.37.2316. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2299/A der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957, geändert wird (1780 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangen wir zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

 


0.37.42

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Mit dem heutigen Tage bin ich genau 5 245 Tage hier im Hohen Haus. Als ich am Aschermittwoch des Jahres 2003 hier angelobt worden bin, bin ich mit einem über-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 314

steigerten, will ich fast sagen, Selbstbewusstsein hereingekommen. (Abg. Pirklhuber – erheitert –: Das stimmt!) Damals war ich Kanzleileiterin in einer Steuerberatungs­kanzlei, und ich habe mir gedacht: So, denjenigen, die diese schlechten Gesetze gemacht haben, die wir in der praktischen Umsetzung immer kritisiert haben, denen werde ich es jetzt zeigen! Jeder, der mit einem Fachgebiet auf dem Rücken und mit einem Selbstbewusstsein, dass jetzt alles anders wird, hier ins Haus kommt, der wird irgendwann einmal so richtig auf den Boden der Realität geholt. (Zwischenruf der Abg. Moser.)

Ich bin damals genau zur richtigen Zeit gekommen, zur Steuerreform 2003/2004, ge­rade zur Beschlussfassung. Meine erste Rede war zur Steuerreform 2003/2004, im Jahr 2008 durfte ich schon selbst mitverhandeln – nicht zu vergessen das Jahr 2016, als 5 Milliarden € Steuererleichterungen beschlossen wurden; da sehen wir jetzt auch die Auswirkungen, dass die Entlastung den Menschen sehr, sehr gut getan hat. (Abg. Pirklhuber: Kollege Schelling ist nicht so überzeugt!)

Es ist uns sehr viel gelungen, das will ich überhaupt nicht schmälern, aber es ist uns auch vieles nicht gelungen. (Abg. Pirklhuber: Stimmt!) Es ist uns nicht gelungen, leider auch im letzten Finanzausschuss nicht, die kalte Progression abzuschaffen. Das tut mir persönlich am meisten weh, denn ich war immer der Meinung, dass man Steuerreformen beschließen und sich nicht immer nur um Tarifreformen und Tarifsen­kungen kümmern muss. Mir war immer wichtig, dass man endlich einmal in die Steuer­struktur hineingeht, dass man endlich einmal vielleicht auch ökologische Ansätze einbringt. (Beifall bei den Grünen.)

Was mir auch immer besonders wichtig war, ist die Vereinfachung des Steuersystems. Die Steuerberater werden auch weiterhin Geld verdienen, auch wenn wir eine Verein­fachung des Steuersystems beschließen.

Was mir auch immens leid tut: dass es uns nicht gelungen ist, noch ein steuerfreies Existenzminimum pro Kind umzusetzen. Sebastian Kurz hat das mit dem 1 500-€-Bonus jetzt einmal im Wahlkampf auf den Tisch gebracht. Ich hoffe, dass der nächste Nationalrat sich dieser Sache annehmen wird. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir für die Familien und für die Kinder in diesem Land etwas tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin mir auch ganz sicher, dass es relativ schnell und einfach gehen wird, in der nächsten Gesetzgebungsperiode die kalte Progression abzuschaffen, weil ich glaube, dass das ein ganz wesentlicher Schritt ist, die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land voranzutreiben.

Ich möchte mich aber in meiner letzten Rede bei einigen Personen bedanken, und der Allererste, bei dem ich mich bedanken möchte, ist Jakob Auer. Jakob Auer hat mir den Budgetausschuss „vererbt“, und in Wahrheit hat er mich in den letzten 14 Jahren in einer Art und Weise gefördert, von der viele, die in der nächsten Gesetzgebungs­periode in den Nationalrat kommen werden, profitieren würden, wenn sie denn solche Förderer hätten. Nicht zuletzt möchte ich mich auch bei Günter Stummvoll bedanken, der leider nicht mehr da ist, auch er hat mich vom ersten Augenblick an gefördert, und schließlich bei Karlheinz Kopf, der mich gefordert hat, als er Klubobmann war, und der mich auch im Untersuchungsausschuss gefordert hat, als er Vorsitzender war.

Ich möchte mich wirklich auch bei allen Fraktionsführern im Budgetausschuss bedan­ken, denn da kommen wirklich gute Begegnungen zustande. Alle, die mit mir zusam­mengearbeitet haben, wissen, ich bin eine Streitbare. Ich habe immer für die Sache gebrannt, ich glaube, ich war hart in der Sache, aber doch immer verbindlich. Ich habe mich zumindest bemüht, verbindlich zu sein, und darum, dass mein Handschlag auch etwas wert war. Das ist entscheidend in der Politik, selbst wenn man unterschiedliche ideologische und fachliche Zugänge hat. Ich glaube und ich hoffe wirklich, dass man


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 315

mir das einmal nachsagt, dass das bei all den Themen und auf all den Gebieten, die ich abdecken und für die ich Verantwortung tragen durfte, so war.

Ich möchte mich bei den Mitarbeitern der Klubs bedanken, denn auch sie sind bei Verhandlungen wichtig, auch bei den parlamentarischen Mitarbeitern, und bei einem ganz besonders, bei Andy Samonig, der in den letzten Jahren, glaube ich, mit mir auch ziemlich viel mitgemacht hat, weil es nicht selbstverständlich ist, dass einen jemand so lange Zeit begleitet und auch für Verhandlungen und andere Dinge immer wieder zur Verfügung steht, Informationen einholt und so weiter.

Nicht zuletzt bedanken möchte ich mich beim sechsten Finanzminister in meiner Funktionsperiode, bei Herrn Bundesminister Schelling. Ich kann nur eines sagen: Hoffentlich ist am 16. Oktober noch nicht so viel Porzellan zerschlagen, sodass man in einer konstruktiven Art und Weise für die Bürgerinnen und Bürger hier herinnen im Hohen Haus wieder etwas zustande bringen kann.

Ich gehe trotz Flamme und politischem Feuer im Herzen und breche auf zu neuen Ufern und wünsche Ihnen allen alles Gute. (Allgemeiner, von den Abgeordneten der ÖVP stehend dargebrachter Beifall.)

0.43


Präsident Karlheinz Kopf: Liebe Frau Abgeordnete, herzlichen Dank für die Tätigkeit hier im Hohen Haus – schön, dass du mir die Forderung während meiner Zeit als Klubobmann nicht nachträgst. Alles Gute!

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


0.43.44

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden heute den Mietvertragsgebühren ein Ende setzen, wie es auch im Regierungsübereinkommen zwischen der SPÖ und der ÖVP aus dem Jahr 2013 festgeschrieben ist. Von mir aus hätte das gerne auch vier Jahre früher kommen können. Was bei diesem heutigen Beschluss wirklich auffällt, ist, dass ihn die ÖVP nicht mittragen wird, und das ist so, wie wenn bei einem Dinner for two einer der Partner nicht zur Verabredung kommt. Es haben sich drei Parteien zusam­mengefunden, die heute diesen Beschluss tragen werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.) Diese Verabredung hat die ÖVP platzen lassen.

Über die Höhe der Einnahmen haben wir vom Finanzministerium keine genaue Aus­kunft bekommen können. Laut Statistik Austria sind es circa 50 Millionen €. Die Ge­bühren treffen vor allem Menschen, die zu diesem Zeitpunkt ohnedies mit Umzugs­kosten, möglicherweise mit Kautionen, mit Einrichtungskosten belastet sind, und daher bedeutet das für diese Menschen ganz sicher eine willkommene Entlastung und weniger finanziellen Aufwand.

Als Wohnbausprecherin muss ich hier dennoch anmerken, dass sich am Inhalt der Mietverträge nichts ändert, wenn wir heute diesen Beschluss fassen. Der Inhalt ist mangelhaft, und das Mietrechtsgesetz bietet nicht genug Rechtssicherheit. Wie Sie wissen, sind wir für klare, leistungsbezogene Zu- und Abschläge im Gesetz, für ein Zurückdrängen der befristeten Verträge auf Ausnahmen und vor allem auch für eine Entschlackung bei den Betriebskosten.

Mit der Abschaffung der Mietvertragsgebühren ersparen wir den Mieterinnen und Mietern rund 50 Millionen €, und wenn wir das in Ordnung bringen, was in den Miet­verträgen steht, so könnte eine Entlastung von 5,75 Milliarden € für die MieterIn­nen herauskommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 316

Wir stehen für diese Entlastungen für die Mieterinnen und Mieter. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

0.46


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Hanger. – Bitte.

 


0.46.34

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wenn man im Wahl­kreis unterwegs ist – und momentan ist man ja noch mehr unterwegs als während der Gesetzgebungsperiode – und mit den Menschen Finanzfragen zu diskutieren beginnt, dann sind es zwei Themen, die die Menschen immer wieder beschäftigen.

Das eine ist die Frage, wie es das geben kann, dass der Staat schon über viele Jahre hinweg immer mehr ausgibt, als er einnimmt. Da versucht man dann irgendwie zu argu­mentieren, dass man über Wirtschaftswachstum irgendwie wieder zusätzliche neue Schulden finanzieren kann. Ich merke aber auch, dass man mit dieser Argu­mentation bei den Leuten nicht durchkommt. Ich halte es daher für wichtig, in der neuen Programmatik darauf hinzuweisen, dass wir einen ausgeglichenen Staatshaus­halt als Ziel haben wollen.

Herr Kollege Krainer! Ich finde es übrigens sehr interessant, dass Sie der Schulden­bremse heute nicht zugestimmt haben. Sie haben das doch selbst noch vor einigen Jahren verhandelt. – Das sei nur kurz in einem Nebensatz bemerkt. (Abg. Krainer: Weil Sie einen anderen Text eingesetzt haben!)

Ein zweites Thema, das die Menschen auch sehr bewegt: Man wird gefragt, ob es noch Sitzungen vor der Nationalratswahl am Sonntag gibt. Wenn man dann mit ja ant­wortet und sagt, wir haben drei Tage vor der Nationalratswahl noch eine Sitzung, dann kommt es fast wie im Reflex: Bitte macht es nicht so wie 2008, als man am 24. Sep­tember 25 Anträge, 17 Gesetzesanträge und Ausgaben von Milliarden von Euro beschlossen hat! (Abg. Steinhauser: Das sind doch Gschichterln!)

Es ist so, dass jede einzelne Maßnahme argumentierbar, diskutierbar ist, keine Frage. Die Menschen wollen aber nicht, dass man wenige Tage vor der Wahl so tut, als gäbe es kein Budget. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt eine Studie der Agenda Austria, die ich wirklich interessant finde. Da ist gezeigt worden, dass immer dann, wenn ein Wahljahr ist, die Staatsausgaben deutlich anstei­gen. – Da soll mir noch einer erklären, dass das eine solide, seriöse Budgetpolitik ist!

Grundsätzlich begrüßen wir natürlich auch die Gebührenabschaffung bei den Mieten, keine Frage. Man könnte über die konkrete Ausformung diskutieren, aber momentan lehnen wir das einfach deshalb ab, weil man immer auch ein bisschen einen Blick für das Gesamte haben muss.

Ein ausgeglichener Staatshaushalt muss auch in Zukunft ein hohes Ziel sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

0.48


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schrangl. – Bitte.

 


0.48.52

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Mieterinnen und Mieter! Liebe Vermieter! Hohes Haus! Heute wird sie also abgeschafft: Unter Maria Theresia wurde sie in diesem Haus beschlossen, damals gemeinsam mit der allgemeinen Schulpflicht, von uns wird sie


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 317

heute wegen des Erfolgs genau dieser Schulpflicht in diesem Hause wieder abge­schafft. (Beifall bei der FPÖ.)

Liebe Mieterinnen und liebe Mieter, liebe Vermieter, wir haben für Sie gekämpft! Wir haben für Sie gekämpft, und wir haben Mitstreiter gefunden, denn ohne sie wäre das nicht möglich gewesen. Wer bislang eine Wohnung gemietet hat, wurde gnadenlos abgezockt – nicht vom Vermieter, wie manche vielleicht meinen, sondern vom Staat, von dieser Republik. Wo ist da die Leistung? – Meine Damen und Herren, es gibt keine! Es ist also reines Abkassieren ohne Gegenleistung. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Na ja, man muss auch ein bisschen witzig sein.

Es kann bitte, liebe ÖVP, auch kein Geschenk sein, denn bei jedem Geschenk muss es eine Gegenleistung geben, und bei diesem Geschenk gibt es eben keine Gegen­leistung, und daher war das den Bürgern zurückzugeben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bedanke mich bei all jenen, die mit mir diese ungerechte Gebühr abschaffen, aber Sie haben recht, es kann nur ein Anfang sein. Das Mietrecht ist reformbedürftig, und jede Partei hier im Haus hat gute Ideen dazu. (Abg. Walter Rosenkranz: So ist es!) Und daher freue ich mich auf die nächste Periode, in der wir hoffentlich eine wirklich gute Lösung zusammenbringen werden. (Abg. Moser: Mit der ÖVP? Wie soll das gehen?)

Meine Damen und Herren! Wir spielen niemanden gegeneinander aus, wir durch­brechen rot-schwarzen Stillstand. Liebe MieterInnen, liebe Vermieter, es ist ein Gewinn für beide Seiten, wenn wir heute diese Gebühr abschaffen. Mieterinnen und Mieter zahlen weniger, Vermieter sind den Verwaltungsaufwand los. Alle freuen sich, ein Gewinn für beide Seiten!

