40/SBI XXV. GP

Eingebracht am 10.09.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Bürgerinitiative

 

 

 

 

 

 

 

Parlamentsdirektion

Parlament

1017 Wien

 

per E-Mail

 

 

 

Parlamentsdirektion, Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen,

Bürgerinitiative Nr. 45 betreffend „Handy- und Internetnutzung von Kindern

und Jugendlichen“; Ressortstellungnahme

 

 

Das Bundesministerium für Bildung und Frauen erlaubt sich zu der übermittelten Bürgerinitiative Nr. 45 betreffend „Handy- und Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen“ wie folgt Stellung zu nehmen:

 

Die rasche Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien und die IKT- und Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen stellen auch Anforderungen an die Schulen. Fragen der sicheren Nutzung von IKT, Web 2.0 und Social Media nehmen zunehmend einen hohen Stellenwert ein.

 

Medienkompetenz ist für die Teilhabe im gesellschaftlichen und bürgerschaftlichen Leben, für die Wahrnehmung  der  Meinungsfreiheit  eine  wesentliche  Voraussetzung.  Im  Sinne  einer Stärkung der Meinungs- und Wertevielfalt sollte Medienkompetenz umfassend gefördert werden, um analytische Fähigkeiten zu entwickeln, die ein besseres Verständnis von Demokratie und Meinungsfreiheit sowie die aktive Teilhabe an netzwerkbasierter, medial vermittelter Kommuni­kation ermöglichen. Die Vermittlung digitaler Kompetenzen und einer kritisch reflektiven Mediennutzungskompetenz ist eine zentrale Zielsetzung von „efit21“, der der IKT-Strategie des Ministeriums.


 

Diese Vermittlung findet unter anderem im Rahmen von e-Learning-Aktivitäten auf allen Ebenen des Bildungswesens statt. 400 besonders innovative Schulen aus dem Bereich der Primarstufe, der Sekundarstufe 1 und der Sekundarstufe 2 haben sich in zwei Clustern zusammen­geschlossen und setzen IKT, digitale Medien und mobile Lernwerkzeuge systematisch im Unterricht ein.

 

Der kritisch reflektierte Mediengebrauch ist integrativer Bestand der verschiedenen IKT- Initiativen im Bereich des E-Learning und des E-Content-Einsatzes. Auch in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer gibt es zahlreiche Angebote und Modelle zur Vermittlung digitaler Kompetenzen an die Lehrpersonen.

 

Hinsichtlich der Vermittlung digitaler Kompetenzen im Unterricht und der Implementierung des Themas „Medienerziehung und Umgang mit neuen Medien“ ist darauf hinzuweisen, dass die Schülerinnen und Schüler schon in der Grundschule folgend dem Lehrplan der Volksschule (Lernformen und Moderne Kommunikations- und Informationstechniken: Lehrplan der Volks­schule; Zweiter Teil, Allgemeine Bestimmungen; I. Allgemeine Bestimmungen für die Grund­schule; 6. Lernen und Lehren in der Grundschule) mit altersadäquaten Lernformen im Unterricht den Computer als Werkzeug zum Lernen erleben (Nutzung zum selbständigen, zielorientierten und individualisierten Lernen und zum kreativen Arbeiten, Einsatz von IKT als Beitrag zu Problemlösungen) und an konkreten Situationen die nötigen IKT-Kompetenzen in kollaborativer Weise erwerben sollen. Im Zusammenhalt mit dem auch für Volksschulen wirksamen Unterrichtsprinzip Medienerziehung (Integration über den Kernbereich der Unterrichtsgegen­stände  Deutsch  und Bildnerische Erziehung  sowie  Sachunterricht hinausgehend in den gesamten Lehrplan) sind im Unterricht sowohl Medienprodukte, die sich speziell an Kinder im Grundschulalter richten (zB. Internetseiten für Kinder, Computerspiele bzw. Lernsoftware), als auch solche, die nicht speziell für Kinder dieser Altersstufen produziert, aber tatsächlich von diesen konsumiert werden, zu berücksichtigen und es ist damit Medienkompetenz, vor allem Fähigkeiten, wie Selektionsfähigkeit, Differenzierungsfähigkeit, Strukturierungsfähigkeit und Erkennen eigener Bedürfnisse, aufzubauen. Zur Einbindung des sicheren und verantwortungsvollen Umgangs mit digitalen Medien in den Unterricht stehen entsprechende Materialien für die Lehrerinnen und Lehrer an den Volksschulen, abrufbar unter http://www.saferinternet.at/uploads/tx_simaterials/Safer_Internet_in_der_Volksschule.pdf, zur Verfügung.

