49/SBI XXV. GP

Eingebracht am 19.11.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Bürgerinitiative


 

Parlamentsdirektion

Parlament

1017 Wien

per E-Mail

Parlamentsdirektion, Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen,

Bürgerinitiative Nr. 51 betreffend „Verbesserung der Lehrlingsausbildung“; Ressortstellungnahme

Das Bundesministerium für Bildung und Frauen erlaubt sich zu der übermittelten Bürgerinitiative Nr. 51 betreffend „Verbesserung der Lehrlingsausbildung“ wie folgt Stellung zu nehmen:

Personen, die eine Lehre absolvieren, lernen ihren Beruf in einem Ausbildungsbetrieb und besuchen gleichzeitig die Berufsschule (duales Ausbildungssystem). Die Regelungen zur Berufsausbildung von Lehrlingen sind im Berufsausbildungsgesetz (BAG) und in diversen Verordnungen des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft enthalten. Die Berufsschule stellt dabei das Pendant zur betrieblichen Ausbildung dar. Eine erfolgreich absolvierte Lehrlingsausbildung ist eine wesentliche Grundlage für die spätere Arbeitsmarktlaufbahn. Nach Maßgabe des § 46 Abs. 1 des Schulorganisationsgesetzes hat die Berufsschule dabei die Aufgabe, in einem berufsbegleitenden fachlich einschlägigen

Unterricht den berufsschulpflichtigen Personen die grundlegenden theoretischen Kenntnisse zu vermitteln, ihre betriebliche Ausbildung zu fördern und zu ergänzen sowie ihre Allgemeinbildung zu erweitern.

Das aktuelle Arbeitsprogramm der Bundesregierung sieht im Kapitel Bildung das Ziel „Gleiche Zahl an Ausbildungsstunden für alle Lehrlinge“ vor und formuliert als Maßnahme „Es soll im Einvernehmen mit den Sozialpartnern für alle Lehrberufe mindestens 1.260 Ausbildungsstunden an Berufsschulen geben. Die Verteilung orientiert sich am Berufsbild.“

Die die Berufsschulzeit betreffende Forderung in der gegenständlichen Bürgerinitiative verfolgt dasselbe Ziel - 1.260 Stunden Ausbildungszeit an Berufsschulen, die derzeit lediglich 1.080 Stunden in den sogenannten „Gastgewerbeberufen“ umfasst. Berufsschülerinnen und -schüler sind durchaus einer hohen Wochenstundenbelastung unterworfen, wobei darauf hinge­wiesen wird, dass in Entsprechung der bundesverfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung bei den Angelegenheiten der äußeren Organisation von öffentlichen Berufsschulen, darunter fallen Regelungen betreffend die Unterrichtszeiten, dem Bund ausschließlich die Grundsatzgesetzgebung obliegt, während die Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung den Ländern zukommt. In diesem Sinne sieht § 10 Abs. 8 des Schulzeitgesetzes 1985 als Grundsatz und Auftrag an die Landesgesetzgebung sowie -Vollziehung vor, dass die Zahl der Unterrichtsstunden an einem Tag unter Bedachtnahme auf die die im Lehrplan vorgesehene Zahl der Unterrichtsstunden für eine Schulstufe, die durchschnittliche Belastbarkeit der Schülerinnen und Schüler sowie der örtlichen Gegebenheiten festzusetzen ist. Dabei darf die Zahl der Unterrichtsstunden in den Pflichtgegenständen an einem Tag neun nicht übersteigen.

Eine hohe Wochenstundenbelastung ergibt sich aufgrund der Lehrgangseinteilungen verbunden mit dem Wunsch der Arbeitgebervertretung, dass Lehrgänge möglichst komprimiert (in wenigen Wochen) die Gesamtausbildungszeit für den schulischen Teil der dualen Ausbildung umfassen, damit die Lehrlinge nicht zu lange vom Ausbildungsbetrieb abwesend sind. Darüber hinaus hätte insbesondere eine Herabsenkung der beispielsweise neun auf acht Pflichtgegenstandsstunden pro Tag in der Vergangenheit für einige Bundesländer, die den Ausstattungs- und Bauaufwand als Schulerhalter der Berufsschulstandorte zu tragen haben, zu Schulraumkapazitätsengpässen geführt.