Die FPÖ ist der Reformmotor in dieser Republik. (Bundesminister Schelling: Eine wirtschaftsfeindliche Partei!) Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! In die­sem Fall halte ich es sehr gerne aus, dass Sie uns dafür beschimpfen. (Ruf bei der ÖVP: Die sind nicht alle deiner Meinung!)

Meine Damen und Herren! Durchbrechen wir den rot-schwarzen Stillstand am 15. Oktober mit einer Stimme für den Reformmotor FPÖ. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesminister Schelling: Die FPÖ ist eine wirtschaftsfeindliche Partei! – Abg. Stefan: Das ist eine Rechtsgeschäftsgebühr! Da bin ich aber jetzt schon ent­täuscht! Was soll an deren Abschaffung wirtschaftsfeindlich sein? – Bundesminister Schelling: Ich bin auch enttäuscht! – Abg. Stefan: Eine Rechtsgeschäftsgebühr ist doch nicht wirtschaftsfreundlich!)

0.51


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


0.51.28

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Meine Damen und Herren! (Anhaltende Zwischenrufe.) Herr Präsident, sorgen Sie bitte zuerst für Ruhe. Herr Minister! Meine Damen und Herren! Es hat ja wirklich geradezu eines letzten Aufgebotes bedurft, damit etwas umgesetzt wird, was eigentlich in der Regierungserklärung steht, nämlich die Aufhebung der Mietvertragsgebühr. Der Herr Minister hat mir das in einer Anfragebeantwortung als Gegenstand einer Reformkommission genannt. Es hat ja im Finanzressort Diskussionen gegeben, dass man diese Gebühr, hinter der keinerlei Leistung steht, ersatzlos streicht. Nur die Partei, die normalerweise Leistung auf ihre Fahnen heftet, steht nach wie vor dafür ein, dass hier leistungsfreie Gebühren verlangt werden, also Gebühren, für die keine Leistung erbracht wird. (Beifall bei Grünen und FPÖ.) Das ist wiedermal eines dieser typischen Paradoxa, die uns die ÖVP ständig bietet.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 318

Wir wollen aber mehr, wir wollen nicht nur, dass die Vergebührung der Mietverträge wegfällt, wir wollen, wie der Vorredner auch schon angedeutet hat, eine generelle Sanierung, eine generelle Neukonzeption des Mietrechts. Dafür haben wir Grüne immer gekämpft, genauso auch für die Abschaffung der Mietvertragsgebühren, und dazu möchten wir jetzt auch noch einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend leistbares Wohnen für alle

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage zuzu­leiten, die sicherstellt,

dass auch ungeförderte Mietgegenstände, die auf Grund einer nach dem 30. Juni 1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind, nach einem festzulegenden Amortisationszeitraum in den Vollanwendungsbereich des MRG überführt werden,

dass der Hauptmietzins für den nunmehr erweiterten Vollanwendungsbereich des MRG transparent auf Basis eines Grundbetrags mit gesetzlich abschließend aufge­zählten und gedeckelten Zu- und Abschlägen bestimmt wird,

dass ein gestaffelter Befristungsabschlag nach der Dauer der Befristung des Mietver­hältnisses vorgesehen wird, und

dass Maßnahmen zur Beseitigung des bestehenden Wohnungsmangels ergriffen wer­den.“

*****

Es ist ein sehr allgemein formulierter Antrag, den Sie ja wirklich alle guten Gewissens befürworten müssten, weil Ihnen ja schon längst bekannt ist, dass gerade junge Menschen, junge Familien darunter leiden, dass der sogenannte freie Markt ihnen unzumutbar hohe Mieten abverlangt. Es ist nicht einzusehen, dass Sie nach wie vor dafür sorgen, dass ein intransparentes Mietrecht, ein Mietrecht, das die Menschen belastet, gültig ist und dass wir die Reformen nicht bereits vorgenommen und umge­setzt haben, die bereits im Regierungsübereinkommen gestanden sind.

Herr Vizekanzler Brandstetter weiß da ja zu seinem Leidwesen ein Lied zu singen. Das Mietrecht ist auf der Strecke geblieben zwischen den Interessengegensätzen, und relativ hart verhandelt haben nach meinem Wissen die Vertreter der Immobilien­wirtschaft. Für uns Grüne ist es völlig inakzeptabel, dass eine kleine Gruppe von Immobilienvertretern einer großen Gruppe der Bevölkerung nach wie vor ein Mietrecht aufzwingt, das ihnen bis zu 30 Prozent des Einkommens abverlangt, manchmal sogar mehr. Das darf nicht sein, und deswegen stimmen Sie bitte diesem Antrag zu! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

0.55


Präsident Karlheinz Kopf: Der Antrag der Kollegin Moser ist ordnungsgemäß eingebracht und damit steht er mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 319

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde

betreffend leistbares Wohnen für alle

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2299/A der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957, geändert wird (1780 d.B.)

Begründung

Mit dem vorliegenden Gesetzesantrag soll die Mietvertragsgebühr bei Verträgen über die Miete von Wohnräumen abgeschafft werden. Da diese Gebühr derzeit meist ver­traglich auf die Mieter überwälzt wird, soll dadurch die Kostenbelastung für Wohnungs­suchende gesenkt werden.

Neben diesem kleinen Schritt in die richtige Richtung wären für die Sicherstellung leistbaren Wohnraums für alle jedoch noch viel weitgehendere Maßnahmen notwendig. Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Viele Menschen waren jedoch in den vergangenen Jahren von einem rasanten Anstieg der Wohnkosten betroffen.

Die Mietkosten (Bruttomiete) sind von 2008 bis 2014 um 22% gestiegen, während die Löhne im selben Zeitraum lediglich um 13% gestiegen sind. Die Erhöhung der Brutto­mieten wird vom Hauptmietzins getrieben, nicht von den Betriebskosten. Die Betriebs­kosten sind zwischen 2008 und 2014 um 13 Prozent gestiegen und damit im Rahmen der allgemeinen Teuerung. Die Hauptmietzinse im Bestand, also die Vermieterein­nahmen, legten hingegen um 25 Prozent zu. Hauptpreistreiber ist das private Segment: Dort war ein Anstieg von 33 Prozent zu verzeichnen - das Zweieinhalbfache relativ zur Lohn- und Inflationsentwicklung. Die Preissteigerungen kommen dadurch zustande, dass anlässlich von Neuvermietungen der neuerliche Mietzins entsprechend erhöht festgesetzt wird.

Erst vor kurzem (14.2.2017) wurde der neue Zahlenspiegel der Statistik Austria veröffentlicht. Demnach sind die Mieten im Jahr 2016 um 3,1 Prozent gestiegen. Die durchschnittliche Inflation betrug demgegenüber 0,9 Prozent. Die Gehaltsentwicklung (brutto) war bei ArbeiterInnen bis 2015 (für 2016 liegen noch keine Daten vor) seit dem Jahr 2000 unter der Inflationsrate, bei Angestellten etwa parallel zur Inflationsrate.

Richtwertmieten und angemessene Mieten haben sich bei den Neuvermietungen prak­tisch immer mehr freien Marktpreisen angenähert. Die Mietzinsbildung ist intrans­parent. Der tatsächlich verlangte Mietzins liegt daher oft weit über dem gesetz­lich erlaubten Rahmen. Die Mietzinsüberprüfung funktioniert in der Praxis nicht. Dazu kommt, dass immer weniger Wohnungen überhaupt noch unter das Mietrechtsgesetz fallen. Nur Gebäude, die vor 1953 errichtet wurden und gefördert errichtete Gebäude, fallen unter den Vollanwendungsbereich des MRG. Auf "neuere", privat errichtete Gebäude sind die Mietzinsbestimmungen des MRG nicht mehr anwendbar. Die Schutzfunktion des Mietrechts greift daher immer weniger.

In der Finanzkrise wurde verstärkt in Immobilen investiert. In den letzten 5 Jahren sind die Immobilienpreise um 40% gestiegen. Diese Anleger wollen aber auch etwas verdienen. Das hat zu einer höheren Renditenerwartung geführt, was zusätzlich den Druck auf Mieten erhöht. Früher haben Investitionen in Immobilien als inflationssichere Anlagen gegolten. Eine darüber hinausgehende Renditeerwartung war in der Regel daran nicht geknüpft.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 320

Hohe Mieten bedeuten geringere Lebensqualität, Verschuldung, Ghettobildung und Kaufkraftverlust. Sie tragen auch dazu bei, dass Menschen, obwohl sie Vollzeit erwerbstätig sind, kaum genug zum Leben haben.

Hohe Mieten führen auch zu steigenden Bodenpreisen, was wiederum die Mieten erhöht und auch dazu führt, dass der soziale Wohnbau immer schwerer zu finanzieren ist. Auch Eigentumswohnungen werden immer schwerer zu finanzieren. Wohnungs­suchende konkurrieren nämlich am Markt mit Menschen, die eine Wohnung als bloßes Vorsorgeobjekt kaufen wollen. Das führte zu einem Anstieg der Nachfrage und damit auch des Preises.

Die flächendeckende und leistbare Wohnversorgung für die Bevölkerung ist eine der Grundvoraussetzungen für das Funktionieren unserer Gesellschaft. Wohnungen sind keine Ware wie jede andere.

Unser Ziel ist ein nachvollziehbares Mietrecht zu schaffen, dass für die MieterInnen Leistbarkeit und für die VermieterInnen Erhaltbarkeit bei konservativer Verzinsung garantiert. Klar ist, dass ein faires und transparentes Mietrecht alleine nicht ausreichen wird können, um die Preisspirale bei den Mieten einzubremsen und zu stoppen. Gleichzeitig dazu ist es notwendig, dass mit geeigneten Wohnbaumaßnahmen das Angebot an leistbarem Wohnraum stark erhöht wird.

Die dringendsten Reformen:

1. Ausweitung des Anwendungsbereichs des MRG (Mietrechtsgesetzes)

Nach 1953 erbaute Wohnungen fallen derzeit nicht in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes. MieterInnen in diesen sogenannten "Neubauwohnungen" sind weit­gehend rechtlos, was Betriebskostenüberprüfungen, Mietzinshöhe oder dringend nötige Erhaltungsarbeiten betrifft. Diese Datumsgrenze wurde vor über 30 Jahren mit dem MRG eingeführt und seitdem nicht angepasst.

Ungefördert neu errichtete Wohnungen sollen nach einem festgelegten Amortisations­zeitraum in den Vollanwendungsbereich des MRG übernommen werden, vorher bliebe eine freie Mietzinsbildung erlaubt.

2. Faire, transparente und überprüfbare Mietzinsbildung

Die derzeit mögliche Fülle von Zuschlägen zum Richtwertmietzins verhindert jede Transparenz für Wohnungssuchende, weil für sie nicht nachvollziehbar ist, welche Zuschläge zur Anwendung kommen. Als Folge ist in der Realität kein Unterschied in der Miethöhe zwischen den Richtwertmieten im Altbau und den freien Mieten im ungeförderten Neubau oder unbefristet oder befristeten Mietverträgen erkennbar. So wird das Ziel, die Mieten zu begrenzen, weit verfehlt.

Anstelle des derzeitigen Richtwerts soll zukünftig ein Grundbetrag als Basis für die Hauptmietzins-Berechnung herangezogen werden. Dieser Grundbetrag gilt für eine Wohnung in ordnungsgemäßem und benutzbarem Zustand mit guter Dämmung. Anhand des Erhaltungszustands, der Ausstattung, der Aufteilung sowie anhand ökologischer und sozialer Kriterien soll der Grundbetrag erhöht oder verringert werden. Die Zu- und Abschläge werden im Gesetz nach Art und Höhe abschließend definiert. Zusätzlich bildet nach diesem Modell eine absolute Obergrenze eine Deckelung für die Zuschläge.

3. Beschränkung bei Befristungen

Die meisten Wohnungen am Markt werden derzeit befristet angeboten. Wohnungs­suchende müssen sich oft nach 3 Jahren wieder um eine neue Wohnung umschauen, haben wieder Kosten für Umzug, Kaution oder Maklerprovision zu tragen. Sie müssen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 321

sich in einer neuen Umgebung eingewöhnen, was gerade für Familien mit Kindern oft schwer ist, und teurer wird es meist auch. Derzeit gilt im Altbau ein einheitlicher Befris­tungsabschlag von 25%, unabhängig von der Befristungsdauer. Dieser ist, wie der gesamte Mietzins, aber kaum zu überprüfen. Es macht Sinn, mit einer überprüfbaren Obergrenze auch wieder einen nach Befristungsdauer gestaffelten Abschlag einzufüh­ren. Je länger befristet wird, desto geringer der Abschlag.

4. Wohnbauoffensive

Weiters müssen Maßnahmen getroffen werden, um dem Mangel an Wohnungen durch Vergrößerung des Angebotes zu begegnen. Dazu zählen insb. die Wiedereinführung der Zweckwidmung der Wohnbauförderung, aber auch Initiativen zur Vermietung von leerstehenden Objekten sowie zur Nutzung von gewidmetem Bauland durch Instru­mente einer Vertragsraumordnung.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Gesetzesvorlage zuzu­leiten, die sicherstellt,

dass auch ungeförderte Mietgegenstände, die auf Grund einer nach dem 30. Juni 1953 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind, nach einem festzulegenden Amortisationszeitraum in den Vollanwendungsbereich des MRG überführt werden,

dass der Hauptmietzins für den nunmehr erweiterten Vollanwendungsbereich des MRG transparent auf Basis eines Grundbetrags mit gesetzlich abschließend aufge­zählten und gedeckelten Zu- und Abschlägen bestimmt wird,

dass ein gestaffelter Befristungsabschlag nach der Dauer der Befristung des Mietver­hältnisses vorgesehen wird, und

dass Maßnahmen zur Beseitigung des bestehenden Wohnungsmangels ergriffen wer­den.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Dr. Scherak gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


0.55.23

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Kollege Hanger! Ich habe das ehrlich gesagt nicht ganz ver­standen. Sie haben davon geredet, dass die Leute Sie in Ihrem Wahlkreis darauf ansprechen, dass wir nicht so viel Geld ausgeben sollen, und da stimme ich ihnen grundsätzlich zu. Der Finanzminister wird mich jetzt schimpfen, wenn ich wieder die Pensionserhöhung, heute über Inflation, anspreche. Da haben Sie als ÖVP zuge­stimmt! Und ich bin völlig Ihrer Meinung, wir sollten schauen, wo wir Geld einsparen könnten, wie der Staat nicht mehr Geld rauswirft und wie wir es schaffen, einmal ein ausgeglichenes Budget zustande zu bringen.