 

Auch in den Lehrplänen anderer Schularten sind digitale Kompetenzen, neue Medien, usw. in unterschiedlicher Ausprägung angesprochen, etwa im Lehrplan der Neuen Mittelschule (NMS), demgemäß zur Förderung der „digitalen Kompetenz“ im Rahmen des Unterrichts den Entwicklungen der Informationsgesellschaft Rechnung zu tragen und das didaktische Potenzial der  Informationstechnologien  bei  gleichzeitiger  kritischer rationaler  Auseinandersetzung mit deren Wirkungsmechanismen in Wirtschaft und Gesellschaft nutzbar zu machen ist und ein kritischer Umgang mit und eine konstruktive Nutzung von (digitalen) Medien zu fördern ist. Den Standorten der NMS steht ein umfangreiches und differenziertes e-Learning-Paket zur Verfügung. An jedem Standort wurde eine e-Learning Kontaktperson nominiert, die für die optimale Nutzung dieser Angebote am Standort sorgt. Im Rahmen der Entwicklungsarbeit der Neuen  Mittelschule  erfolgt  durch den  besonderen Fokus  auf das e-Learning also  eine  inten­sivere Thematisierung.


 

Zur Beratung und Begleitung von Lehrerinnen und Lehrern bei der Nutzung von digitalen Medien für ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gibt es unter anderem das Projekt eLSA des Bundesministeriums für Bildung und Frauen. Das Ziel ist die Entwicklung und der Austausch altersadäquater, didaktischer Konzepte von virtuell aufbereiteten Lehr-/Lern-Arrangements, um positive Schulentwicklungsprozesse durch überzeugende Lernergebnisse in Gang zu setzten. Der Ansatz ist hier, die Möglichkeiten neuer Kommunikationsformen zu nutzen und einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen zu vermitteln.

 

Ergänzend dazu wird auf das Projekt „KidZ-Klassenzimmer der Zukunft“ hingewiesen, an dem rund 90 Standorte  (NMS/AHS-Unterstufe) aus  allen  Bundesländern  teilnehmen.  In  diesem Projekt wird der gezielte Einsatz von mobilen digitalen devices, die im Besitz der Schülerinnen und Schüler stehen, für Unterrichtszwecke verfolgt. Internetfähige Smartphones sowie alle anderen möglichen digitalen Endgeräte, die aus dem Alltag der Schülerinnen und Schüler nicht mehr wegzudenken sind, sollen „sinnstiftend“ im Unterricht eingesetzt werden und die notwendige Medienkompetenz erworben werden können.

 

Zusammenfassend ist zu bemerken, dass zur Medienkompetenz Techniken der Mediennutzung wie die Internetsuche und Forenbenutzung, die Anleitung zur kreativen und benutzergerechten Gestaltung  von  Webauftritten,  die  Diskussion  der  Auswirkungen  der  Mediengesellschaft genauso  wie  der  sichere  Umgang  mit  dem  Medium,  der  Schutz  der  Privatsphäre  und  die Achtung der Kommunikationsregeln im Internet, der „Netiquette“, des Copyrights und der Menschenwürde gehören.

