8/SBI XXV. GP

Eingebracht am 13.05.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Bürgerinitiative

 

 

 

 

An den

Obmann des

Ausschusses für Petitionen und

Bürgerinitiativen

im Nationalrat

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

 

Sachbearbeiter/-in:                                 Geschäftszahl:                                      Datum:

Mag. Martina Cerny                        VA-6105/0018-V/1/2014                 13. Mai 2014

Betr.: Bürgerinitiative Nr. 10 betreffend „Schrottverwertungsanlage im Siedlungsgebiet“

Stellungnahme der Volksanwaltschaft

Zu GZ 17020.0025/4-L1.3/2014

Sehr geehrter Herr Obmann!

Gerne kommt die Volksanwaltschaft dem Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürger­initiativen, eine Stellungnahme zur Petition betreffend „Schrottverwertungsanlage im Siedlungs­gebiet“ abzugeben, nach.


Zum konkreten Fall selbst ist zunächst festzuhalten, dass tatsächlich eine Beschwerde bei der Volksanwaltschaft vorliegt. Diese wurde allerdings nicht von der betroffenen Nachbarschaft, son­dern von einem Vertreter der Betreiberin des Recyclingunternehmens im Jahr 2013 eingebracht. Er beschwerte sich darüber, dass der Magistrat der Stadt Wien schon seit Jahren das Bewilli­gungsverfahren nicht abschließe und immer neue Forderungen stelle, was die Betreiberin als Schikane empfinde.

Die Volksanwaltschaft hat den Beschwerde führenden Vertreter über die damaligen rechtlichen Möglichkeiten wie die Einbringung eines Devolutionsauftrags aufgeklärt. Eine nähere Konkretisie­rung des Beschwerdevorbringens erfolgte nicht, weshalb die Volksanwaltschaft nicht an die Be­hörde wegen Prüfung der Verfahrensdauer herangetreten ist. Ein inhaltliches Eingreifen in das anhängige Verfahren nach der Gewerbeordnung wäre gemäß Art. 148a Abs. 1 B-VG ohnehin nicht zulässig gewesen.

Der Umstand, dass sich nicht die Nachbarschaft, sondern das Unternehmen an die Volksanwaltschaft gewandt hat, zeigt deutlich, dass die Volksanwaltschaft besonders bei Mehrparteienverfahren wie gewerbebehördliche oder abfallwirtschaftsrechtliche Verfahren in einem Spannungsverhältnis steht. Unabhängig davon, welche „Seite“ sich an die Volksanwaltschaft wendet, hat sie das Anliegen auf das Vorliegen eines Missstandes in der Verwaltung zu überprüfen. Im gegebenen Fall wäre dies bei entsprechender Konkretisierung des Vorbringens eine Prüfung der Verfahrensverzögerung durch die Gewerbebehörde gewesen. Wenn sich aber Nachbarn einer Betriebsanlage mit der Beschwerde wegen Untätigkeit gegen Immissionen durch den Betrieb an die Volksanwaltschaft wenden, so wird dieser Beschwerde ebenso nachgegangen.

Die Bürgerinitiative führt an, dass „der Verwirklichung solcher Wahnsinnsprojekte auf Bundes­ebene mittels Bundesgesetzen (deren Einhaltung auch rigoros überwacht werden muss) ein Rie­gel vorgeschoben werden soll.“ Dazu ist aus Sicht der Volksanwaltschaft festzuhalten, dass die bestehende Gesetzeslage - insbesondere die Gewerbeordnung - eine Bewilligung einer Be­triebsanlage oder deren Erweiterung bei Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen vorsieht. Dass Nachbarrechte dabei gewahrt werden müssen, hat die Volksanwaltschaft bereits in zahlrei­chen Berichten an den Nationalrat und Bundesrat dargelegt.

Auch Verbesserungen zur Stärkung dieser Rechte wurden in die legistischen Anregungen zahl­reicher Jahresberichte aufgenommen, da die weitaus größere Zahl von Beschwerden im Gewerberecht Belästigungen und Beeinträchtigungen der Nachbarschaft durch einen Gewerbebetrieb betreffen. Auch stellte die Volksanwaltschaft bereits mehrfach fest, dass Verfahrensvereinfachungen in Betriebsanlageverfahren in der Regel lediglich durch Kürzung nachbarlicher Rechte erreicht wurden.

Dennoch sind auch die Rechte der Betreiber mit zu berücksichtigen. Art. 6 StGG schützt die Er­werbsfreiheit und somit jede Tätigkeit, die auf wirtschaftlichen Erfolg gerichtet ist, insbesondere auch eine Tätigkeit im Sinne der Gewerbeordnung. Wenn ein Betreiber alle gesetzlichen Voraus­setzungen erfüllt, hat er Anspruch auf eine gewerbebehördliche Bewilligung, eine allfällige Verlegung des geplanten Standortes kann daher bei aufrechten Bewilligungen nur von ihm freiwillig erfolgen.

Bei der Gewerbeordnung handelt es sich um ein Bundesgesetz, weshalb einheitliche Bestimmungen bestehen. Dass die Vollziehung dieses Bundesgesetzes nicht immer einheitlich ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass alle Magistrate in Städten mit eigenem Statut sowie Bezirkshauptmannschaften Gewerbebehörden sind. Die Volksanwaltschaft nimmt sich jedenfalls aller Beschwerden an, unabhängig davon, ob sie vom Betreiber oder von der Nachbarschaft eingebracht werden.

Wie bereits erwähnt, ist in jedem gewerbebehördlichen Verfahren zu prüfen, ob die Voraussetzungen zur Bewilligung vorliegen, wobei die Größe des Projekts nicht immer Gradmesser dafür ist, ob sich Personen bei der Volksanwaltschaft beschweren oder sich als Nachbarn etwa mittels Einwendungen unmittelbar im Verfahren zur Wehr setzen. Lärm- und Geruchsbelästigungen kön­nen auch von kleinen Betriebsanlagen ausgehen, ebenso kommt es darauf an, was die betriebliche Tätigkeit umfasst.

Dass eine gesetzliche Bestimmung geschaffen wird, die derartige Projekte generell verbietet, hat die Volksanwaltschaft bisher nicht gefordert und kann sie aus den dargelegten Gründen in dieser undifferenzierten Form nicht fordern.


Der Vorsitzende

Volksanwalt Dr. Günther Kräuter