Wir reden hier aber nicht über etwas, wo der Staat Geld zusätzlich ausgibt, wir reden darüber, dass wir Rechtsgeschäftsgebühren abschaffen, in dem Fall die Mietvertrags­gebühr, für die es keine einzige Gegenleistung gibt. Wenn Sie und ich einen Miet­vertrag abschließen, müssen wir, weil wir das machen, nachher zu Vater Staat gehen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 322

und ihm Geld dafür geben, und das kann überhaupt keinen Sinn machen. Natürlich verwendet es der Herr Finanzminister dazu, irgendwie Geld ins Budget hineinzu­bringen, das ist mir schon klar, aber eine Gebühr für etwas, wofür keine Gegenleistung erbracht wird, ist schlichtweg ungerecht und unfair, abgesehen davon, dass sie das ohnedies im Regierungsprogramm drinnen hatten. (Bundesminister Schelling: Und wieso gilt das nicht für gewerbliche Mietverträge?)

Warum es für gewerbliche Mietverträge nicht gilt, das müssen Sie Kollegen Schrangl fragen, wieso er die nicht drinnen hat. Mit mir, Herr Finanzminister, sehr gerne! Ab­schaf­fung der Mietvertragsgebühr auch gerne für gewerbliche Immobilien, selbstver­ständlich! Ich weiß von der FPÖ, dass sie genauso wie wir immer gegen Rechtsge­schäftsgebühren auftritt, weil sie keinen Sinn machen, weil es dafür keine Gegenleis­tung gibt, und dementsprechend gehört das natürlich weg.

Es ist einigermaßen skurril, dass sich die ÖVP hier dagegenstellt und nicht bereit ist, eine sinnvolle Maßnahme, mit der wir schon längst weitermachen hätten sollen, jetzt endlich zu beschließen. In dem Zusammenhang noch vielen Dank an Kollegen Schrangl, der das ja weitergetrieben hat, dass das endlich kommt, er hat das jetzt knapp vor der Wahl noch geschafft. Das ist etwas Positives für die Mieterinnen und Mieter in diesem Land und eine Maßnahme, die schon längst überfällig war. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Stefan.)

0.57


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1780 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer stimmt auch in dritter Lesung zu? – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetz­entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend leistbares Wohnen für alle.

Wer stimmt hier zu? – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

00.58.1017. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2298/A(E) der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Palmöl – billiges Fett mit teuren Folgen (1777 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Somit kommen wir zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Es gibt keine mündliche Berichterstattung.

Erste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Höfinger. – Bitte.

 


0.58.55

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Thema, das im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde ist: Palmöl hat zunächst schleichend, fast unbemerkt und dann immer stärker in der verarbeitenden Industrie Eingang gefunden. Es hat andere Produkte verdrängt und


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 323

findet sich mittlerweile in einer enormen Breite in unseren Lebensmitteln, in unseren Genussmitteln, in vielen anderen Produkten bis hin zu Kosmetikprodukten.

Das hat ausgelöst, dass viele heimische Fette wie das Milchfett und so weiter immer stärker aus dem Markt gedrängt wurden und dass die weltweiten Anbauflächen von Palmöl enorm gewachsen sind – und das in ökologisch oftmals katastrophalen Formen und unter dramatischen sozialen Bedingungen für jene, die die Arbeit vor Ort verrichten haben müssen und noch immer verrichten müssen. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Verschärfend kommt noch dazu, dass es immer mehr Meldungen gibt, dass es auch gesundheitliche Risiken mit sich bringt, dass im Palmöl immer wieder bedenkliche Inhaltsstoffe nachgewiesen werden und zu finden sind.

Das alles hat natürlich auch auf dem Markt unheimlich viel verändert. Es war auch für unsere produzierenden Landwirte, vor allem für jene, die in diesem Marktsegment seit vielen Jahren, Jahrzehnten, zu Hause waren, oft schon eine dramatische Situation, aus diesem Markt gedrängt zu werden. Diese Dichte an Meldungen hat uns dann auch wirklich im Ausschuss zusammenfinden lassen, aufgebaut auf einem Antrag der Kollegin Brunner, hier einen gemeinsamen Allparteienentschließungsantrag einzubrin­gen, bei dem es im Wesentlichen darum geht, die Arbeit in Zukunft auf zwei Ebenen zu verschärfen. Das eine ist die nationale Ebene, es ist eine nationale Strategie um­zusetzen, damit eben die Produkte, die Palmöl beinhalten, palmölfrei werden. Das ist zunächst einmal das Wesentlichste, dass sämtliche andere Möglichkeiten, um Gesund­heitsrisiken einzudämmen, ergriffen werden, und dass auch in Österreich in Futtermit­teln in Zukunft kein Palmöl eingesetzt werden darf. Weiters sollen natürlich auch auf europäischer Ebene, vor allem was die Gesundheitsrisiken betrifft, endlich Normen umgesetzt und Grenzwerte eingeführt werden, die als unbedenklich einzustufen sind.

Darüber hinaus bin ich davon überzeugt, dass es in Zukunft nur gelingen kann, auf einem freien Markt fair mitmischen zu können, wenn es auch unter fairen Rahmen­bedingungen abläuft. Was wir hier beim Palmöl oder auch bei vielen anderen Pro­dukten, die unter diesen Umständen erzeugt werden, immer wieder erleben müs­sen, ist, dass diese weder nach Sozial- noch nach Umweltstandards produziert werden, dann billig auf die heimischen Märkte drängen und unsere qualitativ hochwertigen Produkte ablösen und aus dem Markt verdrängen. Das kann in Zukunft nicht sein, daher bin ich überzeugt davon, dass es in Zukunft auch für dieses Produkt nur über den Zertifizierungsweg eine Partnerschaft mit der Industrie geben kann. Darauf werden wir schauen, darauf werden wir drängen, um den heimischen Produkten in Zukunft wirklich eine Chance zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

1.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Buchmayr. – Bitte.

 


1.02.34

Abgeordneter Harry Buchmayr (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der einstimmige Beschluss im Umweltausschuss zum Thema „Palmöl – billiges Fett mit teuren Folgen“ ist sehr erfreulich. Palmöl ist zu Recht in Verruf geraten, so steht es stark im Verdacht, an der Entstehung von Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes beteiligt zu sein. Grund dafür ist die Entstehung von Glycidyl-Fettsäureester beim Erhitzen über 200 Grad Celsius beziehungsweise der hohe Gehalt an gesättigten Fettsäuren. Folgen davon sind die Bildung von Tumoren beziehungsweise eine Verschlechterung der Blutfettwerte. Dadurch steigt das Risiko für Gefäßverkalkungen und Diabetes.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 324

Palmöl ist in sehr vielen Produkten enthalten, in Margarine, zum Teil in Butter, Keksen, Babynahrung, Brotaufstrichen, Schokolade, Fertigsuppen und vielen Fertiggerichten. Neben den gesundheitlichen Risiken sind laut WWF durch Monokultur massive Schä­­den an der Umwelt und entwicklungspolitische Nachteile nachweisbar. Besonders schockierend sind auch Berichte über Zwangsarbeit von Erwachsenen und Kindern auf Palmölplantagen. Daher kann ich diesen Antrag voll und ganz unterstützen und freue mich über den Konsens unter allen Parteien. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ord­neten der Grünen.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Da dies auch für mich heute mein letzter Tag in einer Nationalratssitzung sein wird, möchte ich mich sehr herzlich für die Zusammenarbeit bedanken. Es gäbe durchaus einiges zu bemerken, sehr viel Positives, aber auch weniger Positives – das unterlasse ich tunlichst zu dieser späten Zeit. Doch eines ist mir schon ein Anliegen: Bei den Grünen möchte ich mich für den einen oder anderen durchaus sinnvollen Vertagungsantrag entschuldigen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

An die ÖVP gerichtet, möchte ich sagen: Man ist wirklich für alles verantwortlich, was man tut, aber genauso für das verantwortlich, was man nicht tut.

Ich danke Ihnen allen und wünsche Ihnen allen in Zukunft das Beste. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS. – Abg. Pirklhuber: Bravo!)

1.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Vielen Dank für Ihren Einsatz im Hohen Haus und alles Gute für Ihre persönliche Zukunft und für Ihre Familie.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Kumpitsch. – Bitte.

 


1.05.31

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Jedes Jahr fällt eine Million Hektar Regenwald legalem oder illegalem Raubbau zum Opfer. Indonesien ist auf diese Weise mittlerweile zum größten Palmölproduzenten der Welt geworden. Mit diesem hemmungslosen Anbau von Ölpalmen sind nicht nur katastrophale Folgen für die Umwelt, für das Ökosystem, für bedrohte Tiere, sondern auch tragische menschliche Schicksale verbunden, wenn Tausende Menschen gezwungen sind, auf den Ölplan­tagen für einen Hungerlohn zu arbeiten und nicht in der Lage sind, ihre Familien zu ernähren. Die Folgen davon sind Armut und Flucht, und das führt zu Migration, wie wir sie gegenwärtig vielfach erleben.

Weniger bekannt ist – das hat Kollege Buchmayr vorhin ausgeführt –, dass Palmöl auch durchaus gesundheitliche Risiken in sich birgt. Palmöl ist zwar mit Abstand das günstigste Pflanzenöl, viel billiger als Sonnenblumenöl oder Rapsöl, es enthält aber auch ein Vielfaches an Schadstoffen, vor allem an Glycidyl-Fettsäureester. Das ist ein Stoff, der durch Raffinieren entsteht und bei der Verdauung im Menschen Glycidol freisetzt, was wiederum beim Menschen als krebserregende Substanz angesehen wird. Zum Mengenvergleich: Laut dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung enthält Palmöl 2,9 Milligramm Glycidol pro Kilogramm, Olivenöl oder Sojaöl enthalten hingegen nur 0,3 oder 0,4 Milligramm pro Kilogramm.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle kennen Freunde, Bekannte oder Verwandte, die an Krebs erkrankt oder sogar gestorben sind. Wir sind oft betroffen und fragen uns, wie das möglich war, und man fühlt sich hilflos. Was wir aber tun können, ist, dass wir Untersuchungsergebnisse wie den jüngst publizierten Greenpeace-Test zu


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 325

Palmöl ernst nehmen und entsprechende Maßnahmen setzen. Greenpeace ließ nämlich eine Reihe von Markenprodukten im österreichischen Lebensmittelhandel auf gesundheitsgefährdende Substanzen untersuchen. Dabei waren acht von elf Produk­ten solche, die Palmöl enthielten. Wenn das Gesundheitsministerium nunmehr die drei Produkte auf schädliche Stoffe untersucht – da war Milka-Erdbeerschokolade dabei, da war Biomargarine dabei, da war Rama Original dabei –, dann ist das gut und richtig. Und es ist auch richtig, wenn Handelsketten wie zum Beispiel Spar oder REWE diese Produkte aus den Regalen nehmen.

Was halt nicht passieren sollte und was unserer Umweltpartei, den Grünen, leider passiert ist, ist, dass man im Wahlkampf Zuckerl verteilt, die selbst mit gehärtetem Palmfett versehen sind. (Abg. Walter Rosenkranz: Hoppala!) Das ist vielleicht nicht so gescheit, es ist halt passiert. Man sieht aber an anderen Staaten wie zum Beispiel Norwegen, dass ein Umdenken da ist, es war dort möglich, dass der Verbrauch von Palmöl in den Firmen um 75 Prozent gesenkt wurde. Auch Italien beschreitet diesen Weg, indem die Supermarktkette Coop Hunderte Produkte mit Palmöl aus den Rega­len nahm.

Wenn wir heute einstimmig diese Entschließung fassen, mit der wir die Bundesregie­rung oder die zuständigen Minister beauftragen, sie mögen sich auf nationaler und auch auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass es zu einer Reduktion von Palmöl kommt, dann, glaube ich, sind wir zwar spät dran, aber doch auf dem richtigen Weg. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

1.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Mag. Brunner gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


1.10.25

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher, soweit Sie noch bei uns sind! Es geht um die Reduktion von Palmöl, aber da geht es eben um viel, viel mehr, es geht um Klimaschutz, um den Schutz des Regenwaldes, um die Eindämmung von Landraub und um die Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen.