Da  die  in  den  Medien  behandelten  Themen  alle  Bereiche  des  Erkennens  und  Handelns berühren, ist die Medienerziehung nicht auf einzelne Unterrichtsgegenstände oder bestimmte Schulstufen beschränkt. Jede Lehrkraft ist vielmehr angehalten, auf die Medienerziehung als Unterrichtsprinzip, wie es in den einzelnen Lehrplänen verankert ist, in allen Unterrichtsgegen­ständen fachspezifisch Bedacht zu nehmen. Für diesen Bereich bieten sich insbesondere projektorientierte Unterrichtsformen an.

Die Integration der Massen- und netzwerk-basierten Medien in das Unterrichtsgeschehen darf dabei nicht als eine bloße Verwendung der Medien, als Impuls für den Fachunterricht oder als Illustration der Stoffdarstellung verstanden werden. Bei der Arbeit mit Medien im Unterricht sind vielmehr die Weltbilder und deren Rückwirkung auf gesellschaftliche und politische Entscheidungen bewusst zu machen. Die Medienkompetenz ist somit interdisziplinär und unter dem Gesichtspunkt des jeweiligen Gegenstands im jeweiligen Lehrplan altersadäquat zu vermitteln.

 

Zur Unterstützung im Schulalltag bietet die Informations- und Koordinationsstelle Saferinternet.at (http://www.saferinternet.at), unterstützt vom Bundesministerium für Bildung und Frauen, umfassende Angebote, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit Mobiltelefonen und dem Internet im Unterricht möglich ist. So wurde zB. auch im laufenden Schuljahr anlässlich des europäischen Safer Internet Days am 11. Februar 2014 ein Schulaktionsprogramm umgesetzt und die Schulen eingeladen, sich mit der sicheren und sinnvollen Nutzung von IKT, Handy und Internet auseinandersetzen.

 

Informationen  speziell  für  Lehrende  sind  unter http://www.saferinternet.at/fuer-lehrende/ abrufbar, zudem ist dort auch eine Handreichung zum Thema „Das Handy in der Schule - Mit Chancen und Risiken kompetent umgehen“ zu finden.


 

Ferner sei noch angemerkt, dass zum Thema „Handyverbot“ in der Schule zwei Veranstaltungen im Herbst 2014 geplant sind.  Die  „Standpunkt“  Diskussionen,  in  deren  Rahmen  Schülerinnen und  Schüler  zu  Wort  kommen,  finden  am  16. Oktober  in  Wien  im  Radiokulturhaus und am 18. November in Wels im „Alten Schlachthof statt. Seit über zehn Jahren wird hier interessierten Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geboten sich über aktuelle Themen mit Fachleuten, aber auch untereinander, auszutauschen. Diese Diskussionen sind als Radiosendungen angelegt und stehen somit einer an Meinungen von Schülerinnen und Schülern interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung.

 

Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf ein sicheres und gewaltfreies Leben. Die „Weiße Feder“  ist  ein  Zeichen  der  Solidarität  und  ein  Zeichen,  dass  Gewalt  an  und  von  jungen Menschen keinen Platz in unserer Gesellschaft hat. Speziell für die angesprochenen Bereiche (Mobbing, Bullying, Sexting, Happy Slapping) finden sich auf http://www.gemeinsamgegen- gewalt.at/gewalt-cybermobbing/tiefergehende Informationen und Unterstützungsangebote.

 

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen unter anderem zur angezeigten interdisziplinären Vermittlung von digitalen Kompetenzen und kritisch reflektiven Mediennutzungskompetenzen sowie zur Beratung und Begleitung bei der Nutzung von digitalen Medien im Unterricht als auch der Unterstützungen für den Schulalltag ist eine weitergehende Aktualisierung oder Präzisierung der entsprechenden Lehrpläne in Richtung der Kreation einer verbindlichen Übung der ange­sprochenen Art und damit - unter dem Aspekt eines auch angesprochenen „Medienführer­scheins“ - eines Teilnahmevermerks für eine diesbezügliche verbindliche Übung in einem Jahreszeugnis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Aussicht genommen.

 

Die Thematik „Flächendeckendes Sperren aller Internetseiten mit Kinder- und Jugendverbot nach dem Vorbild von Großbritannien.“ betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung durch das Bundesministerium für Bildung und Frauen.

