83/PET XXV. GP

Eingebracht am 30.06.2016
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Petition

 

 


 

Wien, 29. Juni 2016

 

Betreff:          Petition bezüglich der Resolution der Marktgemeinde Finkenstein am Faaker See „TTIP- freie Gemeinde"

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß § 100 Abs. 1 GOG-NR überreiche ich die Petition bezüglich der Resolution der Marktgemeinde Finkenstein am Faaker See „TTlP-freie Gemeinde" mit dem Ersuchen um geschäftsordnungsmäßige Behandlung.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Wolfgang Pirklhuber


Sehr geehrte Frau Präsidentin des Nationalrates!

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler!

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesminister!

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten zum Nationalrat!

Der Gemeinderat der Marktgemeinde Finkenstein am Faaker See hat in seiner Sitzung vom 25. Mai 2016 einstimmig den Beschluss gefasst, an die österr. Bundesregierung und den Nationalrat zu stellen nachstehende

 

RESOLUTION

"Die Marktgemeinde Finkenstein am Faaker See erklärt sich zur TTIP-freien Gemeinde"

Mit der Erklärung zur TTIP-freien Gemeinde werden folgende Forderungen an die Bundesregierung, an die Abgeordneten des Nationalrates und an das europäische Parlament verbunden:

     kein Abschluss von Handels- und Investitionsabkommen, welche die Gemeindeautonomie bei der Sicherstellung der öffentlichen Dienstleistungen untergraben oder ihre Rechte auf Regulierung einschränken

     kein Abschluss von Handels- und Investitionsabkommen, die Instrumente des Investitionsschutzes enthalten

     Aussetzen der TTIP-Verhandlungen, solange die verhandlungsrelevanten Dokumente nicht offengelegt sind und es keinen demokratischen Prozess gibt

     die Offenlegung der Verhandlungsunterlagen aller derzeit verhandelten Abkommen, insbesondere TTIP, für BürgerInnen und ParlamentarierInnen

     die begleitende öffentliche Auseinandersetzung mit den Verhandlungsinhalten während der gesamten Verhandlungsdauer im österreichischen und Europäischen Parlament unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Organisationen

 


Alle öffentlichen Dienstleistungen, die für den sozialen Zusammenhalt wichtig sind und zu denen alle BürgerInnen freien Zugang haben müssen, sind von diesen Abkommen betroffen: Gesundheit, Bildung, Energieversorgung, Wasser, Transporte, öffentlicher Verkehr, Post, Telekommunikation, Kultur und Freizeit, Abfall Wirtschaft, Alterspflege usw. Lediglich jene Bereiche, die explizit in Form eines Negativlistenansatzes ausgenommen werden, fallen nicht darunter.

Darüber hinaus sollen Konzerne, die in einer der Regionen bzw. Länder, die TTIP verhandeln, eine Niederlassung haben, in Zukunft bei der Ausschreibung von öffentlichen Verträgen mitbieten können.

Freihandelsabkommen - so auch diese - sind für alle Gebietskörperschaften, also vom Bund über die Bundesländer bis zu den Gemeinden gültig; sie sind für alle Gebietskörperschaften verpflichtend. Bundesländer und Gemeinden sind also direkt betroffen. TTIP stellt das Subsidiaritätsprinzip in Frage, indem sie namentlich die Möglichkeit der lokalen Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen einschränkt im Dienstleistungsbereich eine eigenständige Politik zu betreiben. Die zwingende Gleichbehandlung von lokalen und ausländischen Anbietern (Prinzip der "Inländerbehandlung") macht Regionalpolitik oder die Förderung von Nahversorgung unmöglich.

Im Rahmen von TTIP sollen Konzerne auch Klagerechte gegenüber Staaten zugesprochen werden - der sogenannte Investitionsschutz. Solche Klagen sollen von privaten Schiedsgerichten entschieden werden, die der Öffentlichkeit - wenn überhaupt - nur beschränkt zugänglich sind und für die es keine Berufungsmöglichkeiten gibt. Damit können diese Konzerne in Zukunft Staaten (und indirekt Gemeinden) auf entgangenen Gewinn oder zu hohe Umweltauflagen klagen. Dies kann auch Gemeinden betreffen. So hat Vattenfall 2009 Deutschland wegen zu hoher Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Moorburg in Hamburg geklagt.

Erstmalig wird im TTIP-Abkommen ein regulatorischer Rat verhandelt, der dieses Abkommen zu einem "lebenden Abkommen" machen soll. Dieser Rat soll den Vertretern der Europäischen Kommission und der US-Regierung beschickt werden. Nach Abschluss der Verhandlungen sollen bestehende und zukünftige Gesetze, Vorschriften und Standards zum Schutz von Leben und Gesundheit, zum Umwelt- und Konsumentlnnenschutz insbesondere auch für den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten darauf geprüft werden, ob sie ein unnötiges Handelshemmnis zwischen den betreffenden Ländern darstellen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Harmonisierung gesetzt werden. Ausgewählte Stakeholder (vor allem Konzerne) sollen in die Arbeit des regulatorischen Rates eingebunden werden.

Ein grundlegendes Problem ist die fehlende Offenlegung. Alle Verhandlungsdokumente sind geheim, weder die Position der Europäischen Kommission noch jene der verhandelnden Ländern USA und Kanada sind bekannt. Noch gravierender ist das diesen Verhandlungen eigene Demokratiedefizit. Durch die strenge Geheimhaltung wird ein demokratischer Meinungsbildungsprozess unterbunden. Dies unterminiert die Grundpfeiler der Demokratie und muss deshalb grundsätzlich geändert werden. Verschiedene Gemeinden in Europa haben bereits Maßnahmen gegen TTIP ergriffen und ähnlich lautende Resolutionen unterschrieben.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Der Bürgermeister:                                         Der 1. Vizebürgermeister:

 

BR Christian POGLITS                                               Peter SALBRECHTER

 

 

 

 

Der Gemeinderat:

 

Ing. Alexander LINDER