Palmöl ist mittlerweile in so vielen Produkten enthalten, dass Konsumentinnen und Konsumenten – ja, auch wir – nicht immer auskommen, wenn man Produkte kauft. Ge­rade wenn es der Fall ist, dass Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr die Möglichkeit haben, das zu durchblicken und selbst zu entscheiden, ist die Politik gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen. Deswegen haben wir Grüne diesen Antrag zu einer Palmölreduktionsstrategie eingebracht. Wir Grüne haben eine umfas­sende Palmölreduktionsstrategie in Begleitung mit Waldschutzprogrammen, Wieder­auf­forstungsprogrammen gefordert. Wir haben auch beantragt, dass in der öffentlichen Beschaffung auf Palmöl verzichtet wird, dass das Palmöl den Agrotreibstoffen nicht mehr beigemischt wird. Unser Antrag wurde in den Verhandlungen im Umweltaus­schuss leider ein bisschen abgeschwächt, wir sind aber trotzdem froh, dass es einen gemeinsamen Antrag gibt, und deswegen stimmen wir natürlich auch gerne zu. Es ist ja auch unser Antrag damit mitbehandelt.

Das ist der erste Schritt, aber, wie gesagt, auch wenn wir diesen Antrag hier be­schließen, muss er ja auch noch umgesetzt werden. Herr Minister! Das ist unsere Erwartung, dass Sie diesen Antrag, den wir mit großer Mehrheit – ich glaube, einstim­mig – heute hier beschließen werden, auch umsetzen. Das war in der Vergangenheit nicht immer so. Ich erinnere an einen Entschließungsantrag zum Energieeffizienz­gesetz, den Sie bis heute nicht umgesetzt haben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 326

Ich habe es heute eingangs schon erwähnt, dass es viele, viele Initiativen im Umwelt­ausschuss gab, die meisten waren von den Oppositionsparteien. Die Regierungsvor­lagen, die wir ins Haus bekommen haben, waren eher kleinere Anpassungen an EU-Regelungen. Ich wünsche mir in der nächsten Legislaturperiode für die Umweltpolitik mehr Zug zum Tor. Ich glaube, das ist notwendig. Österreich hat leider keine aktive Um­weltpolitik mehr. Ich finde, es ist etwas, was Österreich immer ausgemacht hat, dass wir Umweltvorreiter waren, worauf man auch stolz sein konnte. Ich bin so aufge­wachsen: Wir sind Umweltvorreiterland. Ich war immer stolz darauf und ich finde es sehr schmerzhaft, wenn man jetzt international unterwegs ist und die Rückmeldungen bekommt, dass das nicht mehr so ist.

Wir Grüne haben über 200 durch das Ökoteam – danke an die MitarbeiterInnen des grünen Ökoteams und meine Kolleginnen und Kollegen – vorgeschlagene Maßnahmen beantragt, die eigentlich allesamt vertagt wurden. (Beifall bei den Grünen.) Seit dem Klimavertrag von Paris hat es keine Aktivität zur Umsetzung gegeben. Dem Kollegen Buchmayr kann ich nur zustimmen: Man ist dafür verantwortlich, was man tut, aber auch dafür, was man nicht tut. In der Umweltpolitik stand vor allem das Nichtstun in der letzten Legislaturperiode im Vordergrund. Das muss sich ändern! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Pirklhuber: Jawohl!)

Wir brauchen es nicht nur für die Umweltpolitik, sondern auch für die Wirtschaftspolitik. Das ist ein aufgelegter Elfer, den Sie nicht genutzt haben. In der nächsten Legislatur­periode gilt – wie gesagt –: mehr Zug zum Tor! Österreich braucht ganz sicher ein eigenständiges, starkes und engagiertes Klima-, Energie- und Umweltministerium. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Pirklhuber: Bravo!)

1.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Bernhard. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Wo ist der Leo?)

 


1.14.23

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher! Das Thema Palmöl hat uns im Umweltausschuss mehrfach beschäftigt. Kollege Steinbichler hat auch den gesamten Nationalrat manchmal damit beschäftigt.

Worum geht es? – Es gibt immer wieder Themen in der Umweltpolitik, natürlich auch die Gesundheitspolitik tangierend, bei denen man weiß, dass es besser geht, und sich fragt, wie es besser geht. Beim Thema Palmöl ist relativ klar, dass wir als Europäische Union der drittgrößte Palmölkonsument weltweit sind. Vor uns liegen nur Indien und Indonesien, wo es jedoch kulturell eine andere Bedeutung hat, auch in der Nahrungs­mittelindustrie. Es wird bei uns auch anders eingesetzt als in den dortigen Regionen. Mit dem Anbau gehen Menschenrechtsverletzungen, der Abbau natürlicher Res­sourcen, das Ausbeuten von Mensch, Tier und Landschaft einher. All das fördern wir auf eine Art und Weise, wie sie uns nicht zusteht.

Österreich kann innerhalb der Europäischen Union als drittgrößtem Konsumenten mit gutem Beispiel vorangehen. Wir können – und das wollen wir, das haben wir auch in diesem Antrag festgehalten – in öffentlichen Ausschreibungen das Thema Palmöl extra herausarbeiten, wir wollen keine Förderungen mehr einbringen und wir wollen auf europäischer Ebene auch solche Maßnahmen umsetzen. Es ist ein kleiner Antrag, es ist ein gemeinsamer Antrag, aber wir machen damit Österreich und Europa ein kleines Stückchen besser. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

1.16



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 327

Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Strasser ist der nächste Redner. – Bitte.

 


1.16.09

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In aller Kürze: Wenn man in die Regionen schaut, zeichnen wir uns durch starke regionale Wirtschaftskreisläufe und starke globale Wirtschaftskreisläufe aus. Das Prinzip der Nachhaltigkeit, die drei Säulen, sozial, ökologisch und ökonomisch, sollen als Grund­satz dienen, damit man diese beiden Phänomene gut zusammenführt und das Mit­einander in diesem Land stärkt. (Abg. Pirklhuber: Sozial-ökologisch!)

Ich sehe drei Bereiche, die wichtig sind. Wenn man von Standards spricht, wenn man von Rohstoffen und Produkten redet, dann muss man, wenn globale Ströme da sind, schauen, ob diese auch unsere Standards erfüllen und ob die Produktionsbedingungen erfüllt sind. Da sehe ich beim Palmöl eindeutig einige große Fragezeichen. Ich sehe aber auch andere Projekte. Wenn man zum Beispiel Eier aus der Ukraine importiert, dann ist das ein kontinentales Problem, das die EU beschäftigt. Wenn man Puten aus anderen EU-Ländern zu anderen Produktionsbedingungen, als wir sie in Österreich haben, importiert, dann ist das ein Problem der Europäischen Union.

Zweiter Bereich: Es geht ganz stark um die Kennzeichnung. Ich möchte das Projekt der Landwirtschaftskammer Österreich „Schau drauf, wo’s herkommt!“ anführen. Es ist für Konsumentinnen und Konsumenten wichtig, dass sie wissen, was in den Produkten drinnen ist. Es ist eine Frage der Transparenz, und die klare Stoßrichtung ist – ich glaube, das eint uns in diesem Hohen Haus –, dass wir österreichische Produkte stär­ken wollen. Auch das geht irgendwie aus diesem Antrag hervor.

Der dritte Bereich ist das AMA-Gütesiegel. Ich sehe durchaus dort und da die Mög­lichkeit, dass man dieses Programm weiterentwickelt. Das muss auch so sein, und ich sehe mit Begeisterung, dass auch die Palmölproblematik in die Überlegungen zum AMA-Gütesiegel bereits Eingang findet. Ich sehe also, dass wir auf dem richtigen Weg in eine gute Richtung sind und bedanke mich für die interessanten Diskussionen. – Danke schön, alles Gute. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Pirklhuber: Mit diesem Antrag, Kollege!)

1.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mister Palmöl, Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 


1.18.48

Abgeordneter Leopold Steinbichler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Da gehört ein Taferl dazu. (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der Orang-Utans vor einem gerodeten Waldstück zu sehen sind. – Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Walter Rosenkranz: So kann man mit Hartnäckigkeit kleine Probleme lösen!) Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe zwei Produkte mitgenommen: Das erste Produkt, mit dem es begonnen hat, wird leider auch von einem österreichischen Molkereibetrieb gehandelt (eine Dose Sprüh­sahne in die Höhe haltend), nämlich belgische Pflanzensprühsahne, und das aktuellste Produkt (eine Packung Müsli in die Höhe haltend) ist ein Produkt vom Genussland Oberösterreich, Bio-Müsli mit Palmöl. Kolleginnen und Kollegen, das zeige ich nur, damit wir wissen, wie weit sich der Bogen spannt!

Ich wollte bewusst beim Regenwald anfangen. Kolleginnen und Kollegen haben es schon erwähnt: „Landraub“, „Die Fett-Falle“ – Kurt Langbein. Es gibt genug Dokus, aus denen wir wissen, welche brutalsten Vorkommnisse mit Palmöl verbunden sind.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 328

Wie verrückt die Welt ist, zeigt vielleicht der folgende Vergleich. Wenn der Liter Motoröl heute bis zu 40 € kostet – ein Liter Motoröl! –, damit man die Garantie für das Auto behält, und der Liter Speiseöl 2 bis 3 € kostet, dann wissen wir, wie die Welt aus den Fugen geraten ist.

Dieses Bild (auf die am Rednerpult stehende Tafel zeigend, auf der eine Orang-Utan-Mutter mit Baby vor einem gerodeten Waldstück zu sehen ist) zeigt natürlich den Regenwald und was die Regenwaldrodung für die Tierwelt, für die Menschen bedeutet. (Der Redner dreht die Tafel um; zu sehen ist ein überfülltes Schlauchboot im Meer.) – Da sind wir bei der Asyldiskussion. Das sind die Flüchtlingsboote, das sind die Wirt­schaftsflüchtlinge, die dort nicht leben können. Pro Stunde werden 1 000 Hektar Regenwald gerodet. Das ist nicht nur eine klimatische Katastrophe, sondern auch eine Katastrophe für die Wohnbevölkerung. Da jetzt in Indonesien die Fläche nicht mehr reicht, ist man bereits in Afrika angekommen. Die Kontinente werden zerstört.

Es ist eine sehr interessante Feststellung, wenn heute gesagt wurde: Es gibt 450 gly­pho­satfreie Gemeinden. Das gibt es einmal überhaupt nicht, das kann sich maximal auf die Anwendung in Österreich beziehen. Wir aber wissen, dass wir in jeder Gemeinde das Palmöl in den Lebensmitteln, in den Kosmetika, in den Reinigungs­mitteln und überall haben.

Ich denke auch an das Ausufern des Eingreifens der Politik, wenn man sagt, man diskutiert den Bräunungsgrad der Pommes frites und der Schnitzel, aber man unterhält sich nicht darüber, in welch gefährlichem Frittierfett das herausgebraten wird. Ich glaube, das bestätigt das vorhin Skizzierte ebenfalls.

Kollege oder Präsident Strasser, jetzt zu sagen, wir sind am richtigen Weg, „Schau drauf, wo‘s herkommt!“: Seit 2009 wird das Qualitätsgütesiegel-Gesetz vertagt. Wer hindert jemanden daran, ordentlich zu kennzeichnen? – Ich kenne keine Kollegin, keinen Kollegen, die/der sich dagegen wehrt zu wissen, dass sie/er in der Kenn­zeichnung erkennt, was drinnen ist, dass sie/er eine Garantie hat. Dazu brauchen wir nicht wieder neue Gütesiegel. Wir haben einen Etikettendschungel: 150 verschiedene Gütesiegel. Da braucht es nichts Neues. Wir müssen nur einmal das Gesetz umsetzen. Das Qualitätsgütesiegel-Gesetz würde das mit einem Schlag beenden.

Der letzte Punkt, den ich damit noch aufzeigen möchte: Das Palmöl steht im direkten Zusammenhang mit dem Aussterben des ländlichen Raumes. Davon ist nicht nur die Milchproduktion betroffen. Es ist immer der falsche Ansatz zu meinen, dass wir hier nur von der Milchfettproduktion reden. Nein, da ist die Schweinewirtschaft betroffen, da ist die Ackerwirtschaft betroffen. Wir müssen wissen, mit diesen Palm- und Kokosfetten kann man noch weitergehen, damit werden heimische Fette, die auch am Land, am Acker wachsen, Rapsöl, Sonnenblumenöl, substituiert. Das ganz Gefährliche daran ist, dass das Fett natürlich mit brutalster Chemie erzeugt wird.

Es gibt Statistiken, die klipp und klar zeigen, dass im selben Ausmaß, in welchem die Regenwaldabholzung steigt, auch die Glyphosatproduktion steigt. Das ist ein Megageschäft, wenn mit massivem Kunstdüngereinsatz 30 Jahre lang produziert wird. Danach sind die Böden tot. Man sieht das bei den Dokus. Das ist ja furchtbar, was da angestellt wird.

Ich möchte mich an dieser Stelle wirklich bei allen Fraktionen bedanken, dass nach diesem zähen Ringen und immer wieder Aufzeigen – von manchen schon sehr belächelt – die Botschaft angekommen ist, und hoffe, dass diese Thematik in der nächsten Legislaturperiode intensiv weiterbearbeitet wird. Denn die Gefahr ist: Wir sehen jetzt die ersten Inserate von Supermärkten wieder in den Zeitungen, die mit einem Produkt, das palmölfrei ist, werben, aber 800 Produkte mit Palmöl im Regal haben. 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 329

Deshalb bitte ich sehr darum, diese Kampagne fortzuführen. Es ist ein erster sinnvoller Beginn. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

1.24

01.24.16

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1777 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Palmöl – billiges Fett mit teuren Folgen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 221.)

01.24.5118. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Ständigen Unter-ausschusses des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG-NR betreffend Durchführung des Verlangens der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen auf Prüfung der Gebarung des Bundeskanzleramts und des Bundesdenkmalamts inklusive seiner Abtei­lungen in den Bundesländern (1782 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hell. – Bitte.