Aus pädagogischer Sicht ist, um den Bildungsauftrag der Berufsschule optimal erfüllen zu können und dadurch als mitverantwortlicher Ausbildungsort Berufsschule den Beitrag zur Qualifizierung der Fachkräfte von morgen leisten zu können, eine Erhöhung der Gesamtstunden und damit eine Anpassung der Rahmenlehrpläne für Lehrberufe, die noch nicht 1.260 Unterrichtsstunden haben, an den Status Quo des Großteils der Lehrberufe vorzunehmen. Eine Anpassung erfordert ein Einvernehmen mit den Sozialpartnern und auch mit den Ländern, zumal eine Erhöhung der Gesamtstunden auch mit einer Erhöhung der Kosten und Ausgaben im Lehrkräftepersonalbereich verbunden ist, welche auch von den Ländern aufgrund der 50:50-Kosten- bzw. Ausgabentragung zwischen Bund und Länder zu tragen ist.

Betreffend die Forderung nach Einführung eines Pflichtfaches „Bewegung und Sport“ in der gleichen Form wie auch für berufsbildende mittlere und höhere Schulen ist zu bemerken, dass Bewegung und Sport einen wichtigen Bestandteil einer gesamthaften Persönlichkeitsbildung darstellt und dies gewiss auch für den Berufsschulbereich sinnvoll wäre. Aufgrund der unterschiedlichen Organisationsformen ergibt sich jedoch eine mit vollzeitschulischen Ausbildungen nicht vergleichbare Situation. Berufsschulunterricht kann ganzjährig, dh. in der Regel an mindestens einem vollen Schultag in der Woche, lehrgangsmäßig, dh. mindestens acht Wochen hindurch, oder saisonmäßig, dh. auf eine bestimmte Jahreszeit geblockt erfolgen, wobei der lehrgangsmäßige Unterricht sehr verbreitet ist. Ein Mehr an Bewegung ist das Ziel, eine Herausforderung, der über die Schule hinaus zu begegnen ist. Die Berufsschule nimmt im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit ihren „schulsportlichen Angeboten“ (unverbindliche Übung) und Initiativen (Schulsporttage in den Bundesländern, Bundeswinter- bzw. -sommermeisterschaften für Berufsschülerinnen und -schüler) eine Brückenfunktion ein und kann eine Verbindung zum außerschulischen Sport in den Vereinen herstellen bzw. die Lehrlinge dazu motivieren, Sport zu treiben.

Ein konfessioneller Religionsunterricht an Berufsschulen ist entsprechend dem Religions­unterrichtsgesetz grundsätzlich als Freigegenstand, für den eine Anmeldung der Schülerinnen und Schüler erforderlich ist, zu führen. Lediglich an Berufsschulen in Tirol und Vorarlberg ist dieser als Pflichtgegenstand zu führen, wobei nach Maßgabe des Religionsunterrichtsgesetzes wiederum für Schülerinnen und Schüler eine Abmeldemöglichkeit besteht. Ausgehend davon obliegt die Entscheidung, konfessionellen Religionsunterricht zu besuchen, den Berufsschülerinnen und -schülern selbst.

 

Für die mögliche Ausgestaltung eines Ethikunterrichts bestehen im Wesentlichen drei Modelle, die von einer flächendeckenden Einführung des bisher praktizierten Schulversuchs bis zur Etablierung eines eigenen Pflichtgegenstandes reichen. Auch die in der vorliegenden Bürgerinitiative vorgeschlagene Variante der Kopplung von Ethik mit einem anderen, fachverwandten Gegenstand wäre eine denkbare Variante. Bereits jetzt werden im Pflichtgegenstand Politische Bildung auch Inhalte der Ethik im Unterricht behandelt wie etwa die Befähigung zur aktiven, kritischen und verantwortungsbewussten Gestaltung des Lebens in der Gemeinschaft, die vorurteilsfreie und kritische Prüfung anderer Standpunkte und Überzeugungen oder die Achtung und Toleranz anderen gegenüber.

Hinsichtlich der Erstellung neuer Ausbildungsordnungen, der Qualitätssicherungsmaßnahmen rund um die betriebliche Ausbildung sowie der mehrmonatigen Auslandspraktika darf auf die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft hingewiesen werden, wobei im Falle der Erlassung neuer Ausbildungsordnungen durch das Bundes­ministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft korrespondierend dazu im Berufsschulbereich auch neue Rahmenlehrpläne zu erlassen sind, um eine zeitgemäße, den wirtschaftlichen Erfordernissen entsprechende schulische Ausbildung zu gewährleisten.

Wien, 19. November 2014

Für die Bundesministerin:

SektChef Mag. Wolfgang Stelzmüller