 

Bezüglich der Thematik „Generelles Handy-, Smartwatch- und Smartbrillennutzungs-Verbot an öffentlichen Schulen“ wird unter Hinweis auf die obigen Ausführungen einleitend bemerkt, dass das Umgehen mit elektronischen Geräten während des Unterrichts bezweckt sein oder auch als Störfaktor eingestuft werden kann. Unterrichtsmodelle, die die Nutzung von elektronischen Geräten als didaktische Möglichkeit vorsehen, haben sich als nützlich und insbesondere auch in der Berufsbildung als  oft  die  Arbeitspraxis  gut  simulierend  herausgestellt.  Erfahrungen liegen hier seit gut 15 Jahren vor und sind fast durchwegs positiv. Der Identifikationsgrad mit dem Lehrstoff ist umso höher, je praxisadäquater er aufbereitet ist. Dazu gehört auch die Nutzung neuer  Medien  über  welche  Endgeräte  auch  immer.  Jedenfalls  ist  der  Medieneinsatz pädagogisch und mit inhaltlichen Elementen zu steuern.

 

Das Integrieren von internetunterstützten Angeboten und mobilen Geräten wie etwa Mobil­telefonen in den Unterricht fördert die Medienkompetenz und vermittelt jungen Menschen einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen. Ein generelles Verbot würde auch in diesem Zusammenhang die angesprochenen Probleme nicht lösen, sondern diese nur in andere Lebensbereiche  der  Kinder  und  Jugendlichen,  in  denen  sie  keine  Unterstützung  und  Hilfe­stellung erwarten können, verlagern.


 

Bemerkt wird weiters, dass bereits nach der geltenden Rechtslage Möglichkeiten bestehen, mit „Handy, Smartwatch und Smartbrillen“ umzugehen. Gemäß § 4 Abs. 4 der Schulordnung dürfen Gegenstände, die die Sicherheit gefährden oder den Schulbetrieb stören, von der Schülerin oder vom Schüler nicht mitgebracht werden. Derartige Gegenstände sind der Lehrkraft auf Verlangen zu übergeben. Abgenommene Gegenstände sind nach Beendigung des Unterrichtes bzw. der Schulveranstaltung oder der schulbezogenen Veranstaltung der Schülerin bzw. dem Schüler zurückzugeben, sofern es sich nicht um sicherheitsgefährdende Gegenstände handelt. Sicher­heitsgefährdende Gegenstände dürfen nur den Erziehungsberechtigten - sofern die Schülerin bzw. der Schüler eigenberechtigt, diesen - ausgefolgt werden, wenn deren Besitz nicht sonstigen Rechtsvorschriften widerspricht.

Sollte damit nicht das Auslangen gefunden werden, hat die jeweilige Schule im Sinne einer Standort-Diversifizierung im Hinblick auf Zielgruppen und Schulpartnerschaft als auch einer Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen bei Stärkung der Eigenverantwortlichkeiten die Möglichkeit, im Rahmen der Hausordnung, die von den Schulpartnerschaftsgremien festgelegt wird, ergänzende Maßnahmen über den Umgang mit dem Mobiltelefon, einer Smart-watch oder Smartbrillen zu fixieren.

 

In diesem Sinne sollte nach Auffassung des Bundesministeriums für Bildung und Frauen von zentral gelenkten Verboten Abstand genommen werden; lokale Vereinbarungen sind nach der Rechtslage möglich, zu präferieren und zu respektieren.

 

Die  Herausforderung  besteht  darin, die gesellschaftliche Realität und das Nutzungsverhalten von Schülerinnen und Schülern mit Hilfe von innovativen und vielfältigen Konzepten zu sinnvollen Lerneinheiten (digital und analog) zusammenzuführen, um so zeitgemäßen, an jungen Menschen orientierten Unterricht zu entwickeln.

 

 

Wien, 10. September 2014

Für die Bundesministerin:

SektChef Mag. Wolfgang Stelzmüller

 

 

 

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