 


1.25.41

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Rechnungshof hat bei der Überprüfung des Bundesdenkmalamtes Fehlentwicklungen aufgezeigt, die letztendlich in 99 Empfehlungen gemündet sind und aufgrund eines Verlangens der Abgeordneten Rosenkranz und Zinggl zur Einsetzung eines Unteraus­schusses des Rechnungshofausschusses geführt haben.

Der zuständige Unterausschuss hat sich in zwei Sitzungen mit den Vorwürfen gegen das Bundesdenkmalamt inklusive seiner Abteilungen in den Bundesländern auseinan­dergesetzt und dazu acht Auskunftspersonen befragt. Es liegt ein Ausschussbericht vor, der einstimmig von allen Fraktionen beschlossen wurde. – Danke für die konstruk­tive Arbeit im Ausschuss selbst und auch für die Befragungen. Ich glaube, die Abwick­lung dieses Unterausschusses war sehr positiv.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf einen Punkt aus diesem Bericht herausgreifen. Es geht darin um das Denkmalinformationssystem und das Denkmal­objektinformationssystem , die an und für sich bereits 2009 begonnen wurden und 2013 in Echtbetrieb genommen werden sollten, letztendlich jedoch noch immer nicht zur Verfügung stehen. Fakt ist, dass da gravierende Mängel – beim gesamten Ver­gabe­prozess, bei der Planung bis zur Dokumentation – auf allen Ebenen aufgetreten sind und die Sache nicht funktioniert hat.

Laut Rechnungshofbericht explodieren die Kosten für dieses Projekt. Kulturminister Mag. Thomas Drozda hat festgestellt, in der Zuständigkeit des Bundesdenkmalamtes gibt es ein Millionengrab. Im Ausschussbericht wird festgehalten, dass es vonseiten des Bundeskanzleramtes bereits Schritte zur Reformierung des Bundesdenkmalamtes gibt und dass das Bundesdenkmalamt angewiesen wurde, die Empfehlungen des Rechnungshofes umzusetzen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 330

Meine Damen und Herren! Es wurden heute schon viele Abschiedsworte gesprochen. Auch ich darf mich nun in meinem letzten Redebeitrag von Ihnen verabschieden. Neuneinhalb Jahre durfte ich diesem Hohen Haus als Mitglied angehören. In meinen Parlamentsjahren durfte ich in vielen unterschiedlichen Ausschüssen Mitglied und in dieser Funktion tätig sein. Meine besondere Schwerpunktarbeit galt hierbei den Bereichen Verkehr, Soziales, Volksanwaltschaft und Rechnungshof.

Ich wechsle jetzt in den untersten Bereich der Verwaltungs- und Entscheidungsebene unserer Republik, auf die Gemeindeebene. Ich bin seit zweieinhalb Jahren Bürger­meister und werde mich hinkünftig zur Gänze dieser Aufgabe widmen.

Abschließend ein Danke für Ihre Unterstützung und Wertschätzung. Alles Gute und viel Erfolg für die großen Herausforderungen in den nächsten Jahren! – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

1.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, vielen Dank für Ihre Arbeit hier im Hohen Haus und alles Gute für Ihre Familie und Ihre Zukunft! Alles, alles Gute!

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Durchschlag. – Bitte.

 


1.29.17

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist eine Kunst- und Kulturnation. Wir haben eine vielfältige Museenlandschaft, eine große Zahl von Festivals, kleinere und größere Theater, viele Kulturinitiativen. Das ist sozusagen die eine Seite.

Die andere Seite ist jene der veralteten Strukturen, der Freunderlwirtschaft, des schlam­pigen Umgangs mit Compliance-Regeln und auch mit dem Geld der Steuer­zahlerin­nen und Steuerzahler. Diesen Eindruck muss man leider haben, wenn man als Mitglied des Unterausschusses des Rechnungshofausschusses tätig ist. Wir hatten den Burgtheaterskandal und auch die Vorwürfe um das Bundesdenkmalamt. Diese zwei Komplexe haben wir im Unterausschuss behandelt.

Auch wenn die Zeit für die Aufarbeitung der Geschehnisse im Bundesdenkmalamt kurz bemessen war, kann man eines mit Sicherheit sagen: Die Vorwürfe des Rechnungs­hofes haben leider eine solide Basis in den Strukturen.

Was waren nun die wichtigsten Erkenntnisse unserer Arbeit? Beim Thema der man­gelnden Aufgabenwahrung bei Unterschutzstellungen hat sich das Bundesdenkmalamt vorgenommen, jährlich circa 500 bis 600 Bescheide zu erlassen. Im Jahr 2014 waren es aber beispielsweise nur 126 Denkmale, die tatsächlich unter Schutz gestellt wurden. Die Beantwortung der Frage, warum das Bundesdenkmalamt seine Ziele nicht einmal zur Hälfte erreicht hat, hat auch mit mangelnden Personalressourcen zu tun.

Da sind auch das zuständige Ministerium beziehungsweise jetzt das Bundeskanzler­amt nicht aus der Pflicht zu entlassen. Das Bundesdenkmalamt als nachgeordnete Dienststelle konnte nicht einfach zusätzliche Stellen ausschreiben, hat aber offen­sichtlich zu wenig um Aufstockung gekämpft. Ebenso fehlt eine transparente Unter­schutz­stellungsstrategie, was die Zielerreichung nicht einfacher macht.

Viel Diskussionsbedarf gab es zum Themenkomplex betreffend die Einführung der IT-Systeme DEMIS und DOBIS. Die aus dem Ruder gelaufenen Kosten, der Zeitpunkt der Einführung dieser Systeme, die bereits im Jahr 2013 ihren Betrieb hätten aufnehmen sollen, der Mangel an personellen Kapazitäten mit Erfahrung in der IT-Abteilung des Bundesdenkmalamtes, die Auftragsvergaben – damals noch aus dem BMUKK –, die Disziplinarverfahren gegen einen der beiden verantwortlichen Beamten und die eigen-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 331

artige Tatsache, dass die Disziplinaranzeige gegen den Sektionschef erst vier Tage nach Ablauf der Verjährungsfrist erstattet wurde: Das alles lässt die Annahme von teils rechtswidrigen Handlungen, von Unkoordiniertheit und von einem besonders fehler­haften und fehleranfälligen Management zu, und zwar sowohl auf der Seite des Ministeriums als auch auf der Seite des Bundesdenkmalamtes. Und dass das Bera­tungs­unternehmen ICG einerseits am Projekt DEMIS/DOBIS beteiligt war und andererseits aber auch mit der Evaluierung des BDAs beauftragt wurde, lässt zumindest den Schluss einer fehlenden Sensibilität in Compliance-Fragen zu.

Was sind daher die Lehren aus diesem Ausschuss? – Aus Sicht der ÖVP bedarf es dringend einer Strukturreform. In einer Konstruktion mit nachgeordneten Dienststellen ist besonders auf nachvollziehbare Abläufe, auf professionelle Kommunikation und in der Realität auch wirklich machbare und umsetzbare Strategien bei Unterschutz­stellungen zu achten. Geteilte und nicht klar definierte Zuständigkeiten bergen das Risiko des Scheiterns in sich. Daher ist es aus unserer Sicht auch nicht besonders fair, wenn jetzt versucht wird, die gesamte Verantwortung auf das Bundesdenkmalamt abzu­­wälzen.

In jedem Fall wird es eine wichtige Aufgabe der nächsten Regierung sein, alles zu tun, um den Denkmalschutz so auszugestalten, dass das gebaute kulturelle Erbe Öster­reichs erhalten bleibt, gleichzeitig aber Maßnahmen zu setzen, dass Eigentümer nicht nur die Wahl zwischen dem Verfallenlassen der Bausubstanz auf der einen Seite oder dem wirtschaftlichen Fiasko auf der anderen Seite haben. Der Ausschuss hat jedenfalls ausgezeichnet gearbeitet. Er hat, wie bereits erwähnt, erstmals einen gemeinsamen Bericht erstellt, was ich als sehr positives Zeichen in einer Zeit aufge­heizter Debatten sehe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der letzte Tagesordnungspunkt am letzten Plenartag in dieser Periode ist für mich die letzte Möglichkeit, mich von Ihnen allen zu verabschieden. Ich wünsche den Abgeordneten, die in den neu gewählten Nationalrat wieder einziehen, viel Erfolg bei der Arbeit im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher. Ich wünsche denjenigen, die ihre politische Karriere beenden, alles Gute im neuen Lebensabschnitt, und genießen Sie die wiedergewonnene Freizeit.

Ich möchte mich ganz herzlich bei den KlubmitarbeiterInnen des ÖVP-Parlamentsklubs für die ausgezeichnete Servicierung bedanken. Ein besonders großes Dankeschön geht natürlich an meine parlamentarischen MitarbeiterInnen, die mich diese neun Jahre großartig begleitet und unterstützt haben.

Bei Ihnen allen möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit und wertschätzende Ge­spräche bedanken. Es war mir eine große Ehre und Freude, für die Österreicherinnen und Österreicher zu arbeiten. Es waren neun spannende, zum Teil auch sehr herausfordernde Jahre für mich, aber es war mir immer eine sehr große Ehre und Freude, im Hohen Haus tätig zu sein. In diesem Sinne noch einmal alles Gute. Danke für die gute Zusammenarbeit. (Allgemeiner Beifall.)

1.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Kollegin, auch an Sie alles, alles Gute, für Sie persönlich und für Ihre Familie. Vielen Dank für Ihren Einsatz für dieses Hohe Haus. Vielen, vielen Dank.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


1.34.57

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ja, wir führen diese Debatte zu später Stunde. Wir hatten eine Einwendungsdebatte bereits zu Beginn des Plenartages. Kollege Zinggl wollte diesen Punkt früher auf der Tagesord-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 332

nung haben, damit Kollege Pilz noch zuhören kann, aber für den ist es offensichtlich heute schon ein bisschen zu spät. Kollege Zinggl, Sie werden heute ohne Applaus des Kollegen Pilz auskommen müssen, das macht aber nichts. Wir führen diese Debatte an einem Tag, an dem uns die Medienberichte gezeigt haben, dass die USA und Israel aus der UNESCO ausgetreten sind.

Das ist insoweit bemerkenswert, da es natürlich bei der UNESCO auch um den Schutz von Kulturgütern weltweit geht. Die UNESCO vergibt das Prädikat des Weltkulturerbes, und da sehen wir durchaus auch in Österreich im Spannungsfeld des Bundesdenk­malamtes einiges im Argen liegen. Ich erwähne hier nur das Projekt Heumarkt.

Generell gesprochen steht das Bundesdenkmalamt irgendwie unter Beobachtung der Bürgerinnen und Bürger, die sagen, die Großen können sich es beim Denkmalamt richten – Beispiel Haselsteiner oder andere Investoren –, die Kleinen werden gestraft. So zum Beispiel wird ein Winzer in der Wachau, der sich betrieblich vergrößern möchte, vom Denkmalschutz gestraft, er darf seine Betriebsstätte nicht vergrößern.

In diesem Zusammenhang vielleicht auch noch zum Bewusstsein für das Denkmal: Wir haben bereits gehört, wir sind eine Kulturnation, wir sind stolz auf unsere Kultur­schät­ze. Wir sind stolz auf unsere Gebäude, auf unsere historischen Ensembles. Aber was wird eigentlich vom Staat allgemein dafür getan? – Die Touristen kommen übrigens deswegen zu uns und schauen sich das an.

Aber zum Beispiel eine Tourismusgemeinde wie Dürnstein in der Wachau: Dort gibt es keine Möglichkeiten zu sagen, wir hätten gern Solarpaneele auf den Dächern, wir hätten gern ganz besondere Fenster mit besonderen Dämmwerten, wir hätten gern ganz besondere Dämmungen zum Beispiel auf unseren Fassaden. Das geht aufgrund des Denkmalschutzes nicht. Dafür gibt es aber auch keine Förderung von solchen ener­giesparenden Methoden.

Eine zweite Problematik hat sich aufgrund der Debatte mit der Frage der Miet­zins­obergrenze aufgetan. Mich haben sehr viele Hauseigentümer angesprochen: Wenn das Ganze, so wie in diesem Fall, auch ein denkmalgeschütztes Haus ist und ich saniere das, um zu vermieten, dann komme ich wirtschaftlich nicht mit Mietpreisen wie hier angedacht durch.

Das sind halt keine Plattenbauten, die in irgendeiner Form kommen. (Abg. Willi: Unser Modell sieht das ausgewogen!) – Das ist dann Ihr Modell, aber bei der Obergrenze geht es, wie es ausschaut, darum. (Zwischenrufe.) – Ja, Sie kommen nachher noch alle dran. Egal, ob es die letzte Rede sein wird oder nicht, Sie dürfen dann noch reden.

Jetzt kommen wir zu diesem kleinen Untersuchungsausschuss, diesem Unteraus­schuss des Rechnungshofausschusses. Es war wirklich – und es ist bereits im Detail ausgeführt worden – skandalös, was sich da unter dem Schutzmantel des Bundes­kanzleramtes getan hat: die EDV-Datenbank Jahre hindurch nicht in Funktion, von Gesellschaften zu Tode geprüft, analysiert, weitergearbeitet, subventioniert und bezahlt unter dem Titel von Forschungsprojekten, weil es sich sonst budgetmäßig gar nicht ausge­gangen wäre; kein Überblick über die Aktenlage, über die Zahlungen von Förderungen et cetera. Bescheide sind – es ist schon angesprochen worden – allenfalls unter Personalmangel nicht entsprechend erlassen worden. Es hat Anzeigen gegeben.

