37/SBI XXV. GP


Eingebracht am 02.09.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Bürgerinitiative

GZ: BMASK-460.002/0029-VII/B/7/2014

Wien, 02.09.2014

Betreff:                Parlament

Bürgerinitiative Nr.50 betreffend "Arbeitszeit FAIRkürzen, Arbeit FAIRteilen: Für 7- Stunden-Arbeitstag und Überstundenabbau"

Sehr geehrte Damen und Herren, werte Abgeordnete!

Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nimmt zur genannten Bürgerinitiative Stellung wie folgt:

Allgemeines:

Die letzte gesetzliche Senkung der wöchentlichen Normalarbeitszeit hat Anfang der 1970er- Jahre stattgefunden. Zwischen 1970 und 1975 wurde die wöchentliche Normalarbeitszeit etappenweise auf 40 Stunden herabgesetzt und zwar bei vollem Lohnausgleich. Diese Zeit      war allerdings geprägt von Hochkonjunktur und Vollbeschäftigung.


In den letzten Jahren wurden in zahlreichen Kollektivverträgen Arbeitszeitverkürzungen ver­einbart, in der Regel auf 38,5 Wochenstunden. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer/innen hat      daher schon derzeit eine geringere wöchentliche Normalarbeitszeit als die gesetzlich vorge- sehene 40-Stunden-Woche.

Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz bekennt sich zwar grundsätzlich zum langfristigen Ziel einer Arbeitszeitverkürzung, gibt jedoch hinsichtlich           der konkreten Forderungen Folgendes zu bedenken:

Zu Punkt 1. der Petition:

 

Eine generelle gesetzliche Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden ist derzeit nicht realisierbar. Erfolgt diese Verkürzung ohne Lohnausgleich, würde dies vor allem in den Niedriglohnbereichen die Arbeitnehmer/innen finanziell extrem belasten. Ein voller Lohnausgleich wäre jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht durchsetzbar.

Demgegenüber hat die Arbeitszeitverkürzung auf kollektivvertraglicher Ebene den Vorteil,  dass sie die besonderen Bedürfnisse und Gegebenheiten der einzelnen Branchen berücksich­tigen können.

Die geforderte Verkürzung der täglichen Normalarbeitszeit von acht auf sieben Stunden wä-   re in der Praxis in manchen Fällen auch nur schwer durchzuführen. So gehen kontinuierliche Schichtmodelle in der Regel von 3 Schichten von jeweils 8 Stunden aus.

Zu Punkt 2. der Petition:

Zu Punkt 2. der Petition ist zunächst auf die EU-Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88 zu verweisen, die eine durchschnittliche Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden und im Ergebnis eine tägliche Höchstarbeitszeit von 12,5 Stunden zulässt. Somit liegt die österreichische tägliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden bereits unter der EU-Grenze. Eine Herabsetzung dieser Grenzen ist derzeit nicht durchsetzbar.

Aus sozialpolitischer und arbeitsmedizinischer Sicht ist eine Verminderung der, der in der Praxis tatsächlich geleisteten Überstunden vordringlicher. Dazu kann eine Vielzahl von ar­beitsrechtlichen und steuerrechtlichen Maßnahmen beitragen, unter anderem auch die im aktuellen Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung vorgesehene Eindäm-   mung von intransparenten All-in-Verträgen.

Überdies müssten bei der geforderten Regelung auch bestehende Ausnahmen von den Höchstgrenzen der Arbeitszeit berücksichtigt werden, die nicht ohne weiteres abgeschafft werden können. Dies betrifft insbesondere die tägliche Höchstarbeitszeit bei Arbeitsbereit­schaft, bei Schichtwechsel und bei vorübergehendem besonderem Arbeitsbedarf.

Weiters wird darauf hingewiesen, dass die geforderte tägliche Höchstarbeitszeit von

9   Stunden sogar unter der nach der EU-Lenkzeiten-Verordnung für Lenker/innen von Schwerfahrzeugen geltenden täglichen Lenkzeit liegen würde, die zweimal wöchentlich

10   Stunden betragen darf. Damit dürfte bei Lenker/innen, von denen den ganzen Arbeitstag über höchste Konzentration erwartet wird und bei denen eine Unkonzentriertheit gravie-  rende Folgen haben kann, allein die Lenkzeit (die sonstigen Arbeitszeiten sind da noch nicht eingerechnet) länger sein als die nach der Petition zulässige gesamte Arbeitszeit etwa von Büroangestellten.


Zu Punkt 3. der Petition:

Unter den geltenden Entgeltbegriff nach § 49 ASVG fallen Geld- und Sachbezüge, auf die der/die pflichtversicherte Dienstnehmer/in aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat. Aus­schlaggebend für den geforderten Kausalzusammenhang ist, dass es sich bei den Bezügen     um Gegenleistungen für „im unselbständigen Beschäftigungsverhältnis" bzw. „im Rahmen    des Dienstverhältnisses " erbrachte Arbeitsleistungen handelt, die damit „entgolten" wer-    den. Auch die Vergütung für die Leistung von Überstunden (Grundlohn sowie Überstunden­zuschlag) fällt somit unter diesen Entgeltbegriff und unterliegt daher der vollen Beitrags-   pflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung.

Derzeit sind seitens des BMASK keine gesetzlichen Änderungen geplant, die die Einführung progressiv steigender Beitragszuschläge für derartige Entgeltbestandteile zum Inhalt haben.   In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch darauf hinzuweisen, dass derartige Ände­rungen eine Erhöhung der Lohnnebenkosten bedeuten würden, während im bereits zitierten Regierungsprogramm im Kapitel „Wachstum und Beschäftigung in Österreich" auf Seite 8   eine „Senkung der Lohnnebenkosten" angestrebt wird.

Darüber hinaus bestehen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes auch verfassungs­rechtliche Bedenken gegen eine beitragsrechtliche Ungleichbehandlung einzelner Entgeltbe­standteile.

Mit freundlichen Grüßen

Für den Bundesminister:

Mag.a Dr.in iur. Anna Ritzberger-Moser