Es gibt skurrile Beispiele, wie damit umgegangen wurde. Da wird zum Beispiel, auch wenn es überhaupt kein Problem wäre, gesagt und behauptet, die Personen A, B und C stehen einer bestimmten politischen Richtung oder einem Verein als Mitglieder nahe. Da könnte man sagen, das geht eigentlich überhaupt niemanden etwas an, das ist Privatsache. – Nein, dort wird aber folgendermaßen geantwortet: Aha, A, B und C


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 333

sollen dort dabei sein, wir geben dem Herrn Minister und dem Rechnungshof als Ant­wort, die Person Y ist dort nicht dabei.

Also mit einer derartigen Redlichkeit wird dort in dem Bericht gearbeitet. Es ist zum Beispiel für das Denkmalamt komplett uninteressant, ob Restauratoren wegen Preis­absprachen gerichtlich verurteilt worden sind. Da sagt man: Das erfahren wir nicht, die Information bekommen wir nicht, das wissen wir nicht, das interessiert uns nicht. Das sind aber jene Restauratoren, die dem Bürger, der in einem denkmalge­schützten Ob­jekt ein Projekt durchführen möchte, quasi aufs Auge gedrückt werden, im Sinne: Du darfst nur mit solchen Qualifizierten arbeiten!

Das führt nämlich dazu, dass es einen ganz beschränkten Kreis von Restauratoren, Auftragnehmern, Gutachtern gibt, die überhaupt beim Denkmalamt zum Zug kommen.

Ich habe zum Beispiel gefragt, ob es da konkrete Listen gibt, wo man nachschauen kann, wer dafür qualifiziert ist. Die erste Auskunftsperson, ein hochrangiges Mitglied des Bundesdenkmalamts, sagte: Nein, solche Listen werden nicht geführt! Dann kommt die nächste Auskunftsperson, ich frage sie, ob es da Listen gibt, sagt darauf diese andere, ebenfalls hochrangige Auskunftsperson: Selbstverständlich werden solche Listen geführt! – Also da ist es uns schon so vorgekommen, dass dort wirklich die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. Dass dort gewisse Naheverhältnisse ver­wandtschaftlicher Natur existieren, Nepotismus, das ist aus allen Fugen, aus allen Ritzen gedrungen.

Letztlich stellt sich auch die Frage, warum gerade bei jenem Sektionschef, der schon in der Burgtheateraffäre eine entsprechend negative Rolle gespielt hat, das Disziplinar­verfahren vier Tage zu spät eingeleitet wurde und die Angelegenheit daher verjährt ist. Eine nachgeordnete Abteilungsleiterin hat man hingegen richtig eintunken können, das war überhaupt kein Problem!

Wir stehen jetzt aber auf einem kleinen – unter Anführungszeichen – „Trümmer­hau­fen“, der dort entstanden ist – aber das Bundesdenkmalamt als Institution muss für Österreich wichtig sein. Es geht daher darum, wie man in Zukunft mit gewissen Dingen umgeht: Es geht um Compliance-Richtlinien und um die personelle Ausstattung.

Es ist auch angesprochen worden, das Bundesdenkmalamt in irgendeiner Form zu verländern, da gibt es auch bereits die ersten Begehrlichkeiten von Landeshauptleuten. Das kann nicht funktionieren! (Abg. Rädler: Redezeit!) – Herr Kollege Rädler, wissen Sie, wer hier über die Redezeit wacht? – Nicht du, sondern der Präsident, verstehst du?! (Abg. Rädler: Der hat den Kopf geschüttelt!)

So funktioniert das: Der eine leitet – und der andere macht nur sinnlose Zwischenrufe, und das ist meistens der Kollege Rädler. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

Keine Verländerung also. Es ist interessant: Wenn es um Begehrlichkeiten von Lan­deshauptleuten geht, ist das immer ein Reflex vom Kollegen Rädler. Er hat das bei Erwin Pröll schon gelernt und setzt das jetzt bei Mikl-Leitner fort. Er nimmt es immer als persönliche Beleidigung und muss sich sofort in die Bresche werfen, auch wenn es vom Inhalt überhaupt nicht dazu passt. Das ist ein kleiner Reflex, so etwas kennt man ja auch aus bestimmten Bereichen der Verhaltensforschung. (Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Verländerung kommt nicht infrage: Der Denkmalschutz in Österreich, die Gotik in Österreich, wenn man die behandeln möchte, muss sie zwischen Bodensee und Neu­siedlersee gleich behandelt werden. – Abgesehen davon, dass man in diesen Be­reichen ganz besonders hohe Expertise braucht, würde es mit einer ganz klaren Verteuerung einhergehen, wenn sich jedes Bundesland jetzt seine Experten für die einzelnen Bereiche leisten würde.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 334

Mein Appell für die Zukunft: Ich hoffe, im Kulturbereich geht insgesamt in der nächsten Legislaturperiode etwas weiter. (Beifall bei der FPÖ.)

1.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.

 


1.43.16

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Kollege Rosenkranz hat ja schon viel gesagt, im Grunde genommen kann man ihm nur beipflichten.

Das Bundesdenkmalamt ist ja eingesetzt, um den Erhalt und Schutz unserer natio­nalen Bauten- und Kulturdenkmäler zu gewährleisten – aber in diesem Ausschuss wur­den wahnsinnige Missstände aufgedeckt: Unterschutzstellungen wurden über Jahre verzögert, in keinem Jahr wurde die geplante Unterschutzstellungsquote erreicht. Eigentümer von Objekten wurden vertröstet beziehungsweise bekamen nicht einmal eine gescheite Nachricht.

Es gibt eine mit 4 Millionen € budgetierte Datenbank, da sind wir jetzt schon bei über 10 Millionen €! Betreffend die Ausschreibungspflichten habe ich einmal im Ausschuss nachgefragt, ob da wesentlich gegen geltendes Vergaberecht verstoßen wurde, und darauf kam die Antwort: Ja, das war so! Das war also fast schon ein Kabarett. Es ist auch vorgekommen, dass Geld bereits ausbezahlt wurde und erst im Nachhinein ein Ansuchen eingereicht wurde – das gab es alles.

Da muss man sagen: Dort muss es eigentlich zu einer völligen Neuorganisation kommen. Wir sind jedoch ganz klar gegen eine Ausgliederung. Was es braucht, ist eine Neuorganisation und ein Neustart, aber auf keinen Fall eine Ausgliederung! (Beifall bei den NEOS.)

1.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hakel. – Bitte.

 


1.45.14

Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Ich möchte mich einmal bei den Oppositionsparteien bedanken: Es war damals noch Kollege Zinggl für die Grünen und, ich glaube, Kollege Rosenkranz, die den Kleinen Untersuchungsausschuss möglich gemacht haben. Man konnte schon anhand des Rechnungshofberichts sehen, dass da einiges im Unklaren ist, und so hatten wir die Möglichkeit, da Licht ins Dunkel zu bringen.

Sehr viel wurde schon gesagt, was vom Rechnungshof kritisiert worden war, was von uns dann noch näher angeschaut wurde. Ich bin auch der Meinung, dass im Bun­desdenkmalamt eine heillose Überforderung der MitarbeiterInnen stattgefunden hat, es keine Unterstützung vonseiten der Präsidentin gegeben hat, diese nicht rechtzeitig einen Hilferuf gestartet hat und nicht gesagt hat, dass sich das alles nicht mehr aus­geht. Auch den politisch verantwortlichen Minister hat sie nicht rechtzeitig informiert. Natürlich sehe ich auch eine Verantwortung bei den Ministerien: Das war damals das BMUKK und dann später das Bundesdenkmalamt, welche die Kontrolle nicht einge­hend genug gemacht haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist auch meine letzte Rede, ich werde dem nächsten Nationalrat nicht mehr angehören. Ich bin dann neun Jahre Abgeordnete gewesen, habe aber insgesamt 17 Jahre im Hohen Haus verbracht: Ich habe 2000 als parlamentarische Mitarbeiterin von Caspar Einem angefangen und durfte später Pressesprecherin der damaligen Ersten Nationalratspräsidentin Barbara Prammer


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 335

sein. Es war für mich eine hohe Auszeichnung, für diese beiden PolitikerInnen arbeiten zu dürfen.

Ich bin dann 2008 in den Nationalrat gekommen, zuerst für die Steiermark, für den Bezirk Liezen. Ich habe mich stark für den ländlichen Raum eingesetzt, später war ich dann für Kunst und Kultur und im letzten Jahr auch noch für Start-ups zuständig. Insge­samt habe ich 20 Jahre in der Bundespolitik verbracht, also eigentlich mein halbes Leben. Es waren aufregende, spannende, intensive, lehrreiche und auch ereignis­reiche Jahre – aber jetzt ist auch für mich die Zeit gekommen, einen neuen Weg ein­zuschlagen, eine neue berufliche Herausforderung anzunehmen.

Ich möchte mich bei all jenen bedanken, die mich in diesen letzten Jahren begleitet haben: natürlich bei den KollegInnen in der Fraktion, bei den Kolleginnen und Kollegen im Parlamentsklub, bei meinen parlamentarischen MitarbeiterInnen, aber auch bei den KultursprecherInnen der anderen Fraktionen. Es hat mir immer sehr großen Spaß gemacht, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, es war mir eine große Freude!

Privat habe ich jetzt mein ganz eigenes Start-up gegründet, das kommt dann im März zur Welt. (Allgemeiner Beifall.) Danke. Das wird dann meine Aufmerksamkeit erfor­dern, bevor ich dann nächstes Jahr im Herbst in einen neuen Beruf starte. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

1.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich darf mich sehr, sehr für Ihre Arbeit für dieses Haus bedanken! Sie waren an der Seite von Barbara Prammer, die uns alle sehr stark geprägt hat – eine beeindruckende Frau. – Für Ihr persönliches Start-up wünsche ich Ihnen alles, alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


1.48.56

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich halte heute meine letzte Rede, aber ich möchte trotzdem mit dem Rechnungshofbericht beginnen und kurz Bilanz ziehen.

Es wurde heute bei der Einwendungsdebatte schon gesagt, dass es tatsächlich so ist, dass der Rechnungshofausschuss und die Rechnungshofberichte ein bisschen ein stiefmütterliches Dasein fristen, was die Tagesordnung betrifft. (Zwischenruf der Abg. Moser.) Ich habe einmal nachgefragt. – Die Frau Kollegin Ausschussvorsitzende Moser wird sich später sicherlich noch zu Wort melden.

Ich formuliere es absichtlich vorsichtig, denn ich meine, es wäre besonders aus Sicht der Oppositionsparteien wichtig, hartnäckig zu sein, wenn es um die Erstellung der Tagesordnung geht. Immer wieder höre ich: Das gibt es gar nicht, dass wir wieder hinten dran sind. Das hat niemand verlangt. Ich bitte also diejenigen, denen es ganz wichtig ist, dass gewisse Dinge an prominenter Stelle behandelt werden, dabei stur und stark zu bleiben.

Von 124 Berichten, die in den letzten vier Jahren vorgelegen sind, sind 85 ins Parla­ment gekommen, und diese wurden in insgesamt 43 Ausschusssitzungen abgehandelt. Das ist also einer der intensivsten Ausschüsse, die wir haben, und es ist ein wichtiger Ausschuss. Er fungiert nämlich nicht nur als Kontrollinstrument, sondern ist auch für die Ministerien wichtig. Es war auch unser fraktionsinternes Ziel, zumindest bei unse­ren Ministerien Druck zu machen, dass die Fehler, die da passiert sind, abgestellt werden und dass man aus diesem Bericht auch Lehren zieht.

Ich gehe gerne, ich habe schon vor längerer Zeit entschieden, aus dem Parlament auszuscheiden, aber es kommt bei mir ein bisschen Wehmut auf, wenn ich daran


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 336

denke, dass der als so objektiv geltende und überparteilich handelnde Ex-Rechnungs­hofpräsident – den wir alle sehr geschätzt haben und, wie ich hoffe, nach wie vor schätzen – nun ins Parlament kommen wird. Vermutlich wird ihm das hier zu klein sein, und er wird direkt in ein Ministeramt wechseln, wenn das so ausgeht, wie viele das planen.

1 008 Vorschläge hat er hinterlassen – ein dickes Konvolut, das dann vermutlich eine Fülle von Anträgen bringen und genügend Druck ausüben wird, um Verbesserungen zu bringen. Diese Arbeit ist eine ganz wichtige und hat mich auch sehr gefreut.

Ich möchte mich auch bedanken, vor allem bei unseren Mitgliedern des Rechnungs­hofausschusses, bei unserem Sekretär, bei allen Sekretären insgesamt in unserem Klub, die uns die ganzen Jahre hindurch hervorragend unterstützt haben, auch mich persönlich. Besonders die Fachreferenten Kurt Schober früher als Bildungssprecher und Christian Götz beim Rechnungshof haben das wirklich ganz hervorragend ge­macht und auch den Überblick behalten.

Eines habe ich auch im Ausschuss schon gesagt: Ich bedauere, dass die Rechnungs­hofpräsidentin weder im Ausschuss war noch heute hier ist. Liebe Freunde, das darf nicht vorkommen! Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Rechnungshofprä­sidentin beziehungsweise der Rechnungshofpräsident anwesend zu sein hat, wenn die Berichte hier diskutiert werden. (Zwischenruf des Abg. Haubner.) Das ist eine ganz wichtige Forderung, die wir diesbezüglich stellen sollten. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Zum Schluss möchte ich noch sagen: Ich habe mein Büro schon zur Hälfte geräumt, ich habe mir zwei, drei Rechnungshofberichte als Andenken mitgenommen, weil sie auch ein Nachschlagewerk für viele weitere politische Aktivitäten sind, auch wenn man nicht mehr aktiv in der Politik ist, aber sich trotzdem informieren will – ob das Einkom­mensberichte sind oder andere Dinge, die für die Zukunft ganz, ganz wichtig sind.

Abschließend geht mein Dank an alle Mitglieder der Parlamentsdirektion – den Klub habe ich schon erwähnt – und an alle Abgeordneten und Kollegen. Mein Dank gilt auch den beiden Klubobleuten, die ich in meiner Tätigkeit erleben durfte, Josef Cap und Andi Schieder, die uns immer sehr viel Freiheit gelassen und uns sehr viel bei der parlamentarischen Arbeit unterstützt haben. Großen Dank auch euch beiden!

Es ist so: Wenn man die Möglichkeit hatte, in Gemeinde, Land und Bund aktiv zu sein, dann kann man eines von Wahlkämpfen und Stammtischen lernen: Ich meine, es ist ganz wichtig, dass wir als politische Mandatare nicht den Stolz verlieren und auch am Stammtisch – oder egal wo sonst – unseren Mann oder unsere Frau stehen und zu unserer Überzeugung stehen. Wir sind schließlich von jenen gewählt, die in uns vertrauen, und das ist das Wichtigste, das man auch jungen Abgeordneten mitgeben kann, egal ob sie wiedergewählt werden oder neu kommen: Es ist wichtig, dass wir stolz auf unseren Beruf sind! Stolze Abgeordnete sind selbstbewusste Abgeordnete, und selbstbewusste Abgeordnete schaffen auch ein selbstbewusstes Parlament. Das wünsche ich euch und allen, die wiedergewählt werden. Vor allem wünsche ich euch auch eine gute Gesundheit!

„Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ – Ich wünsche euch Gesundheit, ein gutes Händchen, viel Glück, Energie und Freude bei der weiteren politischen Tätigkeit.  – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

1.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, Sie haben dieses Haus über Jahre geprägt, vielen Dank für Ihre Arbeit im Hohen Haus und alles, alles Gute!

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Dr. Zinggl. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 337

1.54.09

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Ich bin wirklich positiv überrascht, denn ich habe eigentlich gedacht, dass es 2 Uhr wird, bis dieser Tagesordnungspunkt zur Besprechung kommt – aber es ist halb zwei, und das ist ganz toll. (Abg. Schieder: Kommt der Pilz erst um 2 Uhr wieder?)

Das Angenehme rund um diese Zeit ist, dass der Verhandlungston so ruhig getragen, fast hypnotisch ist. Da kann man sich gut auf das konzentrieren, was gesagt wird. Der Unterausschuss hat sicher gute Arbeit geleistet, gar keine Frage. Er hat vor allen Dingen aufgezeigt, dass es einen enormen Handlungsbedarf gibt – aber mir fehlen die Lösungsansätze, die nicht diskutiert worden sind. Diese sind jedenfalls im Schluss­bericht nicht zu finden, und da gäbe es eine ganze Reihe davon, zum Beispiel auf gesetzlicher Ebene. Ich nenne nur ein paar Beispiele, wo wirklich viel zu tun ist. (Prä­sidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Kulturlandschaft ist ein Begriff, der im Gesetz völlig fehlt. Das ist heute gang und gäbe, ich sage Ihnen nur ein Beispiel: Das Gesetz schreibt vor, dass ein Objekt dann zu schützen ist, wenn es in einem regionalen Gebiet wenige davon gibt. Wenn beispiels­weise in Wien nur ein Jugendstilgebäude steht, dann muss das geschützt werden. Warum ist das nicht mehr richtig? – Im Waldviertel etwa gibt es sehr viele Burgen und Schlösser, also eigentlich könnte man einige davon abtragen, das ist aber natürlich ein Blödsinn, weil die Kulturlandschaft insgesamt aus diesen vielen Burgen und Schlös­sern besteht und das ja eigentlich das Schützenswerte ist.

Eine andere Geschichte ist der Umgebungsschutz, der ist im Gesetz viel zu schwach beleuchtet. Ich nenne Ihnen wieder ein Beispiel: Würden heute rund um den Stephans­dom 200 Meter hohe Hochhäuser gebaut werden, dann wäre der Stephansdom geschützt, aber sein Wert wäre wahrscheinlich minimiert. Daher ist der Umgebungs­schutz wichtig, das sehen wir ja beispielsweise bei der Karlskirche, wo das nicht wirk­lich greift, was eigentlich geschützt werden soll.

Ein weiteres Thema ist diese uneinheitliche Entscheidung bei der Aberkennung des Schutzes. Warum erreichen die Baulöwen, die Sponsoren, die Investoren leichter eine Aufhebung des Schutzes als irgendwelche Eigentümer, die wenig Einfluss haben und restriktive Auflagen erhalten? – Na ja, da gibt es viele Gründe, aber ein Grund resultiert auch aus der gesetzlichen Lage. Das Gesetz soll nämlich Kulturgut schützen, aber das Gesetz zeigt auch wirtschaftliche Gründe für das Wegfallen dieses Schutzes auf. Das ist natürlich ein Interessenkonflikt seitens des Denkmalamtes, der ein Wahnsinn ist. Das Denkmalamt hat meiner Meinung nach eine einzige Aufgabe, nämlich: den kulturhistorischen Wert festzustellen und dann unter Schutz zu stellen!

Eine andere Geschichte ist das mit der Günstlingswirtschaft, mit dem Nepotismus, mit der Befangenheit. Die Interne Revision schreibt uns da: Da der Markt an Handwerkern sehr klein ist, ist das halt schwierig und so.

Also dazu zunächst einmal Folgendes, weil Kollege Rosenkranz da etwas gesagt hat: Es gibt eine Liste – ich kenne diese Liste, ich habe einen Teil dieser Liste sogar hier –, es ist eine lange Liste von Handwerkern, von Vergoldern, Kunsttischlern, Stuckateuren, die auf dieser Liste stehen und alle beste Referenzen haben. Selbst wenn es aber nur wenige Handwerker gäbe, wäre das ja noch mehr ein Grund dafür, dass man alle drankommen lässt, wenn sie alle Referenzen haben, und nicht immer dieselben. Da müssen meiner Meinung nach – und das steht auch nicht drin – personelle Konse­quenzen gezogen werden. Punktum! Wenn da irgendwie etwas falsch läuft, müssen die entsprechenden Verantwortlichen ausgetauscht werden.

Was fehlt noch? – Es fehlt die Auskunftspflicht. Die Bescheide werden unter Ver­schluss gehalten. Als Eigentümer kann ich den Bescheid natürlich lesen, ist eh logisch,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 338

aber wenn ich der Meinung bin, dieses Denkmal sollte den Schutz nicht verlieren, dann weiß ich gar nicht, ob das nicht schon passiert ist. Ich kann auch den Bescheid nicht einsehen, bis das Objekt dann irgendwann einmal weggerissen ist.

Der nächste Punkt: die Parteienstellung der Zivilgesellschaft – ähnlich wie beim Kon­sumentenschutz. Es kann nicht sein, dass die Einzigen, die Einspruch erheben können, die Eigentümer und der Bürgermeister beziehungsweise der Landeshaupt­mann sind. Wenn nämlich der Bürgermeister beziehungsweise der Landeshauptmann und der Eigentümer ein und dieselbe Person sind, dann gibt es ja überhaupt nur eine Person, die Einspruch erheben kann, und wenn diese Person einen positiven Bescheid für den Abriss bekommt, dann wird überhaupt niemand dagegen protestieren. Daran gehört eindeutig etwas geändert.

Schlussendlich noch, und dann bin ich schon fertig: Die steuerliche Absetzbarkeit wird in keiner Weise angesprochen. Die steuerliche Absetzbarkeit von Privaten, die in diesen Denkmalschutz investieren, die viel Geld investieren, um etwas Schützens­wertes zu erhalten, ist ganz, ganz wichtig. Sonst geschieht nämlich Folgendes – und das geschieht wirklich sehr häufig –: Die Eigentümer lassen die Gebäude einfach verfallen, bis das Denkmalamt sagt: Jetzt können wir nichts mehr schützen, denn jetzt ist nichts mehr da! – Das kann es nicht sein!

Ich habe, glaube ich, zehn Jahre lang Anträge gestellt, die immer vertagt worden sind. Die ganz einfache Lösung wäre: steuerliche Absetzbarkeit dieser Investitionen. Das hilft uns wirtschaftlich und kulturell. – Danke, es gäbe noch viel zu sagen. (Beifall des Abg. Öllinger.)

1.59


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zanger. – Bitte.

 


1.59.39

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das war jetzt eine Debatte, bei der man fast ein bisschen wehmütig geworden ist, angesichts so vieler Abschiedsreden. Das gleicht ja fast einer Selbst­auflösung des Unterausschusses des Rechnungshofausschusses.

Also ich hoffe, das hat nichts mit der Vorsitzführung zu tun, dass ihr euch jetzt alle schleichts – nicht böse gemeint! Ich bin sehr froh und auch begeistert und ein bisserl stolz drauf, dass dieser Ausschuss so sachlich und konstruktiv arbeitet, in Ruhe und konsequent versucht, der Sache auf den Grund zu gehen. Und ich möchte wirklich allen Fraktionen und allen, die da dabei gewesen sind, dafür ein herzliches Danke­schön aussprechen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, wenn es um politische Themen geht, wenn es um Steuergeldverschwendung geht, dass man so vernünftig miteinander arbeitet. Man sieht jedoch, wenn man es will, geht es doch, und das ist etwas, das ich sehr schätze, weil ich aus dem Bereich der Finanzkontrolle komme. Da merkt man, man kommt nur auf etwas drauf oder es gibt nur dann Lösungen, wenn man versucht, zusammenzuarbeiten. Das ist der Punkt! (Beifall bei der FPÖ.)

Thema Steuergeldverschwendung: Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für den Rechnungshof brechen, dessen Mitarbeiter wirklich akribisch genau und objektiv ihre Berichte erstellen, die wirklich eine hervorragende Arbeitsgrundlage für uns im Parla­ment sind. Ich werde versuchen, das auch in der nächsten Legislaturperiode so weiter­zuführen wie bisher, also diese Geschichten, die der Rechnungshof in seinen Werken aufzeigt, so zu bearbeiten, dass dann schlussendlich auch Dinge vernünftig geändert oder verändert werden können. Das Thema Steuergeldverschwendung ist beim Rech­nungshof immer mit Fakten belegt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 339

Ich möchte noch ein bisserl auf die ÖVP eingehen, weil mich das wirklich wurmt, was Kollege Hanger da heute herumerzählt hat. Die ganze Zeit schon versucht die ÖVP heute, uns zu schulmeistern, dass wir vor den Wahlen keine Beschlüsse mehr fassen dürfen, die budgetär relevant sind. – Ihr habt uns gar nichts zu sagen, geschätzte ÖVP, denn im Gegensatz zu eurer Steuergeldverschwendung, die der Rechnungshof schon in vielen Berichten akribisch nachgewiesen hat, machen wir etwas für die Leute, und das ist keine Steuergeldverschwendung, so wie ihr es macht. – Das ist einmal das eine. (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Hanger behauptet, er ist so viel im Wahlkreis unterwegs und hört von den Bürgern, dass 2008 durch Beschlüsse am letzten Plenartag so viel Geld ausgegeben wurde. Also das möchte ich sehen, welcher Bürger Ihnen das erzählt. Sie erzählen uns das, was Sie hören wollen! Ihr versteht die Leute offensichtlich nicht. Das, was die Bürger mir erzählen, ist, sie wollen, dass ihr einmal ordentlich dezimiert werdet, damit jetzt einmal eine gescheite Regierung zustande kommt, in einer Form mit der FPÖ. Das ist das, was wir hören wollen, und nicht das, was ihr uns da erzählt. – Danke, schönen Abend und gute Nacht! (Beifall bei der FPÖ.)

2.02


Präsidentin Doris Bures: Jetzt hat sich noch Frau Abgeordnete Dr. Moser zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


2.02.52

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser obersteirische Ton soll Sie nicht weiter echauffieren – kom­men wir zur Sache! Ein Kernanliegen von Ihnen allen ist laut Verfassung nicht nur die Gesetzgebung, sondern auch die Kontrolle, und dieses Kernanliegen ist meiner Erfahrung nach bei vielen von Ihnen etwas unterentwickelt, wird ausgeblendet oder ignoriert. Gott sei Dank gibt es aufrechte Abgeordnete auch im Rechnungshof­aus­schuss, die das zumindest im Ausschuss ernst nehmen, und die Arbeit im Unter­aus­schuss, Herr Kollege Zanger, war unter Ihrer Führung immer exquisit. Ich habe auch zahlreiche Unterausschüsse des Rechnungshofausschusses mitgestalten können. Das ist eine lange Latte von ÖBB-Spekulationen, Privatisierungen, AUA, Burgtheater und so weiter und so fort gewesen, und das ist jedes Mal Knochenarbeit! Im Gegensatz zu anderen Ausschüssen – ich habe ja ein bisserl einen Überblick nach zwanzig Jahren Parlamentserfahrung, ich habe, ich glaube, schon fast jeden Ausschuss einmal be­treut – ist der Rechnungshofausschuss für mich relativ arbeitsaufwendig, weil ich Berichte lesen soll – ich sage nicht muss, ich sage, soll – und auch sachlich diskutieren soll. Und diese Kernaufgabe, dieser Aufwand, meine Güte, der wird halt unterschied­lich intensiv betrieben.

Es gibt ein zentrales Feld, zum Beispiel der Einkommensbericht, der die Situation der Republik in zweierlei Varianten darstellt. Es gibt den Einkommensbericht des Durch­schnitts der Bevölkerung, und es gibt den Einkommensbericht Managementgehälter. Und da machen wir im Ausschuss immer die Erfahrung, dass alle Abgeordneten im Rechnungshofausschuss, wirklich ganz egal, von welcher Partei, ob jetzt ÖVP, SPÖ, Freiheitliche, Grüne, NEOS, ziemlich einer Meinung sind, dass es uns massiv stört und dass wir es massiv als politische Aufgabe ansehen, dass der Schere zwischen Arm und Reich, die sich immer mehr weitet, entgegengewirkt werden soll und dass wir endlich einmal auch politisch agieren müssen, damit diese Entwicklung gestoppt wird oder ansatzweise rückgängig gemacht wird.

Ja, da sind wir im Ausschuss einer Meinung. Aber was ist, wenn es dann darum geht, Empfehlungen umzusetzen, die der Rechnungshof immer wieder abgibt? – Zum Beispiel bei diesem Einkommensbericht Managementgehälter ist mir das noch wun-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 340

derbar in Erinnerung: Frau Kollegin Schittenhelm, Sie waren da heldenhaft und haben gesagt, das ist ja – ich will jetzt nicht Schweinerei sagen, denn dann bekomme ich einen Ordnungsruf – nicht hinzunehmen; sagen wir es so. Da waren Sie im Ausschuss heldenhaft; heldinnenhaft, das muss ich jetzt korrigieren. Das ist aber oft so bei den Abgeordneten der Regierungsfraktionen: im Ausschuss unserer Meinung, im Plenum gefesselt. Vor allem die Entfesselungspartei hat besonders enge und dichte Fesseln bei ihren Abgeordneten, wenn es um Änderungen geht, die eventuell nach Beratung im Rechnungshofausschuss vorgeschlagen werden.

Kollege Haubner ist ein Leidtragender meines Änderungswillens. Ich möchte das jetzt einmal kurz als Anekdote präsentieren, damit Sie wissen, wie diese Republik tickt; ich bin gleich fertig.

Wir haben ja an sich den Antrag gestellt, dass die Einkommen in staatsnahen Be­reichen, die Managementgehälter im direkten Staatsbereich veröffentlicht werden sol­len, transparent werden sollen. An der Börse ist das üblich. Bei staatsnahen und staats­eigenen Betrieben herrscht ja kaum Wettbewerb, aber es liegt die große Tuchent drüber. Es ist intransparent, was die Spitzenmanager verdienen.

Die Republik ist der Eigentümer, also denkt man, das Parlament als Vertretung der Republik kann entscheiden. Na gut, wir stellen den Antrag, gehen zur ÖVP; die SPÖ ist glücklicherweise dafür. Klubobmann Lopatka ist auch dafür, unter der Voraussetzung, dass Herr Abgeordneter Haubner dafür ist. Also gehe ich zu Herrn Abgeordneten Haubner, und Herr Abgeordneter Haubner muss fragen, ob er dafür sein darf. Es dauert ein halbes Jahr und länger, bis die Antwort auf diese Frage kommt: Es geht nicht!

Dann überlegt man: Zu wem geht man jetzt? Man kann ja nicht nur zum Schmied gehen, man muss zum Oberschmied gehen, nicht nur zum Wirtschaftsbündler im Par­lament, nein, man geht zum Chef des Wirtschaftsbundes. Man bekommt einen Termin. Dann sitzt der da im Zweireiher, wunderbar angezogen, poliertes Schuhwerk, und man erzählt ihm das Problem: An der Börse ist es transparent, bei der Republik ist es nicht transparent, und der Wirtschaftsbund im Parlament verhindert die Transparenz der Managementgehälter im öffentlichen und staatsnahen Bereich, obwohl es an der Börse üblich ist. Man fragt: Warum? – Man bekommt von dem Herrn mit den polierten Schuhen, der leicht wippend dasitzt, auch keine Antwort, warum das so ist, sondern man bekommt die Antwort – bitte hören Sie genau zu –: Das ist Sache des Eigen­tümers!

Und da beißt sich die Katze in den Schwanz! Wir sind ja die Eigentümerstellvertreter, und wir können nicht, weil der Wirtschaftsbund nicht will. Wir gehen zum Wirtschafts­bund und fragen, warum es nicht geht. Dann gibt es keine Antwort, sondern es heißt nur: Der Eigentümer soll dafür sorgen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der FPÖ.)

So werden wir als Vertreter des Volkes von einer kleinen Schicht, von einer Mini­malschicht, von der minimalsten Schicht, die es gibt von diesen Managern im staats­nahen Bereich, gefesselt, mundtot gemacht, gehandicapt und müssen nach wie vor wie die arme Frau Abgeordnete Schittenhelm in der Gemeinde den Kopf hinhalten für die Intransparenzpolitik von drei, vier, fünf Leuten in der Höhe, an der Spitze, im Himmel des Wirtschaftsbundes.

Das ist die Republik, und so tickt sie! Und deswegen stehe ich hier nach wie vor um 2 Uhr früh empört vor Ihnen, um Ihnen dieses kleine Beispiel noch einmal in Erin­nerung zu rufen, nein, darzustellen, so muss ich sagen. Und wenn wir nicht endlich diese Clan- und Klientelpolitik der Vergangenheit überantworten und sie sozusagen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 341

entsorgen, dann heißt es wirklich: Gute Nacht, Republik! (Abg. Schieder: Wenn es noch lange dauert, ist es: Guten Morgen!)

Das sage ich jetzt absichtlich zum Schluss, denn an sich sind wir eine demokratische Republik und sollen den Parlamentarismus hochhalten und nicht die Klientelpolitik. Was wir brauchen, ist die Emanzipation der Abgeordneten, das aufklärerische Ver­ständnis der Abgeordneten, ein Selbstbewusstsein im Sinne des Allgemeinwohls und nicht des Kuschens, Dienens und des irgendwie Zuschanzens von Einkommen an kleine Kreise.

Ich danke zum Schluss noch speziell den Mitarbeitern in der Parlamentsbibliothek, die mir (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen) – ich höre ohnehin schon auf – manche lange Sitzung durch ihre gute Lektüre, durch ihre guten Bücher etwas verkürzt haben. Ich danke Präsidenten Hofer, der mir einen Ordnungsruf ...

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, Sie müssen zum Schlusssatz kommen, die Redezeit Ihrer Fraktion ist ausgeschöpft. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP, FPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit.)

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Bravo, Frau Präsidentin! Dank an Präsidenten Hofer, der mir einen Ordnungsruf verpasste, obwohl ich keine Silbe sagte! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Walter Rosenkranz: Kollegin Moser, bei Ihnen verdient doch allein schon Ihre Gesinnung einen Ordnungsruf!)

2.10


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 18.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshof­aus­schusses, den Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofaus­schusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG in 1782 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme stimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungs­hofausschus­ses, seinen Bericht 1782 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für diese Kenntnisnahme aus? – Das ist auch einstimmig ange­nommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

02.11.58Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abge­ordneten Dr. Strolz, Kolleginnen und Kollegen, dem Finanzausschuss zur Bericht­erstattung über den Antrag 412/A der Abgeordneten Dr. Hable, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird, eine Frist bis 19. Oktober 2017 zu setzen.

Wer spricht sich für diesen Fristsetzungsantrag aus? – Das ist die Minderheit. Abge­lehnt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 342

02.12.27Einlauf

 


Präsidentin Doris Bures: Schließlich teile ich mit, dass der Vierzehnte Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses an die Mitglieder des Nationalrates verteilt wurde.

02.12.37Schlussansprache der Präsidentin

2.12.38

Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir beenden jetzt in wenigen Minuten die letzte ordentliche Sitzung des Nationalrates der XXV. Gesetzgebungsperiode. Für manche von Ihnen war das heute die letzte Sitzung, für einige davon, die viele Jahre lang ihr Mandat ausgeübt haben, auch eine sehr bewegende Sitzung, weil sie ihre Laufbahn als Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat nun tatsächlich beenden werden.

Es war, so denke ich, eine wirklich außergewöhnliche Gesetzgebungsperiode, die hinter uns liegt. Wir hatten auch eine Reihe an unvorhersehbaren Herausforderungen zu meistern. Es war erstmals zu Beginn einer Gesetzgebungsperiode so, dass sich das Parlament aus sechs Fraktionen zusammengesetzt hat; heute sind es fünf Fraktionen. Es ist erstmals so, dass dem Parlament 14 Abgeordnete angehören, die keine Klubzu­gehörigkeit haben. Und es ist auch erstmals so, dass kein einziger Klub, der hier im Parlament vertreten ist, noch dieselbe Mandatszahl hat, die sich nach dem Wahlergebnis 2013 ergeben hat. Ich glaube, das zeigt, dass diese letzten vier Jahre schon von einer Reihe von Umbrüchen gekennzeichnet waren.

Erlauben Sie mir aber auch, zu sagen, dass es für dieses Haus und für uns alle einen ganz besonders bewegenden Moment gegeben hat, nämlich als nur neun Monate nach ihrer Wiederwahl Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ihren so mutig ge­führten Kampf gegen den Krebs verloren hat. Ich möchte heute in dieser letzten Sitzung in dieser GP für uns alle festhalten: Sie wird uns allen immer als heraus­ragende Parlamentarierin in Erinnerung bleiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Namen Barbara Prammer wird natürlich auch weiterhin die Sanierung dieses Hauses immer eng verbunden sein. Wir sind vor diese Aufgabe gestellt worden und werden sie, glaube ich, ebenso gut meis­tern wie bereits die Übersiedlung hierher in diese Räumlichkeiten, weil es diese große Geschlossenheit hier im Nationalrat gegeben hat, weil es so etwas wie eine große Einigkeit für eine notwendige Generalsanierung des österreichischen Parlaments am Ring gegeben hat.

Ich wollte das deshalb hervorheben, weil man an diesem Beispiel, natürlich auch an unzähligen anderen, erkennen kann, dass es, auch wenn wir jetzt ein paar Tage vor der Wahl manchmal ganz heftige Diskussionen führen, zu einzelnen Themen auch eine große Einigkeit in diesem Haus gibt.

Abschließend möchte ich noch in Erinnerung rufen, dass annähernd jedes dritte Gesetz – also beinahe ein Drittel aller Gesetze, die wir hier beschlossen haben – einstimmig beschlossen wurde, dass wir in vielen Bereichen auch gemeinsam bemüht waren, so etwas wie ein neues Parlament zu implementieren.

Wir haben unsere Türen und Tore für Menschen, die in der Vergangenheit keinen Zugang zum Parlament hatten, geöffnet.

Wir haben die Türen und Tore geöffnet für ehemalige Heimkinder, die Opfer von Gewalt und Missbrauch geworden sind, und wir haben einstimmig eine Heimopferrente für sie beschlossen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll199. Sitzung / Seite 343

Wir haben einstimmig und einhellig unsere Türen und Tore für Lehrlinge geöffnet und neben dem Schülerparlament auch ein Lehrlingsparlament ins Leben gerufen.

Wir haben am Tag der offenen Tür die Türen und Tore für Künstler, für Schriftsteller geöffnet.

Und wir haben auch gemeinsam immer sehr würdig unseren Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus hier in diesem Haus abgehalten, zu dem wir auch die letzten Zeitzeugen eingeladen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dafür möchte ich mich heute bei Ihnen allen bedanken. Ich würde mir wünschen, dass wir diesen Geist des offenen Parlaments, wie wir ihn in der XXV. Gesetzgebungsperiode gelebt haben, und auch den Geist und den wirklich ehrlichen Willen und das ehrliche Bekenntnis, dass wir hier Gesetze beschließen wollen, die den Menschen ihr Leben erleichtern, die zu einer Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in unserem Land führen, auch in die nächste Gesetzgebungsperiode mitnehmen.

Mein Dank gilt zuerst den beiden Nationalratspräsidenten, dem Zweiten Präsidenten Karlheinz Kopf und dem Dritten Präsidenten Norbert Hofer, auch dafür, dass wir in großer Professionalität, wie ich glaube, aber vor allem auch in einer sehr großen Kollegialität, während der Sedisvakanz 202 Tage lang die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten geführt haben.

Ich möchte mich bedanken bei den Mitgliedern der Präsidialkonferenz insgesamt, in der es uns immer gelungen ist, wenngleich manchmal auch in etwas längeren Debat­ten, gemeinsam die Abläufe hier im Haus festzulegen; also bei allen Klubobleuten und Klubvorsitzenden, bei den Klubdirektoren, die in der Vorbereitung sehr viel an Arbeit geleistet haben, und natürlich bei all deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Ich bedanke mich auch bei der Parlamentsdirektion. Ich bedanke mich bei Dr. Harald Dossi, dem Parlamentsdirektor, und bei all den vielen Menschen, die dafür sorgen, dass wir unsere Abläufe so reibungslos oder weitgehend reibungslos vollziehen kön­nen.

Ich bedanke mich abschließend bei Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem bei jenen, die möglicherweise in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr im Hohen Haus vertreten sein werden. Richten Sie meinen Dank auch Ihren Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern aus und natürlich auch Ihren Familien. Ich wünsche Ihnen alles Gute. (Allgemeiner Beifall.)

2.19

*****

Die Sitzung ist geschlossen. – Gute Nacht!

02.19.36Schluss der Sitzung: 2.19 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien